29
1 Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die orthopädisch-traumatologische Untersuchung des Bewegungsapparates INHALTSVERZEICHNIS EINLEITUNG 2 I. ALLGEMEINE GELENKUNTERSUCHUNG 3 Anamnese Inspektion Palpation Prinzipien der Bewegungsprüfung, Neutral-Null-Methode, Umfangsmessung Beurteilung von Durchblutung, Motorik und Sensibilität II. SPEZIELLE TRAUMATOLOGISCH-ORTHOPÄDISCHE UNTERSUCHUNG 9 1. Obere Extremität Akromioklavikulargelenk Glenohumeralgelenk Ellenbogengelenk Handgelenk/Hand 2. Wirbelsäule und untere Extremität Wirbelsäule Hüfte Knie Sprunggelenk/Fuß

Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  • Upload
    others

  • View
    6

  • Download
    1

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  1

Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“

Die orthopädisch-traumatologische Untersuchung des

Bewegungsapparates

INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG 2

I. ALLGEMEINE GELENKUNTERSUCHUNG 3 

Anamnese

Inspektion

Palpation

Prinzipien der Bewegungsprüfung, Neutral-Null-Methode, Umfangsmessung

Beurteilung von Durchblutung, Motorik und Sensibilität

II. SPEZIELLE TRAUMATOLOGISCH-ORTHOPÄDISCHE UNTERSUCHUNG 9

1. Obere Extremität

Akromioklavikulargelenk

Glenohumeralgelenk

Ellenbogengelenk

Handgelenk/Hand

2. Wirbelsäule und untere Extremität

Wirbelsäule

Hüfte

Knie

Sprunggelenk/Fuß

Page 2: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  2

EINLEITUNG

Liebe Studierende, lieber Studierender,

Dieses Skript soll Ihnen im Untersuchungskurs als Leitfaden dienen und Ihnen das

Handwerkszeug für die weiterführenden Praktika unseres Fachgebietes liefern.

Primäres Ausbildungsziel ist das Erlernen der grundlegenden Techniken der

traumatologisch-orthopädischen Untersuchung. Dazu ist es erforderlich, dass Sie

zunächst Normalbefunde erheben können, weshalb die gegenseitige Untersuchung

am Anfang des Untersuchungskurses steht. Bitte richten Sie sich

kleidungstechnisch darauf ein!

Darüber hinaus wird es erforderlich sein, dass Sie im Rahmen Ihrer Famulaturen und

der weiterführenden Praktika die erlernten Untersuchungstechniken üben und

festigen. Durch zunehmenden Patientenkontakt werden Sie im Laufe Ihrer

Ausbildung auch Sicherheit im Erheben von pathologischen Befunden erlangen.

Bereiten Sie Ihre Kurstermine vor, damit Sie von der kurzen Unterrichtszeit möglichst

gut profitieren. Rekapitulieren und trainieren Sie das praktisch Erlernte, indem Sie

das entsprechende Kapitel in einem Lehrbuch nacharbeiten.

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg im traumatolgisch-orthopädischen Teil des

Interdisziplinären Untersuchungskurses.

Dr. med. Christine Voigt und Dr. med. Arndt Peter Schulz Lehrbeauftragte der Klinik für Chirurgie des Stütz- und Bewegungsapparats Ansprechpartner: Dr. med. Arndt Peter Schulz; Dr. med. Christine Voigt Lehrbeauftragte Tel.: 0451/500-4730 E-mail: [email protected]; [email protected]

Page 3: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  3

I. ALLGEMEINE TRAUMATOLOGISCH-ORTHOPÄDISCHE UNTERSUCHUNG 

 

Anamnese 

 

Die traumatologisch-orthopädische Anamnese beinhaltet folgende Schwerpunkt-

fragen: 

 

1. Unfallhergang: Was ist wann, wo und wie passiert?

2. Genaue Schmerzanamnese: Seit wann treten wo und bei was welche Art von

Schmerzen auf?

3. Aktivitätsniveau: Beruf, sportliche Aktivitäten, Freizeit?

4. Frühere Verletzungen und Operationen

5. Regelmäßige Medikation (ASS, orale Antidiabetika, Marcumar etc.)

6. Familienanamnese

7. Bei Operationsindikation: Ab wann nüchtern?

Inspektion

Voraussetzung: Bis auf die Unterwäsche entkleideter, möglichst stehender Patient!

WAS SIEHT MAN?

