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87 Telemedizinführer Deutschland, Ausgabe 2004 Kompetenznetzwerke und integrierte Versorgung 3 Autoren: M. Hördt, U. Tebbe, H. Korb Titel: Detektion und Differentialdiagnose supraventrikulärer Tachykardien In: Jäckel (Hrsg.) Telemedizinführer Deutschland, Ober-Mörlen, Ausgabe 2004 Seite: 87-90 Zusammenfassung Herzrhythmusstörungen sind ein häufiges Symptom in der internistisch- kardiologischen Praxis und entziehen sich durch ihr unvorhersehbares Auftreten und abruptes Ende oftmals der konventionel- len Diagnostik mittels Ruhe- oder Lang- zeit-EKG. Die vorliegende Studie sollte die Effektivität eines telemedizinischen EKG-Systems (VIAPAC ® ) hinsichtlich der Detektion von Arrhythmien bei Patienten mit dem klinischen Symptom „Herzrasen“ untersuchen. Bei 98 von 104 telemedizinisch überwachten Pati- enten konnte innerhalb von 40 Tagen ein arrhythmisches Ereignis mittels Tele- EKG dokumentiert werden. In einem bedeutenden Prozentsatz handelte es sich dabei um die erstmalige Dokumentation. Die 12-Kanal-Ableitung ermöglichte un- mittelbar differenzialdiagnostische und -therapeutische Entscheidungen. Einleitung Tachykarde Herzrhythmusstörungen, die unter den klinischen Leitsymptomen „Herzrasen“ und „Palpitationen“ wahr- genommen werden, gehen oft mit einem erheblichen Leidensdruck des Patienten einher, entziehen sich jedoch häufig der konventionellen Diagnostik mittels Ruhe- oder Langzeit-EKG. Besonders erschwert ist die Doku- mentation mit den herkömmlichen EKG-Verfahren, wenn die Episoden in unregelmäßigen Abständen auftreten und nur für kurze Zeit anhalten: typischer- weise wird in diesen Fällen die korrekte Diagnose als essentielle Voraussetzung einer individuellen und zielgerichteten Therapie erst verzögert gestellt, eine län- gere Symptomdauer beim Patienten mit häufigen, oft frustranen Arztbesuchen Telekardiologie: Detektion und Differenzial- diagnose supraventrikulärer Tachykardien M. Hördt*, U. Tebbe** und H. Korb* *Telemedizinisches Zentrum, Philips HeartCare Telemedicine Services, Düsseldorf ** Medizinische Klinik II, Klinikum Lippe Detmold und möglicherweise ineffektiven Behand- lungsversuchen bleiben die Folge. Ziel der vorliegenden Studie war zu untersuchen, wie effektiv ein telemedizinisches System mit 12-Kanal-EKG-Übertragung im Sin- ne einer besonderen Form des Event-Re- cordings hinsichtlich der Detektion von Herzrhythmusstörungen bei Patienten mit dem klinischen Symptom „Herzrasen/ Palpitationen“ eingesetzt werden kann. Material und Methoden In der vorliegenden Studie wurde eine spezielle Form des Event-Recordings in seiner klinischen Effektivität analysiert (Philips HeartCare Telemedicine Services [9]). Die Konzeption sieht vor, im Rah- men einer Eingangsuntersuchung durch den behandelnden Arzt relevante Patien- teninformationen in einer elektronischen Akte zu erfassen, ein Basis-EKG (Abb. 2a) zu registrieren und den Patienten in die Handhabung eines EKG-Gerätes (VIA- PAC ® ; CE zertifiziert, FDA zugelassen) einzuweisen, das die transtelefonische Übertragung eines 12-Kanal-EKG ermög- licht (Abb. 1 und 2). Danach kann der Patient seine EKG- Daten bei Bedarf an ein zentrales Mo- nitor-Center übermitteln, das täglich 24 Stunden besetzt ist. Hier analysieren Fachärzte und kardiologisch ausgebildetes Fachpersonal das aktuelle Beschwerdebild, interpretieren das EKG und vergleichen die Daten mit den Vorbefunden. Die erhobenen Daten werden den behan- delnden Ärzten per Fax, Email oder im Internet zur weiteren Verfügung gestellt – im Notfall auch sofort, z.B. im Rahmen eines Notarzt-Einsatzes oder bei Kranken- haus-Aufnahme [5, 9]. Die Besonderheit und gleichzeitig der wesentliche Vorteil der Methode sind, dass zum Zeitpunkt der Beschwerden ein direkter telefonischer Patientenkontakt besteht. Damit wird zum einen die Korrelation von Beschwer- debild und EKG-Registrierung gewähr- leistet, zum anderen können medizinisch notwendige Maßnahmen unverzüglich eingeleitet werden. Patientencharakteristika (Tab. 1) Insgesamt 104 Patienten hatten das Tele-EKG-Gerät zur Detektion der geschilderten Symptome von ihrem be- handelnden Arzt (Hausarzt/Kardiologe) für einen Zeitraum von drei Monaten erhalten und waren aufgefordert, im Falle von kardialen Beschwerden unverzüglich das Monitor-Center zu kontaktieren. Die Abbildung 1: VIAPAC ® -Gerät zur transte- lefonischen Übertragung eines 12-Kanal- EKG. Das Gerät ist CE zertifiziert und FDA zugelassen. Kap_3_2_TMF_04 neu 06.02.2006, 8:43 Uhr 87

