10
Unterrichtskonzept von V. Böttger, T. M. Lesch, S. Müller und S. Nekola Projekt: Studenten machen Schule – deutsche Kulturgeschichte im östlichen Europa Grenzerfahrungen und steinerne Zeugen in Guben/Gubin, der einstigen Perle der Niederlausitz, der größten Hutfa- brikation Europas, der Wilhelm-Pieck- Stadt Guben und Europastadt im Auf- bruch Das nachfolgende Unterrichtskonzept wurde von den oben aufgeführten Autoren entwickelt und im Gym- nasium Stift Neuzelle (Brandenburg) vom 28.2.2011 bis zum 2.3.2011 mit 20 Schülerinnen und Schülern der 9., 10. sowie 11. Jahrgangsstufe umgesetzt. Projektidee Dem Konzept liegt die Idee zugrunde, an das lokale Umfeld von S. anzuknüpfen, die in der unmittelba- ren Nähe der deutsch-polnischen Grenze aufwach- sen. Das Beispiel der Stadt Guben/Gubin, die nach ihrer Trennung durch eine Staatsgrenze in zwei Teile so- wohl Phasen einer stärker als auch einer schwächer werdenden Abschottung voneinander erlebte, soll den S. dazu dienen, die Geschichte der sich verän- dernden Beziehung zwischen Deutschland und Polen im 20. Jahrhundert zu verstehen und ihre ei- genen Erfahrungen in einer Grenzregion historisch einzuordnen. Relevanz Das Thema ist für die S. interessant, weil sie in ihrem Alltag selbst mit Grenzerfahrungen befasst sind, diese jedoch kaum in der Schule reflektiert wer- den. Zudem ist es für sie anschaulicher, wenn sie am Beispiel bestimmter Orte die Entwicklung der (geteilten) Stadt nachvollziehen können. Denn die ehemals durch eine nur schwer passierbare Staats- grenze geteilte Stadt Guben eignet sich perfekt dazu, die Entwicklung der Grenze und deren Wir- kung auf die Bewohner auf verschiedenen Ebenen nachzuvollziehen, da einerseits noch viele »steiner- ne Zeugen« etwa in Form von Brücken, stillgelegten Industriebauten oder ehemaligen Erholungsorten daran erinnern. Andererseits lebt Gubens Geschich- te auch in den von Grenzerfahrungen geprägten Le- bensgeschichten der Menschen fort, was es beson- ders spannend macht, allgemeines Wissen über die deutsch-polnische Geschichte mit deren persönli- chen Erzählungen zu vergleichen. So haben die S. die Möglichkeit, mit Zeitzeugen zu sprechen, die die historischen Einschnitte in der Stadtgeschichte mit- erlebt haben. Methode und Produkt Das Konzept kombiniert deshalb eine Exkursion mit fotografischer Spurensuche nach den »steinernen Zeugen« mit Oral History, d. h. der Begegnung mit Zeitzeugen sowie Kurzinterviews mit Bewohnern der Städte Guben und Gubin. Die S. sollen ihren in der Einführung erworbenen historischen Überblick über die verschiedenen Phasen der Stadtentwick- lung vor Ort anhand der physischen Spuren nach- verfolgen. Dabei ist es wichtig, die Selbstständigkeit der S. zu fördern und sie zum Nachdenken anzuregen. In Kleingruppen arbeitend sollen die S. lernen, eigen- ständig Entscheidungen zu treffen und verschiede- ne Ansichten der einzelnen Gruppenmitglieder zu einem Gruppenergebnis zusammenzutragen. Das Produkt soll eine Dokumentation der verschie- denen Zugänge in Form einer Ausstellung sein. Weil sowohl die fotografische Spurensuche als auch die Arbeit mit Zeitzeugen zentrale Inhalte des Kon- zeptes sind, werden im Folgenden zwei Handlungs- vorlagen vorgestellt, die sowohl miteinander kom- biniert, als auch getrennt funktionieren. Abkürzungen S. = Schülerinnen und Schülern P. = Beteiligte im Projektteam

Studenten machen Schule - Unterrichtskonzept Gubin

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Grenzerfahrungen und steinerne Zeugen in Guben/Gubin, der einstigen Perle der Niederlausitz, der größten Hutfabrikation Europas, der Wilhelm-Pieck-Stadt Guben und Europastadt im Aufbruch. Das nachfolgende Unterrichtskonzept wurde von den oben aufgeführten Autoren entwickelt und im Gymnasium Stift Neuzelle (Brandenburg) vom 28.2.2011 bis zum 2.3.2011 mit 20 Schülerinnen und Schülern der 9., 10. sowie 11. Jahrgangsstufe umgesetzt.