Gangbild: flüssig, hinkend

Körper-/Gelenkhaltung: aufrecht, gebeugt, Schonhaltung

Schulter-/Beckengleich- oder -schiefstand

Wirbelsäule: Kyphose, Lordose, Skoliose, Rippenbuckel

Fehlstellungen, Deformitäten, Kontrakturen, Verkürzungen

Hautverhältnisse: Intakt, Schürfungen/Wunden, Rötungen, Hämatome, Narben,

Varizen

Schwellungen

Muskelatrophien: Seitenvergleich!

Page 4: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  4

Palpation

WAS TASTET MAN?

Prominente Knochenpunkte

Sehnen, Ligamente

Muskulatur

Gelenkerguß

Ödeme

Weichteilschwellungen/Tumore

Druckschmerzhaftigkeit: genaue Lokalisation!

Messung der Gelenkbeweglichkeit - Die Neutral-Null-Methode

Die Neutral-Null-Methode ist ein einheitlicher Bewertungs- und Dokumentationsindex

für die Beweglichkeit von Gelenken.

Ausgangsposition ist die, wie folgt, definierte Nullstellung: Der Mensch steht

aufrecht, die Arme sind nach unten hängend entspannt, die Daumen nach vorn

gerichtet und die Füße stehen parallel. Die anliegenden Winkel werden nun als

Nullstellung definiert.

Nullstellung der Neutral-Null-Methode

Für jedes Gelenk und jede Bewegungsebene werden drei Werte angegeben:

Page 5: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  5

Bewegungsebenen

S - Sagitalebene F - Frontalebene H - Horizontalebene

Beispiel:

Physiologischer Bewegungsumfang des Ellenbogens:

Extension/Flexion: 5° - 0° - 140°

Bedeutet,

1. Wert: Der Ellenbogen lässt sich aus der Nullstellung noch 5° strecken (Extension),

2. Wert: Der Ellenbogen bewegt sich durch die physiologische Nullstellung,

3. Wert: Der Ellenbogen lässt sich darüber hinaus auf 140° beugen (Flexion)

Page 6: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  6

Standard ist, dass zuerst der Wert vom Körper weg angegeben wird. Allerdings

gibt es noch immer Lehrbücher, die die Zahlenreihe anders herum lehren. Deshalb

wird empfohlen, dazu zu schreiben, was zuerst ermittelt wurde.

Generell sollen die vom Patienten aktiv ausgeführten Bewegungsausschläge

gemessen werden; passive Bewegungsausschläge müssen als solche

gekennzeichnet werden.

Hat der Patient eine Kontraktur und kann die physiologische Nullstellung nicht

einnehmen, gilt, dass der Wert 0 an der Stelle der maximalen Position steht.

Beispiele:

Ein Patient, der seinen Arm im Ellbogengelenk nur zwischen Nullstellung und 120°

Flexion bewegen kann, hat einen Bewegungsumfang von Extension/Flexion 0°-0°-

120°.

Ein Patient, der seinen Arm im Ellbogengelenk nur zwischen 90° und 120° Flexion

bewegen kann, hat einen Bewegungsumfang von

Extension/Flexion 0°-90°-120°.

Umfangsmessungen erfolgen an definierten Stellen der oberen und unteren

Extremität bei Schwellungen oder Muskelatrophien zur Quantifizierung und

Verlaufsbeurteilung.

1. Wert

(vom Körper weg) Nullwert

2. Wert

(zum Körper hin)

Abduktion 0 Adduktion

Außenrotation 0 Innenrotation

Extension 0 Flexion

Pronation 0 Supination

Retroversion 0 Anteversion

Ulnaradduktion 0 Radialadduktion

Page 7: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  7

Obere Extremität:

Referenzlinie = Epicondylus humeri lateralis (*)

Messpunkt Oberarm: 15 cm proximal von *

Messpunkt Unterram: 10 cm distal von *

Untere Extremität:

Referenzlinie = Gelenkspalt Knie (**)

Messpunkte Oberschenkel: 20 cm und 10 cm proximal von **

Messpunkt Unterschenkel: 15 cm distal von **

Beurteilung von Durchblutung, Motorik und Sensibilität

Durchblutung: s. Kapitel VIII. Gefäße, Abschnitt 2.2 Palpation – Pulse.

Page 8: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  8

Motorik: Prüfung der groben Kraft im Seitenvergleich.

