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… Semmelweis – 200 Jahre später
Univ.-Prof. Dr. Ojan Assadian
Medizinische Universität WienUniv.-Klinik für Krankenhaushygiene und Infektionskontrolle
2
2018 – 200. Geburtstag von
Ignaz Philipp Semmelweis
1. Juli 1818 – 13. August 1865
Kupferstich von Jenö Doby, 1860 (aus: Schönitzer MF. Die großen Deutschen im Bilde, 1936)
Semmelweises Geburt grenzt bereits an ein Wunder …
3
• Im Jahr 1818 starben im Wiener Gebärhaus 56 von 2568 Wöchnerinnen 2,18%
• Im Jahr 1819 starben im Wiener Gebärhaus 154 von 3089 Wöchnerinnen 4,98%
• Im Jahr 1819 starben in Dublin 94 von 3197 Wöchnerinnen 2,94%
• Im Jahr 1823 starben im Wiener Gebärhaus 214 von 2872 Wöchnerinnen 7,45%
• Im Jahr 1829 starben in Paris 252 von 2788 Wöchnerinnen 9,03%
• Im Jahr 2017 starben in Österreich 0 von 87633 Wöchnerinnen an Kindbettfieber 0,00%
Ignaz Philipp Semmelweis– Stationen seinen Lebens
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• 1. Juli 1818 – Geburt in Buda als Sohn einer Kaufmannsfamilie
• Besuch des Piaristen-Gymnasiums (Universitätsgymnasium am St. Niklas Turm)
• 1837 – Studium der Rechtswissenschaft in Wien
• 1838 – Wechsel zum Medizinstudium
• 1844 – Promotion
• 1844 – Anstellung an der Brust- und Ausschlagambulanz, AKH Wien
• 1846 – Univ.-Assistenzarzt an der 1. Geburtshilflichen Abteilung des AKH Wien, Leitung: Prof. Dr. Johann Klein (1788 – 1856) seit
1822 Ordinarius für praktische Geburtshilfe, 1830 Geburtshelfer
des späteren Kaiser Franz Josef I.
5
1844: 8,2%
1848: 1,3%
März 1846: 15,43%
April1846: 18,97%
6
1844 Wunsch der Ausbildung zum pathologischen Anatomen,
allerdings Ablehnung der Bewerbung unter Prof. Joseph v. Skoda
und Prof. Jakob Kolletschka.
1846 – Prof. Carl v. Rokitansky und Prof. Kolletschka beauftragen
Semmelweis, die Leichen der an Puerperalsepsis verstorbenen
Wöchnerinnen und die Ursache des grassierenden Kindbettfiebers
zu untersuchen.
* * *
*) Quelle: www.meduniwien.ac.at
7
Semmelweis IP - Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxis des Kindbettfiebers. C. A. Hertleben‘s Verlags-Expedition; Pest, Wien, Leipzig, 1861
02468
1012141618
I. Abt. II. Abt.
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Tabellen Nr. I, XVII, XXXII:Mortalität 1. und 2. Geburtshilfliche AbteilungAllgemeines Krankenhaus Wien 1833-1858
8,2%
1,3%
(%)
Semmelweis IP - Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxis des Kindbettfiebers. C. A. Hertleben‘s Verlags-Expedition; Pest, Wien, Leipzig, 1861
Akademisch weiterhin diskutierte Ursachen des Kindbettfiebers - 1854
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•Atmosphärisch/ Tellurisch, Kosmische Strahlung über 9. Bezirk Wien•Genius epidemicus•Schlechte Hygiene•Schmutzige Toiletten•Mangelhafte Ventilation•Seltener Wa ̈schewechsel•Strohsäcke, dreckige Decken•Überfüllung der Räume•Faserstoffgehalt des Blutes während der Schwangerschaft•Hydrämie•Urämische Blutbeschaffenheit•Plethora, Blutstau•Leichte Gerinnbarkeit des Blutes•Gemütsaffekte•etc.
Rudolf Virchow, 1897 in Lehrbuch über Kindbettfieber: Im Körper von Frauen befänden sich ihr ganzes Leben „Fremdstoffe“, die durch den Geburtsvorgang zu „gären“ beginnen.
