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Laborskript Prüfmittel Prof. Dr.-Ing. I. M. Kenter

Skript Pr fmittel 2009 - Hochschule Bremen · Prüfmittel Einleitung 1 1. Einleitung Die Fertigungsmesstechnik setzt sich überwiegend mit der Bestimmung geometrischer Merkmale an

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Laborskript

Prüfmittel

Prof. Dr.-Ing. I. M. Kenter

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Prüfmittel

Inhaltsverzeichnis

I

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis ........................................................................................................................ I

1. Einleitung ............................................................................................................................ 1

2. Begriffe der Messtechnik .................................................................................................... 2

3. Einteilung der Prüfmittel ..................................................................................................... 4

4. Prüfmittelauswahl ............................................................................................................... 6

5. Messfehler und Messunsicherheit ....................................................................................... 8

6. Prüfmittelmanagement ...................................................................................................... 14

7. Literaturverzeichnis .......................................................................................................... 23

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Prüfmittel

Einleitung

1

1. Einleitung

Die Fertigungsmesstechnik setzt sich überwiegend mit der Bestimmung geometrischer

Merkmale an Werkstücken auseinander, zunehmend werden aber auch Messgrößen für die

Beurteilung von Werkzeugen, Produktionsmitteln und Prüfmitteln selbst zum Inhalt.

Mit den steigenden Ansprüchen an die Produktqualität genügt es nicht mehr, die

Fertigungsmesstechnik zur Entdeckung des Ausschusses am Ende der Produktion

einzusetzen. Sie wird vielmehr zum Datenlieferant für die Istsituation in der Fertigung und

bildet damit die solide Basis für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Die

Fertigungsmesstechnik steht nicht mehr abseits, sie wird in die betrieblichen Strukturen und

Steuerungsabläufe eingebunden.

Innerhalb der betrieblichen Strukturen garantieren die Prüfplanung und die

Prüfmittelüberwachung den effizienten Einsatz der Prüfmittel in der Praxis. [1]

Die Laboreinheit 'Prüfmittel' im Rahmen der QSME/TQM – Vorlesung behandelt speziell die

Themenbereiche Messfehler und Messunsicherheit sowie das Prüfmittelmanagement. In

seminaristischer und praktischer Form werden Sie mit den Grundlagen dieser Themen

vertraut gemacht und sind anschließend in der Lage, diese in den Gesamtkontext des

Qualitätsmanagements und der Produktionsorganisation einzuordnen.

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Prüfmittel

Begriffe der Messtechnik

2

2. Begriffe der Messtechnik

Begriff Erläuterung

Prüfen

Das Feststellen, ob der Prüfgegenstand (Werkstück, Probe,

Messgerät) eine oder mehrere vorgegebene Bedingungen erfüllt. Mit

dem Prüfen ist daher immer der Vergleich mit vorgegebenen

Bedingungen verbunden.

Messen

Ist der experimentelle Vorgang, durch den ein spezieller Wert einer

physikalischen Größe als Vielfaches einer Einheit oder eines

Bezugswertes ermittelt wird.

Lehren

Feststellen, ob bestimmte Längen, Winkel oder Formen eines

Prüfgegenstandes die durch Maß- oder Formverkörperungen – die Lehren –

gegebenen Grenzen einhalten oder in welcher Richtung sie diese

überschreiten. Der Betrag der Abweichung wird nicht festgestellt. Eine

Grenzlehrung erfordert zwei Maßverkörperungen, die den beiden

Grenzmaßen entsprechen.

Zählen

Ist das Ermitteln der Anzahl von jeweils in bestimmter Hinsicht

gleichartiger Elemente oder Ereignissen, die bei dem zu

untersuchenden Messobjekt in Erscheinung treten.

Überwachen

Direktes oder indirektes Messen ausgewählter Prozessgrößen und

Beurteilung der Einhaltung mit vorgegebenen Werten,

Wertebereichen oder Schaltzuständen.

Klassieren

In bestimmter Hinsicht gleichartige Elemente einer Menge den

vorgegebenen oder vereinbarten Klassen eines Merkmals zuordnen.

Das Festlegen der Klassen und das Feststellen der Häufigkeiten in den

Klassen gehört mit zum Klassieren.

Sortieren (Auslesen) Ist das Trennen verschiedenartiger Elemente einer Menge nach ihrer

Verschiedenartigkeit.

Dosieren

Aus einer Stoffportion festgelegte Teilmengen herausnehmen

(abtrennen). Unter Dosieren versteht man auch das Hinzufügen

bestimmter Stoffportionen beim Herstellen eines Stoffgemisches mit

vorgegebenen Zusammensetzungen oder Eigenschaften.

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Prüfmittel

Begriffe der Messtechnik

3

Einstellen Messmittel auf einen bestimmten Wert stellen.

Justieren

Ein Messgerät so einstellen oder abgleichen, dass die

Messabweichung möglichst klein wird oder dass die Beträge der

Messabweichung die Fehlergrenzen nicht überschreiten.

Ist das korrigieren der beim kalibrieren festgestellten Abweichungen.

Kalibrieren

Feststellen der Messabweichung am Messgerät.

Feststellen des Zusammenhangs zwischen Ausgangsgröße und

Eingangsgröße.

Eichen Umfasst die von der zuständigen Eichbehörde nach den

Eichvorschriften vorzunehmende Prüfung und die Stempelung.

Qualifizieren

Beinhaltet alle Aktivitäten (kalibrieren, justieren, reparieren,

plombieren, kennzeichnen), um ein Prüfmittel einsatzfähig zu

machen.