Einteilung der Kraftgrade nach Brunner:

5 – normal volles Bewegungsausmaß gegen Widerstand

4 – gut volles Bewegungsausmaß gegen leichten Widerstand

3 – schwach volles Bewegungsausmaß gegen die Schwerkraft

2 – sehr schwach volles Bewegungsausmaß ohne Schwerkraft

1 – Spur sicht-/tastbare Muskelaktivität

0 – Null komplette Lähmung, keine Kontraktion

Zusatz: S - Spastik, K - Kontraktur

Sensibilität: s. Kapitel X. Neurologische Untersuchung.

Dermatome

Page 9: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  9

ll. Spezielle traumatologisch-orthopädische Untersuchung

1. Obere Extremität

Akromioklavikulargelenk

Schmerzprovokation bei direkter Palpation.

Painful arc: ≥ 130° positiv

Cross-body-Sign:

Schmerzprovokation durch passive Adduktion bei

gebeugten Ellenbogen und Führen der Hand zur

gegenseitigen Schulter.

Klaviertastenphänomen:

= vertikale Instabilität bei AC-Gelenksverletzung/-

instabilität, Stabilitätsprüfung in der Frontalebene.

Page 10: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  10

Glenohumeralgelenk

Palpation: Sternoklavikulargelenk, Clavicula, Akromioklavikulargelenk,

Acromion, Tuberculum majus, Tuberculum minus, Spina

scapulae, ventrale Kapsel, lange Bizepssehne im Sulcus

1. Funktionsgriffe

Schürzengriff = Hinter den Rücken greifen wie zum Binden einer Schürze

(Innenrotation, Retroversion, Adduktion).

Nackengriff = Mit der Hand an den Hinterkopf greifen mit nach lateral

gerichtetem Ellenbogen (Außenrotation, Anteversion,

Abduktion).

Page 11: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  11

2. Bewegungsumfang

Eine Hand des Untersuchers fixiert die Scapula!

Elevation = Heben des Armes in der Skapularebene

Anteversion/Retroversion = Vor- und Zurückführen des Armes in der Sagitalebene

Normwerte: 180°-0°-40°

Abduktion/Adduktion = Heben und Heranführen des Armes in der Frontalebene

Normwerte: 180°-0°-40°

Bewegungsebenen Schultergelenk

Außen-/Innenrotation = Ausgangsstellung: Anliegender 90°-flektierter Ellenbogen,

Unterarm dient als „Zeiger“. Das Ausmaß der Innenrotation wird als der höchste mit dem Daumen erreichbare Dornfortsatz angegeben.

Normwerte: 50°-0°- mittlere BWS

Page 12: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  12

3. Spezifische Tests

3.1 Impingementzeichen

Bei einklemmungsbedingten Pathologien der Supraspinatussehne löst ein

provoziertes weiteres Verengen des Subakromialraumes Schmerzen aus.

Dazu wird mit der linken Hand des Untersuchers die Scapula fixiert während die

rechte Hand den betreffenden Arm auf 90° eleviert und eine Innenrotationsbewegung

ausführt.

3.2 Rotatorenmanschettentests

Painful arc: 60-130°

Bei den Rotatorenmanschettentests werden im Seitenvergleich das Auftreten von

Schmerzen und ein Kraftverlust im Seitenvergleich geprüft. Aus einer Vielzahl an

existierenden Tests wird im folgenden für die drei Hauptanteile der

Rotatorenmanschette (M. subscapularis, M. supraspinatus, M. infraspinatus/M. teres

minor) jeweils 1 (2) wesentlicher Test vorgestellt.

Page 13: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  13

M. SUPRASPINATUS

Supraspinatustest nach Jobe („Haltetest“):

90°-Abduktion in der Scapularebene, Innenrotation (Daumen zeigen bodenwärts).

Während der Abduktion übt der Untersucher Druck von oben auf den Unterarm aus

und beurteilt die Abduktionskraft.

Startertest

Beurteilung der Abduktionskraft gegen Widerstand zu Beginn der Abduktions-

bewegung.

Page 14: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  14

M. INFRASPINATUS

Messung der Außenrotationskraft gegen Widerstand.

M. SUBSCAPULARIS

Messung der Innenrotationskraft gegen Widerstand.

Page 15: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  15

Lift-off-test

Es wird das aktive Abheben der auf den Rücken gelegten Hand getestet.

