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Skript zum Projektkurs Schutz von Erfindungen: Patent- und Lizenzrecht Prof. Dr. Ing. Felix Gross Patentanwalt European Patent and Trademark Attorney Professor f¨ ur Patentrecht in den Prozesswissenschaften Institut f¨ ur Anlagentechnik, Prozesstechnik und Technische Akustik Fachgebiet Dynamik und Betrieb technischer Anlagen TU Berlin Fakult¨ at III - Prozesswissenschaften Skript zum Projektkurs (Stand: 21. Juni 2009) c Gross, 2002–2009

Skript zum Projektkurs Schutz von Erfindungen: Patent- und ... · beim Patent. Nach der j¨ungsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes 1 kann man daher das Gebrauchsmuster wohl

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Skript zum Projektkurs

Schutz von Erfindungen:Patent- und Lizenzrecht

Prof. Dr. Ing. Felix Gross

Patentanwalt

European Patent and Trademark Attorney

Professor fur Patentrecht in den Prozesswissenschaften

Institut fur Anlagentechnik, Prozesstechnik und Technische Akustik

Fachgebiet Dynamik und Betrieb technischer Anlagen

TU Berlin Fakultat III - Prozesswissenschaften

Skript zum Projektkurs (Stand: 21. Juni 2009)

c©Gross, 2002–2009

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Inhaltsverzeichnis

1 Vorwort 1

2 Einfuhrung 52.1 Gewerblicher Rechtsschutz und verwandte Gebiete . . . . . . . . . 52.2 Der Grundgedanke des Patentrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.3 Historische Entwicklung des Patentrechts . . . . . . . . . . . . . . . 92.4 Wirtschaftliche Bedeutung des Patentschutzes . . . . . . . . . . . . 12

3 Patentschrift und Patent 153.1 Aufbau einer Patentschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

3.1.1 Titelseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163.1.2 Beschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163.1.3 Patentanspruche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173.1.4 Offenlegungsschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

3.2 Wirkungen des Patents . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193.3 Einschrankung der Wirkungen des Patents . . . . . . . . . . . . . . 213.4 Schutzbereich des Patents, Patentanspruche . . . . . . . . . . . . . 23

4 Patentverletzung 314.1 Merkmalsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314.2 Identische Patentverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354.3 Aquivalente Patentverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354.4 Verschlechterte und verbesserte Ausfuhrung . . . . . . . . . . . . . 374.5 Einwand des freien Standes der Technik . . . . . . . . . . . . . . . 384.6 Anspruche wegen Patentverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

4.6.1 Unterlassungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404.6.2 Schadensersatzanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424.6.3 Weitere Anspruche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

4.7 Verfahrensrechtliches zum Patentverletzungsprozess . . . . . . . . 464.7.1 Vor dem Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464.7.2 Patentverletzungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

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ii INHALTSVERZEICHNIS

4.7.3 Einstweilige Verfugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

5 Abwehr einer Patentverletzung 535.1 Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 535.2 Mangelnde Patentfahigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

5.2.1 Erfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545.2.2 Computer-implementierte Erfindungen, Softwarepatente . . 565.2.3 Mangelnde Neuheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 685.2.4 Mangelnde erfinderische Tatigkeit . . . . . . . . . . . . . . 735.2.5 Fehlende gewerbliche Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . 77

6 Lizenz- und Zusammenarbeitsvertrage 796.1 Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 796.2 Lizenzvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 806.3 Beispiele fur Eckpunkte eines Lizenzvertrages . . . . . . . . . . . . 826.4 Zusammenarbeits- und Entwicklungsvertrage . . . . . . . . . . . . 85

7 Fordermittel, Vermarktung 877.1 Die SIGNO-Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 877.2 Vermarktung von Erfindungen der Berliner Hochschulen . . . . . . 887.3 Weitere Informationsmoglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

8 Patentanmeldeverfahren 918.1 Provisorische Patentanmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 918.2 Erfindungsmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 968.3 Weiterer Gang einer Patentanmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . 97

8.3.1 Europaisches Patent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 998.3.2 Internationale Patentanmeldung (PCT–Anmeldung) . . . . . 100

A Patentrecherchen 103A.1 Sachrecherchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

A.1.1 Patentklassifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106A.1.2 Vorbereitung der Recherche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

A.2 Durchfuhrung der Recherche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110A.2.1 Datenbankrecherchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110A.2.2 Sachrecherche im Patentamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112A.2.3 Warnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

A.3 Hinweise zu Namensrecherchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114A.4 Internationale Patentklassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114A.5 Titelseite einer Patentschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

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INHALTSVERZEICHNIS iii

B Wichtige Internet–Links 121

C Abkurzungen 123

D Wichtige Landerkurzel 125

E Literatur 127

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iv INHALTSVERZEICHNIS

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Kapitel 1

Vorwort

Dieses Skript entstand im Zusammenhang mit einem Projektkurs an der TU Ber-lin, in dem den Teilnehmern seit dem Jahr 2001 in praktischer Weise der Schutztechnischer Erfindungen durch Patente nahe gebracht wird. Der Projektkurs gehtdabei von einer Situation aus, wie sie ein in der Praxis tatiger Ingenieur1 oder Na-turwissenschaftler wahrscheinlich einmal im Berufsleben erleben wird, namlichder Konfrontation mit einer (moglichen) Patentverletzung.

Der Projektkurs ist so konzipiert, dass die Teilnehmer in unterschiedlichen Fallenjeweils die Rolle des Patentinhabers oder die Rolle des potentiellen Patentverlet-zers ubernehmen werden.

Dabei wird das Patentrecht jeweils ausgehend von Patentschriften und von be-reits existierenden Patenten erarbeitet und nicht ausgehend vom Patentgesetz. So-mit werden patentrechtlichen Begriffe wie z.B. Neuheit oder erfinderische Tatigkeiterst relativ spat eingefuhrt, namlich im Zusammenhang mit dem Einspruch gegenein bereits erteiltes Patent. Naturgemaß konnen diese Ausfuhrungen dann auchauf ein Patentanmeldeverfahren ubertragen werden, an dem z.B. ein Erfinder mit-wirkt.

Durch diese Vorgehensweise soll Ingenieuren und Naturwissenschaftlern dieAnnaherung an z.T. schwierige rechtliche Fragen erleichtert werden, da ein inder Praxis tatiger Ingenieur oder Naturwissenschaftler eher mit Patentschriften alsmit dem Patentgesetz zu tun hat.

Anhand von Fallbeispielen wird erlautert, wie eine Patentschrift zu lesen ist, wiePatentverletzungen beurteilt werden, wie der Vorwurf einer Patentverletzung undwie der Angriff auf ein Patent abgewehrt werden konnen.

Auch geht es im Projektkurs darum, wie das Risiko einer Patentverletzung durchRecherchen und / oder Umgehungslosungen minimiert werden kann. Teil dieses

1Wann immer in diesem Skript eine maskuline oder feminine Form fur eine Person verwendetwird (z.B. der Fachmann), so sind selbstverstandlich Personen beiderlei Geschlechts gemeint.

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2 KAPITEL 1. VORWORT

Projektkurses ist daher auch eine systematische Einfuhrung in die Recherche tech-nischer Informationen2.In den letzten Jahren zeigte sich, dass Fragen der Patentierbarkeit von computer–implementierten Erfindungen von großem Interesse waren. Daher wird auf dieseFragen ausfuhrlich eingegangen. Im Rahmen der Vorlesung werden einzelne Pa-tente aus diesem Bereich eingehender untersucht.Andere praktisch wichtige Fragen des Innovationsschutzes, namlich Lizenzver-tragsrecht, die Einwerbung von Fordermitteln und Fragen des Vertragsrechts wer-den ebenfalls behandelt.Wesentlich fur den Projektkurs ist, dass die Teilnehmer lernen, einen patentrecht-lich relevanten Sachverhalt kurz und vollstandig schriftlich zu beschreiben, umdaraus nachvollziehbare Empfehlungen abzuleiten. Dafur werden die Teilnehmerpatentrechtliche Argumentationen erlernen und anwenden3. Dabei soll der struk-turierte schriftliche Ausdruck als Mittel zur Informationsaufbereitung und Infor-mationsweitergabe geubt werden.Dieser Projektkurs richtet sich in erster Linie an Studierende der natur- oder in-genieurwissenschaftlichen Facher. Da aber keine speziellen technischen Schwierig-keiten im Vordergrund stehen werden, zeigt die Erfahrung, dass dieser Projektkursauch fur Teilnehmer anderer Fachbereiche, wie z.B. Betriebswirte, geeignet ist.Vorsorglich sei angemerkt, dass dieses Skript und der Projektkurs keine Rechts-beratung darstellen. Die hier behandelten Beispiele lassen sich nicht auf jedenEinzelfall ubertragen, sondern sollen dazu dienen, die grundsatzlichen Problemeaufzuzeigen. Im Ernstfall wird es immer auf die Umstande des Einzelfalls ankom-men, die jeweils eine besondere rechtliche Beratung erforderlich machen werden.Dies gilt umso mehr, als sich der gewerbliche Rechtsschutz aufgrund seiner in-ternationalen Verflechtungen sehr dynamisch entwickelt, so dass manche der imSkript gemachten Aussagen schnell veralten konnen4.Dem Wesen eines Projektkurses entsprechend, wird die Bereitschaft vorausgesetzt,sich selbststandig, auch außerhalb der Unterrichtsveranstaltungen mit der Materiezu befassen.

2siehe Anhang A3Typische patentrechtliche Argumentationen sind: Ist dieser Gegenstand neu und beruht die-

ser Gegenstand auf einer erfinderischen Tatigkeit gegenuber bekannten Veroffentlichungen? Stelltdieser Gegenstand wahrscheinlich eine Patentverletzung dar? Dabei ist zu beachten, dass patent-rechtlich unter einem Gegenstand ein korperliches Erzeugnis (z.B. ein Stoff oder eine Vorrichtung)oder auch ein Verfahren verstanden wird.

4Aktualisierte Ausgaben des Skriptes konnen von der Homepage des Lehrstuhlswww.dbta.tu-berlin.de/ oder von der Homepage der Patentanwaltskanzlei Maikowski & Nin-nemann www.maikowski-ninnemann.com heruntergeladen werden. Fur Hinweise auf Fehler undVerbesserungsvorschlage bin ich stets dankbar.

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Fur Fragen zum Projektkurs stehe ich zu den im Infoblatt angegeben Zeiten in derTU Berlin oder unter folgender Anschrift zur Verfugung:

Patentanwalte Maikowski & Ninnemann

Kurfurstendamm 54-55

10707 Berlin

Tel. 030 881 81 81

[email protected]

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4 KAPITEL 1. VORWORT

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Kapitel 2

Einfuhrung

Bevor auf den Begriff der Patentverletzung eingegangen wird, sollen zur Abgren-zung des Begriffes Patentrecht und zur Verdeutlichung der Bedeutung dieses Be-griffes einige Nachbargebiete erlautert werden. Wenn nicht anders ausgefuhrt,wird von deutschen Rechtsgrundlagen ausgegangen.

2.1 Gewerblicher Rechtsschutz und verwandte Ge-

biete

Zum gewerblichen Rechtsschutz gehoren die Rechtsnormen, die dem Schutzder gewerblich–geistigen Leistung und der damit zusammengehorenden Interes-sen dienen. Die folgenden rechtlichen Instrumente haben in vielen Fallen eineuberragende wirtschaftliche Bedeutung. Eine eingehende Behandlung wurde aberden Rahmen des Skriptes sprengen.

Technische Gegenstande konnen durch Gebrauchsmuster oder durch Patentegeschutzt werden. Im Unterschied zum Patent, wird ein Gebrauchsmuster ohnePrufung auf Neuheit und erfinderischen Schritt vom Deutschen Patent- und Mar-kenamt eingetragen. Demgegenuber wird auf Antrag eine Patentanmeldung vomDeutschen Patent- und Markenamt auf Neuheit und erfinderische Tatigkeit ge-pruft.

Die maximale Laufdauer eines Gebrauchsmusters betragt 10 Jahre, die eines Pa-tentes 20 Jahre; jeweils vom Anmeldetag des Schutzrechtes gerechnet.

Die Formulierung einer Gebrauchsmusterschrift und einer Patentschrift sind weit-gehend identisch.

Die Schutzfahigkeit eines Gebrauchsmusters wird nicht vom Deutschen Patent-und Markenamt beurteilt, sondern von einem Gericht im Falle eines Verletzungs-streites. Die Anforderungen an die Schutzfahigkeit sind dabei die gleichen wie

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6 KAPITEL 2. EINFUHRUNG

beim Patent. Nach der jungsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes1 kannman daher das Gebrauchsmuster wohl nicht mehr als eine Art ”kleines Patent”,d.h. als ein Patent fur ”kleine Erfindungen” auffassen.

Sollte man bei Recherchen auf ein veroffentlichtes Gebrauchsmuster stoßen, mussman sich fur eine Risikoabschatzung zunachst selbst Gedanken daruber machen,ob aus dem Gebrauchsmuster uberhaupt ein wirksames Recht ableitbar ist. Dazumuss durch vertiefte Recherchen gepruft werden, ob und ggf. in welcher Weisesich der Gegenstand des Gebrauchsmusters sich uberhaupt vom Bekannten unter-scheidet. Dazu sollte fachkundiger Rechtsrat eingeholt werden.

Ein wesentliches Einsatzgebiet fur ein Gebrauchsmuster ist die so genannte Ge-brauchsmusterabzweigung aus einer Patentanmeldung. Aus einer Patentanmel-dung kann unter gewissen Voraussetzungen ein Gebrauchsmuster abgezweigt wer-den, indem der Text der Patentanmeldung beim Deutschen Patent- und Marken-amt als Gebrauchsmuster eingereicht wird, wobei die Anspruche des Gebrauchs-musters in gewissen engen Grenzen geandert werden kann. Wahrend also diePatentanmeldung noch weiter gepruft wird, kann man sich durch Abzweigung re-lativ schnell ein Recht verschaffen, aus dem gegen Verletzer vorgegangen werdenkann. Somit ist ein Inhaber einer Patentanmeldung wahrend des andauernden Pa-tentprufungsverfahrens nicht schutzlos.

Da sich die Unterschiede zwischen Patent und Gebrauchsmuster im Verletzungs-prozess nicht wesentlich auswirken, wird im Folgenden meist nur auf PatenteBezug genommen. Auf Unterschiede zwischen Patent und Gebrauchsmuster wirdggf. hingewiesen werden.

Ein Erzeugnis, z.B. ein Mobelstuck, ist dem Geschmacksmusterschutzzuganglich, wenn es gegenuber vorbekannten Formen neu ist und daruber hinausEigenart aufweist. Unter Eigenart wird verstanden, dass das Muster das Ergebniseiner gestalterischen Tatigkeit und nicht nur bloße Nachbildung eines anderenMusters ist; das Muster ist nicht alltaglich2.

Eine Marke, z.B. Coca Cola oder Commerzbank, dient dazu, Waren und Dienstlei-stungen unterschiedlicher Anbieter voneinander unterscheidbar zu machen. Da-mit dient eine Marke z.B. auch als Qualitatshinweis. In der Praxis werden Markenhaufig auch mit einem hochgestellten tm (trademark) oder einem hochgestelltenR im Kreis gekennzeichnet.

Der Sortenschutz schutzt Pflanzensorten (z.B. unterschiedliche Weizensorten).

Ein eher selten eingesetztes Schutzrecht ist der Schutz von Topographien mi-

1BGH GRUR 06, 842 Demonstrationsschrank2Das seit dem Jahr 2004 in Kraft befindliche deutsche Geschmacksmustergesetz, das mit

EU–Recht harmonisiert wurde, geht nicht mehr von dem fruher verwendeten Begriff der Ei-gentumlichkeit aus, der wohl eine hohere Gestaltungshohe verlangte.

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2.1. GEWERBLICHER RECHTSSCHUTZ UND VERWANDTE GEBIETE 7

kroelektronischer Halbleiter. Dabei wird eine dreidimensionale Struktur einesmikroelektronischen Halbleitererzeugnisses unter Schutz gestellt.

Patente, Gebrauchsmuster, Topographien, Geschmacksmuster3, Sorten und Mar-ken mussen bei einem Patentamt angemeldet (d.h. registriert) werden. Daher wer-den diese Rechte auch Registerrechte genannt.

Patente, Gebrauchsmuster, Topographien und teilweise auch Geschmacksmusterwerden wegen ihres Schutzgegenstandes auch als technische Schutzrechte be-zeichnet.

Außer Marken, weisen die gewerblichen Schutzrechte alle eine endliche Laufdauerauf. Marken konnen theoretisch unendlich lange leben.

Ein Werk, das auf einer eigenpersonlichen, schopferischen Leistung beruht, ist demUrheberschutz zuganglich. Beispiele fur Werke im Sinne des Urheberrechts sindBucher, Musik, Gedichte, Bilder, Fotos, Filme und Source-Code von Computerpro-grammen, wenn diese Werkcharakter haben. Der Schutz dieser Werke entsteht be-reits mit der Schopfung, eine Registrierung bei einer Behorde ist nicht notwendig.In der Praxis werden urheberrechtlich geschutzte Werke z.B. mit dem Symbol c©fur Copyright gekennzeichnet.

Die Leistung einer Person oder Firma im Wettbewerb mit Konkurrenten wird durchdas Wettbewerbsrecht geschutzt. Demnach durfen im Wettbewerb keine unlaute-ren Mittel verwendet werden, wie z.B. das Nutzen von Werbung anderer fur eigeneZwecke. Auch ist irrefuhrende Werbung, z.B. durch falsche Angaben, grundsatzlichnicht erlaubt.

Es sei erwahnt, dass sich die genannten Rechte nicht gegenseitig ausschließen. Sokann z.B. Software durch ein Urheberrecht und ein Patent geschutzt werden, bei-de Schutzrechte schutzen dabei jeweils andere Aspekte einer Leistung. Auch kannein Mobelstuck durch ein Geschmacksmuster (Aussehen), eine Marke (Firmenhin-weis) und ein Patent (technische Gestaltung) geschutzt sein.

Haufig ist eine solche Kumulation von Schutzrechten sogar sinnvoll, um verschie-dene Aspekte eines wertvollen Produktes (z.B. Design und Konstruktion) vor einerNachahmung zu schutzen.

Allen den zuvor genannten Rechten ist eins gemein: Sie sollen die innovative Lei-stung einer Person oder einer Firma schutzen.

3Bei Gemeinschaftsgeschmacksmuster, d.h. dem einheitlichen Geschmacksmuster fur die EU,gibt es neben dem beim Harmonisierungsamt eingetragenen Geschmacksmuster auch ein recht-lich etwas anderes ausgestaltetes, nicht eingetragenes Geschmacksmuster, das bereits durch eineVeroffentlichung entsteht.

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8 KAPITEL 2. EINFUHRUNG

2.2 Der Grundgedanke des Patentrechts

Es ist der Zweck des Patentrechts, eine neue, auf erfinderischer Tatigkeit be-ruhende und gewerblich anwendbare technische Erfindung zu schutzen.Die Bedeutungen der Begriffe

neu,

erfinderische Tatigkeit,

gewerblich anwendbar und

technische Erfindung

werden spater4 noch erlautert werden, da es sich um zentrale Begriffe des mate-riellen Patentrechts handelt. Zu Beginn reicht ein eher intuitives Verstandnis derBegriffe aus, das spater aber prazisiert werden muss.Ein Patent soll seinem Inhaber ein zeitlich begrenztes Monopol verleihen, das alsBelohnung fur eine innovative Bereicherung gegenuber bereits bekannten techni-schen Losungen gedacht ist. Insbesondere kann der Patentinhaber Unbefugten dieBenutzung des patentierten Gegenstandes verbieten5. Patentrechtlich wird untereinem Gegenstand ein korperlicher Gegenstand (z.B. Stoff, Vorrichtung) oder einVerfahren (z.B. Herstellungsverfahren, Arbeitsverfahren) verstanden, wobei dieserGegenstand durch Patentanspruche6 definiert ist.Aus der offentlichen Diskussion ist bekannt, dass Patente auf einigen technischenGebieten, insbesondere der Gentechnik oder der Software von unterschiedlichenInteressengruppen skeptisch oder ablehnend beurteilt werden. Dabei wird haufigubersehen, dass Patentgesetze weltweit in der Regel Ausgleichsmechanismen ent-halten, die die Rechte des Patentinhabers einschranken, wenn z.B. das offentlicheInteresse hoher als das des Patentinhabers zu gewichten ist.Durch ein Patent erhalt der Inhaber kein uneingeschranktes Benutzungsrecht furden patentierten Gegenstand; die Benutzung des Gegenstandes ist nur erlaubtinsoweit andere Gesetze beachtet werden. Somit hat es der demokratisch gewahlteGesetzgeber in der Hand, gesellschaftlich unerwunschte Auswuchse zu vermeiden.In den allermeisten Fallen dient das Patentrecht unbestritten dem Schutz der krea-tiven Leistung, gerade auch kleiner und mittlere Unternehmen. Nur durch Patente,und ggf. deren Lizenzierung, konnen sich diese gegenuber großeren Unternehmen

4Siehe Kapitel 5.2.5Ein Patentrecht dient nicht dazu, jemandem die Erlaubnis zu geben, seine Erfindung zu benut-

zen. Wenn keine Rechte anderer entgegenstehen, kann man seine Erfindung immer benutzen, auchwenn man kein Patent fur seine Erfindung erhalten hat; ein Patent ist kein staatlich sanktioniertesRecht zur Benutzung einer Erfindung durch den Erfinder.

6Siehe Kapitel 3.1.3

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2.3. HISTORISCHE ENTWICKLUNG DES PATENTRECHTS 9

behaupten. Ware ein unkontrolliertes Kopieren von Innovationen erlaubt, wurdeniemand mehr in Innovationen investieren.

Die Erteilung eines Patents bedingt auch, dass die Erfindung der Offentlichkeitoffenbart wird, d.h. der Erfinder behalt den Gegenstand des Patents nicht als einFirmengeheimnis fur sich. Nach Ablauf der Schutzdauer des Patents steht der Ge-genstand der Erfindung der Offentlichkeit zur freien Verfugung.

2.3 Historische Entwicklung des Patentrechts

Das Patentrecht7 hat seine Ursprunge im spatmittelalterlichen Privilegienwesen,bei dem ein Landesherr einem Untertan nach Gutdunken einen Schutzbrief (lit-terae patentes = offene Briefe) fur eine Erfindung erteilen oder auch verweigernkonnte. Als erste Kodifizierung des Patentrechts gilt das Patentgesetz von Venedigaus dem Jahr 14748.

Allerdings war das Recht in den Landern Europas sehr uneinheitlich. Die Entwick-lung zum modernen Patentrecht begann Ende des 18. Jahrhunderts im Zuge derRevolutionen. In der Unionsverfassung der USA9 aus dem Jahr 1789 wurde festge-legt, dass der Kongress Vollmacht haben soll, den Fortschritt der Wissenschaft undder nutzlichen Kunste dadurch zu fordern, dass Verfassern und Erfindern fur einebegrenzte Zeit das Alleinrecht an ihren Schriften bzw. Erfindungen sichergestelltwird. Diese Zielsetzung gilt bis heute.

Damit wurde die Belohnung kreativer Erfinder dem Gutdunken eines Herrschersentzogen, da es von nun an einen rechtlichen Anspruch auf Schutz der Erfindun-gen gab, wenn bestimmte Erfordernisse erfullt waren.

In Frankreich wurde im Jahr 1791 ein Patentgesetz erlassen, das starken Einflussauf die Entwicklung des Patentrechts in Deutschland ausubte. Nach der Grundungdes Deutschen Reichs trat am 01. Juli 1877 das erste Reichspatentgesetz in Kraft.Das Kaiserliche Patentamt hatte spater seinen Sitz an der Gitschiner Straße inBerlin-Kreuzberg. Das Gebaude beherbergt heute ein Technisches Informations-zentrum des Deutschen Patent- und Markenamtes und eine Dienststelle des Eu-ropaischen Patentamtes.

Durch die Teilung Deutschlands entstanden zwei unterschiedliche deutsche Pa-tentgesetze. Es ist bemerkenswert, dass auch in planwirtschaftlich organisiertenStaaten, wie der DDR ein individueller Erfinder ein zeitlich begrenztes Monopol

7Fur eine vertiefte Betrachtung der Geschichte des Patentrechts wird auf das Buch von PeterKurz, Weltgeschichte des Erfindungsschutzes, Carl Heymanns Verlag, 2000 verwiesen.

8GRUR 49, 139-142, Berkefeld, Das alteste Patentgesetz der Welt9GRUR Int. 56, 241-252, Neumeyer, Die historischen Grundlagen der ersten modernen Patent-

gesetze in den USA und in Frankreich

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10 KAPITEL 2. EINFUHRUNG

erhalten konnte, das allerdings vom Staat eingeschrankt werden konnte. Seit derVereinigung gilt wieder ein einheitliches Patentgesetz in Deutschland. Das Patent-recht hat aber nicht nur in Deutschland eine stete Entwicklung erfahren.Aufgrund der Bedeutung des gewerblichen Rechtsschutzes fur den internationalenHandel hat sich bereits sehr fruh10 eine internationale Vereinheitlichung bestimm-ter rechtlicher Begriffe durchgesetzt. Ferner gibt es inzwischen eine Vielzahl inter-nationaler Vertrage und EU–Verordnungen, die die Erlangung und Durchsetzungvon Schutzrechten im Ausland stark vereinfachen.Ein wichtiger zwischenstaatlicher Vertrag ist das Europaische Pa-tentubereinkommen (EPU), mit zurzeit11 folgenden 36 Vertragsstaaten (sieheFig. 1):

Belgien, Bulgarien, Danemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frank-reich, Griechenland, Irland, Island, Italien, Kroatien, Lettland, Liech-tenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Monaco, Makedonien, Nieder-lande, Norwegen, Osterreich, Polen, Portugal, Rumanien, San Marino,Schweden, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien, Ungarn, Tschechi-sche Republik, Turkei, Vereinigtes Konigreich, Zypern.

Hinzu kommen noch so genannte Erstreckungsstaaten, in denen ein europaischesPatent Wirkung erlangen kann, ohne dass die Lander dem EPU beigetreten sind.Zurzeit12 sind dies Albanien, Bosnien und Herzegowina und Serbien.

10Die Pariser Verbandsubereinkunft (PVU) zum Schutz des gewerblichen Eigentums (Paten-te, Marken etc.) stammt aus dem Jahr 1883. Dieser multilaterale volkerrechtliche Vertrag isteine Art globales Grundgesetz auf diesem Rechtsgebiet. Grundlegend ist dabei, dass alle An-gehorigen der Verbandslander in allen Verbandsstaaten in Bezug auf den Schutz des gewerb-lichen Eigentums die Vorteile haben, welche die Inlander der Verbandsstaaten genießen (sie-he auch Benkard, PatG, 10. Auflage, Internationaler Teil, Rdn. 9 ff). Mit Stand vom 11. Marz2009 sind 173 Lander der Pariser Verbandsubereinkunft beigetreten. Nahere Informationen unterwww.wipo.int/treaties/en/ip/paris

11Stand: 1. Juli 200912Stand: 11. Marz 2009

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2.3. HISTORISCHE ENTWICKLUNG DES PATENTRECHTS 11

Fig. 1: Stand: Marz 2009. Karte der EPU Mitglieder (grau hinterlegt) Erstreckungs-staaten schraffiert Quelle: EPA

Das EPU ist rechtlich unabhangig von der Europaischen Union13. Anders als die EUkommt das Europaische Patentamt14 mit nur drei Amtssprachen aus, namlich Eng-lisch, Deutsch und Franzosisch. Das Europaische Patentamt erteilt Patente, die furalle in der Patentanmeldung benannten Vertragsstaaten Wirkung haben konnen.Ein europaisches Patent ist aber kein einheitliches Patent, sondern eher ein Bundelnationale Patente. Um in einem Vertragsstaat Gultigkeit fur ein Patent zu erlangen,musste fruher in den meisten Vertragsstaaten eine Ubersetzung eingereicht wer-den. Im Mai 2008 trat das so genannte Londoner Abkommen15 in Kraft, nach demdie Zahl der notwendigen Ubersetzungen stark reduziert werden wird. Damit istdas europaische Patentsystem wesentlich kostengunstiger geworden16.

13z.B. sind die Schweiz, Norwegen und die Turkei Vertragsstaaten des EPU14Hauptsitz in Munchen. Dienststellen in Den Haag, Berlin und Wien15Der aktuelle Stand des Inkrafttretens kann unter www.epo.org/patents/law/legal-texts/

london-agreement de.html gefunden werden16Die Versuche der EU Kommission, ein einheitliches Patent fur die EU zu schaffen sind bisher

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12 KAPITEL 2. EINFUHRUNG

2.4 Wirtschaftliche Bedeutung des Patentschutzes

Im Jahr 2007 wurden uber 210.000 europaische Patentanmeldungen eingereicht,die Wirkung im Bereich des EPU entfalten17.Die Entwicklung der eingereichten Patentanmeldungen seit Bestehen des Eu-ropaischen Patentamtes wird anhand der Fig. 2 verdeutlicht.

0

50000

100000

150000

200000

250000

1978

1979

1980

1981

1982

1983

1984

1985

1986

1987

1988

1989

1990

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

Jahr

Anzahl

Fig. 2: Anzahl der eingereichten europaischen und Euro–PCT Anmeldungen. Quel-le: Jahresberichte des EPA.Fig. 2 zeigt, dass es seit dem Inkrafttreten des Europaischen Pa-tentubereinkommens im Jahr 1978 fast ein stetiges Wachstum der Anzahlder Patentanmeldungen gegeben hat.Im Vergleich dazu wurden im Jahr 2007 immerhin 60.992 deutsche Patente beimDeutschen Patent- und Markenamt direkt angemeldet (2006: 60.585). Dies zeigt,dass das Deutsche Patent- und Markensamt gegenuber dem Europaischen Patent-amt keineswegs an Bedeutung verloren hat18.Die Tab. 1 gibt einen Uberblick uber die technischen Gebiete, in denen beim Deut-

vor allem daran gescheitert, dass sich die Staaten nicht auf eine wirtschaftlich tragbare Regelungfur die Ubersetzungen der Patentschriften einigen konnten

17Jahresbericht 2007 des Europaischen Patentamtes (Download uber www.epo.org)18Jahresbericht 2007 des DPMA. Download uber www.dpma.de.

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2.4. WIRTSCHAFTLICHE BEDEUTUNG DES PATENTSCHUTZES 13

schen Patent- und Markenamt die meisten Patente angemeldet wurden.Tab. 1: Deutsche Patentanmeldungen nach technischen Gebieten19.

Technisches Gebiet Anzahl der beim DPMA an-gemeldeten Patente

Allgemeine Fahrzeugtechnik 5.522Maschinenelemente oder –einheiten 4.519Messen, Prufen 3.843Grundlegende elektrische Bauteile 3.709Medizin oder Tiermedizin, Hygiene 2.791Brennkraftmaschinen 1.933Elektrische Nachrichtentechnik 1.836Erzeugung, Umwandlung, Verteilung elek-trischer Energie

1.711

Fordern, Packen, Lagern, Handhaben vonStoffen

1.569

Datenverarbeitung, Rechnen, Zahlen 1.281Mobel; Haushaltsgegenstande oder -gerate 1.088Kraft- und Arbeitsmaschinen allgemein 1.167

Die Anmeldezahlen zeigen, dass die Zahl der Patentanmeldungen grundsatzlichstark zugenommen hat. Dies zeigt, dass der Schutz von Innovationen bedeutendergeworden ist, denn ansonsten waren die Kosten fur die Patentanmelder kaum zurechtfertigen. Da die Anzahl der erteilten Patente steigt, steigt zwangslaufig auchdie Zahl der Patentverletzungen.Somit ist es fur jeden Ingenieur oder Naturwissenschaftler sinnvoll und notwen-dig, sich mit Patenten auseinanderzusetzen.

19Jahresbericht 2007 des DPMA

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14 KAPITEL 2. EINFUHRUNG

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Kapitel 3

Patentschrift und Patent

Die Beurteilung der Patentverletzung wird anhand eines Patents vorgenommen,das vom Patentamt aufgrund einer Patentanmeldung erteilt und dann als Patent-schrift veroffentlicht worden ist. Die Patentschriften aller Lander sind in der Regelrelativ ahnlich aufgebaut.

Zur Vermeidung von Missverstandnissen wird darauf hingewiesen, dass das Pa-tent ein Recht ist, das z.B. im Rahmen eines Patentverletzungsprozesses geltendgemacht werden kann. Ein Patent kann auch verkauft oder lizenziert werden.

Eine Patentschrift ist hingegen eine druckschriftliche Veroffentlichung, in der derGegenstand des Patents beschrieben wird.

Demnach sind Patent und Patentschrift voneinander zu unterscheiden.

3.1 Aufbau einer Patentschrift

Im Folgenden werden die Bestandteile einer Patentschrift beschrieben, wie sie vonden einschlagigen Verordnungen1 gefordert werden.

Der systematische Aufbau einer Patentschrift hat sich als sinnvoll erwiesen2, dennso ist schnell zu erkennen, welche Informationen an welcher Stelle in einer Paten-tanmeldung stehen. Dabei ist zu beachten, dass Patentschriften sich grundsatzlichan Fachleute auf dem jeweiligen technischen Gebiet wenden. Vom Leser wird so-mit ein Vorverstandnis erwartet.

1§5 PatAnmV, Regel 27 EPU. Die Begriffe Anspruch und Stand der Technik werden hier zunachsteingefuhrt und im Projekt praktisch erlautert. Die rechtliche Bedeutung wird im Laufe des Projekteserarbeitet werden.

2Die Entwicklung der Rechtsprechung in den USA erfordert heute einen teilweise anderen Auf-bau der Patentschriften, auf den hier nicht eingegangen werden kann.

15

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16 KAPITEL 3. PATENTSCHRIFT UND PATENT

3.1.1 Titelseite

Das Titelseite der Patentschrift wird vom jeweiligen Patentamt gestaltet undenthalt u.a. den Anmeldetag, den Namen des Anmelders, in der Regel die Namender Erfinder, die Patentnummer zur Identifizierung des Patents, haufig auch dieZusammenfassung des Patents und Angaben uber den vom Patentamt recherchier-ten Stand der Technik. Die Titelseiten von Patenten sind weltweit im Wesentlichengenormt.Bereits an der Veroffentlichungsnummer kann man ablesen, ob eine noch unge-prufte Patentanmeldung oder bereits ein erteiltes Patent vorliegt. Die wichtigstenElemente auf dem Titelblatt werden in Kapitel A.5 anhand eines Beispiels darge-stellt.

3.1.2 Beschreibung

In der Beschreibung der Patentschrift kommen die folgenden Abschnitte meist ge-nau in der im Folgenden angegebenen Reihenfolge vor:

a) Der Titel einer Patentschrift ist erfahrungsgemaß relativ allgemein gehalten,so dass der Informationsgehalt gering ist.

b) Angabe des technischen Gebietes, dem die Erfindung zuzuordnen ist, und– falls erforderlich – ihre gewerbliche Anwendbarkeit.

c) Darstellung des Standes der Technik,3 von dem die Erfindung ausgeht,nebst bibliographischer Angaben4. Ublicherweise werden andere Patent-schriften oder wissenschaftliche Veroffentlichungen als Stand der Technik zi-tiert, was nach bestem Wissen vollstandig und wahrheitsgemaß zu erfolgenhat. Es wird darauf hingewiesen, dass insbesondere bei US-Anmeldungendas Verschweigen des relevanten Standes der Technik gegenuber dem US–Patentamt zur Unwirksamkeit des Patents fuhren kann, wenn das Verschwei-gen im Rahmen eines Patentverletzungsprozesses bekannt wird.

d) Angabe, welche Nachteile der Stand der Technik aufweist.

e) Angabe der Aufgabe, die durch die Erfindung gelost werden soll.

f) Darstellung der Erfindung, also Beschreibung der Losung der technischenAufgabe, fur die mit den Patentanspruchen Schutz begehrt wird.

3Stand der Technik umfasst alle Kenntnisse, die vor dem fur den Zeitrang der Patentanmel-dung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mundliche Beschreibung, durch Benutzung oder insonstiger Weise der Offentlichkeit zuganglich gemacht worden sind. Naheres dazu in Kapitel 5.2.3.

4z.B. Veroffentlichungsnummer einer Patentanmeldung

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3.1. AUFBAU EINER PATENTSCHRIFT 17

g) Darlegung vorteilhafter Wirkungen der Erfindung gegenuber dem bekann-ten Stand der Technik. In Hinblick auf das US-Recht, werden Vorteile zuneh-mend weniger beschrieben. In den USA konnte aus der Angabe der Vorteileeine Einschrankung des Schutzbereiches abgeleitet werden.

h) Mindestens ein Weg zur Ausfuhrung der beanspruchten Erfindung im Ein-zelnen, wenn moglich anhand von Ausfuhrungsbeispielen und Zeichnungen.Diese Teile der Patentschrift, auch Figurenbeschreibung genannt, sind in derRegel die umfangreichsten und fur das Verstandnis einer Erfindung die in-teressantesten. Hier geht der Anmelder anhand von Beispielen ins Detail.

Dabei muss nicht alles in der Beschreibung auch fur den Patentinhabergeschutzt sein. Die Beschreibung enthalt in der Regel auch technische In-formationen uber frei verfugbare Gegenstande!

Das Patent schutzt nur das, was in den Patentanspruchen steht. Wenn in der Be-schreibung also auf altbekannte Tatsachen Bezug genommen wird, so bedeutetdies nicht, dass der Patentinhaber fur diese altbekannten Tatsachen ein Patent er-teilt bekommen hat; ein Patent wird nur auf Grund der Patentanspruche erteilt.

3.1.3 Patentanspruche

Die Patentanspruche definieren die Erfindung und legen den Schutzbereich5

des Patentes fest6. Die Patentanspruche sollen im Interesse des Patentanmeldersmoglichst allgemein (d.h. abstrakt) formuliert sein, damit sie einen moglichstgroßen Schutzumfang entfalten konnen. Dabei mussen die Patentanspruche bei al-ler gebotenen Abstraktheit technisch klar sein, da ansonsten fur die Offentlichkeitund ggf. ein Richter in einem Patentverletzungsstreit nicht zu erkennen ist, waseigentlich geschutzt werden soll.

Eine Patentverletzung orientiert sich immer an den Anspruchen, wobei der Restder Patentschrift (Figurenbeschreibung, Zeichnungen, etc.) zur Auslegung der Pa-tentanspruche herangezogen werden kann.

Eine Patentschrift muss ferner eine Zusammenfassung enthalten, die fur denSchutzumfang des Patents aber keine Bedeutung hat.

Hier wurde der Aufbau einer Patentschrift7 dargestellt. Allerdings besteht die Pa-tentliteratur auch aus (noch) ungepruften, aber bereits veroffentlichten Patentan-

5Siehe Kapitel 3.46Dies wird dann auch als Gegenstand des Patentes bezeichnet7Also einer Veroffentlichung, die ein Patentamt nach der Prufung einer Patentanmeldung auf

Patentfahigkeitherausgegeben hat

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18 KAPITEL 3. PATENTSCHRIFT UND PATENT

meldungen (Offenlegungsschriften), deren Aufbau meist denen einer Patentschriftentspricht.

3.1.4 Offenlegungsschrift

Da jedermann etwas langst Bekanntes zum Patent anmelden kann und die Pa-tentanmeldung (Offenlegungsschrift) zwangslaufig auch ohne Prufung durch dasPatentamt veroffentlicht wird, muss sehr genau darauf geachtet werden, ob alsPatentdokument eine veroffentlichte Patentanmeldung oder bereits ein erteiltesPatent vorliegt.

Nach deutschem Recht werden Patentanmeldungen grundsatzlich spatestens18 Monate nach dem Anmeldetag8 als so genannte Offenlegungsschriftenveroffentlicht. Basierend auf einer Offenlegungsschrift der Inhaber der Patentan-meldung kann noch keine Patentverletzungsklage erheben; dies ist erst auf Grundeines gepruften und anschließend erteilten Patentes moglich.

Es sei betont, dass der Inhalt der Patentschrift durchaus vom Inhalt der Offenle-gungsschrift abweichen kann9.

