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BlickPunkt 3 16 BlickPunkt das Medienmagazin des Deutschen Journalisten-Verbandes Baden-Württemberg September 2016 · 31. Jahrgang · ISSN 0946-9303 · E 11168 F Mandatsträgerkonferenz Seite 12 Praktische Solidarität mit türkischen Journalisten Seite 16 Zeitung vor Ort schafft Vertrauen Seite 6

Seite 6 · 2016. 12. 8. · Artikel bei uebermedien.de ein verhalten optimistisches Resümee: „Es lohnt sich, jenen, die an uns zweifeln, unsere Arbeit haarklein zu erklären. Wer

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BlickPunkt316 BlickPunkt

das Medienmagazin des DeutschenJournalisten-Verbandes Baden-Württemberg

September 2016 · 31. Jahrgang · ISSN 0946-9303 · E 11168 F

Mandatsträgerkonferenz Seite 12

Praktische Solidarität mittürkischen Journalisten Seite 16

Zeitung vor Ortschafft Vertrauen

Seite 6

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IM BLICK I N H A LTSV E R Z E I C H N I SDJV Blickpunkt Ausgabe 3 · 2016

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

wie wichtig Journalismus ist, lässt sich auchan seinen Gegnern ablesen, etwa an der Un-terdrückung der Pressefreiheit in der Türkeioder daran, dass Journalisten systematischausgespäht werden. Über beide Themenerfahren Sie mehr in diesem Heft. UnsereTitelgeschichte haben wir der aktuellenLage der Lokalzeitungen in Baden-Würt-temberg gewidmet, so viel sei verraten: Sie

ist nicht prächtig, aber sie ist wenigerschlecht als anderswo. Außerdem erfahrenSie Details von der Mandatsträgerkon-ferenz, insbesondere auch über das Referatzu „Migration und Flucht als journalistischeHerausforderung“ und von den Plänen desFachausschuss Bild, einen landesweitenFotowettbewerb auszuschreiben.

Eine anregende Lektüre wünscht IhnenIhre Blickpunkt-Redaktion

Datenhändler spähenJournalisten aus

Mediennachrichten

Landesweiter Fotowettbewerb

Leserbrief

Neuer Onlineauftrittwww.djv-bw.de

Die mediale Inszenierungvon Amok und Terrorismus– Rezension

Nachruf: Dr. Florian Weiland

Darf ich bekannt machen?– Rezension

Wir gratulieren / Impressum

Seminare derJournalistenakademie

E D I TO R I A L

HALTUNG IST GEFRAGT

TO P TH E MA

ZEITUNG VOR ORTSCHAFFT VERTRAUEN

V E R B A N D

MandatsträgerkonferenzWache Teams mit konkreten ZielenMigration und Flucht als journalistischeHerausforderung

Sommerfest im Herdweg

Auf zum Landespresseball

Praktische Solidarität mit türkischenJournalisten

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3 · 2016 DJV Blickpunkt 5

Alltäglich prasseln auf uns neue Schreckensnachrich-

ten aus der Türkei herein. Wie viele Journalistinnen

und Journalisten, Buchautoren und Verleger, Lehrbe-

auftragte an Schulen und Universitäten seit dem

Putschversuch verhört, inhaftiert oder „nur“ ihre Ar-

beitserlaubnis verloren, weiß wahrscheinlich nie-

mand. Türkische Journalistinnen und Journalisten

werden flächendeckend überwacht, stehen mi

jeder kritischen Äußerung mit einem Bein schon

im Gefängnis.

Wir, der DJV-Landesverband Baden-Württemberg,

unterstützen die türkischen Kolleginnen und Kollegen

ganz konkret und stellen eine Anti-Spionage-Technik

zur Verfügung. Damit können die türkischen Journa-

listen an der staatlichen Zensur vorbei unbehelligt

mailen, surfen und chatten. Und für den 17. Septem-

ber haben wir den Journalisten und Politikwissen-

schaftler Ismail Küpeli zu uns eingeladen, um uns über

die Situation in seinem Heimatland zu informieren.

Auch wir Journalistinnen und Journalisten in Deutsch-

land müssen unseren teils recht blauäugigen Umgang

mit Informations- und Kommunikationstechniken

dringend überdenken. Sonst gefährden wir unsere

Informanten. Denn das vorgelegte neue BND-Gesetz

erlaubt es, ganze Telekommunikationsnetze abzu-

hören.

Erschreckend auch, was sich auf EU-Ebene im Rahmen

eines neuen Urheberrechts tut. Digitalkommissar

Günther Oettinger will diesen September seine Vor-

schläge für eine Reform der Urheberrechtsrichtlinie

der EU-Kommission vorlegen. Dazu gehört auch

ein Leistungsschutzrecht XXL für Presseverleger.

Was schon in Deutschland

nicht funktioniert, soll in

einer verschärften Vari-

ante europaweit einge-

führt werden. Vorgesehen

ist ein Leistungsschutz-

recht mit einer Schutz-

dauer von 20 Jahren. Jede Publikation von Texten und

Abbildungen durch einen Verleger soll geschützt wer-

den. Juristen sehen darin unauflösbare Abgrenzungs-

probleme zum Urheberrecht. Denn das Grundprinzip

des Urheberrechts ist es, Autoren die freie Entschei-

dung zu ermöglichen, wer was zu welchen Konditio-

nen mit ihrem Werk machen darf. Die Freiheit würde

entfallen, wenn das Verleger-Leistungsschutzrecht

das Urheberrecht am Werk überlagert. Außerdem

entgingen den Urhebern Einnahmemöglichkeiten aus

Mehrfachverwertungen. Das neue Leistungsschutz-

recht könnte gegen jeden Internetnutzer angewandt

werden, der Teile aus Artikeln kopiert oder über einen

Link mit „kleinsten Textausschnitten“ weiterleitet.

Wir brauchen sicher ein an das digitale Zeitalter an-

gepasstes Urheberrecht. Was wir ganz sicher nicht

brauchen, ist ein europäisches Leistungsschutzrecht.

Es gibt viele gute Gründe, wachsam zu bleiben und

Haltung zu zeigen.

Dagmar Lange

DJV-Landesvorsitzende

Baden-Württemberg

ED I TOR IALJournalisten brauchen Geschichtenz.B. von Ihrer Pressestelle

Sie sind die Schnittstelle. Über Sie finden Journalisten dierichtigen Ansprechpartner und Hintergrundinformationen.

Und manchmal auch neue Geschichten.Machen Sie ihnen das Leben leichter: stellen Sie Ihre

Pressestelle im DJV-Blickpunkt vor.

Informationen unter: www.djv-bw.de/blickpunkt

BlickPunktdas Medienmagazin für Baden-Württemberg

Haltung ist gefragt

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3 · 2016 DJV Blickpunkt 76 DJV Blickpunkt 3 · 2016

Im Zentrum der Barockstadt arbeiten inRufweite voneinander entfernt zweiLokalredaktionen der familiengeführtenVerlage Badische Neueste Nachrichten(BNN, Karlsruhe) und Badisches Tagblatt(BT) und erstellen zwei völlig unab-hängige Lokalzeitungen. Ihre von derIVW ausgewiesenen Auflagen lassen sichnicht vergleichen, da beide Lokalzeitun-gen unterschiedliche Verbreitungsgebietegewählt haben – über den Daumen

gepeilt verbreitet die BT in Rastattetwa doppelt so viele Zeitungen wiedie BNN.

Die Auflagen der Tageszeitungen inDeutschland sinken kontinuierlich weiter,doch am wenigsten schnell in Baden-Württemberg und Bayern. Unter denzehn größten Tageszeitungen in Baden-Württemberg büßt die SchwäbischeZeitung sogar weniger als 2% ein. Über-

durchschnittlich schlecht dagegen sieht esin den beiden südlichen Ländern für diefusionierten Redaktionen StuttgarterZeitung/Stuttgarter Nachrichten und fürden Mannheimer Morgen aus, sieheTabelle auf Seite 10.

Fusionen und Kooperationenverringern Pressevielfalt

Auch wenn Baden-Württemberg zu denwirtschaftlich starken Bundesländern ge-hört, gab und gibt es auch hier so ge-nannte „Gebietsbereinigungen“, etwa imMai 2015 zwischen Schwarzwälder Boteund Südkurier. Die Lokalredaktionen desSchwarzwälder Boten in Donaueschingenund Blumberg wurden geschlossen. ImGegenzug hat der Südkurier ab Juni seineRedaktionen in Triberg und Furtwangendichtgemacht. Genaue Informationenüber die Bedingungen dieser so genann-ten „Kooperation“ waren dem Betriebsratvorenthalten worden, in einem aktuellenBeschluss (4.08.16) des Arbeitsgerichtsheißt es nun aber, dass dem BetriebsratEinblick in Laufzeiten, Kündigungsmög-lichkeiten, vertragliche Verpflichtungenüber die Lieferung von redaktionellen In-halten und die Vergütung von Zweitver-

wertungsrechten zu gewähren sei. Oderdie Tauberzeitung 2014: die kleine Tauber-Zeitung aus Bad Mergentheim wurde vonder Mediengruppe Dr. Haas (Mannhei-mer Morgen, Fränkische Nachrichten)übernommen. Vorher gehörte die Tauber-zeitung zur neuen Pressegesellschaft(NPG) in Ulm, die auch die Herausgebe-rin der Südwestpresse ist. Das ist ein bitte-rer Verlust für die Pressevielfalt, wenn eineTraditionszeitung von ihrem direktenKonkurrenten aufgekauft wird. Außerdemmusste für 21 Mitarbeiter nach einer so-genannten sozialverträglichen Lösung ge-sucht werden.

Gerüchte imitierenNachrichten

Lokaljournalisten wissen, was man vonGoogle nicht erfährt, heißt es gerne. Docham allermeisten gewusst und gemunkeltwird in den partizipativen Medien. Aufder ungeduldigen Suche nach Neuigkei-ten, auch wenn es gerade gar keine gibt,geht der geübte Mediennutzer nach „brea-king news“ bei Twitter, Facebook & Co aufdie Suche und glaubt sich so manches Malden klassischen Medien überlegen. Dochoft findet er nur ein Gerücht; Es sieht aus

wie eine Nachricht, es ist formuliert wieeine Nachricht, man liest es auf demsel-ben Bildschirm wie eine Nachricht, nur:es ist eben keine. Nicht zuletzt beimAmoklauf in München im Juli konnteman die unübersichtliche Vermengungvon subjektiven und objektiven Nachrich-ten erleben. Es ist fatal, wenn in einer sol-chen Situation die klassischen Medien ihreChance verspielen, die Rolle und die Ar-beitsweise des Journalismus in Abgren-

zung zu Ängsten, Phantasien und Speku-lationen zu verdeutlichen.

Täglich: Trolle, Hassund Hetze

Was wir uber Trolle, uber Hetze im Netz,uber sich bahnbrechenden Hass und mör-derische Fantasien wissen, schreiben wirin der Regel anonym agierenden Dema-gogen zu. Doch Lokalredakteur Wurtz,

TOPTHEMA

Zeitung vor Ortschafft Vertrauen

An einem heißen Sommertag fallen in Rastatt die Sonnenstrahlen durch die halb

geschlossenen Rollläden der Redaktionsräume. Zwar ruhen im Sommer viele

reguläre Termine wie etwa Gemeinderatssitzungen, doch für die gleichzeitig

durch Urlaube verkleinerten Redaktionen bleibt mehr als genug zu tun.

