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Berliner Stimme Hans Kremendahl: Was jetzt gesagt werden muss Seite 11 Ephraim Gothe über „Berlin, die wachsende Stadt“ Seite 8 - 9 Politik in bewegten Zeiten: Ein Porträt von Waldemar Schulze (I) Seite 12 Nr.15/16 - 64. Jahrgang 23. August 2014 Die Bekämpfung des Rechtsextremis- mus bekommt eine neue Grundlage. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) will im kommenden Jahr dafür 30,5 Millionen Euro bereit- stellen. Das Projekt ‚Demokratie leben’ soll den Kampf gegen rechts langfristig finanzieren und den Initiativen vor Ort direkt helfen. „Bei der inhaltlichen Neukonzeption war mir die Stärkung des Engagements vor Ort am wichtigsten“, erklärte Manuela Schwe- sig. Der Kampf gegen rechts und für die De- mokratie müsse überall geführt werden, doch dafür brauche es „den Rückhalt star- ker Strukturen“ mit Organisationen, die dauerhaft arbeiten. „Das will ich mit dem neuen Bundesprogramm 'Demokratie le- ben' erreichen.“ Sie wolle die „Projekteritis“ beenden und mit den Programmpartnern eine „Partnerschaft des Vertrauens auf Au- genhöhe“ aufbauen, so die Bundesministe- rin, die bereits vor einigen Wochen die von ihrer Vorgängerin eingeführte „Extremis- musklausel“ abgeschafft hatte. „Die Orga- nisationen, Vereine und Träger brauchen Auftakt zur Debatte Im Oktober plant die Berliner SPD drei Mitgliederforen Auftakt zur Wahlprogrammdebatte: Mit drei Mitgliederforen startet die Berliner SPD im Oktober in die inhaltli- che Diskussion. Den Auftakt macht am 8. Oktober (19 Uhr, IG Metall-Haus, Alte Jakob Straße 149) ein Forum zum Themenbereich „Bildung und Wissenschaft“. Neben dem SPD-Lan- desvorsitzenden Jan Stöß, der bei allen drei Foren anwesend sein wird, ist u.a. die Sena- torin für Bildung, Jugend und Wissenschaft Sandra Scheeres mit dabei. Ein Mitgliederforum zum Thema „Arbeit und Wirtschaft“ findet am 14. Oktober statt (19 Uhr, Bayer HealthCare Pharmaceuticals, Auditorium, Müllerstr. 178). An der Diskus- sion zum Thema wird u.a. Dilek Kolat, Se- natorin für Arbeit, Integration und Frauen, teilnehmen. Den dritten Themenschwerpunkt be- handelt das Mitgliederforum „Wohnen und Stadtentwicklung“ am 16. Oktober (19.30 Uhr, JugendKulturZentrum PUMPE der AWO, Lützowstr. 42). Dabei steht u.a. der Senator für Stadtentwicklung und Um- welt Michael Müller zur Diskussion zur Verfügung. BS In dieser Ausgabe: Eva Högl auf Sommertour S.3 Seniorenwoche startet S. 5 „Menschen gegen den Krieg“ S. 12 Ausstellung Walker Evans S. 16 Sozialdemokratische Wochenzeitung „Demokratie leben“ Manuela Schwesig stärkt Initiativen vor Ort Kampf gegen rechts: Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig stärkt lokale Projekte gegen rechts. Foto: SPD Irak: Hilfe für die Krisenregion Hilfe für die Krisenregion: Das Anlaufen der humanitären Hilfe im Nordirak „rette Tausenden das Leben“, so SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi.„Wir müssen davon ausgehen, dass die IS-Terroristen Verbrechen gegen die Menschlich- keit begehen.“ Fahimi zeigte sich erleichtert, dass die Hilfe der internationalen Gemein- schaft im Nordirak „wirkt und dort Le- ben rettet“. Der Schwerpunkt der deut- schen Beteiligung liege „in humanitä- rer Hilfe“. Am Mittwoch beschloss die Bundesregierung aber auch, bis zur kommenden Woche eine Lieferung von Waffen etwa zur Abwehr von Panzern zu prüfen. Man sei sich der Risiken be- wusst, sagte Außenminister Steinmei- er. Der Berliner Bundestagsabgeordne- te Swen Schulz forderte eine Einbezie- hung des Bundestags. Generell will die SPD Rüstungsexporte in Krisengebiete oder an Diktaturen unterbinden. Als „Grundproblem“ des Irak be- zeichnete Fahimi die Zerstrittenheit der politischen Klasse und die ungelö- ste Frage der gleichberechtigten Betei- ligung aller religiösen und kulturellen Bevölkerungsgruppen. Hier bedürfe es „der Bildung einer inklusiven Regie- rung und einer umfassenden Verstän- digung aller Gruppen“. Die Aktion Deutschland Hilft, das Bündnis deutscher Hilfsorganisatio- nen, bittet dringend um Spenden für Opfer des Konflikts im Irak. Die Sofort- hilfemittel, die aus Spenden finanziert werden, werden in die nötigste Versor- gung mit medizinischen Mitteln, Trinkwasser und Lebensmitteln flie- ßen. 11,50 Euro kostet ein Hygiene Kit für Kleinkinder, 35 Euro kostet ein Nah- rungsmittelpaket für eine Familie. Spenden-Stichwort: Nordirak, Spendenkonto: 102030, Bank für Sozial- wirtschaft, BLZ 370 205 00, IBAN DE62 3702 0500 0000 1020 30 BS Vertrauen und Planungssicherheit.“ 22 Mil- lionen Euro – rund zwei Drittel des Ge- samtbudgets – sollen in die Förderung nachhaltiger Strukturen gehen. Dafür wür- den bundesweit 220 lokale ‚Partnerschaf- ten für Demokratie’ aufgebaut, die sich mit konkreten Maßnahmen vor Ort gegen rechts stark machen. Hinzu kämen speziel- le Jugendfonds und eine Stärkung der mo- bilen Beratungseinrichtungen. BS

Seite 11 Schulze (I) Seite 12 Berliner Stimme Rahmen des Literaturfestivals lit.Pots-dam vom 22. bis 24. August findet am Sonntag, d. 24. August eine Lesung und ein Gespräch mit Janne

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Berliner StimmeHans Kremendahl: Was jetztgesagt werden muss

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Ephraim Gothe über „Berlin,die wachsende Stadt“

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Politik in bewegten Zeiten:Ein Porträt von WaldemarSchulze (I) SSeeiittee 1122

Nr.15/16 - 64. Jahrgang 23. August 2014

Die Bekämpfung des Rechtsextremis-mus bekommt eine neue Grundlage.Bundesfamilienministerin ManuelaSchwesig (SPD) will im kommendenJahr dafür 30,5 Millionen Euro bereit-stellen. Das Projekt ‚Demokratie leben’soll den Kampf gegen rechts langfristigfinanzieren und den Initiativen vorOrt direkt helfen.

„Bei der inhaltlichen Neukonzeption warmir die Stärkung des Engagements vor Ortam wichtigsten“, erklärte Manuela Schwe-sig. Der Kampf gegen rechts und für die De-mokratie müsse überall geführt werden,doch dafür brauche es „den Rückhalt star-ker Strukturen“ mit Organisationen, diedauerhaft arbeiten. „Das will ich mit demneuen Bundesprogramm 'Demokratie le-ben' erreichen.“ Sie wolle die „Projekteritis“beenden und mit den Programmpartnerneine „Partnerschaft des Vertrauens auf Au-genhöhe“ aufbauen, so die Bundesministe-rin, die bereits vor einigen Wochen die vonihrer Vorgängerin eingeführte „Extremis-musklausel“ abgeschafft hatte. „Die Orga-nisationen, Vereine und Träger brauchen

Auftakt zur Debatte Im Oktober plant die Berliner SPD drei Mitgliederforen

Auftakt zur Wahlprogrammdebatte:Mit drei Mitgliederforen startet dieBerliner SPD im Oktober in die inhaltli-che Diskussion.

Den Auftakt macht am 8. Oktober (19Uhr, IG Metall-Haus, Alte Jakob Straße 149)ein Forum zum Themenbereich „Bildungund Wissenschaft“. Neben dem SPD-Lan-desvorsitzenden Jan Stöß, der bei allen dreiForen anwesend sein wird, ist u.a. die Sena-torin für Bildung, Jugend und WissenschaftSandra Scheeres mit dabei.

Ein Mitgliederforum zum Thema „Arbeitund Wirtschaft“ findet am 14. Oktober statt(19 Uhr, Bayer HealthCare Pharmaceuticals,Auditorium, Müllerstr. 178). An der Diskus-sion zum Thema wird u.a. Dilek Kolat, Se-

natorin für Arbeit, Integration und Frauen,teilnehmen.

Den dritten Themenschwerpunkt be-

handelt das Mitgliederforum „Wohnenund Stadtentwicklung“ am 16. Oktober(19.30 Uhr, JugendKulturZentrum PUMPEder AWO, Lützowstr. 42). Dabei steht u.a.der Senator für Stadtentwicklung und Um-welt Michael Müller zur Diskussion zurVerfügung. BS ❏

In dieser Ausgabe:Eva Högl auf Sommertour S.3Seniorenwoche startet S. 5„Menschen gegen den Krieg“ S. 12Ausstellung Walker Evans S. 16

Sozialdemokratische Wochenzeitung

„Demokratie leben“Manuela Schwesig stärkt Initiativen vor Ort

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Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig stärktlokale Projekte gegen rechts. Foto: SPD

Irak: Hilfe für dieKrisenregion

Hilfe für die Krisenregion: DasAnlaufen der humanitären Hilfeim Nordirak „rette Tausenden dasLeben“, so SPD-GeneralsekretärinYasmin Fahimi. „Wir müssen davonausgehen, dass die IS-TerroristenVerbrechen gegen die Menschlich-keit begehen.“

Fahimi zeigte sich erleichtert, dassdie Hilfe der internationalen Gemein-schaft im Nordirak „wirkt und dort Le-ben rettet“. Der Schwerpunkt der deut-schen Beteiligung liege „in humanitä-rer Hilfe“. Am Mittwoch beschloss dieBundesregierung aber auch, bis zurkommenden Woche eine Lieferung vonWaffen etwa zur Abwehr von Panzernzu prüfen. Man sei sich der Risiken be-wusst, sagte Außenminister Steinmei-er. Der Berliner Bundestagsabgeordne-te Swen Schulz forderte eine Einbezie-hung des Bundestags. Generell will dieSPD Rüstungsexporte in Krisengebieteoder an Diktaturen unterbinden.

Als „Grundproblem“ des Irak be-zeichnete Fahimi die Zerstrittenheitder politischen Klasse und die ungelö-ste Frage der gleichberechtigten Betei-ligung aller religiösen und kulturellenBevölkerungsgruppen. Hier bedürfe es„der Bildung einer inklusiven Regie-rung und einer umfassenden Verstän-digung aller Gruppen“.

Die Aktion Deutschland Hilft, dasBündnis deutscher Hilfsorganisatio-nen, bittet dringend um Spenden fürOpfer des Konflikts im Irak. Die Sofort-hilfemittel, die aus Spenden finanziertwerden, werden in die nötigste Versor-gung mit medizinischen Mitteln,Trinkwasser und Lebensmitteln flie-ßen. 11,50 Euro kostet ein Hygiene Kitfür Kleinkinder, 35 Euro kostet ein Nah-rungsmittelpaket für eine Familie.

➟➟ Spenden-Stichwort: Nordirak,Spendenkonto: 102030, Bank für Sozial-wirtschaft, BLZ 370 205 00, IBAN DE623702 0500 0000 1020 30 BS ❏

Vertrauen und Planungssicherheit.“ 22 Mil-lionen Euro – rund zwei Drittel des Ge-samtbudgets – sollen in die Förderungnachhaltiger Strukturen gehen. Dafür wür-den bundesweit 220 lokale ‚Partnerschaf-ten für Demokratie’ aufgebaut, die sich mitkonkreten Maßnahmen vor Ort gegenrechts stark machen. Hinzu kämen speziel-le Jugendfonds und eine Stärkung der mo-bilen Beratungseinrichtungen.

BS ❏

Berliner StimmeHHeerraauussggeebbeerr:: SPD Landesverband BerlinVVeerrllaagg:: wegewerk GmbH, Krausnickstr. 3,D 10115 BerlinRReeddaakkttiioonn:: Ulrich Horb (V.i.S.d.P.), Tel.: 030-4692 150, Fax: 030-4692 240, E-Mail: [email protected], Post: Müllerstr. 163,13353 BerlinAAbboo--SSeerrvviiccee:: Jürgen Thomas, Tel.: 2408 36-60,E-Mail: [email protected] Abonnementspreis: 28 Euro pro Jahr (beiZustellung per E-Mail), 35 Euro pro Jahr(bei Zustellung per Post) DDrruucckkeerreeii:: KORRekt Mailingservice Berlin

Seite 2 - Berliner Stimme Politik aktuell 23. august 2014

P olitik persönlich

Bundesjustizminister Heiko Maas. Foto: Presse-und Informationsamt der Bundesregierung

Das Bundesverfassungsgericht hat2010 die deutschen Vorschriften zurVorratsdatenspeicherung als verfas-sungswidrig eingestuft. Der Europäi-sche Gerichtshof entschied im Aprildieses Jahres ähnlich und erklärte dieEU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeiche-rung für unvereinbar mit der Grund-rechtecharta der Europäischen Union.Eine neue EU-Richtlinie ist bislangnicht in Sicht.

Wie geht es weiter mit der Vorratsdaten-speicherung? Das ist daher die zentraleFrage, die sich aus den gerichtlichen Urtei-len ergibt. Benötigen wir eine neue eu-ropäische oder deutsche Regelung, die dieSpeicherung von Verbindungsdaten er-laubt? Ist sie prinzipiell sinnvoll und ange-messen zur Verhinderung und Aufklärungvon Verbrechen? Und wäre es überhauptnoch möglich, eine solche Regelung so aus-zugestalten, dass sie verfassungs- undgrundrechtekonform ist? Darüber diskutie-ren Dr. Eva Högl und Swen Schulz mit Bun-desjustizminister Heiko Maas und AndreMeister, Redakteur bei netzpolitik.org.

Im Koalitionsvertrag hatten Union undSPD noch vereinbart, einen neuen Gesetz-entwurf zu erarbeiten. Die Voraussetzungdafür, so Heiko Maas nach dem Urteil des

Richtlinie vom Tisch?Vorratsdatenspeicherung: Diskussion mit Heiko Maas

Europäischen Gerichtshofs, sei jedoch ent-fallen. „Das Urteil des Europäischen Ge-richtshofs geht noch über die Entschei-dung des Verfassungsgerichts hinaus, sodass ich mir neue Pläne für eine völlig an-lasslose Speicherung von Daten nurschwer vorstellen kann“, sagte Maas. Einennationalen Alleingang schloss er aus.