Semmelweises Reaktion auf Kritik:
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Semmelweis IP – Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxis des Kindbettfiebers. C. A. Hertleben‘s Verlags-Expedition; Pest, Wien, Leipzig, 1861
Semmelweises Reaktion auf Kritik:
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Semmelweis über Prof. Johann Klein:
• Wissenschaftlich unbedeutend• Wenig verantwortungsbewusst• Verständnislos und intrigant• „Jammer-Professor“• Gegenüber übergeordneten Behörden buckelnd und
willfährig• Sehr gut vernetzt mit Verwaltung• ...
Am Ende seines Lebens
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Einlieferung in die Niederösterreichische Landes-Irrenanstalt, heute
Bezirksgericht Döbling, Obersteinergasse 20-22, 1090 Wien, wo er am
13.08.1865 im Alter von 47 Jahren an einer „Blutvergiftung“ starb.
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Semmelweis-Frauenklinik,Bastiengasse 36-38, 1180 Wien
Semmelweis-Denkmal, Budapest
Semmelweis-Denkmal, Heidelberg
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1875 – 1930 … Händehygiene kein Thema
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Prof. Josef Nowak
Lehrbuch der Hygiene, Wien, 1881
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I. Die Luft
II. Witterung und Klima
III. Wärmehaushalt des Menschen
IV. Die Kleidung
V. Bäder
VI. Der Boden
VII. Wasserversorgung
VIII. Ernährung
IX. Bau- und Wohnungshygiene
X. Heizung
XI. Lüftung
XII. Beleuchtung
XIII. Abfallstoffe
XIV. Besondere bauliche Anlagen
XV. Mikroorganismen
XVI. Infektion und Immunität
XVII. Seuchenverbreitung und Seuchenbekämpfung
XVIII. Desinfektion
XIX. Spezielle Mikroorganismen und Infektionskrankheiten
XX. Soziale Hygiene und soziale Fürsorge
XXI. Gewerbehygiene
XXII. Rassenhygiene … 414 – 421 (8 Seiten)
XXIII. Hygiene und Leibesübungen
Übertragung von Infektionen
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Quelle
Ziel
Hände IndirektHände
Hygiene
Hände Hygiene
Flächen Desinfektion
Flächen Desinfektion
Systematische Beschäftigung mit der Händehygiene in Wien: 1970er Jahre
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o.Univ.-Prof. Dr. Manfred Rotter9. Ordinarius für Hygiene und Mikrobiologie in Wien
Gesamte BakteriologieSterilisation und Desinfektion (Entkeimungsverfahren)Krankenhaushygiene
HÄNDEHYGIENE Experimentelle und praktische Arbeiten zur Effektivität der Händehygiene im klinischen Einsatz
Europäische Norm EN 1500 – Phase 2/ Stufe 2 Methode zur Bestimmung der Eignung eines Mittels zur alkoholischen Händedesinfektion
Konzept der Händehygiene
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Effektiv Effektiver Am effektivsten
Seife Antimikrobielle Seife Alkohol-basiertes Händedesinfektions
mittel
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Fähigkeit von Händedesinfektionsmittel Bakterien auf Hände abzutöten
0.0
1.0
2.0
3.0 0 60 180 minutes
0.0
90.0
99.0
99.9log%
Bac
teria
l Red
uctio
n
Alcohol-based handrub(70% Isopropanol)
Antimicrobial soap(4% Chlorhexidine)
Plain soap
Time After Disinfection
Baseline
Rotter ML. Hosp Epidemiol Infect Control, 2nd Edition, 1999.
Landmarkpaper, welches globales Interesse an Händehygiene begonnen hat:
21
48%
66%
17%
10%0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
1994 1997
Compliance NI Prävalenz
Pittel D et al. Effectiveness of a hospital-wide programe to improve compliance with hand hygiene. The Lancet 2000; 356: 1307-12
Launch of the 1st Global Patient Safety Challenge
WHO HQ, 13 October 2005
Compliance durch Schulung
5 Moments for Hand Hygiene …
PLUS gloves, if contamination is anticipated.
