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8 Projektwirtschaft 2020 Die Zukunft der Wertschöpfung und des Projektmanagements Ingo Rollwagen, Frank Rohwedder und Christoph Eckl Inhaltsverzeichnis 8.1 Methodische Vorbemerkungen ..................................... 164 8.2 Entstehung der Projektwirtschaſt .................................... 165 8.2.1 Technische Dimension des Strukturwandels: Mehr Forschungs-, Wissenschaſts- und Bildungspilotprojekte ........................ 166 8.2.2 Politische Dimension des Strukturwandels: Mehr lokale und grenzüberschreitende Groß-, System- und Infrastrukturprojekte ........ 166 8.2.3 Wirtschaſtliche Dimension des Strukturwandels: Mehr organisationsübergreifende Zusammenarbeit in Projekten und mehr Projekte in Organisationen .......................... 168 8.2.4 Gesellschaſtliche Dimension des Strukturwandels: Projekthaſtes, soziales Engagement (als Projektarbeit) ............................... 168 8.2.5 Vier Gründe für projektwirtschaſtliche Wertschöpfung ............... 169 8.3 Veränderungen der Wertschöpfung auf dem Weg zur Projektwirtschaſt .......... 170 8.3.1 Projektwirtschaſt verstehen – Veränderungen von Produkten, Preisgestaltung und Prozessen ............................... 172 8.3.2 Gewinnerbranchen und neue Geschäſtsmodelle .................... 173 8.4 Herausforderungen im Übergang zur Projektwirtschaſt ..................... 177 I. Rollwagen (B) Deutsche Bank AG, DB Research, Taunusanlage 12, 60325 Frankfurt am Main e-mail: [email protected] F. Rohwedder Deutsche Bank AG, CIB, Asset Finance & Leasing, Taunusanlage 12, 60325 Frankfurt am Main e-mail: [email protected] C. Eckl INTECO® Gesellschaſtfür innovative Technologien mbH, Stethaimer Straße 32–34, 84034 Landshut e-mail: [email protected] 163 F. Ahlemann, C. Eckl (Hrsg.), Strategisches Projektmanagement, DOI 10.1007/978-3-642-34761-0_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

Strategisches Projektmanagement || Projektwirtschaft 2020

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8Projektwirtschaft 2020

Die Zukunft derWertschöpfung und desProjektmanagements

Ingo Rollwagen, Frank Rohwedder und Christoph Eckl

Inhaltsverzeichnis

8.1 Methodische Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1648.2 Entstehung der Projektwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

8.2.1 Technische Dimension des Strukturwandels: Mehr Forschungs-,Wissenschafts- und Bildungspilotprojekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

8.2.2 Politische Dimension des Strukturwandels: Mehr lokale undgrenzüberschreitendeGroß-, System- und Infrastrukturprojekte . . . . . . . . 166

8.2.3 Wirtschaftliche Dimension des Strukturwandels:Mehr organisationsübergreifende Zusammenarbeit in Projektenund mehr Projekte in Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

8.2.4 Gesellschaftliche Dimension des Strukturwandels: Projekthaftes, sozialesEngagement (als Projektarbeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

8.2.5 Vier Gründe für projektwirtschaftliche Wertschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . 1698.3 Veränderungen der Wertschöpfung auf demWeg zur Projektwirtschaft . . . . . . . . . . 170

8.3.1 Projektwirtschaft verstehen – Veränderungen von Produkten,Preisgestaltung und Prozessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

8.3.2 Gewinnerbranchen und neue Geschäftsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1738.4 Herausforderungen im Übergang zur Projektwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

I. Rollwagen (B)Deutsche Bank AG, DB Research, Taunusanlage 12, 60325 Frankfurt am Maine-mail: [email protected]. RohwedderDeutsche Bank AG, CIB, Asset Finance & Leasing, Taunusanlage 12, 60325 Frankfurt am Maine-mail: [email protected]. EcklINTECO® Gesellschaft für innovative Technologien mbH, Stethaimer Straße 32–34, 84034 Landshute-mail: [email protected]

163F. Ahlemann, C. Eckl (Hrsg.), Strategisches Projektmanagement,DOI 10.1007/978-3-642-34761-0_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

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8.1 Methodische Vorbemerkungen

Zukunft ist unbekannt – Zukunft ist das Produkt vieler unterschiedlicher, teils wider-sprüchlicher Dynamiken, Impulse und Ereignisse. Sie bleibt dem Menschen verborgenund ungewiss. Doch jenseits dieser Ungewissheit kann auf Basis der Betrachtung vonlangfristigen Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft analysiert werden, welcheZukunft denkbar und möglich ist. Diese Form der prospektiven Analyse, die sich vor-nehmlich der Szenariotechnik bedient [1], dient der strategischen Frühaufklärung. Siesoll Entscheidungsträgern bei ihren Gestaltungsaktivitäten helfen, ein genaueres Bild vonwichtigen Entwicklungen zu erhalten.

Doch dieses Bild zu zeichnen, ist eine komplexe Aufgabe. In diesemKapitel wird auf Er-kenntnisse aus der Soziologie, den Wirtschaftswissenschaften, den Technikwissenschaftenund der Zukunftsforschung aufgebaut, um langfristige Dynamiken und deren Auswirkun-gen auf der Makro-, Meso- und Mikroebene zu umreißen. Daraus entstehen sogenannteProjektionen, die dem offenen, unbestimmten Charakter der Zukunft besser Rechnungtragen als dies der Fall ist, wenn in Prognosen, d. h. rein quantitativ basierten Fortschrei-bungen gedacht wird. Kurz gesagt: Strategische Frühaufklärung hilft nicht, indem sie dieZukunft voraussagt, sondern indem sie Akteure auf der Basis von Zukunftsentwürfen zumDenken anregt.

Im Fall der Betrachtung der Zukunft des Projektmanagements und der wahrscheinli-chen Entwicklungslinien der nächsten Jahre beziehen wir uns auf Arbeiten, die die wich-tigsten Dynamiken des Strukturwandels aufzeigen und deren weitere Entwicklung pro-jizieren.1 Diese Analyse des Strukturwandels erfolgt in zukunftsorientierter, internatio-naler, vergleichender Perspektive in verschiedenen Wirtschaftssystemen, Nationalstaatenund Regionen. Da sie sich nicht nur gesicherter Erkenntnisse und belastbarer Daten ausverschiedenen Studien bedient, sind die hier zugrunde gelegten Dynamiken des Struk-turwandels nur als subjektive, wenn auch informierte Einschätzungen von Einzelnen zuwerten. Die Verfasser erheben daher keinen Anspruch auf objektive Gültigkeit und Voll-ständigkeit.

Die folgenden Kapitel sind wie folgt gegliedert: Im zweiten Abschnitt wird beschrieben,wie der Strukturwandel in seinen verschiedenen Dimensionen dazu führt, dass sich dieForm, in der gewirtschaftet und Geld verdient wird, in Zukunft grundsätzlich verändert.Daran schließt sich eine umfassende Diskussion der Implikationen für das Projektmana-gement an. Im vierten Abschnitt schließt dieser Beitrag mit einer Skizze der wichtigstenHerausforderungen im Übergang zur Projektwirtschaft.

1 Mehr zur methodischen Vorgehensweise der Aggregation von Impulsen zu Dynamiken und derBetrachtung der Wechselwirkung von Dynamiken sowie der „Dynamiklandkarte“ vgl. [6], S. 34–37.