➟➟ Fraktion vor Ort, 17. September 2014,19 Uhr. Einlass ab 18.00 Uhr, BASE_camp,Mittelstraße 51-53, 10117 Berlin. Um Anmel-dungen wird gebeten: Dr. Eva Högl, MdB,Platz der Republik 1, 11011 Berlin, Telefax:(030) 227-76035

Wolfgang Jähnichen ist mit dem Ver-dienstkreuz am Bande des Verdienstordensder Bundesrepublik Deutschland geehrtworden. Der Fachausschuss Mobilität derBerliner SPD gratulierte seinem Mitglieddazu. „Dies ist eine angemessene Anerken-nung seiner herausragenden Verdiensteum das Deutsche Technikmuseum Berlinund seines großartigen ehrenamtlichenEngagements“, so die Fachausschuss-Vor-sitzende Sybille Uken. „Für den Förderver-ein des Deutschen Technikmuseums istWolfgang Jähnichen unermüdlich tätig.Sein Engagement auch als Vorstandsvorsit-zender des Vereins kann gar nicht hoch ge-nug eingeschätzt werden. Seit vielen Jah-ren ist Wolfgang Jähnichen auch für dieThemen Mobilität und Verkehr weit überunsere Region hinaus aktiv und hat fach-kundig zahlreiche Themen angestoßenund zielorientiert auf den Weg gebracht.Wir freuen uns, dass Wolfgang Jähnichenals langjähriges Mitglied unseres Fachaus-schusses mit dieser besonderen Anerken-nung seiner Arbeit öffentlich gewürdigtwird. Und wir hoffen, dass er uns mit sei-ner Sachkunde und seiner Erfahrung auchkünftig so tatkräftig wie bisher im Fach-ausschuss unterstützen wird.“

Björn Eggert hat am 15. August eine neueAufgabe im Kurt-Schumacher-Haus über-nommen. Der Abgeordnete aus Friedrichs-hain-Kreuzberg und bisherige PolitischeReferent der Naturfreundejugend Deutsch-lands wird sich jetzt mit der Kampagnen-planung des SPD-Landesverbandes befas-sen..

Ulrich Nußbaum, Senator für Finanzen,ist vom Senat erneut zum Vorsitzenden desAufsichtsrats der Berliner Wasserbetriebevorgeschlagen worden. Dem Gremiumgehört u.a. auch die Staatssekretäre Chri-stian Gaebler (Stadtentwicklung) und Hen-ner Bunde (Wirtschaft und Technologie)an.

Literatur und PolitikFrank-Walter Steinmeier beim Literaturfestival in Potsdam

In seinen politischen Ämtern hatBundesaußenminister Frank-WalterSteinmeier immer wieder kulturpoliti-sche Initiativen angestoßen. Als Frakti-onsvorsitzender war er Impulsgeberfür den „Kreativpakt“ von Künstlern,Kreativwirtschaft und Politikern. AlsAußenminister brachte und bringt erneuen Schwung in die Auswärtige Kul-tur- und Bildungspolitik.

Im Rahmen des Literaturfestivals lit.Pots-dam vom 22. bis 24. August findet amSonntag, d. 24. August eine Lesung und einGespräch mit Janne Teller und Bundes-außenminister Frank-Walter Steinmeierstatt. Die in Berlin und New York lebendeSchriftstellerin war als Konfliktberaterinder EU und der UNO tätig. Eines ihrerKernthemen ist die Auseinandersetzungmit der europäischen Identität.

Das 2013 initiierte Festival soll die traditi-onsreiche Kulturlandschaft Potsdams undBrandenburgs alljährlich literarisch neubeleben und zu einem Zentrum des kultu-rellen Austauschs machen, zum Ort der Be-gegnung mit Künstlern, Schriftstellern undPersönlichkeiten von internationalem

Rang. Auch dieses Jahr wartet das Festivalmit herausragenden Gästen auf, darunterHans Magnus Enzensberger, die Bestseller-autoren Sebastian Fitzek und SaschaArango, Marion Brasch, John von Düffel,Jens Sparschuh, Janne Teller und Juli Zeh.Markenzeichen der lit:potsdam ist es, ne-ben traditionellen auch ungewöhnlicheVeranstaltungsorte auszuwählen, Naturund Kunst in Beziehung zu setzen. DiesesJahr öffnet der Park der Villa Jacobs seinePforten, den der preußische Gartenkünst-ler Peter Joseph Lenné entworfen hat undder zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört.Der Abschlussabend der lit:potsdam am 24.August im Brandenburgischen Literatur-büro steht mit „August 14“ ganz im Zeichendes 100. Jahrestages des ersten Weltkriegs.Der preisgekrönte Zeithistoriker Jörn Leon-hard liest aus „Die Büchse der Pandora. Ge-schichte des Ersten Weltkriegs“. PM ❏

➟➟ Sonntag, 24.08.2014, 11.00 Uhr, Ma-tinee in der Schinkelhalle, Lesung und Ge-spräch mit Janne Teller und Bundesaußen-minister Frank-Walter Steinmeier. Modera-tion: Astrid Frohloff (rbb). Karten gibt es zuPreisen von 10,00 bis 14,95 Euro.

23. august 2014 Berlin Aktuell Berliner Stimme - Seite 3

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Ahorn, Flussbad und ein neuer Markt Eva Högl berichtet von ihrer Sommertour rund um den Gendarmenmarkt

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„Nicht um jeden Preis“ Stöß: Olympische Spiele müssen bescheidener werden

In der kommenden Woche wird derBerliner Senat über die Beantwortungvon Fragen des Deutschen Olympi-schen Sportbundes (DOSB) zu einermöglichen Olympiabewerbung derStadt beraten.

Nachhaltigkeit und Bescheidenheit, aberauch Transparenz des Bewerbungsverfah-rens und eine Reform der Vergabekriteriensind den Menschen wichtig. Das ergab eineerste Auswertung der Online-Umfrage desSenats auf berlin.de. Rund 8400 Bürgerin-nen und Bürger haben sich bisher beteiligt.„Ertüchtigung von Vorhandenem statt Gi-gantomanie“ und „Olympische Spiele ganzim Zeichen ökologischer, wirtschaftlicherund sozialer Nachhaltigkeit“ sind zwei derGrundprinzipien, die der Berliner Senat beieiner möglichen Bewerbung Berlins beach-ten will. Bis zum 31. August will der Berli-ner Senat ebenso wie Hamburg die 13 Fra-gen des DOSB beantworten, darunter Fra-gen nach Akzeptanz und Unterstützung inder Stadt oder nach einer ersten Kosten-schätzung.

Am 1. September sollen die Antworten

Der Bus- und Bahn-Begleitservice desVerkehrsverbundes Berlin-Branden-burg (VBB) soll durch eine dauerhafteFinanzierung gesichert werden. Dashat die Berliner AG 60plus jetzt gefor-dert.

Der Begleitservice kann von allen Berli-nerinnen und Berlinern kostenlos genutztwerden, etwa bei Arztterminen. Nun wer-den unter den 80 Begleiterinnen und Be-gleitern, deren Unterstützung seit 2008 be-reits 70.000 Mal in Anspruch genommenwurde, Kündigungen ausgesprochen, dadie Weiterfinanzierung derzeit unklar ist.Bislang wurde der Service zu rund 25 Pro-zent vom Land und zu etwa 75 Prozent vomJobcenter getragen.

„Würde dieser Service wegbrechen, sowäre das für eine Vielzahl von Menschen,die auf Unterstützung in der Begleitungvon Haustür zu Haustür angewiesen sind,ein wesentlicher Rückschlag“, erklärte dieAG 60plus. Landesvorstand und Fraktionder SPD wurden aufgefordert, sich für ei-nen Erhalt des Angebots einzusetzen.

BS ❏

Seit vielen Jahren nutze ich die par-lamentarische Sommerpause und be-suche Verbände, Vereine, Gewerbetrei-bende und spannende Projekte in mei-nem Wahlkreis Berlin-Mitte.

Bei meiner diesjährigen Sommertour ha-be ich unter anderem die Bundespolizei amHauptbahnhof, die Gewaltschutzambulanzder Charité und das KREATIVHAUS auf derFischerinsel besucht. Am 16. Juli habe ichan einem Kiezspaziergang mit der SPD-Ab-teilung Friedrichstadt über den Gendar-menmarkt teilgenommen. Bei sommerli-chen Temperaturen und blauem Himmelhaben wir an verschiedenen Punkten Stati-on gemacht, um über die aktuellen Ent-wicklungen rund um den Gendarmen-markt zu sprechen. An dem Spaziergangnahmen neben vielen Anwohnerinnenund Anwohnern auch Akteure teil, dierund um den Gendarmenmarkt aktiv sind.

Die „Freunde und Förderer Gendarmen-markt Berlin e.V.“, der Verein „Flussbad e.V.“und „Die Mitte e.V.“ (IG Friedrichstraße)präsentierten ihre Ideen für die Weiterent-wicklung des Kiezes. Der ehemalige Staats-sekretär in der Senatsverwaltung für Stadt-entwicklung, Ephraim Gothe, stellte diePläne zur Umgestaltung des Gendarmen-

marktes vor, die in mehreren Bürgerforenmit den Anwohnerinnen und Anwohnernabgestimmt wurden. Die teilnehmendenAnwohnerinnen und Anwohner interes-sierten sich vor allem für den Umgang mitden klassischen Korbahornbäumen an derCharlottenstraße. Nach einem Entscheiddes vierten Bürgerforums zum Gendar-menmarkt, müssen diese erhalten werdenund dürfen ausschließlich durch neue Bäu-

Gespräche auf dem Gendarmenmarkt: dieBundestagsabgeordnete Eva Högl (l.).

Foto: Julie Rothe

me der gleichen Gattung ersetzt werden.Über die Auswirkungen des neuen Ein-kaufscenters auf dem Leipziger Platz fürdie Region um den Gendarmenmarkt be-richtete der Geschäftsführer des Vereins„Die Mitte e.V.“ (ehemals Interessenge-meinschaft Friedrichstraße) Dr. Mateusz J.Hartwich. Der Verein erwartet durch dasneue Center positive Impulse für die Frie-drichstraße.

Bei dem Spaziergang waren auch Mit-glieder der Initiative „Flussbad e.V.“ vor Ort,die ihr Konzept für einen offenenSchwimmbereich am Lustgarten und einnatürliches Wasserreinigungssystem zwi-schen Gertraudenbrücke und Schleusen-brücken vorstellten. Eine super Idee, die ichgerne unterstütze und auf deren Umset-zung ich mich schon sehr freue.

Zum Abschluss des Rundgangs machtenwir noch einen Abstecher auf den Haus-vogteiplatz, der nach seiner Umgestaltungund dank des neuen Marktes ein beliebterMittagspausentreffpunkt für die angren-zenden Büros geworden ist. Die Anwohne-rinnen und Anwohner wünschen sich al-lerdings ein größeres Angebot auf demMarkt als Alternative zu den wenigen Le-bensmittelmärkten im Kiez. Eva Högl ❏

AG 60plus: Begleitdienstbeim VBB erhalten

zeitgleich mit denen von Hamburg im In-ternet veröffentlicht werden, am 6. Dezem-ber will der DOSB entscheiden, ob einedeutsche Bewerbung für die OlympischenSpiele 2024 oder 2028 erfolgen soll. Für2024 haben unter anderem Istanbul, Ma-drid, Paris und Washington schon ihr Inter-esse angekündigt. Die Vergabe durch dasIOC soll im Jahr 2016 erfolgen.

Der Berliner SPD-Landesvorsitzende JanStöß lehnte ein Vorgehen nach dem Motto„reicher, teurer, größer“ ab. Die Spielemüssten sich der Stadt anpassen, nicht dieStadt den Spielen, erklärte er. „Noch gibt eskeine Bewerbung Berlins. Der Senat beant-wortet lediglich einen Fragenkatalog desDeutschen Olympischen Sportbundes. ObBerlin sich bewirbt, wird am Ende gemein-sam mit den Berlinerinnen und Berlinernentschieden.“ Eine Bewerbung, so Stöß,werde es „nicht um jeden Preis“ geben:„Die Spiele müssen bescheidener werden.Sie müssen sich in die lebendige Großstadteinfügen, und die Kosten müssen gedeckeltsein.“ So sehen es laut Umfrage auch dieBerlinerinnen und Berliner. BS ❏

Seite 4 - Berliner Stimme Bezirke 23. august 2014

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Mehr Aufgaben, mehr Jobs SPD-Arbeitsgemeinschaften für Stellenanpassung

deshaushalt, erfordern aber auch „zwin-gend eine Verbesserung des personellenBestandes besonders in den Bezirken“. An-gesichts der hohen Zahl von altersbedingtausscheidenden Beschäftigten im öffentli-chen Dienst werden mehr Ausbildungs-plätze, eine bedarfsgerechte Ausbildungund die Öffnung der Verwaltung für Quer-einsteiger gefordert. BS ❏

Mehr Personal für die Rathäuser. Foto: Horb

Treptow-Köpenick ist einer der Berli-ner Bezirke, in denen klar wird, dassdie Einwohnerzahl Berlins nach Jahrender Schrumpfung wieder deutlich an-steigt. In den zurückliegenden zehnJahren ist die Bevölkerung hier bereitsum rund 13.000 Einwohner gewachsen.Die SPD Johannisthal/Niederschöne-weide lädt am 1. September zur Diskus-sion über die weitere Entwicklung mitRainer Hölmer, Bezirksstadtrat für Bau-en, Stadtentwicklung und Umwelt.

„Es ist ein gutes Zeichen, wenn Men-schen in unserem Bezirk ihre neue Heimatsuchen, doch bringt die wachsende Stadtauch eine Vielzahl von politischen Heraus-forderungen mit sich“, so der Abteilungs-vorsitzende Karlheinz Nolte. „Wir wollendiese neuen Aufgaben unter den Gesichts-punkten Bauen und Wohnen, Bildung undBetreuung, Verkehr und Gewerbe, Woh-numfeld und Erholungswert beleuchten.“

➟➟ „Treptow-Köpenick - ein Bezirk mitZukunft“, Montag, 1. September 2014, 19:00Uhr, großer Saal des Nachbarschaftshauses„Villa offensiv“ (Erdgeschoss), Hasselwer-derstraße 38 in Niederschöneweide.