Citation preview

Unterrichtskonzept

von V. Böttger, T. M. Lesch, S. Müller und S. Nekola

Projekt: Studenten machen Schule – deutsche Kulturgeschichte im östlichen Europa

Grenzerfahrungen und steinerne Zeugen in Guben/Gubin, der einstigen Perle der Niederlausitz, der größten Hutfa-brikation Europas, der Wilhelm-Pieck-Stadt Guben und Europastadt im Auf-bruch

Das nachfolgende Unterrichtskonzept wurde von den oben aufgeführten Autoren entwickelt und im Gym-nasium Stift Neuzelle (Brandenburg) vom 28.2.2011 bis zum 2.3.2011 mit 20 Schülerinnen und Schülern der 9., 10. sowie 11. Jahrgangsstufe umgesetzt.

Projektidee

Dem Konzept liegt die Idee zugrunde, an das lokale Umfeld von S. anzuknüpfen, die in der unmittelba-ren Nähe der deutsch-polnischen Grenze aufwach-sen.Das Beispiel der Stadt Guben/Gubin, die nach ihrer Trennung durch eine Staatsgrenze in zwei Teile so-wohl Phasen einer stärker als auch einer schwächer werdenden Abschottung voneinander erlebte, soll den S. dazu dienen, die Geschichte der sich verän-dernden Beziehung zwischen Deutschland und Polen im 20. Jahrhundert zu verstehen und ihre ei-genen Erfahrungen in einer Grenzregion historisch einzuordnen.

Relevanz

Das Thema ist für die S. interessant, weil sie in ihrem Alltag selbst mit Grenzerfahrungen befasst sind, diese jedoch kaum in der Schule reflektiert wer-den. Zudem ist es für sie anschaulicher, wenn sie am Beispiel bestimmter Orte die Entwicklung der (geteilten) Stadt nachvollziehen können. Denn die ehemals durch eine nur schwer passierbare Staats-grenze geteilte Stadt Guben eignet sich perfekt dazu, die Entwicklung der Grenze und deren Wir-kung auf die Bewohner auf verschiedenen Ebenen nachzuvollziehen, da einerseits noch viele »steiner-ne Zeugen« etwa in Form von Brücken, stillgelegten Industriebauten oder ehemaligen Erholungsorten daran erinnern. Andererseits lebt Gubens Geschich-te auch in den von Grenzerfahrungen geprägten Le-

bensgeschichten der Menschen fort, was es beson-ders spannend macht, allgemeines Wissen über die deutsch-polnische Geschichte mit deren persönli-chen Erzählungen zu vergleichen. So haben die S. die Möglichkeit, mit Zeitzeugen zu sprechen, die die historischen Einschnitte in der Stadtgeschichte mit-erlebt haben.

Methode und Produkt

Das Konzept kombiniert deshalb eine Exkursion mit fotografischer Spurensuche nach den »steinernen Zeugen« mit Oral History, d. h. der Begegnung mit Zeitzeugen sowie Kurzinterviews mit Bewohnern der Städte Guben und Gubin. Die S. sollen ihren in der Einführung erworbenen historischen Überblick über die verschiedenen Phasen der Stadtentwick-lung vor Ort anhand der physischen Spuren nach-verfolgen. Dabei ist es wichtig, die Selbstständigkeit der S. zu fördern und sie zum Nachdenken anzuregen. In Kleingruppen arbeitend sollen die S. lernen, eigen-ständig Entscheidungen zu treffen und verschiede-ne Ansichten der einzelnen Gruppenmitglieder zu einem Gruppenergebnis zusammenzutragen.Das Produkt soll eine Dokumentation der verschie-denen Zugänge in Form einer Ausstellung sein.Weil sowohl die fotografische Spurensuche als auch die Arbeit mit Zeitzeugen zentrale Inhalte des Kon-zeptes sind, werden im Folgenden zwei Handlungs-vorlagen vorgestellt, die sowohl miteinander kom-biniert, als auch getrennt funktionieren.

