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Stress
Tutorium: Medizinische PsychologieBettina BewernickWS 2003/04
Was ist Stress?
Stress ist eines der wichtigsten Schlagwörter unserer Zeit, es muß als Erklärung einer
Vielzahl von körperlichenund seelischen Zuständen herhalten.
Stresskonzepte
Physiologisch orientiert Psychologisch orientiert
Cannon (ca. 1930)
Selye (1950)
Holmes & Rahe (1964)
Lazarus (1970)
Grundmodell für Stress
Stressorenbiologisch
psychologischsozial
Stressreaktion
Störungpsychischsomatisch
psychosomatisch
Entwicklung und wissenschaftliche Definition des Stressbegriffs
Stressmodell von Lazarus
Lazarus (1974) ging davon aus, daß nicht die Charakteristika der Reize oder Situationen für die Stressreaktion von Bedeutung sind, sondern die individuelle kognitive Verarbeitung des Betroffenen.
Nach seinem Stressmodell wird jede neue oder unbekannte Situation in 2 Phasen kognitiv bewertet: Primary appraisal: Bewertung, ob die Situation eine Bedrohung enthält Secondery appraisal: Bewertung, ob die Situation mit den verfügbaren
Ressourcen bewältigt werden kann. Nur wenn die Ressourcen nicht ausreichend sind, wird eine
Streßreaktion ausgelöst
Stressmodell von Lazarus
Situation
Person
Wahrnehmung
Interpretation
Kann ich mit meinen Resourcen diesen Stressor bewältigen ?
Ja Nein
AdäquatesCoping Stress
Entwicklung und wissenschaftliche Definition des Stressbegriffs
Stressmodell von Lazarus
Arten von Stress
Eustress
Hypostress
Distress
Hyperstress
Stress
Stress und Leistung
Hypostress Eustress Distress / Hyperstress
Leis
tung
sfäh
igke
it
Arten von Stressoren Katastrophale Stressoren:
Tiefgreifende und langanhaltende Ereignisse die sich auf die gesamte Bevölkerung auswirken: Krieg Naturkatastrophen
Persönliche Stressoren (Live-Events) Belastende Ereignisse die viele Menschen zu irgend einem Zeitpunkt im Leben einmal
treffen Schwere Erkrankungen Todesfall, Geburt Verlust des Arbeitsplatzes
Hintergrund-Stressoren (daily hassles) Dauerhafte Umstände, die anhaltende Spannung erzeugen Für sich allein genommen nicht stark schädlich, aber durch die Dauerhaftigkeit besonders
gefährlich Soziale Spannungen Unzufriedenheit im Job Schulprobleme Stau auf dem Arbeitsweg
Entwicklung und wissenschaftliche Definition des Stressbegriffs
Homes & Rahe: Critical live events (1964)
Kritisches Lebensereignis tritt ein Dieses bringt Veränderungen im Leben mit sich Das wiederum erfordert Anpassung
(Anpassungsdruck = Stress) Große Menge an Stress erhöht das Erkrankungsrisiko
Ermittlung von Life-Change-Units verschiedener Ereignisse
Grenzwert 300 als hohes Risiko für eine Stressverursachte Erkrankung FOLIE!
Die Stressreaktion
Als Stressreaktion werden alle beobachtbaren behavioralen (verhaltens-) und physiologischen Veränderungen, sowie subjektive Berichte über Stress angesehen
Aktivierung von physiologischen Systemen: Autonomes Nervensystem (Sympathikus): bewirkt Anstieg der
Herzfrequenz, des Blutdrucks, erhöhte Aufmerksamkeit, Schwitzen, etc. (schnelle Reaktion -“first wave”)
Endokrine Reaktionen: Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (langsame Reaktion -“second wave ”)
Die Stresskrankheit
Stress als Notbetrieb ist lebensrettend Dauerstress macht krank Körper
Anspannung, Erschöpfung, Müdigkeit, Schmerzen, Magenbeschwerden, Infektanfälligkeit, Bluthochdruck, Herzinfarktrisiko, Schlafprobleme, Libidoverlust, Verlust der Fertilität, Zyklusstörungen
Gedanken Aufmerksamkeitsstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten,
Gedächtnisprobleme, Abnahme der Leistungsfähigkeit, Realitätsflucht, Alpträume
Gefühle Gereiztheit, Unzufriedenheit, Aggression, Nervosität, Unsicherheit,
Angst, Lustlosigkeit, Burn-Out, Depression
Wie begegnet man Stress / Copingstrategien Situation
Zeitmanagement Systematische Problemlösung Delegation Klärende Gespräche
Person Wissen über Copingstrategien aneignen Bewertungen verändern Belastbarkeit erhöhen durch z.B.:
Sport Gesunde Ernährung Entspannung Soziale Kontakte
Stressreaktion Deeskalation durch:
Spontanentspannung Positive Selbstinstruktionen Abreagieren
Stress als Ursache für Krankheiten (Psychosomatik)
Diathese – Stress – Modell
