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STUDIEN ZU GESUNDHEIT, MEDIZIN UND GESELLSCHAFT NR. 03/ 2010 VOM 17.12.2010 *** ISSN 1862-7412 *** WWW.IGKE.DE/SGMG _____________________________________________________________________ Beiträge zur 8. Kölner Ringvorlesung Gesundheitsökonomie: Nutzenbewertung von Arzneimitteln: Ja … aber wie? ________________________________________________________________ Autoren: Referenten der 8. Kölner Ringvorlesung Gesundheitsökonomie Korrespondierender Autor: [email protected] FORSCHUNGSBERICHTE DES INSTITUTS FÜR GESUNDHEITSÖKONOMIE UND KLINI- SCHE EPIDEMIOLOGIE DER UNIVERSITÄT ZU KÖLN

TUDIEN ZU ESUNDHEIT MEDIZIN UND ESELLSCHAFT

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STUDIEN ZU GESUNDHEIT, MEDIZIN UND GESELLSCHAFT

NR. 03/ 2010 VOM 17.12.2010 *** ISSN 1862-7412 *** WWW.IGKE.DE/SGMG

_____________________________________________________________________

Beiträge zur

8. Kölner Ringvorlesung Gesundheitsökonomie:

Nutzenbewertung von Arzneimitteln: Ja … aber wie?

________________________________________________________________

Autoren: Referenten der 8. Kölner Ringvorlesung Gesundheitsökonomie

Korrespondierender Autor: [email protected]

FORSCHUNGSBERICHTE DES INSTITUTS FÜR GESUNDHEITSÖKONOMIE UND KLINI-SCHE EPIDEMIOLOGIE DER UNIVERSITÄT ZU KÖLN

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Die Reihe „Studien zu Gesundheit, Medizin und Gesellschaft“ umfasst Arbeits- und For-

schungsberichte des Instituts für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie der

Universität zu Köln sowie kooperierender Wissenschaftler und Institutionen.

Die Berichte und weitere Informationen zu den Forschungsberichten können im Volltext

abgerufen werden unter

http://www.igke.de/SGMG

Bitte zitieren Sie vorliegenden Bericht als

Beiträge zur 8. Kölner Ringvorlesung Gesundheitsökonomie Studien zu Gesundheit, Medizin

und Gesellschaft 2010; Köln: Ausgabe 03/2010 vom 17.12.10

mit dem Titel des Vortrages und dem Namen des jeweiligen Referenten.

1 Einladung

Einladung zur 8. Kölner Ringvorlesung „Gesundheitsökonomie“ am 1. Dezember 2010 Sehr geehrte Damen und Herren, am Mittwoch, den 1. Dezember 2010, findet die nunmehr 8. Kölner Ringvorlesung „Gesundheits-ökonomie“ statt, zu der wir Sie herzlich einladen. Im Mittelpunkt steht das Thema:

„NUTZENBEWERTUNG VON ARZNEIMITTELN: JA… ABER WIE?“ Hintergrund des Themas ist der Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung für die Arzneimittelversor-gung, welcher pharmazeutische Unternehmen zukünftig verpflichtet, den Nutzen für neue Arzneimittel nachzuweisen und innerhalb eines Jahres nach Zulassung, den Preis des Arzneimittels mit dem GKV-Spitzenverband auszuhandeln. Im Kern geht es um eine Schnellbewertung des Nutzens binnen drei Monaten und dies zu einem Zeitpunkt, zu dem praktisch keine Daten aus der Regelversorgung vorlie-gen. Der Nachweis des Nutzens innovativer Arzneimittel und eine darauf beruhende Preisfestsetzung dürf-te nach unserer Einschätzung die Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung deutlich verbessern. Wir sind überzeugt, dass die hochkarätigen Referenten dies umfassend begründen werden. Einzelhei-ten entnehmen Sie bitte dem beiliegenden Flyer. Für kontroverse Diskussionen mit dem Auditorium wird genügend Zeit eingeplant. Diese Veranstaltung richtet sich nicht nur an Studierende, sondern wie in den vergangenen Jahren auch an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kliniken Kölns und allen anderen Gesundheitsein-richtungen. Selbstverständlich ist die TEILNAHME IST KOSTENFREI. Weitere Informationen erhalten Sie im Internet (www.igke.de) oder per E-Mail an [email protected]. Über Ihren Besuch würden wir uns sehr freuen. Mit besten Grüßen

Priv.-Doz. Dr. Markus Lüngen Prof. Dr. Eckart Fiedler

4

2 Liste der Referenten in alphabetischer

Reihenfolge:

• PROF. DR. MED. ECKART FIEDLER, IGKE Köln

• PROF. DR. MED. GERD GLAESKE, Zentrum für Sozialpolitik, Uni Bremen

• Prof. DR. MED. Michael Hallek, Direktor Klinik I für Innere Medizin

• PD DR. RER. POL. MARKUS LÜNGEN, IGKE Köln

• WOLFGANG KAESBACH, Abteilungsleiter Arznei- und Heilmittel beim GKV

Spitzenverband

• DR. THOMAS KAISER, Leiter Ressort Arzneimittelbewertung beim IQWiG

• DR. HEINZ RIEDERER, Geschäftsführung Sanofi-Aventis Deutschland

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3 Vorträge

8

3.1 PROF. DR. GERD GLAESKE, Zentrum für Sozialpolitik,

Universität zu Bremen

16.12.2010

1

1

8. Kölner Ringvorlesung „Gesundheitsökonomie“am 1. Dezember 2010

8. Kölner Ringvorlesung „Gesundheitsökonomie“am 1. Dezember 2010

Sicherung der Finanzierung durch Leistungspriorisierung

Sicherung der Finanzierung durch Leistungspriorisierung

Prof. Dr. Gerd GlaeskeUniversität Bremen, Zentrum für Sozialpolitik (ZeS), Abteilung Gesundheitsökonomie, Gesundheitspolitik und VersorgungsforschungKein Interessenskonflikt im Sinne der Uniform Requirements for Manuscripts submitted to Biomedical Journals der ICMJE

2 Finanzierung in der GKV – „Einnahmeimplosion“

16.12.2010

2

3 GKV 2009: Gesamtausgaben 170,8 Mrd. € - für Leistungen 160,6 Mrd. € (+6,2%)(ohne Zuzahlungen der Versicherten 4,8 Mrd. €

Seit 2004 – 2008Ärztliches Honorar + 10,4%Krankenhaus + 10,8%Arzneimittel + 33,4%

4 Arzneimittelversorgung in der GKV

Verordnungen und Umsatz im GKV-Fertigarzneimittelmarkt 1991-2008

nach: Schwabe & Paffrath, 2009

16.12.2010

3

5

Für die GKV-Versorgung (ca. 90% der Bevölkerung) stehen 2011 etwa 181 Mrd. Euro zur Verfügung

