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1.1 Zielstellung
In diesem Praktikum soll der Flieÿpunkt der im Praktikumsversuch �Schmelzen von Glas� her-
gestellten AR®-Glasfäden bestimmt werden. Der Versuch unterteilt sich in zwei Abschnitte. Im
ersten Teil des Versuchs soll die Ober�ächenspannung und im zweiten Teil die Flieÿtemperatur
bestimmt werden.
1.2 Viskosität
Bei der De�nition der Viskosität geht man von folgender Modellvorstellung aus. Zwei
planparallele, von einer Flüssigkeitsschicht getrennte Platten der Fläche A werden gegeneinander
verschoben. Der Abstand der Platten betrage z. Um die Platten mit einer Geschwindigkeit v
gegeneinander zu verschieben benötigt man eine Kraft F, welche proportional zur Viskosität η ist.
F = η ·A · vz
Flüssigkeitsschichten werden hierbei gegeneinander bewegt (geschert). Die Bindungskräfte zwischen
den Schichten spiegeln sich in der Viskosität und somit in der benötigten Kraft wider.
Die SI-Einheit der Viskosität ist Pa·s. Es wird jedoch häu�g, aufgrund der Vergleichbarkeit zur
früher gebräuchlichen Einheit Poise, die Einheit dPas verwendet (1Poise = 1dPas).
Im Allgemeinen ist die Viskosität stark temperaturabhängig. Für die meisten Flüssigkeiten gilt
folgende Beziehung:
η = η∞ · eEAR·T
Dieser Boltzmann-Ansatz gilt für Flüssikeiten mit kugelförmigen Teilchen und nichtgerichteten
Bindungen und ist streng genommen nicht auf die hier betrachteten Gläser anwendbar. Die für
Gläser geltende Beziehung wird in Abschnitt 1.3.3 vorgestellt.
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1.3 Zusammenhang zwischen Viskosität und Glasstruktur am
Beispiel silicatischer Gläser
1.3.1 Unterschied zwischen Kristall und Glas
In kristallinen Materialien �ndet man sowohl Nahordnung als auch Fernordnung. Letztere kann mit
Hilfe der Röntgendi�raktometrie (XRD) nachgewiesen werden. Des weiteren �ndet man konstante
Bindungslängen und -winkel sowie einen scharfen Schmelzpunkt. Beim Aufschmelzen des Kristalls
bricht das Gitter zusammen und es ändern sich schlagartig nahezu alle physikalischen Eigenschaften.
(a) SiO2-Kristall (b) SiO2-Glas
Abbildung 1.1: Bindungsverhältnisse in kristallinem und amorphem SiO2
(drei Bindung in der Zeichenebene, die vierte ragt senkrecht entweder nach obenoder unten aus der Zeichenebene heraus)
Im Glas ist lediglich eine Nahordnung zu �nden, eine Fernordnung kann jedoch nicht nachgewiesen
werden. Es liegen variable Bindunglängen und -winkel vor, woraus ein zufälliges Netzwerk gebildet
wird. Im Gegensatz zum Kristall liegt im Falle des Glases ein Schmelzbereich vor. Hier ändern sich
die physikalischen Eigenschaften kontinuierlich.
1.3.2 Netzwerkbildner und Netzwerkwandler - Ein�uss auf die Viskosität
Netzwerkbildner (z.B. SiO2, B2O3, P2O5 oder GeO2) bauen das Glasnetzwerk auf. Im Falle des
SiO2 bildet sich ein dreidimensionales Netzwerk mit hohem Vernetzungsgrad. Aufgrund der starken
Bindungen in reinem SiO2 ist eine Verarbeitung erst ab Temperaturen von bis zu 2200°C möglich,
was groÿtechnisch mit Schwierigkeiten verbunden ist. Die Lösung des Problems besteht darin Netz-
werkwandler in das Glasnetzwerk einzubauen und die starken Si-O-Si-Bindungen (Brückensauer-
sto�) zu ö�nen. Gemäÿ folgender Reaktionsgleichung führt der Einbau von Na2O zur Bildung von
sogenannten Trennstellungsauersto�onen.