Es ist ein verbreitetes Missverstandnis, gerade in der offentlichen Diskussion,wenn den Patentamtern vorgeworfen wird, sie hatten etwas langst Bekanntes ”pa-tentiert”. Haufig liegt dieses Missverstandnis darin begrundet, dass in der Beschrei-bung der Patentschrift als technischer Hintergrund viele bekannte Tatsachen ge-schildert werden, die aber durch das Patent nicht geschutzt werden. Durch das Pa-tent werden nur die Gegenstande geschutzt, die durch die Patentanspruche (sieheoben 3.1.3 und weiter unten 3.4) erfasst werden, nicht das, was in der Beschrei-bung in der Patentschrift steht. Auch wird haufig in der Diskussion lediglich aufeine Offenlegungsschrift Bezug genommen, die dann fur eine

Patentschrift gehalten wird.

8Dies ist die Offenlegung nach §§31 Abs. 2 Nr. 2, 31 Abs. 2 PatG. Wird eine Prioritat (siehe Kapi-tel 5) in Anspruch genommen, so wird die 18-Monatsfrist vom fruhsten Prioritatsdatum berechnet.

9Der Grund dafur sind Anderungen, die durch den Anmelder im Prufungsverfahren einer Paten-tanmeldung vorgenommen werden. So werden die Patentanspruche in einer Offenlegungsschrifthaufig allgemeiner formuliert sein, als im erteilten Patent. Im Patentprufungsverfahren muss derPatentinhaber namlich den Schutzbereich seiner ursprunglichen Patentanspruche meist verklei-nern, indem der die allgemeinen Patentanspruche auf speziellere Gegenstande einschrankt, damitsich der im Patentanspruch beanspruchte Gegenstand vom bekannten Stand der Technik abhebt.Je mehr technische Merkmale ein Patentanspruch enthalt, desto enger ist sein Schutzbereich.

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3.2. WIRKUNGEN DES PATENTS 19

3.2 Wirkungen des Patents

Nach §9 PatG ist allein der Patentinhaber befugt, eine patentierte Erfindung zubenutzen.

Jedem Dritten ist es verboten10, ohne Zustimmung des Patentinha-bers ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen,anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu dengenannten Zwecken entweder einzufuhren oder zu besitzen.

Unter Erzeugnis wird hier ein korperlicher Gegenstand oder eine Substanz verstan-den. Das Verbietungsrecht kann sich aber bei einem patentierten Verfahren auf dieHerstellung eines Erzeugnisses und das durch dieses Verfahren unmittelbar herge-stellte Erzeugnis beziehen (§9 Satz 2 Nr. 3 PatG).Auch konnen Arbeitsverfahren, wie z.B. ein Messverfahren geschutzt werden, beidenen kein Erzeugnis hervorgebracht wird.Die im Gesetz genannten Benutzungsarten stellen eine so genannte unmittelbarePatentverletzung dar. Wenn das Patent z.B. ein Getriebe schutzt, so ist der Ver-kauf des Getriebes, das Bewerben des Getriebes, das Herstellen des Getriebes, dasBenutzen des Getriebes oder das Handeln mit diesem Getriebe verboten. Eine un-mittelbare Patentverletzung ware relativ leicht zu umgehen, wenn der geschutzteGegenstand in Einzelteile zerlegt und die Einzelteile zusammen mit einer Bauan-leitung verkauft werden wurden.Zur Vermeidung so einfacher Patent-Umgehungslosungen ist es nach §10 PatG je-dem Dritten verboten, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereichdes Patentgesetzes anderen als zur Benutzung des Patents Berechtigten Mittel zurBenutzung der Erfindung anzubieten oder zu liefern, die sich auf ein wesentlichesElement der Erfindung beziehen, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund derUmstande offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind,fur die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Dies wird als mittelbarePatentverletzung bezeichnet.Angewandt auf das obige Beispiel lage z.B. dann eine mittelbare Patentverletzungvor, wenn jemand das Getriebe in Einzelteile zerlegen und die Einzelteile mit ei-nem Bauplan verkaufen wurde. Aus dem Bauplan wurde genau hervorgehen, wievorteilhafte Wirkungen des geschutzten Getriebes zu erreichen sind. Anhand desBauplans lagen offensichtliche Umstande vor, dass die Getriebe–Einzelteile (dasGesetz spricht hier von Mitteln) dazu geeignet und bestimmt sind, fur die Benut-zung der Erfindung zu dienen.

10Was dieses Verbot beinhaltet, wird bei den Verfahrensfragen in Kapitel 4.6 im Detail erlautertwerden.

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20 KAPITEL 3. PATENTSCHRIFT UND PATENT

Die Frage, ob ein patentierter Gegenstand im Sinne des Patentgesetzes unmittelbaroder mittelbar benutzt wird, d.h. eine Patentverletzung vorliegt, kann im Einzelfallschwierig11 zu beurteilen sein.

Ein Patent bietet somit die Moglichkeit, anderen etwas zu verbieten, schutzt denPatentinhaber aber nicht davor, selbst Patentverletzer zu werden; dies ware einefalsche Auslegung des Begriffs Schutzrecht. Dies soll anhand eines fiktiven Beispielserlautert werden.

Angenommen ein erstes Patent sei fur ein Auto mit vier Turen, aber oh-ne Kofferraum, erteilt worden. Ein zweites, jungeres Patent wird fur dieErfindung des Kofferraums erteilt, weil die Erfindung des Kofferraumsfur ein Auto mit vier Turen als neu und erfinderisch angesehen wird.In diesem Fall wurde jedes Auto mit vier Turen, mit oder ohne Kof-ferraum das erste, altere Patent verletzen. Der Inhaber des jungerenPatents selbst konnte ein vierturiges Auto mit Kofferraum nicht ohneZustimmung des Inhabers des alteren Patentes gewerblich benutzen.Der Inhaber des alteren Patents konnte zwar Autos mit vier Turen her-stellen, aber die Verwendung eines Kofferraums ware von der Geneh-migung des Inhabers des jungeren Patents abhangig.

Es ist ein weit verbreitetes Missverstandnis, dass ein Patentinhaber bei der Be-nutzung des fur ihn selbst patentierten Gegenstandes davor geschutzt ist,andere Patente durch die Benutzung des fur ihn patentierten Gegenstandeszu verletzen12.

Es ist durchaus moglich und nicht selten, dass fur eine spezielle Erfindung einPatent erteilt wurde, ein anderer aber fruher fur eine allgemeinere Erfindungbereits ein Patent erhalten hat. Der Inhaber des alteren Patents kann dem In-haber des jungeren Patents die Benutzung der spezielleren Ausfuhrung verbie-ten (sog. abhangiges Patent). Der altere Patentinhaber darf aber die speziellereAusfuhrung, die fur den jungeren Patentinhaber patentiert wurde, auch nicht be-nutzen. In der Praxis werden solche Konflikte haufig durch eine Lizenzierung13

gelost, wenn die jungere Erfindung auch fur den alteren Patentinhaber interessantist.

11Man denke an Verletzungshandlungen im Internet. In welchem Land erfolgt die Verletzungs-handlung? Auf welchem Rechner oder in welchem Netz findet ein patentverletzender Vorgangstatt?

12Immerhin wird ein Patent auch als Schutzrecht bezeichnet, was vielleicht zu demMissverstandnis fuhrt.

13siehe Kapitel 6

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3.3. EINSCHRANKUNG DER WIRKUNGEN DES PATENTS 21

3.3 Einschrankung der Wirkungen des Patents

Ein Patent gewahrt grundsatzlich immer nur Schutz fur ein Land(Territorialitatsprinzip), d.h. das Land fur das das Patent erteilt wurde. Dies giltz.B. auch fur ein europaisches Patent, das zwar zentral fur Mitgliedsstaaten desEuropaischen Patentubereinkommens erteilt wird, aber in den einzelnen Landernvalidiert14 werden muss. Existiert z.B. nur ein franzosisches Patent, so kann derGegenstand in allen anderen Landern grundsatzlich frei benutzt werden15.

Nach §11 PatG gibt es einige wichtige Einschrankungen16 fur die Wirkung einesPatentes. So erstreckt sich die Wirkung eines Patentes z.B. nicht auf Handlungen,die im privaten Bereich zu nicht gewerblichen Zwecken vorgenommen wer-den. Ein Patent soll nicht zu einem Eingriff in die Privatsphare fuhren, da es einInstrument des Wirtschaftsrechts ist17.

Auch Handlungen zu Versuchszwecken, die sich auf den Gegenstand der paten-tierten Erfindung beziehen, fallen nicht unter den Patentschutz. Die patentierteErfindung kann z.B. im Rahmen eines Forschungsprojektes verwendet werden,wenn dieses Forschungsprojekt der Verbesserung der Erfindung dient. Es ist abernicht erlaubt, den geschutzten Gegenstand bei Versuchen zu benutzen, die einemanderen Zweck dienen, da damit der Patentschutz allzu leicht umgangen werdenkonnte18 .

Ein rechtlicher Einwand, der gegen eine Patentverletzung ins Feld gefuhrt wer-den kann, ist das so genannte Vorbenutzungsrecht (§12 PatG). Demnach tritt dieWirkung des Patents gegen den nicht ein, der bereits zur Zeit der Anmeldung imInland eine Erfindung in Benutzung genommen hat oder die dazu erforderli-chen Veranstaltungen getroffen hatte. Der Inhaber des Vorbenutzungsrechts istbefugt, die Erfindung weiter zu benutzen. Dieses Vorbenutzungsrecht wird alleindurch die Benutzung erworben, d.h. es wird nicht beim Patentamt eingetragen.Im Patentverletzungsprozess muss das Vorbenutzungsrecht belegt werden. Dazumussen z.B. Unterlagen aus der Fertigung vorgelegt werden, die zeigen, dass mantatsachlich im Erfindungsbesitz gewesen ist.

14d.h. vorbehaltlich der Ausfuhrungen bestimmter Handlungen, wie z.B. Gebuhrenzahlungenetc.

15Es ist aber immer auch zu prufen, ob nicht andere Anspruche, z.B. aus dem Wettbewerbsrechtbei einem besonders bekannten Produkt, einer Benutzung entgegenstehen.

16In §11 PatG werden noch weitere Einschrankungen genannt, die fur die Praxis allerdings meistnicht relevant sind.

17Dabei ist im Einzelfall darauf zu achten, dass es hier nicht auf die subjektive Einschatzung desHandelnden ankommt. Jemand, der z.B. von zu Hause im großen Umfang privat patentverletzendeWare uber ein Internetauktionshaus vertreibt, handelt ab einer gewissen Grenze gewerblich.

18Beispiel: Verwendung eines patentierten Messgerates, wenn die Versuche nicht der Verbesse-rung des Messgerates dienen.

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22 KAPITEL 3. PATENTSCHRIFT UND PATENT

Durch das Vorbenutzungsrecht soll verhindert werden, dass jemandemnachtraglich etwas weggenommen wird, was er bereits vor dem Anmeldetag derErfindung fur sich benutzt hat. Eine ruckwirkende Erstreckung des Patentschutzesware ungerecht.

Der Inhaber eines Vorbenutzungsrechtes ist befugt, die Erfindung fur die eigenenoder fremden Werkstatten auszunutzen.

Das Vorbenutzungsrecht wird durch das Patentgesetz wieder etwas eingeschrankt,denn es wird kein Vorbenutzungsrecht erworben, wenn jemand von der Erfindunginfolge einer Mitteilung des Anmelders oder seines Rechtsvorgangers erfahrt undsich der Anmelder oder sein Rechtsvorganger seine Rechte fur den Fall einer Pa-tenterteilung vorbehalten hat und die Benutzungshandlungen innerhalb von sechsMonaten seit der Mitteilung des Anmelders getroffen worden sind.

Damit soll der Erfinder geschutzt werden, der in vielen Fallen darauf angewie-sen ist, mit anderen zusammenzuarbeiten. Diese anderen sollten durch die bloßeZusammenarbeit nicht unbedingt ein Vorbenutzungsrecht erwerben.

Auch gilt das Vorbenutzungsrecht grundsatzlich nur fur Deutschland, wenn je-mand in Deutschland im Erfindungsbesitz gewesen ist. Ob eine Benutzung durchden Inhaber des Vorbenutzungsrechtes auch im Ausland gestattet ist, muss imEinzelfall gepruft werden. Auch werden Vorbenutzungsrechte in den einzelnennationalen Rechtsordnungen sehr unterschiedlich behandelt.

Ist die Vorbenutzung eines Gegenstandes der Offentlichkeit zuganglich gewor-den19, spricht man von einer offenkundigen Vorbenutzung, die dann sogar denBestand des Patents zerstoren kann; eine belegte offenkundige Vorbenutzunggehort zum Stand der Technik20.

Da nicht jede bei einer Recherche ermittelte Patentschrift zu einem noch in Kraft21

befindlichen Patent gehoren muss, ist die Ermittlung des Rechtsstandes22 des Pa-tents sinnvollerweise der erste Schritt bei der Prufung einer moglichen Patent-verletzung; ein rechtskraftig erloschenes Patent kann nicht verletzt werden. DieErmittlung des Rechtsstandes kann im Einzelnen schwierig sein, da die Informa-

19Haufige Falle in der Praxis: Ausstellungen auf Messen, allgemein zugangliche Prasentationenbei Kunden oder auf Konferenzen. Es reicht in der Regel aus, dass beliebige Teile der Offentlichkeitdie Moglichkeit hatten, Kenntnis vom patentierten Gegenstand zu erlangen.

20Zur Vermeidung unangenehmer Uberraschungen bei der Patentprufung oder in einem spaterenEinspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren, darf man daher vor der Einreichung einer Patentanmel-dung die Erfindung nicht offentlich zuganglich machen und auch nicht gegenuber anderen daruberreden.

21Fur ein erteiltes Patent mussen regelmaßig Jahresgebuhren gezahlt werden. Wenn die Zahlun-gen eingestellt werden, erlischt das Patent. Nach Ablauf der maximale Laufdauer (in den meistenLandern 20 Jahre) erlischt ein Patent automatisch.

22Darunter soll hier verstanden werden, ob sich das Patent noch in Kraft befindet und wenn ja,in welcher Form.

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3.4. SCHUTZBEREICH DES PATENTS, PATENTANSPRUCHE 23

tionen in den Datenbanken der Patentamter nicht rechtsverbindlich sind. Leidergibt es bisher auch keine Datenbank, in der die Rechtsstande der Schutzrechte ausunterschiedlichen Landern zuverlassig gespeichert sind. Daher gilt: Im Zweifels-fall muss Einsicht in die Akte des Patents z.B. beim Deutschen Patent– undMarkenamt genommen23 werden. Dabei muss sehr sorgfaltig gepruft werden,ob das Patent rechtskraftig erloschen ist oder nicht. Die dabei auftretendenRechtsfragen sind u.U. komplex. Die Ermittlung des Rechtsstandes im Auslandkann im Einzelfall trotz Datenbanken schwierig sein.

Die Schutzwirkung des Patents beginnt nach §58 Abs. 1, Satz 3 PatG mit derVeroffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung24 und endet mit dem Endeder Laufdauer (langstens 20 Jahre nach dem Tag, der auf den Anmeldetag folgt,§16 Abs. 1 PatG)25.

Auch durch Verzicht (§20 Abs. 1 Nr. 1 PatG) oder die nicht rechtzeitige Zahlungder Jahresgebuhren mit Zuschlag (§20 Abs. 1 Nr. 3 PatG) an das Deutsche Patent-und Markenamt erlischt ein Patent.

Ein Patent kann nach Erteilung durch einen Einspruch oder eine Nichtigkeitskla-ge26 ganz oder teilweise widerrufen werden.

3.4 Schutzbereich des Patents, Patentanspruche

Wenn ein Patent in Kraft ist, muss zur Einschatzung des Risikos einer Patentverlet-zung der Schutzbereich des Patents ermittelt werden.

Grundlegend fur die Festlegung des Schutzbereiches27 eines Patentes ist nach §14PatG der Inhalt der Patentanspruche. Die Beschreibung und die Zeichnungen derPatentschrift sind jedoch zur Auslegung der Patentanspruche heranzuziehen.

Dabei muss ausdrucklich darauf hingewiesen werden, dass die Beurteilung vonPatentverletzungen jeweils nach nationalem Recht zu erfolgen hat. Die hier ge-machten Aussagen gelten fur deutsches Recht. Man hute sich davor, geradebei Patentverletzungen, das eigene Rechtsverstandnis auf andere Lander, ins-besondere die USA, zu ubertragen. Im Zweifel ist immer fachkundiger Ratvor Ort einzuholen!

23§31 PatG24Mit dem Zeitpunkt der Veroffentlichung der Patentanmeldung besteht nach §33 PatG ein

Entschadigungsanspruch, der jedoch in der Praxis keine große Bedeutung hat (siehe auch Kapi-tel 4.6.3).

25Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zum Gebrauchsmuster, das eine langste Laufdauer von10 Jahren hat.

26siehe Kapitel 5.127Fur Entschadigungsanspruche nach §33 PatG wird auch der Schutzbereich einer Patentanmel-

dung durch §14 PatG festgelegt.

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24 KAPITEL 3. PATENTSCHRIFT UND PATENT

Durch einen Patentanspruch wird ein technischer Gegenstand mit Worten in meistrecht abstrakter Weise beschrieben. Die Abstraktheit ruhrt daher, dass der Pa-tentanmelder bestrebt ist, die Erfindung in großtmoglicher Allgemeinheit unterSchutz zu stellen. Wurden die Patentanspruche z.B. in der genauen Beschreibungeiner Abbildung bestehen, so ware der Schutzbereich denkbar klein, da nur derabgebildete Gegenstand geschutzt werden wurde.

Aus diesem Grund wird bei der Formulierung der Patentanspruche großer Wertauf die Allgemeingultigkeit gelegt. Fur die Bestimmung des Inhalts der Patentan-spruche ist haufig eine Auslegung der verwendeten Begriffe notwendig.

Maßgeblich ist der Sinngehalt der Patentanspruche, so wie er sich einem Fach-mann erschließt. Dies schließt eine am Wortlaut haftende, naive Interpretation inder Regel aus. Kleinliche Wortklauberei, die falschlicherweise oft mit der Beurtei-lung rechtlicher Fragen in Verbindung gebracht wird, ist bei der Auslegung einesPatentanspruchs fehl am Platz.

Allerdings darf der Inhalt der Patentanspruche auch nicht als grobe Richtschnurfur einen eher unverbindlich gemeinten Erfindungsgedanken verwendet werden.

Fur die deutsche Praxis ist auch Artikel 1 des Protokolls zum Artikel 69 des Eu-ropaischen Patentubereinkommens (Schutzbereich) von großer Bedeutung:

Artikel 69 ist nicht in der Weise auszulegen, dass unter dem Schutzbe-reich des europaischen Patents der Schutzbereich zu verstehen ist, dersich aus dem genauen Wortlaut der Patentanspruche ergibt, und dassdie Beschreibung sowie die Zeichnungen nur zur Behebung etwaigerUnklarheiten in den Patentanspruchen anzuwenden sind. Ebenso we-nig ist Artikel 69 dahingehend auszulegen, dass die Patentanspruchelediglich als Richtlinie dienen und der Schutzbereich sich auch auf daserstreckt, was sich dem Fachmann nach Prufung der Beschreibung undder Zeichnungen als Schutzbegehren des Patentinhabers darstellt. DieAuslegung soll vielmehr zwischen diesen extremen Auffassungen lie-gen und einen angemessenen Schutz fur den Patentinhaber mit ausrei-chender Rechtssicherheit fur Dritte verbinden.

Der hier angesprochene Interessenausgleich findet somit zwischen dem Patent-inhaber (Interesse: moglichst großer Schutzumfang fur Erfindung) und derOffentlichkeit (Interesse: moglichst freie wirtschaftliche Betatigung) statt.

Die Auslegung der Patentanspruche mittels der Beschreibung und der Zeichnungsoll nicht nur zur Behebung etwaiger Unklarheiten, sondern auch zur Klarstellungder Bedeutung der darin verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klarung derBedeutung und der Tragweite der dort beschriebenen Erfindung dienen. Dabei

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3.4. SCHUTZBEREICH DES PATENTS, PATENTANSPRUCHE 25

kommt es fur die Ermittlung und Klarung des Inhaltes der in den Patentanspruchenbenutzten Begriffe auf das Verstandnis eines Durchschnittsfachmanns28 an.Die sachgerechte Auslegung der Patentanspruche zur Bestimmung des Schutzbe-reichs gehort zu den schwierigsten Aufgaben des Patentrechts.Das Skript soll die dafur notwendigen Grundbegriffe erlautern und ein Verstandnisfur dabei auftretende Fragen wecken. Naturgemaß entsteht bei der Auslegung derPatentanspruche haufig Streit zwischen Patentinhaber und mutmaßlichem Patent-verletzer. Dieser Streit kann haufig nur durch ein Gericht entschieden werden. Ausdiesem Grund sollte mit Aussagen, dass ein Patent mit absoluter Sicherheit verletztoder auch nicht verletzt wird, im Einzelfall sehr vorsichtig umgegangen werden;Fehleinschatzungen konnen hier sehr teuer werden.Ein Patentanspruch kann sich auf folgende Kategorien (d.h. Anspruchsarten) be-ziehen:

a) ein Erzeugnis (z.B. eine Sache, eine Vorrichtung, ein chemischer Stoff etc.).Ein Erzeugnisanspruch enthalt konstruktive Merkmale, die den Aufbau desErzeugnisses betreffen.

b) ein Verfahren zur Herstellung eines Erzeugnisses (Herstellungsverfahren)oder zur Erreichung eines Arbeitszieles (Arbeitsverfahren).

Eine Verwendung einer Sache oder eines Verfahrens ist ein Spezialfall eines Ver-fahrenspatents.In einem Patent konnen sowohl Erzeugnis- als auch Verfahrensanspruche aufge-stellt29 werden, wenn diesen ein einheitlicher erfinderischer Gedanke zugrundeliegt.Der Clou der Erfindung wird in einem Hauptanspruch oder mehreren nebenge-ordneten30 Hauptanspruchen definiert. Diese Patentanspruche werden auch alsunabhangige Patentanspruche bezeichnet. Ein Hauptanspruch sollte die fur dieErfindung wesentlichen Merkmale enthalten, und zwar nur diese Merkmale.Durch jedes zusatzliche Merkmal im Hauptanspruch wird der Gegenstand der Er-findung spezieller und damit wird der Schutzbereich des Patentanspruchs immer

28Der Durchschnittsfachmann ist eine im Patentrecht immer wieder herangezogene fiktive Figur,dessen Ausbildungsstufe sich an der Erfindung festmachen lasst. Fur ein einfaches Haushaltsgeratist u.U. ein Techniker der maßgebliche Fachmann, fur eine komplexe optoelektronische Schaltungu.U. sogar ein Team hochqualifizierter Ingenieure.

29Beispiel: Patentanspruche auf einen chemischen Stoff, dessen Herstellung und dessen Verwen-dung.

30Nebengeordnete Anspruche konnen z.B. unterschiedliche Varianten einer Erfindung bezeich-nen, fur die kein passender einzelner Anspruch als alleiniger Hauptanspruch gefunden werdenkann.

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26 KAPITEL 3. PATENTSCHRIFT UND PATENT

enger31.

In einem unabhangigen Patentanspruch sind alle wesentlichen Merkmale, die zurDefinition der Erfindung notwendig sind, klar aufzufuhren. Es mussen nicht allezur Beschreibung der Funktion des patentierten Gegenstandes notwendigen Merk-male im Patentanspruch aufgefuhrt werden. Ein Patentanspruch ist keine Bauan-leitung. Wenn es fur den Fachmann offensichtlich ist, dass bestimmte Merkmalezum Gegenstand der Erfindung gehoren, so mussen diese nicht explizit im Patent-anspruch aufgefuhrt werden. Ein Patentanspruch fur ein Fahrrad muss z.B. keinenHinweis auf die Existenz der Rader enthalten.

Somit gehoren insbesondere keine Vorteile des erfindungsgemaßen Gegenstandesoder aufgabenhafte Formulierungen in einen Patentanspruch.

Der Gegenstand eines Patentanspruchs ist immer eine technische Losung einesProblems, nie der Vorteil, der mit der technischen Losung erzielt wird. In einemPatentanspruch darf daher nie die Aufgabe enthalten sein, sondern nur die tech-nischen Merkmale, die diese Aufgabe losen.

Es hat sich als zweckdienlich erwiesen, einen Patentanspruch in einem Satz zuformulieren, da damit eindeutig ist, was alles zu dem patentierten Gegenstandgehort32. Dabei wird haufig eine so genannte zweiteilige Untergliederung33

gewahlt.

Der erste Teil eines zweiteiligen Anspruchs gibt die Merkmale an, die zur Erfin-dung gehoren, aber zusammen aus dem Stand der Technik bekannt sind. Diesererste Teil wird auch als Oberbegriff bezeichnet. Der Oberbegriff enthalt die Merk-male, die an sich bekannt sind, aber fur die Definition der Erfindung wichtig sind.

Der zweite Teil, der auch als kennzeichnender Teil34 bezeichnet wird, gibt dietechnischen Merkmale an, die durch die Erfindung zu denen des im Oberbegriffgenannten Standes der Technik hinzugefugt werden. Der kennzeichnende Teilenthalt somit die Merkmale, die gegenuber dem nachstliegenden Stand der Tech-nik hinzugekommen sind.

31Beispiel: Ein (bei heutigem Stand der Technik sicherlich nicht schutzfahiger) Hauptanspruch:Fahrrad mit zwei Radern ist breiter als ein Patentanspruch fur ein Fahrrad mit zwei Radern undeiner Vorderlampe. So wurde ein Rennrad ohne Vorderlampe in den ersten Patentanspruch fallen(ein Rennrad ist auch ein Fahrrad), nicht aber in den zweiten Anspruch. Diese beim ersten Le-sen sicherlich abstrakt erscheinenden Ausfuhrungen werden im Zusammenhang mit den Ubungenklarer werden.

32Fur eine vertiefende Diskussion wird auf Schickedanz, Die Formulierung von Patentan-spruchen, Verlag C.H. Beck, 2000, Kap. IV 2 verwiesen.

33Dies gilt fur die deutsche und weitgehend auch fur die europaische Praxis. In den USA werdenAnspruche nach anderen Regeln formuliert, wobei fast ausschließlich einteilige Formulierungenverwendet werden.

34Oberbegriff und kennzeichnender Teil sind meist durch die Formulierungen dadurch gekenn-zeichnet, dass oder gekennzeichnet durch... getrennt.

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3.4. SCHUTZBEREICH DES PATENTS, PATENTANSPRUCHE 27

Bei der zweiteiligen Formulierung eines Patentanspruchs ist meist schnell zu se-hen, worin die erfinderische Tatigkeit gesehen wird.

Alternativ konnen einteilige Patentanspruche verfasst werden, d.h. die Merk-male werden hintereinander aufgefuhrt. Dies kann z.B. bei Verfahrensanspruchensinnvoll sein, wenn aufeinander folgende Verfahrensschritte durch eine zweiteiligeFormulierung auseinander gerissen wurden.

Bei der Beurteilung der Patentanspruche ist es außerordentlich wichtig fest-zuhalten, dass alle Merkmale, also sowohl die Merkmale des Oberbegriffs alsauch die Merkmale des kennzeichnenden Teils zum Gegenstand eines Paten-tanspruchs gehoren. Allein die Kombination aller Merkmale des Anspruchsbildet den Gegenstand des Patents. Dabei schadet es nicht, wenn einzelneMerkmale im Patentanspruch bekannt sind; dies wird sogar die Regel sein.

Neben dem Hauptanspruch werden meist noch eine Reihe von Unteranspruchenaufgestellt, die alle auf den Hauptanspruch und / oder andere Unteransprucheruckbezogen sind. Demnach weist ein Unteranspruch mindestens alle Merkmaledes Hauptanspruchs auf, auf den der Unteranspruch ruckbezogen ist35. Unteran-spruche, die auch als abhangige Patentanspruche bezeichnet werden, betreffenvorteilhafte Ausgestaltungen des Gegenstandes, der durch den Hauptanspruchdefiniert ist.

Die Unteranspruche werden insbesondere im Patentverletzungsverfahren bedeut-sam, wenn der ursprunglich erteilte Hauptanspruch durch ein Einspruchs– oderNichtigkeitsverfahren eingeschrankt wurde. Auch im Patenterteilungsverfahren36,das jedoch im Skript nicht eingehend behandelt wird, ist es vorteilhaft, wenn maneinen unabhangigen Anspruch mit Merkmalen eines Unteranspruchs kombinierenkann, um einen Erfindungsgegenstand vom Stand der Technik abzugrenzen.

Eine Patentverletzungsklage kann sich dann immer noch auf eine Kombinationdes Hauptanspruchs mit einem der Unteranspruche beziehen, wenn diese Kombi-nation patentfahig ist. Die Unteranspruche bieten somit Ruckfallpositionen furden Fall, dass der allgemeine Gegenstand des Hauptanspruchs sich z.B. in einemEinspruchsverfahren37 als nicht schutzfahig erweist.

Der Hauptanspruch gibt somit eine Art Dach vor, das die Gegenstande der Unter-anspruche abdeckt.

Ein moglichst breiter Hauptanspruch (d.h. ein unabhangiger Anspruch mitmoglichst wenigen Merkmalen) ist die ultima ratio des Patents, da nach §14 PatG

35Fortsetzung Fahrrad-Beispiel: Die Vorderleuchte konnte ein Unteranspruch sein, der auf denHauptanspruch (Fahrrad) ruckbezogen ist. Weitere Unteranspruche konnten als Merkmale Schei-benbremsen, Backenbremsen, Gepacktrager etc. aufweisen.

36Siehe Kapitel 837Zum Einspruchsverfahren siehe Kapitel 5

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28 KAPITEL 3. PATENTSCHRIFT UND PATENT

der Schutzbereich des Patents durch den Inhalt der Patentanspruche38 bestimmtwird. Ein breiter, allgemeiner Patentanspruch resultiert in einem großen Schutz-bereich; der Wert eines Patentes wird daher wesentlich durch die Breite der Paten-tanspruche bestimmt.

Die geforderte Breite eines Patentanspruchs ist der Grund dafur, dass Patentan-spruche haufig sehr abstrakt formuliert werden und schwer verstandlich erschei-nen. Die Begriffe im Patentanspruch werden zur Erzielung eines moglichst großenSchutzbereiches moglichst allgemein gehalten39, wobei stets eine ausreichendeKlarheit des Patentanspruchs notwendig ist. Ein unklarer, widerspruchlicher Pa-tentanspruch wird sich, wenn er uberhaupt vom Patentprufer erteilt wird, haufignur schwer gegenuber einem Verletzer durchsetzen lassen. Eine gute Methode zurInterpretation eines Patentanspruchs ist es, wenn die Merkmale des Anspruchs zueiner Skizze verarbeitet werden. Dadurch werden die Wirkbeziehungen zwischenden Merkmalen des Patentanspruchs deutlich.

Der Abstraktheit der Patentanspruche sind Grenzen gesetzt, denn die Patentan-spruche mussen durch die Beschreibung gestutzt sein. Dies bedeutet, dass der Ge-genstand eines jeden Patentanspruchs eine Grundlage in der Beschreibung habenmuss. Man kann nicht mehr geschutzt bekommen als tatsachlich in der Patent-schrift offenbart ist.

Die sorgfaltige Beschreibung der Erfindung ist besonders wichtig, wenn Parameterbeansprucht werden, die durch relativ aufwandige Messverfahren zu bestimmensind40. Fehlt es an Angaben zu den Messverfahren, so wird der Gegenstand z.B. imRahmen eines Einspruchsverfahren u.U. als nicht ausfuhrbar angesehen; das Pa-tent ware nichtig.

Es besteht somit eine gegenseitige Abhangigkeit zwischen Patentanspruchen undBeschreibung.

Ein Patentanmelder sollte seine Erfindung nicht durch einen speziell formuliertenHauptanspruch schutzen lassen, der eine Art Figurenbeschreibung41 darstellt. Eskommt darauf an, dass die gesamte Erfindung sorgfaltig durch einen Hauptan-spruch erfasst wird. Fur vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung werden dannUnteranspruche formuliert.

Es reicht nicht aus, nur abstrakte, allgemeine Patentanspruche aufzustellen. EinFachmann muss einer Beschreibung entnehmen konnen, was der Inhalt der Pa-tentanspruche ist. Beide Teile eines Patentes mussen sorgfaltig aufeinander abge-stimmt sein.

38Da der Hauptanspruch die allgemeinste Fassung der Erfindung wiedergibt, wird der breitestmogliche Schutzumfang durch den Hauptanspruch bestimmt.

39Beispiele: Befestigungselement als allgemeiner Begriff fur Nagel, Schraube etc.40z.B. Spharizitat von Partikeln, spezifische Oberflache von porosen Partikeln41Man spricht auch von picture claims.

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3.4. SCHUTZBEREICH DES PATENTS, PATENTANSPRUCHE 29

Patentanspruche sind nicht nur fur die Festlegung des Schutzbereiches wichtig.Auch die Patentierungsvoraussetzungen (Neuheit, erfinderische Tatigkeit, gewerb-liche Anwendbarkeit) werden vom Patentamt nur anhand der Patentanspruchegepruft42.Diese Aussage ist fur die Praxis wichtig, denn haufig enthalt dieBeschreibungseinleitung oder die Figurenbeschreibung eines Patents ausfuhrlichetechnische Ausfuhrungen, die Fachleuten langst bekannt sind. Dies fuhrt dann zudem Missverstandnis, dass ein Patent fur etwas langst Bekanntes erteilt wurde.Das Missverstandnis lost sich meistens auf, wenn der Hauptanspruch betrachtetwird. Der Gegenstand, der durch einen Hauptanspruche definiert ist, ist in derRegel nur eine Ausfuhrungsform, die ein Patentprufer als neu und erfinderischgegenuber dem Stand der Technik befunden hat.Ein weiteres Missverstandnis in diesem Zusammenhang ist, dass die Merkmale inden Unteranspruchen fur sich genommen langst bekannt sind. Es entsteht leichtder Eindruck, dass hier etwas langst Bekanntes patentiert werden soll.Dabei ist fur die Patentfahigkeit der Erfindung unschadlich, wenn die Unteran-spruche sich auf Bekanntes beziehen, so lange die Unteranspruche auf einenHauptanspruch zuruckbezogen sind, der patentfahig ist43. Die Schutzfahigkeit desHauptanspruchs begrundet auch die Schutzfahigkeit der Unteranspruche.Bei der Auslegung von Patentanspruchen ist zu beachten, dass die in den Paten-tanspruchen verwendeten Bezugszeichen auf Zeichnungen nach europaischemRechtsverstandnis einen Patentanspruch nie einschranken konnen. Die Bezugs-zeichen sind lediglich als Hinweis fur Ausfuhrungsbeispiele gedacht, um dasVerstandnis der Patentanspruche zu erleichtern. In den USA spielen die Figuren-beschreibung und die Figuren bei der Auslegung der Patentanspruche eine andereRolle.Somit ist klar, dass der Formulierung der Patentanspruche große Bedeutung zu-kommt, denn letztlich bestimmen sie den (moglichst breiten) Schutzbereich, unddamit den Wert des Patents.Der Breite eines Hauptanspruchs sind Grenzen gesetzt, denn die Gegenstandeder unabhangigen Patentanspruche mussen neu und erfinderisch gegenuber demStand der Technik sein; niemand soll ein Patent fur Bekanntes oder Nahe liegendesbekommen.

42siehe Kapitel 5.243Beispiel: Ein aus einem anderen Zusammenhang bereits bekannter Regler fur einen Fullstand

(Unteranspruch) ist nur in Verbindung mit einer patentfahigen Regelungsvorrichtung fur eine De-stillationskolonne (Hauptanspruch) schutzfahig.

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30 KAPITEL 3. PATENTSCHRIFT UND PATENT

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Kapitel 4

Patentverletzung

Eine Patentverletzung liegt vor, wenn jemand gegen §9 PatG oder auch §10 PatGverstoßt. Fur die Beurteilung einer Patentverletzung muss festgestellt werden, wel-cher Gegenstand durch das Patent geschutzt ist.

4.1 Merkmalsanalyse

Wie oben erwahnt, kommt fur die Beurteilung der Patentverletzung dem Inhaltder Patentanspruche die wesentliche Bedeutung zu. Da ein Patentanspruch in derRegel eine Vielzahl von Merkmalen aufweist, ist es notwendig, die einzelnen Merk-male in einer Merkmalsanalyse1 aufzugliedern. Dabei sollte man sich strikt anden Wortlaut des zu analysierenden Anspruchs halten. Die Vorgehensweise wirdanhand eines Patents betreffend ein medizinisches Gerat dargestellt 2. In Fig. 3 isteine Abbildung aus der Patentschrift wiedergegeben.

1Es muss betont werden, dass die Merkmalsanalyse auch fur das in Kapitel 5.1 behandelteThema Patentfahigkeit von großer Bedeutung ist.

2BGH, GRUR, 1992,40

31

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32 KAPITEL 4. PATENTVERLETZUNG

Fig. 3: Zeichnung aus dem europaischen Patent 214 976

Die Ziffern in der Fig. 3 sind so genannte Bezugszeichen, die in den Patentan-spruchen und in der Figurenbeschreibung der Patentschrift zur Erlauterung derErfindung und zum besseren Verstandnis der Patentanspruche verwendet werden.Der Hauptanspruch des europaischen Patents 214 976 mit den Bezugszeichen inKlammern lautet:

Vorrichtung zur Erzeugung eines Aerosols, die einen flexiblen spi-ralformigen Atemluftschlauch (5) aufweist, uber den das von einer Ver-neblerkammer (1) erzeugte Aerosol zum Patienten fuhrbar ist, wobeizum Aufheizen des erzeugten Aerosols im Atemluftschlauch (5) minde-stens ein Heizdraht angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass deroder die Heizdrahte in den Spiralen des Atemluftschlauches (5) ange-ordnet sind oder diese bilden und dass zur Anzeige einer Abweichungder am Ausgang des Atemluftschlauches (5) gemessenen Temperatur

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4.1. MERKMALSANALYSE 33

des abstromenden Aerosols von einer festgelegten Temperatur ein aku-stischer und/oder optischer Signalgeber angeordnet ist.

Fur diesen Patentanspruch konnte man zu folgender Merkmalsanalyse gelangen3.

1. Vorrichtung zur Erzeugung eines Aerosols, die einen flexiblen spiralformigenAtemluftschlauch (5) aufweist, uber den

2. das von einer Verneblerkammer (1) erzeugte Aerosol zum

Patienten fuhrbar ist, wobei

3. zum Aufheizen des erzeugten Aerosols im Atemluftschlauch (5) mindestensein Heizdraht angeordnet ist, wobei

– Merkmale des Oberbegriffs –

4. der oder die Heizdrahte in den Spiralen des Atemluftschlauches (5) ange-ordnet sind oder diese bilden und

5. dass zur Anzeige einer Abweichung der am Ausgang des Atemluftschlauches(5) gemessenen Temperatur des abstromenden Aerosols von einer festgeleg-ten Temperatur ein akustischer und/oder optischer Signalgeber angeordnetist4.

– Merkmale des kennzeichnenden Teils –

Nun ist der in Merkmale aufgegliederte Patentanspruch mit dem Gegenstand zuvergleichen, der das Patent verletzen soll. Man nennt diesen Gegenstand Verlet-zungsgegenstand.Der Vergleich zwischen Merkmalsanalyse und Verletzungsgegenstand ist der zen-trale Vorgang bei der Prufung einer Patentverletzung. Es sei noch einmal wie-derholt, dass bei dieser Prufung alle Merkmale, d.h. sowohl die des Oberbegriffs(beim Beispiel Merkmale 1 bis 3) als auch die des kennzeichnenden Teils (beim

3In der Entscheidung des BGH betreffend diesen Gegenstand wurde eine etwas freiere Formulie-rung der Merkmalsanalyse gewahlt. Grundsatzlich sollte man dicht am Originaltext des Anspruchsbleiben. Eigentlich liegt schon in der Zusammenfassung von Merkmalen (z.B. flexibler und spi-ralformiger Atemschlauch in einem Merkmal) eine Interpretation. Man sollte an die Merkmalsana-lyse mit dem Verstandnis eines ehrlichen Fachmanns herangehen. Eine fur einen selbst vorteilhaftscheinende Interpretation eines Anspruchs wird sich wahrscheinlich spater als angreifbar heraus-stellen.

4Dieses Merkmal enthalt auf Grund der Formulierung und/oder drei Varianten, die bei einerVerletzungsprufung alle gepruft werden mussen.

