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  • 18Tinnitus-Forum 12014

    Wissenschaft

    Neue Leitlinie zur Behandlungdes Hrsturzes

    Zur Behandlung zahlreicher Krankheitenaus diversen medizinischen Fachgebietenexistieren Leitlinien. Diese Leitlinien werdenvon den jeweiligen Fachgesellschaften, oftin Zusammenarbeit mehrerer Gesellschaf-ten, erarbeitet. Sie spiegeln den wissen-schaftlichen Stand verschiedener Therapie-verfahren wider und stellen eine Empfeh-lung dar, nach der die behandelnden Fach-rzte handeln sollten. Allerdings sind Leitli-nien keine Richtlinien, das heit, der Arztmuss sich nicht an diese Vorgaben halten;nach wie vor besteht die Behandlungsfrei-heit des jeweiligen Arztes, natrlich in Ab-sprache mit dem Patienten. Fr das Krank-heitsbild der akuten, pltzlich auftretendenHrminderung (Hrsturz) ist gerade die ent-sprechende Leitlinie unter Federfhrung derDeutschen Gesellschaft fr Hals-Nasen-Oh-ren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie ak-tualisiert worden.

    Nach wie vor gibt es fr die Akutbehand-lung des Hrsturzes nur sehr wenig evi-denzbasierte, das heit durch wissen-schaftliche Studien tatschlich eindeutigbelegte Therapieverfahren. Aber einige wis-senschaftliche Untersuchungen fr diesesakute und den Betroffenen stark beeintrch-tigende Krankheitsbild sind methodisch sau-ber und entsprechen damit einem hohenwissenschaftlichen Standard. Nach wie vorwird in Deutschland generell eine Infu-sionstherapie durchgefhrt.

    Diese beinhaltet auch nach der bishergltigen Leitlinie eine Substanz zur Ver-grerung des Blutvolumens in der RegelHAES oder auch nur Kochsalz. Dazu wirdKortison in unterschiedlichen Dosierungengegeben. Hufig werden zustzlich oderauch nur Durchblutungsmittel wie Pento-xifyllin oder Ginkgo als Tabletten verordnet.

    Allerdings knnen Studien nur dann eineklare wissenschaftliche Aussage treffen,wenn tatschlich nur eine einzige Substanzuntersucht und diese mit einer anderen Sub-stanz beziehungsweise mit einer Null-therapie oder einer sogenannten Placebo-behandlung verglichen wird.

    Dies jedoch ist ein weiteres ernstes Pro-blem: Da der Hrsturz eine subjektiv undauch objektiv erlebte Notsituation fr dieBetroffenen darstellt, ist es aus ethischenGrnden nur schwer vertretbar, keine The-rapie oder eine Placebobehandlung durch-zufhren, vor allem aber wird dies von denPatienten nicht gewollt. So konnte eine sehrgute und saubere Studie in Schweden in fnfJahren gerade 93 Patienten fr eine derar-tig placebokontrollierte Behandlung gewin-nen; sie fand heraus, dass niedrig dosiertesKortison nicht besser als Placebo wirkt.

    In der Leitlinien-Kommission wurdendaher alle verfgbaren Therapiestudien er-neut gesichtet und bewertet, die metho-

    disch sauberen und vergleichbaren Unter-suchungen wurden dann ausgewertet undbeurteilt.

    Aktuelle Leitlinie Hrsturz

    Zum Ende des Jahres 2013 wurde dieaktualisierte Leitlinie Hrsturz verffentlicht;sie wurde von einer speziellen Leitlinien-kommission der wissenschaftlichen Vereini-gung der Hals-Nasen-Ohrenrzte erstellt undvon dem fr die Leitlinien verantwortlichenZusammenschluss der Fachgesellschaftendann ins Internet gestellt.

    Durchblutungsmittel wie der WirkstoffPentoxifyllin (zum Beispiel Trental) oderauch das Prparat Ginkgo, die fr die pltz-liche Hrminderung keinerlei Wirksamkeits-nachweis erbringen konnten, werden in derLeitlinie nicht empfohlen. Volumenersatz-mittel wie das HAES sind zwar nach gutenStudien besonders fr einige Gruppen vonHrsturzpatienten sinnvoll. Nach Empfeh-lungen der zustndigen deutschen und eu-ropischen Arzneimittelkommissionen undauch der Pharmaindustrie selbst soll HAESjedoch wegen schwerer Nebenwirkungen(allerdings bei Patienten mit Sepsis, also ei-ner massiven und lebensbedrohlichen Ent-zndung) nur noch bei Patienten mit einemakuten Blutverlust eingesetzt werden, alsoetwa nach Unfllen, nicht jedoch bei Hr-sturz.

    Die Leitlinie zur Behandlung des Hrsturzes ist gerade aktualisiert worden. Prof. Dr. GerhardHesse, Chefarzt der Tinnitus Klinik Dr. Hesse am Krankenhaus Bad Arolsen, ist Mitglied derLeitlinienkommission Hrsturz und erlutert im folgenden Artikel die neue Leitlinie.