Zwischen Freibank und MundraubEin Stadtrundgang: Auf den Spuren von Hunger und Mangelernährung im 1. Weltkrieg

Um Ernährung und Hunger im Er-sten Weltkrieg geht es bei einem Stadt-rundgang durch Friedrichshain undPrenzlauer Berg, zu dem die Landeszen-trale für Politische Bildung am Freitag,29. August, einlädt.

Als im Sommer 1914 ein Millionenheerjunger Männer in den Krieg zieht, und vielean den Frontschauplätzen Europas den Todfinden, bleiben die Frauen zurück. Sie sindunter anderem für die Landwirtschaft undLebensmittelproduktion sowie die Versor-gung ihrer oftmals zahlreichen Kinder ver-

antwortlich. Spätestens 1916 kommt es zuernsthaften Versorgungsengpässen, Hun-ger wird zur prägenden Erfahrung bis No-vember 1918. Wie versuchten Frauen, imwenig begüterten Osten Berlins mit der La-ge fertig zu werden? Wie sah der Alltag derEssensbeschaffung aus - zwischen Steckrü-ben und Suppenküchen, zwischen Mund-raub und Freibank?

Der zweieinhalbstündige Rundgang be-ginnt an der Frankfurter Allee, dort wo inBrechts Gedicht aus dem Jahr 1932 einemPferd das Fleisch bei lebendigem Leib von

den Knochen geschnitten wird. Durch dasnördliche Friedrichshain führt der Wegzum Gelände des ehemaligen Schlachthofsan der Storkower Straße im Süden desPrenzlauer Bergs. Die riesige Anlage wurde1881 eröffnet, ab 1914 stagnierte dortkriegsbedingt die Fleischproduktion.

➟➟ Rundgang mit Ralf Oberndörfer, Frei-tag 29.08.2014, 16.00 bis ca. 18.30 Uhr. Treff-punkt: westlicher Ausgang am U-BahnhofSamariterstraße (U5), verbindliche Anmel-dung bis zum 25.08.2014 unter 9016 2510,E-Mail: [email protected]

Eine wachsende Stadt braucht auchmehr Personal im öffentlichen Dienst,so die Vorsitzenden der Arbeitsgemein-schaften in der Berliner SPD. Unzumut-bare Wartezeiten für Bürgerinnen undBürger in den Bezirken, etwa bei derBeantragung von Elterngeld, sollenverhindert werden.

Die im Koalitionsvertrag festgelegteZielzahl von 100.000 Stellen in der Verwal-tung (80.000 Land/20.000 Bezirke) müsseangepasst werden, fordern die Arbeitsge-meinschaften in einem Beschluss. Am Zielder strukturellen Haushaltskonsolidierungsolle festgehalten werden, Einsparungendürften jedoch nicht Wachstum und At-traktivität Berlins gefährden. „Eine erfreu-lich deutliche steigende Einwohnerzahlund eine positive wirtschaftliche Entwick-lung“ verbessern die Einnahmen im Lan-

„Bezirk mit Zukunft“

Die Anfänge des MVAm Mittwoch, 27. August 2014 wird

die SPD-Abgeordnete Brigitte Langeden ganzen Tag in Lübars und demMärkischen Viertel unterwegs sein.

Am Abend lädt sie aus Anlass des 50-jährigen Jubiläums des Märkischen Vier-tels zu einem Erzählcafé: Bewohner der er-sten Stunde erzählen unter dem Motto„Oral history“. Karin Richter, Mitglied derBVV Reinickendorf für das Märkische Vier-tel und Detlef Dzembritzki, Bürgermeisterund Bundestagsabgeordnter a.D., werdenmit dabei sein. Beginn: 19 Uhr in der Ju-gendkunstschule Atrium, SenftenbergerRing 97, 13435 Berlin.

Nicht nur zum SpaßSPD setzt sich für den Erhalt der bestehenden Bäder im Bezirk ein

Für den Erhalt der bestehenden Bä-derstandorte in der Götzstraße (Tem-pelhof), im Ankogelweg und in der Rix-dorfer Straße (beide Mariendorf) hatsich die SPD Tempelhof-Schönebergausgesprochen.

Die Berliner Bäderbetriebe legen demAbgeordnetenhaus nach der Sommerpau-se ihr „Berliner Bäderkonzept 2025“ zur Re-form der Bäderlandschaft in Berlin vor. AlsPilotprojekt soll das Sommerbad Marien-dorf in der Rixdorfer Straße zu einem 365-Tage-Multifunktionsbad ausgebaut wer-den. Im Gegenzug sollen aber offenbar dassanierungsbedürftige Kombi-Bad im Anko-gelweg in Mariendorf und das ebenfalls sa-nierungsbedürftige Stadtbad Tempelhof in

der Götzstraße geschlossen werden. DieSPD-Vorsitzende von Tempelhof-Schöne-berg Dilek Kolat nannte es „gerade in einerwachsenden Stadt“ ein falsches Signal, dieStandorte in der Götzstraße und im Anko-gelweg zugunsten eines neuen 365-Tage-Multifunktionsbades in der RixdorferStraße in Mariendorf aufzugeben“. Die Er-tüchtigung der bestehenden Standortemüsse im Vordergrund stehen und diewohnortnahe Versorgung durch dezentra-le Strukturen erhalten bleiben, so die Ab-geordneten Michael Müller und FrankZimmermann. Die Bäder in der Götzstraßeund im Ankogelweg seien gerade auch fürSchulen, Vereine sowie Seniorinnen undSenioren von großer Bedeutung. BS ❏

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23. august 2014 Berlin Berliner Stimme - Seite 5

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„Mehr Mitbestimmung“Senioren fordern bessere Beteiligungsmöglichkeiten

Gestartet ist die Seniorenwoche be-reits. Aber bis zum 16. September gibtes noch genügend Gelegenheiten, eineder rund 500 Veranstaltungen zu besu-chen. Und auch der große Infomarktauf dem Breitscheidplatz steht noch be-vor.

Am 30. August präsentieren sich dort aufder Bühne und an 162 Ständen zahlreicheOrganisationen, Vereine und Beratungs-einrichtungen für Seniorinnen und Senio-ren, darunter der LandesseniorenbeiratBerlin LSBB, die LandesseniorenvertretungBerlin LSVB, zahlreiche Freiwilligenorgani-sationen und Selbsthilfegruppen, die Seni-orenvertretungen und Sozialämter der Ber-liner Bezirke, sowie Seniorenvereine undSeniorenverbände. Auch die AG 60plusnimmt teil. Es gibt Informationen, Vor-führungen, Spiel, Tanz, Unterhaltung undein buntes Bühnenprogramm. Das Mottoder Seniorenwoche lautet diesmal: „MehrMitbestimmung für Seniorinnen und Seni-oren!“ Das Thema steht auch im Mittel-punkt einer fraktionsübergreifenden Podi-umsdiskussion am 11. September 2014 (14bis 17 Uhr) im Käte-Tresenreuter-Haus inder Humboldtstr. 12, 14193 Berlin. Auf Einla-dung des Präsidenten des Abgeordneten-hauses von Berlin, Ralf Wieland debattie-ren SeniorInnen am Mittwoch, 8. Oktober2014 (13.00 - 16.30 Uhr) im Parlament. Dortkönnen auch Fragen an den Senat gerichtet

werden. Kostenlose Eintrittskarten könnenbei der Landesseniorenvertretung Berlinbestellt werden (Telefon 030/3266 4126, E-Mail: [email protected].

Der Arbeitskreis Berliner Senioren (ABS)organisiert im Auftrag der Senatsverwal-tung für Gesundheit und Soziales die Berli-ner Seniorenwoche. Seitdem die Haupt-stadt 2006 das bundesweit erste Senioren-mitwirkungsgesetz verabschiedet hat, sindin Berlin zahlreiche Vertretungen der älte-ren Generation entstanden, die für die In-teressen der Älteren in Politik und Gesell-schaft einstehen. Das Programmheft gibtes kostenlos in allen Bürgerämtern der Be-zirke und an vielen Stellen des öffentlichenLebens und in den Stadtteilzentren. BS ❏

Die Arbeiterwohlfahrt Berlin-Süd-west lädt am morgigen Sonntag zuihrem Sommerfest in das Museums-dorf Düppel.

Wie im vergangenen Jahr wird zwischen11 und 17 Uhr ein buntes und unterhaltsa-mes Programm für die ganze Familie gebo-ten. Dazu gehören ein Bücher- und Bastel-stand, Ponyreiten, Kinderschminken, mit-telalterliche Musik, Vorführung von Hand-werkstechniken sowie Führungen durchdas Museumsdorf. Aus den Einnahmenkonnten im vergangenen Jahr vermehrtsoziale Projekte unterstützt werden. BS ❏

➟➟ 24. August, 11 bis 17 Uhr, im Mu-seumsdorf Düppel, Clauertstr. südl. des Kö-nigswegs. Eintritt: 3 Euro

Stand der AG 60plus mit Werner Kleist und EdithTöpfer bei der Seniorenwoche im vergangenenJahr. Foto: Horb

Individuelle Hilfen für frühere HeimkinderStichtagsregelung: Anmeldung muss bis zum 30. September erfolgt sein

Für ehemalige Heimkinder, die heutenoch unter den Spätfolgen der Heimer-ziehung leiden, gibt es Hilfsangebote.Allerdings müssen sie sich dazu bis zuden Stichtagen 30.9.2014 (Ost) und31.12.2014 (West) gemeldet haben.

„Durch eine breit angelegte Informati-onskampagne versuchen wir zurzeit, auchalle die zu erreichen, die bisher von demFonds noch nichts gehört haben“, sagt Pe-tra Schwarzer, Leiterin der Berliner Anlauf-und Beratungsstelle für ehemalige Heim-kinder. Mancheiner entscheide sich zwarbewusst gegen eine Kontaktaufnahme, umgar keine Erinnerung an die Zeit im Heimaufkommen zu lassen. Wichtig ist ihr aber,dass niemand aus Unkenntnis die Frist zurAnmeldung versäumt.

Wer sich bis zum Stichtag anmeldet, be-kommt keine festgesetzten finanziellenEntschädigungen, sondern individuelleHilfen. „Bei Menschen, deren Kindheit undJugend dadurch geprägt war, dass es auf

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AWO feiert imMuseumsdorf Düppel

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Walter Momper imErzählcafé

ihren eigenen Willen nicht ankam, ist esbesonders wichtig, dass ihre Wünscheernst genommen werden. Sie wissen selbstam besten, was ihnen gut tut und ihnen inihrer gegenwärtigen Lage helfen kann“,weiß Petra Schwarzer. „Deswegen gibt esbei uns keinen vorbestimmten Leistungs-katalog. Und so gibt es im Ergebnis einegroße Bandbreite von sehr individuell ab-gestimmten Sachleistungsvereinbarun-gen. Gerade bei seelischen Verletzungengeht es manchmal mindestens ebenso sehrum die psychologische Wirkung einer Hilfewie um deren unmittelbar materiellenNutzen im Sinne einer klassischen Hilfelei-stung.“

In Berlin haben sich bislang rund 4000ehemalige Heimkinder gemeldet. Um ih-nen wirksam helfen zu können, müssendie Mittel aufgestockt werden. Die ur-sprünglich von Bund und Ländern je zurHälfte für den Fonds zur Verfügung gestell-ten Mittel in Höhe von 40 Mio. Euro hatten

nicht ausgereicht, um alle berechtigten An-sprüche ehemaliger Heimkinder zu erfül-len. Ab September dieses Jahres werdenMittel bereitgestellt, die eine Leistungs-fähigkeit des Fonds für 2014 sicherstellen,bis dann Ende des Jahres der genaue Be-darf feststeht. Das Land Berlin hat seinenentsprechenden Anteil bereits eingezahlt.Ab September können die Anlauf- und Be-ratungsstellen wieder neue Vereinbarun-gen über Fondsleistungen abschließen.„Wer sich heute neu anmeldet, muss mitWartezeiten von anderthalb Jahren biszum zwingend erforderlichen persönli-chen Beratungsgespräch rechnen“, sagt Pe-tra Schwarzer. An diese Gespräche werdemit hoher Sensibilität herangegangen, esgehe darum, „die Menschen in ihrer ganzindividuellen Situation ernst zu nehmen“.

➟➟ Sondertelefonnummer für Anmel-dungen (030) 557 0049 76, Website:www.abeh-berlin.de, E-Mail: [email protected]

Jeden Monat hat das Erzählcafé Weddingeinen neuen Gast. Am 30. August stellt derehemalige Regierende Bürgermeister seinBuch „Berlin, nun freue Dich“ über dieWendezeit 1989/1990 vor, er erzählt übersein politisches Leben und von seinem En-gagement in der SPD. BS ❏

➟➟ Erzählcafé Wedding mit WalterMomper, Sonnabend, 30. August 2014, 15Uhr, Bürgersaal Malplaquetstr. 15a, 13347Berlin.

Seite 6 - Berliner Stimme SPD Berlin 23. august 2014

NNaacchhrruuff::

Kampf für die kleinen LädenDer frühere AGS-Landesvorsitzende Hajo Rothe ist verstorben

Im Alter von 65 Jahren ist Mitte Julider frühere Landesvorsitzende der Ber-liner Arbeitsgemeinschaft der Selbst-ständigen (AGS) Hans-Joachim Rotheverstorben.

Hajo Rothe, geboren am 26. Mai 1949,gehörte mehr als 25 Jahre der SPD an. AlsSelbständiger betrieb er ein Sportartikelge-schäft, lange Jahre an der Kochstraße, spä-ter an der Friedenauer Rheinstraße. Persön-lich und als zeitweiliger Landesvorsitzen-der des Verbands Deutscher Sportfachhan-del hat er hautnah die Veränderungen desBerliner Einzelhandels erlebt und erlitten,die Verdrängung der Kleinst- und Mittelbe-triebe durch immer neue Einkaufszentren.„Tante-Emma-Läden jetzt erst recht“ über-schrieb er 1995 eine Kolumne im Mittei-lungsblatt der AGS und zählte die Vorteileder kleinen Läden auf, „die Nahversorgungohne lange Wege“ und damit auch ohneAuto oder die soziale Funktion im persönli-chen Miteinander zwischen Kunden undLadenpersonal. „Die Zukunft gehört denKleinanbietern“, schrieb er damals - undvielleicht sind die inzwischen rund 1000

„Spätis“ in Berlin ein Ausdruck dessen. Fürandere Einzelhandelssparten gilt das nicht,die Verödung von Einkaufsstraßen setztsich fort. Mit einer Begrenzung der Gewer-beraummieten wollte die Berliner AGSdem Mitte der neunziger Jahre vorbeugen,aber die Bundesratsinitiative, die die Berli-ner SPD damals durchsetzte, scheiterte ander Mehrheit im Bund.