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8.2 Entstehung der Projektwirtschaft

Doch welche Veränderungen sehen wir als wichtig für die Zukunft des Projektmanage-ments und damit für Entscheidungsträger bzw. Manager an? Deutsche Bank Research hatzumManagement der Komplexität und der Unsicherheiten zukünftiger Entwicklungen fürdie Entscheidungsträger eine sogenannte Dynamikkarte entwickelt (Abb. 8.1) [6].

So wie eineWanderkarte einemWanderer einen Überblick über seinenWeg verschafft,hilft die Dynamikkarte Führungskräften dabei, einen Überblick über wesentliche zukünf-tige Entwicklungen zu erlangen. Sie zeigt unterschiedliche Dynamiken, die wachstums-fördernd und stark verändernd auf Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen wirken. Zurbesseren Orientierung der Entscheidungsträger wurden Dynamiken unterschieden, dielangfristig wirken und relativ vorhersehbar in ihrer Entwicklung sind, und diejenigen, dieeher volatil, d. h. sowohl in ihrer Wirkungsrichtung als auch der Wirkungsweise wenigervorhersehbar sind. Im Folgenden werden die wesentliche Dynamiken genauer vorgestellt.

Der Veränderung hin zum Projektmanagement in den nächsten Jahren liegt ein er-heblicher Strukturwandel zugrunde, der nachstehend im Hinblick auf seine technische,politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Dimension dargestellt wird.

Öffnung von Arbeit und

Gesellschaft

Prozess-virtuali-sierungin Netz-werken

Globale Vernetzungvon Wirtschaft und Politik

Verknappung natürlicherRessourcen

Ausdehnungdes Lebens

Eroberung kleinsterStrukturen

Fragmentierungin

Gesellschaften

Erstarken von Emerging Markets

Veränderung von Geschäftskulturund Wertschöpfungsmustern Differenzierung

des Konsums

KriminalisierungEntwicklung derWissensbasis

Gestaltung des politisch-rechtlichenRahmens

Nutzung des gesellschaftlichenPotentials

Dynamik (künftige Entwicklung unsicher)trendhafte Dynamik (künftige Entwicklung vorhersehbar)

Abb. 8.1 Dynamikkarte: Wesentliche technische, politische, ökonomische und gesellschaftlicheEntwicklungen

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8.2.1 Technische Dimension des Strukturwandels: Mehr Forschungs-,Wissenschafts- und Bildungspilotprojekte

Werden Wechselwirkungen und Dynamiken in technischen und wissensbasierten Indus-triezweigen untersucht, ergeben dieAnalysen, dass sowohl Produkte als auch die damit ver-bundenenWertschöpfungsmodelle intelligenter und spezialisierter werden. In einer Phasewichtiger technischer Fortschritte leben erfolgreicheDienstleister davon, dass siemöglichstviel Wissen um neue Produkte und Kundenbedürfnisse aufbauen, technische Fortschritteschnell in einsetzbare Produkte übersetzen, für die in verschiedensten Bereichen eine hoheNachfrage besteht. Dafür sind Projekte auf Basis der Partnerschaft verschiedener Akteureschon heute an der Tagesordnung. Beispiele sind die groß angelegten Forschungspartner-schaften und Forschungsprojekte im Rahmen von Landes-, Bundes- und EU-Förderpro-jekten. Aufgrund der steigenden Herausforderung zu mehrWissensintensität ist absehbar,dass auch in naher Zukunft noch mehr Projekte als heute zwischen Unternehmen undHochschulen stattfinden werden. Die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaftauf der Basis von verschiedenen Projektpartnerschaften wird weiter zunehmen, trotz derbereits starken Entwicklung (vgl. Grafik zu Drittmitteleinnahmen, Abb. 8.2).

Projektbasierte Wertschöpfung wird dabei nicht nur für große Unternehmen wichtiger,die schon heute eng auf Projektbasis mit Hochschulen und wissenschaftlichen Institutenzusammenarbeiten. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen werden in immer stärke-rem Maße mit anderen Akteuren kooperieren, egal, ob mit anderen Unternehmen oderwissenschaftlichen Institutionen. Um bei begrenzten Ressourcen wissens- und kapitalin-tensive Produkte zu produzieren, sind Kooperationen eine gute Alternative.

Besonders im Bereich von Mobilitätslösungen – vor allem im Automobilbau – hat dieprojektbasierte Kooperation unterschiedlicher Akteure eine lange Tradition. Eines der her-ausragenden Beispiele dafür ist das Zentrum für Nutzfahrzeugtechnologie an der TU Kai-serlautern, in dem verschiedene Akteure gemeinsam forschen, um neue Technologien undLösungen im Bereich der Nutzfahrzeuge zu entwickeln. Auf dieser Basis werden auch Cur-ricula entwickelt, um neue Mitarbeiter auszubilden und so dem Fachkräftemangel entge-genzuwirken.2

8.2.2 Politische Dimension des Strukturwandels: Mehr lokale undgrenzüberschreitende Groß-, System- und Infrastrukturprojekte

Die heutigen politischen Herausforderungen, beispielsweise bezüglich des Klimawandels,der Infrastrukturprojekte oder der Mobilität, können nicht mehr national gelöst werden.Auch bedarf es der verstärkten Kooperation mit Wirtschaft und Wissenschaft, um dieseHerausforderungen zumeistern. Die neue „glokale“ Qualität derWertschöpfungwird dar-in liegen, dass eine große Anzahl lokaler und gleichzeitig grenzüberschreitender Projekte

2 Vgl: http://www.uni-kl.de/znt

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Abb. 8.2 Drittmittelent-wicklung an deutschenHochschulen

-

500 000

1 000 000

1 500 000

2 000 000

2 500 000

3 000 000

3 500 000

4 000 000

4 500 000

1992 1995 1998 2001 2004 2007

Quelle: Statistisches Bundesamt, DBR

Projekte in und mit der Wissenschaft im Aufwind: Drittmittelentwicklung an deutschen Hochschulenin EUR '000

aufgelegt wird. Diese Groß- und Systeminfrastrukturprojekte werden zunehmend projekt-basiert organisiert sein, um das notwendige Wissen und die benötigten Ressourcen zurVerfügung zu haben. Es wird verstärkt spezifisch gestaltete Wertschöpfungsverbunde undWertschöpfungsnetzwerke geben [7–9].

Auch in diesem Bereich bietet der Mobilitätssektor ein gutes Beispiel. So arbeitendie Stadt Aachen, die Bahntochter DB Rent, die Stawag (Stadtwerke Aachen AG) unddie ASEAG (Aachener Straßenbahn und Energieversorgungs-AG) mit Unternehmenund Hochschulen zusammen, um Mobilitätslösungen zu entwickeln, die dann auchüberregional nutzbar gemacht werden können. Der Vorteil der projektwirtschaftlichenVorgehensweise liegt darin, dass die einzelnen Akteure alleine weder operational, finanzi-ell noch im Hinblick auf ihre Kompetenz fähig wären, allein zu agieren.