Von Susann Mathis

Im Rastatter Schaufenster des Badischen Tagblatts lassen sich die News auf dem Bildschirm auchgut vom Rollstuhl aus verfolgen. Foto: Susann Mathis Aushang der Badischen Neuesten Nachrichten im Erdgeschoss in Rastatt. Foto: Susann Mathis

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verantwortlich fur Aufbau und (die oftnächtelange) Pflege des Onlineauftrittsdes Zoller-Alb-Kuriers weiß oft genau, mitwem die Zeitung es in den Kommentar-spalten zu tun hat. Er kennt den Feuer-wehrmann, der, wie er beschreibt, beiFacebook ein brennendes Fluchtlingsheimin Sachsen feiert und sich ein paar Nächtezuvor beim Großbrand ruhrend um eineausländische Familie gekummert hatte.Wurtz zieht in seinem sehr lesenswertenArtikel bei uebermedien.de ein verhaltenoptimistisches Resumee: „Es lohnt sich,jenen, die an uns zweifeln, unsere Arbeithaarklein zu erklären. Wer mit den Men-schen redet, stellt fest: Ziemlich oft man-gelt es schlicht an Medienkompetenz.“

Lokaljournalisten berichten oft uberDinge, die ihre Leserinnen und Lesertatsächlich auch uberprufen könnten.Michael Wurtz beschreibt seine Erfahrun-gen mit vielen darüber online gefuhrtenAuseinandersetzungen der vergangenenzwei Jahre: „Wir mussen uns vielleicht,während wir uber dem nächsten großenStorytellingsnapchatding bruten, klarma-chen: Ein nicht zu unterschätzender Anteilunserer Leser weiß überhaupt nicht, wiewir arbeiten, kennt nicht den Unterschiedzwischen einem Bericht und einem Kom-mentar und bedauerlicherweise auch nichtden Unterschied zwischen Medienkritikund wilder Pöbelei.

Auch in Rastatt werden in den sozialenMedien, zum Beispiel in Facebook Grup-pen, Gerüchte gestreut, berichtet MichaelJanke, Ressortleiter der Badischen Neues-

ten Nachrichten in Rastatt. Auf SocialMedia Plattformen wurde kolportiert,dass im Rastatter Stadtpark eine 13-Jäh-rige von drei „Asylanten“, wie es dannimmer heißt, vergewaltigt wurde und diePresse darüber nicht berichten dürfe. „Re-cherchen unserer Zeitung haben ergeben,dass es sich bei dem Facebook-Posting nurum ein Gerücht handelte und dass an derGeschichte überhaupt nichts dran ist.Doch das Gerücht war in der Welt und inRastatt war es Stadtgespräch. Man konnteallerdings denjenigen, der das verbreitethat, ausmachen und gegen ihn wurdewegen Volksverhetzung ermittelt.“

Was nichts kostet,ist nichts wert

Die Online-Auftritte der beiden RastatterLokalzeitungen weisen eine entscheidendeBesonderheit auf. Markus Langer, seit2002 Chefredakteur des Badischen Tag-blatts, sagt: „Das Badische Tagblatt ist on-line seit Anfang an kostenpflichtig, daskommt uns heute natürlich zugute, wirmüssen nicht unsere Nutzer umgewöh-nen. Wir machen immer eine kleine Aus-wahl unserer Artikel frei zugänglich, aberunsere eigenen Beiträge teasern wirimmer nur an. Wir informieren siebenTage in der Woche. Wir machen gute Er-fahrungen, auch durch die Rückmeldun-gen, wir bekommen auch viele aktuelleAnfragen, auch über Facebook, wie zumBeispiel „Warum kreist der Hubschrauberüber uns?“. Der Rastatter Redakteur Da-niel Melcher ergänzt: An den Nutzerrück-meldungen sehen wir, dass unsere

Angebote zunehmend auch auf demSmartphone genutzt werden. Manchegehen explizit um 24 Uhr noch mal aufunsere Homepage, zu diesem Augenblickschalten wir in unserem abgestuften On-linebereich schon die Teaser auf vier aus-gewählte Artikel des nächsten Tages. Diesekönnen sie als Kunde des E-Paper dannschon lesen. Interessenten ohne Abo kau-fen sich einen Tageszugang, dies gilt indiesem Zeitraum auch für das Zeitungs-archiv."

Dem Badischen Tagblatt spielte in dieKarten, dass der Mitbewerber, die Badi-schen Neuesten Nachrichten, lange Zeitgar nichts auf ihrer Homepage angebotenhaben, so gab es kein konkurrierendesOnline-Angebot. Inzwischen stellen auchdie BNN einen Artikel aus der Lokalaus-gabe in voller Länge frei zur Verfügung,bieten allerdings so gut wie keine Beiträgein Echtzeit an. In Rastatt sagt dazu Mi-chael Janke, Ressortleiter bei den BNN:„Unser Verlag geht gerade erste Schritte indas digitale Zeitalter. Manche nennen esverspätet, wir betrachten es aber als einbesonnenes Vorgehen. Wir sehen ja dieProbleme, die dadurch entstanden sind,dass viele Inhalte verschenkt wurden. Die-sen Fehler haben wir nicht gemacht.“

Die wichtigsteInformationsquelle

Ebenso richtig war es allerdings auch, On-line nicht einfach den Nichtjournalistenüberlassen. Nur so konnte eintreten, dasslaut einer Bitkom Untersuchung Lokal-und Regionalzeitungen im Internet diewichtigste Informationsquelle für Nach-richten aus dem lokalen Umfeld sind. „Diestarken Marken der etablierten regionalenTageszeitungen sind auch im Internet alsseriöse Nachrichtenquelle gefragt“, wirdBitkom-Hauptgeschäftsführer BernhardRohleder in einer Pressemitteilung desVerbandes zitiert. (s. Grafik in diesemArtikel)

Die Schwerpunkte der Informationsbe-schaffung verschieben sich dabei: Derschweizer Medienforscher Carlo Imbodenhat mit seiner Readerscan Methode, diedas individuelle Leseverhalten protokol-lert, nachgewiesen, dass mit der wachsen-den Bedeutung des Internets der Lokalteil

TOPTHEMA

3 · 2016 DJV Blickpunkt 9

intensiver gelesen wird als der Mantel.Eigentlich logisch, denn wer das Bedürf-nis nach den Informationen, die norma-lerweise im Mantel stehen, bereits beiSpiegel online & Co. befriedigt hat, suchtdann eben in der Lokalzeitung, ob auf Pa-pier oder auf dem Bildschirm, jene Infor-mationen, die man im Mantel nichtbekommt – nämlich die lokalen.

Trau keinem zwischendreißig und fünfzig

Ob dieser Wandel vor allem durch das Le-severhalten der jüngeren Leser bewirktwird, will Drehscheibe.org von dem Un-ternehmensberater wissen. Das verneintImboden, auch die Generation im Alterzwischen 45 und 55 Jahren informiere sichüber die zentralen News zunehmend on-line. Für den BT-Chefredakteur sieht beidieser (erweiterten) Altersgruppe diegrößten Einbrüche. Seiner Ansicht nachhätten sie die Mitte 30- bis Mitte 50-Jäh-rigen teilweise ganz verloren. Optimisti-scher jedoch beschreibt er für die Zukunft:„Unsere Nutzer des E-Papers aber auchdes Facebook Auftritts sind altersmäßigdurchmischt. Die größten Zuwächse fürdie Printausgabe haben wir aber tatsäch-lich bei den jungen Leserinnen und Le-

sern.“ Die Chancen bei dieser Generationbeurteilt wiederum Michael Janke vonden Badischen Neuesten Nachrichten,deren Verlagshaus sich lange Zeit nur sehrwenig um einen online Auftritt bemühthat, kritischer: „Wir dürfen uns keineIllusionen machen. Die junge Genera-tion wird derzeit kaum über die Zeitung

erreicht.“ Doch Janke weist auf einenanderen Aspekt der lokalen Stärke hin:„Wir kommentieren täglich, das wird vonden Lesern sehr geschätzt. Dabei präsen-tieren wir uns nicht als Meinungsmono-lithen, sondern stellen die unter-schiedlichen Positionen innerhalb derRedaktion dar.“

Die Lokalzeitung wirduns retten

In Rastatt konnten die beiden Lokalzei-tungen, anders als viele Redaktionen imganzen Land, ihre Situationen konsolidie-ren – auch wenn sie sich vollkommen un-terschiedlicher Strategien bedient haben.Die Stellensituation blieb stabil. Bei derBNN Rastatt arbeiten sechs Redakteureplus Sekretärin. „An diesen Zahlen hatsich in den vergangenen Jahren nichts ge-ändert.“, sagt Janke. Ebenso gilt für dasBadische Tagblatt: „Die Rastatter BT-Re-daktion ist mit sieben Redakteuren (sechsVollzeit- und eine Teilzeitstelle) plus Se-kretärin besetzt. Das ist seit Jahren unver-ändert.“, sagt der Rastatter BT-RedakteurDaniel Melcher.

Im wirtschaftlich starken Rastatt mit rund47.000 Einwohnern ist Mercedes-Benz derDaniel Melcher, BT, Foto: Susann Mathis

Markus Langer, BT, Foto: Susann Mathis

Michael Janke, BNN, Foto: Susann Mathis

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10 DJV Blickpunkt 3 · 2016

wichtigste Arbeitgeber; mit seiner maleri-schen Lage zwischen Schwarzwald undVogesen lockt es Touristen ins Schloss,und Wanderer und Fahrradtouristen zueiner Rast. Doch auch in Rastatt hat sichwie überall der Werbemarkt verändert,viele alteingesessene lokale Händler sindverschwunden und gerade diese habenauch lokal inseriert. Ersetzt wurden siedurch große Ketten. Das Werbeaufkom-men sei entsprechend zurückgegangen,wie Langer betont, „allerdings nicht exis-tenziell“.

Seine Zeitung habe inzwischen viel mehrverschiedene Produkte anzubieten:„Damit können wir unseren Werbekun-den interessante und differenzierte Ange-bote zu machen. Aber die Verschiebung istbei uns natürlich genauso wie in der Bran-che insgesamt, die Erlöse aus dem Leser-markt sind deutlich relevanter als früher.“

Daher mussten auch beide Zeitungen ihrePreise erhöhen. Das gefällt nicht jedem,aber Langer erlebt: „Sobald wir die Gele-genheit erhalten, unseren Leserinnen undLesern vor Ort zu zeigen, wie viel Auf-wand hinter dem Erstellen einer Zeitungsteckt und was sie alles für den Preis er-halten – für den sie in Baden-Baden nochnicht mal einen Cappuccino trinkenkönnten –, sind sie immer sehr erstauntund fasziniert. Wir dürfen uns nicht sel-ber schlecht reden.“

Trotzdem sollte man sich keine Illusionenmachen. Auch in Baden-Württemberghaben sich Gebietsmonopole ausgebildet.In vielen (Land)-Kreisen und Städten er-scheint nur noch eine einzige Regional-zeitung, in anderen Regionen erscheinenmehrere Regionalzeitungen unter einemgemeinsamen Dach, so dass ein unterneh-merisches Monopol entsteht, wie in Stutt-

gart mit der Zusammenlegung von Stutt-garter Zeitung und Stuttgarter Nach-richten. Und auch wenn es in Baden-Württemberg noch einige familiär ge-führte Zeitungen gibt, so übernehmen nurdie Esslinger Zeitung und der ReutlingerGeneral-Anzeiger nicht einen der überre-gionalen Mäntel der Zeitungen derSWMH.