Gut ein Jahrzehnt gehörte Hajo Rothe alsStellvertreter von Jürgen Müller dem Lan-desvorstand der Berliner AGS an, danachleitete er die Berliner AGS mehrere Jahreselbst, um dem Mittelstand eine politischeLobby zu verschaffen. Längst gab es in Ber-lin „mehr kleine Selbständige als etwa In-dustriearbeiter“, betonte der AGS-Landes-vorstand mit seinem Vorsitzenden HajoRothe 2002. Steuergerechtigkeit, die Stadt-entwicklung, die soziale und ökologischeVerantwortung des Mittelstands warenwichtige Themen.

Die AGS trauert um einen engagiertenMitstreiter, der viel Kraft für die Belangeder Selbstständigen und eine lebenswerteStadt einsetzte. uh ❏

„Die Hilfen ausbauen“Fachausschuss Internationales zum Neuanfang in Afghanistan

Als „historische Chance für einenNeuanfang nach über 30 Jahren Bür-gerkrieg“ haben der Vorsitzende desFachausschusses Internationale Poli-tik, Frieden und Entwicklung Karl-Heinz Niedermeyer, Dr. Gul-Rahim Sa-fi, Vorsitzender des Afghanistan-Komi-tee für Frieden, Wiederaufbau und Kul-tur e.V. und Dr. Joachim Sproß, Vorsit-zender der Deutsch-AfghanischenFreundschaftsgesellschaft e.V. den bis-herigen Wahlprozess in Afghanistanzur Neubestimmung des Staatsober-haupts als Grundlage legitimer staatli-cher Institutionen begrüßt.

„Die afghanische Bevölkerung hat miteiner hohen Wahlbeteiligung ihren Willenbekundet, ihr Schicksal selbst in die Handzu nehmen und auf dem Boden der Verfas-sung und in Zusammenarbeit mit der in-ternationalen Gemeinschaft den Weg desfriedlichen Wiederaufbaus, der innerenAussöhnung und einer nachhaltigen wirt-schaftlichen und gesellschaftlichen Ent-wicklung zu beschreiten. Sie hat sich we-der durch Drohungen noch Gewalt an derWahrnehmung ihrer demokratischenRechte abhalten lassen“, heißt es in einergemeinsamen Erklärung. „Umso dringli-

cher ist es jetzt, dass alle politischen Ver-antwortlichen im Land und die Staaten so-wie internationalen Organisationen, wel-che den Stabilisierungseinsatz in Afghani-stan getragen haben, dafür sorgen, dassdas afghanische Volk nicht um die Früchteseines Engagements für Demokratie undSelbstbestimmung gebracht wird.“

Nach der Neuauszählung sämtlicherStimmen der Stichwahl zur Präsident-schaft, die dem Einsatz von US-Außenmi-nister John Kerry zu verdanken sei, müssesichergestellt werden, dass alle politischenGruppierungen in Afghanistan das Ergeb-nis dieses jetzt auf einer neuen Grundlageerfolgenden Wahlprozesses akzeptierenund die Präsidentschaftswahl zu einertatsächlichen Befriedung führt. „Die Weltund der Westen dürfen Afghanistan undseine Menschen nicht ein weiteres Mal imStich lassen. Die Bundesrepublik als einerder großen Geber und langjähriger Unter-stützer Afghanistans muss nach demRückzug deutscher Soldaten ihr Engage-ment im zivilen Bereich und im Sicher-heitssektor, wie zum Beispiel der Polizei-ausbildung und der Bildung sowie derEntwicklungszusammenarbeit ausbauen.“

BS ❏

Am 26.8.2014 wird der Friedrichshai-ner Sozialdemokrat Heinz Selke seinen90. Geburtstag feiern. Er gehört einerGeneration an, deren Mitgliedschaft inder SPD aufgrund von Mauerbau undSPD-Verbot bald 30 Jahre ruhen musste.

Am 19. September 2010 feierte die Abtei-lung 12 der SPD Friedrichshain-Kreuzberg(„Petersburger Kiez“) die 60 jährige SPD-Mitgliedschaft ihres Genossen mit einerDampferfahrt. Heinz trat 1950 der SPD Frie-drichshain bei, einem Jahr, in dem sie imOstteil der Stadt infolge der Zwangsverei-nigung mit der KPD bereits offiziell nichtmehr existierte. Zwar gab es noch mehrereJahre ein Büro der SPD am BoxhagenerPlatz und 1952 zog mit dem damaligen Frie-drichshainer Kreisvorsitzenden Kurt Neu-bauer sogar ein SPD-Abgeordneter aus Ost-Berlin in den Bundestag ein, aber das be-deutete keineswegs, dass man als Sozialde-mokrat unbehelligt von der SED-Bürokratiefür seine politischen Interessen eintretenkonnte. Tausende Schicksale verfolgter,schikanierter, bis in die Kinder- und Enkel-generation benachteiligter Familien vonSozialdemokratinnen und Sozialdemokra-ten legen davon Zeugnis ab. Mit dem Bauder Mauer wurden alle Kreisbüros aufge-löst, wer sich heimlich traf, riskierte die Be-arbeitung durch die Stasi. Auf Initiative desFriedrichshainer Abgeordneten Sven Hei-nemann wird diese Geschichte von Wider-stand und Unterdrückung nun historischaufgearbeitet. So wird auch dokumentiert,dass es noch bis zum Mauerbau sozialde-mokratische Betriebsgruppen in großenOst-Berliner Betrieben gab. Wir könnenstolz sein, mit Heinz einen Genossen unteruns zu wissen, der mit anderen Genossenseine SPD-Mitgliedschaft nach dem Sturzder Mauer im Herbst 1989 in der damali-gen Abteilung 2 wieder aufleben ließ unduns bis heute ein liebenswerter treuerWeggefährte ist. Auch wenn Heinz schonseit einigen Jahren nicht mehr aktiv amAbteilungsleben teilhaben kann, verfolgter aufmerksam die politische Entwicklung.Wir gratulieren Heinz aufs Herzlichste undwünschen ihm vor allem Gesundheit undUnverzagtheit! Axel Zutz ❏

Heinz Selke mit der AbteilungsvorsitzendenGerlinde Schermer.

Heinz Selke: Glückwünsche

zum 90. Geburtstag

23. august 2014 SPD Berlin Berliner Stimme - Seite 7

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Eine Verwendung von Beitragsgel-dern für den kapitalgedeckten Aufbaueines sogenannten Pflegevorsorge-fonds ist für die Arbeitsgemeinschaftder SozialdemokratInnen im Gesund-heitswesen (ASG) nicht akzeptabel.„Dies wäre nach dem sogenanntenPflege-Bahr ein weiterer Umbau desUmlagesystems in der sozialen Pflege-versicherung“, so der geschäftsführen-de ASG-Vorstand in einer Erklärung.

Der Pflegevorsorgefonds - ein Projekt derCDU - müsse aus dem Gesetzentwurf ge-strichen werden, so die ASG. „Das Geld dasdafür vorgesehen ist, immerhin 1,2 Mrd.Euro jährlich, muss direkt in die Pflege in-vestiert werden“, fordert Boris Velter, Vor-sitzender der ASG Berlin. „Vorsorgen be-deutet für uns die Investition in Pflegein-frastruktur, in die Gehälter der Pflegendenund in die Ausbildung von Pflegepersonal.“Das Geld in einen Fonds einzuspeisen, seimit hohen Realwertverlusten verbunden,so Boris Velter.

Mit dem vorgelegten Gesetzentwurfwird es möglich sein, bis zum Jahr 2045 mitden Beitragsgeldern der Versicherten anden Aktienmärkten zu spekulieren. Velter:„Das Geld wird aber jetzt und nicht erst in30 Jahren gebraucht.“ Es müsse jetzt einekommunale Pflegeinfrastruktur angelegtwerden, damit in Zukunft eine menschen-würdige Pflege in den Kiezen gesichert sei.

Es werde gebraucht, um jetzt regelmäßigeLeistungsverbesserungen finanzieren zukönnen, mehr Ausbildungs- und Studien-plätze für Pflegefachkräfte bezahlen zukönnen und das Schulgeld in der Pflege-ausbildung endlich bundesweit abzuschaf-fen.

Daneben enthalte der Gesetzentwurf je-doch „auch wichtige Leistungsverbesse-rungen der Lebenssituation von Pflegebe-dürftigen und ihrer Angehörigen“, so dieASG. „Diese von der SPD durchgesetztenVerbesserungen begrüßen wir ausdrück-lich“, so Boris Velter. „Wir erwarten auch,dass der neue Pflegebedürftigkeitsbegriffspätestens durch das nächste Pflegestär-kungsgesetz noch in dieser Legislaturperi-ode umgesetzt und nicht weiter von derCDU verzögert wird.“ BS ❏

ASG gegen PflegefondsLob für Leistungsverbesserung, Kritik an CDU-Idee

Wie leben Roma in Berlin?Integrationsarbeit zwischen Selbstbestimmung und Fürsorge

„Roma in Berlin – Integrationsarbeitzwischen Selbstbestimmung und Für-sorge“ lautet das Thema einer Veran-staltung, zu der der SPD-AbgeordneteTorsten Schneider und der Fachaus-schuss Internationale Politik, Friedenund Entwicklung am 27. August einla-den.

Der Fachausschuss will ein Forum bereitstellen, in dem die mit dem Stichwort „Ro-ma in Berlin“ verknüpften Erfahrungenund Problemstellungen in einer Form undin einem Rahmen ausgetauscht werdenkönnen, dass eine Weiterarbeit in einemkonstruktiven Nachfolgeprozess möglichwird.

Soweit wie möglich sollen die Ergebnisseder Veranstaltung in Form von Forderun-gen oder Empfehlungen festgehalten wer-den. Das würde auch dazu beitragen, dassdie Roma in Berlin ihr Potential sowohl imHinblick auf die Lösung ihrer eigenen exi-

stenziellen Probleme als auch in der Mitge-staltung der multikulturellen Stadtgesell-schaft noch stärker als bisher aktivierenkönnen.

Zugleich ist es ein wesentliches Ziel derVeranstaltung, den Antiziganismus zubekämpfen, also Einstellungen und Vorur-teile, welche die Entfaltung dieses Potenti-als ebenso behindern wie die objektivenSchwierigkeiten, mit denen Roma vor al-lem als Arme und sozial Benachteiligte mitvielfältigen Diskriminierungserfahrungenkonfrontiert sind. In die Thematik führenExpertinnen und Experten aus der Verwal-tung, aus Roma-Unterstützungs- undSelbsthilfeorganisation sowie verschiede-nen Beratungseinrichtungen ein. BS ❏

➟➟ Roma in Berlin – Integrationsarbeitzwischen Selbstbestimmung und Fürsor-ge, 27.08.2014, 19:00, Abgeordnetenhausvon Berlin, Raum 320, Niederkirchner-straße, 10117 Berlin

ASG-Vorstand mit Boris Velter (m.). Foto: ASG

Fraktion Intern

Viele bunte Stadtteiltage und neueBürgerbüros. Die Mitglieder der SPD-Frak-tion sind derzeit mit vielfältigen Aktivitä-ten in ihren Wahlkreisen unterwegs.Gleich mehrere Stadtteiltage finden am 27.August statt: Die Abgeordnete Brigitte Lan-ge lädt zum Stadtteiltag Lübars und Märki-sches Viertel ein. Auf dem Programm stehtunter anderem ein Besuch mit SPD-Frakti-onschef Raed Saleh bei der FamilienfarmLübars. Nach Marzahn-Süd/Biesdorf gehtes mit der Abgeordneten Liane Ollech. Teilder Tour ist ein gemeinsamer Besuch mitdem Regierenden Bürgermeister Klaus Wo-wereit und mit Raed Saleh im Unfallkran-kenhaus Marzahn. Dort wurde gerade einneues Ärztehaus eröffnet. Zum Charlotten-burger Stadtteiltag lädt der AbgeordneteFrank Jahnke ein. Ein Höhepunkt: DieFührung durch das neue „Bikini Berlin“-Haus. Am 28. August findet die Einwei-hungsfeier des Abgeordneten Sven Kohl-meier für sein Bürgerbüro für Kaulsdorfund Kaulsdorf-Nord statt. Der AbgeordneteAndreas Kugler eröffnet am 8. Septembersein neues Bürgerbüro während seinesSteglitzer Stadtteiltages. Von 8. bis 14. Sep-tember bietet der Abgeordnete Sven Hei-nemann gleich mehrere FriedrichshainerStadtteiltage an. Alle Termine mit Ortenund Zeiten unter: www.spdfraktion-berlin.de. Die Plenarzeit des Berliner Abge-ordnetenhauses beginnt offiziell wiederam 8. September.

Verbraucherschutzunterricht in denSchulen. An den Berliner Schulen wird esab Beginn des Schuljahres 2015/2016 spezi-ellen Unterricht im Bereich Verbraucher-schutz geben. Der Unterricht findet abKlasse 7 in verschiedenen Fächern statt -sei es in Wirtschaft-Arbeit-Technik, in Bio-logie, Chemie oder auch INT (Informa-tion/Naturwissenschaft/Technik). Die ver-braucherschutzpolitische Sprecherin derSPD-Fraktion des Abgeordnetenhauses, Ire-ne Köhne, sagt: „Diese fächerübergreifendeLösung wird dem Aufgabenbereich Ver-braucherschutz besonders gerecht. Manmuss immer ganz verschiedene Aspekteund Perspektiven betrachten.“

Die Vorbereitungen laufen auf Hochtou-ren, momentan plant eine Arbeitsgruppean der Technischen Universität Berlin zu-sammen mit weiteren Beteiligten den Ver-braucherschutz-Unterricht. Vorausgegan-gen waren politische Rahmensetzungender Kultusministerkonferenz aller Bundes-länder und des Berliner Abgeordnetenhau-ses. Wichtige Unterrichtsbestandteile sindzum Beispiel ein kritischer Umgang mitWerbung und mit Angaben auf Lebensmit-telverpackungen, ebenso eine gesunde undausgewogene Ernährung. cs ❏

Seite 8 - Berliner Stimme Debatte 23. august 2014

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Berlin, die wachsende StadtEphraim Gothe über Herausforderungen und Chancen für die Metropole - und die SPD

weise mit dem Quartiersmanagement be-nachteiligte Quartiere zu stärken und wirsind die Partei, die für Rekommunalisie-rung, für aktive Daseinsvorsorge und solideStadtfinanzen steht.