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8.2.3 Wirtschaftliche Dimension des Strukturwandels:Mehr organisationsübergreifende Zusammenarbeit in Projektenundmehr Projekte in Organisationen

Eine weitere absehbare Entwicklung ist der steigende Spezialisierungsgrad bei der Pro-duktion von Gütern und Dienstleistungen wie beispielsweise durch die Nutzung der In-formations- undWissenstechnologien. Hier seien das stärker semantisch basierte Internetund die neuen Formen der intelligenten Datenverarbeitung als Beispiele genannt. Projekt-hafte Arbeit wird die Wertschöpfung in Zukunft prägen. Um dieser Entwicklung gerechtzu werden, wird innerhalb der Unternehmen zunehmend auf Projektarbeit gesetzt, umflexibler auf spezialisierte und zeitliche Produktionsanforderungen reagieren zu können.So sind beispielweise heute in der Medienbranche, ob bei der Weiterentwicklung des in-ternetbasierten Fernsehens oder auch der Weiterentwicklung von Audio-Services (demInternetradio neuer Generation), Pilotprojekte mit Spezialisten, freien Mitarbeitern undneu gestalteten Teams an der Tagesordnung.

8.2.4 Gesellschaftliche Dimension des Strukturwandels: Projekthaftes,soziales Engagement (als Projektarbeit)

Vor demHintergrund einer hochmobilen und schnelllebigen Gesellschaftwerden langfris-tige Formen des Engagements von Individuen in Zukunftwenigerwahrscheinlich.Die heu-te Engagierten – ob jung oder alt –werden sich als Reaktion auf die verändertenWertschöp-fungsbedingungen und aufgrund ihrer eigenen Wünsche und Interessen künftig andersengagieren als derzeit. Verbunden mit einer erhöhten Leistungsorientierung der Jungen[10] unddemSelbstgestaltungsanspruch vielerÄltererwerden sichmehrMenschen auf Ba-sis von Projekten – kurzfristiger und episodischer als heute – einbringen. Die wöchentlichwiederkehrende Form des kontinuierlichen Engagements wird aufgrund des Zeitdrucksund der Erlebnisorientierung der Menschen einer intensiveren Phase des Engagements,gefolgt von weniger intensiven Engagement-Episoden, weichen.

So lässt sich heute schon beobachten, dass bei den besser Ausgebildeten Zeitsouverä-nität ein hohes Gut darstellt. Selbst über seine Zeit zu verfügen und das Engagement –finanziell, ideell und auch zeitlich – selbst steuern zu können, ist dieser Gruppe wichtig.Die heute Jüngeren und die Generationen im mittleren Alter lassen sich nicht mehr ohneweiteres in vordefinierte Strukturen einbinden. Ihnen ist daran gelegen, sich in Projektemiteinem angemessenen flexiblen Zeitumfang einzubringen. Durch diese Grundorientierungder Gestaltbarkeit verändert sich auch der Begriff der Solidarität. Es wird für Menschensehr viel wichtiger, Wahlverwandtschaften auf Basis gemeinsam geteilter Ziele und Werteeinzugehen und diese durch Projekte mit Leben zu füllen. Dies lässt sich in Grundzügenauch heute schon bei den gebildeteren, eher mobilen Älteren feststellen [11].

Vor allem durch die Nutzung neuer Informations- und Kommunikationsmittel, dieweithin unter dem Terminus Social Media in der Diskussion sind, wird das projekthafte

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Engagement vieler Individuen gesteigert. Ein gutes Beispiel für diese Entwicklung ist dasnun zehntausendste Projekt, das im Juli 2011 über die Plattform „Kickstarter“ (siehe www.kickstarter.com) finanziert wurde. Es handelt sich um eineWebsite, bei der Projektentwür-fe präsentiert werden, die nach einer Begutachtung die Chance haben, finanzielleMittel zuerhalten. Auf dieser Basis werden gesellschaftlich relevante Projekte initiiert und gefördert.Kurzum: Die projekthafte Form der Wertschöpfung wird wichtiger – in Deutschland, aberauch weltweit.

8.2.5 Vier Gründe für projektwirtschaftlicheWertschöpfung

In Deutschland reüssiert die projektwirtschaftliche Wertschöpfung vor allem aus vierGründen:

Erstens drängen der demographische Wandel und die knapper werdenden öffentlichenMittel kommunale Entscheidungsträger, die Gesetzgeber im Bund und in den Län-dern, die Verwaltung und politische Entscheidungsträger dazu, mehr private Projekteanzugehen. Nur so können künftig die soziale Sicherung und funktionierende Gemein-schaften gewährleistet werden. Dies gilt für den Energie- und Mobilitätsbereich, dasGesundheits- und Sozialsystem bis hin zur Entwicklung und Vermittlung von Arbeits-kräften und Ehrenamtlichen. Im Zusammenhangmit neu zu initiierenden oder zu pla-nenden Projekten haben die jeweiligen Verantwortlichen oftmals keine Alternativen,als sich des gesellschaftlichen Potenzials, der Impulse und Initiativen der Bürger zu be-dienen. Insbesondere öffentlich-private Partnerschaften, die Projekte initiieren, tragenmit einer engen Kooperation vonWirtschaft und Wissenschaft zur Weiterentwicklungvon Projektgesellschaften bei.

Zweitens fördern Bund und Länder immer stärker Innovationspartnerschaften, Innovati-onsnetzwerke und lokale Innovationscluster. Dies ist ein wichtiger Beitrag für die er-folgreiche Projektwirtschaft. Viele Impulse gingen und gehen z. B. vom Biotech-ClusterbeiMünchen sowie demCluster für optische und Solar-Technologien inThüringen aus.

Drittens können gerade mittelgroße Unternehmen in der Projektwirtschaft ihre Innovati-onskapazität ressourcenschonend ausbauen. Sie können im Rahmen rechtlich eigen-ständiger Projekte zudem kapitalmarktorientierte Finanzierungsinstrumente nutzen,ohne dabei die Kontrolle über das Unternehmen selbst an den Kapitalmarkt abzuge-ben.

Viertens reüssiert die Projektwirtschaft in Deutschland aufgrund des relativ stark ausge-prägten Sozialkapitals [12]. Gerade die gesellschaftliche Basis ist in Deutschland für dieProjektwirtschaft günstig. Viele Bürger werden selber aktiv, um zurückgehende Leis-tungen des Staates zu kompensieren. Die große Anzahl von Vereinen, Bürgerstiftun-gen und anderen Formen des gesellschaftlichen Engagements sprechen für eine weite-re Ausbreitung der Projektwirtschaft. Projektwirtschaftliche Formen der gesellschaft-

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lichen und wirtschaftlichen Wertschöpfung werden wichtiger, da das gesellschaftlicheEngagement aufgrund der knappen Mittel des Staates noch stärker ansteigen wird.

8.3 Veränderungen der Wertschöpfung auf demWegzur Projektwirtschaft

Doch wozu führen diese Veränderungen hin zu mehr Wertschöpfung aus der Projektar-beit? Nach unserer Einschätzung wird dies zu einer neuen Form desWirtschaftens führen.Obwohl es so scheint, dass strategische Allianzen, Kooperationsverträge, gemeinsame Pro-jekte und andere Formen der Zusammenarbeit schon heute der Normalfall sind, ist dasPotenzial für gemeinsame und eigenständige Projekte noch nicht ausgeschöpft. Verschie-dene Analysen haben ergeben, dass die Projektwirtschaft, d. h. kooperativeWertschöpfungin organisatorisch und rechtlich eigenständigen, temporären Projekten, durch den Struk-turwandel bis ins Jahr 2020 rund 15 Prozent der deutschen Wertschöpfung ausmachenwird (im Vergleich zu zwei Prozent im Jahr 2006). Die Formen der strukturierten Projekt-kooperation von Spezialisten finden auf unterschiedlichen Ebenen statt.