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Abbildung 1.2: Einbau von Na2O ins SiO2-Netzwerk
Hieraus wird deutlich, dass der Vernetzungsgrad abnimmt und pro Volumeneinheit weniger Brücken-
sauersto�bindungen vorliegen. Neben Na2O eignen sich sowohl andere Alkalioxide (Li, K, ...) als
auch Erdalkalioxide ((Be), Mg, Ca, ...).
Neben den Netzwerkbildnern und Netzwerkwandlern existiert noch eine weitere Gruppe, die Zwischen-
oxide. Diese nehmen, je nach chemischer Umgebung, die Rolle von Netzwerkbildnern oder Netzwerk-
wandlern ein. Alleine sind sie jedoch keine Glasbildner.
Das Kalk-Natron-Silicat-Glas ist das wohl am häu�gsten hergestellte Glas. Hierbei werden neben
SiO2, Na2O und CaO auch MgO und Al2O3 zugesetzt. Die Struktur eines solchen Glases ist nach-
folgend dargestellt.
Abbildung 1.3: Struktur eines Kalk-Natron-Silikat-Glases (SiO2, Na2O, CaO, Al2O3)
Aluminium nimmt hier die Rolle eines Netzwerkbildners ein und ist mit vier weiteren Sauersto�ionen
verbunden.
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1.3.3 Temperaturabhängigkeit der Viskosität der Gläser
Die Viskosität des oben erwähnten Kalk-Natron-Silicat-Glases durchläuft während des Verarbeitungs-
prozesses (Raumtemperatur bis 1500°C) einen Bereich von 10¹9 - 10² dPas (17 Gröÿenordnungen).
In jedem Viskositätsbereich �nden unterschiedliche Prozessschritte statt (Abb.1.4)
Abbildung 1.4: Verarbeitung bei unterschiedlichen Viskositäten
Aufgrund der Tatsache, dass für bestimmte Prozessschritte bestimmte Viskositäten nötig sind ist
es von groÿer Bedeutung die genaue Temperaturabhängigkeit der Viskosität zu kennen. Wie oben
bereits erwähnt ist dies nicht mit einem einfachen Boltzmann-Ansatz möglich. Die beste Anpassung
an experimentelle Ergebnisse liefert die Vogel-Fulcher-Tammann-Gleichung.
lg (η) = A+B
T − T0
Hierbei sind A, B und T0 experimentell bestimmbare Konstanten. Abb.1.5 zeigt exemplarisch den
Kurvenverlauf eines Glases.
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Abbildung 1.5: Temperaturabhängigkeit der Viskosität eines Kalk-Natron-Silicat-Glases
Die Steigung dieser Kurve gibt die Länge des Glases an. Ein langes Glas besitzt einen �achen
Kurvenverlauf, ein kurzes Glas einen steilen Kurvenverlauf.
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1.4 Messung der Viskosität
Ein Einblick in die Möglichkeiten der Messung der Viskosität bei erhöhten Temperaturen soll hier
anhand dreier Messmethoden gegeben werden. Die drei Methoden werden zur Messung unterschied-
licher Viskositäts- und Temperaturbereiche eingesetzt.
1.4.1 Balkenbiegeviskosimetrie
Mit Hilfe der Balkenbiegeviskosimetrie kann ein Temperaturbereich von 200-1000°C und ein Viskositäts-
bereich von 108 - 10¹5dPas abgedeckt werden. Der Messaufbau ist eine beheizte Dreipunktbiege-
vorrichtung (Balken: 50mm lang, 5mm hoch, 5mm breit) . Die Messgröÿe ist die Durchbiege-
geschwindigkeit bei der jeweiligen Temperatur.
Abbildung 1.6: Schema Balkenbiegeviskosimetrie
1.4.2 Fadenziehviskosimetrie
Die Fadenziehviskosimetrie liefert Viskositätswerte zwischen 107 und 10¹²dPas in einem Temperatur-
bereich von 200-1000°C. Ein Glasfaden (50mm lang; 0,6-1mm dick) wird einer Art beheiztem Zug-
versuch unterzogen. Messgröÿe ist die Streckgeschwindigkeit des Fadens bei der jeweiligen Temperatur.