Telekardiologie: Detektion und Differenzial- diagnose ... · läre oder supraventrikuläre Extrasystolen (21%), gefolgt von supraventrikulären Tachykardien (13%) und Vorhofflimmern

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87Telemedizinführer Deutschland, Ausgabe 2004

Kompetenznetzwerke und integrierte Versorgung

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Autoren: M. Hördt, U. Tebbe, H. KorbTitel: Detektion und Differentialdiagnose supraventrikulärer TachykardienIn: Jäckel (Hrsg.) Telemedizinführer Deutschland, Ober-Mörlen, Ausgabe 2004Seite: 87-90

Zusammenfassung

Herzrhythmusstörungen sind ein häufiges Symptom in der internistisch-kardiologischen Praxis und entziehen sich durch ihr unvorhersehbares Auftreten und abruptes Ende oftmals der konventionel-len Diagnostik mittels Ruhe- oder Lang-zeit-EKG. Die vorliegende Studie sollte die Effektivität eines telemedizinischen EKG-Systems (VIAPAC®) hinsichtlich der Detektion von Arrhythmien bei Patienten mit dem klinischen Symptom „Herzrasen“ untersuchen. Bei 98 von 104 telemedizinisch überwachten Pati-enten konnte innerhalb von 40 Tagen ein arrhythmisches Ereignis mittels Tele-EKG dokumentiert werden. In einem bedeutenden Prozentsatz handelte es sich dabei um die erstmalige Dokumentation. Die 12-Kanal-Ableitung ermöglichte un-mittelbar differenzialdiagnostische und -therapeutische Entscheidungen.

Einleitung

Tachykarde Herzrhythmusstörungen, die unter den klinischen Leitsymptomen „Herzrasen“ und „Palpitationen“ wahr-genommen werden, gehen oft mit einem erheblichen Leidensdruck des Patienten einher, entziehen sich jedoch häufig der konventionellen Diagnostik mittels Ruhe- oder Langzeit-EKG.

Besonders erschwert ist die Doku-mentation mit den herkömmlichen EKG-Verfahren, wenn die Episoden in unregelmäßigen Abständen auftreten und nur für kurze Zeit anhalten: typischer-weise wird in diesen Fällen die korrekte Diagnose als essentielle Voraussetzung einer individuellen und zielgerichteten Therapie erst verzögert gestellt, eine län-gere Symptomdauer beim Patienten mit häufigen, oft frustranen Arztbesuchen

Telekardiologie: Detektion und Differenzial-diagnose supraventrikulärer Tachykardien

M. Hördt*, U. Tebbe** und H. Korb**Telemedizinisches Zentrum, Philips HeartCare Telemedicine Services, Düsseldorf** Medizinische Klinik II, Klinikum Lippe Detmold

und möglicherweise ineffektiven Behand-lungsversuchen bleiben die Folge. Ziel der vorliegenden Studie war zu untersuchen, wie effektiv ein telemedizinisches System mit 12-Kanal-EKG-Übertragung im Sin-ne einer besonderen Form des Event-Re-cordings hinsichtlich der Detektion von Herzrhythmusstörungen bei Patienten mit dem klinischen Symptom „Herzrasen/Palpitationen“ eingesetzt werden kann.

Material und Methoden

In der vorliegenden Studie wurde eine spezielle Form des Event-Recordings in seiner klinischen Effektivität analysiert (Philips HeartCare Telemedicine Services [9]). Die Konzeption sieht vor, im Rah-men einer Eingangsuntersuchung durch den behandelnden Arzt relevante Patien-teninformationen in einer elektronischen Akte zu erfassen, ein Basis-EKG (Abb. 2a) zu registrieren und den Patienten in die Handhabung eines EKG-Gerätes (VIA-PAC®; CE zertifiziert, FDA zugelassen) einzuweisen, das die transtelefonische Übertragung eines 12-Kanal-EKG ermög-licht (Abb. 1 und 2).