Trotzdem kommen wir in der Sonntags-frage derzeit über 25 % nicht hinaus,schlimmer noch, die durch Tatenlosigkeitgezeichnete CDU führt stets munter in denUmfragen. Was müssen wir tun, um alskompetente Großstadtpartei wieder stärk-ste Partei in Berlin zu werden? WelcheWählermilieus können und müssen wir ge-winnen, wenn wir wieder über die 30 %Marke kommen wollen?

Dialog mit der Stadtgesellschaft. Diegrößte Herausforderung für die SPD ist es,als Diskussionspartner der Zivilgesell-schaft wieder akzeptiert zu werden. DerVolksentscheid zu Tempelhof zeigt, dassauch die Berliner SPD eine Vertrauenskrisedurchlebt. Es erfordert Mut, nach draußenzu gehen, echte Beteiligungsprozesse an-zubieten, offen und ehrlich Themen undProjekte zu besprechen und sich auch aufungewohnte Lösungsvorschläge einzulas-sen. Internetbasierte Beteiligungsplattfor-men und ein Stadtforum, das auch von derZivilgesellschaft mitbestimmt wird, kön-nen hierfür wichtige Bausteine darstellen.

Realistisches Wachstumsszenario er-arbeiten. Die wachsende Stadt erforderteinen Ausbau der sozialen und techni-schen Infrastruktur. Dies geht nur mit ak-tuellen Wachstumsszenarien; die zusätzli-chen 234.000 Menschen, die unsere amtli-che Prognose für das Jahr 2030 errechnet,ist überholt, seit 2011 ist bereits heute einZuzug von 130.000 Menschen zu verzeich-nen. Davor dürfen wir nicht die Augen ver-schließen. Die Stadt braucht nicht nur eineaktualisierte Bevölkerungsprognose, son-dern eine stadtwirtschaftliche Studie, diedie Herausforderungen für alle Ressorts,für die Bezirke und die landeseigenen Un-ternehmen der Daseinsvorsorge sowie dasveränderte Steueraufkommen darstellt.

Wachstumsfonds abstecken. Dank un-serer strengen Haushaltspolitik über vieleJahre und dank des Wachstums der Stadtkonnte bereits 2012 und 2013 das Kriteriumder Schuldenbremse übererfüllt und dieStaatsverschuldung um 450 Millionen Euroabgebaut werden. Dank Gründerboom,steigender Einwohnerzahl, wachsendemTourismus, moderat sinkender Arbeitslo-sigkeit und höherer Grunderwerbssteuerkann mit Mehreinnahmen von 250 Millio-nen Euro pro Jahr gerechnet werden. Esgilt, diese Spielräume für die Legislatur

Die Stadt Berlin wächst. Mit den sichdaraus ergebenden Herausforderun-gen und Chancen für die Spreemetro-pole und für die Berliner SPD befasstsich der Stadtplaner Ephraim Gothe,früherer Baustadtrat in Mitte undStaatssekretär in der Senatsverwaltungfür Stadtentwicklung, in seinem De-battenbeitrag für die BERLINER STIM-ME.

Berlin, offene Stadt. Nach zwei Jahr-zehnten einer stagnierenden Einwohner-entwicklung erlebt die Spreemetropolederzeit einen Wachstumsschub wie zuletztnur in der Gründerzeit um 1900. In denletzten 3 Jahren ist Berlin um 130.000 Be-wohnerInnen angewachsen. Besondersstark ist der Zuzug aus Süd- und Südosteu-ropa, aber auch der Zuzug vor allem jünge-rer Menschen aus allen Teilen der Bundes-republik hält unvermindert an.

Die wichtigste Ressource der Stadt,unsere solidarische Stadtgesellschaft.Wie kaum eine andere europäische Groß-stadt verfügt Berlin über einen gesell-schaftlichen Konsens zur sozial gemisch-ten Stadt. Die berühmte Berliner Mischungwird überall in Berlin als besonders positi-ve Eigenschaft hervorgehoben. Nicht nurdie Bereitschaft, diese soziale Mischung zuerhalten, ist groß, Berlin verfügt über einetolerante Zivilgesellschaft, die in vielfältig-ster Weise soziales Miteinander lebt. DieseEigenschaft ist eine wichtige Ursache fürden Zuzug und zugleich die Chance, diesenZuzug auch ohne soziale Konflikte zu be-wältigen.

Die soziale Dimension des Wachs-tums und die Wucht der Wohnungsfra-ge. Der Zuzug verstärkt stadträumlicheEntmischungstendenzen; in angesagtenQuartieren gehen die Angebotsmietenhoch, in preiswerten Vierteln suchen diemittellosen Zuwanderer nach Wohnraum.Gentrifizierung ist innerhalb des S-Bahn-Rings Alltagsrealität. Ein Drittel der Berli-nerinnen und Berliner lebt in Haushaltenohne Erwerbstätigen, viele Haushalte wer-den im Alter über noch weniger Einkom-men verfügen, um beispielsweise die Mie-te zu bezahlen. Das birgt sozialen Spreng-stoff.

Neben dem Zuzug steigt auch die Leben-serwartung der Berlinerinnen und Berli-ner, die Zahl der Kinder nimmt zu und derTrend zu Singlehaushalten hält an. DerWohnungsleerstand von über 100.000Wohnungen hat sich in den letzten 6 Jah-ren vollständig abgebaut, der Wohnungs-markt spannt sich weiter an. Wohnungs-neubau ist das Gebot der Stunde, ebenso

Der Stadtplaner Ephraim Gothe war Baustadtratin Mitte und Staatssekretär in der Senatsver-waltung für Stadtentwicklung. Foto: privat

wie die Aktivierung aller Schutzmechanis-men gegen soziale Verdrängung im Woh-nungsbestand.

Dies zusammen stellt die Stadt in denkommenden 10 Jahren vor große Aufga-ben, die politischen Parteien sind allesamtgefordert, sich der Herausforderungen be-wusst zu werden und die Chancen für dieStadt herauszuarbeiten. Erweist sich dieBerliner SPD als die kompetente Großstadt-partei, die das Wachstum der Stadt gestal-tet und sozial bewältigt, kann sie die Ber-lin-Partei werden, die wir selber so gernebeschwören.

Wo steht die Berliner SPD gerade undwas ist zu tun? Der erfolgreiche Start derKoalition im Bund und die gute Arbeit imSenat spiegeln sich nicht in der Wähler-gunst! Im Bund leistet die SPD mit Gabriel,Schwesig, Nahles, Steinmeier, Maas undHendriks beeindruckende Arbeit und auchim Senat stellen wir trotz BER-Krise die Ak-tivposten. Wir sind die Partei, die für Bil-dungschancen steht, für erstklassige Ein-richtungen von der Kita bis zur Hochschu-le. Wir zeigen, dass Beruf und Familie auchin der Großstadt nicht nur vereinbar sind,sondern mit hoher Lebensqualität einher-gehen. Wir nutzen vorbildlich die Städte-bauförderung des Bundes, um beispiels- Fortsetzung Seite 9

23. august 2014 Debatte Berliner Stimme - Seite 9

Flagge zeigen. Die Attraktivität Berlins alsUrsache für den Zuzug hängt mit derStrahlkraft zusammen, die die Spreemetro-pole als weltoffener, toleranter und hipperLebensort nach außen vermittelt. Und weilso viele nach Berlin kommen, ist BerlinGründerhauptstadt, entstehen neue Ar-beitsplätze in der digitalen Wirtschaft,boomt der Tourismussektor. Das weltweitpositive Image der Stadt und die durch Zu-zug wachsende Wirtschaft bedingen ein-ander.

Wirtschaftsprojekt Nummer Eins istnatürlich der Großflughafen, er muss mitaller Kraft fertig gestellt werden! Wir wol-len die von der EU geforderte und geförder-te Smart-City-Strategie für Berlin ent-wickeln, denn Berlin hat das Potenzial, dieSmart-City in Europa zu werden. Wir wol-len den Erfolg von Adlershof mit heute15.500 Mitarbeitern in 1000 neuen Firmen,mit 9.500 Studierenden und mit einemjährlichen Steueraufkommen von 340 Mio€ (wovon 180 in die Berliner Landeskassefließen) in Tegel mit der Urban Tec Repu-blic wiederholen. Wir wollen das geschätz-te dichte Nebeneinander von Arbeiten,Wohnen und Leben (Kreuzberger Mi-schung) ausbauen, wo immer es geht. Wirwollen die Modernisierung unserer techni-schen Infrastrukturen als Grundlage er-folgreichen Wirtschaftens forcieren.

Und nicht zuletzt: Politik ist Teamar-beit. Die erfolgreiche Bewältigung desWachstums erfordert ein Höchstmaß anKommunikation und die muss in der Parteianfangen: Partei, Fraktion und die SPD-Sei-te des Senats haben hierbei verschiedeneRollen zu erfüllen, trotzdem müssen sie ge-meinsam handeln und nach außen ge-schlossen agieren. Sie müssen ernsthaftmiteinander arbeiten, mit sich, mit derMitgliedschaft und mit der Zivilgesell-schaft. Ephraim Gothe ❏

2016 bis 2021 seriös darzustellen und diesesPlus aktiv für die Bewältigung des Wachs-tums einzusetzen. Der griffige Titel einesWachstumsfonds ist vom Landesvorstandbereits benannt.

Stärken stärken - und zwar mit Weit-blick. Berlin hat Qualitäten, die die Stadtnicht nur im Vergleich mit anderen eu-ropäischen Metropolregionen unterscheid-bar sondern auch konkurrenzfähig macht.Der Senat arbeitet derzeit sehr verantwor-tungsbewusst die Themen und Räume her-aus, in die die knappen Ressourcen derStadt - Baurecht, Flächen, Geld und nichtzuletzt das, was in der Stadt inhaltlich kon-sensfähig ist - langfristig investiert wer-den. Diese BerlinStrategie muss vom Regie-renden Bürgermeister, vom Finanzsenator,von allen Ressorts und Bezirken getragenund mit der Zivilgesellschaft und den poli-tischen Parteien stetig weiter verhandeltwerden.

Die Lösung der Wohnungsfrage -Topthema mit sozialer Sprengkraft. An-gesichts des anhaltend starken Zuzugsgehört die Wohnungs- und Mietenpolitikauf Platz eins der tagespolitischen Agenda.Die SPD muss klar machen, dass Wohnun-gen nicht ein Wirtschaftsgut, sondern einSozialgut sind. Nicht nur müssen alleSchutzmechanismen für die 2 Millionenbestehenden Wohnungen - auch die Um-wandlungsverordnung - mit Leidenschaftaktiviert, sondern auch alles getan werden,um den Wohnungsneubau zu forcieren.

12.000 bis 15.000 neue Wohnungen proJahr müssen das Ziel sein, jede vierte Woh-nung sollte hierbei im geförderten sozia-len Wohnungsbau errichtet werden. Insbe-sondere innerhalb des S-Bahn Rings müs-sen wir mit unseren 6 Wohnungsbauge-sellschaften dafür kämpfen, dass auf dengroßen privaten Bauflächen sozial undfunktional gemischte, urbane Quartiereentstehen.

Wenn dies alles gelingt, bleibt immernoch das Problem, dass Familien mit Haus-haltseinkommen unterhalb der Armuts-grenze bei Umzug praktisch keine Woh-nungsangebote mehr finden. Der Anteilder Wohnungsangebote unterhalb der Be-messungsgrenzen hat sich von 2007 bis2013 von 39 % auf 6 % reduziert, die Wis-senschaft spricht bereits von einem„Marktversagen“.

Der kommunale Wohnungsbestandmuss daher mit aller Kraft durch Ankaufund Neubau mittelfristig auf 400.000Wohnungen steigen, die Berlinovo mitihren 14.000 Wohnungen muss kurzfristigin den Bestand der Städtischen Wohnungs-baugesellschaften übernommen werden,die 7000 Appartments in den Bestand desStudentenwerks. Aber auch die anderen„nicht an Rendite orientierten“ Marktteil-nehmer wie Genossenschaften, gem-

einnützige Wohnungsträger und Baugrup-pen müssen über die nun seit 3 Jahren le-diglich angekündigte neue Liegenschafts-politik gefördert werden.

Gewässer, Parks, Plätze und Straßen -der öffentliche Raum ist Lebensgrund-lage. Die SPD muss für gut gestaltete undgut gepflegte Straßen, Plätze und Parks ste-hen. Sie sind der gemeinsame Lebensraumder Stadtgesellschaft, sie können auch be-scheidenere Wohnverhältnisse kompensie-ren. Bei jedem Umbau muss Barrierefrei-heit erreicht werden, müssen die Verkehrs-flächen zugunsten der Fußgänger, desFahrrads und des öffentlichen Nahverkehrsgestaltet, Schritte zur Anpassung an denunvermeidlichen Klimawandel getan wer-den. Es gilt, die wachsenden Städtebauför-dermittel von Bauministerin Barbara Hen-driks hierfür zu nutzen. Am öffentlichenRaum misst sich, wie sozial eine Stadtge-sellschaft wirklich ist.

Bezirke stark machen. Die Bezirke sindaufgrund des rigorosen Stellenabbaus derletzten beiden Jahrzehnte aktuell nichtmehr in der Lage, ihre Pflichtaufgaben ver-lässlich zu erfüllen. Eine verantwortungs-bewusste Personalentwicklung des öffent-lichen Dienstes muss - streng orientiert anden Bedürfnissen der wachsenden Bevöl-kerung - in die Wege geleitet werden. UndErfolge können nur gemeinsam - Senatund Bezirke - erreicht werden. Der Senatmuss die Bezirke als Partner auf Augen-höhe sehen, eine Kultur der guten Zusam-menarbeit ist geboten, auch hierfür mussdie SPD stehen.

Die Wirtschaftskraft der Stadt ent-wickeln. Für die Gewinnung des breitenund wirtschaftlich denkenden Mittelstan-des in Berlin ist nichts so wichtig wie dieFrage der wirtschaftlichen Prosperität, derWirtschaftskompetenz und der Schaffungvon Arbeitsplätzen. Hier muss die SPD

Ephraim Gothe, hier bei einem Rundgang mit dem Kulturforum in Mitte: „Öffentlicher Raum istLebensgrundlage.“ Foto: Horb

Fortsetzung von Seite 8

Seite 10 - Berliner Stimme Debatte 23. august 2014

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Impfstoff gegen die geistige Pest gesuchtDem Antisemitismus entgegentreten ohne neue Vorurteile zu befeuern

Der Spruch „Aus der Geschichte ler-nen“ ist nicht nur ein verbreitetesSchmuckelement zeitgenössischer Ver-anstaltungen über die dunklen Kapitelunserer Vergangenheit. Seine Warn-wirkung reicht in die Gegenwart hin-ein. Der deutsche Antisemitismus derersten Hälfte des 20. Jahrhunderts - inweiten Teilen und Schichten der Bevöl-kerung verankert - wurde damals mas-siv unterschätzt und für eine Rander-scheinung gehalten. Die Frucht dieserEpoche ist jedem Schullehrbuch zu ent-nehmen.