Die Herausforderung in der GKV: Mit diese finanziellen gMitteln für alle Patientinnen und Patienten auch weiterhin verlässlich eine Therapie nach dem allgemein anerkannten Kenntnisstand unter Berücksichtigung des therapeutischen Fortschritts zur Verfügung zu stellen

Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit, Qualität und Angemes-senheit Patientennutzen und Lebensqualität

senheit, Patientennutzen und Lebensqualität

Die GKV hat immer – beitragsbedingt - begrenzte Mittel, die Allokationsgerechtigkeit ist deshalb die wesentliche Herausforderung im Alltag der medizinischen Versorgung

6

Effektivität und Effizienz müssen in jedem Entscheidungsfall überdacht werden: Mit weniger Ressourcen als bisher das gleiche Ziel und mit den gleichen Ressourcen ein besseres Ziel erreichen

Effizienzoptimierung bezieht sich allerdings nicht nur auf die einzelne Leistung, sondern auch auf das System:- Schnittstellen sind eine wesentliche Ursache für Ineffizienzen- Die Arztzentrierung in unserem System ebenfalls, Professionen- und Aufgabenmix wären notwendig (z.B. zwischen ärztlicher und pflegerischer Versorgung)

- transsektorale Nutzen- und Kosten-Nutzenbewertungensind überfällig: Wer kann welche notwendigen und sinnvollen Leistungen auf welcher Ebene am besten erbringen

16.12.2010

4

7

Die Ökonomie war immer schon Teil des medizinischen Systems, sie hilft bei begrenzten Mitteln Effizienz und Allokationsgerechtigkeit auf der Basis des Vergleichs herzustellenherzustellen

Die neue Diskussion betrifft die Merkantilisierung des Systems: IGeL-Angebote, Über- und Fehlversorgung (z.B. Herzkatheterisierungen, Arthroskopien, Neuroleptika in Pflegeheimen)

Das Gleiche gilt für die betriebswirtschaftliche Dominanz in

Das Gleiche gilt für die betriebswirtschaftliche Dominanz in vielen Einrichtungen des Gesundheitswesens, z.B. in den DRG-orientierten Krankenhäusern: „Machen Sie weniger MS und mehr Schlaganfälle!“

8 Ökonomische Antworten auf ethische Fragen

Priorisierung: Wenn zwei Patienten gleichzeitig eine Notfall-Behandlung brauchen, aber nur ein Arzt im Dienst ist, muss er sich entscheiden, wer zuerst an die Reihe kommt Für diese Priorisierung gibt es in Ländern wiekommt. Für diese Priorisierung gibt es in Ländern wie Schweden, Norwegen oder Finnland festgelegte Rangfolgen, an denen sich Ärzte orientieren können.

Die Priorisierung legt auch Rangfolgen für den Einsatz der indikationsbezogenen finanziellen, personellen und institutionellen Ressourcen in der Versorgung fest.

Voraussetzung für eine Priorisierungsentscheidung ist aber das Ergebnis einer Nutzenbewertung, die eine Überlegenheit der jeweiligen Intervention zeigt (Zusatznutzen gegenüber anderen Maßnahmen)

16.12.2010

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9 Ökonomische Antworten auf ethische Fragen

Eine Leistungspriorisierung kann nur dann zur Finanzierungs-sicherung herangezogen werden, wenn unnötige Leistungen gar nicht erst zur Anwendung kommen

Eine Nutzenbewertung und Evidenzorientierung ist daher immer als Basis notwendig, um im Rahmen einer Effizienz-optimierung eine Leistungspriorisierung anzuwenden

Nicht alle angebotenen Leistungen sind notwendig, eine Priori-sierung nach Nutzen- und Wirtschaftlichkeitskriterien sind daher Anforderung in der täglichen Behandlungsentscheidung

daher Anforderung in der täglichen Behandlungsentscheidung

Beispiel Arzneimitteltherapie: Priorität solcher Leistungen, für die nicht nur ein absoluter, sondern auch ein relativer Nutzen und Zusatznutzen belegt ist (Ergebnis im Vergleich!)

10 Priorisierungsentscheidungen nicht auf Zulassungsbasis!

Die Zulassung eines Arzneimittels bedeutet eine absolute Entscheidung über die efficacy (Wirksamkeit), nicht über die relative effectiveness (Nutzen), schon gar nicht über das

A ß iAusmaß eines Zusatznutzens

Zulassungsstudien sind mit Ein- und Ausschlusskriterien als typischerweise Placebo-kontrollierte Studien nach AMG ange-legt, die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die reale Versor-gung ist daher zweifelhaft

Erst gezielt durchgeführte Vergleichsstudien nach der Zulassung

Erst gezielt durchgeführte Vergleichsstudien nach der Zulassung im Rahmen der Versorgung könnten einen Zusatznutzen neuer Arzneimittel im Vergleich zeigen (Beispiel ACE-Hemmer vs. Sartane)

16.12.2010

6

11 Health Technology Assessment:Efficacy vs. Effectiveness

EfficacyEfficacy EffectivenessEffectiveness• explanatory trials• highly selected

populations• comparator: placebo• outcomes: clinical,

morbidity, mortality,

• pragmatic trials• few exclusions• comparator: ‘current

(best) practice’• outcomes: patient-

focused, down-stream

y, y,adverse effects

• ‘what it says on the packet

,resources

• ‘the real life effect’Evidence GapEvidence Gap

12 Neu eingeführte Arzneimittel der Jahre 1994 bis 2009

35

40

45GesamtzahlInnovative Wirkstoffe (Klasse A)Verbesserung (Klasse B)

5

10

15

20

25

30

0

5

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

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13 Markteinführung innovativer Arzneistoffe mit der Anzahl innovativer und verbesserter Wirkstoffe

Jahr Gesamt-zahl

Innovative Wirkstoffe

Klasse A (Anteil in %) Verbesserung

Klasse B (Anteil in

%)

1994 21 7 (33,33%) 10 (47,62%)

1995 32 12 (37,50%) 9 (28,13%)

Innovative Wirkstoffe Klasse A

Keine Verbesserung

1996 40 11 (27,50%) 13 (32,50%)

1997 41 8 (19,51%) 9 (21,95%)

1998 35 12 (34,29%) 5 (14,29%)

1999 29 11 (37,93%) 2 (6,90%)

2000 31 13 (41,94%) 9 (29,03%)

2001 33 15 (45,45%) 7 (21,21%)

2002 28 10 (35,71%) 5 (17,86%)