Der Test ist positiv, wenn die Hand nicht aktiv abgehoben werden kann.

3.3 Stabilitätstests

3.3.1 Hyperlaxitätszeichen (physiologisch)

Anteriore und posteriore Translation

Die linke Hand des Untersuchers fixiert die

Scapula. Die rechte Hand umgreift den

Humeruskopf und führt ihn nach ventral und

dorsal. Das Ausmaß der Bewegung des

Humeruskopfes gegenüber dem Glenoid wird

beschrieben.

Page 16: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  16

Inferiore Translation (Sulkus-Zeichen)

Der Untersucher zieht am Arm nach kaudal. Der Abstand zwischen lateraler

Acromionkante und Humeruskopf (entstehende Rinne) wird abgeschätzt.

3.3.2 Instabilitätszeichen (pathologisch)

Apprehension Test

Die linke Hand des Untersuchers fixiert die Scapula. Die rechte Hand imitiert eine

hohe „Wurfbewegung“ (Abduktion, maximale Außenrotation). Löst der Test ein

Gegenspannen aus Angst vor (Sub-)Luxation aus, gilt er als positiv.

Page 17: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  17

Ellenbogengelenk

1. Inspektion: Huetersches Dreieck: Gleichschenkliges Dreieck zwischen

Epicondylus humeri radialis et ulnaris und Olekranonspitze in 90°

Ellenbogenflexion, wird bei voller Ellenbogenstreckung zu einer

Linie.

Achse: Beurteilung in voller Extension und Supination.

Normwert: 10° Valgus (Männer) - 20° Valgus (Frauen)

2. Palpation: Epicondylus humeri radialis et ulnaris, Olecranonspitze,

Radiusköpfchen, Trizepssehne, Nervus ulnaris

3. Bewegungsumfang:

Normwerte: Extension/Flexion: 5°-0°-140° Supination/Pronation: 80°-0°-90°

Funktionell wichtig: Extension/Flexion: 0°-30°-130° Supination/Pronation: 50°-0°-50°

Page 18: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  18

4. Spezifische Tests:

Stabilitätsprüfung: In 20° Flexion!

1. Test der medialen Stabilität: Valgusstress in 20° Flexion und Supination

2. Test der lateralen Stabilität: Varusstress in 20° Flexion und Pronation

Page 19: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  19

Ellenbogenelenkspunktion:

Am Soft-spot in der Mitte des Dreiecks zwischen Epikondylus humeri radialis,

Radiusköpfchen und Olecranonspitze.

Handgelenk/Hand

1. Palpation: Processus styloideus radii et ulnae, distales Radioulnargelenk, ulnares

Kollateralband Daumengrundgelenk (Skidaumen), einzelne

Fingergelenke, Os scaphoideum (Tabatiere)

2. Bewegungsumfang:

Normwerte Handgelenk:

Dorsalflexion/Palmarflexion: 60°-0°-60°

Ulnarabduktion/Radialabduktion: 30°-0°-25°

Supination/Pronation: 90°-0°-90°

3. Spezifische Tests:

Scaphoidfraktur: Druckschmerz in der Tabatiere und Stauchungsschmerz D1,2

Page 20: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  20

Wirbelsäule

Inspektion: - Kyphose, Lordose, Skoliose, Rippenbuckel, Lendenwulst

- Schulter- und Beckenstand

- Reale und funktionelle Beinlängendifferenz (Messen durch

Brettchenunterlage/Beckenwaage)

Palpation: Dornfortsatzreihe, paravertebrale Muskelverspannung,

Ileosakralgelenksfugen

Bewegungsprüfung:

Normwerte: HWS: Flexion/Extension: 45°-0°-45°

Seitneigung re/li: 45°-0°-45°

Seitdrehung re/li: 80°-0°-80°

BWS/LWS: Rückneigen: 30°

Seitneigen re/li: 35°-0°-35°

Drehen re/li: 30°-0°-30°

Page 21: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  21

Tests für die Entfaltbarkeit der Wirbelsäule

1. Finger-Boden-Abstand beim Vorbeugen in cm

2. Ott-Zeichen

Es werden der Dornfortsatz C7

und ein Punkt 30 cm kaudal

davon markiert. Beim Vorneigen

vergrößert sich der Abstand um

2 - 4 cm.

3. Schober Zeichen

Es werden der Dornfortsatz S1

und ein Punkt 10 cm kranial

davon markiert. Beim Vorneigen

vergrößert sich der Abstand um

bis zu 15 cm.