Im Kontext des Nahostkonfliktes hörtman heute auf deutschen Straßen men-schenverachtende Parolen, die in ihremDuktus den SA-Parolen aus den 1930er Jah-ren ähneln. Unsere Schande ist, dass wirdas zugelassen haben. Moderne „neue“und „alte“ Antisemiten sind heterogen undrepräsentieren verschiedene Strömungen,angefangen von der „klassischen“ rechtsra-dikalen Clique über den „intellektuellenAntisemitismus“ mit pseudowissenschaft-lichen Argumentationen und oftmals ver-schwörungstheoretischen Tönen bis zu la-tenten Judenhasser, die Detlev Claussenmal adäquat als „Ja, aber“-Antisemiten be-zeichnete. Xenophobisch können die Men-schen mit und ohne Migrationshinter-grund, mit einem Doktortitel oder einer Be-rufsschulreife, Arme und Gutsituierte wer-den. Laut dem Antisemitismusbericht desBundestages von 2012 ist jeder Fünfte inDeutschland latent antisemitisch. Der all-gemein wirkende Impfstoff gegen diesegeistige Pest ist offensichtlich noch nichtgefunden.

Aber auch wenn der Antisemitismus inallen Teilen unserer Gesellschaft vertretensein kann und ist, ist die derzeitige öffentli-che Wahrnehmung geprägt von den Bil-dern von Jugendlichen und jungen Er-wachsenen mit Migrationshintergrund,die sich auf pro-palästinensischen Demosmassiv und vor allem aggressiv gegen Isra-el aussprechen. Deutschland ist darüberempört. Zu Recht, denn die Gewaltbereit-schaft und Verachtung gegenüber Judenist nicht zu akzeptieren.

Die deutsche Öffentlichkeit muss jedochzu einem bewussteren Umgang mit derar-tigen Phänomenen finden. Statt die Vorur-teile gegenüber Muslimen als Gesamt-gruppe zu befeuern, wäre es wichtig, aufder einen Seite den antisemitischen Hand-lungen mit Mitteln des Strafrechts Einhaltzu gebieten und gleichzeitig deutlich zumachen, dass Antisemitismus auch beiMuslimen nicht der Normalfall ist.

Um das in den Medien gezeigte Phäno-men zu begreifen, müssen wir uns aberauch anschauen, wer die Jugendlichen sindund wie es zu einer derartigen Radikalisie-rung kommen konnte. In Berlin leben diemeisten Migranten mit arabischem Hinter-grund in wenigen Stadtteilen konzentriert.Dort werden ihre Kinder geboren und dortgehen sie zur Schule. Sie sind, entgegen dengeläufigen Medienberichten, also unsereKinder, die in Deutschland sozialisiert wor-den sind.

Sie wachsen jedoch getrennt von derMehrheitsgesellschaft auf. Nicht selten ge-hen sie auf Schulen, in denen der Anteil vonSchülern mit Migrationshintergrund bei 80Prozent und höher liegt. Oft sehen sie fürsich keine berufliche Perspektive. Gleichzei-tig fühlen sich viele Schüler in den Schulennicht verstanden; ihre Fähigkeiten und Fer-tigkeiten werden nicht anerkannt. Aus derschwierigien Lage nährt sich Frust, der sichin antisemitischen Parolen äußern kann.Dem muss man entschieden entgegenwir-ken. Noch 2013 hat die Berliner SPD aufihrem Landesparteitag eine verpflichtende

Lehrerfortbildung zum Thema Antisemitis-mus gefordert. Das kann ein sinnvollerSchritt sein, damit Lehrer und Lehrerinnenkompetent und mündig mit dem Themaim Unterricht umgehen können.

Wir brauchen aber vor allem eine Gesell-schaft, in der alle Schüler gleiche Chancenauf gute Bildung haben, unabhängig vonihrer sozialen oder ethnischen Herkunft.Eine stärkere Durchmischung in Klassen-zimmern, nicht nur ethnisch, sondern vorallem sozial, ist ein entscheidender Schrittdorthin. Dafür müssen gerade die schwie-rigsten Schulen zu den attraktivsten unse-rer Stadt werden, sowohl für Lehrer alsauch für bildungsinteressierte Familien.Bessere Betreuungsschlüssel und attrakti-ve Schulkonzepte sind die Stichwörter da-zu. Die SPD hat mit dem Bonus-Programmdie ersten Schritte in diese Richtung ge-macht. Der Weg ist aber noch lang und ko-stet vor allem Geld. Wir sagen, es lohnt sichund wir sagen: Es wird endlich Zeit!

Dmitri Stratievski, Hakan Demir undMaja Lasic (AG Migration und Vielfaltin der SPD Berlin) ❏

„Tragt einen Davidsstern“Ein Selbstversuch in Neukölln

Andrew Walde, seit fast 40 Jahrenin der SPD und aktiv in der Arbeit ge-gen Rassismus, Antisemitismus,Rechtsextremismus, hat aus Solida-rität mit den in Deutschland leben-den Juden, die in den vergangenenTagen und Wochen antisemitischenÜbergriffen ausgesetzt waren bzw.sind, an seinem Auto eine schwarz-rot-goldene und eine israelische Fah-ne mit dem Davidsstern angebracht.Damit ist er zu einem Termin nachNeukölln-Nord gefahren.

„Ab Bahnhof Neukölln zog das nichtnur irritierte Blicke nach sich, sondern anAmpeln auch Beschimpfungen“, berich-tet Walde. „Juden-Schwein, Mörder, Wi-xer … alles dabei. Tür-Verriegelung run-ter. Aus insgesamt drei nachfolgendenAutos wurde ich gefilmt oder fotogra-fiert. An einem Fußgänger-Überweg vontürkischen oder arabischen Jugendlichenbespuckt. Wäre die Ampel nicht auf grüngesprungen, hätten sie mir die Fahne ab-gerissen. In der Karl-Marx-Straße: Ge-schäfte mit T-Shirts „Free Palestine” aufdem Gehsteig. Daran ein DIN A4-Zettel

Auto mit deutscher und israelischer Flagge. Foto Walde

„10 Euro als Spende für Gaza”. WeitereShirts mit Kindern mit Kalaschnikov.Landkarten ohne Israel.“ Er fühle sich wieim Feindesland, stellt Walde fest: „Infremder Uniform hinter der Front abge-setzt. Im Krieg. Unfassbar. Ich bin inDeutschland im Jahr 2014. In der toleran-ten, multikulturellen Hauptstadt Berlin.“Er empfehle diesen oder ähnliche Versu-che allen Politikern und Journalisten, soWalde: „Setzt euch eine Kippa auf, tragteinen Davidsstern oder gar einenschwarzen Mantel.“ Seine Forderung:„Wir müssen handeln.“ BS ❏

23. august 2014 Debatte Berliner Stimme - Seite 11

NNaahhoosstt::

Was jetzt gesagt werden mussHans Kremendahl: Der Grat zwischen Israel-Kritik und Antisemitismus ist schmal

„Was gesagt werden muss“ über-schrieb Günter Grass 2012 sein Israel-kritisches Gedicht, in dem er der„Atommacht Israel“ vorwarf, den Welt-frieden zu gefährden. In diesen Wo-chen sind es die Bilder aus Gaza vonzerstörten Häusern, die Nachrichtenüber zahlreiche Tote und Verletzte, dieaufwühlen und auch zu Kurzschlüssenverleiten.

Wir erleben - nicht nur, aber auch - inDeutschland antiisraelische Demonstratio-nen, die in offenen Antisemitismus mün-den. Parolen wie „Israel Kindermörder“oder gar „Juden ins Gas“ sind auf deut-schen Straßen zu hören. Auf die Wupperta-ler Synagoge wurde ein Brandanschlagverübt. Islamisten, deutsche Rechtsextre-me und irregeleitete Linksradikale verbin-den sich in einer unheiligen Allianz. DerVorsitzende des Zentralrats der Juden inDeutschland, Dieter Graumann, berichtetvon besorgten Fragen jüdischer Mitbürger,ob man denn die Koffer packen müsse.

Politik und Massenmedien haben fürdiese Situation die politisch-korrekte For-mel parat: Kritik an der israelischen Politikist auch für Deutsche erlaubt und ggfs. not-wendig, Antisemitismus in jeder Form istaber zu verurteilen und zu bekämpfen.Und die in Deutschland lebenden Judensind schließlich für die Politik Israels nichtverantwortlich.

Abstrakt sind diese Aussagen richtig.Und sie verschaffen im sicheren Deutsch-land ein ruhiges Gewissen. So lässt sichleicht an „beide Seiten“ appellieren, dochendlich die Waffen ruhen zu lassen und inVerhandlungen einzutreten. Nur leiderfruchten diese Appelle in der Realität desNahen Ostens nichts!

Israels Existenzkampf

Denn es gibt nicht die beiden Seiten, diegleiche Schuld an den Gewaltausbrüchentragen und an deren Vernunft man erfolg-reich appellieren könnte. Seit der Staats-gründung 1948 sieht sich Israel von Mäch-ten umgeben, die diesem Staat das Exi-stenzrecht bestreiten und ihn vernichtenwollen. Israel befindet sich - trotz der nachmehreren bewaffneten Auseinanderset-zungen erreichten Friedensverträge mitÄgypten und Jordanien - im permanentenfaktischen Kriegszustand. Das hat notge-drungen zu einer Militarisierung des Lan-des geführt, das gleichwohl bis heute dieeinzige wirkliche Demokratie im NahenOsten ist. Da liegt auch die Quelle der um-strittenen Siedlungspolitik, die letztlich ein

Instrument des Selbstschutzes und der Si-cherheit war.

Der Gegner Israels im aktuellen Gaza-Konflikt, die islamistische und terroristi-sche Hamas, ist nicht friedensfähig. Ihr Zielist nicht ein unabhängiger palästinensi-scher Staat in Koexistenz mit Israel, son-dern die Vernichtung des Staates Israel unddie Auslöschung seiner jüdischen Bevölke-rung. Die Hamas nimmt die eigene Bevöl-kerung in Gaza als Geisel, schießt ihre Ra-keten auf Israel aus Wohnblocks, Schulenund Krankenhäusern ab - um dann heuch-lerisch mit dem Finger auf Israel zu zeigen,wenn diese Einrichtungen von israelischenBomben getroffen werden und es dabeiOpfer in der Zivilbevölkerung gibt. Der Füh-rer der Hamas, Maschaal, sitzt feige im si-cheren Katar, während seine Landsleuteleiden und sterben. In jenem Katar, das dieHamas finanziell unterstützt, aber unge-hindert in deutsche Firmen investierenund 2022 eine Fußball-Weltmeisterschaftausrichten darf …

Immer wieder hat im gegenwärtigen ge-waltsamen Konflikt Israel einer Waffenru-he zugestimmt, die von der Hamas gebro-chen wurde.

Jedes zivile Opfer - jedes getötete Kindzumal - ist eines zuviel. Aber man mussschon sehr weit weg von der Realität sein,um sich zu wundern, dass ein Land sichauch mit militärischen Mitteln wehrt, dasseit Jahrzehnten angegriffen, mit Raketenbombardiert und von Selbstmordattentä-tern heimgesucht wird.

Nein, der Gaza-Konflikt eignet sich nichtfür eine bequeme Äquidistanz. Es ist dieHamas, die der Aggressor ist. Und es ist Is-rael, das um seine Sicherheit, ja seine Exi-stenz kämpft. Ich stehe nicht im Verdacht,allzu häufig mit Angela Merkel übereinzu-stimmen.

Aber ihr Wort, dass die Sicherheit Israelszur deutschen Staatsräson gehört, unter-schreibe ich uneingeschränkt. Zumindestdas sind wir diesem Land, aber auch unse-rem Selbstverständnis, aufgrund der deut-

schen Geschichte, aufgrund der Shoahschuldig!

Die fliessende Grenze

Meine These ist, dass die politisch-kor-rekte Äquidistanz die Grenze zwischen Is-rael-Kritik und Antisemitismus fließendmacht. Und darin liegt für unsere Demo-kratie auch eine innere Gefahr. Studien ha-ben gezeigt, dass 20-25 Prozent der Deut-schen ein latent rechtsradikales Weltbildhaben.

Dass extreme Islamisten zwischen ihrerIsraelfeindschaft und dem Hass auf Judenschlechthin nicht unterscheiden, ist offen-kundig. Die Gefahr ist, dass die vorder-gründig legitime Kritik an Politik und Re-gierung Israels den nach wie vor vorhan-denen latenten Antisemitismus manifestwerden lässt. Nach dem Motto: Wennschon die Medien, wenn schon demokrati-sche Politiker sagen, was Israel alles falschmacht, dann bestätigt das doch, was„man“ immer schon über die Juden ge-dacht hat - und was man doch noch aus-sprechen darf … Zu solchen fatalen Schlüs-sen kann unfreiwillig auch um Objektivitätbemühte Medienberichterstattung führen,etwa wenn von schweren Angriffen Israelsdie Rede ist, die erschreckenden Bilder ge-zeigt werden - und dann eher im Neben-satz erwähnt wird, dass die Hamas auchwieder Raketen auf israelische Städte ab-gefeuert hat.

Gewiss: Nicht alles, was die RegierungNetanjahu tut, ist sakrosankt und jeder Kri-tik entzogen. Die gibt es auch in Israelselbst. Aber im Vordergrund muss das Wis-sen stehen, dass der Staat Israel um seinÜberleben kämpft und es mit einem Feindzu tun hat, der ihn und seine Menschenvernichten will.

Frieden im Nahen Osten wird es nur ge-ben, wenn eine demokratische palästinen-sische Republik in der Westbank und in Ga-za entsteht, die Israel anerkennt und vondiesem anerkannt wird. Um das von derUtopie zur Realität zu machen, muss dieHamas politisch ausgeschaltet werden,nicht nur durch israelisches Militär, son-dern auch durch die Palästinenser selbstund durch die angrenzenden arabischenStaaten, die gleichfalls an Frieden interes-siert sind.