Die Zeitung hört viel Kritik in letzterZeit und erlebt Vertrauensverlust. Ver-trauen, das ist eine Binsenweisheit, ge-winnt man am besten im persönlichenKontakt (zurück). Hier haben die Lokal-zeitungen durch ihre Nähe zu Leserinnenund Lesern eine große Chance – und einewichtige Aufgabe. Ab und zu muss maneinfach daran erinnern: Das Medien-geschäft ist eine Nahrungskette, in derohne die Lokalzeitung alle verhungernmüssten.

TOPTHEMA

Abos + Einzelverkauf

Platz Titel / Belegungseinheit 2016/II vs. 2015/II in %

1 Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nachrichten Gesamt* 297.239 -11.144 -3,6

2 Südwest Presse Gesamt** 287.780 -8.375 -2,8

3 Schwäbische Zeitung Gesamt 156.291 -2.589 -1,6

4 Badische Zeitung 104 Gesamtausgabe 125.410 -3.078 -2,4

5 Badische Neueste Nachrichten Gesamt 220 116.079 -2.639 -2,2

6 Mannheimer Morgen Ausgabe B*** 114.833 -4.163 -3,5

7 Südkurier Gesamt 001 108.247 -3.367 -3,0

8 Schwarzwälder Bote Gesamt 106.548 -2.367 -2,2

9 Heilbronner Stimme Gesamt 78.023 -1.635 -2,1

10 Rhein-Neckar-Zeitung Gesamt 77.930 -2.672 -3,3

Badisches Tagblatt Gesamt 33.166 -436 -1,3

* plus Waiblinger Kreiszeitung, Nürtinger Zeitung/Wendlinger Zeitung, Kreiszeitung Böblinger Bote, BacknangerKreiszeitung, Rems-Zeitung, Gäubote, Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung, Mühlacker Tagblatt, VaihingerKreiszeitung, Heidenheimer Neue Presse, Murrhardter Zeitung

** plus Der Teckbote, Bietigheimer Zeitung, Eberbacher Zeitung*** plus Fränkische Nachrichten, abzüglich Bergsträßer Anzeiger (Hessen)

Daten-Quelle: IVW / Tabelle: MEEDIA

Auflagenentwicklung in Baden-Württemberg

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VERBAND

Über 50 Teilnehmerinnen und Teilneh-mer bekundeten bei der 26. Mandats-trägerkonferenz am 16. Juli in Stuttgart,dass sie konzentriert, fokussiert und effi-zient an der Bewältigung der aktuellenAufgabenstellungen mitarbeiten wollen.Nach dem Gewerkschaftstag in Karlsruheim Juni, bei dem auch die Fachausschuss-mitglieder neu gewählt wurden, gab esgroßen Diskussionsbedarf. Der wurdedurch den Vortrag mit anschließenderDiskussion von Stefan Rother, bei dem esum die journalistische Darstellung vonFlucht und Migration ging, noch befeuert(siehe nebenstehenden Bericht).

Nach dem Bericht der Landesvorsitzendenzur aktuellen Problemstellungen und zuden Beschlüssen des Gewerkschaftstages,war die Konferenz traditionsgemäß Treff-punkt zur Konstituierung der Fachaus-schüsse, die dem Plenum anschließendihre Schwerpunktthemen vor- und zurDiskussion stellten. Unter anderem wur-den folgende Ideen präsentiert:

Der Fachausschuss Bildung plant einenlandesweiten Fotowettbewerb (siehe Be-richt auf Seite 20). Da der Haushalt desLandesverbandes wie immer kaum Spiel-räume zulässt, wurde der Idee zuge-

stimmt, sofern mittels Sponsoren auch dieKosten darstellbar bleiben. Der Fachaus-schuss Europa möchte dafür sorgen, dassbis Ende September jedes Mitglied einMedium in Bezug auf Haltungen, Inhaltund Meinungen zu Europa beobachtet.Ziel der Initiative ist es, noch in diesemJahr ein Kolloquium mit Europaabgeord-neten abzuhalten. Der FachausschussPresse- und Öffentlichkeitsarbeit willVermittlungskanäle wie beispielsweiseSnapchat oder Periscope unter die Lupenehmen, um deren Einfluss auf die tra-dierten Medien einzuordnen. Auch derFachausschuss Online befasst sich mit derSprache der sozialen Medien und dentechnischen Herausforderungen.

Die Fachausschüsse Tageszeitungen, Be-triebsräte, Junge, Freie und Rundfunkbeschäftigt weiterhin alle Themen rundum die Einhaltung von Tarifen und derenAusgestaltung. Eine rege Diskussionwurde um den kurz vor der Mandatsträ-gerkonferenz abgeschlossenen Gehaltsta-rifvertrag an Tageszeitungen geführt, dergerade in Baden-Württemberg auf teilsheftige Kritik stieß. Die FachausschüsseChancengleichheit (Termin am 17. Sep-tember), Privatfunk und Anzeigenblättermüssen sich noch konstituieren.Wer sich einbringen will, kann sich [email protected] melden.

Ä Dagmar Lange

Migration und Flucht als journalistische HerausforderungDr. Stefan Rother bei der Mandatsträgerkonferenz des DJV Baden-Württemberg

MandatsträgerkonferenzWache Teams mit konkreten Zielen

3 · 2016 DJV Blickpunkt 1312 DJV Blickpunkt 3 · 2016

Das Thema Migration schlägt Wellen,sorgt für vermehrte demokratische Betei-ligung bisheriger Nichtwähler und hoheStimmprozentzahlen von Rechtspopulis-ten. Von diesen sehen sich Journalisten alsInformationsmittler zunehmend unterDruck gesetzt – nur ein Anlass für denDJV-Landesverband Baden-Württem-berg, den Freiburger Journalisten und Mi-grationsforscher Dr. Stefan Rother zurDiskussion mit den Kolleginnen und Kol-legen zur Mandatsträgerkonferenz MitteJuli in Stuttgart einzuladen.

„Migration und Flucht als journalistischeHerausforderung – was kann die Migrati-onsforschung dazu beitragen?“ hieß dieLeitfrage des DJV-Mitglieds und er wiesdarauf hin, wozu manipulatives und ver-antwortungsloses Publizieren fähig ist: MitLügen über die EU-bedingte Migrations-belastung Britanniens wurde eine Abstim-mungsmehrheit für den Brexit herbeige-schrieben. Aber auch in Deutschland wirdvon Publizisten mit falschen Zahlen ope-riert und fahrlässig mit Begriffen umge-gangen, um Aufmerksamkeit hervorzu-rufen und politisch Wirkung zu erzielen.

Eine Statistik mit zweifelhafter Datenlageseien beispielsweise die offiziellen EU-Zahlen von 4,5 bis 8 Millionen undoku-mentierter Migranten: „Einer schreibt

vom anderen ab“, so Rother, „die letztend-lich feststellbare Basis war ein Zeitungsar-tikel aus dem französischen ,Figaro' von2004 mit unklarer Quellenlage.“ SeriöseWissenschaftlicher seien für Europa aufetwa halb so hohe Zahlen gekommen.Auch für Deutschland sei hier die Fakten-lage eher dünn, so Rother: „Die Zahlenschwanken zwischen 100.000 oder undeiner Million – man weiß es nicht.“ Voneiner neuen Völkerwanderung zu spre-chen sei zudem fahrlässig, denn bei einerWeltbevölkerung von 7,5 Milliarden gebees laut UN derzeit 65 Millionen Menschenauf der Flucht, davon ein Drittel interna-tional; mit einem Fragezeichen versehenist aber die Zahl von (vielleicht bald?) 200Millionen Klimaflüchtlingen. „Rund 250Millionen Menschen leben derzeit zwaraußerhalb ihrer Heimatländer“, stellteRother fest, „aber der größte Teil dieserMigration spielt sich innerhalb der jewei-ligen Regionen ab.“ Flüchtlinge würdenzur Flucht gezwungen, Migranten handel-ten dagegen meist aus eigenem Antrieb.

Bei diesem faktischen Hintergrund kanndas Gefühl bedrohter Sicherheit in dieWirklichkeitssicht der Mediennutzer ge-langen, indem Begriffe gesetzt und danngedankenlos abgeschrieben werden, wiebeispielsweise „Schutz der Außengrenzen“.„Auch der vor einiger Zeit neu erschaffene

Kampfbegriff der Parallelgesellschaft hatnur eine empirisch begrenzte Datenlage“,stellte der 44-Jährige klar. VielschichtigeBegriffe wie Multikulturalismus würdenoft leichtfertig verwendet und der techno-kratische Begriff des Migrationsmanage-ments suggeriere ein von Autoritätenlösbares Problem. „Ein Grenzübertritt ansich gefährdet weder Sicherheit noch Ei-gentum von irgendjemandem und Migra-tion an sich ist nicht illegal.“ Sie müsse alsglobales Thema angegangen werden undauch Migranten am Prozess beteiligen –Selbstorganisationen wie die „Internatio-nal Migrants' Alliance“, das "MigrantForum in Asia" und die "Global Coalitionon Migration" seien hier erste Ansätze.„Rechte erlöschen nicht mit dem Über-schreiten einer Grenze, zumindest dieGrundrechte gelten für alle Menschen“,sagte Rother.

In der Diskussion nannte er keine Patent-rezepte, sondern empfahl als Handwerks-zeug für journalistische wie wissen-schaftliche Arbeit: „Hinterfragen Sie soge-nannte Experten, Publikationen, Statisti-ken, Mythen, eigene Perspektiven undnormative Standpunkte.“ Dem Drucknicht nachgeben – in Zeiten der Hetze insozialen Netze wichtiger denn je.

Ä Wolfgang Heinzel

Forschungsschwerpunktevon Stefan Rother:

Politische Beteiligung und Selbstorganisa-tion von MigrantInnen und Flüchtlingen;Migration und Demokratie/sierung;Migration und Entwicklung; regional andglobal migration governance. Er ist wis-senschaftlicher Mitarbeiter am Seminarfür Wissenschaftliche Politik, Lehrstuhlfür Internationale Beziehungen, der Uni-versität Freiburg. Seine Dissertation„Diffusion in transnational political spa-ces: Political activism of Philippine labormigrants in Hong Kong” wurde mit demArnold-Bergstraesser-Preis für Internatio-nale Politik ausgezeichnet. Rother ist Vor-standsmitglied der Deutschen Gesellschaft

für Asienkunde (DGA) und Sprecher desAK Migrationspolitik in der DeutschenVereinigung für Politikwissenschaft(DVPW). Er hat mehr als 20 Jahre Berufs-erfahrung als Redakteur und freier Jour-nalist und schreibt für mehrereTageszeitungen und Zeitschriften.