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34 KAPITEL 4. PATENTVERLETZUNG

Beispiel Merkmale 4 und 5) gepruft werden mussen. Es ist zu betonen, dass bei derMerkmalsanalyse extrem vorsichtig und moglichst objektiv vorgegangen werdenmuss. Der Versuch, durch eine geschickte Merkmalsanalyse einen Verletzungstat-bestand wegzudiskutieren, ist grundsatzlich zum Scheitern verurteilt.Es ist gleichgultig, ob ein Verletzungsgegenstand mehr Merkmale aufweist,als im Patentanspruch vorhanden sind; weist der Verletzungsgegenstand min-destens die Merkmale des Anspruchs auf, so liegt eine Verletzung vor. Es istein Missverstandnis zu glauben, dass die Hinzufugung von Merkmalen zu einemGegenstand aus dem Schutzbereich eines Patentes hinausfuhren kann.Wenn z.B. ein fiktives Patent fur ein vierturiges Auto existiert, so kann man nichtaus dem Schutzbereich des Patents hinauskommen, indem man ein vierturigesAuto mit Kofferraum benutzt; dieses Auto weist immer noch vier Turen auf undverletzt daher das Patent.Diese Zusammenhange sollen an einem abstrakten Beispiel demonstriert werden.Ein Patentanspruch fur einen Gegenstand weise die vier Merkmale ABCD auf. Inder folgenden Tab. 2 werden drei Verletzungsgegenstande mit unterschiedlichenMerkmalen mit diesem Anspruch verglichen. Dabei soll jeweils eine identischeVerwirklichung der Merkmale angenommen werden.

Tab. 2: Vergleich dreier Verletzungsgegenstande mit einem Patentanspruch mitden Merkmalen ABCD.

Verletzungsgegenstand mit denMerkmalen

Verletzung des Patentanspruchsmit den Merkmalen A B C D?

A B C nein, das Merkmal D fehltA B C D ja, alle Merkmale des Patentan-

spruchs verwirklichtA B C D E ja, alle Merkmale des Patentan-

spruchs verwirklicht.Zusatzliches Merkmal E fur dieBeurteilung der Verletzung uner-heblich

Wie oben bereits ausgefuhrt, wird bei der Merkmalsanalyse nicht wortklauberisch,sondern mit dem Verstandnis eines Fachmanns an den Vergleich gegangen.Dabei kann es vorkommen, dass alle Merkmale des Patentanspruchs identischdurch einen Verletzungsgegenstand verwirklicht werden; dies ware eine identi-sche Patentverletzung. Oder es tritt der Fall ein, dass keine identische Verwirk-lichung vorliegt, aber salopp gesprochen, irgendetwas Ahnliches; es konnte eineaquivalente Patentverletzung vorliegen.

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4.2. IDENTISCHE PATENTVERLETZUNG 35

4.2 Identische Patentverletzung

Weist der Verletzungsgegenstand alle Merkmale entsprechend dem Wortsinn5 desAnspruchs auf, so spricht man von einer identischen Patentverletzung. Dabei wirdu.U. nach deutschem Recht ein in der Patentschrift nicht ausdrucklich genanntesMittel, welches dem Fachmann aber seiner regelmaßigen Funktion nach als gleich-wirkend bekannt ist, auch als innerhalb des Wortsinns verstanden. Auch wenn esfur die Auslegung auf den Einzelfall ankommt, so kann darunter all das verstan-den werden, was der Fachmann an Interpretation einfach mitliest. Umschreibt dasPatent das Mittel nur allgemein oder uberlasst es die Auswahl dem Fachmann,fallt jedes am Zeitpunkt der Anmeldung bekannte Mittel unter den Gegenstanddes Patentes.

Sind alle Merkmale eines Anspruchs wortsinngemaß verwirklicht, so erubrigt essich, Erwagungen daruber anzustellen, ob die beim Verletzungsgegenstand vor-handenen identischen Merkmale demselben Zweck dienen und die gleiche Funk-tion aufweisen, wie die des Patents.

4.3 Aquivalente Patentverletzung

Es liegt in der Natur der Sache, dass haufig der Wortsinn eines Patentanspruchsdurch einen Verletzungsgegenstand nicht vollstandig getroffen wird oder es Dis-kussionen gibt, ob nun ein Merkmal identisch verwirklicht wird oder nicht. In derPraxis sind dies die haufigsten Falle.

Aus diesem Grund erfasst der Schutz eines Patentes nicht nur die wortsinngemaßeVerwirklichung der Lehre des Patents, sondern auch so genannte aquivalente Ab-wandlungen der im Wortlaut des Patentanspruchs formulierten Patentlehre.

Damit der Schutzbereich durch das Konzept der Aquivalenz nicht unvorher-sehbar ausgedehnt wird, hat die Rechtsprechung einen Rahmen gezogen. Eineaquivalente Abwandlung fallt dann in den Schutzbereiches des Patents, wenndas durch die Erfindung geloste Problem mit technisch gleichwirkenden Mittelngelost wird (Gleichwirkung) und der Durchschnittsfachmann diese gleichwirken-den Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse und aufgrund von Uberlegungen auf-finden konnte, die sich an der in den Patentanspruchen umschriebenen Erfindungorientieren (Naheliegen, Gleichwertigkeit).

Der Bundesgerichtshof hat in seinen jungsten Entscheidungen6 drei Fragen aufge-

5Der Wortsinn geht uber den bloßen Wortlaut hinaus, da der Fachmann den Sinn der Worterim Patentanspruch erfasst.

6u.a. BGHZ, 150, 149 Schneidmesser I, hier im Wesentlichen zitiert nach einem Vortrag desRichters am Bundesgerichtshof, Prof. Dr. Meier-Beck am 1./2. Juli 2004 auf der 4. Forum Fachkon-

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36 KAPITEL 4. PATENTVERLETZUNG

stellt, die bei der Prufung einer aquivalenten Patentverletzung maßgebend sind:

1. Gleichwirkung: Lost die abgewandelte Form (d.h. der Verletzungsgegen-stand) das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit objektiv gleich-wirkenden technischen Mitteln?

2. Naheliegen: Befahigten seine Fachkenntnisse am Prioritatstag (d.h. dem er-sten Tag, an dem der Erfindungsbesitz durch eine Anmeldung dokumentiertist) den Fachmann, die abgewandelten Mittel (d.h. den Verletzungsgegen-stand) als gleichwirkend aufzufinden?

Damit sollen die Mittel ausgeschlossen werden, die zwar objektiv gleichwir-kend sind, wobei es aber eine erfinderische Tatigkeit erfordert, diese zu fin-den.

3. Gleichwertigkeit: Sind die hierzu notwendigen Uberlegungen des

Fachmanns derart am Patentanspruch orientiert, dass der Fachmann die ab-gewandelte Ausfuhrungsform (d.h. den Verletzungsgegenstand) als gleich-wertige Losung in Betracht zog?

Der Beantwortung dieser Frage liegt die wertende Prufung zugrunde, ob dieUberlegungen des Fachmanns hinreichend nahe an den Patentanspruchenliegen. Es reicht nicht aus, dass der Fachmann grundsatzlich in der Lage ge-wesen ware, die abgewandelte Losung zu finden. Maßgeblich ist vielmehr, obder Fachmann zu der Abwandlung gekommen ware, wenn er sich an den derLehre des Patentanspruchs und dem darin enthaltenden Losungsgedankenorientiert hatte.

Damit wird verhindert, dass die Patentanspruche als bloße Richtschnur ver-standen werden.

Aufgrund der maßgeblichen Entscheidung des BGH werden diese drei Fragen mitt-lerweile Schneidmesserfragen genannt.Es reicht fur eine aquivalente Verwirklichung eines Merkmals nicht aus, dass nureine bloße funktionelle Ubereinstimmung (Gleichwirkung) in einem Merkmal be-steht. Die Erkennbarkeit des Merkmals in den Patentanspruchen muss fur denFachmann gegeben sein, d.h. das Merkmal darf nicht aus dem Nirwana geholtwerden, sondern es muss sich am Inhalt der Patentanspruche orientieren. DerSchutzbereich eines Patentes darf sich nur auf solche Mittel eines Verletzungs-gegenstandes erstrecken, die den Mitteln der Erfindung sinngemaß entsprechen.Dies konnen auch Mittel sein, die von der Formulierung des Anspruchs erfasst

ferenz Internationale Patentverletzungsverfahren in Koln.

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4.4. VERSCHLECHTERTE UND VERBESSERTE AUSFUHRUNG 37

sind, aber konkret erst nach der Anmeldung entwickelt worden sind7; gerade furdiesen Fall ist die Aquivalenz von besonderer Bedeutung.

Dies wird an einem Beispiel erklart. In der BGH Entscheidung Autowaschanlage8

wurde in einem Patent aus Grunden der Storsicherheit explizit eine mechanischeVorrichtung fur einen Kettentrieb beansprucht, die gegenuber bekannten elek-trischen Kettentrieben vorteilhaft war. Eine vermeintliche Verletzungsform wieseinen elektrischen Kettentrieb auf, der die gleiche technische Wirkung hatte, wieder mechanische Kettentrieb. Das Ersatzmittel entsprach aber nicht sinngemaßdem Merkmal im Patentanspruch, so dass keine aquivalente Patentverletzung vor-liegen konnte.

Bei der Aquivalenzprufung ist insbesondere auch nicht zu fragen, ob der Fach-mann aus dem Patent die Verletzungsform hatte entwickeln konnen. Vielmehr istnur von der Verletzungsform auszugehen und zu fragen, ob die Merkmale derVerletzungsform den Merkmalen des Anspruchs sinngemaß entsprechen.

Somit ist die Beurteilung der Erkennbarkeit eines Merkmals im Rahmen derAquivalenzprufung mittels der Orientierung an den Patentanspruchen von großerBedeutung. Es ist einleuchtend, dass es in der Praxis fast immer unterschiedlicheAuffassungen zwischen Patentinhaber und mutmaßlichem Patentverletzer gibt. Invielen Patentverletzungsverfahren ist die Diskussion der Aquivalenz der eigentli-che Schwerpunkt des Streites.

Es sei auch angemerkt, dass die Beurteilung der Aquivalenz in unterschiedlichenRechtsordnungen unterschiedlich geregelt ist. Man hute sich davor, Erfahrungenaus dem deutschen Recht insbesondere in die USA zu ubertragen9!

4.4 Verschlechterte und verbesserte Ausfuhrung

Abweichungen zwischen Verletzungsgegenstand und patentiertem Gegenstand inHinsicht auf eine gegenuber dem geschutzten Gegenstand verbesserte oder ver-schlechterte Ausfuhrungsform sind fur die Beurteilung einer Patentverletzung un-erheblich. Wie oben ausgefuhrt, weist ein Gegenstand samtliche Merkmale einesPatentanspruchs im Wortsinn auf, so ist es unerheblich, ob mit dem Gegenstand dieerfindungsgemaßen Wirkungen uberhaupt oder vollstandig eintreten. Sind einzel-ne Merkmale dagegen nicht dem Wortsinn nach verwirklicht, d.h. es liegt ei-

7Beispiel: Wenn in einem Patentanspruch Befestigungsmittel steht, so kann auch eine besondersausgebildete Schraube, die erst nach dem Anmeldetag des Patents entwickelt wurde, ein Befesti-gungsmittel im Sinne des Patents sein.

8BGH GRUR 1991, 444-4469Bei der Auslegung des Begriffes der Aquivalenz gibt es trotz aller weltweiten Harmonisierung

immer noch Unterschiede zwischen den einzelnen Landern.

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38 KAPITEL 4. PATENTVERLETZUNG

ne u.U. aquivalente Patentverletzung vor, so kann eine aquivalente Patentverlet-zung nur dann angenommen werden, wenn die patentgemaß angestrebten Vor-teile zwar moglicherweise nicht vollkommen, aber doch in einem praktisch nocherheblichen Umfang realisiert werden.

Auch eine Verbesserung eines bereits fruher patentierten Gegenstandes kann dasfruhere Patent verletzen. Dies gilt selbst dann, wenn dieser verbesserte Gegen-stand selbst wieder patentfahig ist. In diesem Fall ist das jungere Patent vomalteren Patent abhangig. Die Benutzung einer Weiterentwicklung eines paten-tierten Gegenstandes kann somit eine Patentverletzung darstellen (siehe Kapitel3.2).

4.5 Einwand des freien Standes der Technik

Mit dem Einwand des freien Standes der Technik beruft sich ein Verletzer dar-auf, dass der Verletzungsgegenstand schon vor der Anmeldung des Patentes zumGemeingut der Technik gehort habe. Bei wortsinngemaßer, d.h. identischer Pa-tentverletzung, kommt dieser Einwand vor dem Verletzungsgericht (Landgericht,Oberlandesgericht, BGH) in Deutschland nicht in Betracht10.

Nur beim Vorliegen einer nicht–identischen, d.h. moglicherweise aquivalentenPatentverletzung kann dieser Einwand vom mutmaßlichen Patentverletzeruberhaupt erhoben werden.

In der Formstein-Entscheidung11 hat der BGH fur die Bestimmung des Schutz-bereiches gemaß §14 PatG den Einwand zugelassen, die angegriffene (und nurdie!) Ausfuhrungsform stelle mit Rucksicht auf den Stand der Technik keinepatentfahige Erfindung dar.

Dies wird kurz als der Formstein-Einwand bezeichnet. Dabei ist auf die angegrif-fene Verletzungsform abzustellen, soweit diese der in den Patentanspruchen unterSchutz gestellten Erfindung gleicht; zusatzliche Ausgestaltungen ohne Bezug zurgeschutzten Lehre haben außer Betracht zu bleiben.

10Liegt eine identische Patentverletzung vor und ist der Verletzungsgegenstand trotzdem Standder Technik (z.B. durch offenkundige Vorbenutzung), so muss der Patentverletzer dies in einemgetrennten Nichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht und nicht vor dem Gericht geltendmachen, vor dem die Patentverletzung verhandelt wird. In der Regel wird das Verletzungsgerichteinen solchen Fall aussetzen, bis uber die Patentfahigkeit entschieden wurde. Dieser Fall ist na-turgemaß selten, da die Durchsetzung eines offenkundig nicht schutzfahigen Patentes meist nichtversucht wird.

11BGH GRUR 1986, 803–806. Ublicherweise werden Gerichtsentscheidungen auf dem Gebietdes gewerblichen Rechtsschutzes mit einem Schlagwort bezeichnet, das den Streitgegenstand be-zeichnet. Im Formstein-Fall ging es um einen Bordstein fur Straßen, der eine bestimmte Formaufwies.

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4.5. EINWAND DES FREIEN STANDES DER TECHNIK 39

Somit kann sich ein mutmaßlicher Patentverletzer darauf berufen, dass sich seineVerletzungsform am Anmelde- bzw. Prioritatstag in nahe liegender Weise aus demStand der Technik ergeben hatte. Dieser Zusammenhang wird in Fig. 4 schema-tisch graphisch dargestellt12.

Stand der Technikz.B. bekannte Merkmale:A, AB, ABC, D'

PatentanspruchMerkmale A B C D

vom KlägerbehaupteterÄquivalenzbereich desPatentanspruchs

möglicherVerletzungsgegenstandMerkmale: A B C D'

X

Fig. 4: Schematische Darstellung der Zusammenhange des Formstein-Einwands

Im Beispiel der Fig. 4 wurde der Patentanspruch des Streitpatents fur einen Ge-genstand mit den Merkmalen ABCD erteilt. Im Stand der Technik ist genau dieseMerkmalskombination nicht bekannt gewesen und war dem Fachmann auch nichtnahe gelegt gewesen.

Der Gegenstand des Patentanspruchs weist einen Aquivalenzbereich auf, dergroßer ist als der wortsinngemaße Schutzumfang des Patentanspruchs. Der Klagerbehauptet, dass der mogliche Verletzungsgegenstand mit den Merkmalen ABCD’innerhalb des Aquivalenzbereiches liegt, der in Fig. 4 durch eine gestrichelte Ellip-se angedeutet ist. Der mogliche Verletzungsgegenstand unterscheidet sich vom Ge-genstand des Patentanspruchs durch eine Abwandlung des Merkmals D, namlichD’.

Da die angegriffene Verletzungsform im Aquivalenzbereich liegen soll, kann der

12Fig. 4 ist der Versuch, einen rechtlichen Zusammenhang graphisch darzustellen, was natur-gemaß eine Vereinfachung darstellen muss. Die erfinderische Tatigkeit ist kein Abstand mit einermessbaren Lange; abstrahierend wird dies aber in Fig. 4 so dargestellt.

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40 KAPITEL 4. PATENTVERLETZUNG

potentielle Patentverletzer in einem Verletzungsverfahren den Formstein-Einwanderheben. Der potentielle Patentverletzer argumentiert dann, dass der moglicheVerletzungsgegenstand (mit den Merkmalen ABCD’) zum Anmelde- bzw. Prio-ritatszeitpunkt des Patents sich in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technikergeben hatte. Es hatte fur den Fachmann nahe gelegen, das bekannte MerkmalD’ mit den ebenfalls bekannten Merkmalen ABC zu kombinieren; der Abstand Xin Fig. 4 ware zu klein, um einen ausreichenden Abstand vom Stand der Technikherzustellen. Der Verletzungsgegenstand wurde somit aus dem Schutzbereich desPatents herausfallen.Wenn diese Argumentation des potentiellen Patentverletzers durchgreift, liegt kei-ne Verletzung des Patents vor.Es ist zu beachten, dass es bei dieser Argumentation nicht darum geht, dieSchutzfahigkeit des Patents mit den Merkmalen ABCD anzugreifen. Ein solcherAngriff konnte nur im Rahmen eines Einspruchs– oder Nichtigkeitsverfahrens er-hoben werden, indem belegt wird, dass die Merkmalskombination ABCD aus demStand der Technik nahe gelegt gewesen ware.Durch den Formstein-Einwand soll sichergestellt werden, dass fur die freie, nichterfinderische Weiterentwicklung des Standes der Technik alle diejenigen Kenntnis-se herangezogen werden konnen, die auch fur die Beurteilung der Schutzfahigkeitdes Klagepatentes maßgebend sind. Stellt der Verletzungsgegenstand gegenuberdem Stand der Technik keine patentfahige Erfindung dar, liegt keine Patentverlet-zung vor.

4.6 Anspruche wegen Patentverletzung

Wenn der Patentverletzer bei feststehender Patentverletzung keinen Einwand, wiez.B. Genehmigung durch einen Lizenzvertrag oder ein eigenes Vorbenutzungsrechtgeltend machen kann, hat der Patentinhaber gegenuber dem Patentverletzer eineReihe rechtlicher Anspruche. Die Anspruche konnen darin bestehen, eine bestimm-te Handlung oder ein Unterlassen zu verlangen.Im Folgenden wird auf die wichtigsten Anspruche eingegangen, die bei Patentver-letzungen eine Rolle spielen.

4.6.1 Unterlassungsanspruch

Wer eine Patentverletzung entgegen §§9 bis 13 PatG begeht, kann vom Verletztengemaß §139 Abs. 1 PatG auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.Dieser Anspruch ist in der Praxis meist der wichtigste, denn damit soll erreichtwerden, dass die Verletzungshandlung unterbleibt; der Patentverletzer muss mit

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4.6. ANSPRUCHE WEGEN PATENTVERLETZUNG 41

der Patentverletzung aufhoren, indem er z.B. die Herstellung oder den Vertriebeinstellt. Fur den Patentverletzer ist dies meist die scharfste Sanktion, denn erkann z.B. seine Lieferverpflichtungen nicht mehr erfullen und bleibt auf un-verkauflicher Ware sitzen. Gleichzeitig ist der Unterlassungsanspruch fur den Pa-tentinhaber von großter Wichtigkeit, denn nur so kann er seine Ware ohne diepatentverletzende Konkurrenz ungehindert verkaufen.Der Begriff des Patentverletzers wird von der Rechtsprechung sehr weit gefasst,namlich neben dem Tater selbst, gibt es auch Mittater13. Der Unterlassungsan-spruch kann sich z.B. auch gegen den Hersteller und / oder den Verkaufer richten.Grundsatzlich sind jede Benutzung zu unterlassen, die in §9 PatG (siehe Kapitel3.2) genannt ist. Der Patentinhaber kann gegen jeden Benutzer des patentiertenGegenstandes vorgehen und eine Unterlassung verlangen. Dies ist wichtig, da derPatentinhaber in vielen Fallen den Hersteller einer Ware nur muhsam ermittelnkann (z.B. Importe aus dem Ausland). Der Handler einer Ware ist hingegen leich-ter zu ermitteln.Der Unterlassungsanspruch dient dem Schutz des Patentinhabers vor kunftigenrechtswidrigen Eingriffen.Ein Verschulden14 seitens des Patentverletzers ist dabei nicht erforderlich; die ob-jektiv vorliegende Rechtsverletzung reicht aus. So ist Unkenntnis eines Patenteskein wirksamer Einwand gegen die Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs15.Dabei kann die Rechtsverletzung in einer bereits geschehenen Benutzung des pa-tentierten Gegenstandes liegen, so dass der Unterlassungsanspruch einer Wieder-holungsgefahr vorbeugen soll. In der Regel ist davon auszugehen, dass eine ein-malige Benutzung des Patentgegenstandes ausreicht, eine Wiederholungsgefahrzu begrunden.Zur Vermeidung der Wiederholungsgefahr sind strenge Anforderungen an den Pa-tentverletzer zu stellen, wenn der Patentverletzer eine Klage abwenden will. Esreicht fur den Patentverletzer insbesondere nicht aus, zu versichern, er wolle diePatentverletzung in Zukunft nicht mehr vornehmen. Vielmehr muss der Patentver-letzer eine uneingeschrankte, bedingungslose und mit einem Vertragsstrafever-sprechen in objektiv angemessener Hohe versehene Unterlassungserklarung abge-ben. ublicherweise enthalt eine Unterlassungserklarung einen Passus wie:

A verpflichtet sich gegenuber B, bei Vermeidung einer Vertragsstrafe13Es sei nochmals angemerkt, dass sich ein Patent nicht auf Handlungen erstreckt, die im priva-

ten Bereich zu nichtgewerblichen Zwecken vorgenommen werden (siehe Kapitel 3.3 zu §11 PatG).14Vorsatz oder Fahrlassigkeit (Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt) bei der Patentverlet-

zung. Fur den Schadensersatzanspruch muss aber ein Verschulden vorliegen. Siehe 4.6.2.15Zur Minimierung des Risikos ist es wichtig, dass vor Beginn eines Entwicklungsvorhabens und

vor der Einfuhrung eines Produktes eine entsprechende Recherche nach relevantem Stand derTechnik durchgefuhrt wird.

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42 KAPITEL 4. PATENTVERLETZUNG

von EUR 50.000,– fur jeden Fall der Zuwiderhandlung es zu unter-lassen, den Gegenstand X gewerbsmaßig herzustellen, anzubieten, inVerkehr bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken ein-zufuhren oder zu besitzen, wobei der Gegenstand X folgende Merkmaleaufweist....

Ohne ein Vertragsstrafeversprechen liegt keine wirksame Unterlassungserklarungvor, denn die Hemmschwelle fur weitere Verletzungen ware zu niedrig. Die Hoheder Vertragsstrafe hangt von den Umstanden des Einzelfalles ab; sie muss hochgenug sein, um kunftige Patentverletzungen zu vermeiden. Setzt der Patentverlet-zer trotz Abgabe der Unterlassungserklarung seine verletzenden Handlungen fort,so hat der Patentinhaber einen vertraglichen Anspruch auf die Durchsetzung derVertragsstrafe. Unterlassungserklarungen enthalten meist weitere Regelungen be-treffend anderer Anspruche und mussen im Einzelfall sorgfaltig auf den jeweiligenSachverhalt zugeschnitten werden.

Ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einer Benutzung des patentierten Ge-genstandes zu rechnen, so muss der Patentinhaber nicht warten, bis der Gegen-stand z.B. tatsachlich auf den Markt gebracht wird. Auch in solchen Fallen bestehtein Unterlassungsanspruch, der der so genannten Erstbegehungsgefahr vorbeu-gen soll. Auch wenn noch keine Benutzung erfolgt ist, so kann es doch Anzeichenfur eine Benutzung geben. Ein Patentinhaber soll sich auch gegen eine solch dro-hende Benutzung wehren konnen. Die Anforderungen an den potentiellen Verlet-zer bezuglich einer Ausraumung der Erstbegehungsgefahr sind jedoch niedrigerals bei der Wiederholungsgefahr.

4.6.2 Schadensersatzanspruch

Wer entgegen den §§9 bis 13 PatG eine patentierte Erfindung in rechtswidrigerWeise16 vorsatzlich oder fahrlassig benutzt, ist gemaß §139 Abs. 2 PatG dem Ver-letzten zum Schadensersatz verpflichtet.

Die Schadensersatzhaftung tritt grundsatzlich bei Verschulden vom direktenVorsatz bis zur leichten Fahrlassigkeit ein. Fahrlassig handelt der Patentver-letzer insbesondere, wenn er nicht darauf achtet, welche Patente auf seinemGeschaftsgebiet erteilt wurden oder werden. Die Unterscheidung zwischen leich-ter oder grober Fahrlassigkeit spielt nur fur eine eventuelle Milderung des Scha-densersatzes nach §139 Abs. 2 Satz 2 PatG eine

Rolle. Je hoher der Grad der Fahrlassigkeit ist, desto hoher wird der Schadenser-satz ausfallen.

16z.B. ohne eigenes Vorbenutzungsrecht oder Lizenzrecht

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4.6. ANSPRUCHE WEGEN PATENTVERLETZUNG 43

Es wird somit von jedem im Geschaftsleben Tatigen verlangt, dass er sich uberdie relevanten Schutzrechte informiert. Dabei werden insbesondere an Herstelleroder Importeure strenge Maßstabe an die erforderliche Sorgfalt angelegt. Bei Wa-renhausunternehmen hingegen werden die Maßstabe geringer angesetzt, da sichdiese aufgrund der Vielzahl der Waren in der Regel auf ihre Lieferanten verlassenmussen17. Auch wird im Einzelfall die Große eines Betriebes berucksichtigt, da einHandwerksbetrieb nicht den gleichen Aufwand treiben kann wie ein Großunter-nehmen mit eigener Patentabteilung.Der Patentverletzer ist dem Verletzten zum Ersatz des aus der Verletzung ent-standenen Schadens verpflichtet. Dabei wird in der deutschen Rechtsordnung derSchadensersatz als Ausgleich eines Schadens verstanden, nicht als Strafe. Ziel desSchadensersatzes soll die Wiederherstellung des fruheren Zustandes in wirtschaft-lich gleichwertiger Weise sein. Der Geschadigte soll hinterher genauso dastehen,wie vor dem Schadensereignis, nicht schlechter, aber auch nicht besser.Die Berechnung des Schadensersatzes kann im Einzelfall kompliziert sein, dennder Nachweis eines bezifferbaren Schadens ist fur den Patentinhaber haufigschwierig. Wie soll z.B. eine Umsatzeinbuße beziffert werden, wenn ein Konkur-rent patentverletzende Waren verkauft hat?Die Rechtsprechung hat drei Methoden entwickelt, mit denen die Hohe des Scha-densersatzes berechnet werden kann18.

a) Lizenzanalogie: Der Patentinhaber verlangt vom Patentverletzer die Zah-lung einer angemessenen Lizenzgebuhr fur die verletzenden Gegenstande.In der Praxis ist dies eine gangige Berechnungsmethode, da in der Regeleinschlagige Lizenzsatze bekannt sind19. Es wird also so getan, als ob derPatentverletzer das Patent erlaubterweise benutzt hatte. Bei komplexen Pro-dukten, bei denen nur ein Teil patentgeschutzt ist, kann die Festlegung imEinzelfall schwierig und strittig sein.

b) Entgangener Gewinn: Dies ist der Gewinn, der dem Patentinhaber durchdie patentverletzenden Handlungen verloren gegangen ist. Als entgangenerGewinn gilt das, was nach dem gewohnlichen Lauf der Dinge oder nachden besonderen Umstanden mit Wahrscheinlichkeit hatte erwartet werdenkonnen. Dieser entgangene Gewinn schließt auch den so genannten Markt-

17In der Praxis lassen sich Warenhausunternehmen oder Handelsketten von Ihren Lieferantenvon allen Schadensersatzanspruchen freistellen. Das Schadensersatzrisiko liegt dann beim Liefe-ranten.

18Durch die jungste Rechtsprechung (BGH GRUR 2001, 329 - Gemeinkostenanteil) wird erreicht,dass der Schadensersatz in der Regel hoher als bei fruheren Berechnungen ausfallt. Damit durftein Zukunft die Bedeutung des Schadensersatzanspruchs zunehmen.

19Hierbei ist das Buch von Hellebrand, Kaube, Lizenzsatze fur technische Erfindungen, hilfreich.

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44 KAPITEL 4. PATENTVERLETZUNG

verwirrungsschaden ein. Es ist offensichtlich, dass die Bestimmung des Scha-densersatzes nach diesen Vorgaben

haufig schwierig ist.

c) Herausgabe des Gewinns: Der vom Patentverletzer mit dem Verletzungs-gegenstand erzielte Gewinn wird vom Patentinhaber gefordert. Auch dieserist im Einzelfall meist schwer zu ermitteln, da der Gewinn gerade durch dieHandlung erzielt sein muss, durch die das Patent verletzt worden ist. Aller-dings konnen auf Grund dieser Berechnungsmethode haufig hohere Scha-denersatzzahlungen begrundet werden, so dass diese Methode zunehmendangewendet wird.

Fur die Durchsetzung des Schadensersatzanspruches ist es notwendig, den Um-fang der Patentverletzung zu ermitteln. Dazu muss der Verletzer in der RegelNamen und Anschriften der Abnehmer, Zeitpunkte von Lieferungen, Liefermen-gen und Preise angeben (Auskunftsanspruch, siehe Kapitel 4.6.3). Auch Angabenuber die interne Kostenkalkulation konnen verlangt werden. Allerdings darf dieDurchsetzung des Schadensersatzanspruchs nicht als Mittel zur Ausforschung desPatentverletzers verwendet werden.In Deutschland sind die Schadensersatzforderungen aufgrund der oben beschrie-benen Berechnungsmethoden in gewissen Grenzen vorhersehbar. Meist werdensich die Schadensersatzforderungen im Bereich der Lizenzgebuhren bewegen, wo-bei sich hier durch die jungste Rechtsprechung Anderungen ergeben konnen.In einer Vorlesung, die dem Thema Patentverletzungen gewidmet ist, soll der wohlberuhmteste Patentverletzungsstreit nicht unerwahnt bleiben, namlich Polaroid vs.Kodak. Folgendes stand in der The New York Times October 13, 1990, Saturday,Late Edition - Final, Section 1; Page 33, Column 6; Financial Desk:

In the largest award ever in a patent-infringement case, a Federal jud-ge ruled yesterday that the Eastman Kodak Company must pay thePolaroid Corporation $ 909.4 million for infringing Polaroid’s patentsfor instant photography.

Despite the size of the judgment, the decision represents something ofa victory for Kodak, since it is well below the $ 12 billion sought byPolaroid and the $1.5 to $2 billion that some financial analysts hadexpected.

Der Streit hatte im Jahr 1976 begonnen und hatte dazu gefuhrt, dass Kodakvollstandig vom Sofortbildmarkt verdrangt wurde. Auch wenn außerhalb der USAuber kleinere Summen gestritten wird, so sind Schadensersatzanspruche und vor

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4.6. ANSPRUCHE WEGEN PATENTVERLETZUNG 45

allem Unterlassungsanspruche durchaus geeignet, auch große Unternehmen vorPatentverletzungen abzuschrecken.

Aber auch in Deutschland gibt es Patentstreitigkeiten, bei denen sehr hohe Scha-densersatzzahlungen eine Rolle spielen. In einem zurzeit anhangigen Fall forderteine Firma Schadensersatz in Milliardenhohe von Nokia und anderen Mobilfunk-herstellern20. Bei diesem Fall geht es um ehemalige Patente der Firma Bosch, dievon der jetzigen Klagerin aufgekauft wurden.

4.6.3 Weitere Anspruche

In der Praxis sind Unterlassungs- und Schadensersatzanspruche am bedeutsam-sten. Im Folgenden sollen noch einige andere Anspruche21 kurz erwahnt werden.

So kann unter Umstanden ein Vernichtungsanspruch durchgesetzt werden.

Auch besteht ein Auskunftsanspruch, fur den kein Verschulden des Patentver-letzers vorliegen muss. Der Auskunftsanspruch ist wichtig, wenn ein Patentinha-ber wissen will, von welchem Hersteller oder Importeur patentverletzende Warestammt. Es gibt Falle, in denen sich die flachendeckende Beseitigung der Patent-verletzungen nur durch das Finden der Quelle erreichen lasst.

Es gibt sogar eine Strafbestimmung. Nach §142 PatG kann eine Patentverletzungmit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren, in gewerbsmaßigen Fallen bis zufunf Jahren geahndet werden. Die praktische Bedeutung dieser Strafbestimmungist eher gering, kann aber z.B. in Produktpirateriefallen eine Drohung darstellen.

Gemaß §33 PatG kann der Patentanmelder von demjenigen, der den Gegenstandeiner offen gelegten Patentanmeldung benutzt, obwohl er weiß oder hatte wissenmussen, dass die technische Lehre, von der er Gebrauch macht, Gegenstand derAnmeldung ist, eine nach den Umstanden angemessene Entschadigung verlangen.Ist die Patentunfahigkeit des angemeldeten Gegenstandes offensichtlich, so kannder Anspruch nicht wirksam durchgesetzt werden (§33 Abs. 2 PatG).

Dieser Entschadigungsanspruch ist kein Schadensersatzanspruch, da dieBenutzung des Gegenstandes der Patentanmeldung bis zur Patenterteilungnicht rechtswidrig ist. Dieser Anspruch entfallt ruckwirkend z.B. mit derRucknahme oder Zuruckweisung der Anmeldung. Damit besteht grundsatzlich einRuckzahlungsanspruch fur die Entschadigung. Da bei der Offenlegung der Paten-tanmeldung das weitere Schicksal der Anmeldung meist noch unklar ist, wird inder Praxis von dem Entschadigungsanspruch nur selten Gebrauch gemacht, umdie spatere Ruckzahlung von Entschadigungen zu vermeiden.

20www.sueddeutsche.de/wirtschaft/872/431623/text/21Durch das Produktpirateriegesetz vom 7. Marz 1990 sind weitere Anspruche in das PatG auf-

genommen worden.

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46 KAPITEL 4. PATENTVERLETZUNG

4.7 Verfahrensrechtliches zum Patentverletzungs-

prozess

Die Durchsetzung der Anspruche aus einer Patentverletzung erfolgt in einem Ge-richtsverfahren, in dem die Parteien durch Rechtsanwalte und regelmaßig auchdurch Patentanwalte vertreten sind.Im Folgenden werden nur einige Begriffe vorgestellt und das grundsatzliche Vor-gehen erlautert22 , wobei insbesondere auf die Aspekte eingegangen wird, die furIngenieure und Naturwissenschaftler in der Praxis relevant sind.

4.7.1 Vor dem Prozess

Zunachst kommt es fur den Patentinhaber darauf an, die Verletzungshandlungdetailliert zu ermitteln. Es muss die Frage geklart werden, ob der vermeintlicheVerletzungsgegenstand tatsachlich unter den Anspruch des Patentes fallt. Die Pra-xis zeigt, dass hier eine enge Zusammenarbeit zwischen den Patentinhabern undden Anwalten notig ist, um die Sachlage angemessen aufklaren zu konnen.Es muss ermittelt werden, wer, wann, was, wie genau benutzt hat.Im Einzelfall mussen z.B. Messungen an einem Gegenstand durchgefuhrt werden,diegut dokumentiert werden mussen. Dabei kann es die Glaubwurdigkeit steigern,wenn die Messungen von einer kompetenten, neutralen Einrichtung durchgefuhrtwerden. Erfahrungsgemaß spielt die ausfuhrliche und sachgerechte Darstellungdes Sachverhaltes bei einem Patentverletzungsprozess eine uberragende Rolle.Ist der Verletzungssachverhalt klar, so wird in der Regel eine Abmahnung an denmutmaßlichen Patentverletzer geschickt. Bei einer Klage ohne vorherige Abmah-nung lauft der Patentinhaber die Gefahr, dass sich der Beklagte sofort unterwirft,d.h. eine Unterlassungserklarung abgibt. In diesem Fall wurden die Gerichts- undAnwaltskosten beim Patentinhaber entstehen, denn der Angegriffene muss dieChance erhalten, vor Klageerhebung eine Unterlassungserklarung abzugeben oderGegenrechte (z.B. ein Vorbenutzungsrecht, das dem Pateninhaber bisher unbe-kannt war) geltend zu machen. Stellt sich die Abmahnung als unberechtigt heraus,da z.B. ein Vorbenutzungsrecht vorliegt, so kann der Abgemahnte die ihm entstan-denen Kosten vom Abmahner verlangen. Aus diesem Grund ist vor der Vornahmeeiner Abmahnung eine hohe Sorgfalt angezeigt.Die Abmahnung selbst enthalt insbesondere eine Beschreibung der mutmaßlichenPatentverletzung und des erteilten Patentanspruchs, so dass der Abgemahnte er-

22Eine umfassende Einfuhrung, die sich eher an Fachleute richtet ist: Schramm, Der Patentver-letzungsprozess; Carl Heymanns Verlag KG.

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4.7. VERFAHRENSRECHTLICHES ZUM PATENTVERLETZUNGSPROZESS 47

kennen kann, welche seiner Handlungen beanstandet wird. Auch wird er unterFristsetzung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklarung aufge-fordert. Nach erfolglosem Verstreichen der Frist wird eine Klage angedroht.Die Reaktionen der Abgemahnten variieren in der Praxis zwischen Schweigen aufdie Abmahnung bis zur sofortigen Abgabe einer Unterlassungserklarung und so-fortiger Erstattung der Kosten.

4.7.2 Patentverletzungsprozess

Bei erfolgloser Abmahnung wird in der Regel eine Patentverletzungsklage bei demzustandigen Gericht23 eingereicht werden. Fur Patentstreitsachen sind nach §143Abs. 1 PatG die Zivilkammern der Landgerichte zustandig. Da es sich bei Pa-tentstreitsachen um eine sehr spezielle Materie handelt, sind die Zustandigkeitenbei einzelnen Landgerichten konzentriert (§143 Abs. 2 PatG). Die Richter derzustandigen Zivilkammern haben als Juristen zwar keine technische Ausbildung,verfugen aber uber Erfahrung auf dem Gebiet des Patentrechtes.Welches der Landgerichte ortlich zustandig ist, hangt vom Einzelfall ab.Grundsatzlich kann das Landgericht zustandig sein, in dessen raumlichemZustandigkeitsbereich die Patentverletzung stattgefunden hat (so genannter Ge-richtsstand der unerlaubten Handlung). Da viele Patentgegenstande uberall inDeutschland vertrieben werden, kann grundsatzlich jedes zustandige Landgerichtangerufen werden. In Deutschland wurden im Jahr 2007 ca. 1.000 Verletzungs-klagen anhangig gemacht24, wobei die meisten Patentstreitsachen vor den Land-gerichten in Dusseldorf, Munchen oder Mannheim verhandelt werden.Es gibt auch eine ortliche Zustandigkeit, nach der das Landgericht zustandigist, in dem der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.Eine Klageschrift im Patentverletzungsverfahren hat in der Regel folgenden Auf-bau:

a) Rubrum25: Angabe der Parteien und der Vertreter.

b) Antrage: Hier wird genau festgelegt, was vom Beklagten begehrt wird,z.B. Unterlassung, Auskunft etc..

c) Klagebegrundung: Dies ist der umfangreichste Teil der Klage.

Das Streitpatent wird erlautert, indem z.B. der technische Hintergrund undder Stand der Technik beschrieben werden. Wesentlich ist die Beschreibung

23Es sei darauf hingewiesen, dass Patentstreitsachen mit Auslandsberuhrung wesentlich komple-xer sind, als hier abrissartig dargestellt wird.

24GRUR 2009, Heft 3–4, S. 20525lat. rot. Fruher wurden die Parteien in Rot auf den Prozessakten gekennzeichnet.

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48 KAPITEL 4. PATENTVERLETZUNG

der patentgemaßen Losung. Dies geschieht zweckmaßigerweise mit einerMerkmalsanalyse der Patentanspruche. Dabei kann die Bedeutung einzel-ner Merkmale anhand der Beschreibung und der Zeichnungen des Patentserlautert werden. Es muss auf sachliche Korrektheit und Anschaulichkeitgleichermaßen geachtet werden, denn das Patent muss den Richtern nahegebracht werden, die auf dem jeweiligen Gebiet technisch regelmaßig keineFachleute sind.