2003 17 7 (41,18%) 3 (17,65%)

2004 33 15 (45,45%) 3 (9,09%)

Verbesserung Klasse B

2005 21 10 (47,62%) 2 (9,52%)

2006 27 17 (62,96%) 8 (29,63%)

2007 31 17 (54,84%) 4 (12,90%)

2008 29 12 (41,38%) 7 (24,14%)

Gesamt 448 177 (39,51%) 96 (21,43%)

14Industrieumsätze der führenden 20 Arzneimittel in Deutschland (2009; ohne Diabetes-Teststreifen) – Gesamt 25,2 Mrd. €

Rang Arzneimittel (Hersteller) (Wirkstoff)Industrieumsatz in Mio. € +/- in % gegenüber 2008

Anwendungsgebiet

1 Humira (Abbott) (Adalimumab) 310 Mio. (rp) + 33,3 u.a. Rheumatoide Arthritis

2 Enbrel (Wyeth) (Etanercept) 265 Mio (rp) + 29 7 u a Rheumatoide Arthritis2 Enbrel (Wyeth) (Etanercept) 265 Mio. (rp) 29,7 u.a. Rheumatoide Arthritis

3 Glivec (Novartis) (Imatinib) 208 Mio. (rp) + 7,8 Krebs

4 Symbicort (AstraZeneca) (ß-2 + Corticoid) 203 Mio. (rp) + 6,8 Asthma / COPD

5 Spiriva (Boehr.-I.) (Tiotropium) 201 Mio. (rp) + 15,7 COPD

6 Rebif (Merck) (Interferon beta-1a) 193 Mio. (rp) + 8,0 Multiple Sklerose

7 Copaxone (Sanofi-Aventis) (Glatiramer) 169 Mio. (rp) + 20,1 Multiple Sklerose

(Glatiramer)

8 Viani (GlaxoSmithKline) (ß-2 + Corticoid) 168 Mio. (rp.) + 1,3 Asthma / COPD

9 Lyrica (Pfizer) (Pregabalin) 158 Mio. (rp) + 24,4 Epilepsie; Neuropathischer Schmerz

10 Seroquel (AstraZeneca) (Quetiapin) 157 Mio. (rp) + 8,9 u.a. Schizophrenie

16.12.2010

8

15 Fortsetzung

11 Avonex (Biogen Idec) (Interferon beta-1a) 150 Mio. (rp) + 10,9 Multiple Sklerose

12 Inegy (MSD) (Simvastatin + Ezetimib) 149 Mio. (rp) - 0,9 Zu hoher Cholesterinspiegel

13 Betaferon (Bayer) (Interferon beta-1b) 144 Mio. (rp) – 10,7 Multiple Sklerose13 Betaferon (Bayer) (Interferon beta 1b) 144 Mio. (rp) 10,7 Multiple Sklerose

14 Lantus (Sanofi-Aventis) (Analoginsulin) 127 Mio. (rp) + 3,1 Diabetes

15 Sifrol (Boehr.-I.) (Pramipexol) 117 Mio. (rp) + 1,6 Parkinson

16 Omep (Hexal) (Omeprazol) 117 Mio. (rp.) + 0,2 z.B. Magen-Darm-Ulzera

17 Clexane (Sanofi-Aventis) (Enoxaparin) 116 Mio. (rp.) + 14,6 Thromboseprophylaxe

18 Plavix (Sanofi- Aventis) (Clopidogrel) 107 Mio (rp) + 3,1 u.a. Infarktprophylaxe

19 Zyprexa (Lilly) (Olanzapin) 102 Mio. (rp) + 165,9 u.a. Schizophrenie

20 Tebonin (Schwabe) (Ginkgo) 100 Mio. (OTC) + 0,9 u.a. Gedächtnisstörungen

Gesamtumsatz Pharmaindustrie 2009 25.165,3 Mio. Euro (+ 4,2%)1,6 Mrd. Packungen

16Ezetimib & Statin: ein gutes Team?

16.12.2010

9

17

Kastelein et al.; NEJM, 358 (14): 1431-1443 (2008)

18

SZ; 1. April 2008, S19 Thema: Inegy

16.12.2010

10

19

Symbicort L-Thyroxin Hen. Ramipril HexalViani Diclofenac-ratio SimvaHEXAL

TOP 10 Arzneimittel „Hausärzte“ (BARMER GEK 2009)nach €-Brutto nach VO nach DDD

Enbrel Thyranojod L-Thyroxin HenHumira MetoHEXAL ThyranojodGlivec Diclac Ramipril ratioPlavix L-Thyrox Hexal Simvastatin ratInegy Voltaren/Migräne MetoHEXAL

Nexium Novaminsulfon rat. L-Thyrox HEXALPantozol Omep MarcumarSpiriva Euthyrox Simvabeta

20

Industrieunabhängige „Gegenöffentlichkeit“ herstellen!

16.12.2010

11

21

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Es ist der Widerspruch von Marketing und Wissenschaft, der ÄrztInnen und PatientInnen in ihren Entscheidungen und in ihrer Sicherheit beeinflusst („Informations- und Entscheidungsbias“)g )

Ezetemib steht noch immer im Verdacht, auf Dauer kanzerogen zu wirken, neuer Studien aus Köln weisen auf ein erhöhtes Risiko für Gefäßerkrankungen hin

„Innovation“ und Priorisierung mit Schadenspotenzial, indirekt für Ärzte, direkt für Patienten

Zudem ist das Mittel 7mal teurer als therapeutisch gleichwertige Simvastatin-Generika (fragwürdige Effektivität führt zur fragwürdigen Effizienz)

16.12.2010

12

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16.12.2010

13

25Ethische Diskussionen über eine angemessene Behandlung sind überfällig….

