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Torbjorn Nilsson and Patrick Svensson, "Gotiska. Grammatik, text och ordforklaringar"

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Page 1: Torbjorn Nilsson and Patrick Svensson, "Gotiska. Grammatik, text och ordforklaringar"

Review

Torbjorn Nilsson & Patrick Svensson,Gotiska. Grammatik, text och ordfo¨rklaringar.Studentlitteratur, Lund 1997. 124 S. ISBN 91-44-00238-6.

Ungeachtet der vielbeachteten theoretischen Fortschritte der synchronen Linguistikbesteht unzweifelhaft auch heutzutage ein grosses Interesse fu¨r die Sprachgeschichte;dieses zu fo¨rdern ist eine dringliche Aufgabe. So meinen es gleichfalls Torbjo¨rn Nilssonund Patrick Svensson, wie sie in der Einleitung ihres neuerdings erschienenen Lehrbuchesder gotischen Sprache die Beweggru¨nde ihres lobenswerten Unternehmens darstellen.

Bemerkenswert ist das Sprachgewand der Arbeit. Zwar hat die gotische Philologie einelange Tradition in Schweden, aber es sind fast 150 Jahre her, seitdem eine auf Schwedischgeschriebene Einfu¨hrung ins Gotische erschienen ist, na¨mlich ein langst in Vergessenheitgeratenes Buch von dem grossen Erforscher des Codex argenteus Anders Uppstro¨m(1850). Zu hoffen ist jetzt, dass der zahlenma¨ssig beschra¨nkte potentielle Leserkreis diegunstige Gelegenheit ausnu¨tzen wird, sich mit der fu¨r die nordische und germanischeSprachwissenschaft so wichtigen gotischen Sprache vertraut zu machen.

Keine ubermassigen Anstrengungen sind dabei vonno¨ten, denn das neue Lehrbuch hateinen recht beschra¨nkten Umfang. Die eigentliche grammatische Darstellung umfasst 60Seiten, wozu noch 40 Seiten mit Text und sprachlichem Kommentar hinzukommen. DieBezeichnung Abriss ist hier angebracht. Nur wenige von den vielen strittigen Problemendes Gotischen konnten im Rahmen der knappen Darstellung behandelt werden. Fu¨r eineVertiefung der Kenntnisse hat man zu den Standardwerken von Krause (1968) undBraune-Ebbinghaus (1981) und noch anderen zu greifen. Auf diese sowie auf weitereLiteratur zum Thema verweist ein dankenswert ausfu¨hrliches Schrifttumsverzeichnis amEnde der Arbeit.

Kurzgefasst aber u¨bersichtlich sind die einleitenden Abschnitte u¨ber das Alphabet, dieuberlieferten Texte und die sprachgeschichtliche Stellung des Gotischen. Fu¨r die Anfangerhilfreich ist auch die U¨ bersicht der Struktur der Wurzelmorpheme des Indoeuropa¨ischen.Ahnlich padagogisch einsichtsvoll ist die wiederholt den Studierenden gegebeneEmpfehlung, die Texte laut vorzulesen, wodurch das Einpauken der Flexionsmustererleichtert werde. Es sei hinzugefu¨gt, dass das laute Lesen einen ganz besonderen Kontaktauf der rein gefu¨hlsmassigen Ebene mit dieser herb-schwerfa¨lligen, ehrwurdigen Sprachebringt.

Nicht alles in dem Buch ist aber einwandfrei. Eigenartig ist die einleitende Darstellungdes Vokalismus. Zuerst wird (auf S. 24) gesagt, das Gotische du¨rfte funf Vokalphonemegehabt haben, /i/ /e/ /a/ /o/ /u/, die sowohl kurz als auch lang sein konnten. Demnach wa¨reuberraschenderweise kein phonemischer Unterschied zwischen langen und kurzenVokalen vorhanden gewesen. Eben diese Auffassung haben fru¨her einige amerikanischeStrukturalisten vertreten, aber auf S. 25 wird gegen diese Ansicht polemisiert!

Uber die Frequenz der Phoneme wird gesagt, dass sechs von ihnen ha¨ufig, vier dagegenselten seien, wozu noch drei diphthongische Phoneme zu verzeichnen wa¨ren. Dies besagt,dass man man zu einer Gesamtzahl von dreizehn vokalischen und diphthongischenPhonemen im Gotischen ka¨me. Weiterhin heisst es, dass sich diese Darstellung desgotischen Vokalismus auf die kleinst mo¨gliche Anzahl von Phonemen gru¨nde. Sind dafunf oder dreizehn oder wie viele Phoneme gemeint? Es ist dies ein ganz nachla¨ssigerGebrauch des seit Jahrzehnten denkbar gru¨ndlich definierten und diskutierten BegriffesPhonem.