Dem Klagepatent wird dann der Verletzungsgegenstand gegenubergestellt,d.h. es wird dargelegt, dass die Merkmale der Merkmalsanalyse identischoder aquivalent beim Verletzungsgegenstand verwirklicht sind. Dies ist dasKernstuck der Argumentation, denn nur bei dem Vorliegen einer Patentver-letzung, d.h. der identischen oder aquivalenten Verwirklichung aller Merk-male, bestehen die geltend gemachten Anspruche uberhaupt. Dabei ist eswichtig, dass der Verletzungssachverhalt detailliert und plastisch dargestelltwird. Graphiken, Fotos und Messprotokolle sind gute Mittel, den Verlet-zungssachverhalt zu dokumentieren, wobei es nicht auf die Masse des vorge-legten Materials ankommt, sondern auf die glaubwurdige, in sich schlussigeArgumentation.

Zum Abschluss folgen Rechtsausfuhrungen.

Mit Einreichung der Klage beim Landgericht hat der Klager die voraussichtlichenGerichtskosten zu bezahlen. Nach der Zivilprozessordnung hat der Unterliegendein einem Rechtsstreit die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Kostenrisiko fureinen Klager in der ersten Instanz betragt in einem typischen Patentverletzungsfallca. EUR 40.000,– 26. Wenn der Klager spater unterliegt, muss er diese Kosten derobsiegenden Gegenseite erstatten.Das Landgericht stellt dem Beklagten die Klageschrift zu. Es schließt sich meistein schriftliches Vorverfahren an. Will sich der Beklagte gegen den Vorwurf derPatentverletzung verteidigen, wird er innerhalb einer vom Gericht gesetzten Fristeine Klageerwiderung beim Landgericht einreichen. In der Klageerwiderung wirdder Beklagte alle Grunde angeben, die seiner Meinung nach dafur sprechen, dasskeine Patentverletzung vorliegt.

26Dieses Rechenbeispiel basiert auf einem Streitwert von EUR 500.000,–, der fur ein Patentstreit-verfahren eher im unteren Bereich liegt. Der Streitwert ist ein Wert, der der Streitsache aus derSicht des Klagers zugewiesen wird. In den hier geschatzten Kosten sind die Kosten fur ein paral-leles Einspruchsverfahren oder ein Nichtigkeitsverfahren nicht enthalten. Es wird angenommen,dass auf beiden Seiten Rechts- und Patentanwalte tatig sind, was regelmaßig der Fall ist. Es wirdferner angenommen, dass die eigenen Anwalte Anwaltsgebuhren nach der RVG berechnen. Aufdie Moglichkeit einer Streitwertherabsetzung nach §144 PatG soll hier wenigstens hingewiesenwerden.

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4.7. VERFAHRENSRECHTLICHES ZUM PATENTVERLETZUNGSPROZESS 49

Er kann z.B. bestreiten, dass keine Patentverletzung vorliegt, da der Verletzungs-gegenstand nicht alle Merkmale des geltend gemachten Patentanspruchs aufweist.Insbesondere bei nur aquivalent verwirklichten Merkmalen gibt es Diskussions-spielraum.

Haufig wird der Beklagte versuchen, den Vorwurf einer Patentverletzung zu ent-kraften, indem er die Rechtsbestandigkeit des Patents bestreitet, d.h. er hat denStand der Technik recherchiert, nach dem der Gegenstand des Patents nichtneu oder nicht erfinderisch sein soll. Im Verletzungsverfahren vor dem Landge-richt wird er mit diesen Argumenten nicht ohne weiteres gehort werden, da inDeutschland die Landgerichte nicht uber die Patentfahigkeit einer Erfindung be-finden konnen. In der Sache mussen diese Argumente daher in einem parallelenEinspruchs– oder Nichtigkeitsverfahren geltend gemacht werden; darauf wird imnachsten Kapitel eingegangen werden.

Im Patentverletzungsverfahren hat das Landgericht nach pflichtgemaßem Ermes-sen zu entscheiden, ob das Verletzungsverfahren aufgrund der vorgetragenen Be-lege fur die mangelnde Patentfahigkeit ausgesetzt wird. Eine solche Aussetzungkann nur in Betracht kommen, wenn der Gegenstand des Klagepatents mit sehrhoher Wahrscheinlichkeit nicht schutzfahig ist. In der Regel wird dies nur der Fallsein, wenn der Gegenstand neuheitsschadlich durch den Stand der Technik vor-weggenommen ist. Bloße Zweifel an der Patentfahigkeit reichen nicht aus, umeine Aussetzung des Verfahrens zu rechtfertigen.

Nachdem sich der Klager zu dem Vorbringen des Beklagten nochmals geaußerthat, ist die mundliche Verhandlung seitens der Parteien vorbereitet.

In der mundlichen Verhandlung fuhrt der Vorsitzende Richter in das Sach– undStreitverhaltnis ein. In Abhangigkeit davon werden die Parteien dann ihre jewei-ligen Standpunkte vortragen, wobei die schriftsatzlich vorgetragenen Argumentesinnvollerweise zusammengefasst vorgetragen werden. In der Verhandlung kannes z.B. um die Beurteilung von Rechtsfragen, z.B. der Aquivalenz von Merkma-len gehen oder auch um Klarung technischer Fragen. Auch kann strittig sein, wer,wann was in welcher Weise benutzt hat.

In jedem Fall muss die mundliche Verhandlung seitens des Beklagten und desKlagers gut vorbereitet werden, denn das Gericht entscheidet aufgrund dermundlichen Verhandlung. Auch wenn sich das Gericht aufgrund der Schriftsatzeeine erste Meinung gebildet hat, so kann es durchaus auf Grund der einleuchten-den Argumentation einer Partei in der Verhandlung seine Meinung andern. Geradetechnische Gegenstande lassen sich haufig in Schriftsatzen nur schwer erklaren.Die Vorfuhrung der Gegenstande oder zumindest die Vorfuhrung von Modellenerleichtert dabei haufig das Verstandnis.

Aufgrund der jungsten Anderung des Zivilprozessrechtes kommt der ersten Instanz

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50 KAPITEL 4. PATENTVERLETZUNG

vor dem Landgericht eine besonders große Bedeutung zu, da das Vorbringen einesneuen Sachverhalts in hoheren Instanzen stark beschrankt wurde. Umso wichtigerist es, die Fakten des Falles sorgfaltig und ubersichtlich darzulegen.Im Laufe des Patentverletzungsverfahrens kann es zu Zeugenvernehmungen, Gut-achten durch Sachverstandige oder auch Augenscheinnahmen kommen, um denSachverhalt aufzuklaren.Schließlich wird das Gericht ein Urteil sprechen, in dem es den Antragen derKlagerin oder der Beklagten stattgibt.Es besteht die Moglichkeit, dass die Parteien im Laufe des Patentverletzungsver-fahrens einen Vergleich schließen, in dem jede der Parteien etwas nachgibt, umden Streit zu erledigen. Da bei Patentverletzungsstreitigkeiten bei den Parteien biszum Urteil haufig Unsicherheit uber den Ausgang des Verfahrens besteht, habendie Parteien durch den Vergleich die Chance, das Verfahren schnell abzuschließen.Die schnell geschaffene Rechtssicherheit ist haufig fur die Parteien wichtiger alsein Rechtsstreit, der nach vielen Jahren in der Berufungs- oder Revisionsinstanz(vielleicht) gewonnen wird. Ein solcher Vergleich kann z.B. den Abschluss einesLizenzvertrages27 beinhalten, so dass der Patentverletzer zwar seine Waren weiterverkaufen kann, er aber eine Lizenzgebuhr an den Patentinhaber zu zahlen hat.Auf die Rechtsmittel gegen ein erstinstanzliches Urteil eines Landgerichts soll indieser kursorischen Ubersicht nicht eingegangen werden.

4.7.3 Einstweilige Verfugung

Patentverletzungsprozesse dauern in der Regel mehrere Jahre. In vielen Fallendes Wirtschaftslebens stellt dies fur den Patentinhaber eine zu lange Wartezeitdar. Soll z.B. ein patentverletzender Gegenstand auf einer Messe ausgestellt wer-den, so mussen schnelle Maßnahmen ergriffen werden, um den Patentinhaber vorwirtschaftlichem Schaden zu bewahren.Fur solche Falle existiert die Moglichkeit, einen Antrag auf Erlass einer einstwei-ligen Verfugung zu stellen. Eine einstweilige Verfugung soll keinen rechtlichenEndzustand herstellen, sondern zunachst weiteren Schaden fur den Patentinhaberverhindern. Es soll der Anspruch fur den Patentinhaber gesichert werden.Der Patentinhaber kann einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfugung beieinem Landgericht stellen28. Wird die einstweilige Verfugung erlassen, so ist derUnterlassungsanspruch innerhalb weniger Tage oder sogar Stunden durchsetzbar.Fur den Erlass einer einstweiligen Verfugung muss ein Verfugungsanspruch be-stehen, fur den der Antragsteller glaubhaft machen muss, dass er Inhaber des Pa-

27siehe Kapitel 6.228Vor Stellung des Antrages wird in vielen Fallen auch eine Abmahnung mit kurzer Fristsetzung

ausgesprochen, um die Kostenfolge im Falle einer sofortigen Anerkenntnis zu umgehen.

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4.7. VERFAHRENSRECHTLICHES ZUM PATENTVERLETZUNGSPROZESS 51

tents ist und der Antragsgegner eine Patentverletzung begeht. So muss in der Regeldargelegt werden, welcher Gegenstand unter welchen Umstanden benutzt wird.Es mussen Grunde angegeben werden, warum eine solche Benutzung eine Patent-verletzung darstellt. Die Chancen fur den Erlass einer einstweiligen Verfugung sindumso hoher, je eindeutiger die Patentverletzung ist.Fur die Glaubhaftmachung reicht es aus, wenn die uberwiegende Wahrscheinlich-keit fur die Richtigkeit der Behauptungen dargetan wird.Ferner muss ein Verfugungsgrund vorhanden sein, d.h. es mussen Grunde vorge-tragen werden, warum der Antragsteller aufgrund der beanstandeten Handlungenwesentliche Nachteile in Kauf nehmen musste, falls dem Antrag nicht entsprochenwird.Die Richter nehmen dann eine Interessenabwagung vor, bei welcher der Parteiender durch Erlass oder Nichterlass der Verfugung eintretende Schaden großer seinwurde. Wenn sich ein enormer Schaden fur den Patentinhaber nur durch den Er-lass einer einstweilige Verfugung verhindern lasst, man denke an eine Messe miteiner Ausstellung von patentverletzenden Produkten, dann wird das Gericht ehergeneigt sein, dem Antrag stattzugeben.Ganz wesentlich ist, ob der Patentinhaber schnell29 genug auf eine ihm bekanntgewordene Patentverletzung reagiert hat. Hat er z.B. ein Jahr gewartet, so kannihm zugemutet werden, die Anspruche im normalen Klageverfahren durchzuset-zen.Da der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfugung die scharfste Waffe ist,kommt es beim bekannt werden einer Patentverletzung haufig auf jeden Tag, sogarauf Stunden an.Andererseits birgt diese scharfe Waffe fur den Patentinhaber auch ein hohes Ko-stenrisiko. Sollte sich die einstweilige Verfugung spater von Anfang an als unbe-rechtigt herausstellen, so ist der Patentinhaber dem vermeintlichen Patentverlet-zer zum Schadensersatz verpflichtet. Dieser Schadensersatz kann sehr hoch sein,so dass eine einstweilige Verfugung wohl uberlegt eingesetzt werden muss.

29Einige Landgerichte gewahren keine einstweiligen Verfugungen mehr, wenn langer als einenMonat seit positiver Kenntnisnahme gewartet wurde.

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52 KAPITEL 4. PATENTVERLETZUNG

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Kapitel 5

Abwehr einer Patentverletzung

In vielen Fallen wird sich ein mutmaßlicher Patentverletzer gegen einen Verlet-zungsvorwurf dadurch wehren, dass er die Rechtsbestandigkeit des Patents inZweifel zieht.Im Folgenden wird ein kursorischer Uberblick uber das Einspruchs- und das Nich-tigkeitsverfahren gegeben. In diesem Zusammenhang werden auch die sehr wich-tigen Patentvoraussetzungen der Neuheit und der erfinderischen Tatigkeit be-schrieben. Die gleichen Patentierungsvoraussetzungen werden auch im Patenter-teilungsverfahren vom Patentprufer gepruft.

5.1 Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren

Nach §59 PatG kann jeder innerhalb von drei Monaten nach der Veroffentlichungder Patenterteilung gegen ein deutsches Patent Einspruch erheben1. Fur den Fall,dass ein Unberechtigter das Patent angemeldet hat, ist nur der dadurch in seinenRechten Verletzte zum Einspruch berechtigt. Der Einspruch wird vor dem Deut-schen Patent- und Markenamt schriftlich erhoben, wobei eine Gebuhr in Hohe vonEUR 200,– zu entrichten ist. In dem Einspruchsschriftsatz sind die Tatsachen, dieden Einspruch rechtfertigen, im Einzelnen anzugeben. Ein Widerruf des Patentsaufgrund des Einspruchs kommt nur aufgrund der in §21 PatG genannten Wider-rufsgrunde in Frage.In der Praxis sind die Widerrufsgrunde der mangelnden Neuheit und der man-gelnden erfinderischen Tatigkeit von uberragender Bedeutung. Gerade auch zurBeurteilung eines Rechercheergebnisses ist es notwendig, uber eine sichere Kennt-nis dieser Begriffe zu verfugen. Da in der offentlichen Diskussion in Zusammen-hang mit Biotechnologie– oder Softwareerfindungen auch andere Patentvorausset-zungen angesprochen werden, soll auch der Erfindungsbegriff im Folgenden kurz

1Die Einspruchsfrist gegen ein europaisches Patent betragt neun Monate.

53

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54 KAPITEL 5. ABWEHR EINER PATENTVERLETZUNG

erlautert werden.Nach Ablauf der Einspruchsfrist ist das Patent nur noch mit einer Nichtigkeits-klage gemaß §81 PatG vor dem Bundespatentgericht angreifbar. Die Nichtigkeits-grunde werden in §22 PatG genannt, wobei sich dieser auf den §21 PatG bezieht.

5.2 Mangelnde Patentfahigkeit

Im deutschen Patentgesetz ist die Patentfahigkeit wie folgt definiert:

§1 Abs. 1 PatG: Patente werden fur Erfindungen erteilt, die neu sind,auf einer erfinderischen Tatigkeit beruhen und gewerblich anwend-bar sind.

Die vier Grundvoraussetzungen der Patentfahigkeit sind durch Fettdruck hervor-gehoben. Auf diese Grundvoraussetzungen wird im Folgenden naher eingegangenwerden.Dabei wird sowohl bei der Prufung der Patentfahigkeit als auch bei der Beurteilungeiner Patentverletzung vom Inhalt der unabhangigen Patentanspruche ausgegan-gen.

5.2.1 Erfindung

Weder im deutschen Patentgesetz noch im europaischen Patentubereinkommenwird der Begriff Erfindung definiert. Es hat viele Versuche gegeben, den BegriffErfindung gesetzlich zu definieren, die sich alle als nicht sinnvoll herausgestellthaben. Das Patentgesetz belasst den Begriff Erfindung als einen unbestimmtenRechtsbegriff, der durch die Rechtsprechung ausgestaltet werden muss. Gegenubereiner gesetzlichen Festschreibung bietet dies den Vorteil, dass sich die Rechtspre-chung leichter an technische Entwicklungen anpassen kann.In Schulte, Patentgesetz, 8. Auflage, §1, Rdn. 18 wird folgende mogliche Definitioneiner patentfahigen Erfindung gegeben:

Eine Erfindung im Sinne des Patentrechts ist eine technische Lehre.Diese setzt voraus, dass sie eine konkrete Handlungsanweisung gibt, ei-ne praktischen Nutzen hat, in wiederholbarer Wiese realisierbar ist unddie Losung einer Aufgabe durch technische Uberlegungen darstellt.

Allerdings definiert das Patentgesetz, was keine Erfindung im Sinne des Gesetzesist2:

2Auf die §§1 Abs. 2, 1a PatG betreffend biotechnologische Erfindungen wird hier nicht einge-gangen.

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5.2. MANGELNDE PATENTFAHIGKEIT 55

§1 Abs. 2 PatG: Als Erfindungen im Sinne des Abs. 1 werden insbeson-dere nicht angesehen:

1. Entdeckungen sowie wissenschaftliche Theorien und mathemati-sche Methoden;

2. asthetische Formschopfungen;

3. Plane, Regeln und Verfahren fur gedankliche Tatigkeiten, fur Spie-le oder fur geschaftliche Tatigkeiten, so wie Programme fur Daten-verarbeitungsanlagen;

4. die Wiedergabe von Informationen.

Nach §1 Abs. 3 PatG steht der §1 Abs. 2 PatG der Patentfahigkeit nur insoweitentgegen, als fur die genannten Gegenstande oder Tatigkeiten als solche Schutzbegehrt wird.Bei der Formulierung der Ausschlussliste fallt auf, dass diese nicht abschließendist (... insbesondere nicht angesehen...), es kann also auch weitere Erfindungengeben, die nicht patentfahig sind.Die in der Ausschlussliste genannten Begriffe betreffen keine praktische Anweisun-gen zum technischen Handeln. Vom Ausschluss betroffen sind z.B. reiner Erkennt-nisgewinn (Entdeckung), wahrend eine praktische Anwendung der Entdeckungdurchaus patentfahig sein kann3. Fur die genannten abstrakten Gegenstande sol-len keine Patente erteilt werden.Fur die Patentfahigkeit kommt es also auf das Praktische an, was (leicht veren-gend) auch mit technisch4 umschrieben werden konnte. Dies ergibt sich nicht di-rekt aus dem §1 PatG, sondern lasst sich anhand einiger Begriffe aus dem Gesetzund aus der Geschichte des Patentgesetzes ableiten5.Fest steht, dass Patentschutz nur fur technische Erfindungen erteilt wird, wobeider Begriff technisch einer Definition bedarf.Der Bundesgerichtshof (BGH) verwendete z.B. folgende Definition6 des BegriffesTechnizitat7:

Technisch ist eine Lehre zum planmaßigen Handeln unter Einsatz be-herrschbarer Naturkrafte zur Erreichung eines kausal ubersehbaren

3Beispiel: Rontgenstrahlen an sich waren eine Entdeckung und daher nicht patentfahig, einRontgenapparat ware grundsatzlich patentfahig.

4siehe obige Definition einer patentfahigen Erfindung5In dem Kommentar Schulte, Patentgesetz, 8. Auflage §1, Rdn. 19–28 werden solche An-

knupfungspunkte aufgefuhrt, z.B. wird im §3 Abs. 1 PatG der Stand der Technik erwahnt.6Zitiert nach Schulte a.a.O. §1, Rdn. 327Dies ist das etwas ungewohnliche Substantiv zu technisch.

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56 KAPITEL 5. ABWEHR EINER PATENTVERLETZUNG

Erfolgs, der ohne Zwischenschaltung menschlicher Verstandestatigkeitdie unmittelbare Folge des Einsatzes beherrschbarer Naturkrafte ist.

Aus dieser Definition ergibt sich z.B., dass der Gegenstand einer Erfindung nichtgegen Naturgesetze verstoßen darf. Auch muss die technische Lehre in wieder-holbarer Weise stets denselben Erfolg zeigen. Im Rahmen einer Ubung wird dieBedeutung dieser Definition ausgelotet werden.

Allerdings wird der oben angegebene Technikbegriff des BGH seit dem Jahr 2000weniger restriktiv ausgelegt. Auf die Unmittelbarkeit des Einsatzes der Naturkraftewurde im Hinblick auf Softwareerfindungen verzichtet.

Ferner ergibt sich aus §1 Abs. 3 PatG sich in etwas verklausulierter Form, dass dieAusschlussliste nur gilt, wenn die genannten Gegenstande als solche beanspruchtwerden.

Dies bedeutet, es gibt patentfahige Erfindungen, die z.B. auch eine asthetischeWirkung haben, wie ein besonders erfinderisch konstruiertes Mobelstuck. DasErfinderische wurde dann durch ein Patent geschutzt, die asthetische Wirkungkonnte durch ein Geschmacksmuster geschutzt werden. Somit kann eine pa-tentfahige Lehre auch nicht-patentfahige Merkmale aufweisen. Es kommt dabeiimmer auf den Gesamtcharakter der Erfindung an. Dabei ist wichtig, dass es furdie weitere Prufung der Patentfahigkeit (z.B. Prufung der Neuheit) nur auf dietechnischen Merkmale ankommt. Man bekommt also kein Patent fur einen be-kannten Gegenstand, der nur in seiner asthetischen Wirkung neu ist.

5.2.2 Computer-implementierte Erfindungen, Softwarepatente

Die verklausulierte Formulierung des §1 Abs. 2 und 3 PatG fuhrt u.a. auch zu demweit verbreiteten Missverstandnis, dass Computerprogramme generell nicht pa-tentfahig seien. Auch wenn diese Frage heiß umstritten ist, so stellen in der heuti-gen Patentpraxis Computerprogramme eine technische Erfindung dar, wennsie sich nicht allein auf einen abstrakten Algorithmus beziehen. Die softwa-rebezogene Erfindung muss also Technizitat aufweisen. Grundsatzlich wird einesoftwarebezogenen Erfindung technisch sein, wenn sie automatisch einen physi-kalischen Parameter, d.h. einen messbaren Parameter andert. Fuhrt ein Programmz.B. dazu, dass ein Gegenstand, insbesondere auch ein Computerprogramm selbst,schneller funktioniert, so spricht dies fur die Technizitat des Gegenstandes der Er-findung. Eine auch fur die deutsche Rechtsprechung wichtige Entscheidung8 derBeschwerdekammer des Europaischen Patentamtes druckt dies folgendermaßenaus:

8Entscheidung T 1173/97 - 3.5.1 vom 1. Juli 1998, Amtsblatt EPA 10/1999, S. 609

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5.2. MANGELNDE PATENTFAHIGKEIT 57

Ein Computerprogrammprodukt fallt nicht unter das Patentierungsver-bot nach Artikel 52 (2) und (3) EPU9, wenn es beim Ablauf auf einemComputer einen weiteren technischen Effekt bewirkt, der uber die nor-male physikalische Wechselwirkung zwischen dem Programm (Softwa-re) und dem Computer (Hardware) hinausgeht.

Rechtsprechung des EPA

Die Beschwerdekammern10 des EPA haben sich insbesondere in zwei Entschei-dungen neueren Datums mit der Patentierbarkeit computer-implementierter Er-findungen befasst, namlich in den Entscheidungen T0258/03 Auktionsverfah-ren/Hitachi vom 21.04.200411 und T0930/05 Modellieren eines Prozessnetz-werks vom 10.11.200612. Die Entscheidung T0258/03 ist in ihrer Bedeutung furdie Handhabung und patentrechtliche Bewertung von computer-implentierten Er-findungen durch das EPA bereits von Wiebe und Heidinger13 treffend kommentiertworden. Die T0930/05 schließt an die T0258/03 an und geht auf die Beurteilungsolcher Gegenstande ein, die eine sowohl technische als auch nicht technischeAuslegung zulassen.In der Entscheidung T0258/03 Auktionsverfahren/Hitachi hatte das EPA uberdie Patentierbarkeit eines automatisierten Auktionsverfahrens zu entscheiden, dassich zu seiner Durchfuhrung eines Computernetzwerks bedient und auf einem Ser-vercomputer ausgefuhrt wird. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Erfindungi.S.d.Art. 52 (1) EPU vorliegt, geht die Beschwerdekammer davon aus, dass hierbeijeglicher Vergleich mit dem Stand der Technik unangemessen sei, die Beurteilungder Frage, ob eine Erfindung vorliegt, also ohne Kenntnis des Standes der Technikerfolgen musse. Zudem stellt die Beschwerdekammer fest, dass ein Gegenstand,der technische und nichttechnische Merkmale umfasst, grundsatzlich patentierbarsein konne. Der Patentfahigkeit stehe ein zusatzliches Merkmal, dass als solchesdem Patentierungsverbot unterliegt, nicht entgegen. Berucksichtige man diese bei-den Feststellungen zusammen, so folge zwingend, dass ein technische und nicht-technische Merkmale aufweisender Gegenstand nicht nach Art. 52 (2) Nr. 3 EPUzuruckgewiesen werden konne, da sich ja herausstellen konnte, dass die techni-

9Diese Artikel des EPU entsprechen §1 Abs. 2 und 3 PatG.10Die folgenden Ausfuhrungen stutzen sich im Wesentlichen auf den Aufsatz Schroder, Gross

Neuere Entwicklungen in der deutschen und europaischen Rechtsprechung zur Patentierbarkeitcomputer- implementierter Erfindungen, Tagungsband Herbstakademie 2007 Aktuelle Entwick-lungen im Informationstechnologierecht, Deutsche Stiftung fur Recht und Informatik

11siehe EPA, T0258/03 vom 21.04.2004 - Auktionsverfahren/Hitachi; ABl. EPA 2004, 57512siehe EPA, T0930/05 vom 10.11.2006 - Modellieren eines Prozessnetzwerkes/XPERT13Wiebe, Heidinger - Ende der Technizitatsdebatte zu programmbezogenen Lehren? - Anmer-

kungen zur EPA-Entscheidung Auktionsverfahren/Hitachi ; GRUR 2006, S. 177

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58 KAPITEL 5. ABWEHR EINER PATENTVERLETZUNG

schen Merkmale selbst allen Anforderungen des Art. 52 (1) EPU genugen.

Die Beschwerdekammer senkt somit in T0258/03 die Anforderungen an die Ein-gangshurde des Art. 51 (1) EPU zum Vorliegen einer Erfindung. So soll eine Er-findung im Sinne des Art. 51 (1) EPU bereits deswegen vorliegen, weil ein Ge-genstand technische Merkmale (vorliegend beispielsweise einen Server- Compu-ter enthalt. Die Beschwerdekammer stellt hierzu weiterhin fest, dass diese Feststel-lung von der Kategorie eines Patentanspruchs (d.h. eine beanspruchte Vorrichtungoder ein beanspruchtes Verfahren) unabhangig sei, Anspruche also unabhangigvon ihrer Kategorie gleich zu behandeln seien.

Die Entscheidung T0258/03 andert fruhere Rechtsprechung der Beschwerdekam-mern des EPA, in der Verfahrensanspruche und Vorrichtungsanspruche noch unter-schiedlich behandelt worden waren. Es ergibt sich somit allgemein, dass jeglicherKombination von technischen und nichttechnischen Merkmalen unabhangig vonihrer Anspruchskategorie Erfindungscharakter zuzuerkennen ist. Keine Erfindungliegt nur bei vollstandiger Abwesenheit von technischen Merkmalen vor, also le-diglich bei rein abstrakten Konzepten ohne jeglichen technischen Bezug. Lediglichrein gedankliche Tatigkeiten oder menschliche Wahrnehmungsphanomene fallenso nicht unter den Erfindungsbegriff und sind dem Patentschutz nicht zuganglich.

Die Entscheidung T 0930/05 Modellieren eines Prozessnetzwerks bestatigt dieT0258/03 und geht darauf ein, wie Lehren, die sich nicht notwendigerweise tech-nischer Mittel bedienen, einzuordnen sind. Gemaß der T0930/05 muss ein Verfah-ren mindestens ein technisches Mittel aufweisen, um einen technischen Charakterzu besitzen, was notwendig und hinreichend ist, um eine Erfindung i.S.d. Art. 52(1) EPU bereitzustellen. Die T0930/05 stellt jedoch klar, dass auch Lehren, diesich nicht notwendigerweise technischer Mittel bedienen, nicht als Erfindungeni.S.d.Art. 52 (1) EPU anzusehen sind. Einem Gegenstand, der nicht zwangslaufigtechnische Mittel einsetzt, sondern auch ohne technische Mittel beispielsweise imRahmen eines rein wirtschaftlichen Vorgangs umgesetzt werden kann, wird keinErfindungscharakter zugeschrieben. Erlaubt ein Teilmerkmal in einem Ansprucheine nichttechnische Auslegung, so ist es als nichttechnisches Mittel anzusehen.Die bloße Moglichkeit einer Verwendung technischer Mittel soll gerade nicht aus-reichen.

Mit den Entscheidungen T0258/03 und T0930/05 sind computer-implementierteLehren als Erfindungen anzuerkennen und somit dem Patentschutz grundlegendallein deswegen zuganglich, weil sie zur Verwendung eines Computers bestimmtsind und sich somit technischer Mittel bedienen. Die T0930/05 stellt klar, dassein Gegenstand im Zusammenhang mit einem technischen Mittel (eine computer-implementierte Lehre also im Zusammenhang mit einem Computer) beanspruchtwerden muss, um als Erfindung anerkannt zu werden. Ein abstraktes Konzept, das

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5.2. MANGELNDE PATENTFAHIGKEIT 59

sich lediglich zur Ausfuhrung auf einem Computer eignet, bleibt vom Patentschutzausgeschlossen.

Die Beschwerdekammer des EPA nimmt eine bewusst breite Auslegung des BegriffsErfindung vor. Dieses stellt aber nur scheinbar eine Erleichterung fur die Patentier-barkeit computer-implementierter Lehren dar, da auch solche Erfindungen selbst-verstandlich die weiteren Anforderungen des Art. 52 (1) EPU hinsichtlich Neu-heit, erfinderischer Tatigkeit und gewerblicher Anwendbarkeit erfullen mussen.Bei der Prufung auf erfinderische Tatigkeit spielt die Untergliederung eines be-anspruchten Gegenstands in seine technischen und nichttechnischen Merkmaledann jedoch eine entscheidende Rolle, indem bei der Prufung auf erfinderischeTatigkeit nur diejenigen Merkmale berucksichtigt werden, die zum technischenCharakter der Erfindung beitragen. Es mussen somit die Merkmale ermittelt wer-den, die einen technischen Beitrag leisten, und nur diese Merkmale konnen dieerfinderische Tatigkeit begrunden14.

Beispielsweise konnen auf einem Computer ablaufende Verfahrensschritte, dieeine Geschaftsidee umsetzen, nicht zum technischen Charakter einer Erfindungbeitragen und sind bei der Prufung auf erfinderische Tatigkeit auch nicht zuberucksichtigen. Eine fur die Entwicklung außertechnischer Regeln z.B. einerGeschaftsidee erforderliche Kreativitat wird nicht berucksichtigt. Erschopft sichder technische Inhalt einer Lehre darin, dass ein an sich nichttechnisches Verfah-ren auf einem Computer ausgefuhrt wird, so besteht der patentrechtlich relevanteund ausschließlich zu beurteilende Teil dann in der technischen Umsetzung aufdem Computer, die (soweit sie sich beispielsweise auf die softwaretechnische Pro-grammierung beschrankt) fur den Fachmann nahe liegend ist. Der beanspruchteGegenstand stellt so zwar eine Erfindung dar. Gleichwohl ist er aufgrund mangeln-der erfinderischer Tatigkeit nicht patentierbar15.

Die Prasidentin des Europaischen Patentamts hat im Jahr 2008 der GroßenBeschwerdekammer des EPA einige Fragen vorgelegt, deren Beantwortungzur Klarung offener Fragen in der Behandlung software-basierter Erfindun-gen beitragen soll. Es bleibt abzuwarten, wie die Große Beschwerdekam-mer auf diese Frage reagieren wird. Den aktuellen Stand kann man un-ter www.epo.org/patents/appeals/eba-decisions/referrals/ pending de.html ein-sehen.

14 siehe EPA, T0258/03 vom 21.04.2004 - Auktionsverfahren/Hitachi; ABl. EPA 2004, 57515die praktischen Auswirkungen hiervon sind beispielsweise anschaulich aus Sicht der Prufer am

EPA von Closa et al. (epi information 2/2007, S. 65) beschrieben worden

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60 KAPITEL 5. ABWEHR EINER PATENTVERLETZUNG

Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH)

Die neuere deutsche Rechtsprechung zur Patentierbarkeit computer-implementierter Lehren basiert wesentlich auf der Entscheidung Logikverifikationdes BGH vom 13.12.199916.In dieser Entscheidung stellt der BGH fest, dass Programme fur Datenverarbei-tungsanlagen grundsatzlich nicht vom Patentschutz ausgenommen sein sollen,sondern nur insoweit, als dass fur sie als solche Schutz begehrt werde. Hierzu seieine Gesamtbetrachtung des beanspruchten Gegenstandes vorzunehmen, die dieMoglichkeit einer unterschiedlichen Gewichtung von Einzelmerkmalen mit ein-schließe. Die Wertung durfe dabei, so der BGH, nicht davon abhangen, ob der zubeurteilende Gegenstand neu und erfinderisch sei, und auch nicht einseitig daraufabstellen, was bekannt war und was demgegenuber an der angemeldeten Leh-re neuartig ist. Entscheidend sei vielmehr, was nach der beanspruchten Lehre imVordergrund stehe und aus der Sicht des Fachmanns zum Anmeldezeitpunkt zuverstehen und einzuordnen sei.Nach Auffassung des BGH in der Entscheidung Logikverifikation sollen Program-me fur Datenverarbeitungsanlagen dann dem Patentschutz zuganglich sein, wennihre Lehre durch eine Erkenntnis gepragt ist, die auf technischen Uberlegungenberuht. Der BGH stellt weiterhin fest, dass der Technikbegriff nicht statisch seinsolle, sondern sich mit den technologischen Entwicklungen andern konne. So habedie industrielle Entwicklung dazu gefuhrt, dass die zur Entwicklung von Halblei-terchips erforderlichen Arbeiten nicht mehr durch maschinelle Fertigung gepragtsind, die den unmittelbaren Einsatz beherrschbarer Naturkrafte erfordern. Diesandere aber nichts daran, dass es hierbei um die Beherrschbarkeit von Fertigungs-prozessen hochintegrierter Schaltungen gehe, die dem Bereich der Technik zuzu-ordnen und nicht ohne technische Uberlegungen zu erledigen seien.Das Abgrenzungskriterium, das der BGH mit Logikverifikation in den Vordergrundstellt, ist somit das Erfordernis technischer Uberlegungen. Sind solche bei einemProgramm fur Datenverarbeitungsanlagen nicht erforderlich, so stelle es keine Er-findung i.S.d. §1 (1) PatG dar und sei dem Patentschutz nicht zuganglich.An die Entscheidung Logikverifikation schließt die Entscheidung Sprachanalyse-einrichtung des BGH vom 11.05.200017 an, in der der BGH grundsatzlich die Tech-nizitat von Vorrichtungen anerkennt, die in bestimmter Weise programmtechnischeingerichtet sind. Damit nimmt der BGH explizit eine unterschiedliche Behand-lung von Verfahren und Vorrichtungen vor, indem Vorrichtungen ohne weiteresals technisch anerkannt werden, Verfahren, die durch Computerprogramme aus-

16BGH, Beschl. vom 13.12.1999, X ZB 11/98 - Logikverifikation; GRUR 2000, S. 49817BGH, Beschl. vom 11.05.2000, X ZB 15/98 - Sprachanalyseeinrichtung; JurPC Web-Dok.

137/2000

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5.2. MANGELNDE PATENTFAHIGKEIT 61

gefuhrt werden, hingegen nicht unbedingt.In der Entscheidung Suche fehlerhafte Zeichenketten vom 17.10.200118 befasstesich der BGH damit, ob ein auf einem digitalen Speichermedium enthaltenes Com-puterprogramm dem Patenschutz zuganglich sei. Der BGH stellt hierin fest, dassder Patentierungsausschluss des §1 (2) Nr. 3 PatG die Patentierung von jedwe-der in computergerechte Anweisungen gekleideten Lehre verbiete, wenn sie nur- irgendwie - uber die Bereitstellung der Mittel hinausgehe, die die Nutzung alsProgramm fur Datenverarbeitungsanlagen erlauben. Die pragenden Anweisungender beanspruchten Lehre mussten vielmehr der Losung eines konkreten techni-schen Problems dienen.Diese Rechtsprechung hat der BGH auch in nachfolgenden Entscheidungen bei-behalten und bei der Beurteilung, ob ein Programm fur Datenverarbeitungsanla-gen eine Erfindung i.S.d.§1 (1) PatG darstellt, darauf abgestellt, ob die pragendenAnweisungen der Losung eines konkreten technischen Problems mit technischenMitteln dienen. So fuhrt der BGH in der Entscheidung Elektronischer Zahlungsver-kehr vom 24.05.200419 aus, dass im Hinblick darauf, dass uber den Patentschutzausschließlich Problemlosungen auf einem Gebiet der Technik gefordert werdensollen, weil sie in Ansehung des Stands der Technik auf erfinderischer Tatigkeit be-ruhen, es allein darum gehe, diejenigen Anweisungen zu erfassen, die eine Aussa-ge daruber zulassen, ob eine schutzwurdige Bereicherung des Standes der Technikvorliege. Dieses betreffe nicht allein Programme fur Datenverarbeitungsanlagennutzende Lehren, sondern es sei grundsatzlich zu fragen, ob die angemeldete Leh-re Anweisungen enthalte, die sich mit dem Stand der Technik vergleichen lassen.Bei Programmen fur Datenverarbeitungsanlagen habe diese Prufung aufgrund desPatentierungsausschlusses durch §1 (2) Nr. 3 PatG aber besondere Bedeutung, sodass ein Patenschutz erst in Betracht komme, wenn der beanspruchte Gegenstanduber ein Programm fur Datenverarbeitungsanlagen als solches hinausgehe.In der Entscheidung Rentabilitatsermittlung vom 19.10.200420 wiederum stelltder BGH fest, dass ein Verfahren, das sich zur Herbeifuhrung des angestrebtenErfolgs eines Programms bedient, mit dessen Hilfe eine Datenverarbeitungsanlagegesteuert wird, nicht schon wegen des Vorgangs der elektronischen Datenverar-beitung dem Patentschutz zuganglich sei. Liege einem beanspruchten Verfahrenein rein betriebswirtschaftliches Problem zugrunde, das an sich nichttechnischerNatur sei, sei das beanspruchte Verfahren dem Patentschutz nicht zuganglich. Dieallgemeine Zielsetzung, sich zur Erreichung eines außertechnischen Ergebnisses

18BGH, Beschl. vom 17.10.2001, X ZB 16/00 - Suche fehlerhafter Zeichenketten; JurPC Web-Dok. 253/2001

19BGH, Beschl. vom 24.05.2004, X ZB 20/03 - Elektronischer Zahlungsverkehr; GRUR 2004,S. 667

20BGH, Beschl. vom 19.10.2004, X ZB 34/03 - Rentabilitatsermittlung; GRUR 2005, S.143

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62 KAPITEL 5. ABWEHR EINER PATENTVERLETZUNG

der elektronischen Datenverarbeitung und Datenubertragung zu bedienen, sei ge-rade nicht ausreichend.

In dieser Entscheidung halt der BGH ausdrucklich auch die Ungleichbehandlungvon Verfahrens- und Vorrichtungsanspruchen aufrecht. Obwohl Vorrichtungen zurDatenverarbeitung generell technischer Charakter zukomme und diese somit demPatentschutz grundsatzlich zuganglich seien, gelte dies fur Verfahren nicht. Diesesfolge unmittelbar aus der Formulierung des §1 (2) Nr. 3 PatG, der nur Programmefur Datenverarbeitungsanlagen betreffe, nicht aber solche Anlagen selbst.

Der BGH stellt aber auch fest, dass die Ungleichbehandlung von Verfahren undVorrichtungen in diesem Zusammenhang im Ergebnis keinen Unterschied mache,da auch bei der vorrichtungsmaßigen Einkleidung einer Lehre, die sich der elek-tronischen Datenverarbeitung bedient, deren Patentfahigkeit nur dann zu bejahensei, sofern die Losung eines konkreten technischen Problems mit Mitteln gelehrtwird, die neu sind, auf einer erfinderischen Tatigkeit beruhen und gewerblich an-wendbar sind. Bei Vorrichtungen wird die Prufung des konkreten technischen Pro-blems somit lediglich hin zur Prufung der weiteren Tatbestandmerkmale, insbe-sondere der erfinderischen Tatigkeit, verschoben.