Literatur: Stefan Rother (Hrsg.) –Migration und Demokratie, Wiesbaden:Springer-VS 2016; Meier-Braun,Karl-Heinz/Weber, Reinhold (Hrsg.) –Deutschland Einwanderungsland,Stuttgart: Kohlhammer 2013.Internet: http://gfmd-blog.com;www.migration-und-demokratie.de;http://fluechtlingsforschung.net

Im Dialog: Wolfgang Heinzel (links) undDr. Stefan Rother, Foto: Manfred Herbertz

Arbeitsame Tagung in der Sparkassenakademie, Foto Manfred Herbertz

Großer Praxisbezug: Vortrag von Stefan Rother, Foto Stephan Bau

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14 DJV Blickpunkt 3 · 2016

Reichlich Zuspruch fand das Sommerfest am 16. Juli in der DJV-Geschäftsstelle im Herdweg, genauer gesagt im ZDF-Garten mitseinem einzigartigen Ausblick über die Stadt.Landesvorsitzende Dagmar Lange und der gesamte Landesvorstand konnten Mitglieder im Alter von 27 bis 81 Jahren begrüßen,dazu den Ehrenvorsitzenden Karl Geibel, die Ehrenmitglieder Anton Schleier und Dieter Schnabel sowie als Gast Rainer Lang,Geschäftsführer der Pressestiftung Baden-Württemberg. Die Landesvorsitzende informierte die Gäste über die aktuellen Themen wie die Tarifarbeit, wie auch über generelle Tendenzenin den Verlagen und beim SWR. Angesichts der aktuellen Debatte um die Glaubwürdigkeit der Medien rief sie dazu auf, Lügendurch Fakten zu entlarven. Ä red.

Sommerfest im Herdweg

Alle Fotos: Manfred Herbertz

3 · 2016 DJV Blickpunkt 15

Auf zum Landespresseball am 11. NovemberSeine Stellung als gesellschaftlicherHöhepunkt des Jahres macht ihm auch2016 niemand streitig. Der Landespresse-ball versammelt die Spitzen aus Politik,Wirtschaft, Kultur, Medien und Sport inBaden-Württemberg. Auch in diesemJahr wartet der Einladungsball mit einerVielzahl von Glanzlichtern auf.

Musikalischer Top-Act ist bei der 58. Aus-gabe des Balls am 11. November 2016 inder Liederhalle die britische Band HotChocolate. Die 1970 gegründete Gruppehat Disco-Hits wie „Every 1’s a Winner“am laufenden Band produziert. Heuteüberzeugt die Truppe mit kraftvollenLive-Auftritten.

Im Beethovensaal und im Foyer spielenweitere renommierte Bands für dieTänzerinnen und Tänzer auf. Danebengibt es Kleinkunst im Mozartsaal oderdie Players Lounge der Spielbank Stutt-gart. Rustikal ist in diesem Jahr dieBierbar: Das Rothaus-Bier wird im

Schwarzwald-Ambiente ausgeschenkt.Ein Höhepunkt ist die Tombola, wiedermit tollen Gewinnen. Ein BMW alsHauptpreis, außerdem eine Woche aufdem Dollenberg, ein Börsen-Zertifi-kat oder ein Shopping-Gutschein beiBreuninger im Wert von 4.000 Euro.

Selbst Nieten sind ein Gewinn. Der Erlösist nämlich für die Pressestiftung,die Journalisten in Not unterstützt.

Information:www.landespresseball-bw.de

Die britische Band Hot Chocolate, Foto: Landespresseball

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VERBAND

Praktische Solidarität mit türkischen Journalisten

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Verhaftungen, Netzsperren, strikte Überwachung

Webseiten und Kommunikationsservervon kritischen Medien sind seit Wochennahezu unerreichbar in der Türkei. DieRegierung hat zahlreiche Verlage undRadiostationen geschlossen. Die Kom-munikation von Journalisten und Regie-rungskritikern wird überwacht. Dietürkischen Kolleginnen und Kollegenbrauchen Unterstützung für ihre Arbeit.Baden-Württemberg hilft mit Anti-Spionage-Technik.

Netzüberwachung und Blockaden sozia-ler Plattformen sind in der Türkei nichtsNeues. Seit dem Jahr 2010 lässt die türki-sche Telekommunikationsbehörde Twitterund Youtube, etwas seltener Facebook,immer wieder sperren. Auch Netzserverund Webseiten regierungskritischer Me-dien sind in der Vergangenheit immerwieder – teilweise über mehrere Tage –unerreichbar gewesen.

Vertreter der Oppositionsbewegung hat-ten nach den Parlamentswahlen im Juni2015 zahlreiche Ersatzserver in Deutsch-land einrichten lassen, um die Netzsper-ren der türkischen Regierung zuunterlaufen und so auch der Netzüberwa-chung der Regierung zu entgehen. DieseServer haben auch einige Journalistinnenund Journalisten genutzt, um ihre Be-richte, Fotos und Videos von Verhaftun-gen, Anschlägen und massivenPolizeieinsätzen nach Westeuropa zu schi-cken. Doch während der vergangenenWochen hat es die Cybertruppe des türki-schen Präsidenten Erdogan geschafft, auchden Zugriff auf Ersatzserver im Auslandzu unterbinden.

Smarte Netzüberwachung füreffektive Zensur

Das aus Geheimdienstlern und Mitarbei-tern der staatlichen Telekommunikations-behörde bestehende Cyberteam dertürkischen Regierung hatte schon vor län-gerer Zeit erkannt, dass die in den Jahren2010 und 2014 verhängten Netzsperrengroßräumig umgangen wurden. Bei die-sen Netzsperren war die türkische Regie-rung noch ganz klassisch vorgegangen: Siehatte die Weiterleitung über die Netzda-tenbank mit den Internet-Protokolladres-sen gesperrt.

Würde zum Beispiel die Domain wdr.demit einer solchen Netzsperre belegt,würde damit unterbunden, dass in derDatenbank des Domain Name Systemsvom Domain-Namen djv-bw.de auf seineInternet-Protokoll-Adresse 149.219.195.39verwiesen wird. Der Server wäre über eineAnfrage an das Domain Name Systemnicht auffindbar. Jedoch kann solch einServer mit Netzsperre weiterhin direktdurch die Eingabe der Internet-Protokoll-Adresse mit dem Browser aufgerufen wer-den. Und das haben die türkischenOppositionellen und Journalisten auchgemacht, um diese von der Regierung ver-hängte Netzsperre zu umgehen.

NATO-Technik für dieJournalistenüberwachung

Daraus hat die türkische Regierung ge-lernt. Sie greift seit einigen Wochen zueinem Blockade- und Überwachungsmit-tel, das das amerikanische Cyber Com-

mand für die NATO entwickelt hat. Dabeiwerden einzelne Routen im Internetdirekt abgeschaltet, andere über Filter-systeme überwacht und nur der Regierunggenehme Inhalte freigeschaltet.

Die Netze der verschiedenen Internet-Pro-vider tauschen ihre Daten über das BorderGateway Protocol (BGP) aus. Dieses Rou-tenprotokoll legt fest, wie die Daten voneinem Provider-Netzwerk zum nächstenweiter gereicht werden, bis sie ihren Emp-fänger erreicht haben. Die amerikanischenCyberspezialisten hatten schon vor einigenJahren ein halbes Dutzend unterschiedli-cher Befehlssätze im Auftrag der NATOentwickelt, mit denen die für die Weiter-leitung von Daten über das BGP notwen-digen Transport- und Routeninfor-mationen gelöscht werden. Das Cyberteamder türkischen Regierung hat diese Be-fehlssätze genutzt, um die Weiterleitungvon Daten zwischen den vier größten tür-kischen Internet-Providern teilweise zublockieren. E-Kolay, Netcom, Bilgisayser,Turkcell Superonline und Türk Telekombetreiben etwa 15.000 dieser sogenanntenBGP-Routen. Bei 300 Routen wurdenEnde August die Routeninformationen fürden Datentransport geblockt.

Dabei handelt es sich um die Internet-Routen, über die Server der politischenOpposition in Deutschland und derGülen-Bewegung in den USA erreichtwerden können. Bei dieser Blockade wirdzudem mit einem Filtersystem gearbeitet,so dass auch bestimmte Server von You-tube oder Twitter gesperrt werden können,andere jedoch erreichbar bleiben.

Filtertechnikgegen Pressefreiheit

Damit ist es der türkischen Regierungmöglich, zum Beispiel Youtube-Servermit unerwünschten Inhalten zu sperren,den Zugriff auf andere Youtube-Server,zum Beispiel mit Schminktipps aberweiterhin zu erlauben. Der Zugriff auffreigeschaltete Server wird dabei ständigvon Mitarbeitern des türkischen Geheim-dienstes überwacht. Das erschwert natür-lich die freie Berichterstattung aus derTürkei ungemein. Die Arbeit türkischerOppositionskräfte ist auch im Auslanderheblich geschwächt. Dass die türkischeRegierung dabei auf Cyberwar-Ressour-cen der NATO zurückgreift, will manim belgischen Hauptquartier des Ver-teidigungsbündnisses nicht kommen-tieren.

Es gibt allerdings zwei Gegenmittel: Ver-schleierung der Internet-Protokoll-Adresse und Verschlüsselung dergesamten Kommunikation. Eine Mög-lichkeit, so etwas ohne größere technischeKenntnisse an den Überwachern vorbeizu realisieren und damit unzensierteKommunikationskanäle zu schaffen, bie-tet ein Spionage-Abwehrsystem namensTrutzbox, das der IT-Experte HermannSauer mit seinem Team aus Eltville ent-wickelt hat. Der DJV-LandesverbandBaden-Württemberg hat solche Trutzbo-xen beschafft und an türkische Kollegenweitergereicht, die damit unbehelligt vonstaatlichen Zensoren mailen, surfen undchatten können.

DJV hilft mitAnti-Spionage-Technik

Journalisten, die ihre Kommunikationüber die Trutzbox abwickeln, können mitder vom DJV beschafften Hard- und Soft-ware sichere Mails allerdings nur an an-dere Trutzbox-Besitzer schicken. Das ist

zweifellos ein Nachteil dieses Systems.Dafür aber sind Verschlüsselung und Ver-schleierung des Mail-Verkehrs im Trutz-box-System so aufwändig, dass auchhochgerüstete Nachrichtendienste nichtohne weiteres die Mail von Trutzbox-Be-sitzern ausspähen können. Sowohl Mail-inhalte als auch Metadaten werdenverschlüsselt. Beim ersten Mailaustauschüberprüft der Empfänger der Mail dieAuthentizität des Absenders mit einemZertifikat, das über den Server der Comi-dio GmbH in Eltville ausgetauscht wird.Trutzbox-Besitzer können nur von ihrerTrutzbox, für die sie eine Legitimationhaben, Mails absenden. Sie können dafürnicht die Boxen anderer Trutzbox-Besit-zer benutzen.