Abkürzungen

S. = Schülerinnen und SchülernP. = Beteiligte im Projektteam

Unterrichtskonzept

von V. Böttger, T. M. Lesch, S. Müller und S. Nekola

Projekt: Studenten machen Schule – deutsche Kulturgeschichte im östlichen Europa

Verlauf in Phasen

a) Unterrichtskonzept: Spurensuche vor Ort

1.Tag

2.Tag

Phase Inhalte Feinziele MethodeEinführung (30min) Assoziationen zu Guben,

Gruppierung verschiedener Themen/Aspekte (Großgrup-pe)

gegenseitiges Kennenlernen der S., Annäherung an die The-matik und ihre verschiedenen Aspekte

Mindmap

Vorbereitung der histo-rischen Spuren-suche im Stadtraum (1h 45min)

Feststellung von Verände-rungen des Stadtnetzes in verschiedenen historischen Epochen anhand von Stadt-plänen

Rekapitulierung und Vermitt-lung von Wissen in Form eines Wettbewerbs; Erschließen von Indikatoren des Zeitgeistes am Beispiel der Veränderung von Straßennamen; Anregung, sich in das Alltagsleben der Men-schen zu den verschiedenen Phasen einzufühlen in Form einer kurzen Erzählung

Stadtpläne, Schreiben einer fiktiven Geschichte über die Grenzproblematik, Quiz, Stadtpläne ohne Jahreszahlen in die richtige Reihenfolge bringen mit Zusatzaufgaben pro Gruppe zu je einer der 5 geschichtlichen Phasen (4-5 Personen pro Gruppe)

Phase Inhalte Feinziele MethodeSpurensuche (1h 30min) Aufsuchen verschiedener

Orte und Denkmäler mit Hilfe historischer Fotos und alter Stadtpläne; Neuauf-nahme mit dem Fotoapparat (selbstständige Arbeit der S. in Dreiergruppen)

auf historischen Spuren die Stadt (neu) kennenlernen, einmal auf die andere Seite der Grenze gehen, Stadt als ein ehemaliges Ganzes erken-nen, Kontrast früher/heute in bildlicher Form begreifen

Fotos alt/neu (die neuen Fotos werden von den S. geschossen)

Recherche (1h 30min) Informationen zu den gege-benen Orten in der Bibliothek sammeln (Dreiergruppen)

sich innerhalb von kurzer Zeit einen Überblick verschaffen und die wichtigsten Informa-tionen zusammentragen

Textbearbeitung, selbst-ständige Recherche der verschiedenen Orte und ihrer Bedeutung im Inter-net, hauptsächlich auf Basis von den zuvor durch die S. bearbeiteten vorgegebenen Texten

Befragungen (1h 30min) Geschichten und Meinungen zu den gegebenen Orten sammeln (Dreiergruppen)

Kontakt zu Bewohnern v.a. von Gubin herstellen, evtl. Sprachassymmetrie (Verstän-digungsprobleme) erfahren; Möglichkeit, persönliche Assoziationen und Ereignisse den Orten zuordnen

Kurzinterviews strukturiert durch Beispielfragen

Unterrichtskonzept

von V. Böttger, T. M. Lesch, S. Müller und S. Nekola

Projekt: Studenten machen Schule – deutsche Kulturgeschichte im östlichen Europa

3.Tag

Phase Inhalte Feinziele Methode Auswertung der Gruppenar-beiten (45min)

Bericht der einzelnen Gruppen über ihre Ausarbei-tungen, Möglichkeit Fragen und Unklarheiten zu klären, Gegenüberstellung von histo-rischen Fakten und erzählter Geschichte

einzelne Ereignisse/Orte in dt.-poln. bzw. geschichtlichen Kontext einordnen

offenes Gruppengespräch

Feedback der Gruppen (45min)

Feedback: Kritik und Verbes-serungsvorschläge durch die S.

Reflektion der vergangenen Tage

Stuhlkreis

Fertigung der Ausstellung und Präsentation der Ergeb-nisse (3h)

Fertigung von 2 Plakaten, eines mit einer blinden Karte von Guben/Gubin und den Orten, mit denen sich die S. beschäftigt haben

Erlerntes kreativ darstellen Plakate für eine Ausstellung, vorgegeben ist ein Grundriss von Guben/Gubin, darauf markieren die S. mit Reiszwe-cken oder Magneten, je nach Stelltafel, ihre Orte, verbinden sie mit den alten/neuen Fotos und ihren erstellten Texten, Tabellen, Zitaten und anderen Materialien

Unterrichtskonzept

von V. Böttger, T. M. Lesch, S. Müller und S. Nekola

Projekt: Studenten machen Schule – deutsche Kulturgeschichte im östlichen Europa

b) Unterrichtskonzept: Grenzstädte und ihre Bewohner (Zeitzeugen)

1.Tag

Phase Inhalte Feinziele MethodeEinführung (45min) Vorstellung der Gruppen-

mitglieder untereinander, Vorstellung des weiteren Ablaufs der Projekttage und der Lernziele, Einführung in die Grenzthematik mit dem Schwerpunkt »(Alltags-) Le-ben in einer Grenzstadt«

gegenseitiges Kennenlernen, Formulierung der Lern- und Arbeitsziele, Hinführung zum Thema