Auch die Entscheidung Anbieten interaktiver Hilfe des BGH vom 19.10.200421

bestatigt das Erfordernis des Vorliegens eines konkret zu losenden technischenProblems. So solle es nicht genugen, dass die Informationsverschaffung automa-tisch mit Hilfe elektronischer Datenverarbeitung erfolge. Auch wenn der techni-sche Charakter von fur das Verfahren benotigter Rechner außer Zweifel stehe, soergebe sich daraus noch kein konkretes technisches Problem, das mit den Merk-malen des Verfahrens gelost werde.

In der Entscheidung Aufzeichnungstrager vom 19.05.200522 fuhrt der BGH aus,dass es einem Patentschutz fur ein Verfahren oder eine Vorrichtung nicht entge-genstehe, wenn das Verfahren oder die Vorrichtung die Wiedergabe von Informa-tionen betrifft. Vielmehr werde nur die Wiedergabe von Informationen als solchenicht als Erfindung angesehen, gemaß dem Ausschlusstatbestand gemaß §1 (2)Nr. 4 PatG. Maßgeblich sei daher, ob die beanspruchte Lehre Anweisungen enthal-te, die der Losung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mittelndienen. Ist dies der Fall, kommt es nicht darauf an, ob der Patentanspruch auchauf die Verwendung eines Algorithmus, einen im geschaftlichen liegenden Zweckoder den Informationscharakter des Verfahrensergebnisses oder der beanspruch-ten Sache abstellt.

21BGH, Beschl. vom 19.10.2004, X ZB 33/03 - Anbieten interaktiver Hilfe; GRUR 2005, S. 14122BGH, Urt. vom 19.05.2005, X ZR 188/01 - Aufzeichnungstrager; GRUR 2005, S. 749

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5.2. MANGELNDE PATENTFAHIGKEIT 63

Fazit

Mit den Entscheidungen T0258/03 und T0930/05 haben die Beschwerdekam-mern des EPA die Hurde fur die Frage, ob eine Erfindung i.S.d. Art. 52 (1) EPUvorliegt, gesenkt, da auch solche Computerprogramme nunmehr als Erfindung ein-zuordnen sind, die keinen technischen Effekt uber die herkommliche Verwendungeines Computers hinaus erzeugen23.

Die Patentierbarkeit computer-implementierter Erfindungen wird hierdurch je-doch nur vordergrundig vereinfacht und ist fur solche Erfindungen, die sich aus-schließlich auf die softwaretechnische Umsetzung von nichttechnischen Konzep-ten beziehen, nach wie vor ausgeschlossen, soweit keine technischen Merkmalevorhanden sind, die die erfinderische Tatigkeit begrunden konnen.

Der in fruherer Rechtsprechung des EPA entwickelte Beitragsansatz (demnach ei-ne beanspruchte Lehre als Ganzes betrachtet einen Beitrag zum Stand der Technikliefern musste) bleibt somit auch im Rahmen der neueren Rechtsprechung des EPAin gewissem Sinne fortbestehen, wird jedoch von der Prufung, ob eine Erfindungvorliegt, ubertragen auf die Prufung der Erfindungshohe24. Da fur die Beurteilungder erfinderischen Tatigkeit nur solche Merkmale berucksichtigt werden, die einentechnischen Charakter aufweisen, mussen diese technischen Merkmale einen er-finderischen Beitrag zum Stand der Technik liefern, damit auf die beanspruchteLehre ein Patent erteilt werden kann. Die Prufung auf den technischen Charakterder einzelnen Merkmale findet nunmehr jedoch erst bei der Prufung auf erfinderi-sche Tatigkeit statt und nicht schon bei der Prufung der Frage, ob uberhaupt eineErfindung vorliegt.

Diesem steht - zumindest vordergrundig - die in den neueren Entscheidungen ver-tretene Auffassung des BGH entgegen, demnach Programme fur Datenverarbei-tungsanlagen nur dann als Erfindungen i.S.d.Patentgesetzes eingestuft werden,wenn sie der Losung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mit-teln dienen und somit uber Programme fur Datenverarbeitungsanlagen als solchehinausgehen.

Der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA und des BGH bleibt jedochgemein, dass bei der Prufung auf Patentfahigkeit generell solche Merkmale derbeanspruchten Lehre bestimmt werden mussen, die einen technischen Charakteraufweisen, um sie mit dem Stand der Technik vergleichen zu konnen. Nur wennuberhaupt solche Merkmale mit technischem Charakter vorhanden sind, kann ei-

23im Gegensatz beispielsweise zur T1173/97 Computer program product/IBM (EPA, vom01.07.1998), die zwar auch Computerprogrammen grundsatzlich die Patentierbarkeit zuerkannte,dieses aber davon abhangig machte, ob ein Computerprogramm einen zusatzlichen technischenEffekt bewirkt.

24siehe hierzu auch Benkard, Georg et al., Patentgesetz, 10. Aufl., 2006; §1, Rdn.122

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64 KAPITEL 5. ABWEHR EINER PATENTVERLETZUNG

ne patentfahige Erfindung vorliegen, wobei das Vorhandensein nichttechnischerMerkmale weder nach Auffassung der Beschwerdekammern des EPA noch desBGH der Patentfahigkeit grundsatzlich entgegensteht.

Bezuglich computer-implementierter Erfindungen macht der BGH fur die Beurtei-lung, ob eine Erfindung vorliegt, die zusatzliche Einschrankung, dass die bean-spruchte Lehre uber die allgemeine Zielsetzung hinausgehen muss, sich zur Er-reichung eines außertechnischen Ergebnisses sich der elektronischen Datenverar-beitung zu bedienen. Im Gegensatz hierzu erkennen die Beschwerdekammern desEPA die Technizitat grundlegend aller Lehren an, die sich zu ihrer Ausfuhrungeines Computers bedienen. Da nach der EPA-Rechtsprechung bei der Prufung auferfinderische Tatigkeit aber nur solche Merkmale berucksichtigt werden, die einentechnischen Charakter aufweisen, muss eine Lehre, damit sie patentierbar ist, auchnach Auffassung der Beschwerdekammern des EPA Anweisungen enthalten, dieder Losung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln die-nen. Dieses wird jedoch erst bei der Beurteilung der Erfindung auf erfinderischeTatigkeit berucksichtigt.

Es ergibt sich im Unterschied zwischen EPA und BGH somit lediglich, dass nachder Rechtsprechung des BGH eine Lehre, die sich in der computertechnischen Um-setzung eines an sich außertechnischen Verfahrens (z.B.eines Arbeitsverfahrens)erschopft, bereits an der Eingangshurde des Erfindungsbegriffs scheitern wird,wahrend sie nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA erst beiPrufung auf erfinderische Tatigkeit abgewiesen wird.

Im Ergebnis bestehen zwischen dem BGH und den Beschwerdekammern des EPAsomit Unterschiede in der Handhabung und Abhandlung der einzelnen Tatbe-standsmerkmale des §1 (1) PatG bzw. Art. 52 (1) EPU bei der Prufung auf Pa-tentfahigkeit, die jedoch keine grundsatzlichen Auswirkungen auf die Patentier-barkeit computer- implementierter Erfindungen haben.

Meinungen

Der Technikbegriff im Patentrecht unterliegt, wie auch der BGH in der Ent-scheidung Logikverifikation feststellt, mit der technologischen Entwicklung ei-nem Wandel. Die Diskussion uber die Grenzen der Patentierbarkeit fur computer-implementierte Lehren ist daher nicht abgeschlossen und kann es auch nicht sein,sondern wird sich in Zukunft fortsetzen. Andere Meinungen und Auffassungenzur Patentierbarkeit computer-implementierter Erfindungen, die einen moglichenAusblick auf Bevorstehendes geben konnten, existieren und sollen nachfolgendnur anhand zweier Beispiele angedeutet werden.

USA

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5.2. MANGELNDE PATENTFAHIGKEIT 65

Als extremes Beispiels fur eine liberale Patentierbarkeit von Software, Arbeitsver-fahren und Geschaftsmethoden sei die lange ubliche Erteilungspraxis in den USAgenannt, in der seit der Entscheidung State Street Bank & Trust Co. v. Signature Fi-nancial Group Inc. des US Court of Appeals25 aus dem Jahre 1998 eine weitgehen-de Offnung des Patentschutzes fur unterschiedlichste Gegenstande stattgefundenhat.In den USA werden auf Software und Geschaftsmethoden die gleichen Regeln an-gewandt, die auf alle Erfindungen anzuwenden sind. Grundsatzlich ist eine Erfin-dung dann patentierbar, wenn sie nutzlich (35 USC §101), neu (35 USC §102) undnicht nahe liegend (35 USC §103) ist und durch eine klare schriftliche Beschrei-bung offenbart ist (35 USC §112). Generell sind hierbei all solche Gegenstandedem Patentschutz zuganglich, die sich einer oder mehrerer der vier Patentkategori-en Verfahren, Maschinen/Vorrichtungen, Produkte und Stoffzusammensetzungenzuordnen lassen.Fur die Patentfahigkeit kommt es darauf an, ob die Anwendung der Lehre zu ir-gendeinem nutzlichen, konkreten und greifbaren Ergebnis fuhrt. Ist dies zu be-jahen und werden zudem die ubrigen Vorraussetzungen der Neuheit, Nichtoffen-sichtlichkeit und Beschreibung erfullt, so ist ein Patent zu erteilen. Einzig aus-genommen vom Patentschutz sind Naturgesetze, naturliche Erscheinungen undabstrakte Ideen.In den USA ist der Patentschutz somit beinahe vollstandig liberalisiert und auchnichttechnischen Lehren zuganglich. Es soll, so habe es nach Auffassung des Su-preme Court der USA der Congress mit den gesetzlichen Rahmenbedingungenbeabsichtigt, auf anything under the sun that is made by men grundsatzlich einPatent erteilt werden konnen.Allerdings scheint in aller jungster Zeit auch in den USA ein Umdenken stattgefun-den zu haben, da eine zu starke Liberalisierung der Patentierbarkeit wirtschaftlichund rechtlich zu fragwurdigen Ergebnissen fuhrt. Dabei konnte eine Korrektur derAuswuchse uber das Erfordernis der erfinderischen Tatigkeit erfolgen. Allgemeinwird angenommen, dass die viel beachtete Entscheidung des obersten Gerichtshof(Supreme Court) KSR vs. Teleflex26 aus dem Jahr 2007 zu einer Anhebung desNiveaus der erfinderischen Tatigkeit fuhren wird.Eine weitere maßgebliche Entscheidung ist in re Bilski 27, denn in dieser Entschei-dung wurde die Patentierung von Geschaftsmethoden sehr stark eingeschrankt.Zurzeit ist in dieser Sache eine Berufung beim obersten Gerichtshof der USAanhangig.

25siehe US Court of Appeals v. 23.07.1998, State Street Bank & Trust Co. v. Signature FinancialGroup Inc.; GRUR Int. 7/1999, S.633 ff.

26downloadbar uber www.supremecourtus.gov27www.cafc.uscourts.gov/opinions/07-1130.pdf

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66 KAPITEL 5. ABWEHR EINER PATENTVERLETZUNG

AIPPI

Die Erteilungspraxis, wie sie in den USA gehandhabt wird, erscheint in Deutsch-land und Europa - zumindest beim derzeitigen Technikverstandnis - nicht mitdem Gesetzestext in Einklang zu bringen zu sein und im Gegensatz zu demUbereinkommen uber handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigen-tums (TRIPS) zu stehen, das in Art. 27 festlegt, dass Patente fur Erfindungen aufallen Gebieten der Technik erhaltlich sein sollen. Eine gegenuber der Praxis inEuropa und Deutschland weitere Offnung fur softwarebezogene Lehren im augen-scheinlichen Einklang mit den gesetzlichen Regelungen wird jedoch beispielswei-se von der Internationalen Vereinigung fur den Schutz des Geistigen Eigentums(AIPPI) als internationaler Fachverband von Fachvertreter aus Industrie, Patent-anwalten und Rechtsanwalten vertreten.

So vertritt die AIPPI die Auffassung, dass Patente ohne Einschrankung auf allenGebieten der Technik, einschließlich dem Gebiet der Computersoftware, erteilbarsein sollten und dass jede Computersoftware, die den Anforderungen der Paten-tierbarkeit entspreche, auf dieselbe Art und Weise als patentierbar erachtet wer-den sollte, ohne dass ein Unterschied zwischen den verschiedenen Arten der Soft-ware gemacht werde und unter Anwendung derselben Regeln wie auf anderentechnischen Gebieten2829. Daruber hinausgehend sollten nach Meinung der AIPPIgrundsatzlich auch Geschaftsmethoden patentfahig sein, sofern die in den Patent-anspruchen definierte Erfindung einen technischen Inhalt aufweise30.

Auffassung der AIPPI ist somit, dass als grundsatzliche Patentierungsvorausset-zung eine Erfindung technischen Inhalt aufweisen musse. Der technische Inhalteiner in einem technischen System implementierten Erfindung solle hierbei aus-reichen (was bei einem Computerprogramm immer der Fall sei), selbst wenn derBeitrag der Erfinder keinen technischen Charakter aufweise. In diesem Zusam-menhang sollten dann auch neue und erfinderische Geschaftsmethoden und ande-re nichttechnische Innovationen patentierbar sein, wenn sie auf einem Computerimplementiert seien, selbst wenn die Neuheit und die erfinderische Tatigkeit nichtim technischen Inhalt lagen.

Die AIPPI vertritt somit einen Standpunkt zwischen der liberalen US-Praxis undder restriktiveren Praxis in Europa. Zwar sollen von der Technik losgeloste ab-strakte Konzepte nicht patentierbar sein. Sofern sie aber auf einem Computer im-plementiert werden, sollten sie dem Patentschutz zuganglich sein.

28AIPPI, Entschließung zur Frage 133, Patentierung von Computer-Software, Jahrbuch 1997/III,S. 330 - 334 (erhaltlich unter www.aippi.org)

29AIPPI, Patentschutz fur Computer-Software-Bezogene Erfindungen, Ber. AIPPI Sonderaus-schuss Q132 vom 02.01.2006 (erhaltlich unter www.aippi.de

30 AIPPI, Entschließung zur Frage 158, Patentierbarkeit von Geschaftsmethoden, Melbourne2001, Entschl. vom 30.03.2001 (erhaltlich unter www.aippi.org

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5.2. MANGELNDE PATENTFAHIGKEIT 67

Zusammenfassung

Die derzeitig geltende Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA und desBGH bezuglich computer-implementierter Lehren lasst sich aus Sicht eines Anmel-ders folgendermaßen zusammenfassen.

Software auf einem außertechnischen Gebiet ist grundsatzlich in Europa undDeutschland nicht patentierbar. Sie kann es erst sein, wenn weitere (technische)Merkmale hinzukommen, die einen Beitrag zum Stand der Technik leisten. DerPatentschutz steht also nur solchen einer Software zugrunde liegenden Lehrenoffen, die Anweisungen enthalten, die in erfinderischer Weise uber den bestim-mungsgemaßen Einsatz eines Computers hinausgehen.

Da in Europa und Deutschland nur solche Lehren patentfahig sein konnen, dietechnische Merkmale aufweisen, muss ein Patentanspruch unabhangig von seinerKategorie die verwendeten technischen Mittel nennen. Eine Angabe nur des zu-grunde liegenden abstrakten Konzepts genugt nicht31. Bei Lehren zur Ausfuhrungauf einem Computer sind die Merkmale in den Anspruch aufzunehmen, die dietechnische Umsetzung der Lehre beschreiben und einen Beitrag zum Stand derTechnik liefern. Hierbei sollten die erforderlichen technischen Uberlegungen zumAusdruck kommen, die zur Ausfuhrung der Erfindung vonnoten sind und sichz.B. auf das Zusammenwirken technischer Elemente, beispielsweise unterschiedli-cher in bestimmter Beziehung zueinander stehender Computer, beziehen.

Durch geeignete Anspruchsformulierung kann gegebenenfalls eine Patenterteilungfur Lehren erreicht werden, die in einem weder eindeutig technischen noch ein-deutig nichttechnischen Graubereich anzusiedeln sind. Fur Lehren, die auf ei-nem außertechnischen Gebiet liegen und nicht uber den bestimmungsgemaßenEinsatz eines Computers hinausgehen, ist nach der derzeitigen Rechtsprechungin Europa und Deutschland eine Patentierung aber ausgeschlossen. Gleichwohlsollte eine Erstanmeldung im Rahmen ihres Offenbarungsgehaltes auch solcheAusfuhrungsformen - soweit Bestandteil der Lehre und wirtschaftlich sinnvoll -umfassen, die zwar in Europa und Deutschland gegebenenfalls aufgrund mangeln-den technischen Charakters nicht patentierbar sind, in anderen Landern und Re-gionen - insbesondere den USA - dem Patentschutz aber ohne weiteres zuganglichsein konnen. Im Erteilungsverfahren in Europa und/oder Deutschland bestehtdann immer noch die Moglichkeit, sich auf den technischen Teil der Anmeldungzu beschranken, wahrend beispielsweise in den USA eine Ausrichtung der Anmel-dung auch auf einen nichttechnischen Gegenstand vorgenommen werden kann.

Die Patentierung softwarebezogener Erfindungen kann im Einzelfall sehr komplexsein, da fur Grenzfalle die jeweils einschlagige Rechtsprechung zu Rate gezogen

31 siehe z.B. EPA, T0930/05 vom 10.11.2006 - Modellieren eines Prozessnetzwerkes/XPERT

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68 KAPITEL 5. ABWEHR EINER PATENTVERLETZUNG

werden muss.Es ist deutlich geworden, dass die Rechtslage in den USA z.T. erheblich von dendeutschen und europaischen Verhaltnissen abweicht, da das US–Patentrecht an-dere Grundsatze fur die Definition einer Erfindung anlegt. So sind in den USAPatente fur Geschaftsmethoden erteilt worden.Die Patentierung gentechnischer oder biotechnologischer Erfindungen ist im Ein-zelfall zu komplex, um hier im Detail darauf eingehen zu konnen. Die Komplexitatist erhoht, da immer auch EU-Rechtsgrundlagen zu beachten sind.

Weitere Ausschlusskriterien

Der §2 PatG legt fest, dass keine Patente fur Erfindungen erteilt werden, derenVeroffentlichung oder Verwertung gegen die offentliche Ordnung oder die gutenSitten32 verstoßen wurde. Ein Beispiel fur eine sittenwidrige Erfindung ware eineBriefbombe, die sicherlich technisch im Sinne des §1 PatG ware. Allerdings lasstsich keine Verwendung einer Briefbombe denken, die mit den guten Sitten verein-bar ware. Ein Verstoß gegen die Biotechnologie–Richtlinie der EU ware ebenfallsein Verstoß gegen die guten Sitten, so dass der Gentechnik hier zumindest patent-rechtliche Grenzen gesetzt werden.

5.2.3 Mangelnde Neuheit

Nach §3 Abs. 1 PatG gilt eine Erfindung als neu, wenn sie nicht zum Stand derTechnik gehort. Der Stand der Technik umfasst alle Kenntnisse, die vor dem furden Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mundlicheBeschreibung oder in sonstiger Weise (z.B. durch offenkundige Benutzung) derOffentlichkeit zuganglich gemacht worden sind33.Durch diese Regelung wird ein absoluter Neuheitsbegriff definiert: JedeZuganglichmachung der Erfindung gegenuber der Offentlichkeit irgendwo aufder Welt vor dem Anmeldetag34 zahlt zum Stand der Technik. Dabei kommt esnicht darauf an, ob ein Erfinder diese Veroffentlichung gekannt hat; hat eineVeroffentlichung objektiv existiert35, so gilt die Erfindung als nicht mehr neu.

32Die guten Sitten sind ein typischer Rechtsbegriff. Nach einer wunderschonen Definition derdeutschen Rechtsprechung ist dies das Anstandsgefuhl aller billig und gerecht Denkenden. Dabeiwird aber durchaus eine Anpassung an die jeweiligen Zeiten zugestanden.

33Bitte beachten Sie, dass in anderen Landern die Definition anders gestaltet ist. In den USAz.B. ist die Regelung wesentlich komplexer.

34Im §3 Abs. 1 PatG wird der fur den Zeitrang der Anmeldung maßgebliche Tag angegeben.Dies ist der Anmeldetag oder die fruhste Prioritat, die fur eine Anmeldung in Anspruch genommenwurde. Mehr zum Thema Prioritat unter Kapitel 5.

35Beispiele: Vortrag bei einer fur jeden zuganglichen Konferenz in Haiti, Veroffentlichung vor

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5.2. MANGELNDE PATENTFAHIGKEIT 69

Die Lage wird noch dadurch verscharft, dass eine neuheitsschadlicheZuganglichmachung bereits entsteht, wenn fur einen nicht begrenzten Personen-kreis die nicht zu entfernte Moglichkeit besteht oder bestanden hat, von der Er-findung in genugender Weise Kenntnis zu erlangen36.Der §3 Abs. 4 PatG nimmt in zwei Fallen eine Offenbarung einer Erfindung vonder scharfen Regelung aus. So bleibt eine Offenbarung fur den Stand der Technikaußer Betracht, wenn sie sechs Monate vor Einreichung der Anmeldung erfolgt istund unmittelbar oder mittelbar auf einen offensichtlichen Missbrauch zum Nach-teil des Anmelders oder seines Rechtsvorgangers zuruckgeht. Auch bleibt eine Of-fenbarung außer Betracht, wenn eine Prioritat einer Messeausstellung in Anspruchgenommen wird. Dies gilt nur fur bestimmte Messen.Was genau zum Stand der Technik gehort, kann im Einzelfall sehr umstritten sein.Im Streitfall wird daruber ein Gericht entscheiden mussen. Die praktische Konse-quenz aus der sehr scharfen Definition der Neuheit ist klar: Vor jeder Produkt-vorstellung, vor jeder wissenschaftlichen Veroffentlichung, vor jedem wis-senschaftlichen Vortrag oder vor jeder anderen Verlautbarung der Erfindungmuss die Frage einer Patentanmeldung gepruft werden. Im Kapitel 8 uber dasPatentanmeldeverfahren wird u.a. noch uber notfallmaßige Anmeldungen berich-tet.Bei der scharfen Definition des Standes der Technik erhebt sich die Frage, wieein Patentprufer im Patentamt die Neuheit einer Erfindung feststellen will, da erunmoglich alle weltweit irgendwie vorgenommenen Veroffentlichungen oder of-fenkundigen Vorbenutzungen kennen kann. Da dies offensichtlich unmoglich ist,ermittelt der Patentprufer ausschließlich schriftlichen Stand der Technik, den er inseinem Prufstoff (Patentveroffentlichungen, Fachzeitschriften, Bucher etc.) findet.Somit steht jedes erteilte Patent unter dem Vorbehalt, dass es durch einen demPrufer bei der Erteilung noch unbekannten Stand der Technik widerrufen werdenkann.Die Neuheitsprufung erfolgt dabei in mehreren Schritten37:

1. Feststellung des Offenbarungsgehaltes der Anmeldung (Beschreibung, An-spruche, Zeichnungen). Dies ist notwendig, um den Inhalt der Patentan-spruche zu verstehen.

2. Feststellung des Inhalts der Anspruche; nur diese werden auf Neuheit ge-

siebzig Jahren in Baskisch.36Beispiel: Es kommt also nicht darauf an, ob uberhaupt jemand zur Konferenz in Haiti er-

schienen ist, die Moglichkeit, den Vortrag zu horen, reicht aus. Auch die subjektive Kenntnis desErfinders spielt keine Rolle; die Erfindung gilt bei einer Vorveroffentlichung als nicht mehr neu.

37Schulte, Patentgesetz, 8. Auflage, §3, Rdn. 127, Richtlinien der Prufung im Europaischen Pa-tentamt, Teil C, Kapitel IV, Nr. 9

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70 KAPITEL 5. ABWEHR EINER PATENTVERLETZUNG

pruft.

3. Feststellung des Zeitranges der Anmeldung.

4. Ermittlung des Standes der Technik und der einschlagigen Kenntnisse vordem Zeitrang.

5. Feststellung des Inhaltes ermittelter Veroffentlichungen (auch Entgegenhal-tungen genannt). Haufig werden als Entgegenhaltungen Patentanmeldun-gen verwendet, da der meiste Stand der Technik darin auffindbar ist.

Dabei ist wichtig, dass bei einer solchen Entgegenhaltung immer der ge-samte Inhalt (Beschreibung, Zeichnung, Anspruche) mit den zu prufendenPatentanspruchen zu vergleichen ist; nicht nur die Patentanspruche der Ent-gegenhaltung.

6. Einzelvergleich des gesamten Inhalts jeder der Entgegenhaltungen38 mit denMerkmalen der Anspruche. Bei der Neuheitsprufung findet keine Kombinati-on der Entgegenhaltungen statt. Nur wenn der Gegenstand eines Anspruchsmit allen seinen Merkmalen aus einer Entgegenhaltung bekannt ist, ist derGegenstand neuheitsschadlich vorweggenommen. Beschreibt eine Entgegen-haltung ein Merkmal eines Anspruchs nicht, so ist der Anspruch neu ge-genuber dieser Entgegenhaltung.

Bei der Beurteilung der Neuheit geht die deutsche Rechtsprechung mittler-weile39 wie die Rechtsprechung der Beschwerdekammern davon aus, dassder Neuheitsbegriff eng auszulegen ist. Fur die Beurteilung der Neuheit istnur das maßgeblich, was einer Entgegenhaltung unmittelbar und eindeutigzu entnehmen ist. Abwandlungen und Weiterentwicklungen der Informatio-nen, sowie Schlussfolgerungen eines Fachmanns gehoren damit nicht zu demOffenbarungsgehalt einer solchen Entgegenhaltung

Manche Entgegenhaltungen durfen nur fur die Neuheitsprufung, nicht aber fur diePrufung der erfinderischen Tatigkeit (siehe Kapitel 5.2.4) verwendet werden. Dereinschlagige §3 Abs. 2 PatG ist bei der ersten Lekture schwer verstandlich, hat aberdurchaus praktische Bedeutung. Nur fur die Neuheitsprufung zahlen bestimm-te40, altere Patentanmeldungen zum relevanten Stand der Technik41, namlich

38d.h. bei der Neuheitsprufung keine Kombination von zwei oder mehreren Entgegenhaltungen39Mitt. (3) 2009, S. 119, BGH - Olanzipin40In Prosa: Nach dem deutschen Patentgesetz nationale, europaische oder internationale Pa-

tentanmeldungen, die letzteren beiden nur, wenn sie auch fur Deutschland gelten sollen. Einenationale US- Patentanmeldung kann somit kein alteres Recht werden.

41Dies folgt aus §4 Satz 2 PatG.

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5.2. MANGELNDE PATENTFAHIGKEIT 71

wenn altere Patentanmeldungen42 erst an oder nach dem fur den Zeitrang derjungeren Anmeldung maßgeblichen Tag der Offentlichkeit zuganglich gemachtworden sind. (Diese alteren Patentanmeldungen werden auch altere Rechte ge-nannt). In Fig. 5 soll dieser etwas verwickelte Zusammenhang deutlich gemachtwerden.

Fig. 5: alteres Recht. Die Patentanmeldung A stellt fur die Patentanmeldung B einalteres Recht dar. Die Patentanmeldung A gilt nur fur die Neuheitsprufung derPatentanmeldung B als Stand der Technik

Durch das Konzept des alteren Rechtes soll verhindert werden, dass etwas paten-tiert wird, was bereits in gleicher Form Gegenstand eines anderen Patents werdenkonnte. Damit soll die Patentierung gleicher Gegenstande vermieden werden, dietechnisch ”in der Luft lagen”. Der jungere Anmelder geht leer aus, auch wenn erden Inhalt des alteren Rechtes am Tage des Zeitrangs seiner eigenen Anmeldungnoch nicht kennen konnte.

Da dies nur fur die Neuheitsprufung gilt, reicht es bereits aus, dass die jungereAnmeldung einen Patentanspruch aufweist, der sich in einem Merkmal vondem alteren Recht unterscheidet; zwar gehort diese Veroffentlichung zum Stand

42Es geht bei alteren Rechten immer nur um altere Patentanmeldungen, nicht um altereVeroffentlichungen, wie z.B. wissenschaftliche Veroffentlichungen

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72 KAPITEL 5. ABWEHR EINER PATENTVERLETZUNG

der Technik, dieser wird aber bei der Prufung auf erfinderische Tatigkeit nichtberucksichtigt.In der Praxis sind altere Rechte fur Recherchen von Bedeutung, da z.B. auchVeroffentlichungen der Patentanmeldungen berucksichtigt werden mussen,die zwar nach einem Anmeldetag des zu recherchierenden Gegenstandesveroffentlicht, aber vorher angemeldet wurden (siehe Fig. 5).An dieser Stelle sei auf einen bedeutsamen Unterschied zwischenGebrauchsmuster– und Patentrecht hingewiesen. Fur den Gegenstand einesGebrauchsmusters existiert eine so genannte Neuheitsschonfrist. Nach §3Gebrauchsmustergesetz bleibt eine innerhalb von sechs Monaten vor dem Zeit-rang der Anmeldung maßgeblichen Tag erfolgte Beschreibung oder Benutzungaußer Betracht, wenn sie auf die Ausarbeitung des Anmelders oder seinesRechtsnachfolgers zuruckgeht. Damit kann man sich zumindest fur Deutschlandtrotz einer eigenen Vorveroffentlichung innerhalb der genannten Frist einSchutzrecht sichern. Allerdings gilt dies nur fur Vorrichtungen, da Verfahrennach §2 Nr. 3 Gebrauchsmustergesetz vom Schutz ausgeschlossen sind. Sollteeine Vorveroffentlichung durch Dritte erfolgt sein, d.h. nicht auf den Anmelderzuruckgehen, nutzt die Neuheitsschonfrist nichts. Das Gebrauchsmuster kannaber ein sehr wertvolles und flexibles Recht sein, dessen Einsatzmoglichkeiten imkonkreten Fall gepruft werden mussen.

Prioritatsrecht

Bei der Definition des Standes der Technik nach §3 Abs. 1 PatG wurde der Zeit-rang einer Anmeldung als maßgeblich bezeichnet. Mit Zeitrang wird das Datumbezeichnet, bis zu dem relevanter Stand der Technik vorliegen kann. Ist eineVeroffentlichung z.B. am gleichen Tag oder einen Tag spater erfolgt, so kann diesenicht mehr zum Stand der Technik fur die zu prufende Patentanmeldung gehoren.Der Begriff Zeitrang ist ein Oberbegriff fur den Anmeldetag und den Prio-ritatstag. Der Anmeldetag ist der Tag, an dem eine Patentanmeldung beim Pa-tentamt eingegangen ist.Ein zentraler Begriff des Patentrechtes ist die Prioritat, die einer Erfindung zu-kommt. In der Pariser Verbandsubereinkunft (PVU) zum Schutz des gewerblichenEigentums vom 20. Marz 1883 wird in Art. 4 festgelegt:

A. (1) Wer in einem der Verbandslander die Anmeldung fur ein Erfin-dungspatent, ... vorschriftsmaßig hinterlegt hat, oder sein Rechtsnach-folger genießt fur die Hinterlegung in den anderen Landern wahrendder unten bestimmten Fristen ein Prioritatsrecht.

...

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5.2. MANGELNDE PATENTFAHIGKEIT 73

C. (1) Die oben erwahnten Prioritatsfristen betragen zwolf Monate beiErfindungspatenten....

(2) Diese Fristen laufen vom Zeitpunkt der Hinterlegung der erstenAnmeldung an...

Die Bedeutung der Prioritat soll an einem Beispiel erlautert werden.

Ist am 17. November 2001 eine vorschriftsmaßige deutsche Paten-tanmeldung eingereicht worden, kann deren Prioritat innerhalb ei-nes Jahres, d.h. bis zum 17. November 200243 fur Auslandsanmel-dungen in Anspruch genommen werden. Eine dann vorgenommeneAnmeldung, z.B. in Japan hat die gleiche Prioritat wie die deutschePatentanmeldung. Sollte jemand zwischen dem 17. November 2001und dem 17. November 2002 den Gegenstand der Patentanmeldungveroffentlicht haben, so wurde dies die Patentfahigkeit der japanischenPatentanmeldung nicht beeintrachtigen. Stand der Technik ware nurdas, was vor dem 17. November 2001 der Offentlichkeit zuganglichgewesen ist.

Das Prioritatsrecht ist nicht nur fur Auslandsanmeldungen wichtig. Auch einedeutsche Nachanmeldung ist innerhalb des Prioritatsjahres moglich. Die Inan-spruchnahme der deutschen Prioritat gemaß §40 PatG wird auch als innere Prio-ritat bezeichnet44. Nimmt ein deutsches Patent die Prioritat eines auslandischenRechtes in Anspruch, so ist §41 PatG einschlagig.Die Fragen der Prioritat sind im Patentrecht von außerordentlicher Bedeutung,da die Prioritat den zur Beurteilung der Patentfahigkeit maßgeblichen Stand derTechnik festlegt. Bei jeder Anmeldung sind daher die Prioritatsfristen und die ord-nungsgemaße Inanspruchnahme der Prioritat genau zu uberwachen.

5.2.4 Mangelnde erfinderische Tatigkeit

Fur das Vorhandensein einer patentfahigen Erfindung reicht es nicht aus, dass dieErfindung neu ist; eine patentfahige Erfindung muss auch erfinderisch sein.Fragen der Neuheit konnen in vielen Fallen relativ schnell geklart werden, da zuentscheiden ist, ob ein Merkmal vorhanden ist oder nicht.

43Da der 17.11.2002 ein Sonntag ist, lauft die Prioritatsfrist erst am 18.11.2002 ab (siehe Art. 4C (3) PVU).

44Die Beanspruchung einer inneren Prioritat hat zur Folge, dass die prioritatsbegrundende An-meldung als zuruckgenommen gilt, so dass bei der Beanspruchung von Prioritaten sorgfaltig vor-gegangen werden muss.

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74 KAPITEL 5. ABWEHR EINER PATENTVERLETZUNG

Die Frage der erfinderischen Tatigkeit gemaß §4 PatG ist in der Praxis die Patentie-rungsvoraussetzung, bei der am meisten Argumentationsaufwand gegenuber demPatentprufer, der Einspruchsabteilung oder dem Nichtigkeitssenat betrieben wer-den muss.

Nach §4 PatG gilt eine Erfindung als auf einer erfinderischen Tatigkeit beruhend,wenn sie sich fur den Fachmann45 in nicht nahe liegender Weise aus dem Standder Technik ergibt.

Die Diskussion entzundet sich regelmaßig daran, was fur einen Fachmann amAnmelde– oder Prioritatstag nahe liegend war oder nicht. Die erfinderischeTatigkeit46 ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der in letzter Konsequenz vom Ge-richt auszulegen ist.

Dabei wird davon ausgegangen, ob die Erfindung fur den Durchschnittsfachmannin Kenntnis des maßgebenden Standes der Technik47 nahe gelegen hat, z.B. rei-chen einfache handwerkliche Maßnahmen in der Regel nicht aus, um eine Erfin-dung patentfahig zu machen.

Fur die Beurteilung der erfinderischen Tatigkeit kommt es auf objektive, nicht aufsubjektive Kriterien an. Subjektiv ware hier die personliche Einschatzung des Er-finders. Auch wenn dieser lange fur die Erfindung gearbeitet und sehr viel Geldausgegeben hat, so kann ein dem Erfinder vielleicht unbekannter Stand der Tech-nik existieren, der ihm diese Erfindung nahe gelegt hatte.

Zur gedanklichen Fuhrung der Argumentation in Bezug auf die Patentfahigkeit hatdas Europaische Patentamt den so genannten Aufgabe–Losungs–Ansatz48 ent-wickelt und wendet diesen regelmaßig an. Dieser Ansatz hat den Vorteil, dass ereine gedankliche Richtschnur darstellt, mit der nachvollziehbare Ergebnisse er-reicht werden konnen. Im Einzelnen gehen deutsche Gerichte und das DeutschePatent- und Markenamt nicht mit diesem Ansatz konform, erreichen jedoch beider Prufung der erfinderischen Tatigkeit ahnliche Ergebnisse.

Aufgrund der Klarheit seiner Argumentationsstruktur soll hier nur der Aufgabe–Losungs-Ansatz dargestellt werden49. Der

45Der Fachmann war bereits im Zusammenhang mit der Auslegung von Patentanspruchen imKapitel 3.4 erwahnt worden. Maßgeblich ist der ublicherweise auf dem technischen Gebiet Tatige,wobei ein technisch komplexes Gebiet in der Regel einen langer ausgebildeten Fachmann verlangt.Es kann sogar vorkommen, dass ein Team als Fachmann angesehen wird. Dem Fachmann wirddabei unterstellt, dass er den Stand der Technik auf seinem Gebiet und den Nachbargebieten kennt.

46Haufig wird die erfinderische Tatigkeit auch umgangssprachlich als Erfindungshohe bezeichnet.47Es wird darauf hingewiesen, dass die in Kapitel 5 erwahnten alteren Rechte nicht fur die

Prufung der erfinderischen Tatigkeit herangezogen werden (§4 Abs. 2 PatG).48Auch unter der Bezeichnung Problem-Solution-Approach bekannt.49Die folgende Darstellung lehnt sich stark an die Richtlinien zur Prufung im Europaischen

Patentamt (Teil C, Kapitel IV, Nr. 11.7) an, die als Download beim Europaischen Patentamt zurVerfugung stehen: www.epo.org/patents/law/legal-texts/guidelines de.html

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5.2. MANGELNDE PATENTFAHIGKEIT 75

Aufgabe-Losungs-Ansatz gliedert sich in drei Stufen:

1. Ermittlung des nachstliegenden Standes der Technik.

Unter dem nachstliegenden Stand der Technik ist die in einer einzigen Quelleoffenbarte Kombination von Merkmalen zu verstehen, die den erfolgverspre-chendsten Ausgangspunkt fur eine nahe liegende Entwicklung darstellt, diezur beanspruchten Erfindung fuhrt.

2. Bestimmung der zu losenden technischen Aufgabe. In der zweiten Phasewird die zu losende technische Aufgabe objektiv bestimmt. Hierfur werdendie Anmeldung (oder das Patent), der nachstliegende Stand der Technik unddie zwischen der Erfindung und dem nachstliegenden Stand der Technik be-stehenden Unterschiede in Bezug auf die (strukturellen oder funktionellen)Merkmale untersucht (die auch als Unterscheidungsmerkmal(e) der Erfin-dung bezeichnet werden), und anschließend wird die technische Aufgabeformuliert.

Die auf diese Weise abgeleitete objektive technische Aufgabe entsprichtmoglicherweise nicht der vom Anmelder in der Patentanmeldung ur-sprunglich formulierten Aufgabe.

3. Prufung der Frage, ob die beanspruchte Erfindung angesichts desnachstliegenden Standes der Technik und der technischen Aufgabe fur denFachmann nahe liegend gewesen ware.

In der dritten Phase gilt es zu klaren, ob sich im Stand der Technik insgesamteine Lehre findet, die den mit dem technischen Problem befassten Fachmannveranlassen wurde (Nicht konnte, sondern wurde!50), den nachstliegendenStand der Technik unter Berucksichtigung dieser Lehre zu andern oder anzu-passen und somit zu etwas zu gelangen, was unter den Patentanspruch fallt,um das zu erreichen, was mit der Erfindung erreicht wird.

Mit anderen Worten geht es nicht darum, ob der Fachmann durch eineAnderung oder Anpassung des nachstliegenden Stands der Technik zu derErfindung hatte gelangen konnen, sondern darum, ob er tatsachlich dahingelangt ware, weil der Stand der Technik ihn dazu veranlasste in der Hoff-nung, dadurch die objektive technische Aufgabe zu losen, bzw. in der Erwar-tung, eine Verbesserung oder einen Vorteil zu erzielen. Dies muss vor demwirksamen Anmelde- oder Prioritatstag des zu prufenden Anspruchs fur denFachmann der Fall gewesen sein.

50Dieser Test wird auch could–would Test genannt.