Nervenwurzelkompressionssyndrome: s. Kapitel X. Neurologische Untersuchung.

Page 22: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  22

Hüfte

1. Inspektion: - Gangbild, Hinken

- Verkürzung, Rotationsfehlstellung, Deformität

2. Palpation: - Druckschmerz: Trochanter, Leiste (coxogen; DD: Leistenhernie,

TVT, Lymphom, Hüftgelenksinfekt), vorderer Beckenring

- Krepitationen

- Schnappphänomene

- Beinstauchungsschmerz

3. Bewegungsausmaß:

Normwerte:

Extension/Flexion: 0°-0°-130°

Abduktion/Adduktion: 45°-0°-30°

IRO/ARO in 90°Flexion: 45°-0°-45°

4. Spezifische Tests

Thomas-Handgriff:

Ausgangsstellung: Untersucherhand unter

der LWS.

Das nicht betroffene Bein wird nun so lange im Hüftgelenk gebeugt, bis die

Lendenlordose ausgeglichen ist. Bei Hüftbeugekontraktur bleibt das zu

untersuchende Bein nicht flach auf der Liege, sondern folgt der fortschreitenden

Hüftbeugung.

Page 23: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  23

Trendelenburg Zeichen:

Trendelenburg positiv: Beim Einbeinstand sinkt das Becken zur gesunden Seite

durch Insuffizienz der Mm. glutaei.

Knie

Spezielle Anamnese:

Verletzungsmechanismen

1. Valgus-Flexions-Außenrotationstrauma: Ruptur des medialen

Kollateralbandes, der posteromedialen Kapsel, ggf. mit Meniskusläsion und

vorderer Kreuzbandruptur

2. Varus-Flexions-Innenrotationstrauma: Ruptur des lateralen

Kollateralbandes, der posterolateralen Kapsel und mit steigender Intensität

auch des vorderen und hinteren Kreuzbandes.

3. Isolierte vordere Kreuzbandruptur: Kniehyperextension, Innenrotation,

maximaler Quadrizepskontraktion in Extensionsnähe (Rückwärtssturz

Skifahrer)

4. Isolierte hintere Kreuzbandruptur: durch schwere Kontusion gegen die

Tuberositas tibiae (Anprall Amaturenbrett, Sturz auf´s Knie mit

plantarflektiertem Fuß)

Nicht selten wird von den Patienten bei Kreuzbandläsionen ein

hörbares/spürbares Reißen beschrieben.

Meniskusläsionen entstehen durch Kniedistorsionen bei belasteter Rotation in

Semiflexion oder beim Aufstehen aus der Hockstellung. Degenerative

Läsionen können bereits durch triviale Bewegungen entstehen.

Page 24: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  24

1. Inspektion: - Genu varum, Genu valgum, Genu recurvatum

- Schwellung, Kniegelenkserguß

- Muskelatrophien

2. Palpation: - „Tanzende“ Patella

Ausstreichen des oberen Recessus mit

der li Hand und Palpieren Patella mit der

re Hand. Bei Kniegelenkserguß (≥ 15 ml)

spürbares „Tanzen“ der Patella.

- Druckschmerz medialer/lateraler Gelenkspalt bei

Meniskuspathologie oder Gonarthrose

- Krepitationen bei Gonarthrose

3. Bewegungsausmaß:

Normwerte: Extension/Flexion: 5°-0°-140°

4. Spezifische Tests:

Zohlen-Zeichen

Bei gestrecktem Bein wird die Patella

in ihr Gleitlager gepresst und der

Patient gebeten, dass Bein weiter

gestreckt anzuheben.

Schmerzprovokation bei

retropatellarem Knorpelschaden.

Page 25: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  25

Meniskus-Tests:

Steinmann-I-Zeichen

Der Untersucher fixiert mit der linken Hand das

gebeugte Knie. Mit der rechten Hand umfasst er das

Sprunggelenk und führt forcierte Rotationsbewegungen

des Unterschenkels aus

Schmerzen am medialen Gelenkspalt bei forcierter

Außenrotation Innenmeniskusläsion

Schmerzen am lateralen Gelenkspalt bei forcierter

Innenrotation Außenmeniskusläsion

Steinmann-II-Zeichen

Der Druckschmerz am Gelenkspalt „wandert“ bei der Kniebeugung von ventral nach

dorsal.