Kennenlernspiel, Folien mit Ablauf und Lernzielen, Ar-beitsblätter mit kurzen Texten und Kreativaufgaben

Grundlagenvermittlung (25min)

Einführung in die Methode des Interviews

Kennenlernen der Interview-Methode, versch. Arten des Fragens und des Vorgehens bei der Interview-Durchfüh-rung

Hinführungstext zu versch. Fragearten und zur Interview-durchführung

Erarbeitungsphase (50min) Erarbeitung von Interview-fragen für zwei ausgewählte Zeitzeugen, die die Grenzöff-nung und -schließung miter-lebt haben, durch die S.

Eigenreflektion der S.: Was interessiert mich an dem Thema? Welche Antworten erwarte ich von den Zeitzeu-gen?

Gruppenarbeit

Erarbeitungsphase II (45min) Fertigstellen der Fragen für die anschließenden Inter-views, gegenseitige Vorstel-lung der erarbeiteten Fragen

Ergänzungen, Ordnen der Fragen

Präsentation durch die S.

2.Tag

Phase Inhalte Feinziele MethodeDurchführungsphase (1h pro Interview)

Durchführung der zwei Inter-views durch die S. zu einem vereinbarten Termin in der Gubener Stadtbibliothek

Sammeln von Erfahrungen im Umgang mit Zeitzeugen

Interview-Durchführung allein durch S.,Notizen machen

Auswertungsphase (30min) Interviewauswertung Reflexion des Gehörten Arbeitsblatt, mdl. Ergänzun-gen

Erarbeitungsphase III (45min) Bearbeitung des Themas »Grenzstädte – Chancen und Probleme«

Herausstellen von positiven und negativen Aspekten von Grenzstädten u. a. aus den Interviews, Erarbeitung von Lösungsansätzen zu den Pro-blemen einer Grenzstadt

Gruppenarbeit, Präsentation

Unterrichtskonzept

von V. Böttger, T. M. Lesch, S. Müller und S. Nekola

Projekt: Studenten machen Schule – deutsche Kulturgeschichte im östlichen Europa

3.Tag

Erfahrungsbericht:

Unsere Konzepte führten wir an drei Tagen im Februar und März in dem Gymnasium im Stift Neuzelle durch. Die Schüler können dort nicht nur Englisch und Französisch als Fremdsprache erlernen, sondern auch Polnisch.

Wie wir an den Reaktionen der Schüler erken-nen konnten, hat ihnen das Projekt genauso viel Freude bereitet wie uns. Nichtsdestotrotz sind uns bestimmte Dinge aufgefallen, auf die bei der Planung und Umsetzung der Konzepte beson-ders geachtet werden sollte.

Das Projekt sollte unbedingt im Sommer stattfin-den, weil der Erfolg des zweiten Tages, an wel-chem sich die S. draußen aufhalten, stark an eine milde Witterung gebunden ist.

Bei der Einteilung der Gruppen sollte darauf geachtet werden, dass die Gruppen weitestge-hend geschlechtlich gemischt sind. Das kann beispielsweise mit Losen erreicht werden. So wird das Risiko gemindert, dass sich innerhalb der Gruppe kleine »Cliquen« bilden. Dennoch ist uns aufgefallen, dass sich die Grüppchenbildung nicht vollständig vermeiden lässt, insbesondere wenn man mit S. verschiedener Klassen und so-mit auch Altersstufen arbeitet.

Desweiteren sollte darauf geachtet werden, dass in der Schule genügend passende Räumlichkei-ten zur Verfügung stehen. Orte wie Kantinen,

Schulhöfe, etc. enthalten zu viele Ablenkungs-möglichkeiten, wie wir festgestellt haben.

Im Hinblick auf die Geeignetheit des Konzeptes für die verschiedenen Lerntypen (auditiv, moto-risch, visuell und kommunikativ) gibt es keine Einschränkungen, weil wir uns bei der Zusam-menstellung der Unterrichtseinheiten darum be-müht haben, alle Elemente, die für die diversen Lerntypen von Bedeutung sind, zu verarbeiten. Dies ist uns auch positiv bei der Umsetzung auf-gefallen.