26 Wie können wir auch künftig die onkologische Therapie sicherstellen?

16.12.2010

14

27

Prof. Dr. Ludwig, AKdÄ

28 Ausblick auf die zukünftigen Diskussionen

Was dringend erforderlich ist: Wissenschaftsinitiierte, arztinduzierte, herstellerunabhängige, versorgungsrelevante Studien nach der Zulassung (Beispiele wie in der USA (NIH), Italien, Spanien, GB (NHS))Die vorliegende „Zulassungsevidenz“ muss herstellerunabhängig ergänzt werden: AMG und SGB V sind unterschiedlich in der Anforderungen: Hier Wirksamkeit, Unbedenklichkeit, pharmaz. Qualität (Efficacy), dort therapeutische Wirksamkeit/Nutzen (effectiveness)Kombinieren mit neuen Honorierungs- und Organisationsformen (P4P, § 73 d SGB V, Center of Excellence)

( § )Öffentliche Gelder/GKV-Beiträge für industrieunabhängige Studien einsetzen - § 35 c SGB V: 0,5% der Ausgaben für Arzneimittel (wären 150 Mio. €), entspricht 0,015 Beitragssatzpunkte

16.12.2010

15

29 Ausblick auf die zukünftigen Diskussionen

Defizite in Zulassungsstudien bekannt: Design, fragliche Endpunkte, vorzeitiger Abbruch, Beobachtungsdauer, Risiken, „publication bias“Statistische Signifikanz nicht gleichbedeutend mitStatistische Signifikanz nicht gleichbedeutend mit klinischer Relevanz, neue Wirkstoffe nicht gleichbedeutend mit therapeutischer InnovationVergleich mit Standard häufig unzureichendExterne Validität oftmals fraglich (Selektionsbias, nicht-repräsentative Populationen)Anstieg der Kosten für onkologische Arzneimittel

Anstieg der Kosten für onkologische Arzneimittel entwickelt sich „schneller“ als Nutzennachweise vorliegenUnübersehbar: Wachstumsmarkt Onkologie

30 Wir brauchen neue Konzepte…

Kein Arzneimittel darf ohne ein planbares Procedere im Bereich der GKV verordnungs- und erstattungsfähig werdenDer Anstieg der Kosten für die Arzneimitteltherapie entwickelt i h h ll l di N h i N t d Z tsich schneller als die Nachweise von Nutzen und Zusatz-

nutzenDenkbare Interventionen:- 4. Hürde (Einschluss oder Ausschluss aus dem GKV-System), auch mit Kassen spezifischen Listen

- Verhandlungen auf der Basis von Kosten-Nutzen-Bewertungen die obligatorisch für neue Arzneimittel nach

Bewertungen, die obligatorisch für neue Arzneimittel nach der Zulassung auf der Basis von Studien durchgeführt werden müssen – neue Preisfestsetzung und Verhandlungen der Bewertung (Höchstbetrag!)

16.12.2010

16

31 Wir brauchen neue Konzepte…

Freier Marktzugang muss von Beginn an mit zentralen Preisverhandlungen gekoppelt werdenPreisverhandlungen mit Kassen können nur auf einer (vorläufigen) ersten Höchstbetragsdiskussion aufsetzen(vorläufigen) ersten Höchstbetragsdiskussion aufsetzenVersorgungsforschung muss obligatorisch zur Bestimmung der therapeutischen Wirksamkeit unter „Echtbedingungen“ durchgeführt werden, nach 3 – 5 Jahren erneute Kosten-Nutzen-BewertungErgänzung durch Preis-Volumen-Abkommen (degressiver Preis bei steigendem Absatz)

Preis bei steigendem Absatz)Es sind konsequente und faire Regelungen notwendig –„Money for Value, Value for Money“, keine „Mondpreise“ bei marginalem Zusatznutzen!

32 Zusammenfassung und Fazit

Der wichtigste Regelungsbedarf besteht bei den Spezial-präparaten – Priorisierungen sind derzeit nicht gesichertOnkologika, MS, Rheumatoide ArthritisDas Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) bietet für diese Arzneimittelgruppe (ca. 2,5% der VO, aber 27% der Ausgaben) keine überzeugende Lösungen anRabattverträge können eine notwendige Kosten-Nutzen-Bewertung auf der Basis industrieabhängiger Bewertungen „wegkaufen“ – G-BA darf allerdings Zusatzstudien fordern

„ g gNotwendig: Prozeduralisierte Konzepte zur kontrollierten Einführung neuer teurer Produkte „Solisten“…und genau an dieser Stelle versagt das AMNOG…..

16.12.2010

17

33Keine Sorge, die Politik kennt die richtige Richtung – wenn da nur die vielen Lobbyisten nicht wären…..

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

34

Vielen Dank für Ihre Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit…Aufmerksamkeit…

gglaeske@zes unigglaeske@zes uni bremen debremen de

[email protected]@zes.uni--bremen.debremen.de

10

3.2 PROF. DR. MED. MICHAEL HALLEK,

Direktor Klinik 1, Innere Medizin, Universität zu Köln

University HospitalsKöln - Bonn

Nutzenbewertung neuer Krebsmittel

Michael HallekDirektor Klinik I für Innere Medizin, Universitätsklinikum Köln Vorstandsvorsitzender des Vorstands Centrum für Integrierte Onkologie Köln Bonn

University HospitalsKöln - Bonn

Krebs im Jahr 2010• Steigende Inzidenz• Zweithäufigste Todesursache• Sterblichkeit 40-50%• Teilweise erhebliche Nebenwirkungen der

konventionellen Therapie– Stahl– Strahl– Chemotherapie

University HospitalsKöln - Bonn

Biologie von Krebszellen

University HospitalsKöln - Bonn

Ungehemmte Zellvermehrung

Deregulierte Aktivierung von normalen Wachstumsfaktor-Rezeptoren führt zu Krebs

Normale Zelle Krebszelle

The Biology of Cancer (© Garland Science 2007)

Wachstums-Signale: hochkomplexe Signalnetzwerke induzieren Krebs

University HospitalsKöln - Bonn

Die neuen Krebsmedikamente

University HospitalsKöln - Bonn

2000: Die Anwendung von Imatinib führt zur kompletten Rückbildung der Leukämie mit

verblüffend geringen NebenwirkungenChronische

Phase, Interferon-Versager(n=454)

Myeloische Blastenkrise

(n=229)

Hämatologisches Ansprechen 415 (91%) 66 (29%)

Komplettes zytogenetisches Ansprechen

164 (36%) 15 (7%)

University HospitalsKöln - Bonn

Paradigmen-Wechsel der OnkologieGestern• Tumor definiert durch

Lokalisation und Gewebspathologie– Mammakarzinom– Bronchialkarzinom– Pankreaskarzinom

• Usw.

• Therapie durch Stahl, Strahl, Chemotherapie

Heute• Tumor definiert durch

molekulare Signatur– „RAS-Typ“– „AKT/PTEN“-Typ– EGFR-Mutation– „p53“-Typ

• Usw.

• Molekulare Behandlung – Ambulant– Personalisiert– Geringe Nebenwirkungen

University HospitalsKöln - Bonn

Was hat das Richter-Fenster des Kölner Doms mit der Krebsdiagnostik zu tun?