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76 KAPITEL 5. ABWEHR EINER PATENTVERLETZUNG

Bei der Prufung, ob eine erfinderische Tatigkeit vorliegt, ist es (im Unterschied zurNeuheit) zulassig, die Offenbarungen zweier Dokumente51 miteinander in Verbin-dung zu bringen. Dies setzt aber voraus, dass eine solche Verknupfung fur denFachmann am Prioritatstag des zu prufenden Patentanspruchs nahe liegend gewe-sen ware.Es reicht deshalb nicht aus, einfach zwei Dokumente zu finden, in denen die Merk-male in der Summe vorhanden sind. Vielmehr muss sich fur den Fachmann einerkennbarer technischer Zusammenhang zwischen den Dokumenten ergeben,aus dem sich die Erfindung ohne erfinderische Tatigkeit ableiten lasst.An dieser Stelle kann eine Kritik des Aufgabe-Losungs-Ansatz einsetzen, wenn die-ser zu schematisch angewandt wird. In manchen Fallen braucht ein Fachmannkeinen Hinweis, um zwei Dokumente aus dem Stand der Technik miteinanderzu kombinieren, wenn er allein aus seinem Fachwissen schnell und ohne großeUberlegungen ubersieht, dass die technische Lehren der beiden Dokumente sichin geeigneter Weise kombinieren lassen, um die gestellte Aufgabe zu losen. Wenndurch diesen gedanklichen Vorgang die Kombination der beiden Dokumente derGegenstand der Erfindung erhalten wird, so kann das ein Indiz fur mangelndeerfinderische Tatigkeit sein, ohne dass in den Dokumenten ein Hinweis zu Ver-bindung der Dokumente enthalten ist. Hier wurde also eher ein could als einwould zum Tragen kommen. Allerdings darf der Bogen nicht uberspannt werden,indem jeder mogliche Gedanke in Kenntnis der Erfindung, also in einer an sichunzulassigen Weise, ruckschauend dazu verwendet wird, die Erfindung als naheliegend zu betrachten.Ferner kann in der Feststellung des nachstliegenden Standes der Technik et-was Willkurliches liegen, da man hier leicht in eine an sich nicht statthafteruckschauende Betrachtungsweise verfallt. Im Zweifel ist es angebracht, die Ar-gumentation wegen mangelnder erfinderischer Tatigkeit ausgehend von verschie-denen Dokumenten des Standes der Technik zu fuhren.Es liegt in der Natur der Sache, dass z.B. im Einspruchsverfahren der Einsprechen-de und der Patentinhaber die gleichen Dokumente zum Stand der Technik in derRegel anders auslegen. Mogliche Argumente fur die Patentfahigkeit sind z.B.:

• Der Stand der Technik zeigt technisch in eine andere Richtung, d.h. die be-kannten Dokumente fuhren z.B. in Kombination zu einer anderen Losung,als im Patent geschutzt. Dies ist das haufigste Argument.

• Durch die Erfindung tritt ein uberraschender Effekt ein. Gerade bei chemi-

51Mussten mehr als zwei Dokumente kombiniert werden, um zur Erfindung zu gelangen, sprichtdies haufig eher fur eine erfinderische Tatigkeit. Es ist aber grundsatzlich moglich, mehr als zweiDokumente argumentativ miteinander zu verbinden

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5.2. MANGELNDE PATENTFAHIGKEIT 77

schen oder biochemischen Erfindungen kann dieser Effekt belegt werden,indem durch Vergleichsversuche gezeigt wird, dass die Erfindung ganz an-dere Eigenschaften aufweist (besser ist), was so nicht vorhersehbar war.

• Es sind mehrere, nicht triviale Gedankenschritte notwendig, um zum Gegen-stand des Patentes zu gelangen.

• Es existieren manifeste Vorurteile der Fachwelt, die erst durch die Erfindungbeseitigt wurden.

Ein Einsprechender wird nach einem Stand der Technik suchen, bei dem dernachst liegende Stand der Technik ein gutes Sprungbrett zum Erreichen der paten-tierten Erfindung bietet, wobei z.B. ein anderes Dokument die Richtung fur denSprung angibt.Bei jeder Diskussion der erfinderischen Tatigkeit ist die Argumentation, wie manvom Stand der Technik zum Gegenstand der Technik kommt (oder auch nicht) derKernpunkt; hier muss die meiste Sorgfalt verwandt werden.Die gleiche Diskussion der erfinderischen Tatigkeit findet bei der Patentprufungzwischen Patentanmelder (oder Erfinder) und dem Patentamt statt. Der Patent-prufer behauptet meist, dass er relevanten Stand der Technik gefunden hat, derden beantragten Patentanspruch vorwegnimmt oder nahe legt. Es ist dann die Auf-gabe des Patentanmelders (oder Erfinders), den Prufer davon zu uberzeugen, dassder Stand der Technik z.B. in eine ganz andere Richtung zeigt. Auch dafur kannder Aufgabe–Losungs–Ansatz verwendet werden.

5.2.5 Fehlende gewerbliche Anwendbarkeit

Fur die Beurteilung der Patentfahigkeit sind Fragen der gewerblichen Anwendbar-keit nach §5 PatG in vielen Fallen von untergeordneter Bedeutung, so dass hiernicht naher darauf eingegangen wird. Es sei auf die Fragen der chirurgischenoder therapeutischen Verfahren hingewiesen; diese gelten als nicht gewerblichanwendbar und sind daher nicht patentierbar. Wohl aber sind Medizinproduk-te, wie z.B. Endoprothesen oder EKG-Gerate gewerblich anwendbar und dahergrundsatzlich auch patentierbar. Die rechtlichen Fragen in diesem Zusammenhangkonnen komplex sein.

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78 KAPITEL 5. ABWEHR EINER PATENTVERLETZUNG

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Kapitel 6

Lizenz- undZusammenarbeitsvertrage

6.1 Vertragsrecht

Im Folgenden werden in aller Kurze einige Begriffe des Vertragsrechtes vorgestellt,da diese fur das Verstandnis des wichtigen Themas Lizenzen hilfreich sind. DasVertragsrecht ist in Deutschland grundlegend im Burgerlichen Gesetzbuch (BGB)geregelt.

Ein Vertrag ist ein Rechtsgeschaft, bestehend aus ubereinstimmenden wech-selseitigen Willenserklarungen zweier (oder mehrerer) Personen.

Die Willenserklarungen werden Antrag und Annahme genannt, d.h. einer bietetden Vertrag an, der andere nimmt ihn an. Fehlt es an einer der beiden Willenser-klarungen, so kommt kein wirksamer Vertrag zustande.

Grundsatzlich sind die Vertragsparteien frei, den Inhalt eines Vertrags zu gestal-ten. Man ist also nicht an bestimmte Vertragstypen gebunden, die z.B. im BGBaufgefuhrt sind. Allerdings sind der Freiheit des Vertragsabschlusses durch Geset-ze Grenzen gesetzt. So darf nicht gegen kartellrechtliche Bestimmungen verstoßenwerden. Auch durfen keine sittenwidrigen 1 Vertrage abgeschlossen werden; dieswurde zur Nichtigkeit des Vertrages fuhren. Generell wird davon ausgegangen,dass sich die Parteien bei einem Vertragsabschluss ehrlich verhalten. Fur einigeProblemfalle2 gibt es Anfechtungsmoglichkeiten.

Grundsatzlich besteht Formfreiheit bei der Vertragsgestaltung, so dass auchmundliche Vertrage moglich sind. Im gewerblichen Rechtsschutz sollten aufgrundder Komplexitat und der wirtschaftlichen Bedeutung ausschließlich schriftlicheVertrage verwendet werden.

1Darunter konnen z.B. Knebelungsvertrage oder Wucher zahlen.2z.B. Vertragsabschluss aufgrund arglistiger Tauschung

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80 KAPITEL 6. LIZENZ- UND ZUSAMMENARBEITSVERTRAGE

Beim Abschluss eines Vertrages sollte man sich immer vor Augen halten, dass einfairer Ausgleich der Interessen der Vertragsparteien gewahrt bleibt. Ein Vertrag,der mit einem starken Ungleichgewicht abgeschlossen wird, halt erfahrungsgemaßnicht lange.

Auch sollte daran gedacht werden, dass sich im Streitfall u.U. nicht alle Fragenanhand des Vertrages werden klaren lassen. In diesem Fall wird der Vertrag vomGericht ausgelegt werden, d.h. es wird bestimmt, was die Parteien eigentlich ge-wollt hatten. Zur Vermeidung von Problemen ist immer auf eine moglichst klareSprache und eine eindeutige Definition des Vertragsgegenstandes zu achten.

Im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes spielen Lizenz–, Zusammenarbeits-und Entwicklungsvertrage eine große Rolle. So gab der Prasident des Eu-ropaischen Patentamtes bei einem Vortrag an, dass die Lizenzeinnahmen im Jahr2001 auf 115 Mrd. US-Dollar geschatzt werden3. Im Jahr 1990 lag die Schatzungnoch bei 17 Mrd. US-Dollar. Es wird geschatzt, dass ca. 11% der Nettogewinnealler borsennotierten Gesellschaften Patentlizenzeinnahmen sind.

6.2 Lizenzvertrag

Ein Lizenzvertrag ist ein Vertrag, durch den der Inhaber (Lizenzgeber) einesRechts4, z.B. eines Patentrechts, das Recht ganz oder zum Teil einer anderen Per-son (Lizenznehmer) einraumt. Der Lizenznehmer erhalt dadurch die Moglichkeit,den lizenzierten Gegenstand in einer festgelegten Weise zu benutzen, was ihm oh-ne Abschluss des Lizenzvertrages aufgrund des Verbietungsrechts des Lizenzgebersverboten gewesen ware.

Haufig wird ein Lizenzvertrag zwischen Parteien abgeschlossen, die in einen Pa-tentverletzungsfall verwickelt sind. Nicht selten ist weder die Verletzung des Pa-tents noch die Rechtsbestandigkeit des Patents eindeutig. Fur beide Parteien be-steht ein Risiko, entweder den Patentverletzungsfall oder die Nichtigkeitsklage zuverlieren. In einer solchen Situation stellt der Lizenzvertrag eine Losung des Kon-fliktes dar, die von beiden Seiten ein Nachgeben verlangt.

3epi Informationen, 2002, Heft 2, Seite 48. Bei den Zahlen muss aber angemerkt werden, dassnicht nur Patente Gegenstand der Lizenzvertrage sein konnen. Auch Know-how konnte z.B. ent-halten sein.

4Lizenzen konnen auch an Marken, einem Urheberrecht, Know-how oder anderen Rechten ein-geraumt werden. Haufig werden in einem Lizenzvertrag mehrere Rechte gleichzeitig lizenziert.Unter Know-how werden nicht geschutzte Erfindungsleistungen, Fabrikationsverfahren oder son-stige die Technik bereichernde Leistungen verstanden. Allerdings ist Know-how nur lizenzierbar,wenn es ein Betriebsgeheimnis darstellt. Allgemein bekannte Kenntnisse, die nicht durch Schutz-rechte geschutzt sind, konnen sinnvollerweise nicht lizenziert werden.

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6.2. LIZENZVERTRAG 81

Lizenzvertrage werden aber nicht nur zur Beilegung eines Nichtigkeitsstreites ab-geschlossen5. Lizenzen werden z.B. von Firmen vergeben, die einen patentiertenGegenstand nicht selbst nutzen, wohl aber Einnahmen aufgrund des Patents er-zielen wollen. Gerade kleine Firmen, z.B. im Software– oder Biotechnologiebe-reich, die eine eigene Entwicklung hervorgebracht haben, konnen so Einnahmenerzielen, ohne eine eigene Herstellung oder einen eigenen Vertrieb aufbauen zumussen.Die Lizenz wird durch einen zweiseitigen Vertrag erteilt, bei dem der Lizenzgeberund der Lizenznehmer Vertragspartner sind. Der Lizenzgeber schuldet als Haupt-leistung die Einraumung einer Benutzungsbefugnis, die im Vertrag genau definiertsein muss. Der Lizenznehmer hat meist die Hauptpflicht, dem Lizenzgeber dafurGeld zu bezahlen. Dabei muss im Vertrag u.a. genau festgelegt werden, wie vielwofur und wann gezahlt werden muss.Der §15 PatG regelt die grundsatzlichen Dinge in Bezug auf die Lizenzierungvon Patentrechten, wobei die Einzelheiten u.a. dem Vertragsrecht und der ein-schlagigen Rechtsprechung unterliegen. Grundsatzlich sind die Parteien frei, denInhalt eines Lizenzvertrages zu bestimmen, wobei regelmaßig rechtliche Vorschrif-ten wie das Kartellrecht zu beachten sind. Hierbei sind insbesondere auch eu-ropaische Rechtsnormen zu beachten.Das Patent kann vom Patentinhaber in einer Weise lizenziert werden, bei der aus-schließlich der Lizenznehmer nutzungsberechtigt ist. Eine solche ausschließlicheLizenz (auch Exklusivlizenz genannt) schließt den Patentinhaber selbst von derNutzung aus. Dies kann so weit gehen, dass dem Patentinhaber nur noch die for-melle Inhaberschaft am Patent verbleibt. Der ausschließliche Lizenznehmer darfUnterlizenzen vergeben, sofern nichts anderes vereinbart ist. Auch kann der aus-schließliche Lizenznehmer in der Regel selbst ein fur ihn lizenziertes Patent ge-genuber einem Verletzer durchsetzen; d.h. er ist selbst klageberechtigt.Eine Lizenz, die keine ausschließliche Lizenz ist, wird einfache Lizenz genannt.Typischerweise wird der Lizenzgeber einfache Lizenzen an mehrere Lizenznehmervergeben, die alle den lizenzierten Gegenstand benutzen konnen.Eine Lizenz kann raumlich, zeitlich, sachlich und / oder personlich beschrankterteilt werden. So ist z.B. eine Lizenz eines deutschen Patentes fur ein bestimm-tes Bundesland oder fur eine ganz bestimmte Ausfuhrungsform eines Patentesmoglich. Eine sachliche Beschrankung kann darin liegen, dass die Lizenz nur ein-zelne Benutzungsformen des patentierten Gegenstandes, wie z.B. Vertrieb oderHerstellung betrifft.Ein Lizenznehmer, der gegen eine solche Beschrankung verstoßt, indem er z.B. dasgeschutzte Produkt in einem anderen Bundesland als im Lizenzvertrag festgelegt

5Am Ende des Kapitels wird auf ein besonders beeindruckendes Beispiel eingegangen.

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82 KAPITEL 6. LIZENZ- UND ZUSAMMENARBEITSVERTRAGE

auf den Markt bringt, verletzt das Patent.

6.3 Beispiele fur Eckpunkte eines Lizenzvertrages

Lizenzvertrage sollten aufgrund der meist großen wirtschaftlichen Bedeutung im-mer schriftlich und sehr sorgfaltig abgefasst werden. Insbesondere wirkt EU- Rechtin Lizenzvertrage hinein, da diese u.U. den Austausch von Waren und Dienstlei-stungen im Gemeinschaftsgebiet beeinflussen. Es ist davor zu warnen, unkritischMustervertrage zu ubernehmen oder andere Lizenzvertrage auf neue Sachverhalteungeandert anzuwenden. Bei jeder Gestaltung eines Lizenzvertrages mussen diewirtschaftlichen Interessen der Parteien und die rechtlichen nationalen und ggf. in-ternationalen Randbedingungen genau ermittelt und im Vertrag berucksichtigtwerden. Viele der folgenden Punkte finden sich in den meisten Patentvertragen.Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollstandigkeit.

1. Die Vertragsparteien mussen mit der firmenrechtlich korrekten Schreibwei-se genannt sein. Wenn moglich sollte ein Abgleich mit dem Handelsregistererfolgen (siehe auch die Ausfuhrungen zum Thema Anmelder in Kapitel 8.1)

Ublicherweise wird eine Vertragspartei als Lizenznehmer, die andere als Li-zenzgeber bezeichnet.

2. Der Gegenstand des Lizenzvertrages muss genau bezeichnet werden,d.h. die maßgeblichen Schutzrechte mussen mit ihren Nummern aufgefuhrtwerden. Es muss klar sein, dass der Lizenzgeber tatsachlich berechtigt ist,Lizenzen an den Patenten zu vergeben.

Falls Know-how lizenziert werden soll, so ist dies ebenfalls genau zu be-schreiben. Dabei sind die zu ubergebenden Unterlagen anzugeben. Auch istdie Geheimhaltung sicherzustellen.

3. Es ist anzugeben, ob die Lizenz als ausschließliche oder einfache Lizenzausgebildet ist.

4. Der raumliche Bereich der Lizenz und die Art der Lizenz (z.B. Herstellung,

Vertrieb etc.) mussen festgelegt werden.

5. Es muss festgelegt werden, ob die Vergabe von Unterlizenzen durch den Li-zenznehmer zulassig ist.

6. Es kann vereinbart werden, dass der Lizenzgeber den Lizenznehmer bei derAusubung der Lizenz z.B. durch technische Hilfeleistung in der Aufbauphase

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6.3. BEISPIELE FUR ECKPUNKTE EINES LIZENZVERTRAGES 83

unterstutzt. Die Details betreffend Dauer, Kosten und Art der Hilfeleistungsind festzulegen.

7. Ublicherweise versichert der Lizenzgeber, dass ihm Mangel an dem lizen-zierten Patent, z.B. offenkundige Vorbenutzungen oder patentgefahrdenderStand der Technik nicht bekannt sind. Diese Versicherung schutzt den Li-zenznehmer nicht davor, dass sich das Patent im Nachhinein doch als nichtrechtsbestandig erweist.

8. Es mussen Angaben uber die Hohe der Lizenzzahlungen gemacht werden.Aufgrund der Vertragsfreiheit kann hier zwischen den Parteien die Hohe freiverhandelt werden. In den meisten Fallen existieren Erfahrungswerte, was inBranchen ublich ist, so dass die Verhandlungen nicht vollig im freien Raumstattfinden.

Dabei konnen ein Einmalbetrag, mehrere Fixbetrage oder auch eineumsatz- oder stuckzahlabhangige Zahlung vereinbart werden. Wird ei-ne stuckzahlabhangige Lizenz vereinbart, so ist die Berechungsgrundlage,z.B. der Nettopreis, zu vereinbaren.

Auch muss festgelegt werden, wann und an wen das Geld zu zahlen ist. Inmanchen Fallen wird eine Mindestlizenzgebuhr vereinbart, die unabhangigvom erreichten Umsatz des lizenzierten Gegenstandes zu zahlen ist. DieseRegelungen schließen meist auch bestimmte Buchfuhrungspflichten fur denLizenznehmer ein, damit der Lizenzgeber die Moglichkeit einer Nachprufungerhalt.

9. Es kann vereinbart werden, dass der Lizenzgeber Qualitatskontrollendurchfuhren kann und dass die Lizenzgegenstande mit einem Vermerk(z.B. licensed by....) versehen werden.

10. Es konnen bestimmte Vereinbarungen uber Bezugsverpflichtungen von Roh-materialien etc. getroffen werden, wobei die strengen und komplexen Rege-lungen des Kartellrechts besonders zu beachten sind.

11. Der Vertrag soll Regelungen uber die Aufrechterhaltung der Patente durchden Lizenzgeber und die Verteidigung der Patente enthalten. So sollte derLizenzgeber verpflichtet sein, das Patent gegen einen Einspruch oder ge-gen eine Nichtigkeitsklage zu verteidigen. Auch sollte geregelt sein, wie sichdie Parteien im Falle von Patentverletzungen verhalten. Der ausschließlicheLizenznehmer wird meist bestrebt sein, aus eigenem Recht einen potenti-ellen Verletzer zu verklagen, da er durch den Patentverletzer am meistengeschadigt ist.

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84 KAPITEL 6. LIZENZ- UND ZUSAMMENARBEITSVERTRAGE

12. Der Beginn und die Beendigung des Vertrages sowie Kundigungsregelungenmussen vereinbart werden. Normalerweise endet der Lizenzvertrag mit demErloschen des am langsten laufenden Patentes. Bei mehreren Patenten istdarauf zu achten, was jeweils der Gegenstand des Lizenzvertrages ist, wenndie Patente nach einigen Jahren nacheinander ablaufen. AußerordentlicheKundigungsgrunde, wie z.B. ein Vertragsbruch durch eine der Parteien oderein dauerhaftes Unterschreiten von vereinbarten Mindestumsatzen, solltenerwahnt werden.

13. Fur den Fall der Insolvenz einer der Parteien sollten Sonderkundungsrechtevereinbart werden. Gleiches gilt, wenn sich z.B. die Inhaberschaft des Li-zenznehmers andert. Durch eine solche Anderung konnte ein Mitbewerbereine Lizenz erlangen, was ursprunglich nicht beabsichtigt war.

14. Der Vertrag muss von allen Parteien unterschrieben werden. Dabei ist daraufzu achten, dass die Unterschriften von Personen geleistet werden, die dazuauch berechtigt sind.

15. Zur Klarstellung der Interessenlagen der Parteien kann dem Vertrag einePraambel vorangestellt werden. Darin wird z.B. beschrieben, dass sich dieParteien in einem Patentverletzungsstreit befinden und dieser Lizenzvertragzur Beilegung der Streitigkeiten dienen soll.

Ein Lizenzvertrag muss ein in sich logisches Vertragswerk sein, das den Interes-sen der Parteien angepasst ist. Da ein Lizenzvertrag grundsatzlich auf eine langeLaufdauer angelegt ist6, ist besondere Sorgfalt erforderlich. Es empfiehlt sich, fach-kundigen Rat einzuholen, wobei die obigen Punkte dabei helfen sollen, sich in derVorbereitung des Vertrages uber wichtige Fragen klar zu werden.Ein beredtes Beispiel fur den Nutzen von Lizenzvertragen liefert die Verwertungder Ziegler–Katalysatoren durch Prof. Dr. Karl Ziegler. In dem Buch des Dr. HeinzMartin, Polymere und Patente - Zur wirtschaftlichen Verwertung akademischer For-schung, Wiley–VCH 2002 wird die aufwendige, konsequente und ausgesprochenerfolgreiche Durchsetzung und Verteidigung von Patenten durch den Chemie- No-belpreistrager (1963) Prof. Dr. Karl Ziegler beschrieben. Dieses sehr ins chemischeund rechtliche Detail gehende Buch, das von einem Mitstreiter Zieglers geschrie-ben wurde, zeigt den Wert des Patentschutzes. In diesem Buch wird auch nicht derAufwand verschwiegen, der notwendig war, um ca. 90 Lizenzvereinbarungen mitUnternehmen abzuschließen. Es ist davon auszugehen, dass durch die Patente imLaufe von 40 Jahren mindestens ein EURO–Betrag in dreistelliger Millionen-Hoheerzielt wurde.

6Maximale Patentlaufdauer 20 Jahre nach §16 Abs. 1 PatG!

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6.4. ZUSAMMENARBEITS- UND ENTWICKLUNGSVERTRAGE 85

6.4 Zusammenarbeits- und Entwicklungsvertrage

Zusammenarbeits- und Entwicklungsvertrage werden durch das Patentgesetznicht geregelt. Die Bedeutung solcher Vertrage ist gerade in der Zusammenar-beit zwischen Universitaten und Unternehmen groß. Durch solche Vertrage kannein Interessenausgleich hergestellt werden, d.h. die Universitat bekommt Geldfur Forschung, das Unternehmen bekommt Forschungsergebnisse7. Auch zwischenUnternehmen werden immer haufiger Zusammenarbeitsvertrage geschlossen, dakomplexe Entwicklungen durch ein Unternehmen allein haufig nicht mehr zu rea-lisieren sind.Da solche Vertrage naturgemaß eine Vielfalt von Regelungen enthalten konnen,soll hier in Erganzung zu den Eckpunkten der Lizenzvertrage nur schlaglichtartigauf einige Aspekte hingewiesen werden.

• Es werden in der Regel Personen benannt, die mit der Umsetzung des Vertra-ges, z.B. der Erzielung von Forschungsergebnissen, befasst sind. Dabei spie-len Geheimhaltungsaspekte eine wichtige Rolle, wobei hier im universitarenBereich haufig Grenzen vorliegen.

• Sehr wichtig ist die Vereinbarung, wer berechtigt ist Patente anzumelden,wer die Kosten dafur tragt und wie die Einnahmen aus der Verwertung derPatente verteilt werden.

• Es muss geregelt werden, was in dem Fall passiert, wenn ein Vertragspartnerein Schutzrecht aufgeben will. Es kann z.B. eine Anbietungspflicht vereinbartwerden, nach der das Schutzrecht den anderen Vertragspartnern vor einerAufgabe anzubieten ist.

7Seit 2002 spielt in diese Zusammenarbeit zwischen Professoren und Firmen das Arbeitnehme-rerfindungsgesetz hinein, so dass Professoren uber Hochschulerfindungen nicht mehr frei verfugenkonnen.

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86 KAPITEL 6. LIZENZ- UND ZUSAMMENARBEITSVERTRAGE

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Kapitel 7

Fordermittel, Vermarktung

Die Erfahrung zeigt, dass fur viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) dieErlangung und dann ggf. die Durchsetzung eines Patentes nur einen Teil einesProblems der Investitionssicherung bildet.

Der Erhalt von Fordermitteln und Hilfen bei der Vermarktung ist in vielen Fallenschwierig, nicht zuletzt, da die passenden Informationen daruber schwer zu findensind. Auch andern sich die Rahmenbedingungen haufig, so dass man im konkretenFall die jeweils aktuellsten Informationen auswerten sollte. Im Folgenden werdeneinige Anlaufstellen vorgestellt1.

7.1 Die SIGNO-Forderung

Das Bundesministerium fur Bildung und Forschung (BMBF) fordert ei-ne Vielzahl von patentrechtlichen Aktivitaten unter dem SIGNO–Programm2

(www.signo-deutschland.de).

Eine starkere Nutzung von Patent- und wissenschaftlich-technischen Datenbankensoll helfen, Doppelentwicklungen und Fehlinvestitionen zu vermeiden. Des Weite-ren konnen die aus Datenbanken gewonnenen Informationen zur Ermittlung desStandes der Technik, zur Uberprufung der Patentsituation, zur Konkurrenz- undTrendanalyse sowie zur laufenden Uberwachung von Entwicklungsthemen strate-gisch eingesetzt werden.

Zusatzlich soll die Vertiefung der Kenntnisse uber das Patentwesen dazu beitragen,Innovationen bei Produkten und Verfahren starker als bisher gesetzlich schutzenzu lassen. Denn nur durch eine Anmeldung zum Patent oder Gebrauchsmusterbesteht die Chance, die Erfindung allein verwerten zu konnen. Auch konnen

1Dabei kann keine Vollstandigkeit angestrebt werden. Weder die Beschreibung im Folgendennoch die Nichterwahnung einer Informationsmoglichkeit stellt ein Werturteil dar.

2Fruher waren Teile dieses Programms auch als INSTI–Programm bekannt.

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88 KAPITEL 7. FORDERMITTEL, VERMARKTUNG

gewerbliche Schutzrechte dazu fuhren, dass neue Markte erschlossen, Existenz-grundungen ermoglicht und Arbeitsplatze geschaffen und gesichert werden.Uber das Internet ist eine Reihe von Datenbanken verfugbar, uber die spezialisier-te Firmen z.B. fur Existenzgrunderberatung oder Forderprogrammberatung aus-gewahlt werden konnen. Dabei ist zu beachten, dass diese Datenbanken keinenAnspruch auf Vollstandigkeit erheben.Die folgende Beschreibung stutzt sich im Wesentlichen auf die Internet-Seitender Initiative, um die Innovationsfahigkeit, Effizienz in Forschung und Entwick-lung sowie einen wirksamen Transfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zuermoglichen.Das SIGNO–Programm fur KMU umfasst einen InnvationsMarket und eine Inno-vationsaktion. Die Datenbank www.innovationmarket.de enthalt Innovationsan-gebote oder -nachfragen. In dieser Datenbank wurden im Marz 2009 fur 75 Inno-vationen Unternehmen (April 2008: 65) gesucht. Auch suchten im Marz 2008 15Unternehmen bestimmte Innovationen (im April 2008 waren es 14).Ferner gibt es im Rahmen der Innovationsaktion eine Fordermoglichkeit fur Pa-tentkosten, wenn ein Unternehmen die folgenden Bedingungen erfullt:

1. Das Unternehmen gehort dem produzierenden Gewerbe, einschließlichHandwerk, oder der Landwirtschaft an, wobei der Geschaftssitz und Pro-duktionsstatte in Deutschland liegen muss.

2. Das Unternehmen hat bis zu 250 Beschaftigte und hat entweder einem Jah-resumsatz von hochstens 50 Millionen EURO oder einer Jahresbilanzsummevon hochstens 43 Millionen EURO.

3. Das Unternehmen hat in den letzten funf Jahren kein Patent oder Gebrauchs-muster angemeldet.

Es werden z.B. Patentrecherchen (50% der Kosten, maximal EUR 500,–) oderdeutsche Patentanmeldungen (50% der Kosten, maximal EUR 2.100,–) gefordert.Weitere Informationen, insbesondere die Forderrichtlinien konnen von der Home-page heruntergeladen werden.

7.2 Vermarktung von Erfindungen der Berliner

Hochschulen

Unzweifelhaft werden an Hochschulen viele Erfindungen gemacht, die aber haufignicht zu Patenten fuhren. Liegt einmal eine wissenschaftliche Veroffentlichungvor, ist in der Regel kein Patentschutz mehr moglich.

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7.2. VERMARKTUNG VON ERFINDUNGEN DER BERLINER HOCHSCHULEN 89

In den USA erzielen viele Universitaten hohe Einnahmen aus der Vermarktungihrer Forschungsergebnisse, so dass die eigene Finanzierung der Hochschulen ver-bessert wird. Dieser Trend halt nunmehr auch in Deutschland verstarkt Einzug.Die SIGNO–Initiative (siehe 7.1) des Bundes fordert den Technologietransferzwischen Unternehmen und Hochschulen. Parallel dazu gibt es auch in einigenLandern Vermarktungsfirmen, die sich spezielle auf die Vermarktung von Hoch-schulerfindungen spezialisiert haben.Fur Erfindungen, die an Berliner Hochschulen (z.B. TU Berlin, FU Berlin,Humboldt–Uni, FHs) entstanden sind, ist im Jahr 2002 eine besondere Vermark-tungsgesellschaft gegrundet worden, namlich die

ipal GmbH

intellectual property asset management

Bundesallee 171

10715 Berlin

Telefon: 030 2125 4820

www.ipal.de

Ziel dieser Gesellschaft ist es, in enger Zusammenarbeit mit den Erfindern, denHochschulen und Patentanwalten eine effiziente Anmeldung von Patenten zu er-reichen, um diese dann an Interessenten zu lizenzieren oder zu verkaufen. Durcherhaltene Mittel soll die Forschung gefordert und das bisher ungenutzte wirtschaft-liche Potential der Hochschulen besser ausgeschopft werden.Es existieren Schnittstellen an den Einrichtungen, bei der alle Erfindungen auf-grund des Gesetzes uber Arbeitnehmererfindungen3 gemeldet werden mussen. Ander TU Berlin ist dies:

Technische Universitat Berlin

Servicebereich Kooperationen Patente Lizenzen (KPL)

Straße des 17. Juni 135

Raum H 1106a

10623 Berlin

Telefon: 030 314-21768

www.tu-berlin.de/?id=17063

Hier konnen sich Angehorige der TU Berlin uber Patente informieren. Das kom-plette Informationsangebot kann auf der Homepage eingesehen werden.

3Die rechtlichen und wirtschaftlichen Probleme des Arbeitnehmererfinderrechts sind ausgespro-chen vielschichtig, da eine komplexe Rechtsprechung entstanden ist.

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90 KAPITEL 7. FORDERMITTEL, VERMARKTUNG

7.3 Weitere Informationsmoglichkeiten

Die EU bietet eine Fulle von Forderungsmoglichkeiten an, die z.T. so kom-plex sind, dass es fur diesen Bereich eigene kommerzielle Berater gibt. Untercordis.europa.eu/en/home.html findet man den Forschungs- und Entwicklungs-informationsdienst der Europaischen Gemeinschaft. Hier werden Informationenfur Firmen bereitgestellt, die Forschungs- und Entwicklungsvorhaben mit eu-ropaischen Partnern durchfuhren wollen. Dafur werden Gelder bereitgestellt, dieauch fur die Anmeldung von Patenten verwendet werden konnen. Damit sollenauch kleine und mittelstandische Unternehmen gefordert werden.Unter www.patentanwalt.de findet man ein Verzeichnis aller deutschen Patent-anwalte, das von der Patentanwaltskammer gefuhrt wird. Mit der Suchmaskekonnen Anwalte z.B. in einer bestimmten Stadt schnell ermittelt werden. EineSuche nach Spezialgebieten ist in dieser Datenbank allerdings nicht moglich.Unter www.epo.org/patents/Grant-procedure/representatives.html findet man ei-ne Datenbank, in der die vor dem Europaischen Patentamt zugelassenen Vertreteraufgefuhrt sind.

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Kapitel 8

Patentanmeldeverfahren

Patentanmelde–, Patentprufungs– und Patenterteilungsverfahren sind sehr um-fangreiche Themengebiete, so dass diese im Rahmen des Skriptes nicht ausfuhrlichdargestellt werden konnen. Im Ubrigen ist das Buch von Vollrath, Witte: Praxis derPatent- und Gebrauchsmusteranmeldung hier hilfreich.Im Rahmen diese Skriptes sollen vor allem zwei Aspekte erwahnt werden wer-den, der sich fur die in der Praxis Tatigen als besonders relevant erwiesen hat,namlich eine provisorische Patentanmeldung als eine Art Notanmeldung zum eili-gen Schutz einer Erfindung und die sinnvolle Formulierung einer Erfindungsmel-dung.

8.1 Provisorische Patentanmeldung

Diese Skript soll keine Anleitung zur Formulierung von Patentanmeldungen geben,da dies den Rahmen sprengen wurde. Wohl aber sollen die Mindestvoraussetzun-gen angesprochen werden, um eine wirksame Patentanmeldung vornehmen zukonnen. Eine provisorische Patentanmeldung sollte jeder Ingenieur oder Natur-wissenschaftler einreichen konnen, damit keine Rechte verloren gehen.Typischerweise werden provisorische Patentanmeldungen kurz vor Messen,Veroffentlichungen oder Vortragen vorgenommen, um sich fur eine Erfindungeinen fruhen Anmeldetag zu sichern. Anderenfalls wurde die Ausstellung auf einerMesse, die Veroffentlichung oder der offentliche Vortrag Stand der Technik fur dieErfindung darstellen und eine wirksame Patentierung verhindern.Durch die provisorische Patentanmeldung soll ein wirksamer Anmeldetag fur daserhalten werden, was an diesem Tag beim Deutschen Patent- und Markenamt ein-gereicht wurde1.

1Das Wort provisorisch bezieht sich lediglich auf den Inhalt der Anmeldung; wenn die gesetz-lichen Anmeldungsvoraussetzungen eingehalten werden, wird die provisorische Patentanmeldung

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92 KAPITEL 8. PATENTANMELDEVERFAHREN

Folgende Mindestvoraussetzungen sind dabei fur eine deutsche Patentanmeldungzu erfullen:

1. Eine Patentanmeldung muss schriftlich beantragt werden. Dazu fullt manam besten das entsprechende Antragsformular des Deutschen Patent- undMarkenamtes aus, das aus dem Internet heruntergeladen werden kann.Wichtig ist, dass der Anmelder rechtlich korrekt bezeichnet wird, denn derAnmelder ist der Inhaber der Patentanmeldung. Der Anmelder ist der Ei-gentumer der Patentanmeldung. Anmelder kann eine naturliche Person oderauch eine juristische Person, wie z.B. eine GmbH sein. Grundsatzlich kann esauch mehr als einen Anmelder geben, d.h. die Patentanmeldung gehort meh-reren naturlichen oder juristischen Personen. Bei einer einer solchen Anmel-dergemeinschaft ist es unbedingt empfehlenswert, eine vertragliche Rege-lung uber Rechte und Pflichten zu treffen. Insbesondere muss klar sein, wiedas Recht an der Erfindung (§6 PatG) von dem Erfinder (siehe unten) aufden Anmelder ubergegangen ist. Es sollte geregelt werden, ob und wie einMitglied einer Anmeldergemeinschaft unabhangig von den anderen mit sei-nem Anteil an der Erfindung verfugen kann. Gerade bei Kooperationen zwi-schen verschiedene Personen (mit ggf. unterschiedlichen Interessen) musshier große Sorgfalt verwendet werden.

Bei Firmen ist hier die Bezeichnung zu verwenden, die im Handelsregister2

eingetragen ist.

Es ist in jedem Fall ratsam, das Handelsregister zu konsultieren. Eine On-line Version ist unter www.bundesanzeiger.de zuganglich, wobei immer zuprufen ist, ob diese Informationen auch auf dem neusten Stand sind.

Ist die Firma nicht im Handelsregister eingetragen, weil Sie z.B. in Formeiner Gesellschaft burgerlichen Rechts (GbR) organisiert ist, so muss zur Si-cherheit in jedem Fall eine rechtsfahige Person (naturlich oder juristisch)angegeben werden. Besondere Sorgfalt muss geubt werden, wenn die Firmagerade erst in Grundung ist und u.U. noch nicht rechtsfahig ist. Es durfenkeine Fantasie-Namen, wie z.B. Erfindergemeinschaft Dusentrieb verwendetwerden.

Soll die Patentanmeldung im Namen von naturlichen Personen eingetragenwerden, so sind diese mit Namen und Adresse anzugeben.

vom zustandigen Patentamt wie eine regulare Patentanmeldung behandelt.2Die rechtlich vollstandige Bezeichnung (z.B. XY GmbH & Co. KG) findet sich in der Regel auf

den Briefbogen der Firma, wobei diese Angaben leider haufig nicht vollstandig sind. Im Zweifel isthier genau nachzufragen.

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8.1. PROVISORISCHE PATENTANMELDUNG 93

Wichtig ist, dass die Anmeldung auf eine existierende Person eingetragenwird, von der das Recht spater auf eine andere Person ubertragen werdenkann.

Bei einer komplexen Firmenstruktur ist es wichtig, dass die Patentanmeldungfur die Firma angemeldet wird, fur die es rechtlich und wirtschaftlich amsinnvollsten ist. Patentanmeldungen oder Patente konnen jederzeit von einerFirma auf eine andere zu ubertragen, was aber mit Kosten verbunden ist.

Zum Zeitpunkt der Patentanmeldung muss der Erfinder nicht benannt wer-den. Eine Erfindung ist ein personlich, schopferischer Akt, so dass juristi-sche Personen, wie Firmen, nie Erfinder sein konnen. Durch die Erfindungentsteht das Recht an der Erfindung zunachst bei dem Erfinder oder sei-nem Rechtsnachfolger (§6 PatG). Haben mehrere Personen eine Erfindunggemacht, so steht ihnen das Recht auf das Patent gemeinschaftlich zu. Miter-finder wird aber nur derjenige, der durch selbststandige, geistige Mitarbeiteinen schopferischen Anteil beim Auffinden des Erfindungsgedanken gelei-stet hat. Kein Miterfinder ist z.B. der Vorgesetzte, der die Arbeitsumgebungbereitstellt. Auch sind Personen, die nur nach Anweisung gehandelt haben,keine Miterfinder. Fur die Eigenschaft des Miterfinders kommt es ausschließ-lich auf die tatsachlichen Beitrage zur erfinderischen Losung an, so dassz.B. in einem Projekt vorab getroffenen Vereinbarungen uber Erfinderschaf-ten unwirksam sind.

Das Erfinderrecht ist ein hochstpersonliches Recht, dass nicht ubertragenwerden kann. Der Erfinder hat das Recht, als solcher auf der Patentschriftgenannt zu werden.

Wenn der Erfinder nicht identisch zum Anmelder ist, muss dargelegt werden,wie das Recht vom Erfinder auf den Anmelder ubergegangen ist. Auch wenndiese Darlegung nicht zum Zeitpunkt der Anmeldung erforderlich ist, ist essehr sinnvoll, diese Fragen fruhzeitig zu klaren.

Das Recht kann insbesondere durch einen Vertrag vom Erfinder auf den An-melder ubergehen. Auf die teilweise sehr komplexen Besonderheiten vonangestellten Erfindern, einschließlich Hochschulangehorigen, soll hier nichteingegangen werden.

Ist das Recht an der Erfindung vom Erfinder wirksam auf den Anmelderubertragen, so hat der Erfinder kein Recht mehr an der Erfindung, d.h. dasPatent gehort allein dem Anmelder. Der Anmelder kann allein uber da Patentverfugen; er kann es insbesondere fallenlassen, verkaufen oder lizensieren.

Es liegt auf der Hand, dass hier ein Spannungsverhaltnis vorliegt, das nur

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94 KAPITEL 8. PATENTANMELDEVERFAHREN

durch rechtzeitige, sorgfaltige Regelung entspannt werden kann. In einersolchen Regelung sollte bei mehreren Erfindern immer auch festgehaltenwerden, wie groß einzelne Erfinderanteile gewesen sind. Bei der Patentan-meldung werden diese Erfindungsanteile gegenuber dem Patentamt nichtangegeben, wohl aber spielen diese Anteile eine große Rolle, bei der Vertei-lung von Gewinnen aus dem Patent oder der Verteilung der Kosten.