[2, 3, 4]

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Prüfmittel

Einteilung der Prüfmittel

4

3. Einteilung der Prüfmittel

[5]

Prüfmittel lassen sich auf verschiedene Weisen einteilen: nach der Art der Prüfmittel, nach

der mit ihnen durchzuführenden Tätigkeit oder nach der Prüfmethode.

Einteilung der Prüfmittel nach der Art

Bild 1 zeigt die Einteilung der Prüfmittel nach deren Art. Es wird unterschieden zwischen

Messmittel (die sich wiederum in Maßverkörperungen, Handmessmittel und Messgeräte

unterteilen lassen), Lehren und Prüfhilfsmittel.

Maßverkörperungen: z.B. Parallelendmaße, Winkelendmaße, Strichmaßstäbe, Glasmaßstäbe

Handmessmittel: z.B. Messschieber, Messschrauben, Innenmessgeräte, Messuhren

Messgeräte: z.B. Höhenmessgeräte, 3D-Koordinatenmessgeräte, Formtester,

Rauheitsmessgeräte

Lehren: z.B. Grenzlehren, Formlehren, Winkellehren, Gewindelehren,

Radienlehren, Fühlerlehren

Hilfsmittel: z.B. Messplatten, Messzeughalter, Spannzeuge

Einteilung der Prüfmittel nach der mit ihnen durchzuführenden Tätigkeit

Bild 2 zeigt die Einteilung der Prüfmittel nach der mit ihnen durchzuführenden Tätigkeit.

Dabei wird zunächst unterschieden zwischen objektivem und subjektivem Prüfen. Das

objektive Prüfen umfasst die beiden Tätigkeiten messen und lehren, der die Prüfmittel

Bild 1: Einteilung der Prüfmittel nach ihrer Art

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Prüfmittel

Einteilung der Prüfmittel

5

zugeordnet werden (Messmittel: z.B. Messschieber, Bügelmessschraube, Lineal,…; Lehren:

z.B. Rachenlehre, Lehrdorn).

Einteilung der Prüfmittel nach der Prüfmethode

Bild 3 zeigt die Einteilung der Prüfmittel nach der Prüfmethode. Wesentliche Prüfmethoden

sind mechanisches Prüfen, optisches prüfen (z.B. mit Messlupen, Messmikroskopen,

Profilprojektoren), pneumatisches prüfen (z.B. Druckverfahren, Durchflussverfahren),

elektronisches prüfen (z.B. induktive Taster, Ohmsche Taster), optoelektronisches prüfen

(z.B. Laserinterferometer). Der mechanischen Prüfmethode werden die Prüfmittel

entsprechend Bild 1 zugeordnet.

Bild 2: Einteilung der Prüfmittel nach der mit ihnen durchzuführenden Tätigkeit

Bild 3: Einteilung der Prüfmittel nach der Prüfmethode

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Prüfmittel

Prüfmittelauswahl

6

4. Prüfmittelauswahl

Die Auswahl der Prüfmittel geschieht auf Basis einer Messproblem- bzw.

Messaufgabenstellung. Die Prüfmittelauswahl ist Teil des Prüfmittelplanungsprozesses.

Die Prüfmittelplanung als Teil der Fertigungsplanung beginnt zu einem frühest möglichen

Zeitpunkt. Während der Produktentwicklung werden die Prüfmerkmale festgelegt. In der

Qualitätsvorausplanung werden die Prüfaufgaben ermittelt und die geeigneten Prüfmittel

bestimmt, die dann ggf. beschafft werden müssen. [5]

Bei der Auswahl der Prüfmittel sind bestimmte Fragestellungen hilfreich:

- Welche Art von Prüfergebnis wird erwartet (qualitatives oder quantitatives Ergebnis?

- Handelt es sich um eine Pre-, In- oder Postprozessprüfung?

- Wo wird geprüft (Maschine, Werkstatt, Messraum,…)?

- Einzelprüfung oder Serienprüfung? Welche Stückzahlen?

- Manuelle oder automatisierte Prüfung?

- Welches Teilespektrum soll mit dem Prüfmittel zu prüfen sein?

- Welche Genauigkeiten werden erwartet? Welche Werkstücktoleranzen sind

einzuhalten?

- Wie ist der zu erwartende Zustand des Werkstückes zur Zeit der Prüfung?

- Handelt es sich um eine neue Prüfaufgabe oder wurden schon ähnliche Aufgaben

bewerkstelligt? Wenn ja, wie? Mit welchen Prüfmitteln?

- …

Nachdem die Fragen beantwortet sind, kann das geeignete Prüfmittel ausgewählt werden.

Dazu muss die Frage der Verfügbarkeit und Eignung von Prüfmitteln geklärt werden. Als

Hilfsmittel kann man sich beispielsweise einer betriebsinternen Prüfmitteldatenbank

bedienen, in der alle verfügbaren Messmittel aufgelistet sind. Anhand der Prüfaufgabe kann

dann eine Liste mit geeigneten Messmitteln aufgestellt werden. Die Entscheidung über das

einzusetzende Prüfmittel kann manuell oder auch rechnerunterstützt getroffen werden, wobei

die Anforderungen an die Prüfung die Auswahlkriterien bilden. [5]

Ein grober möglicher Entscheidungsbaum zur Auswahl von Prüfmitteln ist in Bild 4

abgebildet.