Trutzbox überlistet sogarNSA-Technik

Auf der Trutzbox läuft ein eigener Mail-Server. Das hat allerdings auch zur Folge,dass dieser eigene Mail-Server immer lau-fen muss, um eine sichere Mail-Abwick-lung garantieren zu können.

Wird mit der Trutzbox eine neue sichereMail-Adresse angelegt, wird auch einneuer TOR-Hidden-Service aufgebautund bekanntgegeben. Domain-Namenim TOR-Netzwerk enden bekannterma-ßen auf .onion. Jede Mailadresse, die aufder Trutzbox generiert wurde, erhält eineOnion-Adresse. Die sendende Trutzboxmuss deshalb zunächst die Onion-Adresse des Mail-Empfängers ermitteln.Zwischen der sendenden und empfan-genden Onion-Adresse wird dann dieMail innerhalb der TOR Hidden Servicesausgetauscht.

Nur innerhalb der Hidden Services desTOR-Netzwerks kann ein sicherer Mail-austausch garantiert werden. Mehreresehr aufwändige Tests mit Software fürdie Netzwerkanalyse haben ergeben, dass

die Kommunikation über die Trutzboxeinen ausgesprochen hohen Level anÜberwachungssicherheit garantiert. DieDatenpäckchen mit den der türkischenRegierung hochgradig unliebsamen Bei-trägen über Redaktionsdurchsuchungenund Verhaftungen von Journalisten konn-ten nicht einmal von so hocheffizienterÜberwachungssoftware wie XKeyscoreausfindig gemacht und identifiziert wer-den konnten.

So können türkische Kolleginnen undKollegen die Zensurmaßnahmen derSicherheitsbehörden effizient unterlaufenund ein kleines Stückchen weit dieFreiheit der Berichterstattung absichern.Die Aktion des DJV in Baden-Württem-berg zeigt vor allen Dingen eines ganzdeutlich: Der Kampf für die Presse-und Meinungsfreiheit und die Solidaritätmit den türkischen Kolleginnen undKollegen darf sich nicht auf Grußadres-sen und Sonntagsreden beschränken.Hier ist ganz konkrete technische Hilfegefordert.

Da darf auch nicht verschweigen werden,dass solche technische Hilfe im Verbandnicht ganz unumstritten ist. Die Mit-glieder des DJV-Landesverbandes Baden-Württemberg sind allerdings überzeugt,dass Presse- und Meinungsfreiheit inZeiten fortgeschrittener Digitalisierungnur mit ausreichend technischemSachverstand gesichert und befördertwerden können. Dafür lassen sie sichdann gern auch einmal als „Nerds“beschimpfen.

Nur wer sich mit solchen technischenFragen auseinandersetzt, kann als Jour-nalistin, als Journalist auch künftig seinebzw. ihre Wächterfunkton in digitalenStrukturen wahrnehmen. Wer sich demverweigert, hat schon heute verloren.

Ä Peter Welchering

Diskussion mit Ismail Küpeli:Der DJV Landesvorstand lädt Sie herzlich dazu ein, sich aus erster Hand überdie Lage der Journalisten in der Türkei zu informieren. Der Journalist und Politik-wissenschaftler Ismail Küpeli wird uns am 17. September, 10:30 bis 12:00, in derStuttgarter Sparkassenakademie viele Einblicke ermöglichen. Unbedingt notwendigist eine Anmeldung bei der Geschäftsstelle:Telefon 0711 / 222 49 54-0 oder per E-Mail: [email protected]

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18 DJV Blickpunkt 3 · 2016 3 · 2016 DJV Blickpunkt 19

Gut 1000 Unternehmen weltweit überwa-chen die Netz-Nutzer und verkaufen Späh-daten und ganze Persönlichkeitsprofile anSicherheitsbehörden und Agenturen. Mitmodernen Überwachungsmethoden undintensiver Zusammenarbeit auf der tech-nischen Ebene wissen die internationalenDatenhändler genau, was die Netz-Nutzerdenken, lesen und kaufen wollen. DieÜberwachung ist lückenlos.

Reporter des Rechercheverbundes Tech-nik und IT-Experten haben genauernachverfolgt, wie die Bürger im Netz kon-trolliert werden. Und dabei stellte sich he-raus: Ein besonderes Interesse zahlreicherDatenhändler gilt Journalisten. Verdecktfragten die Reporter des Recherchever-bundes bei zwei Datenhändlern an. DasErgebnis: persönliche Profile von Journa-listen sind ab 2.500,00 Euro zu haben. In-teressiert an diesen Profilen sindSicherheitsbehörden unterschiedlicherStaaten, Agenturen, die auf dem Ge-schäftsfeld der „Einflusskommunikation“tätig sind, und private Dienstleister, dieüber Journalisten an potenzielle Whistle-blower gelangen wollen, um ihren Kun-den hier schon im Vorfeld Maßnahmenanbieten zu können.

Das Ziel: Whistleblowingverhindern

Wann immer in der lückenlosen Überwa-chung der Internet-Nutzer ein Journalist„gescort“ wird, ermitteln Algorithmendessen „Interessenswert“. Der entscheidetdann über die weiteren Spähmaßnahmen.Und dieser Wert ist nicht nur vom Kom-munikations- oder Surfverhalten desJournalisten abhängig, sondern vor allenDingen davon, mit welchen anderenNetznutzern er in Kontakt tritt. Befindensich unter diesen etwa potenzielle Whist-leblower der US-Regierung, steigt der In-teressenwert des Journalisten. DieUS-Regierung will nämlich seit den Ent-hüllungen von Edward Snowden dieWahrscheinlichkeit berechnen, mit derRegierungsmitarbeiter zu Whistleblowernwerden. Um diese kümmern sich dannMitarbeiter eines eigens gegründeten Be-treuungsstabes. Die Reporter des Recher-cheverbundes Technik haben Hard- und

Software für die Datenanalyse und diverseInternet-Werkzeuge zum Aufspüren vonsogenannten Trackern eingesetzt. Sokonnten sie ganz genau nachvollziehen,welche Webserver welche und wie vieleDaten vom Browser eines Nutzers abzie-hen, der ahnungslos im Internet surft.

Hochgerüstete Überwachungs-technik gegen Journalisten

Standardmäßig ermittelt die Tracking-Software ein Nutzerprofil aus Daten wiedem installierten Betriebssystem, der ak-tuellen Bildschirm-Auflösung, dem ver-wendeten Browser mit seinen Zusatzprogrammen sowie den installiertenSchriften und Sprachen. Über eindeutigeIdentitätsnummern, Signaturen undSchlüssel werden nicht nur Rechner undSmartphones wiedererkannt, sondernauch deren Besitzer. Bei Vergabe der Iden-titätsnummern arbeiten die Datenhändlerinternational sehr eng zusammen. Daskonnten die Mitglieder des Recherchever-bundes an den protokollierten Zugriffenablesen. Die Identitätsnummer, die ein Da-tenhändler einem Kunden auf dessen Lap-top oder Smartphone überspielt hat, wirdüber weitere Zugriffe an andere Daten-händler weitergegeben. Das geschieht gerä-teübergreifend für jede einzelne Zielperson.

Ein typisches Überwachungsmuster siehtdabei so aus: Die Tracking-Software einesDatenhändlers setzt einen Cookie in denBrowser eines Internet-Surfers. DieserCookie wird an den Server dieses erstenDatenhändlers zurückgeschickt. Für die-sen Cookie wird ein einmaliger und ein-deutiger Schlüssel errechnet. DerSchlüssel geht zurück an den Browser desInternet-Surfers und wird auf seinemRechner abgelegt. Sein Browser erhältdann den Befehl vom Webserver des ers-ten Datenhändlers, diesen Schlüssel anweitere Webserver anderer Datenhändlerweiterzureichen. Um von diesen Datenauf die persönliche Identität eines Inter-net-Surfers zu schließen, brauchen dieDatenhändler die Mail-Adresse oder Te-lefonnummer des Surfers. Die Mail-Adresse ermitteln sie, wenn der Surfereinen seiner Social-Media-Accounts oderWeb-Mail nutzt.

Persönliche Profile bringenDatenhändlern Profit

Beim Aufruf des Web-Mail-Kontos von Peter Welchering zum Beispielhaben die Experten 121 sogenannterGet-Befehle auf den Browser seines Rech-ners protokolliert. Drei weitere Befehlehaben die Daten der Adress-Zeile desBrowsers ausgewertet, aus der die genaueMail-Adresse ermittelt werden konnte.Beim Aufruf von Online-Shops und denAngeboten von Versandhändlern warendas teilweise über 100 Zugriffe von ande-ren Internet-Servern auf den Browser desNutzers. Die dabei eingesetzten Javascriptsfür die Datenüberwachung sind sehr aus-gefeilt. Sie weisen zum Teil mehr als 10.000Programmzeilen auf, die sehr unterschied-liche Überwachungsfunktionen ausführen.Die Telefonnummer wird in der Regelüber die Nutzung eines Messenger-Diens-tes ermittelt. Vor allen Dingen der inten-sive Austausch des Datenhändlerkartellshat so ein engmaschiges Überwachungs-netzwerk entstehen lassen. Die Daten-schutzbehörden schauen diesem Treibender Daten-Dealer ziemlich hilflos zu. EinGroßteil der Journalistinnen und Journa-listen in Deutschland hat diesen Datener-hebungen nämlich per Klick oder Wischzugestimmt - allerdings ohne zu wissen,welche Daten im Detail verarbeitet werdenund wie eng die Kooperation der Daten-händler ist.

Wir brauchen hier strengere gesetzlicheVorgaben, und wir brauchen endlich ent-schiedene Maßnahmen des Staates, der dieinformationelle Selbstbestimmung seinerBürger schützen muss, das aber bishernicht tut. Da kann man durchaus voneinem Staatsversagen in Sachen Daten-schutz sprechen. Ä Peter Welchering

Der Rechercheverbund Technik arbeitet fürdas Deutschlandradio, verschiedene ARD-Anstalten, hier vor allen Dingen für denWDR, und für das ZDF (heute.de). Gegrün-det haben diesen Rechercherverbund diedrei Technikjournalisten Manfred Kloiber(Köln), Jan Rähm (Berlin) und Peter Wel-chering (Stuttgart) im Herbst 2015.Auf der nächsten Seite:Wie man Tracking erkennen kann

Massive Bedrohung der PressefreiheitDatenhändler spähen Journalisten flächendeckend aus

Margarete Dieterle 71 Jahre Achim Heckel 51 JahreDr. Gisela Linder 83 Jahre Dr. phil. Florian Weiland 46 JahreWir trauern um

Tracking erkennen

Eine Reihe von Werkzeugen hilft Inter-net-Nutzern, herauszufinden, welcheDaten von Webservern aus dem eigenenBrowser ausgelesen werden, um denRechner möglichst zuverlässig künftigwieder identifizieren zu können.