Makro-Ebene Auf der übergeordneten, gesellschaftlichen Ebene verändern sich sowohldie Formen der Zusammenarbeit von Akteuren im internationalen Kontext als auch dieFormen der Zusammenarbeit von Gesellschaft,Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Kul-tur. Große Innovationen – technischer oder auch sozialer Natur – kommen immer öfter da-durch zustande, dass die Akteure frühzeitig miteinander zusammenarbeiten, um beispiels-weise technische Innovationen zur Unterstützung der Lebensführung von älteren Men-schen zu entwickeln oder auch um gemeinsame Lösungen für die drängenden Problemedes Klimawandels zu erarbeiten.

Meso-Ebene Diese Veränderungen hin zumehrKooperation haben auch Rückwirkungenauf die nächste, analytisch untergeordnete Ebene. So arbeiten auf der Meso-Ebene – derEbene der Organisationen und Gemeinschaften – Akteure anders und intensiver zusam-men als dies bisher der Fall war. Vor allem im technisch-wirtschaftlichen Bereich, wo esimmer öfter auf eine intelligente Standardisierung einzelner Komponenten und von Ar-chitekturen ankommt, arbeiten wissenschaftliche und praxisorientierte Gemeinschaften(„communities of practice“) eng zusammen. So ist es beispielsweise sowohl für die Auto-mobilindustrie als auch für Anbieter von Elektroniksystemen und Smart-Grid-Lösungenvon immer größerer Bedeutung, dass Mitarbeiter an Pilot- und Normungsprojekten teil-nehmen, die innerhalb der Tätigkeiten der verschiedenen Subgruppen des EuropäischenKomitees für elektrotechnische Normung (CENELEC) initiiert und umgesetzt werden.

Im Übergang zur Projektwirtschaft breiten sich zunehmend neue Netzwerke aus; Kon-sortien verschiedenerUnternehmen,Wissensgemeinschaften (knowledge communities) inund über Firmen hinweg arbeiten miteinander zusammen, um möglichst innovative Pro-dukte kostengünstig zu entwickeln und zu vermarkten.

8 Projektwirtschaft 2020 171

Mikro-Ebene Diese zunehmende Vernetzung überträgt sich auf die Mikro-Ebene, d. h.auf jeden Einzelnen. Vor allem unternehmerisch denkende Menschen nutzen schon heutedie Möglichkeit, sich in Form von Projekten wirtschaftlich und gesellschaftlich zu betäti-gen. Ihre Einsicht, dass projektorientierte Formen der Zusammenarbeit effizienter für denEinzelnen sein können und zu mehr Wachstum für die Allgemeinheit beitragen sowie ihrEngagement für andere Menschen, bilden die Basis der Projektwirtschaft.

Offene Formen der Innovation3 greifen Raum, neue und offenere Formen der Koope-ration etablieren sich. Bei diesen offeneren Formen der Kooperation kommt es nicht wiebisher darauf an, sich möglichst eng mit einem Partner zu verbinden und dies vertrag-lich zu fixieren. Vielmehr ist auf die eigene Reputation und die Kontaktpflege zu achten,so dass die Basis für die zukünftige Zusammenarbeit geschaffen wird. Es kommt daraufan, schnell Formen der Zusammenarbeit zu finden und seine eigene Position zu klären[16]. Im Bereich der Entwicklung von Elektronikhardware (Chips, Smartphone etc.) zumBeispiel zählt die Projekterfahrung oftmehr für die potenziellen Projektpartner, als die for-malen Qualifikationen. Dabei wird vor allem berücksichtigt, wie sich der Einzelne in denProjekten verhalten hat, ob er dazu fähig war, frühzeitig auf Fehlentwicklungen hinzuwei-sen, und ob er auch mit Rückschlägen oder gar dem Abbruch von Projekten konstruktivumgegangen ist.

Ein weiteres wichtiges Charakteristikum der Projektwirtschaft ist, dass sie als Synonymfür zumeist temporäre, kooperative und oft globale Wertschöpfungsprozesse steht. DieWertschöpfung erfolgt kurzfristiger bzw. zeitlich flexibler mit einer schnelleren Verände-rung der Wertschöpfungsrhythmen.

Ferner zeichnet sich projektwirtschaftliche Wertschöpfung dadurch aus, dass Koope-rationsprojekte im Gegensatz zu althergebrachten Formen der Zusammenarbeit meist or-ganisatorisch und oft auch rechtlich eigenständig sind. In projektwirtschaftlichen Unter-nehmungen achten die Unternehmen peinlich genau darauf, die potenziell entstehendenGewinne abzusichern und das „Gain-Sharing“ zu beziffern sowie das Projekt aus sich her-aus zu finanzieren.

Außerdem zeichnet sich die Projektwirtschaft im Gegensatz zur „klassischen“ Wirt-schaft durch eine größere kritische Wissensmasse aus. Wertschöpfung entsteht dadurch,dass jeder Spezialist einen Teil des Puzzles im Rahmen von projektwirtschaftlichen Koope-rationen einbringt, dieses Wissen dann gemeinsam weiterentwickelt und zur Umsetzunggebracht wird. Projektgesellschaften entstehen schnell, arbeiten schnell und existieren oftnur so lange wie nötig. Dadurch wird auch eine bessere Diversifikation von Risiken ermög-licht.

Um dies noch einmal deutlich zu machen: Zwar wird auch in zehn Jahren der Großteilder Produkte weiterhin „klassisch“ durch einzelne Unternehmer oder Unternehmen her-vorgebracht. Doch in vielen neu entstehenden Güter- und Dienstleistungsmärkten herr-schen projektwirtschaftlich agierende Unternehmen vor.

3 Zu „open innovation“ vgl. [14, 15, 21];

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8.3.1 Projektwirtschaft verstehen – Veränderungen von Produkten,Preisgestaltung und Prozessen

Um die Veränderungen der Projektwirtschaft zu verdeutlichen und einen Rahmen für dieErarbeitung der Bedingungen des Projektmanagements der Zukunft zu erarbeiten, wer-den im Folgenden die wichtigsten Veränderungen der Projektwirtschaft dargestellt. Dabeihandelt es sich um Veränderungen von Produkten, der Preisgestaltung sowie von Unter-nehmens- und Produktionsprozessen.

Veränderungen von Produkten imÜbergang zur Projektwirtschaft In der Projektwirt-schaft werden sich mehr Menschen gesellschaftlich projektorientiert einbringen. Dies äu-ßert sich zum einen in einem stärkeren Interesse an der politischen Mobilisierung in be-stimmten umstrittenen Kontexten wie im Fall des Neubaus des Stuttgarter Hauptbahn-hofs („Stuttgart 21“). Zum anderenwerden durch projektwirtschaftliche Formen derWert-schöpfung Kunden aktiver bei der Mitgestaltung von Produkten angesprochen. Unterneh-men erkennen zunehmend, dass es sich lohnt, Kunden frühzeitig einzubinden, um nichtan deren Bedürfnissen und Wünschen vorbei zu entwickeln. Der Verkauf neuer Produk-te wird gesteigert und die Kunden durch eine aktivere Grundhaltung als Konsumentensozialisiert. Dies äußert sich heute schon beim Konsumverhalten von Kindern. So hat bei-spielsweise LEGO, der dänische Spielzeughersteller, durch Portale große Erfolge erzielt undjunge Menschen in ihrem Konsumverhalten geprägt. Konsumenten verändern ihre Grun-dorientierung in und durch die Projektwirtschaft grundsätzlich [17].