Es besteht eine biologische / genetische Veranlagung zur Entwicklung einer bestimmten Erkrankung, die allein aber nicht ausreicht um die Krankheit zum Ausbruch zu bringen
Stress verändert bestimmte biologische Parameter, so dass diese eine Schwelle überschreiten, die zur Ausprägung der Krankheit notwendig sind
Bsp. Koronare Herzerkrankung: Bluthochdruck als biologischer Risikofaktor Stress erhöht den Blutdruck Herzinfarkt
Bsp. Schizophrenie: Dopaminüberschuss führt zu psychotischen Symptomen Angeborene Überfunktion der Dopamin-Rezeptoren Stress Cortisolausschüttung NMDA-Suppression Dopamin-
Überproduktion Auftreten psychotischer Symptome
Klassische psychophysiologische Erkrankungen Psychische Stressoren stellen einen Haupterkrankungsgrund
dar Asthma Chronischer Kopfschmerz Hypertonie Koronare Herzerkrankungen !! Nicht mehr Magengeschwüre !! (Helicobacter pylori)
„Neue“ psychophysiologische Störungen Psychische Stressoren stellen eher einen Moderator für eine
physiologische Erkrankung dar Stress, vor allem Dauerstress, unterdrückt das Immunsystem Daher erhöhte Anfälligkeit für Viren- und Bakterieninfektionen Daher auch der früher immer angenommene Zusammenhang
zwischen Stress und Magengeschwür
Stressoren im Arztberuf Non-compliance, Nichtbefolgung ärztlicher Verordnungen Abbruch von Behandlungen durch Patienten Selbstentlassung aus dem Krankenhaus Anspruchsvolle, unfreundliche und undankbare Patienten Unangemessene Inanspruchnahme Aggressivität von Patienten Therapieresistenz und -versagen Infauste (trotz aller Bemühungen unheilbare) Krankheiten Unerwartete Rückschläge Patienten, die sterben Alltagsroutinen Inkompetenz von Kollegen, unkollegiales Verhalten
Einleitende Fragen: Anatomiekurs
Wer hat schon einmal eine Leiche im persönlichen Umfeld gesehen/berührt? Wer schon im beruflichen Zusammenhang? Gedanken, Empfindungen, die beim Wort "Leiche" spontan einfallen Was bedeuten Reaktionen wie: Ekel, Witze machen, Neugier, Angst, keine Gefühle
haben, Träume, ... ? Notieren, mit welcher Haltung Ihr der Leiche begegnen wollt
Anatomiekurs
Besonderheit des Anatomiekurses Präparieren von Leichen erfordert Auseinandersetzung mit Endlichkeit des Lebens/
Sterben
Fachlich notwendige Interesse am menschlichen Körper schützt nicht immer vor dem tiefen
existenziellen Schrecken über Krankheit und Tod
Keine früheren Erfahrungen bereiten uns auf die anatomische Zergliederung des
menschlichen Körpers vor
Es ist unumgänglich, daß wir bei der anatomischen Arbeit Tabus im Umgang mit
menschlichen Leichen verletzen
Das Präparieren zerstört den menschlichen Körper und bleibt, trotz der fachlichen
Notwendigkeit, eine aggressive Handlung
Reaktionen auf den Anatomiekurs
Untersuchungen aus der USA zeigen:
Angst (bei 75%) bis Horrorvorstellungen (bei 11 %)
Ekel bis Abscheu
Übelkeit, Appetitlosigkeit, Schlaflosigkeit, Alpträume
Aber auch bei 40% tieferes Nachdenken über das menschliche Leben
67% haben ihre Einstellung während des Kurses verändert und würden sich selbst nicht als
Spender zur Verfügung stellen
Andere:
Empfindungslosigkeit, Kaltschnäuzigkeit
Tiefe innere Berührung
Angst vor dem Tod
Mitgefühl
Ekel vor den Gerüchen
Abscheu vor der Zerstörung des Körpers
Reaktionen auf den Anatomiekurs II
Reaktionen Individuell
Unterschiedlich zu verschiedenen Zeitpunkten des Kurses
Bis in private Umgebung, Schlaf
Niemand bleibt ohne Einfluss
Zynismus/Coole Reaktion erfordert psychische Anstrengung, deren Ausmaß man nicht
direkt spürt
Verarbeitung wichtig
Anatomiekurs
Verarbeitung Reaktionen sind normal, haben nichts mit „kein guter Arzt sein“ zu tun
Es gibt keine falschen und richtigen Verarbeitungen (von extremen Reaktionen
abgesehen)
Charakteristika der Verarbeitung:
Neuigkeit der Erfahrung
Verletzung von Intimitätsgrenzen
Konfrontation mit der körperlichen Zerstörung
Konfrontation mit Todesängsten, aber auch Fragen der menschlichen Existenz
Mangelnde Selbstbestimmung , da Pflicht zur Teilnahme
Konfrontation mit Ekel und Abscheu
Hohe soziale Kontrolle durch Beobachtung durch Kommilitonen
Anatomiekurs- Copingstrategien
Reaktionen individuell, daher auch Strategien, gilt auch für andere belastende Situationen:
Gefühle nicht für sich behalten.