Abbildung 1.7: Schema Fadenziehviskosimetrie
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1.4.3 Rotationsviskosimetrie
Für geringere Viskositäten (10²-107dPas) und höhere Temperaturen (200-1500°C) eignet sich die
Rotationsviskosimetrie. Ein Pt-Rotor wird in eine Glasschmelze, welche sich in einem beheizten
Pt-Tiegel be�ndet, getaucht und eine bestimmte Drehzahl eingestellt. Über das hierfür benötigte
Drehmoment kann die Viskosität bei der jeweiligen Temperatur bestimmt werden.
Abbildung 1.8: Schema Rotationsviskosimetrie
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1.5 Bestimmung des Flieÿpunkts nach Lillie
Die Flieÿpunktbestimmung nach Lillie liefert die Temperatur bei einer Viskosität von 104,85dPas.
1.5.1 Bestimmung der Ober�ächenspannung
(Referenzwert AR®-Glas: σ=300mNm )
Anforderungen an die Proben
Durchmesser der Glasfäden: 0,0500cm bis 0,0900cm (Toleranz ± 0,0005cm)
Fadenlänge: 85mm
Anzahl: 10 - 15
Vorgehensweise
1. Bestimmung des Durchmessers der zu untersuchenden Glasfäden (mindestens drei Messwerte
pro Faden � Fehler)
2. Anschmelzen einer Kugel
3. Länge der Fäden etwa 85mm
4. Einhängen des Fadens in die Halterung
5. Einstellungen am Gerät
Schalter
1
Schalter
2
Schalter
3
Schalter 4
(Stop
Schalter)
Schalter 5
(Start
Schalter)
Drehschalter
�ZAP�
(AN)
�Kanthal� nicht
�CAS�
oben �Start�
unten �Stop�
keine
Auswirkung
Spannungs-
steuerung
(180V)
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6. Start des Heizvorgangs (nachregeln der Spannung!)
7. nach Abriss des Tropfens � dünnen Faden abbrechen (etwa bis zur Dicke des ursprünglichen
Fadens) � Kugel wiegen
8. Einsetzen in die Formel (Fehlerfortp�anzung)
σ =2 ·m · gd · π
σ −Oberflachenspannung[mNm
]m−Masse des Tropfens [g]
g − Erdbeschleunigung[cms2
]d− ursprunglicher Durchmesser desFadens [cm]
1.5.2 Bestimmung des Flieÿpunkts
(Referenzwert: AR®-Glas: η(1040°C)=104dPas)
Anforderung an die Proben
Durchmesser der Glasfäden: 0,500mm bis 0,800mm (Toleranz ± 0,005mm)
Fadenlänge: 81mm unterhalb der oberen Kugel
Anzahl: 20
Vorgehensweise
1. Bestimmung des Durchmessers der zu untersuchenden Glasfäden (mindestens drei Messwerte
pro Faden � Fehler)
2. Anschmelzen der oberen Kugel
3. Abmessen von etwa 81mm unterhalb oberer Kugel � Brechen � genaue Länge L unterhalb
oberer Kugel notieren � untere Kugel anschmelzen
4. Berechnung der ziehenden Länge Lz
Lz =2 · σg · ρ · d
σ −Oberflachenspannung = 300mNm
g − Erdbeschleunigung[ms2
]ρ−Dichte = 2, 5 g
cm3
d−Durchmesser desFadens [mm]
5. Einstellen der ziehenden Länge am Gerät L′z = L− Lz
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6. Faden einhängen
7. Röntgen�lm an Faden anhängen und Versuchsraum abdecken
8. Einstellungen am Gerät
Schalter
1
Schalter
2
Schalter
3
Schalter 4
(Stop
Schalter)
Schalter 5
(Start
Schalter)
Drehschalter
�ZAP�
(AN)
�Mereni�
(Pt)
�CAS� keine
Auswirkung
Start der
Messung
Spannungs-
steuerung
(125V)
9. Stopuhr nullen
10. �Start� (Spannung nachregeln!)
11. Zeit notieren
12. Auftragung:
x-Achse Fadendurchmesser [mm]
y-Achse Flieÿzeit [s]
13. Linearer Fit und Bestimmung der Flieÿzeit τ bei 0,65mm Fadendurchmesser
14. Flieÿzeit bei 0,65mm Fadendurchmesser in Lillie-Gleichung einsetzen� Flieÿpunkt berechnen
T = T∞ −A
τ+B
τ 2
T∞ = 1354 °C
A = 4663 s
B = 2370 s2
15. Fehlerbetrachtung
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