Ein weiteres Beispiel aus demHeimwerkerbereich ist die Firma Bosch, die ihre Kundenaktiv in die Planung von neuen Bohrmaschinen einbindet. Kunden werden von passivenKonsumenten zu „Innosumenten“, die Produkte undLösungen für ihrenKonsumgestaltenund nutzen.

Veränderungender Preisgestaltung imÜbergang zur Projektwirtschaft Doch nicht nurProdukte, sondern auch die Gestaltung der Preise verändert sich. Preise entwickeln sich imÜbergang zur Projektwirtschaft von einheitlichen Preisgestaltungen zu ubiquitären, preis-lich undifferenzierten Basisprodukten, Sonderaktionen und Premium-Differenzierungen.In der Projektwirtschaft zeichnet sich ab, dass die Basisdienstleistungen und auch Basispro-dukte für den Konsumenten zu relativ günstigen „Einsteigerpreisen“ angeboten werden,dass Sonderaktionen zum Abverkauf zunehmen und dass allgemein die Preispolitik durcheine höhere Flexibilität und Zeitsensitivität gekennzeichnet ist. Erste Anzeichen in dieseRichtung zeigen sich durch den Erfolg von Unternehmen wie Groupon, die durch ihreRabattaktionen die Preisgestaltung verändern, was sich auch in projektwirtschaftlichenFormen der Zusammenarbeit künftig noch stärker niederschlagen wird.

Veränderungen der Produktionsprozesse im Übergang zur Projektwirtschaft Da sichsowohl dasKunden, die Produkte als auch die Preisgestaltungen verändernwerden, ändernsich auch die Prozesse, wie Produkte hergestellt und anKunden vertriebenwerden. Eine der

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wichtigsten Veränderungen der Prozesse ist, dass im Übergang zur Projektwirtschaft nichtmehr das Management von Einzelprojekten im Vordergrund steht. Vor dem Hintergrundzunehmender projektwirtschaftlicher Kooperation wird das Management von Multi-Pro-jektlandschaften und Programmen sowie von Partnerschaften und anderen Formen derfortgesetzten, strukturierten Zusammenarbeit wichtiger.

Aufgrund der Beteiligung einer steigenden Anzahl an Partnern an unterschiedlichenStellen und Phasen von kooperativenWertschöpfungsprozessen lässt sich imÜbergang zurProjektwirtschaft beobachten, dass Produktionsprozesse nicht mehr linear und sequenziellablaufen. Die Aufgaben werden von diversen Partnern nicht mehr nacheinander abge-arbeitet. Vielmehr arbeiten diese simultan an verschiedenen Teilprojekten, um komplexeSystemlösungen in einem überschaubaren Zeitraum anbieten zu können. Aufgrund die-ses überlappenden Arbeitens unterschiedlicher Akteure werden Wertschöpfungsprozesseriskanter.

Darüber hinaus zeichnet sich ab, dass Mitarbeiter im Übergang zur Projektwirtschaftzu Mitstreitern werden. Viele Mitarbeiter werden als verantwortliche Projektmanager vonPilotprojekten zu Unternehmern im Unternehmen. Im Hinblick auf diese Mitarbeiter tunUnternehmen gut daran, ihre organisatorischen, disziplinarischen undpersonalpolitischenStrukturen zu überprüfen. Projektkarrieren ziehen andere Notwendigkeiten in der Bewer-tung der Qualifikation nach sich und erfordern andere Professionalitätsmaßstäbe als ange-stammte „Kaminkarrieren“. Ebenfalls ist zu beobachten, dass sich durch die fortgesetzteProjekttätigkeit und die Weiterentwicklung der Mitarbeiter auf Basis von Projekten dieRekrutierungsanforderungen verändern. Die Unternehmens- und Arbeitswelt wird sichimmer stärker von relativ starren Stellenbeschreibungen und klar strukturierten Berufenweg, hin zu tätigkeits- und projektorientierten Kompetenzbündeln entwickeln, die neudefiniert werden müssen und auch andere Formen der Rekrutierung benötigen. Dabeiwerden bei der Bewertung der Professionalität eines Mitstreiters das Denken in Portfo-lios sowie die Bewertung seiner Netzwerkarbeit und seines Verhaltens in Kooperationenrelevanter sein als der reine Lebenslauf.

8.3.2 Gewinnerbranchen und neue Geschäftsmodelle

Beim Projektgeschäft geht es üblicherweise um eine fest umrissene Leistung, die von einemInvestor in Auftrag gegeben wird. Die Zahlungsströme sind dabei vorab festgelegt. Innova-tive Projekte in der Projektwirtschaft sindmeist angebots- und seltener nachfrageorientiert.Häufig entstehen im Rahmen dieser Projekte neue Produkte und Dienstleistungen, für diedie entsprechende Nachfrage erst geschaffen werden muss. Dies ermöglicht es dem Inno-vator, sich auf seine Kernkompetenz zu konzentrieren. Andere für die Realisierung desProjektes notwendige Kompetenzen, beispielsweise für finanzielle und steuerliche Frage-stellungen oder die Optimierung des Produktionsprozesses, können durch übrige Projekt-partner eingebracht werden.

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Deutschland besitzt dank seiner heterogenen Forschungslandschaft und seiner breitaufgestellten Unternehmen, die in unterschiedlichen Technologien Weltmarktführer sind,einen wichtigen Standortvorteil in der Projektwirtschaft. Vielversprechende Projekte kön-nen daher auf Basis konvergenter Technologien Systemlösungen schaffen und dies nichtnur für die großen Herausforderungen in den Bereichen Energie und Mobilität, sondernauch für anspruchsvolle Güter und Dienstleistungen des privaten Konsums.

Juristische Beratung wird noch wichtiger Projekte sind individuelle Lösungsverfahren.Formelle und informelle Prozeduren, die sich in einem Unternehmen im Laufe der Zeitherausbilden, sind häufig nicht vorhanden. Umso wichtiger sind definierte Schnittstellenund Standards, die eine reibungslose Zusammenarbeit der Projektpartner erleichtern. Ins-besondere im Bereich innovativer, forschungsintensiver Projekte ist der Ergebnisbeitragdes Einzelnen ex-ante nur sehr schwer zu bestimmen. Ein Zurechnungsschlüssel, an demsich die Verteilung des Gewinns – insbesondere die Verteilung der Rechte an dem ge-meinsam entwickelten geistigen Eigentum – eines Projektes orientiert, gibt es nicht. Au-ßerdem fehlen die im Unternehmen üblichen Weisungs- und Unterstellungsverhältnisse.Entsprechende Regeln der Zusammenarbeit müssen verhandelt werden. Schließlich kön-nen gerade bei innovativen Projekten Haftungsfragen, auch nach Ablauf des Projektes, vonentscheidender Bedeutung sein. Aus alldem wird deutlich, dass die größere Flexibilität vonProjekten zumTeil durch eine erhöhte juristische Komplexität erkauft wird.Mit der zuneh-menden Verbreitung der Projektwirtschaft werden aber auch hier die Transaktionskostensinken. Es wird standardisierte Lösungen für wiederkehrende juristische Probleme geben.Die Kooperation kann zum Teil auf Methoden des Projektmanagements aufbauen unddurch wiederkehrende Interaktionen werden sich allgemein akzeptierte Verhaltensweisenund Prozeduren etablieren.