University HospitalsKöln - Bonn

University HospitalsKöln - Bonn

Therapie-erfolg

TumorgewebeMolekulare Diagnose

Signatur RAS-Mutation“schlechte Prognose”

Signatur EGFR-Mutationen“gute Prognose”

Molekul. Therapie BMolekul. Therapie A

Therapie-erfolg

Therapieversagen

Das molekularbiologische “Richter-Fenster”: die Genom-Analysedefiniert die molekulare Therapie des Lungenkarzinoms

(Jürgen Wolf & Roman Thomas, CIO Köln)

Molekul. Therapie C, D, alter Standard etc.

periph. Blut

University HospitalsKöln - Bonn

Epidermal Growth Factor Rezeptor (EFGR)-Mutationenbeim Lungenkarzinom (NSCLC)

Receptor L-domain

Receptor L-domain

Furin-like domain

Kinase domain

Transmembrane regionE18

E19

E20

E21

Substitutions

In-frame deletions

Duplications/insertionsSubstitutions

Substitutions (L858R)

6%

~480 / 2500 (20%) mutation positive

6%

46%

42%

Modified from T. Lynch, Boston

University HospitalsKöln - Bonn

EGFR mutations

8/9

0/7

Gefitinib responders

Non-responders

EGFR-Mutationen beim Lungenkarzinom

Sharma, Nat Rev Cancer, 2007

University HospitalsKöln - Bonn

K-ras mutiert

Ansprechen möglich10-15%

Keine Wirkung

Nein Ja

Wolf / LCG Cologne / 300404

Steuerung der Medikation nach molekularer Diagnostik: Antikörper gegen EGF-Rezeptor beim

Dickdarmkrebs

University HospitalsKöln - Bonn

Individuelle Therapieabwägung bei chronischer lympatischer Leukämie (CLL)

Stadium Fitness Chromosomen-Defekt Therapie

Binet A-B (70% der Patienten) Irrelevant Keine

Binet C oder aktive Leukämie (30% der >Patienten)

Sehr gut

• Del(13q), Trisomie 12, del(11q)

• FCR-Chemoimmuntherapie

• Del(17p) • Allogene Stammzell-transplantation

Reduziert

• Del(13q), Trisomie 12, del(11q)

• Chlorambucil (Monotherapie)

• Del(17p) • Alemtuzumab

University HospitalsKöln - Bonn

Politische und wirtschaftliche Bedeutung

University HospitalsKöln - Bonn

Umsätze wichtiger biotechnologischer MedikamenteGesamtmarkt > 50 Milliarden Euro/Jahr

University HospitalsKöln - Bonn

Personalisierte, molekularbiologisch

begründete Krebstherapie:Wie können wir dies zu vernünftigen Kosten für alle Patienten verfügbar

machen?

2 Lösungsansätze

University HospitalsKöln - Bonn

Lösung 1

Eine unabhängige klinische Forschung ist von zentraler Bedeutung für eine

nachhaltige Qualitätssteigerung im Gesundheitswesen

Notwendigkeit und aktuelle Schwierigkeiten klinischer Forschung

zur Krebsbehandlung

University HospitalsKöln - Bonn

Studien der pharmazeutischen Industrie

Therapieoptimierungs-Studien in der Onkologie –warum?

Standard-therapie

Neues Medikament A

Endpunkt: Zulassung von Medikament A. Nachteile: keine integrierte Therapieoptimierung, kein Langzeitfollow-up.

University HospitalsKöln - Bonn

Investigator initiated trials = Interest independent trials (IIT)

Therapieoptimierungs-Studien in der Onkologie –warum?

Neues Medikament B

Neues Medikament A

Vorteile: Kompetitiver Vergleich, Langzeitfollow-up, Evidenz wird generiert unabhängig von wirtschaftlichen Interessen

University HospitalsKöln - Bonn

Investigator initiated trials = Interest independent trials (IIT)

Therapieoptimierungs-Studien in der Onkologie – warum?

Vorteile: Kritische Prüfung des optimalen Therapiesequenz unabhängig von wirtschaftlichen Interessen

Standard + B + A

A

Standard

BA

Standard

B

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Lösung Nr. 2• Die Therapie von Krebspatienten erfolgt in

forschenden Kompetenz-Zentren oder Kompetenznetzen:– Comprehensive Cancer Centers– Kompetenznetze unter Einbeziehung regionaler Partner

• Pflicht zur Dokumentation (Register)

• Qualitäts- und evidenzbasierte Therapie

University HospitalsKöln - Bonn

Zusammenfassung: Nutzenbewertung in der Onkologie angesichts rasanten Fortschritts

Molekularbiologische Wissenexplosion Differenzierte, molekulare Diagnostik Individuelle Prognoseabschätzung Personalisierte Therapie mit oft geringeren Nebenwirkungen Längeres Überleben

Künftige Anforderungen Spezifische Kenntnisse und Interdisziplinarität Neue Konzepte in der klinischen Forschung Unabhängige klinische Forschung nach Zulassung zur Kosten-

Nutzenbewertung Finanzierung dieser Forschung durch einen Pool (Pharmaindustrie,

Kostenträger, Drittmittel) Bündelung des Wissens und der Forschung in Netzwerken und Zentren

12

3.3 DR. MED. THOMAS KAISER,

Leiter Ressort Arzneimittelbewertung beim IQWIQ

14

Die frühe Nutzenbewertung

Alles anders?

T. Kaiser8. Kölner Ringvorlesung „Gesundheitsökonomie“

2

AgendaZulassung und NutzenbewertungHerausforderungen bei der Nutzenbewertung

Auswahl der EndpunkteAuswahl der KomparatorenÜbertragbarkeit auf die Situation in Deutschland

frühe und späte Nutzenbewertung

3

Zulassung vs. Nutzenbewertung Arzneimittelzulassung nach AMG (BfArM / PEI):

Zulassung von Arzneimitteln zum Verkehr Beurteilung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit

Nutzenbewertung nach SGB V (G-BA / IQWiG): Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln zu Lasten der GKVAnforderung: ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich (§12 SGB V)Beurteilung des patientenrelevanten Zusatznutzens / Nutzens eines Arzneimittels

4

Zulassung und Nutzenbewertung – keine deutsche Erfindung

5

Wirksamkeit / Nutzen nach AMG§ 1 „Intentio legis“

…im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung von Mensch und Tier für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln…nach Maßgabe der folgenden Vorschriften zu sorgen.

§ 4 Sonstige Begriffsbestimmungen(28) Das Nutzen-Risiko-Verhältnis umfasst eine Bewertung der positiven therapeutischen Wirkungen des Arzneimittels im Verhältnis zu dem Risiko

§ 25 Entscheidung über die ZulassungDie therapeutische Wirksamkeit fehlt, wenn der Antragsteller nicht entsprechend dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse nachweist, dass sich mit dem Arzneimittel therapeutische Ergebnisse erzielen lassen.