Danach kann der Patient seine EKG-Daten bei Bedarf an ein zentrales Mo-nitor-Center übermitteln, das täglich 24 Stunden besetzt ist. Hier analysieren Fachärzte und kardiologisch ausgebildetes Fachpersonal das aktuelle Beschwerdebild, interpretieren das EKG und vergleichen die Daten mit den Vorbefunden. Die erhobenen Daten werden den behan-delnden Ärzten per Fax, Email oder im Internet zur weiteren Verfügung gestellt

– im Notfall auch sofort, z.B. im Rahmen eines Notarzt-Einsatzes oder bei Kranken-haus-Aufnahme [5, 9]. Die Besonderheit und gleichzeitig der wesentliche Vorteil der Methode sind, dass zum Zeitpunkt der Beschwerden ein direkter telefonischer Patientenkontakt besteht. Damit wird zum einen die Korrelation von Beschwer-debild und EKG-Registrierung gewähr-leistet, zum anderen können medizinisch notwendige Maßnahmen unverzüglich eingeleitet werden.

Patientencharakteristika (Tab. 1)

Insgesamt 104 Patienten hatten das Tele-EKG-Gerät zur Detektion der geschilderten Symptome von ihrem be-handelnden Arzt (Hausarzt/Kardiologe) für einen Zeitraum von drei Monaten erhalten und waren aufgefordert, im Falle von kardialen Beschwerden unverzüglich das Monitor-Center zu kontaktieren. Die

Abbildung 1: VIAPAC®-Gerät zur transte-lefonischen Übertragung eines 12-Kanal-EKG. Das Gerät ist CE zertifiziert und FDA zugelassen.

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überwiegende Mehrzahl der Patienten war weiblichen Geschlechts (n=80, 77%), das mittlere Alter in diesem Kollektiv lag bei 50±16 Jahren (9-79 Jahre). Alle von den Patienten getätigten Anrufe wurden auf Angaben zu Herzrhythmusstörungen geprüft und die entsprechenden EKG-Übertragungen analysiert.

Rhythmusstörungen waren im Vorfeld bei 43 Patienten dokumentiert, über-wiegend handelte es sich um ventriku-läre oder supraventrikuläre Extrasystolen (21%), gefolgt von supraventrikulären Tachykardien (13%) und Vorhofflimmern (7%). In 6 Fällen war bereits eine elektro-physiologische Untersuchung erfolgt, bei 5 Patienten in diesem Zusammenhang die Ablation einer akzessorischen Leitungs-bahn durchgeführt worden (Abb. 3b).

Bei 47 Patienten existierten Angaben zu früheren Langzeit-EKGs, dabei war in 40 Fällen ein Normalbefund erhoben wor-den, bei den restlichen Patienten gelang die Dokumentation einer supraventriku-lären Tachykardie. Die antiarrhythmische Medikation bestand vorwiegend aus Beta-blockern (n=36), Kalzium-Antagonisten (n=4), Sotalol (n=8), Flecainid (n=2) und Propafenon (n=1), 38 Patienten (37%) nahmen keine antiarrhythmisch wirksa-men Substanzen. Übergeordnete kardi-ovaskuläre Diagnosen im untersuchten Patientenkollektiv waren zu 21% arterielle Hypertonie, zu 13% Herzklappenfehler und zu 11% koronare Herzkrankheit (Abb. 3a).

Ergebnisse

Während des Überwachungszeitraums (im Mittel 93±72 Tage) konnte bei 98 Pa-tienten (94%) mindestens ein klinisches

Ereignis subjektiv empfundener Herz-rhythmusstörungen erfasst werden. Dabei betrug die durchschnittliche Zeitspanne von Beginn des telemedizinischen Moni-toring bis zum ersten symptomatischen Anruf 39±46 Tage. „Herzrasen“ war das am häufigsten geschilderte Symptom in 89 Fällen (86%), 9 Patienten klagten über „Herzstolpern“ oder „Aussetzer“.

