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Talsperre Malter - Trassenführung und Betrieb der Weißeritztalbahn 27.03.2013 Hans-Christoph Thiel Folie 1 100-Jahre Talsperre Malter Der Einfluss des Talsperrenbaus auf die Trassenführung und den Betrieb der Weißeritztalbahn Schloss Dippoldiswalde - Abendvortrag 27. März 2013 Univ.-Prof. Dr.-Ing. Hans-Christoph Thiel (BTU Cottbus)

Titel der · Talsperre Malter - Trassenführung und Betrieb der Weißeritztalbahn 27.03.2013 Hans-Christoph Thiel Folie 1 100-Jahre Talsperre Malter Der Einfluss des Talsperrenbaus

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Talsperre Malter - Trassenführung und Betrieb der Weißeritztalbahn 27.03.2013

Hans-Christoph Thiel

Folie 1

100-Jahre Talsperre Malter

Der Einfluss des Talsperrenbaus auf die

Trassenführung und den Betrieb der

Weißeritztalbahn

Schloss Dippoldiswalde - Abendvortrag 27. März 2013

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Hans-Christoph Thiel

(BTU Cottbus)

Talsperre Malter - Trassenführung und Betrieb der Weißeritztalbahn 27.03.2013

Hans-Christoph Thiel

Folie 2

Trassierung von Eisenbahnen

Es sind drei verschiedene Trassierungsprinzipien bekannt:

(1) englisches Trassierungsprinzip

• gerade, waagerechte Linienführung

• Erdbau, Kunstbauten

• hohe Baukosten, geringe Betriebskosten

Grafiken: Sammlung Thiel

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Hans-Christoph Thiel

Folie 3

Trassierung von Eisenbahnen

(2) amerikanisches Trassierungsprinzip

• Anpassen an Gelände

• bogenreiche, geneigte Linienführung

• geringere Baukosten, höhere Betriebsführungskosten

Trassierung der Strecke an der Cascade Range zwischen Spokane und Seattle der Great Northern

Railway

1. Behelfsstrecke über den Stevens Pass ab 1893

2. Scheiteltunnel zwischen Wellington und Cascade Tunnel Station ab 1900

3. Basistunnel zwischen Scenic und Berne ab 1929

aus: Snell, J. B.: Frühe Eisenbahnen. Ariel Verlag Frankfurt am Main.

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Folie 4

Trassierung von Eisenbahnen

(3) österreichisches Trassierungsprinzip • erstmals künstliche Längenentwicklung durch Ausfahren von Seitentälern und

lang anhaltende Steigungsabschnitte

• erstmals auch Brücken und Kunstbauten in durchgehenden Steigungen und

Gleisbögen

Weltkulturerbe

Semmeringbahn

Viadukt Kalte Rinne Grafik: Sammlung Thiel

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Folie 5

Trassierung der Weißeritztalbahn

Weißeritztalbahn - typische Flusstalbahn

„amerikanisch“ trassiert

zusätzliche kostensenkende Faktoren:

beschränkte Geschwindigkeit 30 km/h

kleinster Bogenradius 50 m

Spurweite 0,75 m klein(st)er Bahnkörper

Grafiken: Thiel, 1994

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Folie 6

Rote Weißeritz - Wasserbauprojekte 1907

Oelsatal

18 m / 0,816 Mio m3

Buschmühle (Langer Grund)

29 m /4,511 Mio m3

Schellermühle

14 m /0,390 Mio m3

Pöbeltal

16 m / 0,434 Mio m3

Malter

30 m / 9,000 Mio m3

Beratung der Weißeritz-Interessenten 11. – 15. Juni 1907

Sächsische Wasserbaudirektion Bau von 5 Stauanlagen

Talsperre Malter - Trassenführung und Betrieb der Weißeritztalbahn 27.03.2013

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Folie 7

Wasserbauprojekte 1907 – Streit um Bahnverlegung

Flusstalbahn muss weichen:

(1) aufzugebende Bahntrasse

(2) Bahntrasse im Oelsa-Tal

(Forderung Oelsaer Unternehmer,

Querung der Dippoldiswalde Heide,

„verlorene“ Höhe für Bahnbetrieb)

(3) ausgeführte Bahntrasse talsperrennah

(geringster Aufwand für Bau und

Bahnbetrieb, unmittelbare Bedienung

aller Baustellen)

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Folie 8

Streckenverlegung – technische Parameter

maximale Steigung zwischen Freital-Hainsberg und Schmiedeberg 1:60 (1881/82)