6

Fragen der Nutzenbewertung

Ist nachgewiesen, dass ein Arzneimittel einen höheren Nutzen (einen Zusatznutzen) hat als eine medikamentöse oder nicht medikamentöse Therapiealternative?

patientenrelevante Endpunkte aktive Komparatoren

Themenabhängig: Hat das Arzneimittel überhaupt einen Nutzen?Ist der deutsche Zulassungs- und Versorgungskontext berücksichtigt?

Stichwort: Übertragbarkeit

7

Methodenpapier des IQWiG: Definition von Nutzen und Schaden

Nutzenkausal begründete positive Effekte einer Intervention auf patientenrelevante Endpunkte im Vergleich zu Placebo oder einer andersartigen Scheinbehandlung

Zusatznutzen / geringerer Nutzenkausal begründete positive Effekte einer Intervention auf patientenrelevante Endpunkte im Vergleich zu einer aktiven Behandlung

Schaden / größerer Schaden / geringerer Schadenkausal begründete negative Effekte einer Intervention auf patientenrelevante Endpunkte

8

AgendaZulassung und NutzenbewertungHerausforderungen bei der Nutzenbewertung

Auswahl der EndpunkteAuswahl der KomparatorenÜbertragbarkeit auf die Situation in Deutschland

frühe und späte Nutzenbewertung

9

Patientennutzen SGB V:„Beim Patientennutzen sollen insbesondere

die Verbesserung des Gesundheitszustandes,eine Verkürzung der Krankheitsdauer,eine Verlängerung der Lebensdauer,eine Verringerung der Nebenwirkungen sowieeine Verbesserung der Lebensqualität

berücksichtigt werden.“

Endpunkte

10

Methodenpapier des IQWiG: patientenrelevante Endpunkte

MortalitätMorbidität (Beschwerden und Komplikationen)gesundheitsbezogene Lebensqualitätinterventions- und erkrankungsbezogener AufwandZufriedenheit der Patienten mit der Behandlung

Endpunkte

11

Surrogatendpunkte

Ein Surrogatendpunkt ist ein Biomarker [Merkmal], der als Ersatz für einen klinischen Endpunkt eingesetzt werden soll. Von einem Surrogatendpunkt wird erwartet, dass er den Nutzen vorhersagt („valider Surrogatendpunkt“).

Wichtig: Für die Bewertung des Zusatznutzens muss das Ausmaßder Veränderung des Surrogats auch das Ausmaß der Veränderung des patientenrelevanten Endpunktes vorhersagen.

Nach "Biomarker Definitions Working Group" der NIH (2001).

Endpunkte

12

Schaden für Patientinnen und Patienten durch Entscheidungen auf Basis von Surrogatendpunkten

Antiarrhythmika – Ventrikuläre Extrasystole↓ – Mortalität↑Fluoride – Knochendichte↑ – Frakturen↑Hormonersatztherapie – Cholesterin↓ – Herzinfarkte↑Rosiglitazon – HbA1c↓ – Herzinfarkte↑

Endpunkte

13

Endpunkte in Nutzenbewertungen des IQWiG

Bewertung verschiedener AntidepressivaSymptome der Depression

Typ 2 Diabetes mellitusmikro- und makrovaskuläre Ereignisse (z.B. Herzinfarkte, Schlaganfälle)

Onkologie: ?; Auftrag A10-05

Endpunkte

Zulassung: HbA1c

Zulassung:SymptomeDepression

14

AgendaZulassung und NutzenbewertungHerausforderungen bei der Nutzenbewertung

Auswahl der EndpunkteAuswahl der KomparatorenÜbertragbarkeit auf die Situation in Deutschland

frühe und späte Nutzenbewertung

15

Auf der Suche nach dem “Added therapeutic value”

“A new medicinal product can be said to have added therapeutic value if sound clinical data show that it offers patients better efficacy, and/or better safety and/or simpler administration, than existing alternatives”

Nach Eichler H-G, Bloechl-Daum B, Abadie E, Barnett D, Konig F, Pearson S. Relative efficacy of drugs: an emerging issue between regulatory agencies and third-party payers. Nat Rev Drug Discov 2010; 9(4): 277-291.

Komparatoren

valider Vergleich mit relevanten, aktiven Komparatoren

16

Beispiel: Clopidogrel-Sekundärprophylaxe

kein Zusatznutzen versus ASS bei zerebrovaskulärer Erkrankung und KHKZusatznutzen bei pAVK

Komparatoren

Kein Widerspruch zur Zulassung.

17

Beispiel: Antidepressiva

Komparatoren

Informierte Entscheidung?Zweckmäßige Vergleichstherapie?

18

AgendaZulassung und NutzenbewertungHerausforderungen bei der Nutzenbewertung

Auswahl der EndpunkteAuswahl der KomparatorenÜbertragbarkeit auf die Situation in Deutschland

frühe und späte Nutzenbewertung

19

Beispiel: Inhalatives Insulin

Studien primär in USA durchgeführtPrimär Vergleich intensivierte (Exubera) vs. konventionelle (s.c.) TherapieVergleichsgruppe: Spritzen zum Selbstaufziehen statt Pens

Großteil der Ergebnisse nicht auf Behandlungssituation in Deutschland übertragbar

Übertragbarkeit

20

AgendaZulassung und NutzenbewertungHerausforderungen bei der Nutzenbewertung

Auswahl der EndpunkteAuswahl der KomparatorenÜbertragbarkeit auf die Situation in Deutschland

frühe und späte Nutzenbewertung

21

Wie unterscheiden sich frühe und späte Nutzenbewertung?

Qualität der VersorgungAusgabenbegrenzung durch Preisfestsetzung

Fokussierung

Recherche des IQWiGDossier des HerstellersDatengrundlage

Hoch?Gering?Sicherheit der Aussage

Nutzenparameter

Zeitpunkt

=Primär: Morbidität, Mortalität, Lebensqualität

Nicht an einen speziellen Zeitpunkt gebunden

Zum Markteintritt (i.d.R. direkt nach Zulassung)

Späte Nutzenbewertung (§139a SGB V)

Frühe Nutzenbewertung (AMNOG)

22

Wie unterscheiden sich frühe und späte Nutzenbewertung?

Qualität der VersorgungAusgabenbegrenzung durch Preisfestsetzung

Fokussierung

Recherche des IQWiGDossier des HerstellersDatengrundlage

Abhängig von der DatengrundlageSicherheit der Aussage

Nutzenparameter

Zeitpunkt

=Primär: Morbidität, Mortalität, Lebensqualität

Nicht an einen speziellen Zeitpunkt gebunden

Zum Markteintritt (i.d.R. direkt nach Zulassung)

Späte Nutzenbewertung (§139a SGB V)

Frühe Nutzenbewertung (AMNOG)

23

Antidepressiva - A) Bupropion

Nutzen?Zusatznutzen?