Solange der Konflikt andauert, müssenwir solidarisch sein: Mit unseren Mitbürge-rinnen und Mitbürgern jüdischen Glau-bens - und mit dem Staat Israel!

Das, so meine ich, muss jetzt gesagt wer-den. Hans Kremendahl ❏

Warnt vorKurzschlüssen in derDebatte: HansKremendahl, frühererWuppertalerOberbürgermeister,ehemaliger BerlinerStaatssekretär undLandesgeschäftsführerder Berliner SPD.

Seite 12 - Berliner stimme Geschichte 23. august 2014

Waldemar Schulze strandete im Juni1945 nach seiner Flucht aus Nieder-schlesien in Berlin - ein echter Berli-ner, der bald zum Kreuzberger wurdeund in Kreuzberg zu einem unver-wechselbaren Sozialdemokraten. Hierführte sein steiniger Weg nach oben: Erwurde Bundestagsabgeordneter undMitglied im Parteirat, ein Linker, derdie Mühen der Ebene durchschrittenund durchlitten hatte. Die Berliner SPDwar in dieser Zeit durch heftiges Flü-gelschlagen geprägt. Schulze genossdas Wohlwollen der Linken und dankGesprächs- und Kompromissbereit-schaft die Akzeptanz der Rechten.Kompromisslos blieb und bleibt dage-

gen sein Bekenntnis: Nie wieder Krieg!Nie wieder Faschismus! Die Sozialde-mokratin Helga Ernst hat nach Ge-sprächen mit Waldemar Schulze für dieBERLINER STIMME Stationen seines Le-bens nachgezeichnet.

Wie schlägt man sich durch, einige Wo-chen nach Kriegsende im verwüsteten Ber-lin, allein, als Fünfzehnjähriger? WaldemarSchulze schleppte schweres familiäresGepäck mit sich: Sein Vater war zumKriegsende von einem sowjetischen Solda-ten auf offener Straße erschossen worden.Als Uhrmacher trug er stets einige repa-rierte Uhren am Arm mit sich. Waldemarvermutet darin die Ursache des gezielten

Waldemar „Waldi“ Schulze: Am 9. Juli ist derfrühere Bundestagsabgeordnete und KreuzbergerBürgermeister 84 Jahre alt geworden.

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Wiederaufbau, Teilung und ZusammenwachsenHelga Ernst über Waldemar Schulze: Stationen eines sozialdemokratischen Lebens (I)

Proteste gegen den Krieg August Bebel Institut erinnert an Friedensaktionen 1914

Am Freitag, 5. September, 18 Uhreröffnet das August Bebel Institut (ABI)die Ausstellung und Veranstaltungsrei-he „Menschen gegen den Krieg. Prote-ste in Berlin 1914/18“ mit einemGrußwort von Heidemarie Wieczoreck-Zeul, ehemalige Bundesministerin fürWirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklung.

Im Zentrum der Ausstellung stehen dieProteste, die in den 1910er Jahren in Berlingegen den Ersten Weltkrieg stattfanden.Dazu zählen wenig bekannte Aktionen wieder Schmuggel eines Anti-Kriegs-Flug-blatts in einer Schuhsohle der Sozialdemo-kratin Martha Arendsee, aber auch das öf-fentliche Engagement von Feministinnenwie Clara Zetkin oder Parlamentariern wieHugo Haase.

Mit Fotos, Texten und Dokumenten prä-sentiert die Ausstellung die Vielfalt derBerliner Proteste gegen den Ersten Welt-krieg, vom proletarischen bis zum bürgerli-chen Lager. Gezeigt wird, dass sich bereits1911 Hunderttausende in Berlin versam-melten (siehe BS 12 und 13/14), um gegen ei-nen drohenden Krieg zwischen Deutsch-land und Frankreich zu protestieren.Während des Krieges bestreiktenArbeiter/innen Munitionsfabriken, Frauenbrachten ihren Unmut über die Lebensmit-telknappheit handgreiflich zum Ausdruck,Priester sprachen Friedenspredigten.

„Im aktuellen Rummel um den Beginndes Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren wirdmeist vergessen, dass es jenseits vonKriegshandlungen und Kriegsleiden auchvehemente Proteste gegen den Krieg gab“,

Friedenskundgebung 1911: Zeichnung im Vorwärts.

erklärt Ingo Siebert, Geschäftsführer desABI. „Mit der Ausstellung und Veranstal-tungsreihe zeigen wir, dass wo Krieg war,auch immer Protest gegen Krieg stattfand.“

Die Ausstellung eröffnet am Freitag, 5.September, 18-21 Uhr mit einer Diskussi-onsveranstaltung über Anti-Kriegs-Protestvon 1910 bis heute. Es diskutieren die Frie-densaktivistin und Bundestagsabgeordne-te Ute Finckh-Krämer (SPD), die Historike-rin Gisela Notz und der Ausstellungskura-tor Henning Holsten.

Sechs weitere Veranstaltungen widmensich unter anderem dem Anti-Kriegs-Akti-vismus speziell von Frauen, der Arbeit anti-militaristischer Bewegungen in der BRDund DDR sowie den Versuchen, nach demErsten Weltkrieg eine pazifistische Weima-rer Republik aufzubauen. So stellt Benja-min Ziemann am 11. September (19 Uhr)sein Buch „Veteranen der Republik.Kriegserinnerung und demokratische Poli-tik 1918-1933“ (Verlag J. H. W. Dietz) vor. Am19. September berichtet Tommy Spree überdie Arbeit des Antikriegsmuseums. BS ❏

1914: Das „Ja“ der SPD

Am Nachmittag des 2. August 1914kamen führende Vertreter der SPD-Rechten im Garten der Villa des SPD-Reichtstagsabgeordneten Paul Göh-re in der Prinz-Handjery-Straße 38(heute 66) zusammen, um eine Er-klärung zu verfassen, die dem Frak-tionsvorstand am gleichen Abendfür die Zustimmung zu den Kriegs-krediten vorgelegt wurde.

Im Nachbarhaus, heute Prinz-Hand-jery-Straße 67 wohnte der SPD-Reichs-tagsabgeordnete Albert Südekum, derbereits Ende Juli 1914 geheime Unterre-dungen mit Vertretern der Reichsregie-rung dazu hatte.

Das Ereignis am 2. August 1914 imGarten in Zehlendorf schildert PhilippScheidemann in seinen Lebenserinne-rungen: „Um fünf Uhr nachmittags ka-men David, Fischer, Molkenbuhr,Schöpflin, Wels, Südekum und ich indem Garten Göhres in Zehlendorf zu-sammen und formulierten dort nachstundenlanger Beratung eine Erklärung.Abends neun Uhr erneuter Kampf im„Vorwärts“ mit Haase und Ledebour...Wir gingen erst gegen Mitternacht aus-einander. Ich verbrachte eine schlafloseNacht. Wird es gelingen, die Fraktion fürein Ja (zu den Kriegskrediten) zu gewin-nen oder nicht?“ (Philipp Scheidemann,Memoiren, 1928)

Das Ereignis im Garten in Zehlendorfin der Nachbarschaft des SchönowerParks veränderte die SPD, die internatio-nale Arbeiterbewegung und die Weltgrundlegend. Das ist bekannt. Der Ortist es weniger.

Burkhard Zimmermann ❏

Fortsetzung Seite 13

23. august 2014 Geschichte Berliner Stimme - Seite 13

Fortsetzung von Seite 12Erschießens. Sein Vater liegt in einem Mas-sengrab, seine Mutter wurde nach der Be-setzung Schlesiens seit Mai 1945 vermisst.Überlebende berichteten, dass sie wie vieleandere Frauen wahrscheinlich im Braun-kohlen-Flachschacht arbeiten musste unddort zu Tode kam.

Waldemar Schulze selbst wurde von denSowjets mehrmals kurz inhaftiert. Er hatteam 1. April 44 eine Lehre als Industriekauf-mann bei Carl Zehe KG in Sorau angetre-ten. Die Lehre wurde unterbrochen, nach-dem er einem Einsatzbefehl in das Wehrer-tüchtigungslager Reit- und FahrschuleCottbus zur Vorbereitung für den Kriegs-einsatz Folge leisten musste. Dort legte ereine Reiterprüfung sowie eine Fahrerprü-fung für Gespanne ab. Er wurde als Kolon-nenwagen-Fahrer im Osteinsatz bei Frank-furt/Oder verpflichtet und hatte Verpfle-gung für die „Ostwall-Schipper“ zu trans-portieren, die - ebenfalls 14 oder 15 Jahre alt- schippten mit Spaten und Schaufeln tiefe,breite Gräben zum Stoppen sowjetischerPanzer. Nicht ein einziger Panzer wurdedadurch aufgehalten.

Als das Gerücht die Runde machte, dasseine Verhaftungswelle bevorstünde, ent-schloss sich Waldi mit einem Freund zurgemeinsamen Flucht - zu Fuß und mitnichts als dem, was sie auf dem Leibe tru-gen. Versteckt oben auf einem Braunkohle-wagen überquerten sie die Lausitzer Neiße.Von da an ging es den Rest der Strecke zuFuß.

Der Nachhall des Krieges und das Erle-ben des Trümmerhaufens Berlin, umherir-render und hungernder Berliner, zu zigtau-senden in Richtung Westen ziehenderFIüchtlinge, die sich nur 24 Stunden in derStadt aufhalten durften - all das war gewal-tig. Überleben lautete das Gebot der Stun-de.

Waldi begann als Transportarbeiter beider amerikanischen Besatzungsmacht aufdem Flughafen Tempelhof, arbeitete sichhoch zum Küchenhelfer - und das bedeute-te den Erhalt der Lebensmittelkarte für Ar-beiter. Das blieb er bis Ende '45.

Nach diversen Gelegenheitsarbeitenwurde er Anlernling im Elektrohandwerk,wo er es bis zum Elektromontageleiterbrachte. Wegen anfänglich geringer Lehr-lings-Entlohnung konnte er an einer „Lehr-lingsspeisung“ der Amerikaner teilneh-men, die in einem Kreuzberger Freizeit-heim eingenommen werden musste.

Mittlerweile hatte Waldemar im Novem-ber '45 seinen ersten Berliner Ausweis mitKreuzberger Adresse, bekommen, und dastrotz Zuzugsstopps, den die Alliierten ver-hängt hatten. Das änderte nichts an derjahrelangen Untermieter-Odyssee, bis end-lich dank Flüchtlingsausweis die ersteWohnung bezogen werden konnte.

1947 wurden von den Alliierten vier Ju-

Waldemar Schulze: Ein Bild aus seiner Zeit bei denFalken.

gendverbände zugelassen: die Falken, dieFDJ, die Pfadfinder und die Jungen Europäi-schen Föderalisten JEF. Mit dem Eintritt1947 in die Sozialistische Jugend Die Falkenbegann Schulzes politischer Weg. Er warLeiter der Falken-Kinderarbeit, der Jugend-arbeit, Mitglied des Bezirksjugendringes.Als der Kreuzberger Bezirksjugendaus-schuss Kinder- und Zelthelfer für ein Zeltla-ger suchten, fiel die Wahl auf Grund seinerFalken-Erfahrung auch auf Schulze.

Dieses Zeltlager, das die Amerikaner fürKinder ihres Sektors zur Verfügung gestellthatten, befand sich von 1947 bis 49 auf derPfaueninsel, stand aber unter deutscherLeitung. Rund 500 Kinder aus dem US-Sek-tor - der Bezirk Kreuzberg gehörte dazu -verbrachten eine erholsame Zeit mit allem,was die Amerikaner zur Verfügung stell-ten: Das war in erster Linie das Essen. Daswaren die Zelte. Zur Beschäftigung abergab es lediglich Bälle. Den Rest hatten dieHelfer phantasievoll selbst zu gestalten.

Allerdings: Die Kinder waren damalshungrig, aber genügsam und friedfertig.RIAS-Jugendreporter Hans Peter Herz, spä-ter Senatssprecher und Staatssekretär, kamzu „dankbaren“ Interviews ins Lager, diedann im Rundfunk gesendet wurden.

Mit der Falken-Karriere ging es weitervoran: Schulze wurde Vorsitzender derKreuzberger Falken, Mitglied des Landes-vorstandes, Vertreter im Landesjugend-ring. Bei vielen großen Zeltlagern der Fal-ken Ende der 50er bis Anfang der 60er Jah-re war er Teil der Lagerleitung als Pädago-gischer Leiter, u.a. in Jugoslawien, den Nie-derlanden und Norwegen. Ebenso war er inder Leitung der Gedenkstättenfahrten derFalken nach Polen.

Es war naheliegend, dass das Bezirksamt(BA) Kreuzberg auf diejenigen zurückgriff,die sich in der praktischen Jugendver-bandsarbeit bewährt hatten. So begannWaldi seine Tätigkeit im BA 1952 als Heim-wart im neu erbauten Haus der Jugend

Böcklerpark und wurde später dessen Lei-ter. Eine nebenberufliche Erzieher-Ausbil-dung wurde erst in der Ausbildungsstätteder Arbeiterwohlfahrt möglich, in der sichWaldi ab 1953 zum Erzieher und später zumSozialpädagogen im Haus am Rupenhornqualifizierte.

Das brachte ihm 1955 die stellvertretendeLeitung des Jugendwohnhauses Südost inder Wrangelkaserne, Wrangelstraße, ein,einer Einrichtung für elternlose undschwierige Mädchen und Jungen. Ein Här-tetest. Nach aller Arbeit mit friedlichen Ju-gendlichen auch eine gute Schule für spä-tere Zeiten, in denen er sich mit den Kon-flikten in Kreuzberg auseinanderzusetzenhatte.

Mit seiner pädagogischen Qualifikationund Erfahrung avancierte er im Bezirksamtzunächst zum Sachbearbeiter in der Ju-gendförderung, zuständig u.a. für Fahrtund Lager, Politische Bildung, Erholungs-maßnahmen. Später wurde er Bezirksju-gendpfleger.

Die interessantesten und wertvollstenMöglichkeiten, etwas zu bewirken und vor-anzubringen, bot laut Schulze die politi-sche Bildungsarbeit: So nahm er z.B. Ver-bindung zur tschechoslowakischen Mi-litärmission auf, in erster Linie zum Kultur-attaché.

Die Alliierten richteten nach Kriegsende15 Militärmissionen in Berlin ein, akkredi-tiert beim Alliierten Kontrollrat und vonden Alliierten als Teil der Besatzungsbehör-de angesehen. Die Missionen nahmen u.a.konsularische und wirtschaftliche Aufga-ben wahr und stellten kulturelle Kontakteher. So auch die tschechoslowakische Mis-sion. Übrigens nahm Willy Brandt seine er-ste Tätigkeit in Berlin in der Mission Nor-wegens auf.