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Prüfmittel

Prüfmittelauswahl

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Bild 4: Entscheidungsbaum zur Auswahl von Prüfmitteln

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Prüfmittel

Messfehler und Messunsicherheit

8

5. Messfehler und Messunsicherheit

Jede durchgeführte Messung ist fehlerbehaftet und das ermittelte Ergebnis unsicher. Fehler

beim Messvorgang können entstehen durch

- den Prüfling (z.B. Verschmutzung, Formabweichungen, Oberflächenbeschaffenheit,

Beschädigungen),

- den Bediener (z.B. Ablesefehler, Bedienfehler, Beurteilungsfehler, mangelnde

Qualifikation),

- das Prüfmittel (z.B. Fehler an den Prüfnormalen, Linearitätsabweichungen, falsche

Auflösung, falsche Messkraft, Verschmutzung),

- die Prüfverfahren (z.B. Verstoß gegen das Abbe'sche Komparatorprinzip,

Positionierfehler des Prüflings, ungeeignete Tastelemente, Soft- und Hardwarefehler),

- die Umwelt (z.B. Temperaturschwankungen, Schwingungen, Feuchtigkeit, Luftdruck,

elektrische Störungen). [5]

Alle diese Fehlerquellen wirken sich auf das Messergebnis aus und werden in der

sogenannten Messunsicherheit laut DIN EN ISO 14253-1 [6] und DIN V ENV 13005 [7]

berücksichtigt bzw. ausgedrückt. Zunächst wenden wir uns aber dem Abbe'schen

Komparatorprinzip und der Messmittelfähigkeit zu.

Das Abbe'sche Komparatorprinzip

Der Abbe'sche Grundsatz, auch Komparatorprinzip oder Abbe'sches Komparatorprinzip

genannt, lautet:

Der Einfluss von Winkelabweichungen auf das Messergebnis ist besonders gering, wenn die

zu messende Strecke und das Vergleichsnormal zueinander fluchtend angeordnet sind [8].

Oder anders ausgedrückt: Die zu messende Länge und das Vergleichsnormal (Strichmaß,

Messspindel) müssen fluchtend hintereinander liegen [5].

Das Komparatorprinzip erfüllen beispielsweise Bügelmesschrauben und Tiefenmessschieber,

es wird nicht erfüllt beispielsweise von Messschiebern, Höhenmessgeräten oder 3D-

Koordinatenmessgeräten.

Das Komparatorprinzip sowie ein beispielhaft durch Nicht-Erfüllung des Komparatorprinzips

hervorgerufener Messfehler bei einem Messschieber werden in Bild 5 dargestellt.

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Prüfmittel

Messfehler und Messunsicherheit

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Messmittelfähigkeit [8]

Fähigkeitsuntersuchungen dienen dazu, Messsysteme auf ihre Eignung zu überprüfen. Dabei

werden alle Einflussgrößen (Verfahren, Vorgehensweise, Messgerät, Hilfsmittel, Normal,

Software usw.) bei der Messwertermittlung berücksichtigt. Fähigkeit ist die Unsicherheit des

Messsystems im Verhältnis zur Werkstücktoleranz des Prüfmerkmals. Sie wird herangezogen

zur Gesamtbeurteilung der Fähigkeit eines Bearbeitungsprozesses.

Um die Messmittelfähigkeit sicherzustellen, sollte bei anzeigenden Messgeräten das

Verhältnis von zu prüfender Toleranz und Auflösung (Skalenteilung, Ziffernschritt) ganz

allgemein nicht kleiner als 20:1 gewählt werden.

Bild 5: (Nicht-)Erfüllung Komparatorprinzip und dam it verbundener Messfehler [5]

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Prüfmittel

Messfehler und Messunsicherheit

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Zur Bewertung der Fähigkeit von Messsystemen werden die folgenden Verfahren empfohlen:

- Verfahren 1 zur Beurteilung von neuen oder geänderten Messsystemen beim

Lieferanten bzw. bevor diese eingesetzt werden. Dabei werden von einem Prüfer 50

Messungen (mindestens 20) des Normals zur Bewertung systematischer

Messabweichungen und der Wiederholgenauigkeit durchgeführt.

- Verfahren 2 zur Beurteilung von neuen oder geänderten Messsystemen mit

Werkstücken vor der Endabnahme im Anwenderwerk, für Auditierungen und

Zwischenprüfungen. Es werden 10 Werkstücke durch 2 Prüfer mit 2 Messreihen pro

Prüfer zur Ermittlung der Wiederholpräzision und der Vergleichspräzision (Einfluss

des Bedieners) durchgeführt.

- Verfahren 3 ist ein Sonderfall des Verfahrens 2 zur Beurteilung von Messsystemen

ohne Bedienereinfluss. Dabei werden 25 Werkstücke in 2 Durchgängen zur Ermittlung

der Wiederholpräzision gemessen.

Die Auswertung der Fähigkeitsuntersuchungen soll im Rahmen des Labors nur für das

Verfahren 1 erläutert werden:

1. Aufnahme der Messwerte yi des Nennmaßes y

2. Berechnung des statistischen Mittelwertes y und der Standardabweichung s:

3. Berechnung von Cg (Index für zufällige Messabweichungen) und Cgk (Index für

systematische Messabweichungen). Beide Werte müssen größer oder gleich 1,33 sein,

damit das Messmittel als fähig gilt:

Beispiel:

Messung Außendurchmesser Welle, Nennmaß y = 26,1mm, T = 0,2mm

Folgende Werte yi wurden mit dem Messschieber gemessen [mm]:

26,1; 26,15; 26,1; 26,1; 26,05; 26,05; 26,15; 26,1; 26,1; 26,15

statistischer Mittelwert y = 26,105mm

die statistische Standardabweichung s = 0,03689mm

Cg = 0,2711 < 1,33 => Messschieber nicht fähig

Cgk = 0,20331 < 1,33 => Messschieber nicht fähig

∑=

=n

iin yy

1

1 * ( )∑=

−−

=n

ii yy

ns

1

2*

1

1

33,1*6

*2,0 ≥=s

TCg 33,1

*3

*1,0≥

−−=

s

yyTCgk

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Prüfmittel

Messfehler und Messunsicherheit

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Ist ein Messsystem gemäß den Verfahren 1 bis 3 nicht fähig, empfiehlt sich nach [8] folgende