Besonders bei der Arbeit mit S. unterschiedlicher Klassenstufen, wie es bei uns der Fall war, ist es wichtig, die unterschiedlichen Lesegeschwin-digkeiten zu berücksichtigen und sich ggf. vorab »Beschäftigungsaufgaben« für die S. zu über-legen, die schneller lesen können. Außerdem sollte beachtet werden, dass Texte schülerge-recht sind und nicht zu viele Details enthalten. Da es manchen S. schwer fällt, die wesentlichen von den eher peripheren Informationen zu un-terscheiden, ist es sinnvoll, auf spezifische Texte zurückzugreifen oder bestehende Texte umzu-formulieren. Zu lange Texte eignen sich eben-falls nicht gut, weil die Konzentration der S. ab der zweiten Seite stark nachlässt. Daher sollten die jeweiligen Texte diesen Umfang nicht we-sentlich überschreiten. Desweiteren sollten Tex-te nur an Stellen verwendet werden, an denen

Phase Inhalte Feinziele Methode

Phase der kreativen Umset-zung (2h)

Erarbeitung einer kreativen Präsentation der Probleme und Lösungen in Grenzstäd-ten sowie einem Früher-Heute-Vergleich der Lebens-situation von Jugendlichen mit Hilfe der Zeitzeugenin-terviews

selbstständig kreativ werden, das Erarbeitete abstrahieren

Gruppenarbeit

Feedback (45min) Feedback an den Lehrenden Reflexion der vergangenen Tage

Arbeitsblätter und verbales Feedback

Unterrichtskonzept

von V. Böttger, T. M. Lesch, S. Müller und S. Nekola

Projekt: Studenten machen Schule – deutsche Kulturgeschichte im östlichen Europa

sie unumgänglich sind. Besonders gute Erfah-rungen haben wir mit Kreativaufgaben gemacht (z. B. Konzept a): Spurensuche, Konzept b): Ein-führung), mit denen wir mehr erreicht haben als ein Text allein hätte leisten können. Diese Auf-gaben führten häufig zu erwünschten Diskussi-onen. Während einer solchen Diskussion sollte der Lehrende sich auf die Rolle des Diskussions-leiters beschränken und die S. unterstützen, das Argumentieren zu erlernen/üben. Außerdem wird so vermieden, dass die S. zu sehr auf die Äu-ßerungen des Lehrenden fixiert sind.

Die Aufgabenstellungen sollten präzise formu-liert sein. Es ist uns mehrmals aufgefallen, dass unsere Aufgabenbeschreibungen für die S. zu ungenau waren. Vor allem bei der Fantasieaufga-be, bei der die S. eine kurze Geschichte schreiben sollten, war ihnen nicht klar, dass es bei dieser Aufgabe um kreatives Schreiben ging. Deshalb haben sie die Frage in einem Satz beantwortet. Daher mussten wir die Aufgabenstellung an vie-len Stellen mündlich präzisieren.

Bei der Aufgabe zu den Stadtplänen würde es sich anbieten, eine kurze Übersicht zu erstellen, auf der die wichtigsten Ereignisse der deutsch-polnischen Beziehungen und ihres Einflusses auf die Grenze vermerkt sind, weil die S. in unserem Fall ein stark unterschiedliches Vorwissen hat-ten. Eine solche Übersicht könnte beispielsweise mit Hilfe eines Tafelbildes erfolgen, auf dem fünf Phasen mit Zeitabschnitten und den jeweils zwei wichtigsten Ereignissen sowie eine verbildlich-te Charakterisierung der Grenze (geschlossen, durchlässig, nicht vorhanden) dargestellt sind. Das Tafelbild könnte erstellt werden, nachdem die Stadtpläne von den S. in die chronologisch richtige Reihenfolge gebracht wurden.

Bei der Spurensuche vor Ort ist uns aufgefallen, dass weniger motivierte Gruppen dazu neigen, die Zeit zu nutzen, um in gastronomische Ein-richtungen einzukehren und anschließend mit dem Hinweis »wir haben das Gebäude nicht gefunden« Fotos von irgendwelchen Häusern abzugeben. Deshalb ist es ratsam, viele unter-

schiedliche aufeinander aufbauende Aufgaben einzuplanen. Daher haben wir den S. verschiede-ne Aufgaben gegeben, bei denen sie Informati-onen besorgen mussten (im Stadtarchiv, in der Touristeninformation etc.). An dem Ort, an dem sie die Informationen bekommen haben, haben sie dann den nächsten Hinweis und einen Ge-genstand erhalten, der ihnen später dabei half, eine Schatztruhe voller Süßigkeiten zu öffnen. Dies motivierte die Schüler/innen zusätzlich.