(Marken, intellektuelleEigentumsrechte)Rechte gewinnenanBedeutung Den imRah-men von Projekten entwickelten Produkten und Dienstleistungen fehlt im Vergleich zuneuen Produkten bei etablierten Unternehmen der Vertrauensvorschuss, der auf den be-reits bewährten Produkten undMarken basiert. Projektpartner können aufgrund frühererProjekterfolge und ihres intellektuellen Kapitals ebenfalls eine hohe Reputation besitzen,allerdings wird diese schwieriger nachzuweisen sein. Daher ist es in vielen Fällen sinnvoll,die Reputation etablierter Marken für neue Produkte zu nutzen. Der Handel mit entspre-chenden Lizenzen wird unter dieser Voraussetzung in der Projektwirtschaft deutlich zu-nehmen.

Durch die Projektwirtschaft werden einige BranchenWachstumsimpulse erhalten. Spit-zentechnologien und innovative Dienstleistungen werden verstärkt nachgefragt, denn sieerfordern komplexes Wissen. Dies gilt beispielsweise für die chemische Industrie, die Mi-krosystemtechnik, die Nano- und Biotechnologie wie auch zum Teil für Umwelttechnolo-gien. Einer der wichtigsten Bereiche für das Wachstum der Projektwirtschaft ist der Ener-giesektor. Dabei stehen vor allem die Weiterentwicklungen der erneuerbaren Energien,

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integrierte Projekte zum Bau von Offshore-Wind- und Biomasseanlagen wie auch beimAusbau der Solarenergietechnologie im Vordergrund.

Mit flexiblen, oft temporären Formen der Kooperation spezialisierter Unternehmenwird die Konvergenz und Kooperation im Handel und Mediengeschäft vorangetrieben,wobei im Bereich der Produktion und Verwaltung neue Akteure entstehen werden. Para-debeispiel dafür ist der Siegeszug des Unternehmens Google, welches über verschiedensteProjekte zur Verbesserung der Datenaufbereitung und Datenverarbeitung im Internet zueinem der wichtigsten Partner des Handels alsWerbeplattformwurde. Ein anderes Beispielist das Unternehmen Apple, welches mit projektwirtschaftlichen Kooperationen Plattfor-men zum Vertrieb von medialen Inhalten (z. B. iTunes) etabliert hat.

Aufgrund der verstärkten, projektbasierten Kooperation vonUnternehmen liegen auchBeratungsdienstleistungen, wie zumBeispiel Usability-Beratung, Organisationsdesign undmodularisierte Lernangebote für die Aus- und Weiterbildung im Trend. Um viele Fachar-beiter durch Weiterbildung, zum Teil an Universitäten, für Aufgaben in Spitzentechno-logiesektoren zu qualifizieren und Deutschland aus dem traditionell starken Bereich dermittleren Qualifikationen an die Spitze zu führen, werden Lernmärkte an Bedeutung ge-winnen.

Durch die Projektwirtschaft werden sich vor allem im Hinblick auf neue wissensin-tensive Dienstleistungen, die Qualitäts- und Innovationsmanagement kombinieren, neuePotenziale entfalten.

Die Entwicklung von der linearen Produktionswirtschaft (einfaches Auftragnehmer-Auftraggeber-Verhältnis) zur komplexen Projektwirtschaft (Verbund mehrerer Projekt-partner) verändert den Bedarf an Finanzierungsformen. Der klassische Bankenkredit zurUnternehmensfinanzierung wird weiterhin seine Berechtigung haben, allerdings wird erdurch zusätzliche Finanzierungsformen ergänzt werden, da in der wissensgeprägten Pro-jektwirtschaft die Wertschöpfung stark von immateriellen Werten abhängig sein wird. ImGegensatz zur Industriegesellschaft wird die Wertschöpfung in der Wissensgesellschaftverstärkt aus dem Know-how der Mitarbeiter erzielt werden und weniger aus der reinenProduktion von Gütern. Große Teile der Produktion werden auch weiterhin in Billig-lohnländer wie Südostasien und Lateinamerika verlagert werden. Somit gilt es künftig,Finanzierungen auf das Know-how (immaterielle Werte) abzustellen und weniger aufmaterielle Werte wie Maschinen oder Gebäude.

Insoweit sind prinzipiell alle Finanzierungsformen in und für die Finanzierung von pro-jektwirtschaftlichen Vorhaben denkbar, die aus der „materiellen“ Welt bekannt sind. AufdieseWeise lassen sich auch immaterielle Güter über Fremd- und Eigenkapital finanzieren.Ebenso ist es denkbar, Finanzierungen an verschiedene Stufen derWertschöpfungskette zuknüpfen, analog zur „ materiellen“ Welt (Entwicklung-Produktion-Vertrieb).

Eine der wichtigsten Herausforderungen bei der Finanzierung von Projekten wird dar-in bestehen, einzuschätzen und zu bewerten, wie viele immaterielle Werte durch Projektegeschaffenwerden können.Dies ist deswegen so kritisch, da Banken den klassischenKreditgenerell lediglich bei bilanziertenmateriellenWerten als Sicherheiten akzeptieren.Wenn essich aber umProjekte handelt, deren hauptsächliche Ergebnisse in der Schaffung immateri-

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Unterschiedliche Anknüpfungspunkte für Finanzinstrumente!

Wertschöpfungskette im Bereich immaterieller Wirtschaftsgüter

PatentForschung und Entwicklung Lizenz

Produktion Vertrieb

Forschung und Entwicklung

Anmeldungzum Patent

Auslizenzierungdes Patents

Reduzierung von Risiken im Bereich F&E

Erzielung von Erträgen durch Veräußerung

Erzielung von Erträgen durch Auslizenzierung

Abb. 8.3 Finanzierungsansätze in der Projektwirtschaft [20]

eller Werte liegen, wird die Finanzierung mit Krediten von Projekten schwierig. Doch hierzeichnet sich ab, dass auch diese Projekte in zunehmendem Maße eine geeignete Finan-zierungsform finden werden. Welche dabei zum Einsatz kommt, hängt sehr von der Formder immateriellen Werte ab. Diese ergeben sich in der wissensbasierten Projektwirtschaftje nach Wertschöpfungstiefe. Es lassen sich grob drei Wertschöpfungsstufen definieren(Abb. 8.3) [20]:

1. Forschung und Entwicklung: Forschung und Entwicklung (F&E) bilden die Grundla-ge für die Produktion und Vermarktung von innovativen Gütern. Um die Finanzie-rungsrisiken der F&E für ein Unternehmen zu reduzieren, besteht die Möglichkeit,Kooperationen mit anderen Unternehmen oder Einzelpersonen einzugehen (strategi-sche Beteiligung einzelner Partner). Die Risiken reduzieren sich, indemdie F&EKostengeteilt werden. Ferner lässt sich auch gezielt Know-how beschaffen, ohne teure per-sonelle Kapazitäten aufbauen zu müssen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit derFinanzbeteiligung durch Investoren in Form von zur Verfügung gestelltem Risikoka-pital. Darüber hinaus verfolgen Finanz- investoren meist keine weiteren strategischenZiele.