PlacebokontrolliertAktiv kontrolliert

Anzahl der StudienPatienten insgesamt

==

BelegKein Hinweis (aber Bup < Ven)

==

72 (Venlafaxin)

==

7 (davon 6 vom Hersteller)2900

Zeitpunkt der Zulassung (Anfang 2007)

Zeitpunkt der Bewertung (Ende 2009)

24

Antidepressiva - B) Duloxetin

Nutzen?Zusatznutzen?

PlacebokontrolliertAktiv kontrolliert

Anzahl der StudienPatienten insgesamt

BelegKein Hinweis

11 (85%)8 (67%)

1312 (10xSSRI, 2xVenlafaxin)

13 (72%) (alle vom Hersteller)4100 (67%)

18 (davon 16 vom Hersteller)6150

Zeitpunkt der Zulassung (Ende 2004)

Zeitpunkt der Bewertung (Mitte 2009)

25

Duloxetin vs. Placebo

Brannan 2005 46/132 44/136 9.68 1.12 [0.67, 1.86]Brecht 2007 82/156 46/159 10.72 2.72 [1.71, 4.33]Detke 2002a 39/123 33/136 8.82 1.45 [0.84, 2.50]Detke 2002b 53/121 18/115 7.46 4.20 [2.26, 7.79]Detke 2004 91/186 28/93 9.20 2.22 [1.31, 3.77]Goldstein 2002 29/68 18/66 5.91 1.98 [0.96, 4.09]Goldstein 2004 43/86 26/88 7.37 2.38 [1.28, 4.45]HMAQ-B 32/81 21/72 6.56 1.59 [0.81, 3.12]HMAT-A 23/81 18/89 6.12 1.56 [0.77, 3.17]Nierenberg 2007 105/262 38/137 11.18 1.74 [1.11, 2.73]Perahia 2006b 82/195 33/99 9.72 1.45 [0.88, 2.41]Raskin 2007 55/201 15/102 7.27 2.18 [1.16, 4.10]

0.10 0.20 0.50 1.00 2.00 5.00 10.00

RemissionDuloxetin vs. Placebo

Studie

Gesamt (95%-KI)

Duloxetinn/N

680/1692

Placebon/N

338/1292

OR (zufällige Effekte)95%-KI

Gewichtung%

100.00

OR95%-KI

1.91 [1.56, 2.34]

Heterogenität: Q=16.62, df=11 (p=0.120), I²=33.8%Gesamteffekt: Z Score=6.31 (p=0.000), tau²=0.042

Placebo besser Duloxetin besser

26

Duloxetin vs. SSRI

27

Antidepressiva - B) Duloxetin

Nutzen?Zusatznutzen?

PlacebokontrolliertAktiv kontrolliert

Anzahl der StudienPatienten insgesamt

==

BelegKein Hinweis

11 (85%)8 (67%)

1312 (10xSSRI, 2xVenlafaxin)

13 (72%) (alle vom Hersteller)4100 (67%)

18 (davon 16 vom Hersteller)6150

Zeitpunkt der Zulassung (Ende 2004)

Zeitpunkt der Bewertung (Mitte 2009)

28

3 andere BeispieleClopidogrel:

Zusatznutzen für Subgruppe früh = spät

Glinide:Kein Beleg für Zusatznutzen, keine Daten zu makrovaskulärenEndpunktenfrüh = spät (9 Jahre später)

Rosiglitazon:Kardiale Ereignisse häufiger als unter Vergleichstherapiefrüh ≠ spät

29

Wie oft gibt es eigentlich einen Zusatznutzen?

Abgeschlossene IQWiG-Bewertungen (32 Wirkstoffe / Wirkstoffgruppen):

Nutzen: Ja: 24 (75%), davon 14 implizitNein: 8 (25%)

Zusatznutzen:Beleg: 7 (22%)Hinweis: 3 (9%)Nein: 22 (69%)

30

4. Hürde international vs. Frühbewertung in Deutschland

4. Hürde (international)

Added Value

Begrenzte Erstattung

KeineErstattung

AMNOG

Zusatznutzen

Preis = Vergleich

⅔ positiv?

⅔ negativ?

Wahrnehmung

31

Fazit

Nutzenbewertungberücksichtigt patientenrelevante Endpunktebetont den „Added therapeutic value“, d.h. den Vergleich mit Therapiealternativenberücksichtigt den deutschen Zulassungsstatus bzw. Versorgungskontextberücksichtigt alle relevanten Daten

Das alles gilt für die frühe wie die späte Nutzenbewertunggleichermaßen. Die konkrete Datenlage, nicht der Zeitpunkt der Bewertung, bestimmt die Sicherheit der Aussage.

32

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

Dillenburger Straße 27D-51105 Köln

Telefon +49-221/3 56 85-0Telefax +49-221/3 56 85-1

[email protected]

32

3.4 . DR. MED. HEINZ RIEDERER ,

Geschäftsführung Sanofi-Aventis Deutschland

Die frühe Nutzenbewertung aus Sicht der Industrie

Dr. Heinz Riederer8. Kölner Ringvorlesung „Gesundheitsökonomie“ Uniklinik Köln, 01. Dezember 2010

2

Was ist das gemeinsames Ziel?

Das Maximum an bezahlbarer Gesundheit ermöglichen !

Das Ziel ist der gesunde Mensch !

Evidenzbasierte Entscheidung mit den DimensionenMedizinischer WertPatientenfreundlichkeitWirtschaftlichkeit

Unterschiedliche PerspektivenPatientArzt„System“ (Kassen, Industrie …vs. Gesamtgesellschaft)

Mit AMNOG dreistufiger Prozess:frühe Nutzenbewertungzentrale Preisverhandlung oder Festbetragdezentrale Versorgungsverträge

3

Was geprüft wird – Inhalt des Dossiers

Zugelassene AnwendungsgebieteMedizinischer NutzenMedizinischer Zusatznutzen im Verhältnis zur zweckmäßigen VergleichstherapieAnzahl der Patienten und Patientengruppen, für die ein therapeutisch bedeutsamer Zusatznutzen bestehtKosten der Therapie für die gesetzliche KrankenversicherungAnforderung an eine qualitätsgesicherte Anwendung