Vorgehensweise:

- Schritt 1: das Messsystem überprüfen bzw. verbessern

Dazu gehören die Messeinrichtung (Mess-, Spann-, Niederhaltekräfte; Definition

Messstellen; Messablauf; …), die Umgebungsbedingungen (Schwingungen;

Temperaturschwankungen; Feuchtigkeit;…), das Messverfahren/die Messstrategie

(Messgeschwindigkeit; Messtechnik-, Statistiksoftware; Einstellverfahren;…), der

Prüfling (Sauberkeit; Oberflächenbeschaffenheit, Grate; Formfehler; …) und der

Bediener (Qualifikation; Sorgfalt; Sauberkeit; Wärmeübertragung; …).

- Schritt 2: ein genaueres Messsystem beschaffen

z.B. Auflösung <5%; absolut messende Systeme bevorzugen; robuste

Messeinrichtung; vom Bediener unabhängige Messeinrichtung; …

- Schritt 3: den Prozess und die geforderten Toleranzen betrachten

z.B. Merkmal auf Funktionsabhängigkeit überprüfen und ggf. neues Merkmal

definieren (z.B. Dichtheit anstelle von Rundheit)

- Schritt 4: eine befristete Sonderregelung schaffen.

Messunsicherheit [6, 7, 8]

Entsprechend der Wahrscheinlichkeitstheorie ordnen sich ermittelte Messwerte eines

fortlaufenden Messprozesses nach der Gaußschen Normalverteilung an. Basierend auf den

Grundlagen der Statistik wird aus der Menge der Messergebnisse der arithmetische Mittelwert

xE als Schätzwert der wahren Messgröße gebildet. Für die Angabe des Vertrauensintervalls

wird im Allgemeinen eine Aussagewahrscheinlichkeit P von 95% zu Grunde gelegt. Das

heißt, das Vertrauensintervall wird so gewählt, dass bei unendlicher Wiederholung der

Messungen der wahre Wert der Messgröße in 95 von 100 Fällen im angegebenen Intervall

liegt.

Jedes Messergebnis ist also mit einer Unsicherheit behaftet. Ein vollständiges Messergebnis

besteht also immer aus der Angabe des Messergebnisses (arithmetischer Mittelwert der

Ergebnismenge) und der Messunsicherheit: D = yE ± 2σ, z.B. 41,236 ± 0,002mm. Warum ist

es wichtig, die Messunsicherheit eines Messergebnisses möglichst genau zu kennen? Kritisch

sind diejenigen Werte, die oberhalb oder unterhalb in unmittelbarer Nähe der Grenzmaße

(Toleranzgrenzen) liegen: Ist das Ergebnis noch in Ordnung (IO) oder schon nicht mehr in

Ordnung (NIO)? Aufgrund einer Messunsicherheit, die (fast) immer größer als Null ist, ist

diese Frage für einige Messwerte nicht eindeutig entscheidbar, siehe Bild 6. Nach DIN EN

ISO 14253-1, die u.a. 'Entscheidungsregeln für die Übereinstimmung und

Nichtübereinstimmung mit der GPS-Spezifikation' (GPS = geometrische

Produktspezifikation) definiert, dürfen Lieferanten nur dann Produkte ausliefern, wenn sie

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Prüfmittel

Messfehler und Messunsicherheit

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unter Berücksichtigung der Messunsicherheit nachweislich IO sind, und Abnehmer Produkte

nur dann zurückweisen, wenn sie unter Berücksichtigung der Messunsicherheit nachweislich

NIO sind.

Die Messunsicherheit wird mithilfe der Statistik ermittelt:

1. Ermittlung des arithmetischen Mittelwertes.

2. Ermittlung der empirischen Standardabweichung (ein Maß für die auf den Mittelwert

bezogene Streuung der Messwerte).

Bild 6: Messunsicherheit eines Messergebnisses

∑=

=n

iin yy

1

1 *

( )∑=

−−

=n

ii yy

ns

1

2*

1

1

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Prüfmittel

Messfehler und Messunsicherheit

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3. Ermittlung der statistischen Standardabweichung σ (Kennzahl, welche die Streubreite

der statistischen Messwertverteilung quantifiziert). Sie kann durch das Produkt aus

empirischer Standardabweichung und Studentfaktor t (siehe entsprechende

Tabellenwerke) abgeschätzt werden.

σ ≈ t * s

4. Das vollständige Messergebnis (bei U95) setzt sich zusammen aus dem Messergebnis

(arithmetischer Mittelwert der Ergebnismenge) und der Messunsicherheit:

D = yE ± 2σ, z.B. 41,236 ± 0,002mm.

Lieferanten sollten unbedingt die "Goldene Regel der Messtechnik" befolgen: Die

Messunsicherheit U (hier: σ) sollte nicht größer als T/10 sein (T = Toleranz)!

Nach den übereinstimmenden Forderungen der QS 9000 und des VDA sollte dem hier

beschriebenen, stark vereinfachten Berechnungsverfahren in der praktischen Anwendung das

wesentlich exaktere, aber auch erheblich aufwendigere Verfahren nach GUM (Guide to the

expression of uncertainty in measruement) vorgezogen werden (Die deutsche Übersetzung

von GUM wurde 1999 als Vornorm DIN V ENV 13005 "Leitfaden zur Angabe der

Unsicherheit beim Messen" ([7]) veröffentlicht.).

