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Obere Extremität 2:156–163 (2007) DOI 10.1007/s11678-007-0053-2 A. K. Martini Synovialektomie Prinzip Entfernung der entzündlich veränderten Synovialis, da- durch wird die Gelenkentzündung auf Stadium 0 zurückversetzt. Diese Maßnahme, frühzeitig durchge- führt, hat präventiven Charakter, um die Sehnen, Bänder und Knorpel vor der entzündungsbedingten Zerstörung zu bewahren. Indikation Frühsynovialektomie:Wenn die Gelenkschwellung trotz medikamentöser Therapie von sechsmonatiger Dauer nicht zurückgeht, und bevor Usurierungen und Zysten im Röntgenbild erscheinen. Spätsynovialektomie: Oft als Begleitmaßnahme zum weiteren Vorgehen, wie bei Sehnenruptur,Arthroplastik oder bei Korrektur von Fehlstellungen. Sie bringt eine Schmerzlinderung. Kommentar Nur die Frühsynovialektomie kann den Krankheitsver- lauf positiv beeinflussen und muss radikal vorgenom- men werden, um Rezidive zu verhindern. Handgelenkssynovialektomie Technik (Abb. 1–6) Bogenförmiger längsverlaufender Hautschnitt streckseitig. Große Venen und Hautnerven werden geschont. Das Retinaculum extensorum wird von der Elle abgelöst und zum 1. Strecksehnenfach abpräpa- riert. Tenosynovialektomie mit Präparierschere und Luer; die Sehnen werden von der entzündlich veränderten Scheide befreit. Die aufgefaserten Anteile der Sehnen werden entfernt. Ist die Sehne stark angegriffen und droht eine Ruptur,so wird diese Stelle durch Raffnaht verstärkt oder durch Transplantat ersetzt. Eröffnung des Radiokarpal- und Ulnokarpalgelen- kes durch quere Inzision der Gelenkkapsel. Synovia- lektomie mit dem Luer. Durch Distraktion des Gelenkes und Verwendung einer stark gebogenen Synovialektomiezange können die beugeseitigen Anteile entfernt werden. Proliferationsgewebe in den Knochenzysten, in den Umschlagsfalten der Gelenk- kapsel und unterhalb der Gelenkbänder werden ab- getragen. In gleicher Weise erfolgt die Synovialektomie des me- diokarpalen und des distalen Radioulnargelenkes. OP-SERIE Obere Extremität 3 2007 Beitrag modifiziert nach A. K. Martini, Orthopädische Handchirurgie, Steinkopff 2004 Prof. Dr. med. Abdul Kader Martini Sektion Handchirurgie Orthopädische Universitätsklinik Schlierbacher Landstraße 200 a 69118 Heidelberg, Germany Tel.: +49-6221/96-6320 Fax: +49-6221/96-6356 E-Mail: [email protected] Abb. 1

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Obere Extremität 2:156–163 (2007)DOI 10.1007/s11678-007-0053-2

A. K. Martini Synovialektomie

■ Prinzip

Entfernung der entzündlich veränderten Synovialis, da-durch wird die Gelenkentzündung auf Stadium 0zurückversetzt. Diese Maßnahme, frühzeitig durchge-führt,hat präventiven Charakter,um die Sehnen,Bänderund Knorpel vor der entzündungsbedingten Zerstörungzu bewahren.

■ Indikation

Frühsynovialektomie: Wenn die Gelenkschwellung trotzmedikamentöser Therapie von sechsmonatiger Dauernicht zurückgeht, und bevor Usurierungen und Zystenim Röntgenbild erscheinen.

Spätsynovialektomie: Oft als Begleitmaßnahme zumweiteren Vorgehen, wie bei Sehnenruptur,Arthroplastikoder bei Korrektur von Fehlstellungen. Sie bringt eineSchmerzlinderung.

■ Kommentar

Nur die Frühsynovialektomie kann den Krankheitsver-lauf positiv beeinflussen und muss radikal vorgenom-men werden, um Rezidive zu verhindern.

Handgelenkssynovialektomie

■ Technik (Abb. 1–6)

� Bogenförmiger längsverlaufender Hautschnittstreckseitig. Große Venen und Hautnerven werdengeschont. Das Retinaculum extensorum wird von derElle abgelöst und zum 1. Strecksehnenfach abpräpa-riert.

� Tenosynovialektomie mit Präparierschere und Luer;die Sehnen werden von der entzündlich verändertenScheide befreit. Die aufgefaserten Anteile der Sehnenwerden entfernt. Ist die Sehne stark angegriffen unddroht eine Ruptur, so wird diese Stelle durch Raffnahtverstärkt oder durch Transplantat ersetzt.

� Eröffnung des Radiokarpal- und Ulnokarpalgelen-kes durch quere Inzision der Gelenkkapsel. Synovia-lektomie mit dem Luer. Durch Distraktion desGelenkes und Verwendung einer stark gebogenenSynovialektomiezange können die beugeseitigenAnteile entfernt werden. Proliferationsgewebe in denKnochenzysten, in den Umschlagsfalten der Gelenk-kapsel und unterhalb der Gelenkbänder werden ab-getragen.