Payr-Zeichen

Intermittierender Druck auf das außenrotierte, gebeugte Knie (im Schneidersitz) löst

bei Innenmeniskusläsion Schmerzen am medialen Gelenkspalt aus.

Page 26: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  26

Kreuzbänder:

Lachmann-Test (= extensionsnahe Schublade, bei frischen Verletzungen)

In Rückenlage beim 20°-gebeugten Knie wird der

Oberschenkel von der einen Hand des Untersuchers

gehalten, während die andere Hand die Tibia nach

vorn zieht. Bei nachweisbarer Verschieblichkeit der

Tibia gegenüber dem Femur und fehlendem oder

weichem Anschlag liegt ein Kreuzbandschaden vor.

Schubladentest (bei chronischer Kreuzbandinsuffizienz)

Bei 45° Flexion im Hüftgelenk und 90° gebeugten

Knie fixiert der Untersucher den Fuß des

Patienten mit dem Gesäß, umfasst mit beiden

Händen den Tibiakopf und zieht diesen nach

ventral (vordere Schublade) bzw. drückt diesen

nach dorsal (hintere Schublade).

Positiv bei Ventralverschiebung mit weichem/

keinem Anschlag.

Cave: Jede vordere Schublade ist erst dann eine echte vordere Schublade, wenn

eine hintere Schublade ausgeschlossen wurde. Eine hintere Schublade erkennt man

an der durchhängenden proximalen Tibia.

Page 27: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  27

Pivot shift Test

Beim Pivot shift kommt es zu einer schmerzhaften Subluxation der Tibia, wenn das

gestreckte Kniegelenk unter Ausübung einer Valguskraft, leichter Innenrotation und

axialem Druck ruckartig gebeugt wird (Maximum bei 20-30° Flexion). Übersteigt die

Beugung 30° kommt es zur ruckartigen Reposition, unterstützt durch den Tractus

iliotibialis.

Seitenbänder:

Varus-Valgus-Test

Die Seitenbandstabilität wird in 20° Kniebeugung und in Streckung untersucht. Bei

voller Streckung wird ein seitliches Aufklappen verhindert, solange hintere Kapsel

und hinteres Kreuzband intakt sind, auch wenn das mediale Seitenband und das

vordere Kreuzband rupturiert sind. Die Suffizienz des Seitenbandes darf erst beurteilt

werden, wenn das Kniegelenk um 20° gebeugt und dadurch die hintere Kapsel

entspannt ist.

Valgusstress (li) und Varusstress (re) in 20°-Knieflexion

Page 28: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  28

Sprunggelenk/Fuß

1. Inspektion: - Schwellungen

- Fehlstellungen

- Fußgewölbe (Längs- und Quergewölbe)

- Fußdeformitäten (Spreiz-, Knick-Senk-, Hohl-, Platt-, Klumpfuß)

2. Palpation: - Fibulare Bänder:

- Lig. fibulotalare anterius

- Lig. fibulocalcaneare

- Lig. fibulotalare posterius

- Lig. deltoideum

- Syndesmose

- Außenknöchel

- Innenknöchel+Fibulaköpfchen (Cave: Maisonneuve-Verletzung)

- Achillessehne

- Fußwurzel

- MIttelfußkompression

3. Bewegungsausmaß:

Normwerte OSG: Dorsalflexion/Plantarflexion: 15°-0°-40°

USG: Pronation/Supination: 15°-0°-35°

Zehenbeweglichkeit: Angabe in Bruchteilen der

gesunden Gegenseite (1/1, 1/2, etc.)

Page 29: Skript „Interdisziplinärer Untersuchungskurs“ Die

  29

4. Spezifische Tests:

Schubladentest

Gegen die die Tibia fixierende Hand wird der

Fuß nach ventral gezogen. Nach Umgreifen

wird in einem zweiten Schritt der Fuß nach

dorsal gedrückt.

Laterale/mediale Gelenksstabilitätstests

- Beurteilung der lateralen (Varusstreß) und medialen (Valgusstreß) Aufklappbarkeit

Thompson-Test

- Hinweis auf Achillessehnenruptur.

Patient in Bauchlage mit überhängenden Füßen.

Das Komprimieren der Wadenmuskulatur führt

bei intakter Achillessehne zu einer schnellen

passiven Plantarflexion des Fußes. Fehlt diese

Plantarflexion deutet dies auf eine

Achillessehnenruptur hin.