HH before gloves are donned. HH after taking gloves off.
Hand Hygiene ComplianceGenerally poor (39% - 59%)
Dubbert PM et al., Inf Cont Hosp Epidemiol 1990; 11: 191-3 [81% - 94%]
Raju NK et al., Am J Med Sci 1991; 302: 355-8 [28% - 63%]
Tibbals J. Med J Aus 1996; 164: 395-8 [33% - 64%]
Larson EL et al., Am J Infect Cont 1997; 25: 3-10 [59% - 69%]
Gould D et al., J Clin Nurs 1997; 6: 55-67 [13% - 14%]
Cognard B et al., Inf Cont Hosp Epidemiol 1998; 19: 510-3 [ 4% - 18%]
Khatib M et al., Chest 1999; 116: 172-5 [29% - 78%]
Pittet D et al., Lancet 2000; 356: 1307-12 [48% - 66%]
Muto et al., Am J Infect Control 2000; 28: 273-6 [60% - 52%]
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Strategien zur Verbesserung der HHUnimodale Intervention [Effekt max. 1 Monat]
Bewusstseinsbildung [1-2 Wochen] Personenbezogen Gruppenschulung
Multimedial [1-2 Monate] Plakate Broschüren Videos
Multimodale Intervention [Effekt 6 M -1 Jahr]
Besonders in Kombination mit ständigem Feedback!
Naikoba S, Hayward A. J Hosp Infect 2001; 47: 173-80
5. Mai (5.5.) Tag der Händehygiene
Werbung für Händehygiene
Famulaturvorbereitung an der MUW
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1 – Hygienisch korrektes Anziehen von Handschuhen
2 – „Social hand wash“ – Aufzeigen von Lücken
3 – Hygienisch korrekte Händedesinfektion
4 – Kontaminationsfreies Ablegen der Handschuhe
Relativer impact der Händehygiene vs. Flächenreinigung/ Desinfektion.
Barnes SL et al. Preventing the transmission of multidrug-resistant organisms: modeling the relative importance of hand hygiene and environmental cleaning interventions. ICHE 2014;35:1156-62.
Baseline HH compliance: 70-85% (nurses) and 57-67% (physicians)Baseline cleaning thoroughness: 40%MRSA/VRE transmission rate: 3.88 / 1,000 patient days.
Hände Hygiene Beobachtungen scheinen das Risiko von Übertragungen zu unterschätzen
Clack L et al. – First person view of pathogen transmission … ARIC 2017;6:108
Clack L et al. – First person view of pathogen transmission … ARIC 2017;6:108
Moment 1 – Pat. KolonisationMoment 2 – Pat. Infektion
Hände Hygiene erfolgte in
14 von 191 Kolonisationsmomente und3 von 217 Infektionsmomente. Dies bedeutet eine
Händehygiene-Compliance von5% für Moment 1 und
1% für Moment 2.
Hände Hygiene Beobachtungen scheinen das Risiko von Übertragungen zu unterschätzen
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Spender vorhanden.
Wird er verwendet? X
Spender vorhanden.
Wird er verwendet?
X
Was bleibt zum 200. Geburtstag von Ignaz Semmelweis?
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• Durch Semmelweis wurde die Grundlage zur analytischen Epidemiologie und Hypothesentestung durch gezielte Intervention und
somit einer der Bausteine für die Evidenz-basierte Medizin geschaffen.
• Semmelweis postulierte, dass durch das „Behandeln“ (von Bakterien) auf Händen Erkrankungen und Tod von Patienten verhindert werden
können.
• Damit leistete er einen der größten Beiträge zur Patientensicherheit.
• Er zeigte auch, dass durch aggressives Beleidigen und Anklagen keine Verbündeten gewonnen werden können.
• Offen bleibt heute nach wie vor, wie wir das Konzept der Händehygiene im klinischen Alltag machbar umsetzen können.
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Das Hygiene-Institut Wien
Eingang Schwarzspanierstraße 17
Aufnahme: Juli 1903
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!