In allen Fällen konnte bei beste-hender Symptomatik ein EKG in guter Qualität transtelefonisch übertragen werden, der Median der auswertbaren Ableitungen lag bei 10 (von 12). Folgende Rhythmus-konstellationen konnten anhand der übertragenen Daten erhoben werden (Abb. 4 a): Sinusrhythmus bei 50 Patienten (48%, davon 33 Si-nustachykardien), AV-Reentry- oder AV-Knoten-Reentry-Tachykardie in 29 Fällen (28%), Vorhofflimmern in 15 Fällen (14%, davon 13mal Tachyarrhythmia absoluta), atriale Tachykardien 4% und Extrasystolen 3% (Abb. 2 b). Bei den dokumen-tierten anhaltenden Arrhythmien handelte es sich in 40 Fällen (38%) um die erstmalige EKG-Regist-rierung dieser Rhythmusstörung. Die mittlere Herzfrequenz im Event-EKG betrug 141±46 Schläge pro Minute (59-250/min).Bei der geschilderten Symptomatik und Beschwerdesituation war bei einer Reihe von Patienten medizinischer Handlungsbedarf gegeben.

In einem Fall mit Ruhe-Dyspnoe und Angina pectoris bei KHK und Tachyar-rhythmia absoluta war ein Notarzteinsatz erforderlich, der vom Telemedizinischen Zentrum unmittelbar veranlasst wurde, in 10 weiteren Fällen war es vertretbar, dass ein privater Transport in ein örtli-ches Krankenhaus erfolgte, weitere 10 Patienten wurden angewiesen, ihren be-handelnden Hausarzt oder Kardiologen zu konsultieren. In 76 Fällen (73%) er-folgte im Akutstadium eine ausschließlich telemedizinische Betreuung mit Nach-kontrolle (beruhigende Beratung n=47, erfolgreiches Valsalva-Manöver n=6, Ein-nahme einer vorhandenen Bedarfsmedika-tion n=8, spontane Rhythmuskonversion n=15) (Abb. 4b).

Diskussion

Telemedizin beschreibt die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen unter Verwendung multimedialer Informati-ons- und Kommunikationstechnologie zum Austausch von Informationen für Diagnose, Therapie und Prävention von Krankheiten.

Beim Einsatz von telemedizinischen Systemen bei Patienten mit Herz-rhythmusstörungen ist hinsichtlich der Indikation zwischen Diagnostik und Dokumentation zu unterscheiden [10]. So eignen sich implantierbare Event-Re-corder hervorragend zur Diagnostik von anderweitig nicht klärbaren Synkopen [4], externe EKG-Rekorder bieten sich sowohl für die Diagnostik als auch Dokumen-tation von Herzrhythmusstörungen an. Im Rahmen der Vorhofflimmer-Studien PAFAC (Prevention of Atrial Fibrillation after Cardioversion) und SOPAT (Sup-pression of Paroxysmal Atrial Tachyar-rhythmias) wurde z.B. mit gutem Erfolg ein scheckkartengroßes Gerät eingesetzt (Rhythmcard, Fa. Instromedix) [3,6].

Die Vorteile dieser Geräte sind die Verfügbarkeit beim Patienten über einen längeren Zeitraum, sowie die zeitnahe Dokumentation von Ereignissen durch den Patienten selbst [11]. Die Qualität und Validität derartig abgeleiteter EKGs ist durch mehrere Studien belegt, bei Mehrkanal-Geräten ist eine differenzial-diagnostische Betrachtung vergleichbar einem Standard-EKG möglich [2,7]. Trotz

Tabelle 1: Patientencharakteristika

Patientencharakteristika n =Anzahl (gesamt) 104Männer 24Frauen 80Alter (Jahre) 50±16Bekannte kardiovaskuläre Erkrankung 45Bekannte Herzrhythmusstörung 43Bestehende antiarrhythmische Medikation 50

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der zuverlässigen Funktion dieser Geräte ist ihr Stellenwert in der kardiologischen Diagnostik in Deutschland aktuell noch gering, obwohl sich in neueren Studien er-hebliche Vorteile einer telemedizinischen Betreuung kardialer Patienten abzeichnen [1].

Die von uns untersuchten Patienten dürften durchaus ein charakteristisches Patientenkollektiv abbilden, wie es aus der täglichen Routine einer kardiologischen Praxis oder klinischen Ambulanz bekannt ist.