Ein Abschnitt, S. 25 f., gibt Beispiele von spa¨tgotischen, nicht zum wulfilanischenGotisch geho¨renden lautlichen Vera¨nderungen, die durch Schriftformen gotischer Namenbezeugt sind. Abschliessend wird u¨ber hyperkorrekte Schreibformen gehandelt, eine

Studia Neophilologica 71: 271–272, 1999

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Darstellung die aberkeinemLeser,besonders nicht dem Anfanger,verstandlich ist. Esheisstdort,dassbeidiesenhyperkorrektenFormenderaltereLautstanderhalten,zuweilenauchauf fehlerhafteWeiseangewandtsei.Altere, archaisierendeSchriftformensindabernicht dasselbe wie hyperkorrekte Formen, von denenzugleich gilt, dasssie ebenperdefinitionem fehlerhaft sind. Bei hyperkorrekten Formen handelt es sich um eineKonfrontationvon zwei Sprachsystemen,von denendaseinehoherenStatushatunddenAnlasszu missversta¨ndlich begrundeten Analogieschlussengibt. WelcheSprachsystemehier im Spiel sind,wird nicht angegeben.Aus denscharfsinnigenAusfuhrungen NorbertWagners (1992u.a.),denendieangefuhrtenFalle entnommensind, gehtaberhervor, dassessich um dasVerhaltnis zwischendemklassischen Latein und demVulgarlatein bzw.Fruhromanischenhandelt. Ein Namewie *Odebert wird von romanischenSchreibern alsAudebertuswiedergegeben,weil klassischlateinischesau im Romanischenzuo gewordenwar. Die Namensform Hosbut als Wiedergabe von got. *Osboþ verdankt ihr h derTatsache,dassanlautendesh im Romanischengeschwundenwar. DieseFalle habenimGrundewenig mit dergotischenSprachezu tun, unddasAnfuhrenderartiger Formenindiesem Lehrbuch erscheint recht uberflussig.

DerTextteil enthalt diedreierstenKapitel desEvangeliumsdesMarkus.Danebenwirdder entsprechendeText der schwedischen Ubersetzungvom Jahre1917wiedergegeben.Warum nicht die neuesteschwedischeUbersetzung,die vom Jahre1981,herangezogenwurde, wird nicht angegeben, ist aberdurchausverstandlich, da sie ofters eine freiereUbersetzung aufweist. Aber auch die 1917er Ubersetzungstellt keine wortli cheEntsprechungzumgotischenText dar.Vergleichez.B. Mc 1:4: wasIohannesdaupjandsin auþida—‘i enlighetharmed upptradde Johannes dopareni oknen’. Der Kommentargehtaberauf solcheFalle nicht ein.

Dagegenwird die UbersetzungstechnikWulfi laserortert, wassehrzu begrussenist, dakeine dermir bekanntenGrammatiken desGotischendieseinteressanteFragebehandeln.Nur hatte der Kommentar hier gerneausfuhrlicher sein konnen und hatte nicht an soversteckter Stelle wie jetzt, als Kommentar zum Vers 1:3, sondern als selbsta¨ndigerAbschnitt stehensollen.

Eine Verbform im Vers 2:12 war Gegenstandgeteilter Meinungen der Forscher. ImKommentarzu dieserStelle steht,S. 102 f., dassvon den zur Debattestehenden zweiFormengasehrum—gasehrundie erstere gewahlt wordensei.Im Textteil, auf S.80,stehtabergasehrun!!

Bei der Betrachtungder doch nicht zu bestreitendenVerdienste diesesdurchauszubegrussenden Lehrbuches ist es als eine willkommene Bereicherung unserer philolo-gischenLehrmittel zu bezeichnen.

Lars HermodssonFlogstav.5B

SE-75273 Uppsala

BIBLIOGRAPHIE

Braune,W., 1981.GotischeGrammatik. 19. Aufl. bearb.von ErnstA. Ebbinghaus.Tubingen.Krause,W., 1968.HandbuchdesGotischen. 3. Aufl. Munchen.Uppstrom, A., 1850. Aiwaggeljo þairh Matþaiu eller Fragmenterna af Matthaei Evangeliumpa Gotiska.

Uppsala.Wagner,N., 1992.Sisebutus,Hosbut,Witiza undandere.Zu romanischen Einflussenauf gotischePersonenna-

men.In: Beitragezur Namenforschung. NeueFolge27: 268–289.

272 Review StudiaNeophil71 (1999)