Die Messunsicherheit U setzt sich zusammen aus dem zufälligen und dem systematischen

Teil (Uz und Us). Uz entspricht dabei der ermittelten Standardabweichung σ, Us muss durch

Versuche, allgemeine Berechnungen oder aus bekannten technischen Daten ermittelt werden.

Eine stark vereinfachte Formel zur Berechnung der Messunsicherheit U aus der geschätzten

systematischen Messunsicherheit Us und aus der durch Messungen bestimmten zufälligen

Messunsicherheit Uz lautet:

²² zs UUU +=

Nach GUM bzw. nach [7] ist für jede einzelne Störgröße, die Einfluss auf das Messergebnis

nehmen kann, ein eigener Anteil der Messunsicherheit zu berechnen. Dabei sind nach GUM

entgegen dem vereinfachten Verfahren nach DIN auch eventuell auftretende gegenseitige

Abhängigkeiten der Einflussfaktoren durch sogenannte Korrelationsfaktoren zahlenmäßig zu

berücksichtigen.

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Prüfmittel

Prüfmittelmanagement

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6. Prüfmittelmanagement

Das Prüfmittelmanagement ist ein wesentliches Element des Qualitätsmanagements. Es ist für

die Qualität, Zuverlässigkeit, Einsatzfähigkeit und Einsatzbereitschaft der Prüfmittel in einem

Unternehmen verantwortlich. Innerhalb des Prüfmittelmanagements nimmt die

Prüfmittelüberwachung eine zentrale Stellung ein, da die Prüfmittel die Referenz sind, an der

die Qualität der Produkte gemessen wird. Das Ziel, unter Berücksichtigung von

wirtschaftlichen Aspekten möglichst die tatsächliche Merkmalausprägung an einem

Werkstück festzustellen, kann nur erreicht werden, wenn der einwandfreie Zustand der

verwendeten Prüfmittel zum Zeitpunkt der Prüfung gewährleistet ist. Die an das

Prüfmittelmanagement gestellten Aufgaben lassen sich in drei Teilbereiche gliedern: [9]

- Prüfmittelplanung und –beschaffung

- Prüfmittelverwaltung

- Prüfmittelüberwachung

Prüfmittelplanung und –beschaffung [9, 10]

Die Prüfmittelplanung und -beschaffung beinhaltet die Planung der Verwendung,

Eigenschaften, Anforderungen, Spezifikationen und des Einsatzfeldes von Prüfmitteln als Teil

der Fertigungsplanung und deren Beschaffung bzw. Eigenfertigung. Nach erfolgter

Prüfmittelplanung werden die über den Einkauf bzw. die Eigenfertigung beschafften

Prüfmittel einer Eignungsprüfung unterzogen. In der Eignungsprüfung wird ermittelt, ob alle

vorgegebenen Forderungen an das Prüfmittel (Pflichtenheft, Zeichnungen, Normen,

Vorschriften) erfüllt werden. Erfolgt die Freigabe für die Verwendung im Betrieb, so werden

die Prüfmittel nach Erfassung der Prüfmitteldaten dem Lager zugeführt und für den Einsatz

freigegeben. Während des Einsatzes eines Prüfmittels im Betrieb bzw. im Lager werden sie in

zeitlich definierten Zyklen einer Prüfmittelüberwachung unterzogen. Prüfmittel, die ohne

Beanstandung die Überprüfung durchlaufen haben, werden für den weiteren Einsatz

freigegeben. Beanstandete Prüfmittel, bzw. im Einsatz ausgefallene Prüfmittel werden einer

Verwendungsentscheidung unterzogen. Dabei wird festgelegt, ob Prüfmittel

- bedingt weiterverwendet,

- für andere oder ähnliche Prüfaufgaben geändert, oder

- durch Instandsetzungsmaßnahmen wiederhergestellt werden können.

Parallel sind verwaltende Tätigkeiten erforderlich, die sich über die Phasen der Planung und

Beschaffung und des Einsatzes sowie der Überwachung eines Prüfmittels erstrecken.

Aufgrund der unterschiedlichen Prüfaufgaben kommen für die durchzuführenden

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Prüfmittel

Prüfmittelmanagement

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Qualitätsprüfungen verschiedenartige Prüfmittel in Frage. Hieraus leitet sich die zentrale

Aufgabe der Prüfmittelplanung und -beschaffung ab. Sie ist verantwortlich für die

anforderungsgerechte Auswahl und die fristgerechte Beschaffung (Anschaffung bzw.

Fertigung) benötigter Prüfmittel. Während der Planungs- und Beschaffungsphase sind

sukzessive folgende Teilaufgaben zu lösen:

- Ermittlung des Prüfmittelbedarfs,

- Beschaffung verfügbarer Prüfmittel,

- Konstruktion und Fertigung von Sonderprüfmitteln,

- Durchführung von Eignungsprüfungen und

- Erstellen von Prüfanweisungen

Nachdem die Planung und Beschaffung eines Prüfmittels abgeschlossen ist, muss vor einer

Übernahme in betriebliche Abläufe nachgewiesen werden, dass es fähig ist, ein bestimmtes

Qualitätsmerkmal zu überprüfen bzw. ob die vom Hersteller angegebene

Prüfmittelgenauigkeit auch eingehalten wird. Die hier üblicherweise angewendeten Methoden

einer gerätespezifischen bzw. einer aufgabenspezifischen Prüfmittelüberwachung wurden

bereits erläutert.

Während der Planungs- und Beschaffungsphase werden Prüfanweisungen für die periodische

Überwachung der Prüfmittel erstellt. Hierbei kann zum Teil auf standardisierte

Prüfanweisungen zurückgegriffen werden (VDI/VDE/DGQ 2618, usw.). Nichtstandardisierte

Prüfsysteme (z.B. Vielstellenmessgeräte) sind zumeist aus Standardprüfmitteln (z.B.