für die Verarbeitung und Gesundheit ungünstig ist, Zusammengehörigkeitsgefühl auch für spätere
klinische Arbeit günstig
Positiven Erfahrungen austauschen.
Teilen Sie Ihre Begeisterung, erzählen Sie von Ihrer Bewältigung, von Ihren Einsichten und Ihren
Erkenntnissen.
Kreative Möglichkeiten der emotionalen Verarbeitung nutzen
Nicht alle Empfindungen, Gefühle und Gedanken können sofort in den zwischenmenschlichen
Austausch gebracht werden (Tagebuch schreiben, Malen, Musizieren, Meditieren)
Keine Flucht in die Arbeit !
Ständiges Lernen kann zwar für die intellektuelle Verarbeitung des Stoffes gut sein, trägt aber zur
emotionellen Verarbeitung wenig bei. Im Gegenteil: für viele ist ihr unermüdlicher Arbeitseifer zum
Mechanismus der Verdrängung geworden.
Symptome einer akuten Belastungsstörung ernstnehmen!
Anatomiekurs / Copingstrategien Situation
Auf Situation vorbereiten(mit älteren Semestern sprechen, evtl. Tutorium initiieren, Abbildungen/Internet anschauen, Auseinandersetzung mit Tod, nicht nüchtern hingehen,.. )
Zeitmanagement (andere Stressoren ausschalten, frühzeitig lernen, Zeit für Nachdenken über Kurs nehmen)
Systematische Problemlösung (Situation analysieren: was macht mir Stress/Angst? Was kann ich ändern, was muss ich akzeptieren?)
Delegation (tja...)
Klärende Gespräche (Angst Dozenten/Kommilitonen mitteilen, Übelkeit o.ä. offen in Situation ansprechen,AUF KOMMILITONEN RÜCKSICHT NEHMEN!!)
Anatomiekurs / Copingstrategien II Person
Copingstrategien aneignen (Internet, Literatur, Freunde fragen, an diesem Seminar teilnehmen )
Bewertungen verändern (Anatomiekurs ist kein Horrorkurs, sondern wissenschaftl. Möglichkeit, Kenntnisse als Mediziner zu erweitern, Bestandteil der Ausbildung, Menschen haben sich freiwillig zur Verfügung gestellt, praktischer Anteil an Studium, darf auch Spass machen!!! Möglichkeit, sich mit Tod auseinanderzusetzen)
Belastbarkeit erhöhen(Sport, gesunde Ernährung, Entspannung , soziale Kontakte)
Stressreaktion (Deeskalation) Spontanentspannung
(Entspannung vor/nach Anatomiekurs, Sport, nicht permanent auf Stressymptome warten....)
Positive Selbstinstruktionen (Bsp.“Mich interessiert der wissenschaftlichen Aspekt, das ist erst die erste Stunde, in den nächsten wird es mir leichter fallen..“)
Abreagieren (Sport, Gespräche mit Freunden, Schreiben...)
Posttraumatische Belastungsstörung (DSM-IV)Intrusionen z.B. Albträume
Immer wieder sich aufdrängende, traumabezogene Vorstellungen/Emotionen
Eine allgemeine physiologische Reagibilität bei Erinnerungen an das Trauma
Vermeidungsverhalten, z.B. Vermeidung trauma-bezogener Gefühle/Erinnerungen
"Vergessen" (psychogene Amnesie)
"emotionale Betäubung"
Absonderung, Entfremdung, sozialer Rückzug
Hyperarousal, z.B. Übermässige Erregtheit
Konzentrationsstörungen
Allgemeine Reizbarkeit, Wutausbrüche
Vermehrte Wachsamkeit (Vigilanz)
Schreckreaktionen