Eine kleine Auswahl:

http://ip-check.info

https://audiofingerprint.openwpm.com

http://analyze.privacy.net/Default.asp

http://browserspy.dk/useragent.php

http://www.ericgiguere.com/tools/http-header-viewer.html

http://www.rexswain.com/httpview.html

http://livehttpheaders.mozdev.org

https://panopticlick.eff.org

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SWMH kann nicht tilgen

Südwestdeutsche Medienholding kanndas Darlehen für den Kauf den Süddeut-schen Verlags bis auf Weiteres nicht til-gen. Die Banken verlangen Geld ausVerkaufen von Unternehmensteilen, er-fährt der "Focus". Weil es dazu aber nichtkommt, muss nachverhandelt werden.Wohl erst 2027 werden alle Schuldenweg sein. Die rund 40 SWMH-Gesell-schafter müssen zudem drei Jahre aufDividenden verzichten. Schon im Märzberichtete kress pro , bei einem Umsatzvon 852 Millionen Euro habe dieSWMH 2015 einen Verlust vor Steuernvon 14,1 Millionen Euro eingefahren.Das negative Ergebnis hänge allerdingswesentlich damit zusammen, dass derKonzern den Kauf des SüddeutschenVerlages (mit der "Süddeutschen Zei-tung", einer Fachinformationssparte undder Zeitungsgruppe Hof, Coburg, Suhl)2008 noch nicht verdaut habe. Hohe Ab-schreibungen und Zinszahlungen fürden aus heutiger Sicht überteuerten Dealbelasteten das Ergebnis seit Jahren.

Tarifabschluss für Zeitschriften

Ende Juli einigten sich die Tarifvertrags-parteien auf einen neuen Gehaltstarif-vertrag. Der Abschluss sieht Einkom-menserhöhungen von insgesamt 3,1%bei einer Laufzeit von 25 Monaten vor.Am 1. September werden die Gehälterum 1,5% und am 1. September 2017 umweitere 1,6% angehoben.

Katholischer Medienpreis 2016

Auszeichnung für „Schwäbische Zei-tung“: Die „Schwäbische Zeitung“ erhältden Katholischen Medienpreis 2016 fürihre Serie „Menschenwürdig leben biszuletzt“. Das hat die Deutsche Bischofs-konferenz am Donnerstag bekanntge-geben und der Redaktion der Zeitunggratuliert.

Schwäbische Post

Damian Imöhl wird Chef von “Schwäbi-scher Post” und “Gmünder Tagespost”:SDZ holt den Boulevard-Journa-listen Damian Imöhl, 46, als Chefre-dakteur für “Schwäbische Post” und“Gmünder Tagespost” nach Aalen.Imöhl war zuletzt stellvertretender Chef-redakteur beim Kölner “Express”, zuvorjahrelang bei “Bild” in NRW.

Einfach Heidelberg

In Heidelberg starten Pädagogen und einVerein das Nachrichtenportal EinfachHeidelberg in leichter Sprache. Es wurdegemeinsam mit Menschen mit Behinde-rung entwickelt und soll Menschen mitLese- und Lernschwierigkeiten Teilhabeermöglichen. Nutzer können sich die Ar-tikel auch vorlesen lassen.

Junges Angebot

Am 1. Oktober startet das neue Internet-Angebot von ARD und ZDF für 14- bis29-Jährige. Der Name „Junges Angebot“ist nur ein Arbeitstitel. Das Budget liegt

ab 2017 bei 45 Millionen Euro im Jahr,davon übernimmt der SWR (für die ARD) zwei Drittel, das ZDF ein Drittel.Geplant sind Formate auf mehrerenPlattformen, einer eigenen Website undeiner eigenen App − mit den Säulen In-formation, Orientierung und Unterhal-tung. In Mainz arbeiten derzeit 25 bis 30Mitarbeiter für das „Junge Angebot“, da-runter 10 Festangestellte.

SWMH bündelt Digitalkompetenzfür Regionalzeitungen

Zum 1. September 2016 werden alleKompetenzen für die digitalen Aktivitä-ten der Verlage der Medienholding Süd(MHS) und der Verlagsgruppe Hof/Co-burg/Suhl (HCS) innerhalb der SWMH-Gruppe unter einer Gesellschaft, derMHS Digital GmbH, zusammengefasst.

Die MHS Digital ist damit für alle digi-talen Aktivitäten der Stuttgarter Zeitung,der Stuttgarter Nachrichten, desSchwarzwälder Boten, der VerlagsgruppeHof/Coburg/Suhl sowie verschiedensterLokalausgaben zuständig. Die vertrieb-liche, redaktionelle und Produkt-Zu-sammenarbeit zwischen den StandortenStuttgart, Oberndorf und der Verlags-gruppe Hof/Coburg/Suhl soll in diesemZuge weiter ausgebaut werden.

Zu den weiteren Herausforderungenzählten unter anderem die kontinuierli-che Verbesserung der redaktionellen Ab-läufe hinsichtlich Print und Online inder Gemeinschaftsredaktion von StZund StN. Bereits seit Anfang letzten Jah-res sei auch die neu gegründete DigitalUnit im gemeinsamen Newsroom ver-treten. Darüber hinaus sind die Weiter-entwicklung der Produkte und Abläufehinsichtlich der Premium-Angebote vonStZ und StN, der Ausbau des neu ge-gründeten Multimedia-Ressorts, dieÜberarbeitung von Webauftritten undApp-Angeboten sowie die Erarbeitungneuer Werbeformate geplant.

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20 DJV Blickpunkt 3 · 2016 3 · 2016 DJV Blickpunkt 21

Leserbrief

www.djv-bw.deModellpflege:Neuer Onlineauftritt

Wer es nicht glaubt, dass Wissenschafts-journalisten vor allem Durchlauferhitzersind, der entziehe ihnen mal für ein Jahrden idw und sämtliche Hochschulpresse-stellen-Verlautbarungen, sowie die mei-nungsführenden Fachzeitschriften. Dannmüsste man sich selbst überlegen, welcheThemen für die Mediennutzer, für dieGesllschaft relevant sind und sich auf dieSuche nach Wissen machen. Es wäre span-nend zu beobachten, ob und wie das beiden Mediennutzern ankäme. Aber dafürfehlt - wie richtig bemerkt - in den Re-daktionen und bei den Autoren Geld undMuße (im Sinne von sich auf etwas ein-lassen).

Was mir fehlt ist auch eine Erklärung wes-halb wir denn diesen "Wissenschafts-hype" haben. Den Vermarktungsaspektbeschreibt Susann Mathis, aber warumwird jeder Kollege, der sich irgend wo zuirgend einem Thema äußert zum "Exper-ten, Fachmann etc."? In diesen Zeiten, die

der Einzelne als immer unsicherer erlebt,scheint die Wissenschaft der ideale Ersatzfür die Religion, die früher Halt gab. Wis-senschaft, das klingt rationaler, wenigerabergläubisch und absolut sicher (weil derLaie die Bedingtheit von Forschungser-gebnissen überhaupt nicht in Betrachtzieht). Wissenschaft erscheint als "derstarke Mann", der weiß wo es lang geht.Eine Illusion, die aber von den Medienkräftig genährt wird.

Nach ungefähr 30 Jahren als Wissen-schaftsjournalist (u.A. für den DLF) seheich den Beruf ganz nahe bei Zirkus undVarieté angesiedelt, die auch faszinierendeDinge darbieten, auch handwerklich so-lide, aber eben nicht um der Aufklärungwillen, sondern zur Unterhaltung. Info-tainment nennt sich das in den Medien.Ich sehe im Wissenschaftsjournalismus, sowie er heute oft betrieben wird, einenSpiegel unserer Gesellschaft, in der derSchein wichtiger ist als das Sein. Nicht der

überlebt, der solide und gründlich arbei-tet, sondern der Überflieger, der bei einerTagung ein paar Statements einsammeltund die zu einem bunten Beitrag kombi-niert (durchaus mit Hirn und Herz), abereben eher formal, als mit inhaltlichemBezug zur Tagung und deren Inhalten, ge-schweige denn zu den Bedürfnissen derMediennutzer. Stagnierende Honorare beiSendern und Verlagen tragen eine Mit-schuld. Wenn solides Arbeiten nicht ho-noriert wird, dann braucht man sich überdergleichen nicht wundern. Da ist es dannmanchmal schon ein Glücksfall, wenn diePressemitteilung wenigstens richtig wie-der gegeben wird. In manchen Medien,die wie die StZ und StN stark unter Druckstehen, findet man fast jeden Tag Sätze, dieunvollständig oder falsch sind, weil sichniemand mehr die Zeit nimmt seinen Textnoch einmal kritisch durchzulesen. Wiesagen die Chinesen? "Eile ist Irrtum!"

Cajo Kutzbach

Mehr als ein Facelifting ist der neue Internetauftrittunter www.djv-bw.de, der ab 20. September online ge-schaltet ist. Aufgrund des geänderten Nutzerverhaltenhat der DJV-Landesverband für ein Layout gesorgt,das unabhängig vom Endgerät funktioniert.Mit „Responsive Webdesign“ haben wir die tech-nischen Voraussetzungen geschaffen, um eineeinfache und komfortable Bedienbarkeit zu ge-währleisten. Das Layout passt sich so automatischden Eigenschaften bezüglich Bildschirmgröße undBildauflösung an.

Überarbeitet wurden ebenfalls die Seitenstruk-turen und die Navigation, um die Übersichtlichkeitzu verbessern. Das Update soll zum Surfen auf denvielen hundert Unterseiten einladen. Noch dauertes ein paar Wochen, bis auch der inhaltliche Fein-schliff fertig ist.

Kritik, Anregungen wie auch positive Erfahrungen bitte an [email protected]

Zu unserem letzten Titelthema "Science ohne Fiction" erreichte unsein Leserbrief, den wir hier in Auszügen abdrucken.

Der Fachausschuss Bild im DJV Landes-verband Baden-Württemberg hat, um dasBewusstsein für ein gutes Bild wieder inden Fokus einer breiten Öffentlichkeit zurücken, beschlossen, einen Landesfoto-wettbewerb in Baden-Württemberg fürhauptberufliche Bildschaffende ins Lebenzu rufen. Die Ausschreibungen sind inzwi-schen soweit erarbeitet, dass man sie inKürze dem DJV-Landesgesamtvorstand zuVerabschiedung vorlegen kann. ÄhnlicheLandes-Wettbewerbe gibt es mit großemErfolg bereits unter anderem in Bayernsowie in Hessen und Thüringen. Da der-zeit die Planungen im Bundes-FA-Bild für

einen bundesweiten Fotowettbewerb vordem Hintergrund der Strukturdebatte imBundesverband auf „reduzierter Flamme“laufen, erachtet der FA-Bild Baden-Würt-temberg die Chancen für einen Landes-wettbewerb als aussichtsreich.

Nach der Erstellung der Ausschreibungwerden die nächsten Schritte die Einwer-bung von Sponsoren sein. Eine nicht ganzeinfache Angelegenheit, da ist der FA aufdie Mithilfe der DJV-Mitglieder angewie-sen. Persönliche Kontakte zu großen Un-ternehmen und Verbänden sind immernoch die besten Türöffner. Wir sind daher

im Fachausschuss dankbar für jeglicheUnterstützung.