Messtastern) aufgebaut, so dass die Prüfeigenschaften dieser Einzelkomponenten nach

vorgegebenen Prüfanweisungen überwacht werden können. Für Sonderprüfmittel müssen

geeignete Prüfanweisungen erstellt werden.

In Bild 7 ist die Integration der Prüfmittelplanung, -beschaffung und –überwachung in das

Prüfmittelmanagement dargestellt.

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Prüfmittel

Prüfmittelmanagement

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Bild 7: Integration der Prüfmittelplanung, -beschaffung und -überwachung in das Prüfmittelmanagement [10]

Prüfmittelverwaltung [9, 10]

Die Prüfmittelverwaltung umfasst sämtliche verwaltungstechnischen Aufgaben, die zur

Verwaltung eines Prüfmittels erforderlich sind. Zu den Aufgaben der Prüfmittelverwaltung

gehören

- Logistikaufgaben, wie die Einsatzplanung / Einsatzsteuerung und das Veranlassen von

Überwachungsprüfungen,

- Dokumentationsaufgaben, die zum einen die Stammdaten und zum anderen die

Prüfergebnisse des Prüfmittels betreffen und

- Datenverdichtungsaufgaben, die die Berechnung von Kennwerten und das Führen von

Statistiken und Historien beinhaltet.

Die Prüfmittelverwaltung erfolgt heute fast ausschließlich rechnergestützt, da der

Verwaltungsaufwand für ein vernünftiges Prüfmittelmanagement ansonsten nicht vertretbar

wäre. Für die durchzuführenden Aufgaben und die zu verarbeitenden prüfmittelspezifischen

Daten sind bereits von einigen Anbietern entsprechende Software und Datenbanksysteme auf

dem Markt erhältlich.

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Prüfmittel

Prüfmittelmanagement

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Um Prüfmittel überwachen zu können, ist die Gesamtheit der Prüfmittel zu analysieren mit

dem Ziel, sie zu identifizieren, ihre Merkmale zu beschreiben und sie ggf. zu klassifizieren.

Zu Beginn werden alle vorhandenen und in näherer Zukunft geplanten Prüfmittel in einem

Katalog zusammengetragen. Um eine Beschreibung aller relevanten Merkmale eines

Prüfmittels zu gewährleisten, müssen die dafür erforderlichen Beschreibungskriterien vor der

eigentlichen Beschreibung definiert werden. Die zu diesem Zweck benötigten

Beschreibungskriterien sind zum Teil in der Literatur zur Prüfmittelüberwachung vorhanden.

Weitere Gesichtspunkte, nach denen Prüfmittel zu beschreiben und zu ordnen sind, sind durch

eigene Überlegungen zu ergänzen.

Beim Aufbau einer Prüfmittelverwaltung und der damit verbundenen Entwicklung eines

Beschreibungsmodells der Prüfmittel eines Unternehmens ist die eindeutige Identifizierung

der Prüfmittel unbedingt erforderlich. Zu diesem Zweck kann ein klassifizierendes

Identnummernsystem eingeführt werden, das es erlaubt, die Art eines Prüfmittels bereits an

einem Nummernteil zu erkennen oder aber ein Prüfmittel einer Kostenstelle direkt

zuzuordnen (Bild 8).

Bild 8: Prüfmittelanalyse [10]

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Prüfmittel

Prüfmittelmanagement

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Prüfmittelüberwachung [9, 10]

Die mit einem Messgerät (allgemeiner Prüfmittel) ermittelten Messwerte sind lediglich

beobachtete Werte eines Qualitätsmerkmals, das in einem Fertigungsprozess entstanden ist.

Dem gefertigten Qualitätsmerkmal werden während der Messung die systematischen und

statischen Einflüsse des Messprozesses überlagert.

Fehlerhafte Prüfmittel, deren Verhalten nicht hinreichend bekannt ist, können zu einem

positiven Prüfurteil führen, obwohl ein Ausschussteil geprüft wurde. Auf der anderen Seite

können Gutteile zu Ausschuss erklärt werden. Auf diese Weise werden fehlerhafte

Qualitätsdaten erzeugt, Auswertungen und Kennwerte verfälscht sowie in der Konsequenz

eine Reihe von Fehlentscheidungen vom Prüfer bis zum Management verursacht. Vor allem

verursachen diese Fehlentscheidungen unnötige Kosten.

Um die oben beschriebenen Fehlentscheidungen zu vermeiden, müssen die den Messprozess

beeinflussenden Eigenschaften eines Prüfmittels bekannt sein. Da diese Eigenschaften zeitlich

variabel sind, ist es die Aufgabe der Prüfmittelüberwachung sie periodisch zu überprüfen und

sicherzustellen. Diese Eigenschaften können wie folgt definiert werden:

- Die Genauigkeit ist die Abweichung zwischen dem Mittelwert einer Messwertereihe bei

wiederholtem Messen des gleichen Merkmals und dem wahren bzw. als wahr

angenommenem Wert des Merkmals.

- Mit Wiederholpräzision bezeichnet man die Eigenschaft, wie präzise ein ermittelter

Messwert in einer Messreihe wiederholt wird. Ein Maß für die Wiederholpräzision ist die

Standardabweichung einer Messreihe.

- Die Vergleichspräzision bezieht sich auf die Variationen einer Randbedingung, wie z.B.

Bediener, Prüfort oder eingesetztes Prüfmittel. Mit Hilfe der Vergleichspräzision lässt sich

der Einfluss einer solchen Randbedingung quantifizieren.