� In gleicher Weise erfolgt die Synovialektomie des me-diokarpalen und des distalen Radioulnargelenkes.

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Beitrag modifiziert nach A. K. Martini,Orthopädische Handchirurgie, Steinkopff 2004

Prof. Dr. med. Abdul Kader MartiniSektion HandchirurgieOrthopädische UniversitätsklinikSchlierbacher Landstraße 200a69118 Heidelberg, GermanyTel.: +49-6221/96-6320Fax: +49-6221/96-6356E-Mail: [email protected] Abb. 1

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� Ist der Ellenkopf zerstört, so wird er reseziert; an-sonsten werden Osteophyten und scharfe Kanten ab-getragen.

� Naht der Gelenkkapsel. Eröffnung der Blutleere undBlutstillung. Das Retinaculum extensorum wird hal-biert, die distale Hälfte unterhalb der Strecksehnenverlagert und mit der Gelenkkapsel vernäht, und dieandere Hälfte über den Strecksehnen an der Elle be-festigt.

� Ein zungenförmiger Lappen wird von der ulnarenSeite der Gelenkkapsel mobilisiert. Nach Repositionder ECU-Sehne auf der Streckseite der Elle wird derWeichteillappen um die Sehne gelegt und vernäht.Diese Maßnahme ist wichtig, um die Ulna zu stabili-sieren, der radialen Deviation und dem Absinken desKarpus entgegenzuwirken.

� Bei einer Handskoliose mit Radialdeviation desHandgelenkes und Ulnardeviation der Finger emp-fiehlt sich die Verlagerung der ECRL-Sehne nach ul-nar. Sie wird mit der ECU-Sehne End-zu-Seit ver-näht.

■ Komplikationen

� Hämatombildung: Bei einem so ausgedehnten Ein-griff mit großen Wundflächen ist die Nachblutungs-gefahr groß. Exakte Blutstillung und ausreichendeDrainage sind unerlässlich.

� Sehnenruptur: Wenn die ausgedünnten Stellen nichtbehandelt werden oder die scharfen Knochenkantennicht abgetragen werden.

� Hautnekrose: Die dünne und strapazierte Haut beiRheumatikern bedarf einer besonders schonendenBehandlung.

■ Nachbehandlung

Palmare Unterarm-Gipsschiene in Neutralstellung desHandgelenkes. Nach Abschwellung der Hand etwa am3.–4. Tag sollen Bewegungsübungen begonnen werdenmit dem Ziel, schnell die volle Beweglichkeit zu errei-chen. Versorgung mit einer leichten Lagerungsschienefür weitere 3 Wochen.

Tendosynovialektomie der Beugesehnen

■ Prinzip

Entfernung der entzündlich veränderten Sehnen-scheide, um die Gleitfähigkeit der Beugesehnen zu ver-bessern (Morgensteife) und um einer Sehnenrupturvorzubeugen.

■ Indikation

Die Tendosynovialektomie ist indiziert, wenn unter sys-temischer und lokaler Therapie die Synovialitis persis-tiert. Die Operation ist bei begleitendem Karpaltunnel-syndrom oder beim schnellenden Finger, bedingt durchintratendinöse Knoten die Therapie der Wahl.

Die Tendosynovialektomie der Strecksehnen wird inder Regel im Rahmen der Handgelenkssynovialektomievorgenommen.

■ Kommentar

Chemische oder Radiosynoviorthese kommen im Be-reich der Beugesehnenscheide nicht in Betracht; somit

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stellt die Operation die Therapie der Wahl dar. Die Dia-gnosestellung einer Synovialitis der Beugesehnen kannfür den nicht Geübten Probleme bereiten, da im Ver-gleich zur Streckseite – durch die Dicke und Straffheitder Haut – die Schwellung weniger augenfällig und diePalpation erschwert ist. Für die Morgensteifheit der Fin-ger ist eher eine Schwellung der Sehnenscheide mit er-schwerter Gleitfähigkeit der Beugesehnen verantwort-lich als die Kapselschwellung der Fingergelenke. DasVorliegen eines Karpaltunnel-Syndroms ist Leitsymp-tom für die Tendosynovialitis der Beugesehnen imHandgelenksbereich. Die Beugesehnen rupturieren inder Regel durch herausstehende scharfe Knochenkantenim Karpusbereich.

Leitsymptome: Karpaltunnelsyndrom oder Sehnen-ruptur.

■ Technik (Abb. 7–12)

� S-förmiger Hautschnitt in der Hohlhand im Verlaufder Lebenslinie, ulnarwärts im Verlauf der Handge-lenksbeugefalte und schräg ca. 5 cm proximalwärtszur Unterarmmitte.

� Das Retinaculum flexorum wird weit ulnar längsge-spalten. Freilegen und Zur-Seite-Halten des N. medi-anus und scharfe Entfernung der Sehnenscheide mitSkalpell und Schere von den einzelnen Beugesehnen.Auch in die Sehne eingewachsene Granulationenwerden entfernt.