Eine Schatzsuche in Form einer Schnitzeljagd (an einer Station gibt es die Information, die zur nächsten Station führt) erfordert zwar Einiges an Vorbereitung, wie beispielsweise das Knüp-fen von Kontakten und die Zusammenarbeit mit mehreren Partnern vor Ort, bietet aber eine wun-derbare Gelegenheit, die S. spielerisch zu moti-vieren. Bei der Planung des Arbeitsaufwandes sollte außerdem bedacht werden, dass es für die Konzipierung der Spurensuche unerlässlich ist, mehrere Ansprechpartner vor Ort zu haben um an Informationen, Bildmaterial etc. zu gelangen. Die Zusammenarbeit mit den Gubener Instituti-onen (unter dem Punkt »Kontakte« aufgeführt) verlief sehr positiv.

Bei der Durchführung von Kurzinterviews/Befra-gungen sollte bedacht werden, dass sie gut vor-bereitet werden müssen. Wir haben etwas zu we-nig Zeit dafür eingeplant, sodass die Ausführung nicht wie gewünscht erfolgte. Desweiteren müs-sen die S. bei der Ausführung umfassend betreut werden, weil bei einigen von ihnen die Hemm-schwelle, fremde Menschen anzusprechen, sehr hoch ist. Zudem wäre ein Diktiergerät sinnvoll gewesen, weil einerseits der Umgang damit vor allem für die S. professioneller wirkt und es ande-rerseits damit einfacher ist, das Gesprochene zu rekapitulieren.

Bei der Arbeit mit Zeitzeugen sollte ein Vor-gespräch mit ihnen stattfinden. Darin sollte überprüft werden, ob die Zeitzeugen bereits Interviews durchgeführt haben und falls nicht, sollten Hinweise gegeben werden. Auch ist zu überprüfen, ob es bestimmte Themen gibt, über

Unterrichtskonzept

von V. Böttger, T. M. Lesch, S. Müller und S. Nekola

Projekt: Studenten machen Schule – deutsche Kulturgeschichte im östlichen Europa

die die Person gar nicht sprechen möchte. Vor, bei und nach dem Interview sollte Verpflegung für die Zeitzeugen bereitstehen. Auch über ein kleines Geschenk freut sich die befragte Person sehr (z. B. Pralinen). Wenn eine Institution bei der Vermittlung der Zeitzeugen geholfen hat, sollte auch sie beim Dank nicht vergessen werden.

Wir haben Interviews mit zwei Zeitzeugen aus Gu-ben darüber geführt, wie sie die Grenzöffnung/-schließung erlebt und welche Folgen sich daraus für ihr (Alltags-)Leben ergeben haben. Die In-terviewpartner wurden uns durch den Gubener Heimatbund e. V. vermittelt.

Im Hinblick auf die Ausstellungsvorbereitung sollte man bereits am zweiten Tag darauf hinar-beiten, dass die Texte und andere Materialien zu den einzelnen Plakaten feststehen. So bleibt am dritten Tag mehr Zeit für die Auswertung.

Für die Auswertung sowohl einzelner Phasen als auch der gesamten Tage sollte unbedingt ausrei-chend Zeit eingeplant werden. Auch sollte auf eine Methode zurückgegriffen werden, die es den S. erleichtert, komplexe Zusammenhänge strukturiert zu ordnen und eventuell bildlich dar-zustellen. Wir haben die Methode der Reflexion in einem offenen Gespräch gewählt, bei der sich allerdings herausstellte, dass sie ungünstig war. So passierte es, dass die S. einem Ausstellungsteil den Titel »Guben als Grenzstadt« geben wollen, obwohl in den letzten drei Tagen betont wurde, dass Guben und Gubin, ebenso wie Deutschland und Polen, eine gemeinsame Geschichte haben, die grenzübergreifend ist. Vermutlich haben wir den S. den Zusammenhang zwischen der Ge-schichte verschiedener Orte und dem Grenzver-lauf nicht ausreichend verdeutlicht. Um dem ent-gegenzuwirken, könnte man beispielsweise die gesammelten Bilder, Anekdoten und Materialien den eingangs verwendeten Stadtplänen zuord-

nen, um so die verschiedenen Zeitabschnitte sowie wichtige Ereignisse zu besprechen und sie anschließend um die gewonnenen Erkenntnisse zu ergänzen.

Im Hinblick auf den zeitlichen Rahmen, sollten mindestens vier Tage zur Verfügung stehen. Wir haben festgestellt, dass der erste Schultag für das Kennenlernen und die Einführung in das Thema zwar gut bemessen war, jedoch der zwei-te Tag allein für die Anwendung des Gelernten sehr knapp war. Deutlich zu wenig Zeit blieb uns auch am dritten Tag für die Sichtung und Auswertung der Ergebnisse sowie das Erstellen und die Durchführung der Präsentation. Deshalb blieb auch kaum Zeit für das Feedback an uns.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Umsetzung unserer Konzepte ein Erfolg war, sowohl für die S., insofern wir das beurteilen können, als auch für uns. Obwohl nicht alles wie geplant verlaufen ist, haben wir unsere Ziele bei den S. größtenteils erreicht.