- Mit Stabilität wird das zeitliche Verhalten eines Prüfmittels charakterisiert. Hierzu werden

in festgelegten Intervallen Messreihen durchgeführt und Unterschiede der statistischen

Kennwerte verglichen.

- Mit Linearität wird der Effekt bezeichnet, dass mit zunehmendem Messwert die

Messabweichung in erster Näherung durch eine Gerade bekannter Steigung beschrieben

werden kann.

Die Prüfmittelüberwachung kann grundsätzlich in eine gerätespezifische und eine

aufgabenspezifische Prüfmittelüberwachung unterteilt werden.

Unter der gerätespezifischen Prüfmittelüberwachung wird die Überwachung der

Messabweichungen für einzelne Werte des Messbereichs eines Messmittels verstanden. Hier-

bei werden zum Teil Wiederholmessungen durchgeführt, so dass eine Aussage über die

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Prüfmittel

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Wiederholgenauigkeit gemacht werden kann. Die hier durchgeführten Untersuchungen finden

unter idealen Bedingungen, d.h. durch geschultes Personal zumeist in einem klimatisierten

Messraum statt.

Mit aufgabenspezifischer Prüfmittelüberwachung wird die auf eine spezielle Messaufgabe

bezogene Überwachung eines Prüfmittels bezeichnet. Ihr Ziel ist es, zu beurteilen, ob die

Eigenschaften und Handhabungsvorschriften eines Prüfmittels auf die spezifischen

Prüfbedingungen (z.B. eine Fertigungsumgebung mit schwankenden

Temperaturverhältnissen) und den an sie gestellten Anforderungen genügen. Der Einsatzort,

unterschiedliche Prüfer und Messvorrichtungen und das Prüfen von Werkstücken des realen

Fertigungsprozesses können die Eignung des Prüfmittels für den Einsatzzweck erheblich

einschränken.

Gerätespezifische Prüfmittelüberwachung

Für die gerätespezifische Prüfmittelüberwachung bestehen Richtlinien und Checklisten wie

z.B. die Richtlinie VDI/VDE/DGQ 2618 Prüfanweisungen zur Prüfmittelüberwachung [11].

Diese aus insgesamt 27 Blättern bestehende Richtlinie enthält eine Einführung sowie in

Checklistenform zusammengestellte Prüfanweisungen, die eine standardisierte Beurteilung

neuer oder gebrauchter Prüfmittel ermöglichen. Ein weiteres Ziel dieser Richtlinie ist es den

Herstellern und Anwendern von Prüfmitteln eine gemeinsame Grundlage für die

Prüfmittelüberwachung zur Verfügung zu stellen.

Die Liste der verfügbaren Prüfanweisungen kann in eine Gruppe der lehrenden Prüfmittel,

in eine der messenden Prüfmittel und in Normale unterteilt werden. Für lehrende Prüfmittel

sind z.B. eine Prüfanweisung für Lehrdorne, Rachenlehren oder Kegellehren vorhanden.

Prüfanweisungen für Messschieber, Messuhren und Bügelmessschrauben sind Beispiele aus

der Gruppe der messenden Prüfmittel. Bei den Parallelendmaßen und den Einstellringen

handelt es sich um Maßverkörperungen, so genannte Normale. Eine vollständige Liste der

verfügbaren Prüfanweisungen findet sich in Blatt 1 der Richtlinie VDI/VDE/DGQ 2618.

Die Überwachung eines Messmittels (allgemeiner Prüfmittel) erfolgt durch den Vergleich mit

einem Normal, das den als richtig vorausgesetzten Wert der Messgröße repräsentiert und

durch eine ununterbrochene Kette derartiger Vergleichsnormale an das nationale Normal

angeschlossen ist. Derartige Normale sind Referenz-, Bezugs- und Gebrauchsnormale. Die

Physikalisch-Technische-Bundesanstalt PTB entwickelt die nationalen Normale zur

Darstellung der SI-Einheiten und ermöglicht außerdem den Anschluss an die nationalen

Normale. Die Bezugsnormale für die Prüfmittelkalibrierung werden nur selten direkt an die

PTB angeschlossen. Meistens werden in der so genannten Kalibrierkette eine oder mehrere

Zwischenstufen zur Rückführung der Normale zwischengeschaltet (Bild 9). Die Kalibrierkette

wird durch den Deutschen Kalibrierdienst DKD, die Industrie oder andere Institutionen

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(Forschungseinrichtungen, TÜV) geschlossen, die die Kalibrierung als Serviceleistung

anbieten.

Bild 9: Kalibrierkette für einen Messschiebers

Im dargestellten Beispiel wird der angezeigte Messwert eines Messschiebers mit dem

bekannten Maß des Parallelendmaßes bzw. des Einstellrings verglichen. Zum Zeitpunkt der

Überwachung müssen die Normale selbst kalibriert sein. Die Unsicherheit der Maßangaben

dieser Gebrauchsnormale beträgt hier nur 1/100 der Unsicherheit des Messschiebers.

Eine für Koordinatenmessgeräte existierende Richtlinie VDI/VDE 2617 stellt dem Anwender

Prüfanweisungen zur Verfügung, mit denen eine reproduzierbare Überwachung der

Eigenschaften eines Koordinatenmessgerätes, insbesondere eine Erstabnahme, durchgeführt

werden kann. In dieser Richtlinie sind verschiedene Kennwerte definiert, die einen Vergleich

eines Koordinatenmessgerätes auch mit anderen Geräten ermöglicht. Die in der Richtlinie

überwachten Eigenschaften eines Koordinatenmessgerätes sind im Wesentlichen durch

folgende Komponentenabweichungen des Gerätes definiert (Bild 10) [12]:

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Bild 10: Eigenschaften eines Koordinatenmessgerätes

Aufgabenspezifische Prüfmittelüberwachung

Neben der Messunsicherheit sind weitere Eigenschaften des Prüfmittels, wie z.B. die

Wiederholpräzision und die Vergleichspräzision unter typischen Einsatzbedingungen zu

überwachen. Für die aufgabenspezifische Prüfmittelüberwachung existieren zurzeit lediglich

firmeninterne Richtlinien von größeren Unternehmen der Automobil- bzw. der

Automobilzulieferindustrie oder von Qualitätsmanagementgesellschaften.