Es ist erfahrungsgemaß sehr schwer, im Nachhinein festzustellen, wer in wel-chem Umfang an einer Erfindung beteiligt war.

Fur den Fall, dass ein Anmelder zur Anmeldung eines Patents nicht berech-tigt war, so spricht man von einer widerrechtlichen Entnahme. Der wah-re Berechtigte (z.B. der wahre Erfinder) kann dann die Abtretung des An-spruchs auf Erteilung des Patents verlangen (§8 PatG). Diese erfolgt in derRegel durch eine so genannte Vindikationsklage.

Damit die sachliche Prufung der Patentanmeldung durch die Feststellung desErfinders nicht verzogert wird, gilt im Verfahren vor dem Deutschen Patent–und Markenamt der Anmelder als berechtigt, die Erteilung des Patents zuverlangen (§7 (1) PatG). Man spricht von der Anmelderfiktion.

2. Es muss ein Text (ggf. mit Zeichnungen) eingereicht werden, der dieErfindung beschreibt. Dies muss noch nicht eine vollstandig ausformu-lierte Patentanmeldung sein. Bei einer provisorischen Patentanmeldungbeim Deutschen Patent- und Markenamt und beim Europaischen Patentamtmussen keine Patentanspruche formuliert werden. Allerdings empfiehlt essich aus rechtlichen Grunden Anspruche anzugeben, die die Erfindung inihren Grundzugen charakterisieren.

In der Praxis kann der Text ein Artikel, eine Diplomarbeit, eine Doktorar-beit oder irgendein anderer Text sein, der die Erfindung fur einen Fachmannverstandlich beschreibt.

Der Text muss nicht auf Deutsch eingereicht werden, muss aber innerhalbvon drei Monaten in deutscher Sprache vorliegen (siehe §35 PatG)3. Dabei istdarauf zu achten, dass ein Anmeldetag nur dann wirksam begrundet wird,wenn ein vollstandiger Text in deutscher Sprache eingereicht oder ggf. alsUbersetzung nachgereicht wird. Im Zweifel sind alle fremdsprachigen Fach-ausdrucke zu ubersetzen, um sicher zu gehen, dass ein Anmeldetag wirksambegrundet wurde. Nach Einreichung der provisorischen Patentanmeldungsollte fachkundiger Rat eingeholt werden, um Rechtsverluste zu vermeiden.

3Beim Europaischen Patentamt konnen z.B. auch englischsprachige Anmeldungen eingereichtwerden. Die Vorschriften fur die Erlangung eines Anmeldetages unterscheiden sich von denen imdeutschen Verfahren, worauf hier nicht naher eingegangen werden soll.

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8.1. PROVISORISCHE PATENTANMELDUNG 95

Bei der Formulierung des Textes sollte unbedingt auf Vollstandigkeit ge-achtet werden, denn man erhalt nur fur die Merkmale der Erfindung einenAnmeldetag zuerkannt, die der Fachmann dem Text entnehmen kann. DasMerkblatt4 des Deutschen Patent- und Markenamtes kann Anhaltspunkte furdie Formulierung einer provisorischen Patentanmeldung geben.

Von entscheidender Bedeutung ist, dass die beschriebene Erfindung furden Fachmann auch ausfuhrbar ist. Dies kann im Einzelnen bedeuten, dassz.B. Analyseverfahren, Versuchsergebnisse und weitere technische Beschrei-bungen eingereicht werden mussen. Wird die Erfindung nur als eine Ideebeschrieben, wird mit sehr großer Wahrscheinlichkeit kein wirksamer An-meldetag begrundet, so dass die Prioritat auch nicht wirksam in Anspruchgenommen werden kann.

In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass eine prio-ritatsbegrundende Patentanmeldung grundsatzlich der Offentlichkeitzuganglich wird, so dass vermieden werden sollte, Betriebsgeheimnisse ineinen solchen Text aufzunehmen. Die Abwagung dieser Fragen kann imEinzelfall schwierig sein, ist aber fur eine erfolgreiche Verfolgung einerPatentanmeldung sehr wichtig.

3. Wichtig ist, dass Antrag und Text beim zustandigen Patentamt rechtzei-tig eingehen. Die Aufgabe zur Post oder das Datum des Poststempels rei-chen nicht aus! In Berlin existiert bei der Informationsstelle des DeutschenPatent- und Markenamtes in der Gitschiner Straße fur jeden Wochentag einBriefkasten, wobei stets nur der aktuelle geoffnet werden kann. Um Mitter-nacht erfolgt eine automatische Umschaltung auf den nachsten Tag. Durcheinen Einwurf der Schriftstucke direkt beim Deutschen Patent- und Marken-amt oder einer anderen dafur vorgesehenen Stellen (z.B. einem Patentinfor-mationszentrum) kann das Risiko von zu langen Postlaufzeiten vermiedenwerden. Grundsatzlich ist auch eine Einreichung per Telefax moglich, wobeiman allerdings nie ganz sicher sein kann, dass die Empfangsvorrichtung aufder Gegenseite auch funktioniert.

4. Fur die Begrundung eines Anmeldetages ist es nicht erforderlich, Gebuhrenam Anmeldetag zu bezahlen. Auch muss kein Prufungs- oder Recherchenan-trag gestellt werden.

Sobald wie moglich sollte dann die provisorische Erstanmeldung durch ei-ne inhaltlich und formell vollstandige Nachanmeldung ersetzt werden, wo-bei die Prioritat der provisorischen Erstanmeldung in Anspruch genommen

4P2721 Merkblatt fur Patentanmelder ist uber die Internet-Seite des DPMA verfugbar.

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96 KAPITEL 8. PATENTANMELDEVERFAHREN

wird. Dann kann auch entschieden werden, ob ein Prufungs- oder Recher-chenantrag sinnvoll ist.

Ein Jahr nach der provisorischen Anmeldung lauft die Frist fur die Inan-spruchnahme der Prioritat fur Nachanmeldungen im In- und Ausland un-wiederbringlich ab. Diese Frist ist sehr wichtig, so dass diese, wenn irgendmoglich, professionell uberwacht werden sollte.

Die provisorische Patentanmeldung wird spatestens nach 18 Monatenveroffentlicht und gehort damit zum allgemein zuganglichen Stand der Tech-nik. Allen weiteren Anmeldungen wurde diese Veroffentlichung entgegenste-hen.

Die Nachanmeldung kann inhaltlich erweitert werden, wobei den Erweite-rungen nur der Tag der Nachanmeldung zukommen kann.

Somit schutzt eine provisorische Patentanmeldung nur das, was der Fach-mann den eingereichten Unterlagen ohne weiteres entnehmen kann. Genauhier liegt ein Risiko der Prioritatssicherungsanmeldung: Wenn der Ge-genstand der Erfindung nicht ausreichend beschrieben ist, kann es spaterbei der wirksamen Inanspruchnahme der Prioritat Schwierigkeiten geben.Eine Veroffentlichung der Erweiterungen nach der Erstanmeldung ware furdie provisorische Patentanmeldung zwar unschadlich, wurde aber einer Auf-nahme der Erweiterungen in die Nachanmeldung entgegenstehen.

8.2 Erfindungsmeldung

Im Rahmen einer Erfindungsmeldung teilt der Erfinder (oder die Erfinder) einemArbeitgeber oder einem Patentanwalt mit, dass eine Erfindung gemacht wurde.Hier soll nicht auf die formellen oder rechtlichen Aspekte von Diensterfindungeneingegangen.Der Grundsatz ist, dass eine Erfindungsmeldung keine perfekte und besondersumfangreiche Beschreibung der Erfindung sein muss. Auch mussen keine Patent-anspruche formuliert werden.Wesentlich ist, dass die z.B. eine firmeninterne Patentabteilung oder ein Patent-anwalt verstehen konnen, was erfunden wurde, welche Merkmale zur Umsetzungder Erfindung notwendig sind und welche Vorteile die Erfindung hat. Wenn rele-vanter Stand der Technik bekannt ist, sollte er benannt werden. Zusammen mitder Patentabteilung oder dem Patentanwalt wird in der Regel besprochen, ob einegesonderte Patentrecherche zur Vorbereitung der Patentanmeldung sinnvoll ist.Die Erfahrung hat gezeigt, dass folgende Fragen vom Erfinder oder von den Erfin-dern beantwortet werden sollten.

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8.3. WEITERER GANG EINER PATENTANMELDUNG 97

• Welcher Stand der Technik ist Ihnen bekannt?

• Was sind die Nachteile des Standes der Technik?

• Welches Problem wird durch die Erfindung gelost?

• Wie lost die Erfindung das Problem?

• Welche Merkmale der Erfindung sind aus Ihrer Sicht besonders wichtig?

• Was ist das wesentliche physikalische und / oder chemische Wirkprinzip derErfindung und welche Merkmale der Erfindung sind notwendig, dieses Wirk-prinzip umzusetzen?

• Konnen Sie die Erfindung graphisch darstellen? Bei computer–basierten Er-findungen: Konnen Sie ein Flussdiagramm oder eine andere graphische Dar-stellung der Funktion angeben?

• Welche Anwendungsbeispiele gibt es?

• In welcher Weise soll die Erfindung in der Produktion eingesetzt oder ver-kauft werden?

• Was ist bereits der Offentlichkeit zuganglich gemacht worden? Gab es Vor-stellungen auf Messen?

• Wer war an der Erfindung beteiligt? Bei mehreren Erfindern ist es sinnvoll,Prozentangaben fur die Erfinderanteile anzugeben.

8.3 Weiterer Gang einer Patentanmeldung

Auf Grund der Erfindungsmeldung wird der Patentanwalt einen Entwurf einer Pa-tentanmeldung verfassen. Dieser Entwurf wird dann an die Erfinder und / oderandere vorher bestimmte Mitarbeiter ubersandt. Ublicherweise werden mit demEntwurf noch eine Reihe von Fragen oder Kommentare fur die Erfinder ubersandt.Die Erfinder konnen Ihre Kommentare direkt in den Text einarbeiten oder die offe-nen Fragen mit dem Patentanwalt klaren. Die Abstimmung des Entwurfes geht inder Regel relativ zugig voran. Uber technische Details kann man sich erfahrungs-gemaß per (verschlusselter) E-Mail gut austauschen.Wenn der Text abgestimmt ist, wird der Text bei dem vereinbarten Patentamt ein-gereicht. Durch die Anmeldung wird ein (erster) Prioritatstag fur die Erfindungfestgelegt. Gleichzeitig ist dieser Tag Ausgangspunkt fur Patentanmeldungen furWeiterentwicklungen der Erfindung.

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98 KAPITEL 8. PATENTANMELDEVERFAHREN

Es ist sehr empfehlenswert, spatere Verbesserungen der Erfindung jeweils zeit-nah beim Patentamt anzumelden. Dies geschieht kostengunstig dadurch, dass dieneuen Ausfuhrungsbeispiele dem bereits bestehenden Text hinzugefugt werden.Mit jeder Neueinreichung einer Patentanmeldung wird ein neuer Prioritatstag furdie Merkmale begrundet, die in der jeweiligen Neuanmeldung neu hinzugekom-men sind. Grundsatzlich konnen innerhalb des Prioritatsjahres beliebig viele Prio-ritatstage geschaffen werden.Fur eine rechtliche Beurteilung der Erfindung ist es wichtig, moglichst fruh ei-ne Aussage eines Patentamtes zu erhalten, wie die Patentfahigkeit der Erfindunggesehen wird5. Wenn ein Prufungsantrag gestellt wird, wird eine entsprechendeRecherche vom Patentamt durchgefuhrt. In den meisten Fallen liegt das Ergebnisder Recherche in Form eines Prufungsbescheides ca. acht bis zehn Monate nachdem Anmeldetag vor. In dem Prufungsbescheid legt der Patentprufer haufig dar,aus welchen Grunden (meist wegen mangelnder Neuheit oder mangelnder erfin-derischer Tatigkeit) er den Gegenstand der Patentanmeldung fur nicht patentfahighalt6.Auf den Prufungsbescheid wird der Anmelder mit einer Bescheidserwiderungreagieren, indem z.B. die Patentanspruche geandert werden, um die Einwande desPatentprufers auszuraumen. Typischerweise werden die Patentanspruche durchdie Aufnahme von weiteren Merkmalen in die unabhangigen Anspruche einge-schrankt; d.h. der Gegenstand des Patentanspruchs wird spezieller. Dabei wirdhaufig von der Moglichkeit Gebrauch gemacht, Merkmale der Unteranspruchein unabhangige Anspruche aufzunehmen. Alternativ oder zusatzlich ist es auchmoglich, Merkmale aus der Beschreibung in die Anspruche aufzunehmen. Aller-dings muss sehr genau darauf geachtet werden, dass die neuen Patentanspruchenicht uber das hinausgehen, was ursprunglich einmal in der Patentanmeldung of-fenbart war.Es gibt aber auch Falle, in denen die Patentanspruche bei der Beantwortung ei-nes Prufungsbescheides nicht geandert werden, sondern die vom Patentprufer imPrufungsbescheid vorgetragenen Argumente vom Anmelder entkraftet werden.In einer Bescheidserwiderung wird in der Regel eine Argumentation zur erfinderi-schen Tatigkeit auf der Grundlage des Aufgabe–Losungs–Ansatz vorgelegt.In jedem Fall ist ein Prufungsbescheid kein letztinstanzliches ”Urteil”, sondern eineAuffassung, die Ausgangspunkt einer Diskussion ist. Die Erfinder und ggf. andere

5Parallel dazu muss naturlich auch die wirtschaftliche Beurteilung der Erfindung erfolgen. Esmuss vermieden werden, dass Geld fur Erfindungen ausgegeben wird, deren wirtschaftliches Po-tential zweifelhaft ist

6Da die Patentanspruche zunachst bewusst breit formuliert werden, sind Beanstandungen desPrufers vollkommen normal. Die Formulierungen in den Prufungsbescheiden sind manchmal dra-stisch formuliert, was einen jedoch nicht irritieren sollte

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8.3. WEITERER GANG EINER PATENTANMELDUNG 99

Mitarbeiter des Anmelders sind in diesen Diskussionsprozess eingebunden, da nurso sichergestellt wird, dass fur die Anmelder das geschutzt wird, was wirtschaftlichsinnvoll ist. Auch ist es wichtig, die technischen Kenntnisse der Erfinder in dieBearbeitung von Prufungsbescheiden einzubeziehen. Ublicherweise arbeitet derPatentanwalt einen Entwurf einer Bescheidserwiderung aus, der den Erfindernzur kritischen Durchsicht ubersandt wird. Teil dieses Diskussionsprozesses kannauch ein Anhorung bei Patentprufer sein, bei dem die Erfindung erlautert wird,was gerade bei komplexen Erfindungen sinnvoll sein kann.

Am Ende steht in den vielen Fallen eine Patenterteilung. Sollte der Patent-prufer die Patentanmeldung zuruckweisen, kann gegen diese Entscheidung eineBeschwerde eingelegt werden.

Wichtig ist, dass innerhalb eines Jahres nach dem ersten Prioritatstags dieletzte Gelegenheit besteht, alle bis dahin gemachten Erfindungen in einer Paten-tanmeldung zusammengefasst werden und die einzelnen Prioritaten in Anspruchgenommen werden konnen.

Typischerweise nutzt man diese Gelegenheit, die Erfindung im Ausland anzu-melden, wenn die Erfindung vom Anmelder als viel versprechend bewertet wird.Grundsatzlich konnte in jedem Land der Erde ein Patent angemeldet werden. DieKosten dafur wurden aber in die Millionen gehen.

Daher werden in der Praxis Patente nur in den Landern angemeldet, diefur die Erfindung eine wirtschaftliche Bedeutung7 haben. Es gibt verschiede-ne Moglichkeiten, durch eine Art Sammelanmeldung, eine Patentanmeldungzunachst fur eine Gruppe von Landern anzumelden.

8.3.1 Europaisches Patent

Eine Moglichkeit besteht darin, eine europaische Patentanmeldung8 nach demEPU vorzunehmen, die rechtlich von der prioritatsbegrundenden Patentanmel-dung unabhangig ist; d.h. die prioritatsbegrundende Patentanmeldung lebt weiter.Das Europaische Patentamt fuhrt eine Recherche durch und gibt eine vorlaufigeStellungnahme zur Patentfahigkeit ab. Wenn dann ein Prufungsantrag gestelltwird, wird der Patentprufer des Europaischen Patentamtes einen Prufungsbescheid

7Im Vorfeld der Entscheidung uber Auslandsanmeldungen ist eine enge Abstimmung zwi-schen Entwicklungsabteilung und Marketingabteilung sinnvoll, damit eine wirtschaftlich sinnvolleLosung gefunden wird. Es muss immer daran gedacht werden, dass nach Ablauf des Prioritatsjahrs,die Prioritat der Erfindung nirgends mehr in Anspruch genommen werden kann. Ist der Gegenstandeiner Patentanmeldung erstmal veroffentlicht (18 Monate nach Anmeldungstag, beim Gebrauchs-muster auch viel fruher) kann kein wirksamer Schutz fur den Gegenstand der Patentanmeldungmehr erhalten werden

8siehe Kapitel 2.3

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100 KAPITEL 8. PATENTANMELDEVERFAHREN

verfassen. Wie bei der prioritatsbegrundenden Patentanmeldung, setzt dann eineDiskussion der Erfindung mit dem Prufer ein. An Ende soll die Erteilung einesPatentes stehen.

Das Europaische Patentamt erteilt zentral ein Patent, wobei dieses letztlich nurfur die Lander wirksam wird, die der Anmelder auswahlt. Das europaische Patentkann als eine Art Bundel nationaler Patente verstanden werden, die nach Wunschdes Anmelders wirksam werden. Somit muss spatestens mit der Erteilung des Pa-tentes entschieden werden, in welchen Landern ein europaisches Patent validiertwerden soll. Abgesehen von Ubersetzungskosten, die auch nach dem LondonerAbkommen immer noch anfallen, muss immer auch daran gedacht werden, dassnationale Patentanmeldungen Jahresgebuhren kosten, die im Laufe der Zeit an-steigen. Somit ist bei der Validierungsentscheidung eine sorgfaltige Prufung derwirtschaftlichen Sinnhaftigkeit erforderlich.

Erfahrungsgemaß vergehen zwischen Anmeldung eines europaischen Patentesund dessen Erteilung zwei bis vier Jahre. Es werden meist ein bis drei Bescheid-serwiderungen ausgetauscht.

8.3.2 Internationale Patentanmeldung (PCT–Anmeldung)

Eine weitere Moglichkeit ist eine PCT–Anmeldung. Uber 140 Lander9 sind Ver-tragsstaaten des PCT10. Im Rahmen dieses Vertrags kann eine Patentanmeldungvorgenommen werden, die gleichzeitig in den Vertragsstaaten wirksam ist. Im Un-terschied zu einer europaischen Patentanmeldung geht es im PCT–Verfahren nichtum eine zentrale Erteilung, sondern eine zentrale Anmeldung, der dann eineErteilung in einzelnen Nationalstaaten oder bei einem regionalen Patentamt, wiedem Europaischen Patentamt, nachgeschaltet ist.

Im Rahmen des PCT–Verfahrens wird eine Recherche11 durchgefuhrt, die mit einerStellungnahme zur Patentfahigkeit verbunden ist. Der Anmelder kann, muss abernicht, einen Antrag auf internationale vorlaufige Prufung stellen. Diese Prufungist vorlaufig, da die Meinung des Patentprufers im PCT–Verfahren fur die Patent-prufer der regionalen oder nationalen Patentamter rechtlich nicht bindend ist12.Wird fur einen deutschen Anmelder aus der PCT–Anmeldung eine europaische Pa-tentanmeldung eingeleitet, so wird meist derselbe Prufer des EPA die Angelegen-heit betreuen. Wenn im PCT–Verfahren ein positiver Recherchen- oder vorlaufiger

9Nahere Einzelheiten unter www.wipo.org10Europaische Patentanmeldungen werden wie ein Staat behandelt.11Fur Erfindungen von deutschen Erfindern wird die Recherche von einem Prufer des EPA durch-

gefuhrt.12Es wird zurzeit angestrebt, dass Patentamter Recherchen andere Patentamter akzeptieren, um

Doppelarbeiten zu vermeiden.

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8.3. WEITERER GANG EINER PATENTANMELDUNG 101

Prufungsbericht verfasst wurde, so ist in der Regel damit zu rechnen, dass der Pa-tentprufer des EPA relativ schnell ein Patent erteilt. Die Entscheidung, in welchenLandern oder Regionen letztlich ein Patent validiert werden soll muss 30 bzw. 31Monate nach dem fruhesten Prioritatsdatum fallen.Der wesentliche Vorteil des PCT–Verfahrens ist, dass die kostenintensive Natio-nalisierung der einzelnen Patente zeitlich aufgeschoben kann, was im Folgendenerlautert wird:

Wenn z.B. am 01.01.2007 eine nationale Patentanmeldung vorgenom-men wurde, muss spatestens bis zum 01.01.2008 eine PCT–Anmeldungunter Inanspruchnahme der Prioritat vom 01.01.2007 angemeldet wer-den. Die Entscheidung, in welchen PCT–Vertragsstaaten eine nationaleAnmeldung vorgenommen wird, muss erst am 01.07.2009 bzw. dem01.08.2009 getroffen werden.

Der Anmelder kauft sich praktisch Zeit, was ihm die Moglichkeit gibt, die wirt-schaftliche Bedeutung der Erfindung zu prufen. Erst wenn die wirtschaftliche Be-wertung der Erfindung positiv ausfallt, werden die relativ hohen Kosten fur die na-tionalen oder regionalen Anmeldungen ausgelost. Wird nach 31 Monaten z.B. eineeuropaische Patentanmeldung aus einer PCT–Anmeldung abgeleitet, so verschie-ben sich die Kosten der Einleitung z.B. einer nationalen osterreichischen Phasenochmals.Es sei darauf hingewiesen, das man eine europaische Patentanmeldung oder einePCT–Patentanmeldung auch ohne Beanspruchung einer Prioritat anmelden kann.Dies beschleunigt das Verfahren, hat aber den Nachteil, dass schnell relativ hoheKosten anfallen, ohne dass hinreichen Informationen uber patentrechtliche oderwirtschaftliche Potential der Erfindung vorliegen.

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102 KAPITEL 8. PATENTANMELDEVERFAHREN

Mitgliedslander

Die Fig. 6 zeigt die zurzeit13 141 Mitgliedslander des PCT14.

Fig. 6: PCT MitgliedslanderSehr viele wirtschaftlich wichtige Lander werden durch den PCT–Vertrag abge-deckt. Wichtige Ausnahmen gibt es in Sudamerika (Argentinien, Venezuela) undim Nahen Osten (Saudi Arabien, Iran). Ferner sind Thailand und Taiwan keineMitgliedsstaaten. Wenn fur diese Lander Schutz begehrt wird, muss spatestens einJahr nach der fruhesten Prioritat jeweils ein nationales Patent angemeldet werden.Da die Anmeldung haufig in der jeweiligen Landessprache vorgenommen werdenmuss und sehr umfangreiche Formalien einzuhalten sind, sollte spatestens zehnMonate nach dem fruhesten Prioritatstag feststehen, ob in diesen Landern eineAnmeldung vorgenommen werden muss. Die Anfertigung von Ubersetzungen unddie Beschaffung von Vollmachten etc. erfordert einige Zeit.

13Stand: 6. Marz 200914Aus PCT–Newsletter, Marz 2009 www.wipo.org

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Anhang A

Patentrecherchen

Patentrecherchen sind nicht nur fur die Beurteilung von Patentverletzungen wich-tig. Es ist ein Ziel des Projektkurses, eine systematische und vor allem praktischeEinfuhrung in das Thema zu geben. Wenn hier von Patenten gesprochen wird, soschließt dies auch Gebrauchsmuster mit ein, die nach den gleichen Kriterien inDatenbanken oder im Patentamt einsortiert sind.Recherchenziele sind z.B.:

• Ermittlung des Standes der Technik fur einen Einspruch.

• Ermittlung, ob es gefahrliche Schutzrechte gibt, die man durch ein Produktoder die Anwendung eines Verfahrens verletzt.

• Ermittlung, ob ein Schutzrecht wahrscheinlich rechtsbestandig ist.

• Ermittlung, ob eine Erfindung wahrscheinlich schutzfahig ist.

• Ermittlung von Schutzrechten eines Anmelders / Erfinders.

• Konkurrenzanalysen.

• Marktanalysen fur Business Plane.

• Ermittlung des freien Standes der Technik, der frei benutzt werden kann.

• Suche nach technischen Informationen zu einem Thema1

Es gibt kein Kochrezept fur Recherchen, denn jede Recherche muss an das je-weilige Recherchenziel und die vorhandenen Ausgangsinformationen angepasstwerden. Somit kann diese Einfuhrung nur auf wichtige Punkte hinweisen; die Re-cherchestrategie muss in jedem Einzelfall neu festgelegt werden.Ausgangsinformationen fur Recherchen sind z.B.:

1Es wird geschatzt, dass 85% allen technischen Wissens in Patentliteratur vorliegt.

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104 ANHANG A. PATENTRECHERCHEN

• Technische Informationen

• Patentklassen2

• Namen von Anmeldern, Konkurrenten, Erfindern

Ein Grundsatz jeder Recherche ist, dass

immer mehr als ein Recherchenansatz

verfolgt werden sollte. Durch verschiedene, sich erganzende Recherchenansatzewird die Redundanz und damit die Recherchensicherheit erhoht. Dies ist beson-ders wichtig, wenn festgestellt werden soll, ob ein Gegenstand ein Schutzrechtverletzt3. Letztlich wird es bei Recherchen keine 100%-ige Sicherheit geben.

Auch wird betont, dass fur Patentrecherchen eine große Erfahrung notwendig ist,so dass man sich im Zweifel Rat bei einem Patentrechercheur oder einem Patent-anwalt holen sollte.

A.1 Sachrecherchen

Bei Sachrecherchen konnen Recherchen nach Patentklassen z.B. durch Recherchennach Schlagwortern erganzt werden. Auch wenn es prinzipiell keine 100% sichereRecherche geben kann, so kann durch Kontrollrecherchen die Recherchensicher-heit gesteigert werden.

Im Folgenden wird eine strukturierte Recherchemoglichkeit vorgestellt4, die sich inahnlicher Form im Europaischen Patentamt bewahrt hat. Dabei wird die Recherchein verschiedene Phasen aufgeteilt:

1. Informationen sammeln. Dazu gehort es den Recherchengegenstand genauzu verstehen, um z.B. wichtige Begriffe (ggf. auch in mehreren Sprachen)zu ermitteln. Auch Firmennamen, Namen von Anmeldern, Synonyme zu Be-griffen und einschlagige Patentklassen sollten wenn irgend moglich erfasstwerden.

2Der Aufbau der internationalen Patentklassifikation IPC und der europaischen Klassifikationwird in Kapitel A.1.1 beschrieben.

3Diese besonderes wichtigen Recherchen, die ublicherweise vor einer Produkteinfuhrung vor-genommen werden, werden auch als Freedom–To–Operate (FTO) Analysen bezeichnet

4Die Ausfuhrungen basieren auf einem Seminar, das Herr Vollmann als Prufer am EuropaischenPatentamt im Wintersemester 2005/2006 an der TU Berlin im Rahmen des Projektkurses gehaltenhat.

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A.1. SACHRECHERCHEN 105

2. Zerlegung des Recherchengegenstandes in wesentliche Elemente. Dabeikommt es auf die Elemente an, die fur das Wesen des Recherchengegen-standes wichtig sind.

3. Zu jedem Element des Recherchengegenstandes wird ein Suchkonzept er-stellt, wobei ein Suchkonzept insbesondere jeweils einschlagige Patentklas-sen und Suchworte umfasst. Auch konnen Anmeldernamen oder Erfinderna-men Teil des Suchkonzeptes werden.

Es kann sinnvoll sein zwei bis funf Suchkonzepte festzulegen, d.h. die we-sentlichen Elemente des Recherchengegenstandes werden jeweils durch einSuchkonzept abgedeckt.

4. Die Patentklassen und die Suchbegriffe innerhalb eines Suchkonzeptes wer-den jeweils mit einem logischen ODER verknupft, so dass ein relativ großerLosungsraum fur jedes Suchkonzept abdeckt wird.

5. Schließlich wird durch eine logische UND Verknupfung der Ergebnisse jedesSuchkonzeptes eine Schnittmenge gebildet, die relevante Dokumente ent-halten wird. Wenn man mit dem Ergebnis nicht zufrieden ist, so wird manentweder die Suchkonzepte und / oder die Inhalte der Suchkonzepte (Pa-tentklassen, Suchbegriffe etc.) andern mussen.

Anhand der Tabelle 3 wird dieses Suchkonzept beispielhaft erlautert. Es geht da-bei um eine abziehbare Schutzfolie fur das Display eines Personal Digital Assistant(PDA). Als wesentliche Elemente werden die Begriffe abziehbar, Schutzfolie undDisplay angesehen. In diesem Beispiel werden keine Erfinder- oder Anmelderna-men zur Recherche verwendet. Es wird die internationale Patentklassifikation IPCverwendet.

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106 ANHANG A. PATENTRECHERCHEN

Tab. 3: Beispiel fur eine strukturierte Recherche mit drei Suchkonzepten

Wesentliche Elemente desRecherchengegenstandes

abziehbar Schutzfolie Display

Suchkonzept1

Suchkonzept2

Suchkonzept3

IPC–Klasse C09F..... G02B .... G06F...Schlusselworte peelable,

peel, pull-off...

protectivesheet, fil-ter, protect,layer....

screen, LCD,PDA, touchscreen ...

Vereinigungsmenge jedesSuchkonzeptes

A B C

Recherchenergebnis A UND B UND C

Die IPC–Klassen des jeweiligen Suchkonzeptes werden logisch mit denSchlusselworten des ersten Suchkonzeptes mit einem ODER verbunden, so dassdie Vereinigungsmengen A, B und C entstehen. In dem Uberlappungsbereich, derSchnittmenge, dieser drei Mengen werden mit einiger Sicherheit relevante Do-kumente enthalten sein. Die Schnittmenge wird durch eine UND–Verknupfungermittelt, indem alle Dokumente ermittelt werden, die in allen drei Vereinigungs-mengen enthalten sind.

A.1.1 Patentklassifikationen

Die Bedeutung der Patentklassifikationen ergibt sich vor allem daraus, dass un-abhangig von konkreten Suchbegriffen in einer Sprache technische Konzepte welt-weit bestimmten Klassen zugeordnet werden. Somit lassen sich mit Klassifikations-Recherchen eine Vielzahl von technisch relevanten Dokumenten ermitteln, ohnedass man konkrete Suchbegriffe benennen muss.Grundlage der Patentklassifikation ist die weltweit genormte IPC (InternationalPatent Classification). Das Europaische Patentamt verfeinert diese Klassifikationals ECLA standig.Jeder Rechercheur muss daher sichere Kenntnisse der Patentklassifikation haben.In der Datenbank DEPATISNET5, der Datenbank ESPACENET6 und auf der Ho-mepage der WIPO (www.wipo.org) finden sich umfassende Informationen uberPatentklassifikationen.Auf der Seite der WIPO gibt einen Guide7 mit einer Einfuhrung in das System. Da-

5Siehe Kapitel A.2.16Siehe Kaptitel A.2.17http://www.wipo.int/classifications/ipc/en/general/

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A.1. SACHRECHERCHEN 107

bei ist insbesondere das Kapitel uber die Prinzipien der Klassifizierung zu beach-ten. Die IPC–Klassen fur einen Gegenstand haben sich im Laufe der Zeit geandertund werden fortlaufend an die technische Entwicklung angepasst, so dass alterePatentdokumente noch die alten Klassifikationen aufweisen. Wenn eine jungereAuflage der IPC z.B. eine neue spezielle Klasse einfuhrt, so ware es nicht sach-gerecht nur in dieser neuen Klasse zu recherchieren. Altere Erfindungen wurdenin eine andere Klasse einsortiert, so dass gelegentlich altere Auflagen der IPC zubeachten sind, um die fruher relevante Klasse zu ermitteln. Die entsprechendenHinweise in eckigen Klammern in den IPC–Sektionsverzeichnissen sind zu beach-ten!Auf der Seite des EPA http://v3.espacenet.com/eclasrch?locale=de EP finden sichInfomationen zu ECLA.Das Europaische Klassifikationssystem (ECLA) ist eine Erweiterung der Interna-tionalen Patentklassifikation (IPC ) . Mit ihren 135 600 Unterteilungen verfugtdie ECLA gegenuber der IPC uber ca. 66 000 zusatzliche Unterteilungen und istdamit genauer. Die Europaische Klassifikation wird von den Prufern des EPA aufPatentdokumente angewendet, um die Recherche zum Stand der Technik zu ver-einfachen. Sie wird laufend uberarbeitet und ruckwirkend angewendet.Das Deutsche Patent- und Markenamt hat ebenfalls eine eigene Patentklassifikati-on (DEKLA) eingefuhrt.Das US-Patentamt hat wiederum eine andere Patentklassifikation eingefuhrt, dieunabhangig von der IPC–Klassifikation ist8.

A.1.2 Vorbereitung der Recherche

Bevor eine Recherche in einer Datenbank oder im Patentamt durchgefuhrt wird,muss diese grundlich vorbereitet werden. So muss man sich Klarheit uber denzu recherchierenden Gegenstand verschaffen. Dabei ist zu berucksichtigen, dassder zu recherchierende Gegenstand u.U. mehrere Blickwinkel erlaubt (z.B. eineelektronische Schaltung fur eine Regelung kann unter dem zu regelnden Geratoder unter der Schaltungselbst zu suchen sein). Haufig mussen mehrere Klassifikations–Sektionen fur einenGegenstand recherchiert werden.Teil der IPC ist ein Schlagwortverzeichnis, dass z.B. auch uber die Datenbank DE-PATISNET zuganglich ist. Ein technischer Sachbegriff kann dort eingegeben wer-den, um die relevanten Klassen zu ermitteln.In jedem Fall sind die vorhandenen Ausgangsinformationen moglichst gut aus-zuwerten. Ist z.B. ein Schutzrecht aus dem technischen Gebiet bekannt, so kann

8http://www.uspto.gov/go/classification/

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108 ANHANG A. PATENTRECHERCHEN

durch die Auswertung eines Recherchenberichts schnell ahnlicher Stand der Tech-nik ermittelt werden, der als Ausgangspunkt fur weitere Recherchen dienen kann.Durch Familienrecherchen (z.B. in DEPATISNET oder ESPACENET) konnen In-formationen uber parallele Schutzrechte9 ermittelt werden, so dass auch Recher-chenberichte anderer Patentamter ausgewertet werden konnen. Dabei sind dieErgebnisse einer Datenbank grundsatzlich durch eine Abfrage in einer anderenDatenbank zu verifizieren.Wertvoll ist die Moglichkeit in DELPHION10, ESPACENET11 und in der Datenbankdes US-Patentamtes12, die im Prufungsverfahren eines Patents zitierten Schutz-rechte und die Schutzrechte zu ermitteln, in denen das Patent selbst wieder zitiertwird. Dabei werden fur US-Schutzrechte auch Geschmacksmuster aufgefuhrt, wasfur Konsumguter haufig interessant ist.Folgende Informationen sind zur Planung einer Sachrecherche hilfreich:

• Festlegung von Schlagwortern zur Suche in Datenbanken (DEPATISNET(Expertenrecherche), DELPHION, ESPACENET, DELPHION). Dabei solltendeutsche, englische und ggf. weitere fremdsprachige Worter verwendetwerden. Die Suche nach Schlagworten kann zur Eingrenzung der zu re-cherchierenden Patentklassen dienen. Hierbei sollten ubliche Fachbegriffe(z.B. Abkurzungen, IUPAC-Nomenklatur, etc.) gewahlt werden. Die Recher-che mit Suchbegriffen kann insbesondere bei Recherchen nach mechani-schen Systemen, bei denen es auf konstruktive Details ankommt, schwierigsein, da geometrische Verhaltnisse nur schwer durch Suchbegriffe erfassbarsind. Gelegentlich kann eine Recherche nach der Funktion hier eher zum Zielfuhren.

Wichtig ist dabei, dass die Stichworter im Volltext (d.h. Beschreibungsein-leitung, Figurenbeschreibung, Titel, Zusammenfassung und Anspruche)gesucht werden. Eine Recherche nur in Zusammenfassungen, Anspruchenoder gar Titeln wird in der Regel keine sinnvollen Ergebnisse bringen.Die Datenbanken DEPATISNET und die Datenbank des US–Patentamtes(www.uspto.gov) haben von den kostenlosen Datenbanken im Internet wohldie besten Volltextrecherchemoglichkeiten. 13

9Parallel bedeutet, dass ein Gegenstand, der auf eine gemeinsame Prioritat zuruckgeht, in einemanderen Land angemeldet wurde. Zu beachten ist dabei, dass die Definition einer Patentfamilie,d.h. alle Patente, die durch (mindestens) eine Prioritat verbunden sind, in den Datenbanken nichteinheitlich umgesetzt ist. Es ist daher sinnvoll, zu Absicherung Familienrecherchen in unterschied-lichen Datenbanken durchzufuhren, um die Recherchensicherheit zu erhohen.

10Siehe Kapitel A.2.111Siehe Kapitel A.2.112Siehe Kapitel A.2.113Warnung: Man muss ich immer einen Uberblick verschaffen, wie weit der Volltextdatenbestand

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A.1. SACHRECHERCHEN 109

• Ermittlung der IPC–Klassen uber das Stichwortverzeichnis (DEPATISNET)14.

• Ermittlung der Patentklassen anhand der Sektionsverzeichnisse. Dabei ist aufdie Querverweise zu achten. Dabei ist es wichtig, immer alle Aspekte desRecherchengegenstandes zu berucksichtigen (s.o. Schaltung fur Regelung,Gegenstand, der geregelt wird), da die Aspekte in ganz unterschiedlichenSektionen einklassifiziert sein konnen.

Bei der Recherche sollte immer auch auf Nebenklassen geachtet werden, dadiese wichtige Hinweise auf u.U. relevante Klassen geben kann.

• Recherche nach Erfindernamen / Firmenamen gibt haufig Hinweise aufahnliche Gegenstande und Patentklassen. Dabei werden gerade bei US-Firmen haufig Schutzrechte auf Internet-Seiten zitiert. Auch kennt manhaufig die Namen der Konkurrenten, so dass uber eine Namensrechercheahnlicher Stand der Technik ermittelbar ist. Im wissenschaftlichen Umfeldkonnen Recherchen nach Autorennamen sinnvoll sein.

• Haufig fuhrt auch eine Recherche in Internet-Seiten zu wertvollen Infor-mationen. So konnen z.B. Firmen- oder Erfindernamen mit Suchmaschinen(z.B. Google) ermittelt werden. Auch werben viele Firmen mit ihren Schutz-rechten, so dass hier Ansatzpunkte zu finden sind.

• Auch kann zur weiteren Eingrenzung die US-Klassifikation verwendet wer-den. Dies ist sinnvoll, da Patentdokumente u.U. unterschiedlichen Klassifi-kationen zugeordnet werden. Die Verwendung von unterschiedlicher Patent-klassifikationen erhoht in jedem Fall die Recherchesicherheit.

Grundsatzlich sollte bei einem negativen Recherchenergebnis die Suchstrategievariiert werden, bevor ein Negativergebnis als endgultig akzeptiert wird. So soll-ten die genannten Methoden kombiniert werden, um z.B. einen unscharfen Such-begriff mit einer geeigneten IPC–Klasse zu kombinieren. Auch wenn eine Daten-bankrecherche nicht direkt zu einem Volltreffer fuhrt, so hilft sie doch, das Recher-chengebiet auf einige IPC–Klassen einzuengen.

Hat man einige relevante IPC–Klassen ermittelt, so sind grundsatzlich auch im-mer die ../00 IPC–Klassen (Sammelklassen) auszuwerten, da sich hier haufigwichtiges Material verbirgt.

einer Datenbank reicht14In DEPATISNET SSW abgekurzt

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110 ANHANG A. PATENTRECHERCHEN

A.2 Durchfuhrung der Recherche

A.2.1 Datenbankrecherchen

Es stehen eine Reihe von kostenlosen Internet–Datenbanken zur Verfugung. DieSyntax der Suchsprachen (auch Retrievalsprachen genannt) unterscheidet sich beiden Datenbanken erheblich. Es ist darauf zu achten, dass eine Recherche im Voll-text erfolgt und nicht nur in Titeln oder Zusammenfassungen.

