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Strafrecht BT
Tötungsdelikte (Fortsetzung) Vorlesung vom 28. September 2009
HS 2009
Ass.-Prof. Dr. Jonas WeberInstitut für Strafrecht und KriminologieUniversität Bern
Strafrecht BT Vorlesung vom 5. Oktober 2009
Gastvortrag(im Rahmen des Erasmus-Programms)
von Prof. Dr. Professor Kimmo Nuotio(Universität Helsinki)
zum Thema "Folter" (in deutscher Sprache)
Strafrecht BT nicht vergessen:
Vorlesung vom 12. Oktober 2009 fällt aus
(wegen einer externen Verpflichtung des Dozenten)
Anstelle der Vorlesung werden Leseaufgaben fürs Selbststudium gestellt. Die Aufgaben fürs Selbststudium werden bis am 11. Oktober ins Netz gestellt.
Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Tötungsdelikte (Teil 2) Folie 4
Mord (Art. 112) (Fortsetzung) – Übersicht: Aufbau des Tatbestands
Mord (Art. 112)
=Vorsätzliche Verursachung des Todes
eines anderen Menschen (Art. 111)
plus
Besonders skrupelloses Handeln
Subjektive Indikatoren:- Beweggrund- Zweck- ...
Objektive Indikatoren:- Art der Ausführung- ...
Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Tötungsdelikte (Teil 2) Folie 5
Mord (Art. 112) – Übersicht: Indikatoren für besonders skrupelloses Handeln
Besonders skrupelloses Handeln im Sinne von Art. 112
Subjektive Indikatoren Objektiver Indikator
(besonders verwerflicher) Beweggrund- Habgier- Rache- Hass- fundament. od. polit.- Mordlust- Sexuelle Befriedigung
(bes. verwerflicher)Zweck- Extremer Egois- mus (Eliminations- mord)- Verdeckungsmord- Erbmord
(besonders verwerfliche)Tatausführung- ausserordentl. Grau- samkeit- Heimtücke- Gift, Feuer, etc.- unbeteiligte Drittper- sonen als Opfer
Regelbeispiele gemäss Art. 112
Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Tötungsdelikte (Teil 2) Folie 6
Mord (Art. 112) – Weitere Indikatoren
> "besondere Verwerflichkeit des Beweggrundes, des Zwecks und der Tatausführung" sind gemäss Wortlaut von Art. 112 blosse Beispiele für besondere Skrupellosigkeit; keine abschliessende Aufzählung
> weitere Indikatoren/Indizien gemäss Praxis- Umsicht und Planung- besondere Kaltblütigkeit
Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Tötungsdelikte (Teil 2) Folie 7
Mord (Art. 112) – Fazit: Qualifikation der Tat im Sinne einer Gesamtwürdigung
> entscheidend für die Annahme der besonderen Skrupellosigkeit (und damit für die Annahme eines Mordes) ist die Qualifikation der Tat; und nicht die Qualifikation der Charaktereigenschaften oder der Persönlichkeitsmerkmale des Täters
> über das Vorliegen einer besonderen Skrupellosigkeit ist mittels einer wertenden Gesamtwürdigung aller Tatumstände bzw. Indizien zu entscheiden
Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Tötungsdelikte (Teil 2) Folie 8
Mord (Art. 112) – Hinweis zum Subjektiven Tatbestand
> Mord kann auch eventualvorsätzlich begangen werden
Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Tötungsdelikte (Teil 2) Folie 9
Totschlag (Art. 113) – Allgemeines
Art. 113: Totschlag
Handelt der Täter in einer nach den Umständen entschuldbaren heftigen Gemütsbewegung oder unter grosser seelischer Belastung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
> Definition: Totschlag = vorsätzliche Tötung im Zustand einer entschuld- baren heftigen Gemütsbewegung (Affekt) oder grossen seelischen Belastung
> Gefühlszustand (Affekt oder grosse seelische Belastung) muss unmittelbar vor oder während der Tat bestanden haben.
Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Tötungsdelikte (Teil 2) Folie 10
Totschlag (Art. 113) – Entschuldbare heftige Gemütsbewegung
> Entschuldbare heftige Gemütsbewegung (Affekt)
- Fälle akuter Drucksituationen mit starker Gefühlsregung, welche die Fähigkeit zur Selbstbeherrschung und im Extremfall auch die intellektuelle Fähigkeit bis hin zur Zurechnungsunfähigkeit beeinträchtigen (BGE 118 IV 236)
- Möglicher Grund für den Affekt: Wut, Zorn, Eifersucht, Verzweiflung, Angst, Bestürzung, …
Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Tötungsdelikte (Teil 2) Folie 11
Totschlag (Art. 113) – Entschuldbare grosse seelische Belastung
> Zwangslagen, Erschöpfungssituationen
> Bsp.: Tötung eines unheilbar Kranken durch einen Angehörigen, der dessen Leiden nicht länger erträgt
Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Tötungsdelikte (Teil 2) Folie 12
Totschlag (Art. 113) – Entschuldbarkeit des Ausnahmezustands
> Entscheidend für die Privilegierung gemäss Art. 113: Entschuldbarkeit der heftigen Gemütsbewegung bzw. der grossen seelischen Belastung
- Wichtig: nicht die Straftat selbst muss entschuldbar sein, sondern der psychisch-seelische Ausnahmezustand
- Massstab: Durchschnittsperson (siehe etwa BGE 107 IV 206); Entstehung der heftigen Gemütsbewegung muss verständlich erscheinen
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Tötung auf Verlangen (Art. 114) – Allgemeines
Art. 114: Tötung auf Verlangen
Wer aus achtenswerten Beweggründen, namentlich aus Mitleid, einen Menschen auf dessen ernsthaftes und eindringliches Verlangen tötet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
>Definition: Tötung auf Verlangen ist die vorsätzliche Tötung eines anderen Menschen auf dessen ernsthaftes und eindringliches Verlangen aus achtenswerten Beweggründen, namentlich Mitleid.
>"ernsthaftes und eindringliches Verlangen des Opfers"
- Zeichen für erloschenen Lebenswillen des Opfers; daher erscheint Unrecht der Tötung reduziert (= Begründung der Privilegierung)
>Unterscheidung zwischen Suizidhilfe und Tötung auf Verlangen: Kriterium der Tatherrschaft
Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Tötungsdelikte (Teil 2) Folie 14
Tötung auf Verlangen (Art. 114) – Ernsthaftes und eindringliches Verlangen des Opfers
> = qualifizierte Einwilligung des urteilsfähigen Opfers
- wohlüberlegt; ausdrücklich und unmissverständlich erklärt
> eindringliches Verlangen
- Beharrliches, sehr intensives Bitten, das auf den Täter einen eigentlichen Druck ausübt
> ernsthaftes Verlangen
- Verlangen muss von einer hinreichend urteilsfähigen Person ausgehen
- Verlangen darf nicht auf Irrtum oder Zwang beruhen und nicht einer vorübergehenden (depressiven) Verstimmung entspringen
Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Tötungsdelikte (Teil 2) Folie 15
Tötung auf Verlangen (Art. 114) – Subjektiver Tat-bestand: Vorsatz; achtenswerte Beweggründe
> Vorsatz
- Wissen um das ernsthafte und eindringliche Verlangen des Opfers- Handeln wegen dieses Verlangens des Opfers
> achtenswerte Beweggründe- insbesondere Mitleid (= Beispiel im Gesetzeswortlaut)
Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Tötungsdelikte (Teil 2) Folie 16
Kindestötung (Art. 116) – Allgemeines
Art. 116: Kindestötung
Tötet eine Mutter ihr Kind während der Geburt oder solange sie unter dem Einfluss des Geburtsvorganges steht, so wird sie mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
> Definition: Kindestötung i.S.v. Art. 116 ist die vorsätzliche Tötung des eigenen Kindes durch die Kindsmutter während der Geburt (= Abgrenzung von der Abtreibung) oder unter dem Einfluss des Geburtsvorgangs.
> Begründung der Privilegierung: Einfluss des Geburtsvorgangs; gesetz- liche Vermutung einer Verminderung der Zurechnungsfähigkeit der Mutter (Herabsetzung der Schuld)
Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Tötungsdelikte (Teil 2) Folie 17
Kindestötung (Art. 116) – Tathandlung und Tatentschluss
> Tathandlung: Tötung des eigenen Kindes während oder gleich nach der Geburt
- während der Geburt: nach Einsetzen der Eröffnungswehen (vorher: Abtreibung)
- gleich nach der Geburt: psychologisch zu verstehen; entscheidend: Die durch die Geburt hervorgerufene Gemütsbewegung hält noch an.