Neigung 1:60 verlangt auch neue Station für Spechtritz

steilere Neigung 1:50 – wie beim Neubau des Hainsberger Bahnhofs (1902-05) –

Station Spechtritz kann verbleiben

Kostenersparnis durch Verzicht auf Brücke über Grenzschlucht

1:60

Grafik: Thiel, 1994

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Folie 9

Streckenverlegung – der Blick von oben

Ausgeführt:

erst linker Talhang, dann rechter

Alternatives Gedankenspiel:

nur am linken Talhang trassiert

5 statt 3 Brücken

noch schwierigere Lage

für neuen Bahnhof Seifersdorf

Grafik: Thiel, 2013

Kartengrundlage http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/wasser/8843.htm

Talsperre Malter - Trassenführung und Betrieb der Weißeritztalbahn 27.03.2013

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Folie 10

Streckenverlegung – Bahnanlagen für Seifersdorf

Bild links oben: Geländesituation in Seifersdorf Kartengrundlage http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/wasser/8843.htm

Bild links unten: alte und neue Bahnanlagen in Seifersdorf Zeichnung: Thiel, 1994

Bild rechts oben: Blick über die alte Trassenführung (vorn)

zum neuen Bahnhof Seifersdorf (Bildmitte) mit

eingefahrenem Güterzug und Felspartie noch ohne Bewuchs Foto: Sammlung Thiel

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Folie 11

Malter – „kein Stein bleibt auf dem Alten“

Bahntrasse von 1881/1882

Malter: Haltepunkt und Güterladestelle (30.11.1882)

Ladestelle Wendisch-Carsdorf (01.08.1883)

Malter: Haltepunkt wird zum Bahnhof (Mai 1890)

1. Ausweichtrasse 511 m lang (15.07.1909) + Ausbruch Umlaufstollen + Feldbahnkreuzungen

2. Ausweichtrasse 675 m lang (21.08.1911) + ungestörter Feldbahnbetrieb + Steinwäsche

Neue Bahntrasse eröffnet am 24. April 1912.

Grafik: Thiel, 1994

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Folie 12

Talsperrenbau – Statistik des Güterverkehrs

~3fach

~1,5fach

~6fach

Grafik: Thiel, 1994

Talsperre Malter - Trassenführung und Betrieb der Weißeritztalbahn 27.03.2013

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Folie 13

Talsperrenbau – Güterverkehrfahrplan

• vier Güterzüge für den

Baustofftransport

Ø 22 Regelspurwagen/d

• Hainsberg:

6 IV K Regeldienst (1911: 4)

1 IV K Reserve

1 I K Rangierdienst

• Kipsdorf:

3 IV K Regeldienst

Abbildung: Thiel, 2013

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Folie 14

Talsperrenbau – Güterverkehrfahrplan

Bild links oben: Baustelle des Turbinenhauses der Talsperre

mit Güterwagen auf den Gleisen der aufgegebenen alten

Streckenführung (1913) Foto: Haus der Heimat Freital

Bild links oben: aufgebockte regelspurige Güterwagen stehen

zum Entladen auf dem Anschlussgleis an der Sperrmauer

(1913) Foto: Sammlung Thiel

Bild links unten: Feldbahnbetrieb der Baustelle der

Sperrmauer (1912) Foto: Sammlung Thiel

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Folie 15

„Baustellentourismus“ sonntags abends im 20-min-Takt

i

• Fahrdienstleiter in allen Bf

• Zugkreuzungen im „2-min-Plan“

• Hainsberg - Dippoldiswalde:

3 Züge/h+Ri, bis zu 700 Reisende/Zug!!!

• „Badezug“ bis zur Einstellung Gv 1994

Abbildung: Thiel, 2013

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Folie 16

Talsperren-Tourismus 1915 ff.

i

Forderung der Generaldirektion:

zukünftig 5 Züge/(Stunde und Richtung)

Untersuchung zum Eisenbahnbetrieb

anhand des Bildfahrplans 1914

Bau zwei neuer Kreuzungsbahnhöfe

bei km 3,37 im Rabenauer Grund

bei km 13,00 am Ufer des Malterstausees

Ausbruch und Folgen des Ersten Weltkrieges

lassen diese Pläne vergessen.

Quelle: Hauptstaatsarchiv Dresden

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Folie 17

Bahnhofsgebäude – knapp gebaut und erweitert: Bf Malter

Bild oben: Bahnhofsgebäude Malter 1912 Foto: Deutsche Fotothek Dresden

Bild links: Bauzeichnung des Empfangsgebäudes

Malter mit der Erweiterung zu Pfingsten 1914 Quelle: DB Station&Service AG

Talsperre Malter - Trassenführung und Betrieb der Weißeritztalbahn 27.03.2013

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Folie 18

Bahnhofsgebäude – knapp gebaut und erweitert: Bf Seifersdorf

Bauzeichnung des Empfangsgebäudes Seifersdorf

mit der Erweiterung des Wartetraums 1928 Quelle: DB Station&Service AG

Die Gesamtanlage des Bahnhofs

Seifersdorf wird von einer

Arbeitsgruppe der

IG Weißeritztalbahn (IGW) e. V.

restauriert und gepflegt.