ESPACENET , EPOLINE

Die Datenbank ist unter ep.espacenet.com zu finden. Neben europaischen, ja-panischen und internationalen Patentanmeldungen (PCT–Anmeldungen), sind inder Datenbank Worldwide Daten von 60 Millionen nationalen Schutzrechtenzuganglich15. Zu diesen nationalen Schutzrechten sind bibliographische Anga-ben16 und Teile der Anmeldetexte fur Volltext verfugbar. Der jeweilige Inhalt derDatenbanken sollte vor jeder Recherche gepruft werden17.

Vollstandige pdf–Dateien der Patentschriften konnen aus der Datenbank herunter-geladen werden.

Uber die Datenbank ESPACENET ist ein Zugriff auf die Familieninformation derINPADOC–Datenbank moglich. Diese sehr umfangreiche Datenbank ist sehr wich-tig, um im Rahmen einer Familienrecherche parallele Schutzrechte zu einem ge-suchten Schutzrecht zu finden. So kann festgestellt werden, ob z.B. ein deutschesGebrauchsmuster abgezweigt wurde, das auf eine bestimmte Prioritat zuruckgeht.Vor allem aber konnen parallel Schutzrechte in anderen Landern ermittelt wer-den. Ferner enthalt die INPADOC Datenbank Angaben uber den Rechtsstand vonSchutzrechten, wobei diese Informationen nicht rechtsverbindlich sind.

Sehr wertvoll kann eine Recherche in der Datenbank EPOLINE(www.epoline.org/portal/public) sein, da sich hier fur die neueren Falle desEuropaischen Patentamtes eine elektronische Akteneinsicht durchfuhren lasst.Alle Schriftsatze der Anmelder, des Amtes und ggf. der Einsprechenden sind hiereinsehbar und konnen als pdf–Dateien geladen werden. Auf diese Weise kommtman z.B. sehr schnell an wissenschaftliche Artikel oder Firmenschriften, die voneinem Prufer im Prufungsverfahren zitiert worden waren.

15Warnung: Es gibt auch Teildatenbanken, die nur die Veroffentlichungen der letzten zwei Jahreenthalten

16Bibliographische Angaben betreffen insbesondere Titel, Anmelder und Anmeldedaten, nichtaber Informationen uber den Inhalt des Schutzrechts.

17Datenbestand: z.B. HELP–Funktion der jeweiligen Datenbank, haufig unter dem Stichwort co-verage

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A.2. DURCHFUHRUNG DER RECHERCHE 111

US-Patentamt (USPTO)

Das US–Patentamt bietet eine sehr umfangreiche Datenbank18 zu US-Schutzrechten an, in denen zumindest in Veroffentlichungen seit 1976 flexibel imVolltext recherchiert werden kann. Es ist moglich, Suchanfragen mit komplexenbooleschen Ausdrucken durchzufuhren.

Sehr hilfreich konnen auch elektronische Akteneinsichten beim USPTO sein, dieunter portal.uspto.gov/external/portal/pair vorgenommen werden konnen. Gera-de bei US-Patenten ist es von großer Bedeutung, die Außerungen des Patentin-habers wahrend des Erteilungsverfahrens in Erfahrung zu bringen. Die rechtlicheBewertung sollte immer einem US-Patent- oder Rechtsanwalt uberlassen werden.

Google hat eine sehr komfortable Oberflache fur die Recherche in den Daten-banken des US-Patentamtes geschaffen (www.google.com/patents). Allerdingskonnen damit keine komplexen Suchstrategien mit booleschen Ausdrucken aus-gefuhrt werden.

DELPHION

Mit DELPHION19 konnen unter einer einheitlichen und sehr flexiblen Oberflacheeuropaische Patente und Patentanmeldungen, internationale Patentanmeldungen,japanische Abstracts, US–Patente und veroffentlichte US–Patentanmeldungen unddeutsche Offenlegungsschriften und Patentschriften recherchiert werden. MancheDienste der Datenbank sind nur mit einem Passwort zuganglich. Insbesonderekann in dieser Datenbank anhand von Suchbegriffen recherchiert werden, diemit Booleschen Operatoren verknupfbar sind. Des Weiteren werden Daten ausder Datenbank INPADOC zur Verfugung gestellt, die z.B. Informationen uber Pat-entzitierungen und Patentfamilien enthalt. Dabei ist zu beachten, dass die Fami-lieninformationen in DELPHION nur fur die Schutzrechte vollstandig ist, die denStammbestand der Schutzrechte (US, WO, JP, EP) ausmachen. Man arbeitet aberan einer Vervollstandigung, wobei stets der aktuelle Datenbestand gepruft werdenmuss. Auch stellt DELPHION zunehmend Auswertungstools zur Verfugung, mitdenen großere Datenmengen bearbeitet werden konnen.

Interessant ist, dass mehrere Druckschriften auf einmal heruntergeladen werdenkonnen und ein Export eines Recherchenergebnisses in Excel moglich ist. Auchlassen sich statistische Analysen in bequemer Form vornehmen, die bisher nur

innerhalb der STN-Datenbanken moglich waren.

18 www.uspto.gov/patft/index.html an. Die Datenbank enthalt Informationen uber alle seit 1790veroffentlichten US-Patente.

19www.delphion.com

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112 ANHANG A. PATENTRECHERCHEN

DEPATISNET

Die DEPATISNET–Datenbank20 des Deutschen Patent- und Markenamtes weisteinen sehr umfangreichen Fundus an Patenten und Gebrauchsmustern auf, wobeiSchutzrechte aus sehr vielen Landern verfugbar sind. Ein Vorteil gegenuber ande-ren kostenlosen Datenbank ist, dass im Expertenmodus komplexe Suchanfragen(Verknupfung von Suchbegriffen mit booleschen Operatoren) moglich sind.

Hilfreich ist auch die sehr ubersichtliche tabellarische Darstellung eines Re-cherchenergebnisses, bei der z.B. auch Anmeldernamen, IPC–Klassen oderVeroffentlichungsdaten angezeigt werden konnen. Ferner ist es moglich das Re-cherchenergebnis in eine Excel-Datei auszugeben. Gerade zur Ermittlung geeig-neter IPC–Klassen ist DEPATISNET gut geeignet. Auch sind Familienrecherchenmoglich. Allerdings muss bei Stichwortrecherchen sorgfaltig gepruft werden, obdie Volltextrecherchemoglichkeiten von DEPATISNET fur die Recherche ausrei-chen. So ist eine Volltextrecherche in der Beschreibung der deutschen Patentschrif-ten gut moglich, nicht aber in der Beschreibung der europaischen Patentschriften.

Mit DEPATISNET konnen Schutzrechte als komplette pdf–Dateien heruntergeladenwerden.

DEPATISNET enthalt vollstandige Schutzrechte aus wesentlich mehr Landern(Vorteil gegenuber DELPHION). Eine genaue Ubersicht findet sich unter demMenupunkt Information Datenbestand.

DPINFO

Das Deutsche Patent- und Markenamt bietet unter https://dpinfo.dpma.de eineDatenbank an, in der der Rechtsstand einer Patentanmeldung oder eines Patentesermittelt werden kann. Die Recherchemoglichkeiten sind beschrankt, da z.B. nichtnach einem Anmelder oder Erfinder recherchiert werden kann. Auch sei daraufhingewiesen, dass der Rechtsstand in der DPINFO Datenbank nicht rechtsverbind-lich ist. Im Ernstfall muss man einen Antrag auf Akteneinsicht stellen, um den wah-ren Rechtsstand zu ermitteln. Eine online Akteneinsicht beim Deutschen Patent–und Markenkamt ist nicht moglich.

Die Interpretation der rechtlichen Information in der Datenbank ist nicht einfachund sollte im Zweifel einem Fachmann uberlassen werden.

A.2.2 Sachrecherche im Patentamt

In Berlin befindet sich im Gebaude des ehemaligen Reichspatentamtes das

20www.depatisnet.de

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A.2. DURCHFUHRUNG DER RECHERCHE 113

Deutsche Patent– und Markenamt

Technisches Informationszentrum

Gitschiner Str. 97

10958 Berlin

Telefon: 030 25 9992-0

Offnungszeiten des Recherchesaals mit DEPATIS–Stationen:

Mo-Mi: 07:30 bis 15:30

Do: 07:30 bis 19:00

Fr: 07:30 bis 14:00

Hier sind spezielle DEPATIS–Recherchestationen aufgestellt. Ferner existiert nocheine Sammlung an Schutzrechten in Papierform21.

Trotz der immer besseren Datenbanken, sind Recherchen in Papier fur mancheFragestellungen22 notwendig. Das Personal der Auslegehalle ist sehr hilfsbereit.

Ferner existieren in vielen Stadten Patentinformationszentren (PIZ), deren Adres-sen der Homepage des DPMA zu entnehmen sind.

A.2.3 Warnungen

• Grundsatzlich stehen jedem machtige Datenbanken fur technische Recher-chen zur Verfugung, die fur viele Zwecke sehr hilfreich sind. Aber die Gren-zen der Recherchenauswertung liegen vor allem da, wo es um die Beurtei-lung von Rechtsfragen, wie z.B. einer moglichen Patentverletzung, geht.

• Recherchen zur Feststellung einer moglichen Patentverletzung sind risiko-reich, da das finanzielle Risiko u.U. extrem groß sein kann, insbesondere beiPatentverletzungen im Ausland. Da die Beurteilung einer Patentverletzungeine Rechtsfrage ist, ist es unbedingt empfehlenswert, sich bei einem Patent-anwalt oder der Patentabteilung des Unternehmens beraten zu lassen.

• Auch kann der Rechtsstand (d.h. die Feststellung, ob ein Patent in Kraft ist)anhand der Informationen in Datenbanken nicht verbindlich getroffen wer-den. Im Zweifel muss Einsicht in die Akten des Patents genommen werden.

21Neue Veroffentlichungen werden nur noch elektronisch vorgenommen. Angesichts der Papier-berge in der Auslegehalle ist das verstandlich.

22z.B. fur Recherchen in sehr alten Veroffentlichungen, die in den Datenbanken allenfalls unterder Veroffentlichungsnummer zu finden sind.

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114 ANHANG A. PATENTRECHERCHEN

• Will man z.B. ermitteln, ob in Deutschland ein potentiell gefahrliches Schutz-recht existiert, so reicht es in der Regel nicht aus, nur nach deutschen Pa-tentveroffentlichungen zu recherchieren. So mussen auch europaische Pa-tentveroffentlichungen und internationale Patentanmeldungen recherchiertwerden. Ferner mussen auch deutsche Gebrauchsmuster recherchiert wer-den.

• Weiterhin muss im Ernstfall immer auch gepruft werden, ob es paralleleRechte im Ausland gibt. Die dafur erforderlichen Familienrecherchen sindebenfalls mit vielen Fallstricken behaftet.

• Gerade bei Konsumgutern, wird neben den technischen Einzelheiten, haufigauch das Design geschutzt. Zur Sicherheit sollte man in solchen Fallen auchnach Geschmacksmustern und sogar dreidimensionalen Marken recherchie-ren.

A.3 Hinweise zu Namensrecherchen

Die Datenbanken, in denen Namensrecherchen sinnvoll sind (INPADOC, DEPATIS-NET, DELPHION, ESPACENET, WPINDEX etc.) enthalten in der Regel nicht denletzten Stand in Bezug auf die Inhaberschaft. Ist ein Schutzrecht auf einen neuenInhaber umgeschrieben worden, so kann dies anhand dieser Datenbanken nichtfestgestellt werden. Aus diesem Grund ist eine Recherche nach Erfindernamenu.U. besser als eine Recherche nach dem Namen eines Anmelders. Aber selbst Er-findernamen konnen sich z.B. durch Heirat andern.Recherchen nach Namen (Anmelder, Erfinder) sind heikel, da Namen u.U. inDatenbanken falsch geschrieben sind. Gerade auslandische Namen, insbesonde-re japanische oder chinesische Namen werden oft falsch transliteriert, so dasshier besser andere Kriterien verwendet werden sollten. Daher sollten Namensre-cherchen, wie andere Recherchen auch, in unterschiedlichen Datenbanken durch-gefuhrt werden, um eine gewisse Redundanz zu erreichen.

A.4 Internationale Patentklassifikation

Die Internationale Patentklassifikation (IPC ) beruht auf dem Straßburger Abkom-men aus dem Jahre 1975, wobei bereits 1968 die erste Auflage einer Klassifikationerschienen war. Die Weltorganisation fur geistiges Eigentum (WIPO) mit Sitz inGenf ist fur die Betreuung der IPC zustandig, so dass man auf deren Internetseiteneingehendere Informationen erhalt.

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A.4. INTERNATIONALE PATENTKLASSIFIKATION 115

Ziel der IPC ist es, das gesamte Gebiet der Technik in Klassen zu erfassen, sodass Patente, Patentanmeldungen oder Gebrauchsmuster fur technisch ahnlicheGegenstande leichter recherchierbar sind. Fur die Prufer in den Patentamtern wirdauch die Fachliteratur nach IPC Klassen aufgearbeitet. Auch die Prufer werden an-hand der IPC einzelnen Fachgebieten zugeordnet. Da die IPC von den wirtschaft-lich bedeutsamsten Landern seit geraumer Zeit angewandt wird, kann daruber eingroßer Teil der technischen Veroffentlichungen effizient erschlossen werden.Im Internet ist die IPC in Deutsch unter depatisnet.dpma.de/ipc/zu finden. In Englisch und Franzosisch ist die IPC unterwww.wipo.int/classifications/fulltext/new ipc/index.htm zu finden.Der Bereich der Technik ist in die folgenden Sektionen der IPC gegliedert:

A Taglicher Lebensbedarf

B Arbeitsverfahren; Transportieren

C Chemie; Huttenwesen

D Textilien; Papier

E Bauwesen; Erdbohren; Bergbau

F Maschinenbau; Beleuchtung; Heizung; Waffen; Sprengen

G Physik

H Elektrotechnik

Im Folgenden soll die Klassifikation eines Handgerates zum Unkrautjaten betrach-tet werden, das in die Sektion A Taglicher Lebensbedarf klassifiziert wird23.Innerhalb jeder Sektion existiert eine immer feiner werdende Untergliederung desStoffes in Klassen.Beispiel: Klasse A01: Landwirtschaft; Forstwirtschaft; Tierzucht; Jagen; Fallen-stellen; Fischfang.Die Klassen untergliedern sich in Unterklassen.Beispiel: Unterklasse A01B: Bodenbearbeitung in Land- und Forstwirtschaft; Tei-le, Einzelheiten oder Zubehor von landwirtschaftlichen Maschinen oder Geratenallgemein.

23Diese Klassifikation ist nicht sonderlich intuitiv. In die anderen Sektionen passt es aber nochviel weniger. In der Sektion A ist z.B. auch die Medizintechnik eingeordnet, die an sich nicht alsTaglicher Bedarf gelten kann (sollte). Dies zeigt, dass ein Einstieg in die Recherche bereits einigeVoruberlegungen erfordert.

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116 ANHANG A. PATENTRECHERCHEN

Die Unterklassen untergliedern sich in Gruppen. Dabei unterscheidet man Haupt-gruppen und Untergruppen.Beispiel: Die hier relevante Hauptgruppe A01B 1/00 betrifft Handgerate allge-mein. Die Untergruppe A01B 1/16 betrifft Gerate zum Ausreißen von Unkraut.Aufgrund der zugeordneten Hauptgruppe ist klar, dass nur Handgerate gemeintsein konnen. Wichtig ist, dass bei jeder Recherche in einer Untergruppe immerauch die zugeordnete Hauptgruppe ../00 recherchiert wird, weil dort haufignicht eindeutig klassifizierbares, aber wichtiges Material einsortiert wird.Haufig werden die Untergruppen nochmals hierarchisch gegliedert, was anhandder Tab. 4 an einem weiteren Beispiel gezeigt wird.

Tab. 4: Beispiel fur hierarchische Gliederung der IPC24

Sektion B Arbeitsverfahren; TransportierenKlasse B 64 Luftfahrzeuge; Flugwesen; RaumfahrtUnterklasse B 64 C Flugzeuge; Hubschrauber; Dreh-

flugelflugzeugeHauptgruppe B 64 C 25/00 Start- bzw. Landegestelle1. Untergruppe B 64 C 25/02 . Fahrgestelle2. Untergruppe B 64 C 25/08 .. nicht fest angeordnet, z.B. abwerfbar3. Untergruppe B 64 C 25/10 ... einfahrbar, klappbar oder dergleichen4. Untergruppe B 64 C 25/18 .... Betatigungsmittel5. Untergruppe B 64 C 25/26 ..... Steuerung oder Verriegelung dafur6. Untergruppe B 64 C 25/08 ...... Notbetatigung

Ein technischer Gegenstand kann meist unter mehreren technischen Aspekten zubetrachten sein, so dass meist eine Klassifizierung in unterschiedlichen Gruppenerfolgt. Dabei wird vom zustandigen Klassifizierungsprufer des Patentamtes eineHauptklasse (main class) gewahlt, die dem Gegenstand am besten gerecht wird.Fur weitere Aspekte werden dann Nebenklassen (sub classes) angegeben.Ein Beispiel fur einen solchen Gegenstand ist ein Patent fur einen Regler. Ein-mal kann der Regler selbst beansprucht werden, z.B. als elektronische Schaltung(Sektion H) oder auch fur eine im Patent angegebene Verwendung des Reglers imBereich der Chemie (Sektion C). Wenn der Schwerpunkt der Erfindung bei derelektronischen Schaltung liegt, wird die Hauptklasse in der Sektion H angesiedeltsein, die Nebenklasse in der Sektion C. Unter Umstanden kann das Suchen in einerNebenklasse sehr interessantes Material zu Tage fordern.Bei der Vorbereitung einer Recherche ist diese Ambivalenz der moglichen Klassi-fizierungsmoglichkeiten stets zu bedenken. In der schriftlichen Einfuhrung in dieIPC (im Internet: Guide) werden diese Falle eingehend erlautert.

24Aus der 5. Auflage der IPC

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A.5. TITELSEITE EINER PATENTSCHRIFT 117

Diese Auswertung von Nebenklassen ist haufig ein wichtiges Mittel durch late-rales Denken andere Bereiche der Technik zu finden, die ahnliche Gegenstandeerfassen. Haufig sind in der Klassifikation auch Querverweise auf andere Gruppenangegeben.Die Einteilungen der Klassifikationen wurden und werden standig geandert, umdem technischen Fortschritt besser gerecht zu werden. Da die alten Patentdoku-mente nicht umklassifiziert werden, muss es Hinweise auf Anderungen in der IPCgeben. So findet man Bemerkungen wie wurde in ... uberfuhrt, wenn eine Klassifi-kationsstelle geloscht wurde.Besonders wichtig sind unscheinbare eckige Klammern hinter den Texten. Die-se zeigen an, dass an dieser Stelle eine Anderung gegenuber fruheren Auflagenerfolgte. Die Bezeichnung [2,4,6] besagt, dass eine Anderungen in der zweiten,vierten und sechsten Auflage erfolgte. Fur eine vollstandige Recherche sind diefruheren Auflagen der IPC–Klassifikationen zu uberprufen25 .In jedem Fall sollte man sich mit den Unterlagen betreffend die IPC vertraut ma-chen, da so in Datenbanken landerubergreifend recherchiert werden kann.

A.5 Titelseite einer Patentschrift

Die WIPO hat in einem Handbuch Informationen herausgegeben, anhand derer Ti-telseiten von Patentveroffentlichungen gerade auch in fremden Sprachen gelesenwerden konnen. Damit kann z.B. auch bei einem japanischen Patent festgestelltwerden, welche Bedeutung bestimmte Daten oder Nummern haben.Relevante WIPO Normen ST.9 und ST.16 sind im Teil 3 des WIPO Handbook on In-dustrial Property Information and Documentation (www.wipo.int/standards/en/)zu finden. Weitere Informationen, z.B. Beispiele aus verschiedenen Landern, sindim Teil 7 des WIPO Handbook on Industrial Property Information and Documen-tation zu finden.Die wesentliche Informationen zu einer Patentschrift, die so genannten bibliogra-phischen Daten, sind auf der Titelseite der Patentschrift oder einer offen gelegtenPatentanmeldung dargestellt. Ein typisches Beispiel ist in Fig. 7 dargestellt.

25Im Deutschen Patent- und Markenamt in Berlin sind alle Auflagen einsehbar. Auch gibt es vonder WIPO entsprechende CDs.

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118 ANHANG A. PATENTRECHERCHEN

Fig. 7: Titelseite eines erteilten europaischen Patents

Der Titel des Patents ist Purified thermostable enzyme and process for amplifying,detecting, and/or cloning nucleic acid sequences using said enzymes26. Vor dem Titelsteht in runden Klammern die Nummer 54, die das Feld gemaß der oben genann-ten WIPO Norm ST.9 angibt.

Das Patent hat die Veroffentlichungsnummer EP 0 258 017 B1 (Feldnummer (11)).Anhand des Zeichen EP kann man erkennen, dass es sich um ein europaischesPatent handelt27. Das B1 zeigt, dass es die erste Veroffentlichung der Patentschriftist28.

26Dieses Patent betrifft das fur die Gentechnik wichtige PCR– Verfahren zur Vervielfaltigung vonDNA. Der Miterfinder Mullis hat dafur den Nobelpreis erhalten.

27Die wichtigsten genormten Landerkurzel sind in Anhang D aufgefuhrt.28Die Patentschrift kann im Einspruchsverfahren geandert werden, was eine neue

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A.5. TITELSEITE EINER PATENTSCHRIFT 119

Ferner hat das Patent die Anmeldungsnummer 87307433 (Feldnummer (21)), diein manchen Landern identisch zur Veroffentlichungsnummer ist. Bei Recherchenist sehr sorgfaltig darauf zu achten, welche Nummer gesucht wird.

Das Patent war am 21. August 1987 angemeldet worden (Anmeldetag: Feldnum-mer (22)), wobei vier Prioritaten29 von US–Anmeldungen in Anspruch genommenwurden (Feldnummer (30)).

Die europaische Patentanmeldung wurde am 2. Marz 1988 veroffentlicht (Offen-legungstag: Feldnummer (43)), d.h. ab diesem Tag war die veroffentlichte Paten-tanmeldung (Offenlegungsschrift) Stand der Technik fur andere Erfindungen.

Der Hinweis auf die Erteilung des europaischen Patents wurde am 4. Juni 1997veroffentlicht (Feldnummer (45)). Ab diesem Datum konnte das europaische Pa-tent gegen Dritte durchgesetzt werden, aber nur in den Landern, in denen esvalidiert wurde. Eine Validierung war in den auf dem Titelblatt angegebenenLandern moglich (Feldnummer (84)): Osterreich (AT), Belgien (BE), Schweiz(CH), Deutschland (DE), Spanien (ES), Frankreich (FR), Großbritannien (GB),Griechenland (GR), Italien (IT), Liechtenstein (LI), Luxemburg (LU), den Nieder-landen (NL) und Schweden (SE).

Anmelderin ist die F. Hoffmann – La Roche AG, Basel (Anmelderin: Feldnummer(73)). Dieser Firma gehort ausweislich des Titelblatts das Patentrecht, wobei zubeachten ist, dass das Patent ubertragen werden kann, so dass die wahre Inhabe-rin von der veroffentlichten Patentschrift abweichen kann30. Als Erfinder sind diePersonen Erlich, Horn, Salki, Stoffel, Mullis und Lawyer benannt (Erfinder Feld-nummer (72)).

Das Patent wurde als Hauptklasse in die internationale Patentklasse C12N 15/10eingruppiert, die u.a. Mikroorganismen oder Enzyme, speziell Prozesse fur die Iso-lierung, Herstellung oder Reinigung von DNA oder RNA (chemische Herstellungvon DNA oder RNA) betrifft31. Als so genannte Nebenklassen sind genannt C12N9/12, C12P 19/34, C12N 9/96 und C12Q 1/68 (IPC– Klassen: Feldnummer (51)).Wie man an der hochgestellten 6 erkennen kann, liegt bei dieser Eingruppierungdie sechste Auflage der IPC zu Grunde.

Bei der Prufung wurde vom Prufer Stand der Technik ermittelt, der im Einzelnenauf dem Titelblatt genannt ist (Feldnummer: (56)).

Ferner kann man erkennen, dass eine Teilanmeldung (divisional application) exi-stiert (Feldnummer (60)).

Veroffentlichung erforderlich macht.29siehe Kapitel 530Die ursprunglichen Anmeldungen in den USA, die Prioritat begrundeten, waren im Namen der

Firma Cetus erfolgt, so dass spater erst eine Ubertragung auf die jetzige Anmelderin vorgenommenwurde.

31siehe A.4

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120 ANHANG A. PATENTRECHERCHEN

Somit erlaubt bereits die Auswertung des Titelblattes eine erste Einordnung desErfindungsgegenstandes.

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Anhang B

Wichtige Internet–Links

Link Organisation

www.dpma.de Deutsches Patent– und Markenamt(DPMA)

www.patentanwalt.de Patentanwaltskammerwww.depatisnet.de Recherchenseite des DPMAhttps://dpinfo.dpma.de Rechtsstandsdatenbank des DPMAwww.epo.org Europaisches Patentamt (EPA)ep.espacenet.com Recherchendatenbank des EPAv3.espacenet.com/eclasrch?locale=de EP ECLA Patentklassifikation des EPAwww.epoline.org/portal/public elektronische Akteneinsicht beim

EPAwww.wipo.int Weltorganisation fur geistiges Ei-

gentum (WIPO)www.wipo.int/classifications/fulltext/new ipc/index.htm

Internationale Patentklassifikation(IPC)

http://www.wipo.int/standards/en/ WIPO Handbook on Industrial Pro-perty Information and Documenta-tion

www.uspto.gov US–Patentamtwww.uspto.gov/go/classification/ US-Patentamt Klassifikationwww.google.com/patents Google Patent Suchewww.jpo.go.jp Japanisches Patentamtwww.delphion.com Rechercheseite von Delphionwww.grur.de Deutsche Vereinigung fur gewerb-

lichen Rechtsschutz und Urheber-recht

Fortsetzung auf der nachsten Seite

121

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122 ANHANG B. WICHTIGE INTERNET–LINKS

Link Organisation

www.bmj.bund.de Bundesministerium der Justizbundesrecht.juris.de/bundesrecht/ Online Sammlung von Gesetzestex-

ten (nicht rechtsverbindlich!)www.bmbf.de Bundesministerium fur Bildung

und Forschung (BMBF)www.bmwi.de Bundeswirtschaftsministerium

(BMWi)www.signo-deutschland.de/ Innovationsstimulierung des BMBF,

Fordermittelwww.bundesanzeiger.de/ elektronischer Bundesanzeiger

(u.a.cordis.europa.eu/en/home.html Forderprogramm CORDIS der EUwww.ipal.de ipal GmbH, Patentverwertung fur

Hochschulen in Berlinwww.kpl.tu-berlin.de/ kpl/v-menue/kooperationenpatente lizenzen/

Patentstelle der TU Berlin

web.archive.org Wayback-Machine. Archiv alterWeb-Seiten. Manchmal wertvollesRecherchemittel

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Anhang C

Abkurzungen

Abkurzung Bedeutung

ABl. AmtsblattBGB Burgerliches GesetzbuchBGH Bundesgerichtshof (Karlsruhe)BPatG Bundespatentgericht (Munchen)DPMA Deutsches Patent– und Markenamt (Munchen)ECLA Europaisches Klassifikationssystem fur PatenteEPA Europaisches Patentamt (Munchen, Den Haag, Ber-

lin, Wien)EPU Europaisches PatentubereinkommenGRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeit-

schrift, Vereinigung)GRUR Int. Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Inter-

national (Zeitschrift)IPC Internationale PatentklassifikationKMU Kleinere und mittlere UnternehmenMitt. Mitteilungen der Patentanwalte (Zeitschrift)PatG PatentgesetzPCT Patent Cooperation TreatyPVU Pariser VerbandsubereinkunftRdn Randnummer (Abschnitt in Kommentaren)WIPO Weltorganisation fur geistiges Eigentum (Genf)

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124 ANHANG C. ABKURZUNGEN

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Anhang D

Wichtige Landerkurzel

Abkurzung Land / Regionale Patentorganisation

AT OsterreichAU AustralienCA CanadaCH SchweizCN Volksrepublik ChinaDE DeutschlandEP Europaisches PatentamtES SpanienFR FrankreichGB GroßbritannienGR GriechenlandIN IndienIT ItalienJP JapanKR Korea (Sudkorea)MY MalaysiaNL NiederlandeNO NorwegenRU RusslandSE SchwedenSG SingapurTW TaiwanUS USAWO Weltorganisation fur geistiges Eigentum (WIPO)ZA Sudafrika

Eine vollstandige Liste der Landerkurzel ist im WIPO Standard ST.3 enthalten.

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126 ANHANG D. WICHTIGE LANDERKURZEL

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Anhang E

Literatur

Fur den Projektkurs und die Prufung ist ein Gesetzestext fur das Patentgesetz,z.B. aus der Reihe dtv–Reihe Beck, dringend empfehlenswert. Dabei sollte stetsdie neueste Auflage verwendet werden.Wer sich fur allgemeine rechtliche Fragen und die Bedeutung rechtlicher Be-griffe interessiert, dem sei sehr empfohlen: Creifelds Rechtsworterbuch, VerlagC.H. Beck.Grundsatzlich ist juristische Literatur, insbesondere auf dem Gebiet des Patent-rechts, teuer. Eine Anschaffung fur eigene Zwecke wird sich in der Regel nurlohnen, wenn ein regelmaßiger Gebrauch bei der Arbeit notwendig ist. Es wirdausdrucklich darauf hingewiesen, dass Kommentare zum Patentgesetz und ande-re Fachliteratur in der Regel umfangreiches Fachwissen voraussetzen, so dass ei-ne unbefangene Anwendung des Gelesenen zu unrichtigen Beurteilungen fuhrenkann. Auch muss vor der Verwendung veralteter Literatur gewarnt werden.Als Hinweis, welche Literatur man sich in der Bibliothek besorgen kann, werdenim Folgenden die Werke aufgefuhrt, die neben den Gesetzestexten z.T. bei derVorbereitung des Projektkurses verwendet wurden.

• Benkard, Patentgesetz, 10. Auflage, 2006, C.H. Beck Verlag

• Bernhardt, Kraßer, Patentrecht: Ein Lehr- und Handbuch zum deutschenPatent- und Gebrauchsmusterrecht, Europaischen und Internationalen Pa-tentrecht, 6. Auflage, C.H. Beck Verlag

• Buhring, Gebrauchsmustergesetz, 7. und erweiterte Auflage, 2007, Carl Hey-manns Verlag (Kommentar zum Gebrauchsmustergesetz)

• Busse, Patentgesetz, 6. Auflage, 2005, Walter de Gruyter

• Dolder, Faupel, Der Schutzbereich von Patenten, Carl Heymanns Verlag (er-scheint gerade neu in zwei Banden)

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128 ANHANG E. LITERATUR

• Enstaler, Gewerblicher Rechtschutz und Urheberrecht, 3. uberarbeitete underweiterte Auflage, 2009, Springer

• Europaisches Patentamt, Richtlinien zur Prufung im EPA, Loseblattsamm-lung, (Im Internet kostenlos verfugbar, sehr empfehlenswert fur die Diskus-sion der erfinderischen Tatigkeit, Aufgabe-Losungs-Ansatz)

• Europaisches Patentamt, Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Eu-ropaischen Patentamts, 5. Auflage, 2006 (Im Internet kostenlos verfugbar.Ubersicht uber die Rechtsprechung beim EPA. Vor allem fur die Beurtei-lung der erfinderischen Tatigkeit interessant. Keine Behandlung von Verlet-zungsfallen!)

• Fitzner, Der Patentanwalt - Beruf und Beratung im gewerblichen Rechts-schutz, 2. Auflage, 2008 Carl Heymanns Verlag

• Hellebrand, Kaube, Lizenzsatze fur technische Erfindungen, 2. Aufl., 2007,Carl Heymanns Verlag

• Kuhnen, Geschke, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis. Von der Ab-mahnung bis zur Zwangsvollstreckung, 3. Aufl., 2007, Carl Heymanns Verlag

• Nieder, Die Patentverletzung, 2004, Verlag C.H. Beck

• Pagenberg, Geissler, Lizenzvertrage/Licence Agreements, 5. Aufl., 2002, CarlHeymanns Verlag

• Rivette, K.; D. Kline, Rembrandts in the attic: Unlocking the hidden value ofpatents, Boston, MA: Harvard Business School Press, 2000 (Auch fur Nicht-Juristen/Patentanwalte. Etwas reißerisch aus US-Sicht, aber informativ uberden Wert und die Verwertung von Patenten)

• Schickedanz, Die Formulierung von Patentanspruchen, 2000, Verlag C.H.Beck

• Schramm, Der Patentverletzungsprozeß, 5. Auflage, 2005, Carl HeymannsVerlag

• Singer, Singer, Stauder Europaisches Patentubereinkommen, 4. Auflage,2007, Carl Heymanns Verlag (Kommentar zum EPU)

• Schulte, Patentgesetz, 8. Auflage, 2008, Carl Heymanns Verlag

• Vollrath, Witte, Praxis der Patent- und Gebrauchsmusteranmeldung, 6. Aufl.,2008, Carl Heymanns Verlag (Gute Einfuhrung in die Formulierung von Pa-tentanmeldungen)

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Ferner existieren eine Reihe in das Patentrecht einfuhrender Praktiker-Bucher,uber die (noch) keine Erfahrungen vorliegen. Die Teilnehmer des Projektkursessollten sich ihr eigenes Urteil bilden und die Erfahrungen moglichst auch weiter-geben.

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Index

Alteres Recht, 71Aquivalenz

Formstein-Einwand, 38Gleichwertigkeit, 36Gleichwirkung, 36Naheliegen, 36

Abhangige Erfindung, 37Abhangiges Patent, 20Abkurzungen, 123Abmahnung, 46Anmelder, 92Anmelderfiktion, 94Anmeldergemeinschaft, 92Arbeitsverfahren, 25Aufgabe-Losungs-Ansatz, 74Auskunftsanspruch, 45Auslandsanmeldungen, 99Aussetzung, 49

Benutzungsarten eines Patents, 19Bescheidserwiderung, 98Bezugszeichen, 29Bibliographische Angaben, 110Bundesanzeiger, 92

Copyright, 7Could–would Test, 75

Datenbankrecherchen, 110DELPHION, 111DEPATISNET, 112DPINFO, 112Durchschnittsfachmann, 25

ECLA, 106

Eigenart, 6

Einspruchsverfahren, 53

Widerrufsgrunde, 53

Einstweilige Verfugung, 50

Einwand des freien Standes der Tech-nik, 38

Entgegenhaltungen, 70

Entschadigungsanspruche, 23

Entschadigungsanspruch, 23, 45

EPU, 10

EPOLINE, 110

Erfinder, 93

Erfinderische Tatigkeit, 73

Aufgabe, 75

Aufgabe-Losungs-Ansatz, 74

could–would Test, 75

nachstliegender Stand der Technik,75

Naheliegen, 75

Erfindung, 54

Ausschlussliste, 54

Erfindungsmeldung, 96

Erstbegehungsgefahr, 42

Erstreckungsstaaten, 10

Erteilungsverfahren, 97

Erzeugnispatent, 25

ESPACENET, 110

Europaisches Patent, 99

Validierung, 100

Europaisches Patentubereinkommen,10

130

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INDEX 131

Fordermittel, 87Familienrecherche, 110Familienrecherchen, 108Formstein-Einwand, 38Fragen, 3

Gebrauchsmuster, 5Neuheitsschonfrist, 72

Gebrauchsmusterabzweigung, 6Gegenstand eines Patents, 8, 17Geschmacksmuster, 6Gewerblicher Rechtschutz, 5Gleichwertigkeit, 36Gleichwirkung, 36

Handelsregister, 92Hauptanspruch, 25

Innere Prioritat, 73INPADOC, 110International Patent Classification, 114Internationale Patentanmeldung, 100Internationale Patentklassifikation, 114Internet–Links, 121IPC, 106, 114

Sektionen, 115

Klageschrift, 47

Landerkurzel, 125Literatur, 127Lizenz

ausschließliche, 81einfache, 81

Lizenzanalogie, 43Lizenzen, 79Lizenzvertrag, 80Londoner Abkommen, 11

Mangelnde Patentfahigkeit, 54Marke, 6Marktverwirrungsschaden, 44

Merkmalsanalyse, 31Miterfinder, 93mittelbare Patentverletzung, 19

Nachbargebiete, 5Naheliegen, 36Namensrecherchen, 114Neuheit, 68Neuheitsschonfrist, 72Nichtigkeitsklage, 54

Offenkundige Vorbenutzung, 22Offenlegungsschrift, 18

Pariser Verbandsubereinkunft, 10Patent, 15

auf Arbeitsverfahren, 19auf Erzeugnis, 19auf Verfahren, 19abhangiges, 20auf Erzeugnis, 25auf Verfahren, 25auf Verwendung, 25Benutzung zu privaten Zwecken, 21Benutzung zu Versuchszwecken, 21Einschrankung der Wirkung, 21Erteilungsverfahren, 97Schutzbereich, 17, 23, 28Schutzwirkung

Beginn, 23Ende, 23

Wirkungen, 19Patentanmeldeverfahren, 91Patentanmeldung

Mindestvoraussetzungen, 92provisorische, 91

Patentanspruch, 17, 24abhangiger, 27Auslegung, 24einteilig, 27Kategorie, 25

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132 INDEX

kennzeichnender Teil, 26Merkmalsanalyse, 31nebengeordneter, 25Oberbegriff, 26Stutzung durch Beschreibung, 28unabhangiger, 25zweiteilig, 26

Patenterteilung, 99Patentfahigkeit, 54

Ausschlusskriterien, 68erfinderische Tatigkeit, 73Neuheit, 68

Patentrecherchen, 103Sachrecherchen, 104

Patentschrift, 15Aufbau, 15Aufgabe, 16Beschreibung, 16Figurenbeschreibung, 17Nachteile, 16Patentanspruche, 17Stand der Technik, 16technisches Gebiet, 16Titel, 16Titelseite, 16, 117Zusammenfassung, 17

Patentverletzung, 31aquivalente, 34, 35mittelbare, 19Abmahnung, 46Abwehr, 53Anspruche, 40Auskunftsanspruch, 45identische, 34, 35Klageschrift, 47mundliche Verhandlng, 49Prozess, 47Schadensersatz, 42Strafbestimmung, 45

unmittelbare, 19Unterlassungsanspruch, 40Verletzungshandlung, 46Vernichtungsanspruch, 45Wiederholungsgefahr, 41

PCT–Anmeldung, 100Prufungsantrag, 98Prufungsbescheid, 98Prioritatsrecht, 72Problem-Solution-Approach, 74provisorische Patentanmldung, 91PVU, 10

Rechtsstand, 22Registerrecht, 7

Schadensersatz, 42entgangener Gewinn, 43Herausgabe des Gewinns, 44Lizenzanalogie, 43

Schneidmesserfragen, 36Schutzbereich, 17Softwarepatente, 56

BGH, 60EPA, 57USA, 64

Sonderkundigungsrecht, 84Sortenschutz, 6Stand der Technik, 16, 68Streitwert, 48

Technische Schutzrechte, 7Technizitat, 55Territorialitatsprinzip, 21Titelseite, 117Topographieschutz, 7

Unteranspruche, 27Unterlassungsanspruch, 40Unterlassungserklarung, 41Unterlizenz, 81

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INDEX 133

Urheberrecht, 7US–Patentamt, 111

Validierung, 100Verfugungsanspruch, 50Verfugungsgrund, 51Verfahrenspatent, 25Vergleich, 50Verletzungsgegenstand, 33Vermarktung, 87Vernichtungsanspruch, 45Verschlechterte Ausfuhrungsform, 37Verschulden, 41, 42Vertragsrecht, 79Vertragsstrafe, 41Verwendungspatent, 25Vindikationsklage, 94Vorbenutzung

offenkundige, 22Vorbenutzungsrecht, 21

Wettbewerbsrecht, 7widerrechtlichen Entnahme, 94Wortlaut, 35Wortsinn, 35

Zeitrang, 72