4

Das Ziel der Frühbewertung

Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie

für welche Patientengruppen in welchem Ausmaß

Bewertung der vorliegenden EvidenzStudienqualitätEndpunkte

Wahrscheinlichkeit, mit der der Beleg erbracht ist

5

Kategorien für den Zusatznutzen vs. zweckmäßige Vergleichtherapie

erheblicher Zusatznutzennachhaltige, bisher nicht erreichte große Verbesserung (Heilung, erhebliche Verlängerung der Überlebensdauer, Vermeidung schwerwiegender Nebenwirkungen)

bedeutender Zusatznutzenbisher nicht erreichte deutliche Verbesserung (Abschwächung schwerwiegender Symptome, moderate Verlängerung der Überlebensdauer)

geringer Zusatznutzenmoderate und nicht nur geringfügige Verbesserung (Verringerung nicht schwerwiegender Symptome)

kein quantifizierbarer Zusatznutzen wegen fehlender Datenkein Zusatznutzen belegbargeringerer Nutzen

6

Allgemeine Anmerkungen zu Nutzenbewertung und Erstattungsentscheidung (1)

Breitere Nutzendefinition: Vermeidung von Ereignissen und KomplikationenVerringerung von KrankenhausaufenthaltenVerbesserung der TherapieadhärenzEinsparung von Ressourceneinfachere AnwendungVorteile bei Reha, Frühverrentung, Belastung der Angehörigen

7

Allgemeine Anmerkungen zu Nutzenbewertung und Erstattungsentscheidung (2)

Ergebnisoffene BewertungsverfahrenRespektierung der Standards der evidenzbasierten Medizin

Beispiel: Validität von Subgruppen-AnalysenGesellschaftliche Perspektive

Kosten statt Preisesektorübergreifende Betrachtung

Fair reward for innovationKein Widerspruch zu den Feststellungen der Zulassungsbehörden hinsichtlich Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und QualitätVertraulichkeit zum Schutz des geistigen Eigentums

8

Rechtliche Grundlagen der Nutzenbewertung in der Zulassung

Kapitel 3 Direktive 2001/83/EU– Verfahren zur Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen

Artikel 26(1) Die Genehmigung für das Inverkehrbringen wird versagt, wenn sich nach Prüfung der in Artikel 8 und den Artikeln 10, 10a, 10b und 10c aufgeführten Angaben und Unterlagen ergibt, dass a) das Nutzen-Risiko-Verhältnis nicht als günstig betrachtet wird oderb) seine therapeutische Wirksamkeit vom Antragsteller unzureichend begründet ist

Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (AMG)§ 25 Abs. 2 Nr. AMGDie zuständige Bundesoberbehörde darf die Zulassung nur versagen, wenn dem Arzneimittel die vom Antragsteller angegebene therapeutische Wirksamkeit fehlt oder diese nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse vom Antragsteller unzureichend begründet ist:§ 25 Abs. 2 Nr. 5 AMGDie zuständige Bundesoberbehörde darf die Zulassung nur versagen, wenn das Nutzen-Risiko-Verhältnis ungünstig ist

9

Zentrale Zulassungen erste Hälfte 2010

02468

1012141618 Gesamt=17

OrphanDesignation=5OnkologischeIndikation=2BreiteIndikation=7Biosimilar=1

Sonstige=2

1717

55

22

77

1122

10

Guidelines on the Clinical Development

Design of clinical Trials1) new medicine in the therapeutic area where no pharmacological treatment is available (scenario 1).Data will usually come from randomised and where possible double blind, placebo controlled trials. Sometimes no placebo is given and other designs are possible (see ICH/CPMP Topic E10guideline)2) new medicine in a therapeutic area where placebo is deemed unethical and active control exists (scenario 2).In this case, controlled trials will normally be against an active comparator, recognising the specific methodological aspects in assessing comparative data in the absence of a placebo group(see ICH/CPMP Topic E10 guideline). Other designs may also possible and should be justified (see ICH/CPMP Topic E10 guideline)

11

Guidelines on the Clinical Development

Design of clinical Trials3) new medicine in a therapeutic area where placebo is deemed ethical and one or more established medicines are available (scenario 3).

Data on the effect size obtained through placebo controlled trials need to be put in perspective by considering the clinical context of the use of the product. This could be done through additional comparison with available established therapies and active- controlled trials/arms should be considered. The use of placebo will normally be necessary to determine the effect size and where necessary (see ICH/CPMP Topic E10 guideline) to ensure assay sensitivity in comparison with an active control. Three-armed trials provide means to assess clinical efficacy and should therefore be considered.

12

Guidelines on the Clinical Development

Note for guidance on clinical investigation of medicinal products in the treatment of depression

Primary endpoint: Hamilton Rating Scale of Depression

Secondary endpoint: Clinical Global Assessment Scale

Study Design: Parallel, double blind, randomised placebo controlled trials. In addition a comparison with a standard product in an adequate dose is generally needed.

13

Guidelines on the Clinical Development

Schlussfolgerungen

Die Mehrzahl der klinischen Studien wird multinational durchgeführt. Daher

entsprechen die klinischen Prüfungen international wissenschaftlich anerkannten Standards (ICH),berücksichtigen klinische Prüfungen hinsichtlich Komparator und Endpunkten vorhandene europäische Guidelines.

Die klinische Prüfung neuer Wirkstoffe verläuft durch die vorgegebenen Standards in engen Grenzen.In den EMA-Zulassungen der Jahre 2008 bis 2010 wurden in ca. 60 % der klinischen Studien aktive Komparatoren verwendet.Surrogat-Parameter werden in klinischen Prüfungen eingesetzt, wo sonst lediglich long-term outcomes Aussagen liefern würden

14

Bemerkungen zu Methodik und Prozess

Wahl zweckmäßiger Vergleichstherapienicht die chemisch-pharmazeutische Klassifizierung entscheidet, sondern die Indikation und das Therapieziel (Endpunkt)Besonderheit bei Orphan Drugs und OnkologikaRegelungen für den sogenannten Solisten

angemessener Umgang mit der Unsicherheit einer frühen Bewertung – nicht Suche nach der finalen Wahrheit

in begründeten Fällen Akzeptanz von validen Surrogat-Endpunkten (z. B. Onkologie, Langzeittherapien, chronische Erkrankungen etc.)Berücksichtigung von ModellierungenAuch das Vorenthalten wahrscheinlich besserer Therapien ist ein Schaden.Berücksichtigung der ethischen, erkenntnistheoretischen und wirtschaftlichen Grenzen bei der Nachforderung von Studien

15

Weitere Punkte

Bereitstellung anonymisierter Versorgungsdaten für Aussagen zur Epidemiologie und zu den TherapiekostenAnpassung des IQWiG-Methodenpapiers an Gesetz und Rechtsverordnung

16

Frühe Nutzenbewertung - ja aber

Bereitschaft aller Beteiligten notwendig, das Instrument so zu nutzen, dass mehr Gesundheit herauskommen wird

Ausgleich vieler berechtigter Interessen vonPatienten„System“Industrie

ist notwendig

17

Danke !