> Tatentschluss
- beruht in der Regel auf schwerwiegender Bedrängnis
Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Tötungsdelikte (Teil 2) Folie 18
Kindestötung (Art. 116) – Besonderheiten
> fahrlässige Kindestötung: fährlässige Tötung gemäss Art. 117
> Teilnehmer an Kindestötung: Bestrafung gemäss Art. 111; Geburtseinfluss als persönlicher Umstand i.S.v. Art. 27
> Mutter als Teilnehmerin an der von einer anderen Person begangenen Tötung ihres Kindes: Bestrafung gemäss Art. 116
Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Tötungsdelikte (Teil 2) Folie 19
Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord (Art. 115) – Allgemeines
Art. 115: Verleitung und Beilhilfe zum Selbstmord
Wer aus selbstsüchtigen Beweggründen jemanden zum Selbstmorde verleitet oder ihm dazu Hilfe leistet, wird, wenn der Selbstmord ausgeführt oder versucht wurde, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.> Selbsttötung: eine Person verursacht in Tatherrschaft ihren eigenen Tod> grundsätzlich ist Selbsttötung bzw. versuchte Selbsttötung straflos
- Theoretische Konsequenz aus den allgemeinen Zurechnungs-regeln: Teilnahme (Anstiftung oder Gehilfenschaft) bleibt ebenfalls straflos
- Art. 115 statuiert eine Ausnahmen zur allgemeinen Regel bei Vorliegen von "selbstsüchtigen Beweggründen"
> Definition: Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord ist die Teilnahme an einer nicht tatbestandsmässigen Selbsttötung eines anderen aus selbstsüchtigen Beweggründen
Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Tötungsdelikte (Teil 2) Folie 20
Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord (Art. 115) – Objektiver Tatbestand
> keine Tatherrschaft beim "Sterbehelfer"; sonst Art. 114 oder gar Art. 111
> Voraussetzungen: Zurechnungsfähigkeit des Betroffenen; Schuldfähig-keit des Betroffenen; keine Nötigung des Opfers
- siehe etwa BGer-Urteil 6B_48/2009 vom 11. Juni 2009 Erw. 1, 2 und 5
> Selbsttötung muss zumindest versucht worden sein; versuchte Verleitung ist nicht strafbar
> Tathandlung: verleiten (= Anstiftung) oder Hilfe leisten (= Gehilfen-schaft)
Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Tötungsdelikte (Teil 2) Folie 21
Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord (Art. 115) – Subj. TB: Vorsatz und Beweggründe
> Vorsatz: dolus eventuali ist ausreichend
> Selbstsüchtige Beweggründe
- finanzielle Motive
- andere Motive wie etwa Befriedigung von Rachsucht, Hass, Boshaftigkeit
Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Tötungsdelikte (Teil 2) Folie 22
Exkurs: Sterbehilfe
Sterbehilfe
Aktive Sterbehilfe
Passive Sterbehilfe
Indirekteaktive Sterbehilfe
Direkteaktive Sterbehilfe
Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Tötungsdelikte (Teil 2) Folie 23
Fahrlässige Tötung (Art. 117) – Allgemeines
Art. 117: Fahrlässige Tötung
Wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
>Tathandlung: fahrlässiges Verursachen des Todes eines anderen
- fahrlässig: pflichtwidrig unvorsichtig– Verstoss gegen eine Sorgfaltspflicht: besondere
(insbesondere gesetzlich geregelte) Sorgfaltspflichten und allgemeine Grundsätze
– besondere Sorgfaltspflichten: z.B. SVG– allgemeine Grundsätze: z.B. allgemeiner Gefahrensatz
Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Tötungsdelikte (Teil 2) Folie 24
Fahrlässige Tötung (Art. 117) – Konkurrenzen
> zu Gefährdungsdelikten: echte Konkurrenz, wenn neben der verletzten Person noch weitere Personen konkret gefährdet worden sind
- z.B.: Art. 90 SVG
Art. 90 SVG: Verletzung der Verkehrsregeln
1. Wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt, wird mit Busse bestraft.
2. Wer durch grobe Verletzung der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt, wird mit Freiheits-strafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
3. (...)