Weiter werden die Mitglieder des FA-Bildeinen Zeitplan erstellen, wenn alles klappt,könnte der Wettbewerb 2017 starten. Indie Jury sollen renommierte fachkundigeJuroren eingeladen werden. Unter ande-rem wollen wir versuchen Frieder Burda,aus der Offenburger Verlegerfamilie Burdaals Mitglied für die Jury zu gewinnen.

Anregungen an den FA-Bild VorsitzendenManfred Herbertz unter:[email protected]

Der Fachausschuss Bild im DJV-Landesverband plant die Ausschreibung eines landesweitenFotowettbewerbs. Foto: Manfred Herbertz

Landesweiter FotowettbewerbPlanung im Fachausschuss Bild vorangeschritten

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REZENSION

22 DJV Blickpunkt 3 · 2016 3 · 2016 DJV Blickpunkt 23

Der Konstanzer KunstkritikerDr. Florian Weiland ist tot

Darf ichbekanntmachen?

Er hat als Student Mitte der 1990er-Jahreseine ersten Feuilletons veröffentlicht. DieTexte stimmten von Anfang an. FlorianWeiland konnte schon früh aus einem rei-chen Wissen schöpfen. Er hatte Sprache,Gefühl für die Form eine Beitrags und fürden Gegenstand, über den er schrieb undden er vor allem liebte – die Kunst. Nunist der Kunstkritiker Florian Weiland nichtmehr. Er starb völlig unerwartet durch einunerkanntes Aneurysma in der Aorta. Erwurde gerade mal 46 Jahre alt.

Florian Weiland wuchs in Konstanz-All-mannsdorf auf, wo er bis zu seinem Todlebte. 1989 legte er am Heinrich-Suso-Gymnasium das Abitur ab. Er hat an derUniversität Konstanz Philosophie, Politik-wissenschaft sowie Kunst- und Medien-wissenschaft studiert und im Fach

Kunstwissenschaft mit einer Arbeit zu„Amor und Psyche“ in der Renaissancepromoviert.

Neben einigen wissenschaftlichen Beiträ-gen, die er veröffentlichte, lebte und ar-beitete er vor allem als freischaffenderKulturjournalist. Er schrieb für denSÜDKUIER in Konstanz, aber auch fürandere Zeitungen und Magazine. In ersterLinie hat DJV-Mitglied Florian WeilandAusstellungskritiken und Rezensionenverfasst – mit einem besonderen Händ-chen für alte Kunst. Er war aber auch einKenner der aktuellen Comic-Kultur.Während seiner Studienzeit war er alsIllustrator gefragt.

Florian Weiland hatte eine große Affinitätzu Brettspielen, er war Mitglied einer Test-

spielerrunde des Konstanzer Spiele-AutorsSteffen Bogen. Neben seiner Leidenschaftfür das Theater war er interessiert an deraudiovisuellen Medienkultur und stets aufdem neusten Stand, was Filme und TV–Serien betrifft. Seine gelegentlichen Reisenführten ihn immer wieder nach Italien,zumal zu den Stätten der von ihm so ge-schätzten Renaissance. – Florian Weilandhinterlässt seine Familie mit dem 10 Mo-nate alten Sohn Valentin. Wir vermissenihn jetzt schon.

Ä Siegmund Kopitzki

Jenseits aller Big-World-Net-working-Tipps oder nur seltenanzuwendenden Ratschlägenwie etwa, dass man der Queenkeine Fragen stellen darf, wenn man zum Ritter geschlagenwird, nimmt sich DJV-Mitglied Silke Schneider-Flaig in liebe-voller Kleinarbeit den Fragen des täglichen Lebens an, die fürAnna und Otto Normalverbraucher vielleicht manchmal einRätsel sind. In ihrem Knigge spannt sie den Horizont von derBegrüßung über die Tischmanieren bis hin zur Kleidung undmacht Vorschläge für die Wahl des richtigen Smalltalk-The-mas. So rät sie etwa ab, mit Italienern über die Mafia zu spre-chen oder warnt Frauen davor, in Männerrunden anzüglicheWitze zu erzählen. Wer gerne Regeln folgt oder umgekehrt An-regungen sucht, welche Regen er mal wieder übertretenkönnte, erhält mit diesem Buch eine nach Sachthemen geord-nete Auswahl und kann sein Wissen auch testen. (sm)

Die Neuauflage „Der neue große Knigge“, 352 Seiten, ist imCompact Verlag erschienen und kostet 14,99 Euro.

Dr. Florian Weiland. Foto: Isabell Otto

Wie sollen Journalisten berichten, obwohlsie häufig schon Teil des Kalküls der Ge-walttäter sind. Sollen sie schreiben oderschweigen, zeigen oder ausblenden? Dennallen Beteiligten ist bewusst, dass Gewalt-taten, die begangen werden, um medialeAufmerksamkeit zu erlangen, den Jour-nalisten als unfreiwilligen Erfüllungsge-hilfen mit einkalkulieren. So zum Beispielließ sich der rechtsextremistische Atten-täter Anders Behring Breivik wider-standslos festnehmen, da es ihm einzigdarum ging, bei seinem Anschlag genugMenschen zu töten, um die Aufmerksam-keit der internationalen Medien für seinManifest sicherzustellen. Ziel erreicht.

Diesem Dilemma gehen nun die beidenHerausgeber, Frank J. Robertz, Professoran der Fachhochschule der Polizei desLandes Brandenburg und Robert Kahrvon der Deutschen Hochschule der Poli-zei systematisch nach. Sie haben dazu, ge-meinsam mit elf Forschern undPraktikern aus Deutschland, USA undFinnland, Ursachen, Abläufe und Folgenpublikumswirksam inszenierter Gewalt-exzesse untersucht.

Dazu beleuchten sie zunächst die Grund-lagen aus kommunikationswissenschaft-licher und kriminologischer Sicht, stellenin einem zweiten Teil die Ergebnisse in-ternationaler Studien vor zu Amokläufenan Schulen vor, reflektieren sodann überden Terrorismus als Kommunikations-strategie und berichten über neue Er-kenntnisse zur Berichterstattung überSuizid und Verbrechensopfer, um schließ-lich auf die Berufsethik der Journalisteneinzugehen.

Die Autoren sind überzeugt, dass einekonstruktive journalistische Arbeit beiGewalttaten eine Verschlimmerung derKonsequenzen dieser Taten vermeidenkann, die destruktive Inszenierung desTäters verhindern und die Wahrschein-lichkeit von Nachahmungstaten senkenkann. Dazu hat sich das internationaleAutorenteam entsprechende Berichter-

stattung in Deutschland, Finnland undden USA vorgenommen und für alle dreiLänder festgestellt, dass die mediale Auf-merksamkeit für Hintergrundinforma-tionen zum Täter nicht zuletzt darausentsteht, dass er in der Regel nicht mehrinterviewt werden kann.

Gleichzeitig existiert eine grundsätzlicheFaszination der Bevölkerung für extremeTabubrüche. Massen-und Serienmörderbestimmen über lange Zeit hinweg dieSchlagzeilen, finden Fans und imschlimmsten Fall auch Nachahmer.

Hier können Journalisten durchaus ab-wägen, inwieweit sie sich zu seinemSprachrohr machen. Trotzdem dürfe mannicht zu oberflächlich und klischeehaftberichten, die individuellen Aspekte zeig-ten mitunter auch Perspektiven undHandlungsmöglichkeiten für Menschenin vergleichbaren Situationen auf. Insbe-sondere die Opfer sollten ein Forum er-halten, in der ihr eigenes Befinden imMittelpunkt steht. Die Darstellung desLeids wirke der Selbststilisierung von Tä-

tern als edle Rächer entgegen. Nachahmerterroristischer Anschläge orientieren sichsowohl am Modus Operandi, als auch anden Motiven. Das gilt vor allem für radi-kalisierte Einzeltäter. Insbesondere ange-sichts einer parallelen Nutzung desInternets durch Terroristen oder radikaleGruppierungen bedarf es einer kritischenjournalistischen Aufarbeitung der Terror-taten. Informationen über Sicherheits-maßnahmen und (auch wenn diese alsinzwischen behoben beschrieben werden)Sicherheitslücken wecken Fantasien.

Einer der Autoren zeigt auf, dass Journa-listen oftmals einen derart hohen Fokusauf die sachliche Richtigkeit ihrer Dar-stellung legen, dass sie die möglichenFolgen ihrer Berichterstattung aus demBlick verlieren. Dies hält er für einen Aus-bildungsfehler.

Das Buch resümiert seine Erkenntnisse ineiner Reihe von Empfehlungen, wie etwader, keine vereinfachenden Erklärungenfür die Motive anzubieten und auf dieFolgen der Tat zu fokussieren. Gerade insolch einer angespannten und chaoti-schen Lage sei es außerdem eine beson-dere Herausforderung aber auch umsowichtiger, sorgsam die Quellen zu prüfenund nicht zuletzt: sich selbst zu schützen.Die Belastung angesichts schwerer Ge-walttaten führt auch bei Journalisten zueiner Traumatisierung.

Ein lesenswertes Buch, das Fakten undHintergründe liefert und mit seinenEmpfehlungen Journalisten eine echteHilfestellung bieten kann. Seine einzelnenAbschnitte beziehen sich zwar aufeinan-der, müssen aber nicht zwingend hinter-einander weg gelesen werden.

Ä Susann Mathis

Das Buch ist bei Springer FachmedienWiesbaden erschienen, umfasst203 Seiten und kostet gedruckt 29,99 €,als E-Book 22,99 €.

Ein journalistisches Dilemma: Die medialeInszenierung von Amok und Terrorismus

Page 13: Seite 6 · 2016. 12. 8. · Artikel bei uebermedien.de ein verhalten optimistisches Resümee: „Es lohnt sich, jenen, die an uns zweifeln, unsere Arbeit haarklein zu erklären. Wer

HerausgeBer:

Deutscher Journalisten-Verband,

Landesverband Baden-Württemberg e.V. (DJV),

gewerkschaft der Journalistinnen

und Journalisten (Landesvorstand)

V.i.s.d.P.: Dagmar Lange

reDaktion:Dagmar Lange,

Dr. susann Mathis, rudi Doster

korrektorat: Mechthild goessmann

autoren:Wolfgang Heinzel, Manfred Herbertz,

siegmund kopitzki, Dagmar Lange,

susann Mathis, Peter Welchering

titeL: fotolia

grafik / HersteLLung:rudi Doster · rdesign56 stuttgart

näcHste ausgaBe: 4/2016redaktionsschluss: 15. november 2016

DJV-Landesgeschäftsstelle:

Hausanschrift:

Herdweg 63, 70174 stuttgart

Postanschrift:

Postfach 15 01 24, 70075 stuttgart

telefon: 0711-222 49 54-0

fax: 0711-222 49 54-44

internet: www.djv-bw.de

e-Mail: [email protected]

änderung der Zustelladresse bitte

direkt an die geschäftsstelle

des DJV-Landesverbandes

Baden-Württemberg.

Der Bezugspreis ist im

Mitgliedsbeitrag enthalten.