Dafür wurde die IGW im Jahr 2010

mit dem 3. Preis des

Claus-Köpcke-Preises

ausgezeichnet.

www.bahnhof-seifersdorf.de

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Folie 19

• Talsperre Mauer

Fluss: Bober, 1908 – 1912,

zeitgleich gebaut mit Nebenbahn Hirschberg (Schlesien) – Löwenberg (Schlesien) –

Siegersdorf – Lorenzdorf – Sagan

• Talsperre Breitenhain - Schlesier-Talsperre –

Fluss: Weistritz, 1912 – 1914

ohne Bahnverlegung

• Staubecken Ottmachau

Fluss: Glatzer Neiße, Baugebinn 1924

Strecke Raudten – Camenz (Schles.) – Kandrzin am späteren Nordufer

des Staubeckens nach Norden „verdrückt“

á la Malter: Talsperren in Schlesien

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Folie 20

Streckenverlegung der Hauptbahn

Karl-Marx-Stadt – Aue -Adorf

in 5 Varianten untersucht,

jedoch nicht ausgeführt!

á la Malter – Talsperre Eibenstock (1970 - 1976)

Grafik aus: Köckeritz; Volkmar; Liebl, L.:

Der Bau der Talsperre Eibenstock. – in: Eisenbahnpraxis 11 (1967) 5, 156 – 165

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Folie 21

á la Malter – Talsperre Berga – Kelbra (1962 – 1966)

Streckenverlegung der Hauptbahn Halle (Saale) – Nordhausen – Kassel

Trassierung außerhalb des maximal möglichen Hochwasserstauraums

Karte: © Schweers+Wall, 2008

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Folie 22

á la Malter – Innerste-Talsperre (1965)

Streckenverlegung der Nebenbahn Langelsheim – Altenau (Oberharz)

neue Trasse 7,211 km lang, Inbetriebnahme 10. Sept. 1964

Hochwasserschutz und Freizeitgewässer

Karte:

© Schweers+Wall, 2008

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Folie 23

á la Malter – Biggetalsperre (1956 - 1965)

Streckenverlegung der Nebenbahn Finnentrop – Olpe

neue Trasse 9,434 km lang, Inbetriebnahme 10. Sept. 1964

Hochwasserschutz und Freizeitgewässer

Karte: © Schweers+Wall, 2008

Talsperre Malter - Trassenführung und Betrieb der Weißeritztalbahn 27.03.2013

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Folie 24

a la Malter – Talsperre Pirk (1935 - 1938)

Streckenverlegung der Hauptbahn Plauen (Vogtl) ob – Eger

neue Trasse zwischen Bf Pirk und heutiger Vorsperre Dobeneck

Hochwasserschutz und Freizeitgewässer

Karte: © Schweers+Wall, 2008

Talsperre Malter - Trassenführung und Betrieb der Weißeritztalbahn 27.03.2013

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Folie 25

á la Malter – Möhnetalsperre (1908 - 1913)

Streckenverlegung der Nebenbahn Soest – Brilon (Westfälische Eisenbahn)

neue Trasse im Ort Wamel mit neuem Bahnhof (1. Mai 1912), nur 6 m höher gelegt!

Hochwasserschutz und Freizeitgewässer

Karte:

© Schweers+Wall,

2008

Talsperre Malter - Trassenführung und Betrieb der Weißeritztalbahn 27.03.2013

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Folie 26

Talsperre Malter - Weißeritztalbahn

erste Eisenbahnverlegung Deutschlands in Folge eines Talsperrenbaus

stufenweise Erweiterung

nahezu vollständige Erhaltung (Denkmal, Filmkulisse)

erste Stampfbeton-Eisenbahnbrücke Deutschlands (von 1881/82)

noch heute vorhanden

Foto: Thiel, 2012

Talsperre Malter - Trassenführung und Betrieb der Weißeritztalbahn 27.03.2013

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Folie 27

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Kontaktadresse:

Brandenburgische Technische Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg

Lehrstuhl Eisenbahnwesen

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Hans-Christoph Thiel

Platz der Deutschen Einheit 1, 03046 Cottbus

Tel. +49 355 69-2111, Fax -3739

[email protected]

www.b-tu.de/fg-eisenbahn

Talsperre Malter - Trassenführung und Betrieb der Weißeritztalbahn 27.03.2013

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Folie 28

… ´was als Zugabe: Sächsische Sparsamkeit - Malter 1882

Planung einer Wartehalle für Malter/Paulsdorf + Zweiggleis zur Paulsdorf Mühle

Billiger: Gastraum des Malter-Gasthofes ist Warteraum, Wirt verkauft Fahrkarten,

Verzicht auf Wartehalle, Protest der Paulsdorfer Bürger wegen längeren Weges

Quelle: Hauptstaatsarchiv Dresden