2. Immaterielle Güter als Wertgegenstand: Wissen in Form von geistigem Eigentumwird durch Rechte weltweit geschützt. Unterteilt werden diese beispielsweise in Pa-tentrechte, Markenrechte, Copyrights, Musik-, Film-, Software- und Literaturrechte.Diese Rechte können als eigenständiges Gut gehandelt werden. Um auf dieser recht-lichen Basis Finanzierungsformen für die Projektwirtschaft zu entwickeln, muss ausKooperationsverträgen klar hervorgehen, wem welche Rechte aus Projekten in welcherForm zustehen und wer sie wie und in welchem Kontext einsetzen kann. Wenn diesgelingt, steht auch der Nutzung von Rechten als Grundlage zur Finanzierung von wei-

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teren Projekten nichts im Wege. Dies kann beispielsweise in Form eines Rechte-Fondsgeschehen. In diesem Fall werden die Rechte von Investoren gekauft und durch denFonds vermarktet. Die zurückfließenden Zahlungsströme kommen dann den Investo-ren in Form einer Rendite zugute.

3. Lizenzen aus immateriellen Gütern: Als weitere Finanzierungsquelle von kodifizier-tem Wissen besteht die Möglichkeit, aus den „Wissens-Rechten“ regelmäßige CashFlows zu generieren, indem die Rechte an Dritte in Form von Lizenzen vergeben wer-den. Die daraus resultierenden Zahlungen können zur Finanzierung von Projektengenutzt werden. Neben der Lizenzvergabe kann auch ein verzinsliches Wertpapier mitregelmäßigen Zinszahlungen zu Finanzierungszwecken dienen. Die zu erwartendenZahlungsströme werden abgezinst und vom Lizenzinhaber an Investoren verkauft,so dass der Inhaber einen Barzufluss erhält, den er für die Finanzierung der Projektenutzen kann. Die Investoren erhalten dann die künftigen Lizenzzahlungen in Formeines Zinses aus demWertpapier.

Die Herausforderung für Investoren und Projektpartner besteht darin, dass altherge-brachte Ansätze zur Bewertung von Investitionsoptionen nur bedingt anwendbar sind. ImVergleich zur Produktionswirtschaft sind weitere, sogenannte „weiche“ Faktoren zur Be-urteilung von Projektpartnern erforderlich. So kommt es verstärkt auf die Bewertung derProfessionalität an, mit der die Projekte initiiert und gestaltet werden. Gerade wenn es sichum erfahrene Projektmanager handelt oder um Personen, die über ein großes inhaltlichesUnterstützungsnetzwerk verfügen, ist die positive Bewertung eines Projektes leichter. UmProjekte und Projektpartner beurteilen zu können, werden künftig strengere Anforderun-gen an die handelndenPersonen bzw. dasManagement undweniger an die Organisationengestellt. Unternehmen werden beispielsweise von Ratingagenturen beurteilt, so dass dieFinanzierungskosten von der Bonität des Unternehmens abhängen. In der Projektwirt-schaft hingegen schließen sich die Unternehmen und/oder einzelne Personen (lediglich)auf Zeit zusammen. Investoren müssen daher verstärkt auf das Management und den ge-gebenenfalls vorliegenden Erfahrungshorizont schauen. Ferner gilt es zu prüfen, wie stabilder Verbund der Partner über die Projektlaufzeit ist.

Neben den handelnden Personen sind auch inhaltliche und finanzielle Aspekte zu un-tersuchen. Insbesondere ist bei mehreren Projektpartnern der reibungslose organisatori-sche Ablauf der Projektabwicklung von entscheidender Bedeutung. Hier spielt also dieQualität bzw. Güte der Projektprozesse eine wichtige Rolle bei der Investitionsbeurteilung.

8.4 Herausforderungen im Übergang zur Projektwirtschaft

Die Projektwirtschaft als ein Teil der deutschen Wirtschaft wächst. Projektwirtschaft er-streckt sich über verschiedene Branchen und führt teils mit der Etablierung neuer Produkteund neuer Geschäftslogiken zur Auflösung von Branchengrenzen. Begründet liegt dies inden technischen Entwicklungen mit immer intelligenteren und spezialisierten Formen der

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Wertschöpfung. Mehr Forschungs-, Wissenschafts- und Bildungspilotprojekte von Wirt-schaft undWissenschaft sind die logische Folge.

Politisch-wirtschaftliche Entwicklungen wiederum sorgen dafür, dass immer mehr lo-kale und grenzüberschreitende Groß-, System- und Infrastruktur-Projekte in Angriff ge-nommen werden. Wirtschaftlich wird dies begleitet von zunehmender organisationsüber-greifender Zusammenarbeit in Projekten undmehr Projekten in Organisationen. Umfang-reichere projekthafteArbeit in allen Teilbereichen derWirtschaftmit starkenQuerbezügenauch zu Gesellschaft, Politik und Wissenschaft sind die Folge.

Zu guter Letzt sorgen projektorientierteres Engagement und die daraus entstehendengesellschaftlichen Projekte dafür, dass sich die Projektwirtschaft etabliert. Dadurch ver-ändern sich Produkte, Preise, Kundenbeziehungen und Prozesse in Unternehmen. DieseVeränderungen gehen natürlich auch am Management nicht vorüber, auf das neue Her-ausforderungen zukommen. Da die Menschen anders kommunizieren und teils sehr starkin Projekte engagiert sind, werden Fragen der Legitimation und der Partizipation wichti-ger. Die frühzeitige Einbindung von Pionieren der Projektwirtschaft im lokalen Bereich,das genaue Monitoring von Projektlandschaften – nicht nur der Projekte von anderen,sondern auch gesellschaftliche Projekte – werden für Entscheider wichtig. Projektmana-gement, die Kunst verschiedene Partner zu integrieren, die richtigen Parameter für das ad-äquate Management von komplexeren Kooperationsprozessen in projektwirtschaftlichenZusammenhängen zu etablieren, zählt.

Um in der weiter prosperierenden Projektwirtschaft erfolgreich zu sein, sollten die Ak-teure für sich prüfen, ob strategisch strukturierte Partnerschafts- und Projektaktivitätenin ihrem Bereich sinnvoll sind. Um mit den Herausforderungen im Strukturwandel vordem Hintergrund knapper Kassen umgehen zu können, bietet es sich beispielsweise fürUnternehmer und auch öffentliche Akteure an, der langfristigen Kostenbelastung mit dif-ferenzierten Modellen partnerschaftlicher, gemeinsamer Dienstleistungserbringung undverstärkter interkommunaler Kooperation zu begegnen. Entscheider können und solltendarüber hinaus, dies zur besseren Legitimation ihr Projekt- und Programmmanagementauch im Hinblick auf Reputationsfragen überprüfen. Sie sollten Bürger und Bürgerinitia-tiven stärker als „Innosumenten“ in das Produkt- und Dienstleistungsdesign integrieren.Dies kann beispielsweise bedeuten, Elterninitiativen beim Ausbau von Kindertagesbetreu-ungs- oder ältere Menschen im Bereich von Altenbetreuungsstätten früher einzubinden.ImÜbergang zur Projektwirtschaft bieten sich vor allem Chancen zur besseren Legitimati-on von öffentlichen Akteuren, indem diese ihre Verwaltungsprodukte und deren Qualitätdefinieren und die Bürger früh einbinden.