    Bedeutung fr Patienten und behandelnde Kassenrzte

    von Prof. Dr. Gerhard Hesse

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  • 19Tinnitus-Forum 12014

    Wissenschaft

    welche Ursachen fr den Hrverlust in Be-tracht kommen: So kann er etwa durch ei-nen Ohrenschmalzpfropf oder eine Erkran-kung des Mittelohres bedingt und dann auchleicht zu behandeln sein, es kann sich aberauch um eine Strung der Funktion desInnenohres handeln. Die entsprechend erfor-derliche Diagnostik, die aus Hrprfungenund objektiven Messungen der Hrfhigkeitbesteht, ist ebenfalls in der Leitlinie beschrie-ben worden.

    Intratympanale Therapie

    In der Leitlinie wird fr den Fall, dassdurch diese Behandlung nach fnf bis sie-ben Tagen keine Besserung erfolgt, als so-genannte Reservetherapie eine intratym-panale Behandlung mit Kortison empfohlen.Das heit, das Kortison wird, gebunden aneine Trgerlsung, direkt in das Mittelohrgespritzt. Es fliet dann durch das rundeFenster in das Innenohr und kann dort sei-ne Wirkung entfalten. Fr diese Behandlungwurden in den letzten Jahren zahlreiche Stu-dien durchgefhrt, die mittlerweile beson-ders fr den Fall, dass die Erstbehandlungkeine deutliche Hrverbesserung erbringt,eine sehr gute Wirksamkeit belegen. Sicher-lich hat diese Behandlung weit wenigerNebenwirkungen als ein systemischer Ein-satz von Kortison als Spritze oder Tablette.Die Injektion selbst ist kaum belastend undwird in lokaler Betubung durchgefhrt, derPatient muss dann ca. eine halbe Stunde aufder Seite liegen, die Behandlung wird drei-bis fnfmal wiederholt. Diese Therapie kannambulant durchgefhrt werden und ist, dasind sich auch die niedergelassenen HNO-rzte einig, in der Kassenpraxis durchfhrbar.

    Fazit

    Als Fazit ist festzuhalten, dass die jetztaktualisierte Leitlinie fr die pltzliche Hr-minderung (Hrsturz) auf jeden Fall einekonkrete Therapie empfiehlt. Diese bestehtin der Gabe hochdosierten Kortisons als In-fusion oder auch als Tablette. Diese Thera-pie kann als Kassenleistung durchgefhrtwerden, da Kortison fr entzndliche Erkran-kungen auch des Innenohres zugelassen ist.HAES als Trgersubstanz wird nach einerEmpfehlung des Bundesgesundheitsminis-teriums und der Hersteller nicht mehr ver-ordnet, da dieses Medikament nur noch beiakutem Blutverlust eingesetzt werden soll.Durchblutungsmittel werden ebenfalls nichtmehr empfohlen. Als Reservetherapie eig-net sich die direkte Einbringung von Medi-kamenten in das Mittelohr (intratympanaleTherapie) besonders bei groem Hrverlust.

    Kontakt zum Autor:

    Prof. Dr. med. habil. Gerhard HesseTinnitus-Klinik am KrankenhausBad ArolsenGroe Allee 5034454 Bad ArolsenE-Mail: [email protected]

    Fr die Behandlung einer akuten Hr-minderung wird deshalb nur eine Therapiemit hoch dosiertem Kortison empfohlen.

    Nach der Leitlinie kann ein bis zwei Tageohne Behandlung in der Hoffnung auf eineSpontanheilung zugewartet werden. Stelltsich jedoch keine spontane Hrverbesserungein, so ist eine Behandlung mit Kortison zubeginnen, diese kann hochdosiert als Infu-sionslsung oder auch in Tablettenform ge-geben werden. Die Therapie sollte ambulantdurchgefhrt werden, bestehen jedoch er-hebliche psychische Begleiterscheinungen,kann auch eine stationre Einweisung sinn-voll sein.

    Nach der Leitlinie ist eine derartige Akut-Therapie allerdings wirklich nur im akutenStadium sinnvoll, das heit in den erstenmaximal drei Monaten nach Auftreten desEreignisses.

    Zwar gilt diese Leitlinie nur fr pltzli-che Hrminderungen, fr die es keine er-kennbare und klar ersichtliche Ursache gibt den sogenannten Hrsturz. Aber auch beiakuten Hrverlusten durch Lrmeinwirkungoder durch Unflle ist ein derartiger Behand-lungsansatz zu empfehlen.

    Was heit das fr diebetroffenen Patienten?

    Tritt eine pltzliche Hrminderung aufohne Begleitsymptome wie Schmerzen undFieber, dann kann sicherlich bis zum Folge-tag abgewartet werden, ob sich spontaneine Besserung einstellt. Ist dies nicht derFall, sollte umgehend ein Ohrenarzt aufge-sucht werden, der dann untersuchen wird,