Unterrichtskonzept

von V. Böttger, T. M. Lesch, S. Müller und S. Nekola

Projekt: Studenten machen Schule – deutsche Kulturgeschichte im östlichen Europa

Schülerarbeiten/Produkte:

mehrere Plakate mit Fotos und kleinen Texten, ein Memory-Spiel

Benötigte Materialien: Plakate, Stifte, Leim, Schere, schülergerechte Texte und Arbeitsblätter (siehe angefügte Ma-terialien), Folien, Anleitung für das Erarbeiten von Interviewfragen und die Durchführung von Interviews mit Zeitzeugenbei Exkursionen: technische Infos zur Vorbereitung für den Exkursionsleiter (für Ortsfremde sehr wichtig!), unbekannten Ort vorher einmal besuchen, Insti-tutionen vor Ort (z. B. Vereine, NGO’s, etc. » unbedingt vorher einmal treffen)

Konzept a):

Stadtpläne: Aufgabe Beispiel 1 – Thema offene Grenze zwi-schen 1972-1980Aufgabe Beispiel 2 – Thema Grenz- und Bevöl-kerungsstrukturveränderung nach dem 2. Welt-krieg

Zum Vergleich haben wir Stadtpläne/Stadtkar-ten aus unterschiedlichen Quellen und Zeiten/(Epochen) (1900, 1927, 1939, 1984 und 2008) genutzt.

1900 Stadtübersichtsplan in: Gander, Karl: Führer durch Guben und Umgebung, Guben, 1900 [Besitznachweis: Staatsbibliothek Berlin, Sig.: Td 6273]1927 Historischer Gubener Stadtplan von 1927 (Reprint). Vierfarbig, Größe: 70 x 76 cm; Maßstab: 1:10.000, ISBN: 3-935881-22-31939 Verkehrsplan der Stadt Guben 1939 (Reprint). Mehrfarbig, Maßstab 1:10.000; Größe 75 x 57 cm, ISBN: 978-3-9358815001984 Topographische Karte 1:10.000, DDR: herausgegeben vom Ministerium für Nationale Verteidigung, Militärtopographischer Dienst, M-33-6-A-b-4: DDR Bezirk Cottbus, VR POLEN

Wojew zielonogórskie, Landesvermessungsamt, Ausgabe 1985 – Stand 1983, Potdam, 1985 [Be-sitznachweis: Staatsbibliothek Berlin, Sig.: Kart. 29620-M,33,6,A,b,4<1985>]2008 Touristenkarte des Marketing und Tou-rismus Guben e.V., Guben, 2008 [kostenlos beim Verein]

Spurensuche:Beispiel 1: Religiöses Leben in Guben – Stadt- und Hauptkirche sowie SynagogeSchatzkarte (Wegbeschreibung auf altem Stadt-plan)Umschlag mit Rechercheaufgaben (Stadt- und Hauptkirche sowie Synagoge auffinden, neu fotografieren und recherchieren)Text zur Recherche 1 (aus Broschüre »Juden in Guben« herausgegeben vom Stadt- und Industriemuseum)Text zur Recherche 2 (Online-Artikel zum Auf-bau der Stadt- und Hauptkirche von Andreas Peters)Befragungsaufgaben (Fragen die mit Hilfe der Interwiews geklärt werden sollen)Befragung (Beispiel einer von S. durchgeführten Befragung)Beispiel 2: Stadt als Perle der NiederlausitzUmschlag mit Rechercheaufgaben (Arbeitsauf-träge und Leitfragen)

Konzept b):

Arbeitsblatt zur Einführung: Text mit Kreativauf-gabe zur Geschichte der GrenzeText zur Grundlagenvermittlung InterviewArbeitsblatt zur InterviewauswertungArbeitsblatt mit FeedbackregelnFeedbackbogen zum Ausfüllen

Einführende bzw. weiterführende Literatur/Links:Asmuss, Burkhard u.a.: Deutsche und Polen, Abgründe und Hoffnungen. Dresden: Sandstein Verlag, 2009.Becher, Ursula u.a. (Hg.): Deutschland und Polen