Dies bietet auch dieChance, öffentlicheDienstleistungen besser zu definieren undpreis-lich zu differenzieren. Ferner gibt es mehr Auswahlmöglichkeiten bei öffentlichen Dienst-leistungen, die stärker auf den Bürger zugeschnitten sind. Schließlich sind auch lokale undnationale Regierungen in Zukunft stärker darauf angewiesen, dass die Bürger mit demVerwaltungshandeln zufrieden sind bzw. zufriedener werden. Um in der ProjektwirtschaftBürgermöglichst gut zu informieren und zu aktivieren, sind kundenzentrierte, offenePlatt-formen ein neues Paradigma für die Gestaltung von Verwaltungsinfrastrukturen. Beispiele

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hierfür finden sich in Großbritannien, wo sich Hausbesitzer über ein Planungsportal ohneviel Aufwand darüber informieren können, was beimAusbau ihrer Häuser statthaft ist undwas nicht.4

Zur verstärkten Projektorganisation in der kommunalen Dienstleistungserstellung ge-hört auch die gemeinsame Definition integrierter Leistungsindikatoren von kommunalenAkteuren mit Stakeholdern, Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Gruppen. Denn inZeiten knapper Kassen und umstrittener Infrastrukturprojekte werden bessere Maßstäbefür die Verteilung und Steuerung von Aufgaben und Aktivitäten benötigt.

Allgemein gilt, dass Unternehmen und öffentliche Akteure durch die Projektwirtschaftvor allemdazuherausgefordertwerden, aufWeiterbildung unddie synchronisiert gestaltetePersonal- und Organisationsentwicklung zu setzen. Wenn Projekte glücken sollen, müs-sen Mitarbeiter zu Pionieren gemacht werden. Im Übergang zur Projektwirtschaft ist esdarüber hinaus wichtig, auch die Entwicklung der eigenen Organisation durch Zukunfts-prozesse und Projekte zu verfolgen. Beispielsweise hat das Unternehmen Evonik seit demJahr 2000 insgesamt neun Projekthäuser gestartet. Die Projekthäuser beschäftigen sich mitgrundlegenden, geschäftsbereichsübergreifenden Forschungsthemen. Für einen Zeitraumvon drei Jahren kommen Forscher aus den am Projekthaus beteiligten Geschäftsbereichenzusammen und arbeiten gemeinsam an den entsprechenden Forschungsthemen. Die Pro-jekthäuser werden zu 50 Prozent vom Konzern und zu 50 Prozent von den beteiligtenGeschäftsbereichen finanziert. Nach Ablauf der drei Jahre kehren die Forscher mit demgewonnenen Wissen in ihre Geschäftsbereiche zurück. Die in den Projekthäusern entwi-ckelten Produkte und Technologien werden in der Regel durch einen Geschäftsbereichvermarktet.5

Aber auch Herausforderungen müssen durch die Akteure der Projektwirtschaft bewäl-tigt werden. Zunächst bedarf es der Kenntnis über das Spektrum der Kooperationstypen:Während im universitären Bereich „communities of practice“ ein etabliertes Instrumentdes gegenseitigen Austauschs sind, tun sich Unternehmen noch schwer, ähnliche Forenzu etablieren. Unterschiedliche Konzepte bezüglich der Offenheit, der vertikalen und hori-zontalen Ausrichtung entlang der Wertschöpfungskette und ihres Formalisierungsgradeskönnen unterschieden werden. Wichtig ist vor allem der Blick über den Tellerrand: Krea-tive Ideen entstehen selten dadurch, dass Teilnehmer, die sich schon seit Jahren mit ähnli-chen Problemen beschäftigen, dies nun gemeinsam tun. Erst die Einbindung von Expertenverschiedener wissenschaftlicher Provenienz eröffnet den Weg für wirklich Neues.

Darüber hinaus ist die eigene Rolle zu definieren. Es muss entschieden werden, mitwelchen Partnern überhaupt kooperiert werden soll. Für einige Automobilhersteller istbeispielsweise derMotor ein Kernelement der Produktdifferenzierung, so dass Kooperatio-nen in diesem Bereich sehr schwierig sind. Allerdings zeigt die Kooperation vonMercedesund BMW bei der Entwicklung eines gemeinsamen Hybridantriebs für ihre Oberklas-sefahrzeuge, dass der Wettbewerbsdruck auch hier zu neuem Denken führt. In engem

4 http://www.planningportal.gov.uk5 www.creavis.com/sites/creavis/de/projekthaeuser/pages/default.aspx

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Zusammenhang mit der Frage nach dem „Mit wem?“ steht die Frage des „Wie?“. Projek-tanbahner, die die richtigen Partner zusammenbringen, oder hochspezialisierte Anbietereinzelner Dienstleistungen im Rahmen eines Projektes stecken das Rollenspektrum ab.Umfassende Kompetenzen im Bereich des Projektmanagements, der Finanzierung oderbezüglich rechtlicher Fragen können ebenfalls die Einnahme zentraler Rollen in der Pro-jektwirtschaft ermöglichen.

Schließlich gilt es, Innovationsprozesse für Kunden und Partner zu öffnen.Wenngleichdie Entstehung von innovativen Projekten häufig angebotsorientiert ist, werden souveräneKunden, die speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Produkte und Dienstleistungenverlangen, dazu führen, dass die Nachfrageseite im Innovationsprozess ein stärkeres Gehörfinden wird. Innovationsprozesse, an denen Kunden beteiligt sind, ermöglichen eine Kon-kretisierung von Bedürfnissen und Ansprüchen an das Produkt, die durch die bisherigenMethoden derMarktforschung nicht ermöglicht wird. Dabei geht es zum einen um die Ge-nerierung neuer Ideen und zum anderen um deren Realisierung. Das Projekt kann dabeidie Entwicklung inadäquater Lösungen vermeiden und eine enge Kundenbindung aufbau-en. Beispielsweise bietet der Sportartikelhersteller Nike eine Online-Plattform (Nike Talk)an, auf der sich User an Designwettbewerben beteiligen können.

Zu guter Letzt muss eigenes und fremdes Wissen bewertet werden. Wissen ist die Ko-operationswährung in der Projektwirtschaft. Um das eigene „Vermögen“ zu beziffern unddas Austauschverhältnis mit dem Wissen von Kooperationspartnern zu bestimmen, isteine strukturierte Wissensbewertung unabdingbar. Eine Wissensbilanz hilft, eigene Kom-petenzen, die in Projekte eingebracht werden können, klarer zu identifizieren. Auch blindeFlecken im eigenen Unternehmen, die zukünftiges Innovationspotenzial reduzieren, wer-den so entdeckt und können durch Neueinstellung, Aus- und Weiterbildung oder ebendurch Kooperationspartner behoben werden. Um in Projekten zu reüssieren und ein at-traktives Kooperationsrating vonProjektpartnern zu erhalten,müssen Projektwirtschaftlernicht nur über Expertenwissen in ihrem Fachgebiet verfügen, sondern auch über entspre-chende soziale Kompetenz.

Wenn Unternehmen diesen Herausforderungen gerecht werden, entstehen durch dieProjektwirtschaft viele Chancen. Es ist Zeit, diese zu nutzen.

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