Der DJV-Blickpunkt erscheint vierteljährlich.

einzelpreis: € 3,–

abo-Preis jährlich: € 10,–

auflage: 4.500

anZeigenVerWaLtung:rudi Doster

rdesign56

tel. 0711-51875648

[email protected]

Wir gratulieren

In den 90ern

Franz Krämer 11.10. (91 Jahre)

In den 80ern

Gundel Kilian 03.09. (88 Jahre)

Gerd Schneider 17.09. (83 Jahre)

Ursula Allgeier 25.09. (85 Jahre)

Manfred Walter Bossert 26.09. (81 Jahre)

Walter Haseloff 03.10. (88 Jahre)

Oswald Toppel 05.10. (86 Jahre)

Dr. Wolfgang Rainer 07.10. (86 Jahre)

Dr. Rolf Lamprecht 12.10. (86 Jahre)

Cornelius Stäbler 16.10. (84 Jahre)

Annerose Lohberg-Goelz 21.10. (86 Jahre)

Heinz Skrzipietz 26.10. (83 Jahre)

Heinz Mörsberger 13.11. (86 Jahre)

Heinz L. Steuber 24.11. (86 Jahre)

Carl-Joachim Liesenberg 29.11. (81 Jahre)

80 Jahre

Dr. Theo Stemmler 03.10.

Elvira Moeller 28.10

75 Jahre

Peter Roller 23.09.

Jürgen Strähle 23.10.

70 Jahre

Lutz Rauschnick 03.09.

Fritz Bläsner 06.09.

Kamillo Weiss 19.09.

Hans Roschach 11.10.

Claus-Jürgen Peter Wolf 18.10.

Barbara Köttgen-Schwanhäuser 26.10.

Bernd Sindel 28.10.

Renate Murschall 02.11.

Silvia Rothenburger 12.11.

Alice Loyson-Siemering 18.11.

Siegfried Fischer 26.11.

Margrit Matyscak 30.11.

65 Jahre

Siegmund Kopitzki 01.09.

Joachim Lenz 02.09.

Manfred Harner 07.09.

Walter Preker 14.09.

Jürgen Kaupp 26.09.

Bernd Pausch 30.09.

Hans Eckhard Homlicher 07.10.

Dr. Wolfgang Caesar 11.10.

Ute Köhler 22.10.

Stefan Wicht 22.10.

Gerhard Senger 18.11.

60 Jahre

Thomas Durchdenwald 08.09.

Dr. Gerd König 13.09.

Andrea Maria Tiedtke-Klugow 24.09.

Ute Kurz 27.09.

Claws Erhard Tohsche 28.09.

Martin Mendler 05.10.

Johannes Adam 07.10.

Harry Pretzlaff 08.10.

Martin Schmitzer 08.10.

Werner Pohl 14.10.

Philipp Ohngemach 24.10.

Ingrid Böhm-Jacob 25.10.

Gabriel Wagner 29.10.

Rita Tanner 05.11.

Stefan Maier 15.11.

IMPRESSUM

S E P T EMBER 2 016

12.-16.09.201652. Zeitschriftenseminar für Volontäreund Seiteneinsteiger (Teil 1)Grundlagenseminar in vier Wochen

21.- 22.09.2016Betriebsratsarbeit aktuellAufbauseminar Teilnahme gemäߧ 37(6) Betriebsverfassungsgesetz

26.-28.09.2016Pressearbeit in einem UnternehmenDas Handwerkszeug für systematischeInformationspolitik

OK TOBER 2 016

05.-06.10.2016Fit für Mikrofon und KameraMedientraining für Entscheider

10.-14.10.201652. Zeitschriftenseminar für Volontäreund Seiteneinsteiger (Teil 2)Grundlagenseminar in vier Wochen

17.-21.10.2016Kommunikation – 12. Grundlagenseminar für Volontäre in Pressestellen (Teil 1)Seminar in drei Wochen mit Workshops

25.-26.10.2016Schreiben fürs Web – Das BasistrainingOnline-Journalismus für trimediale Angebote

27.-28.10.2016Moderation von Veranstaltungen Überzeugen vor Publikum mitInformationen und Auftreten

NOVEMBER 2 016

07.-11.11.201652. Zeitschriftenseminar für Volontäre und Seiteneinsteiger (Teil 3)Grundlagenseminar in vier Wochen

14.-18.11.2016Kommunikation - 12. Grundlagenseminarfür Volontäre in Pressestellen (Teil 2)Seminar in drei Wochen mit Workshops

22.11. 2016Mobile Leser: Tablets, Smartphones, iPad & Co.Redaktionelle Inhalte für mobile Geräte

23.11.2016Das eigene Buch als E-Book publizierenVom Manuskript zum elektronischen Buch

24.-25.11.2016Social MediaBlogs, Twitter, Facebook & Co.

28.-29.11.2016Rhetorische KommunikationGespräche, Argumente und Interviews vorbereiten und üben

30.11.2016Das ABC des Presserechts für Print und Online-JournalistenMedienrecht für die Praxis

DEZ EMBER 2 016

05.-09.12.201652. Zeitschriftenseminar für Volontäreund Seiteneinsteiger (Teil 4)Grundlagenseminar in vier Wochen

12.-16.12.2016Kommunikation – 12. Grundlagenseminarfür Volontäre in Pressestellen (Teil 3) Seminar in drei Wochen mit Workshops

Journalisten-Akademie e.V.Bildungsverein des Deutschen Journalisten-

Verbandes Baden-Württemberg e.V.Herdweg 63 · 70174 Stuttgart

Leitung: Heidrun-Ute Geibel, Dipl. Journ. Tel. 0711-222 49 54-60 · Fax 0711-222 49 54-44E-Mail: [email protected] · www.djv-bw.de

Alle Seminare und Inhalte auch unter:

www.djv-bw.de

JOURNALISTEN-AKADEMIE SEMINARE

3 · 2016 DJV Blickpunkt 2524 DJV Blickpunkt 3 · 2016

2016

Page 14: Seite 6 · 2016. 12. 8. · Artikel bei uebermedien.de ein verhalten optimistisches Resümee: „Es lohnt sich, jenen, die an uns zweifeln, unsere Arbeit haarklein zu erklären. Wer

3 · 2016 DJV Blickpunkt 2726 DJV Blickpunkt 3 · 2016

JOURNALISTEN-AKADEMIE SEMINARE 2017JOURNALISTEN-AKADEMIE SEMINARE 2017M A I

15.-19.05.201753. Zeitschriftenseminar für Volontäre und Seiteneinsteiger (Teil 3)Grundlagenseminar in vier Wochen

30.05.- 31.05.2017Mein BlogUnabhängig, authentisch und unschlagbar schnellWorkshop für Blogger

J U N I

19.-23.06.201753. Zeitschriftenseminar für Volontäre und Seiteneinsteiger (Teil 4)Grundlagenseminar in vier Wochen

27.-29.06.2017Marktplatz der Informationen:Pressearbeit in den Kommunen

28.06.2017Freiberufler im JournalismusTipps und Trends zur erfolgreichen Selbstständigkeit

J U L I

04.-05.07.2017Betriebsratsarbeit aktuellAufbauseminar Teilnahme gemäß § 37(6)Betriebsverfassungsgesetz

11.-12.07.2017Social MediaBlogs, Twitter, Facebook & Co.

18.-19.07.2017Wörter wirken, Sätze erst rechtDie Schreibwerkstatt – kreatives Schreiben

S E P T E M B E R

11.-15.09.201754. Zeitschriftenseminar für Volontäreund Seiteneinsteiger (Teil 1)Grundlagenseminar in vier Wochen

19.-21.09.2017Pressearbeit in einem UnternehmenHandwerkszeug für professionelle Öffentlichkeitsarbeit

26.-27.09.2017Rhetorische KommunikationArgumente, Gespräche, Reden und Interviews

28.09.2017Das ABC des Presserechts für Print und OnlineAlles was Recht ist - Medienrecht für die Praxis

O K T O B E R

04.-05.10.2017Fit für Mikrofon und KameraMedientraining ohne Lampenfieber

09.-13.10.201754. Zeitschriftenseminar für Volontäreund Seiteneinsteiger (Teil 2)Grundlagenseminar in vier Wochen

16.-20.10.2017Kommunikation – 13. Grundlagenseminar für Volontäre in Pressestellen (Teil 1)Seminar in drei Wochen mit Workshops

24.-25.10.2017Schreiben fürs Web – Das PraxistrainingOnline-Journalismus für trimediale Angebote:Print - Ton - Bild

N O V E M B E R

06.-10.11.201754. Zeitschriftenseminar für Volontäre und Seiteneinsteiger (Teil 3)Grundlagenseminar in vier Wochen

13.-17.11.2017Kommunikation - 13. Grundlagenseminarfür Volontäre in Pressestellen (Teil 2)Seminar in drei Wochen mit Workshops

21.11.2017Mobiler Journalismus: Tablets, Smartphones, iPad & Co.

22.11.2017Das eigene Buch als E-Book publizierenVom Manuskript zum elektronischen Buch

28.-29.11.2017Social MediaBlogs, Twitter, Facebook & Co.

D E Z E M B E R

04.-08.12.201754. Zeitschriftenseminar für Volontäreund Seiteneinsteiger (Teil 4)Grundlagenseminar in vier Wochen

11.-15.12.2017Kommunikation – 12. Grundlagenseminarfür Volontäre in Pressestellen (Teil 3) Seminar in drei Wochen mit Workshops

J A N U A R

14.01.2017Start in die Selbstständigkeit (1)Tipps und Chancen zur erfolgreichen Existenzgründung

17.01.2017Mobiler Journalismus: Tablets, Smartphones, iPad & Co.Redaktionelle Inhalte für mobile Geräte

24.-25.01.2017Crossmedialer Journalismus Print - Ton - BildCrossmedia planen und managen

31.01.2017Start in die Selbstständigkeit (2)Das eigene Buch als E-Book publizierenVom Manuskript zum elektronischen Buch

F E B R U A R

01.02.2017Jetzt wird gezwitschert – Twitter für JournalistenEin spannendes Recherchemittel

07.02.2017Start in die Selbstständigkeit (3)Champagner für alle! Einführung in den Reisejournalismus

14.-15.02.2017Moderation von Veranstaltungen Überzeugen vor Publikum

M Ä R Z

07.03.2017Mehr als nur googeln Journalistische Internet-Recherche umfassend

15.03.2017Medienrecht für die PraxisVertrags- , Urheber- und Internetrecht

20.-24.03.201753. Zeitschriftenseminar für Volontäreund Seiteneinsteiger (Teil 1) Grundlagenseminar in vier Wochen

28.-29.03.2017Pressemitteilungen auf den Punkt gebracht

A P R I L

03.-04.04.2017Crossmedialer Journalismus Storytelling mit Bildergalerien, Audio-Slideshows und Video-Podcast

24.-28.04.201753. Zeitschriftenseminar für Volontäre und Seiteneinsteiger (Teil 2)Grundlagenseminar in vier Wochen

Journalisten-Akademie e.V.Bildungsverein des Deutschen

Journalisten-VerbandesBaden-Württemberg e.V.

Herdweg 63 · 70174 StuttgartLeitung: Heidrun-Ute Geibel, Dipl. Journ.

Tel. 0711-222 49 54-60Fax 0711-222 49 54-44

E-Mail: [email protected]

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Weingenuss in einer neuen Dimension!

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