Unterrichtskonzept

von V. Böttger, T. M. Lesch, S. Müller und S. Nekola

Projekt: Studenten machen Schule – deutsche Kulturgeschichte im östlichen Europa

im zwanzigsten Jahrhundert, Analysen –Quel-len – didaktische Hinweise. Hannover: Verlag Hahnsche Buchhandlung, 2001.Hartmann, Kinga (Hg.): Geschichte verstehen – Zukunft gestalten, Ausgewählte Aspekte der deutsch-polnischen Beziehungen in den Jahren 1933–1949. Dresden/Wrocław: Neisse Verlag, 2009.Jajesniak-Quast, Dagmara / Stoklosa, Katarzyna: Geteilte Städte an Oder und Neiße,Frankfurt (Oder)–Slubice, Guben–Gubin und Görlitz–Zgorzelec 1945–1995. Berlin: Berlin Verlag, 2000.Lausitzer Heimatzeitung: Damals war’s. In: http://www.cga-verlag.de/Damals_wars/ damals.php?name=damals_2011_06.php.Metaversa e.V.: Ein Leitfaden zur Durchführung von Interviews mit ZeitzeugInnen. In: www.zeitzeugengeschichte.de/pdf/EG-Leitfa-den.pdf (letzter Zugriff: 15.02.2011).Stokłosa, Katarzyna: Grenzstädte in Ostmittel-europa, Guben und Gubin 1945 bis 1995. Berlin: BWV Berliner Wissenschaftsverlag, 2003.Unterstützung bei der Planung und Durchfüh-rung von Interviews mit Zeitzeugenz. B. http://www.buendnis-toleranz.de/cms/bei-trag/10028150/425760/ (letzter Zugriff: 15.02.2011) oder » Institutionen vor Ort Verschiedene Broschüren, z.B. »Juden in Guben« und »Guben Lexikon« (erhältlich in der Touris-teninformation bzw. beim Stadt- und Industrie-museum)

Kontakte vor Ort:

Stadtarchiv Frau RichterGasstraße 403172 [email protected] » eine Menge alter Fotos und Expertise, Frau Richter ist sehr hilfsbereit und erfahren im Um-gang mit Schülerprojekten

Stadtbibliothek Gasstraße 603172 Guben

» alle Ausgaben des Heimatkalenders, weitere Literatur über Guben und Umgebung

» gute Arbeitsatmosphäre für die Projekttage » Konferenzräume

Tourist-InformationFrankfurter Straße 21 03172 Guben » freundlich und hilfsbereit, haben auch Material (Stadtpläne u. ä.) in Schulklassenmengen

Niederlausitzer Verlag Inhaber: Andreas Peter Frankfurter Straße 12 03172 Guben » Herr Peter ist ausgewiesener Experte zur Ge-schichte der Stadt/der Region (»Stadtwächter von Guben«), gibt gerne Hinweise und veröf-fentlicht in seinem Verlag Publikationen zur Re-gion, auch auf polnischer Seite.

Gubener Heimatbund e.V.Vorstand: Lutz MaterneGasstraße 1303172 Guben » ein großer Verein, der sich um Gubens Geschich-te kümmert. Kontaktadresse für viele Zeitzeu-gen

Förderverein zum Wiederaufbau der Stadt- und Hauptkirche in Gubin e.V.Gasstraße 403172 Guben » Tausende von historischen Fotos und engagier-te Mitarbeiter; kümmern sich hauptsächlich um die Kirche in Gubin, sind aber geschichtlich sehr sattelfest und haben auch Interesse an Mitarbeit bei Jugendprojekten

Unterrichtskonzept

von V. Böttger, T. M. Lesch, S. Müller und S. Nekola

Projekt: Studenten machen Schule – deutsche Kulturgeschichte im östlichen Europa

Infos über die Autoren/innen:

Vanessa Böttger wurde 1989 in Karl-Marx-Stadt geboren. Sie studiert European Studies mit dem Schwerpunkt Ostmitteleuropa an der Techni-schen Universität Chemnitz.

Sarah Nekola studierte in Leipzig, Paris und Ber-lin Neuere deutsche Literatur, Kunstgeschichte sowie Neuere/Neueste Geschichte. Tina Marie Lesch wurde 1988 in Oschatz gebo-ren. Sie studiert den Bachelor Plus, Programm European Studies, mit dem Schwerpunkt Ostmit-teleuropa an der Otto-von Guerricke Universität in Magdeburg sowie an der Uniwersytet Łódzkie in Łódź (Polen).

Stephan Müller, 1972 in Oberhausen geboren, studierte Soziologie und Geschichte an der Tech-nischen Universität Berlin mit den Schwerpunk-ten Antisemitismus und Stadtgeschichte.