Aufgrund der vielfältigen Parameter, die einen Einfluss auf den zu überwachenden

Prüfprozess haben, ergeben sich Defizite der gerätespezifischen Prüfmittelüberwachung. Die

Defizite sind hauptsächlich darin begründet, dass die Überwachungssituation nicht der

Einsatzsituation des Prüfmittels entspricht. So wird bei der gerätespezifischen

Prüfmittelüberwachung lediglich die Genauigkeit des Prüfmittels unter Idealbedingungen

überprüft. Aus diesen Defiziten lässt sich die Zielsetzung einer aufgabenspezifischen

Prüfmittelüberwachung herleiten, die die Eignung eines Prüfmittels in Verbindung mit den

zur Prüfung notwendigen Handhabungstätigkeiten für eine spezielle Messaufgabe nachweist.

Da der Prüfvorgang als Prozess aufgefasst werden kann, ist es sinnvoll analog zur

Bestimmung der Prozessfähigkeit eines Fertigungsprozesses eine Prüfprozessfähigkeit

(langfristige Stabilität von Streuung und Lage des Prüfprozesses) zu ermitteln. Hierzu sind in

periodischen Intervallen die Fähigkeitsindizes cg und cgk zu berechnen und in einer Regelkarte

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Prüfmittel

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zu dokumentieren. Alle Messungen zur Bestimmung der Fähigkeitsindizes werden an einem

Bezugsnormal (Einstellmeister, Endmaß) vorgenommen.

Neben der Untersuchung der Prüfmittelfähigkeitsindizes Cg und Cgk entwickelt sich derzeit in

der Industrie die R&R-Studie (Repeatability & Reproducibility-Study) zu einem

Standardverfahren. Dieses Verfahren ermöglicht eine Aussage darüber, wie gut ein

Messverfahren in der Lage ist, um die Unterschiede zwischen den Produkten zu finden, sowie

die Wiederholpräzision und die Vergleichspräzision eines Messverfahrens zu ermitteln.

Bei der R&R-Studie werden in der Regel 10 Teile von 3 Prüfern mit 3 Wiederholungen unter

realen Bedingungen mit dem zu untersuchenden Messmittel geprüft. In Ausnahmefällen ist

eine Reduzierung des Aufwandes auf z.B. 5 Teile, 3 Prüfer und 2 Wiederholungen zulässig.

Meist werden die Untersuchungen mit ein und demselben Messmittel durchgeführt, so dass

die Studie den Einfluss des Prüfers auf das Messergebnis verdeutlicht. Weitere variable

Einflussgrößen sind unterschiedliche Prüfeinrichtungen oder der Einsatz eines Prüfmittels an

unterschiedlichen Orten. Bei der R&R-Studie ist zu beachten, dass nur eine Einflussgröße

variiert werden darf und alle anderen Einflussgrößen konstant zu halten sind. Dokumentiert

werden die durch das Messmittel angezeigten bzw. die von den Prüfern von der Anzeige

abgelesenen Messwerte des untersuchten Merkmals. Nach der 1. und der 2. Versuchsreihe

wird die Reihenfolge der Teile geändert. Mit Hilfe der während der Messreihen ermittelten

Einzelergebnisse werden die mittlere Spannweite iR und die mittlere Abweichung ix eines

Prüfers berechnet (Bild 11).

Bild 11: R&R-Studie

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Prüfmittel

Literaturverzeichnis

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7. Literaturverzeichnis

[1] Vorlesungsskript: Einführung in die Fertigungsmesstechnik, RWTH Aachen, Aachen

[2] DIN 1319 Einheiten und Begriffe für physikalische Größen, Beuth Verlag GmbH,

Berlin/Köln, 1995

[3] Vorlesungsskript: Grundbegriffe der Fertigungsmesstechnik, RWTH Aachen, Aachen

[4] Vorlesungsskript: Messtechnik, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald,

Greifswald

[5] Weidemann, M.: Grundlagen der Längenprüftechnik & Prüfmittelmanagement,

Schulungsunterlagen Quality Office, 2005

[6] DIN EN ISO 14253-1 Prüfung von Werkstücken und Messgeräten durch Messen,

Beuth Verlag GmbH, Berlin, 03/1999

[7] DIN V ENV 13005 Leitfaden zur Angabe der Unsicherheit beim Messen, Beuth

Verlag GmbH, Berlin, 06/1999

[8] N.N., Schulungsunterlage: Einführung in die Längenprüftechnik, Firma Mahr,

Göttingen, 05/2003

[9] Pfeifer, T.: Qualitätsmanagement – Strategien, Methoden, Techniken, Carl Hanser

Verlag, München, 1996

[10] Vorlesungsskript: Prüfmittelüberwachung, RWTH Aachen, Aachen

[11] VDI/VDE/DGQ 2618 Blatt 1-27 Prüfanweisungen zur Prüfmittelüberwachung, Beuth

Verlag GmbH, Berlin, 1991

[12] VDI/VDE 2617 Blatt 1-5 Genauigkeit von Koordinatenmessgeräten Kenngrößen und

deren Prüfung, Beuth Verlag GmbH, Berlin, 1983