In der Dokumentation und Differen-zialdiagnostik des klinischen Symptoms „Herzrasen“ war das untersuchte teleme-dizinische System außerordentlich effizi-ent, in einem hohen Prozentsatz (94%) konnte ein entsprechendes Ereignis im Überwachungszeitraum detektiert und analysiert werden. Eine derart hohe Er-folgsquote dürfte nicht ohne weiteres mit vergleichbaren nicht-invasiven Methoden zu erreichen sein – ein System, das dar-über hinaus zeitgleich und rund um die Uhr eine sofortige medizinische Hilfe-stellung garantiert, ist uns nicht bekannt. Die Zeitspanne bis zur Registrierung des Ziel-Symptoms lag mit knapp 40 Tagen in einem akzeptablen Zeitraum. Die mittlere Verweildauer von etwas mehr als 90 Tagen

zeigt, dass das System von den Patienten gut angenommen, eher länger als vorgese-hen genutzt und partiell aus individuellen Sicherheitsbedürfnissen heraus nur ungern zurückgegeben wurde.

Bei 40 Patienten (38%) konnte durch die telemedizinische Überwachung die Erstdokumentation einer (pathologi-schen) Arrhythmie erreicht werden, die sich durch andere Maßnahmen (z.B. Langzeit-EKG) bis dahin nicht hatte re-gistrieren lassen. In diesen Fällen erfüllte das telemedizinische Monitoring nicht nur die Funktion der Dokumentation sondern diente sogar als entscheidendes Werkzeug in der Erstdiagnose. Bedingt durch die Mehrkanal-Registrierung und gute Qualität der übermittelten EKGs stand in diesen Fällen bereits zu Beginn ein EKG für differenzialdiagnostische und -therapeutische Überlegungen zur Verfügung.

Dies gilt selbstverständlich auch für den recht hohen Anteil von Sinusrhyth-men im Event-EKG. Der Nachweis, dass es sich bei symptomatischem Herzrasen um eine Sinustachykardie handelt, gelingt wohl kaum besser als mit der untersuch-ten Methode, da zum Zeitpunkt der Be-schwerden nicht nur das EKG abgeleitet, sondern auch ein persönlicher Kontakt hergestellt wird.

Der direkte telefonische Patienten-kontakt zum Zeitpunkt der Beschwerden erscheint uns als wesentlicher Vorteil der

Abbildung 2a+b: Transtelefonische 12-Kanal-EKG-Übertragung (a: Basis-EKG, b: Supraventrikuläre Tachykardie, z.B. AV-Knoten-Reentry)

Abbildung 3a+b: Verteilung der kardiovaskulären Diagnosen

Abbildung 4a+b: Dokumentierte Arrhythmien und Hndlungsweise des Telemedizinischen Zentrums

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dargestellten Methode. Hierdurch wird zum einen die Korrelation von Beschwer-debild und EKG-Registrierung gewähr-leistet, zum anderen können medizinisch notwendige Maßnahmen unverzüglich eingeleitet werden.

Drei Viertel der Patienten im un-tersuchten Kollektiv konnten bei dem gegebenen Beschwerdebild nach Analyse des EKG ausschließlich telemedizinisch betreut werden, ein Aspekt, der unter gesundheitsökonomischen Überlegungen im Rahmen der zunehmenden Kosten-dämpfung im Gesundheitswesen erhebli-che Bedeutung gewinnen könnte.

In Fällen, in denen eine Intervention durch externe Ärzte erforderlich schien, war durch die vorhandene EKG-Diagno-se und interkollegiale Kommunikation zwischen Telemedizinischem Zentrum und externen Ärzten nicht nur eine rasche Diagnostik, sondern auch die zielgerichte-te Einleitung notwendiger therapeutischer Maßnahmen gewährleistet.

Schlussfolgerungen

Die untersuchte telemedizinische Me-thode zeichnet sich durch eine sehr hohe Effizienz im Sinne der Dokumentation und Diagnostik tachykarder Herzrhyth-musstörungen unter den Leitsymptomen „Herzrasen und Palpitationen“ aus.

Das verwendete 12-Kanal-EKG-Gerät liefert eine ausgezeichnete Qualität, sodass bereits aus dem transtelefonischen EKG differenzialdiagnostische Überlegungen möglich werden.

Der direkte Patientenkontakt während der Beschwerden erlaubt eine eindeutige Korrelation von Beschwerden und EKG-Befund, wodurch einerseits die diagnos-tische Sicherheit erhöht wird und ande-rerseits unnötige Arztbesuche vermieden werden können.

Die vorliegenden Daten belegen, dass dieses telemedizinische System zur Diag-nostik unklarer tachykarder Rhythmusstö-rungen effektiv in der medizinischen Rou-tine eingesetzt werden kann und sowohl unter qualitätsbezogenen als auch unter ökonomischen Aspekten zu einer Effizi-enzsteigerung in der Versorgung kardialer Patienten beitragen könnte.

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10. Tebbe U: Telemedizin – Indikation und Anwendung. Herzmedizin (im Druck)

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