� Verdünnte und aufgefaserte Anteile werden entwederdurch Raffnaht verstärkt oder reseziert und durchein Transplantat ersetzt.

� Inspektion und Palpation des Karpalbodens. Kno-chenvorsprünge durch Dislokation der Handwurzel-knochen werden abgetragen.

� Der Kapseldefekt wird mittels einzelner 3/0 Vicryl-Nähte oder durch einen Lappen aus dem Retinacu-lum flexorum geschlossen. Das Retinaculum wirddafür längsgespalten und weit nach radial mobili-

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siert. Der Lappen wird unterhalb der Beugesehnenverlagert und am Karpalboden mit einzelnen 4/0 Ny-lonnähten fixiert.

Synovialektomie der Fingergrundgelenke

■ Technik (Abb. 13–16)

� Beim Operieren eines einzelnen Gelenkes wird einbogenförmiger längsverlaufender Hautschnitt dor-soulnarseitig gewählt. In der Regel sind mehrere Ge-lenke befallen, in diesem Falle wird eine quere Inzi-sion knapp proximal der Grundgelenke angelegt. Diedorsalen Gefäß-Nervenbündel können geschont wer-den.

� Längsinzision der Streckhaube ulnarseitig und Mo-bilisation der Strecksehne. Die vorgewölbte fibröseGelenkkapsel wird ebenso längsgespalten und weg-gehalten.

� Das Synovialisgewebe wird jetzt im Bereich des obe-ren Rezessus mit dem Skalpell entfernt. Durch dieTraktion des Fingers und Verwendung spezieller, un-terschiedlich geformter Synovialektomiezangen ge-lingt die totale Entfernung des Synovialisgewebes ausdem Gelenkraum, unterhalb der Seitenbänder und inder palmaren Tasche. Ist das ulnare Seitenband kon-trakt, so kann es durchtrennt werden. Reinigung der

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Usurierungen und Knochenzysten von Synovialge-webe.

� Die Gelenkkapsel wird nicht genäht.� Ist die Strecksehne nach ulnar luxiert, so wird die

Streckhaube radialseitig gerafft und dadurch dieStrecksehne zentralisiert.

■ Komplikationen

� Hämatom: Exakte Blutstillung und ausreichendeDrainage sind erforderlich.

� Wundheilungsstörung: selten, selbst bei dünnerHaut.

� Bewegungseinschränkung. Intensive Krankengym-nastik-Behandlung ist in der postoperativen Phaseunerlässlich.

■ Nachbehandlung

Palmare Gipsschiene in Streckstellung (!) der Grundge-lenke für die ersten Tage.Verbandswechsel am nächstenTag zur Entfernung der blutigen Kompressen. Die Drai-

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nagen werden erst einen Tag später entfernt. Nach Ab-schwellen der Hand, etwa ab dem 4.–5. postoperativenTag Beginn der krankengymnastischen Übungen. Nachder Wundheilung Ergotherapie.

Synovialektomie der Fingermittelgelenke

■ Technik (Abb. 17–20)

� Bogenförmiger längsverlaufender Hautschnitt aufder dorsoulnaren Seite. Die Haut wird zurückpräpa-riert und aufgeklappt.

� Inzision des Streckapparates zwischen Mittel- undSeitenzügel beidseits. Oft findet sich hier eine Syno-vialishernie. Die Synovialektomie erfolgt wie beimGrundgelenk scharf und stumpf, streck- und beuge-seitig. Pannusgewebe wird mitentfernt.

� Gelingt die beugeseitige Synovialektomie durch dieTraktion nicht, so empfiehlt es sich, das ulnare Sei-tenband zu durchtrennen, danach kann das Gelenkaufgeklappt werden. Das Seitenband wird mit 3/0PDS Matratzen-Naht wiederhergestellt. Eine Nahtder Gelenkkapsel ist nicht erforderlich, Verschlussder Sehneninzision mit 4/0 Faden.

� Bei Insuffizienz des Tractus intermedius wird diesergerafft bzw. verdoppelt.

■ Komplikationen

Ruptur oder Abriss des Tractus intermedius: Reinser-tion durch intraossäre Naht oder mit einem Anker. Istder Mittelzügel aufgefasert oder defekt, so wird er wiebei einer Knopflochdeformität durch einen Seitenzügel(OP nach Matov) oder durch Griffelschachteltechnik(OP nach Snow) ersetzt.

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■ Nachbehandlung

Wie bei Synovialektomie der Grundgelenke. Bei Nahtoder Rekonstruktion des Tractus intermedianus nurvorsichtiges Beugen um 30° und erst nach 4 WochenFreigabe. Bei Streckdefizit Versorgung mit einer Feder-schiene.

Literatur

Flatt AE (1963) The Care of the Rheumatoid Hand. Mosby St. LouisNalebuff EA,Terrono A (1999) Surgical Techniques. In: Tubiana R (ed)

The Hand. Vol V Chapter 13. Saunders, Philadelphia, pp 226–257Nicolle FV, Dickman RA (1971) Surgery of the Rheumatoid Hand. W

Heinemann, London

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