Vom Attaché bekam er tschechoslowaki-sche Kinderfilme zur Vorführung ausgelie-hen und es wurden Ausstellungen mit Kin-derzeichnungen aus dem KZ Theresien-stadt organisiert. Auch gehörten Einladun-gen nach Prag dazu.

In den Bereich der politischen Bildung istauch die Veranstaltungsreihe „Kabarettund Politik“ einzuordnen, die in Kreuzbergihre Aufführungsorte hatte. Hier gastier-ten die Stachelschweine, das Reichskaba-rett, auch Franz Josef Degenhardt und wassonst noch Rang und Namen hatte am Ka-baretthimmel Berlins.

In dieser Position konnte Schulze aberauch sein stetes Anliegen „Nie wiederKrieg! Nie wieder Faschismus!“ weiterver-folgen und Jugendlichen nahebringen. Dasgelang ihm mit den Gedenkstättenfahrtenin ehemalige KZs: Bergen Belsen, Börger-moor, Flossenbürg. Bei all diesen Fahrtenwar übrigens Estrongo Nachama, damalsOberkantor der Jüdischen Gemeinde, be-geistert und begeisternd dabei.

Fortsetzung nächste Ausgabe ❏

Seite 14 - Berliner Stimme Kalender 23. august 2014

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23. august 2014 Kalender Berliner Stimme - Seite 15

T ermine

■ 25.08.2014, 19:00 - 21:00 FachausschussWirtschaft, Arbeit und Technologie, Vor-standswahl, Kurt-Schumacher-Haus, Erika-Heß-Saal, Müllerstraße 163, 13353 Berlin ■ 26.08.2014, 17:30 - 18:30, Sprechstunde Fré-deric Verrycken, MdA Charlottenburg-Nord,AWO-Treff, Reichweindamm 6, 13267 Berlin

■ 27.08.2014, 19:00, Fachausschuss SozialeStadt - Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung,Die großen Wohnungsbaupotentiale im Be-zirk Treptow-Köpenick, SPD Kreisbüro Frie-drichshain-Kreuzberg, Willy-Brandt-Haus,Wilhelmstraße 140, 10963 Berlin ■ 27.08.2014, 15:00 - 17:00, Dr. Ina Czyborra,MdA Steglitz-Zehlendorf, Bürgersprechstun-de, Wahlkreisbüro, Onkel-Tom-Straße 1, 14169Berlin von Thorsten Karge, MdA■ 27.08.2014, 13:00, Brigitte Lange, MdA Mär-kisches Viertel / Lübars, Stadtteiltag mit In-fostand vor dem Märkischen Zentrum, Wil-helmsruher Damm 138-140, 13439 Berlin ■ 27.08.2014, 19:00, Torsten Schneider, MdA |Fachausschuss Internationale Politik, Friedenund Entwicklung, Roma in Berlin – Integrati-onsarbeit zwischen Selbstbestimmung undFürsorge, Abgeordnetenhaus von Berlin,Raum 320, Niederkirchnerstraße, 10117 Berlin ■ 28.08.2014, 17:00 - 18:00, Thorsten Karge,MdA Reinickendorf - Wittenau, Waidmanns-lust und Borsigwalde, Bürgersprechstunde,Bürgerbüro, Wittestraße 30E, 13509 Berlin ■ 01.09.2014, 19:00 Uhr, SPD Johannis-thal/Niederschöneweide, Treptow-Köpenick- ein Bezirk mit Zukunft, mit Rainer Hölmer ,Bezirksstadtrat für Bauen, Stadtentwicklungund Umwelt, im großen Saal des Nachbar-schaftshauses „Villa offensiv“ (Erdgeschoss),Hasselwerderstraße 38, Niederschöneweide.■ 03.09.2014, 18:30 - 20:30, FachausschüsseMobilität, Natur, Energie, Umweltschutz, Be-such des Innovationszentrums für Mobilitätund gesellschaftlichen Wandel (InnoZ)GmbH, Innovationszentrum für Mobilitätund gesellschaftlichen Wandel (InnoZ)GmbH, Torgauer Str. 12 – 15, 10829 Berlin. Eineschriftliche Anmeldung bis 27. August ist er-forderlich bei [email protected]■ 03.09.2014, 18:00 - 19:00, Clara West, MdA -Pankow, Beratung zum Sozialrecht, Bürger-büro von Clara West, MdA, Naugarder Str. 43,10409 Berlin■ 03.09.2014, 17:00 - 18:30, Jörg Stroedter,MdA Reinickendorf, Bürgersprechstunde,Bürgerbüro, Waidmannsluster Damm 149,13469 Berlin. Vorherige Anmeldung erbetenunter 030-701 78 034 oder per Email [email protected].■ 04.09.2014, 17:00 - 18:00, Frank Jahnke,MdA: Sprechstunde im Bürgerbüro, Goethe-str. 15, 10625 Berlin■ 06.09.2014, 14:00 - 18:00, SPD Mitte - Abt.Schillerpark, Kinder- und Stadtteilfest imSchillerpark, hinter der Kita, BarfusstraßeEcke Edinburger Straße, 13349 Berlin ■ 11.09.2014, 15:00, FA X - Natur, Energie undUmweltschutz & Daniel Buchholz Wasser-tour zum Klärwerk Waßmannsdorf, Abfahrtdes Busses um 15:00 Uhr am Fontaneplatz (di-rekt am S- und U-Bahnhof Potsdamer Platz(Berlin-Mitte). Rückkehr gegen 19:30 Uhr inBerlin. Eine verbindliche Anmeldung istnötig, entweder unter [email protected] odertelefonisch unter 0173 49 065 27.■ Alle Termine: www.spd-berlin.de/termine

Trauer um Rolf Kawel Rolf Kawels aktive SPD-Zeit war

seine Juso-Zeit. Er zog 1974 als Ger-manistik-Student ins Dahlemer Stu-denten-Wohnheim und war sofortdaran beteiligt, dieses neue Wohn-heim nach dem 1973 blutig gestürz-ten sozialistischen chilenischenPräsidenten Salvador Allende zu be-nennen. Rolf war der geniale Orga-nisator und DJ der legendären„Rock`n Roll on Wannsee“-Tour aufeinem Haveldampfer. Er war maß-geblich beteiligt an den Aktivitätender Dahlemer Jungsozialisten undihren damals vielfältigen Publika-tionen.

Dazu zählten u.a. die Durchführungund Organisation der Veranstaltung„Marx aktuell“ mit Wolfgang Abend-roth im Dahlemer Gemeindesaal 1983.Die Broschüre dazu (vom SPD-Kreisver-band Zehlendorf im dvk-Verlag heraus-gegeben) hatte Rolf erstellt.

Rolf engagierte sich in der Friedens-initiative Zehlendorf, der Falken-Kin-dergruppe, im Ferienlager und jugend-politisch u.a. im Zehlendorfer Bezirksju-gendring.

Sein schulischer und beruflicher Wegwar nicht einfach; als er (von uns) ir-gendwann ein politisches Betätigungs-verbot bekam, schloss er nach langerZeit sein Lehrerstudium und das Refe-rendariat ab.

Über den damaligen SPD-Kreiskassie-rer Günther Adam gelang es Rolf, beidessen Schultz-Hencke-Verein jahr-zehntelang mit schuldistanzierten undhochintelligenten Jugendlichen zu ar-beiten. Dies tat er arbeitsmäßig erst inBerlin, anfangs in Schlachtensee, späterin Brandenburg.

Rolf verblieb immer in der DahlemerSPD, auch wenn ihn jede Große Koaliti-on an den Rand des Partei-Austrittesbrachte.

Er engagierte sich jahrelang in derDahlemer SPD, wenn auch immer in derzweiten Reihe und wenn man ihnbrauchte. Rolf war ein sehr engagierterund sehr kritischer Genosse. Ungerech-tigkeit in der Gesellschaft und in derPartei konnte Rolf nie ertragen.

Die Probleme seiner beruflichen Zu-kunft führten ihn dann zuletzt an eineReinickendorfer Schule.

Durch seine kroatische Frau Dianaverbrachte er die Ferien regelmäßig inihrem Heimatland. Er ist in Kroatien am13. August 2014 an einem Herzinfarktverstorben Unsere Mitgefühl gilt be-sonders seiner Frau.

Burkhard Zimmermann ❏

Seite 16 - Berliner Stimme Letzte Seite 23. august 2014

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K ulturtippsUnverstellte RealitätenFotografien von Walker Evans im Martin-Gropius-Bau

Eine junge Frau vor einem Bekleidungsgeschäft. © Walker Evans Archive, The MetropolitanMuseum of Art

Gereon Sievernich hat endlich einlang gehegtes Traumprojekt realisiert.Der Chef des Martin-Gropius-Baus hol-te die beeindruckende Werkschau desamerikanischen Fotografen WalkerEvans (1903-1975) nach Berlin. Evans Fo-tografien zählen für Sievernich zu denIkonen der sozialdokumentarischenFotografie. Wohl zu Recht.

Evans, der eigentlich Schriftsteller wer-den wollte, begann nach einem Paris-Auf-enthalt 1926 mit der Fotografie. Nach ei-nem Treffen mit dem Schriftsteller JamesJoyce skizzierte er seine neuen Ambitionenmit den Worten, er wolle so fotografieren,wie Joyce schreibt, kolportiert Sievernich.Tatsächlich entwickelt sich seine fotografi-sche Sprache in der Wiedergabe desscheinbar belanglosen Alltags. Wie ein ro-ter Faden ziehen sich Straßenszenen durchdas Lebenswerk Evans.

Er fotografiert Blüten im Garten seinesVaters, Herrschaftshäuser im viktoriani-schen Stil, porträtiert Zeitgenossen. Aberdie Jahre der Großen Depression nach derWeltwirtschaftskrise in den 1930ernführen ihn zu den Leidtragenden verfehlterÖkonomie, in die ländlichen Gebiete derSüdstaaten mit armseligen Hütten und indie Industriereviere des Südostens. WalkerEvans fotografierte oft mit einem Winkel-sucher oder mit einer versteckten Kamera,so blieb er zumeist als Fotograf unentdecktund ihm gelangen so ungestellte, lebens-nahe Porträts. Evans Fotografiesprache be-einflusste zahlreiche andere amerikani-sche Fotografen, so auch Diane Arbus, de-ren Fotos Sievernich unlängst im Martin-Gropius-Bau gezeigt hatte.

Ein Großteil seiner Fotografien sind imamerikanischen Wirtschaftsmagazin„Fortune“ erschienen und er übernahm fürJahre den gesamten fotografischen Auf-tritt des Magazins. Das New Yorker Muse-um of Modern Art (MoMA) zeigte bereits

Diskussion mit KulturstaatssekretärTim Renner. „Aufruf zum Weiterdenken:Strategien der Berliner Kulturpolitik“ - un-ter diesem Motto laden das KulturforumStadt Berlin der Sozialdemokratie und dieBerliner SPD am 3. September um 19.30 Uhrzu einer Diskussionsveranstaltung mitdem SPD-Landesvorsitzenden Jan Stöß undKulturstaatssekretär Tim Renner ins Pode-wil. Mit ihnen diskutieren Leonie Bau-mann, Rektorin der Kunsthochschule Ber-lin Weißensee, Harald Jähner, Leiter desFeuilletons der Berliner Zeitung, und Joa-chim Günther, Vorsitzender des Kulturfo-rums Stadt Berlin der Sozialdemokratie.

➟➟ Mittwoch 3. September 2014, 19.30Uhr, Podewil, Klosterstraße 68-70, 10179Berlin. Anmeldung: www.spd-berlin.de/kulturveranstaltung

Die letzten Karten für „Kästner für Er-wachsene“. Für die Vorstellung „Kästnerfür Erwachsene“ im Theater im Palais, zuder die Berliner Stimme und das Kulturfo-rum am Dienstag, dem 23. September, ein-laden, stehen noch Karten zur Verfügung.Sie kosten in Kategorie I 22 € (12 € erm.), inKategorie II 19 € (10 € erm.). Eine Ein-führung in die Arbeit des Theaters und dasStück geben um 19 Uhr die Vorsitzende desFördervereins Theater im Palais e. V. undStaatssekretärin a.D. Monika Helbig undIntendantin Gabriele Streichhahn. BS ❏

➟➟ Anmeldungen unter www.spd-ber-lin.de/theaterbesuch, per Mail an [email protected], Tel. 4692 150.

Ausstellung Artur Märchen. Bis zum30. August ist in der Browse Gallery auf derEmpore in der Marheineke Markthalle eineAusstellung mit Arbeiten von Artur Mär-chen zu sehen. Märchen, 1932 geboren und2002 verstorben, gehörte zur KreuzbergerKünstlerszene der sechziger und siebzigerJahre. BS ❏

➟➟ Marheinekeplatz 15, 10961 Berlin, Mo- Fr, 8 bis 20 Uhr, Sa 8 - 18 Uhr.

1933 erstmals Walker Evans Fotografien.Weitere Ausstellungen in den USA folgten.Das Metropolitan-Museum in New Yorkverfügt über mehr als 4000 Fotografienund Dokumente des Fotografen.

Die beeindruckende Ausstellung imMartin-Gropius-Bau zeigt 200 Fotografienvon Evans sowie seinen 12-minütigen Filmüber eine Schiffsreise nach Tahiti. Sie istbis zum 9. November 2014 zu sehen.

Zeitgleich zeigt der Martin-Gropius-Baueine weitere sehenswerte Ausstellung:„Die Welt um 1914 - Farbfotografie vor demgroßen Krieg“. Die damals junge Farbfoto-grafie hatte den französischen Bankier Al-bert Kahn inspiriert, und er schickte kurzvor Kriegsbeginn Fotografen in viele Win-kel der Welt. Er sah diese Weltsicht auch alsBeitrag zur Friedenssicherung. Die Ausstel-lung umfasst 200 Fotos von fast allen Erd-teilen. Die Ausstellung ist bis zum 2. No-vember zu sehen, Eintritt 9 Euro, ermäßigt6,50 Euro. Beide Ausstellungen sind Beiträ-ge zum Europäischen Monat der Fotogra-fie. Gunter Lange ❏

➟➟ Walker Evans-Ausstellung: Mitt-woch bis Montag von 10-19 Uhr, Eintritt 7Euro, ermäßigt 5 Euro. Ein hochwertigerKatalog ist im Hatje Cantz Verlag erschie-nen, 49,80 Euro.