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8/11/2019 Uchiyama Roshi - Weg Zum Selbst - Zen-Wirklichkeit
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Das Buch "Weg zum Selbst - Zen-Wirklichkeit" von Uchiyama Roshi zhlt ohne Zweifel zu den besten
Bchern ber den Weg des Zen, den Weg des Zazen. In einer gerade fr Anfnger geeignetenSprache erklrt Uchiyama Roshi die Essenz des Zen, nicht als etwas mystisches geheimnisvolles,
sondern als Weg zum Selbst durch die Praxis des Zazen. Leider wird das Buch seit einigen Jahren
nicht mehr aufgelegt wodurch es vielen Interessierten nicht mehr zugnglich ist. Die wichtigsten
Kapitel des Buches werden im Folgenden prsentiert (im Anhang befinden sind Beitrge angefgt,
die im Buch nicht erscheinen).
Meister Uchiyama Roshi war Kodo Sawakis engster Schler und wurde - nach dessen Tod - Meister
Sawakis Nachfolger als Abt im Kloster Antaiji. Uchiyama Roshi erklrt in seinem Buch "Weg zum
Selbst Zen-Wirklichkeit" Schritt fr Schritt das Fundament der buddhistischen Lehre nach Meister
Dogen, und spricht ausfhrlich ber Zazen und die Praxis im alltglichen Leben. Ich kenne kein
anderes Buch, dass die Grundlagen buddhistischer bung so klar und einfach darlegt, ohne dabei in
Nebenschlichkeiten abzuschweifen.
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I N H A L T
Sinn des ZaZen 9
Ameisen in einer Zuckerbchse 9
Von anderen abhngig zu sein, 12
So bin ich und nicht anders 15
Der Sinn des Lebens aus der Lebens-Wirklichkeit heraus 19
Wirklichkeit des ZaZen 25
Wie bt man Zazen? 25
Die Gedanken fallenlassen 32
Zum Leben erwachen 35
Sesshin in Antai-Ji 43
Sesshin ohne Spielzeug 43
Zazen auerhalb der Zeit 46
Zazen Spiegel des Lebens 49
Das Selbst des Zen-Menschen 55
Das Selbst ist das All 55
Gestaltung der Lebens-Wirklichkeit 58
Zur Welt erwachen 63
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Unser Weg: Leben in allem 67
Anhang 73
Antwort auf einige Fragen 73
Wie bt man Kin-hin? 81
Sieben Punkte der Praxis 83
An dich, der du noch immer unzufrieden mit deinem Zazen bist 84
biographisches 91
Sind wir nicht alle sehr gewhnliche Menschen? 93
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Sinn des ZaZen
Ameisen in einer Zuckerbchse
Eines Tages erhielt ich den Besuch eines fnfzigjhrigen Amerikaners jdischer
Abstammung; er war Direktor eines amerikanischen Unternehmens. Ich spreche
nicht Englisch, doch war mein Besucher von einem sehr gebten Dolmetscher
begleitet, und so war es leicht, uns gut zu verstndigen. Die erste Frage meines
Gastes war folgende: Ich bin wirtschaftlich gut gestellt, habe eine nette Familie,
jedoch begann ich vor etwa zehn Jahren anscheinend ohne irgendeinen Grund
eine groe innere Leere zu fhlen. Da machte ich mich zunchst an das Studium
der jdischen Religion, dies brachte mir jedoch keinen inneren Frieden. Dannbemhte ich mich mit noch grerer Anstrengung um die christliche Religion,
jedoch dies befriedigte mich immer noch nicht. Da hrte ich vor einigen Jahren
vom Zen sprechen, und ich fragte mich, ob ich darin eine Lsung finden knnte.
Seit jener Zeit habe ich Zen studiert. Nun kam ich nach Japan, um Zen noch
nher kennenzulernen. Was denken Sie, warum ich mit meinem Leben so unfroh
bin?
Meine Antwort angesichts des freimtigen Bekenntnisses und der Frage des
Mannes war: Sie haben vielleicht bei der Suche nach Ihren Daseinswerten und
dem Grunde Ihrer Existenz oder nach deren Grundlage und Bewertung nur an
Dinge gedacht, die auerhalb Ihrer selbst liegen. Sie haben zum Beispiel den
letzten Wert in Dinge verlegt, die Ihnen gehren, in Ihre Arbeit oder vielleicht in
die Meinung anderer Leute ber Sie. Dabei haben Sie noch nicht Ihr wahres Ich
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entdeckt. Daher sind Sie wohl unfroh. Mit anderen Worten: knnte es nicht sein,
da Ihr Leben unbefriedigt blieb, weil Sie immer nur auerhalb Ihrer selbst
leben? Sie versuchten, alle Ihre Beziehungen zu den anderen in der Waage zu
halten, und Sie haben nicht Ihr eigentliches Selbst verwirklicht. Meine kurze
Antwort schien ins Schwarze getroffen zu haben. Mein Besucher nickte, sichtlich
betroffen: Sie haben es ausgesprochen. Ich bin wohl zu diesem Gefhl der
Einsamkeit gekommen, weil ich stndig in meinem Leben nur versuche, meine
Beziehungen zu den anderen ins richtige Gleichgewicht zu bringen. Da der
Mann meine Antwort ohne jedes Zgern besttigte, war eine weitere Erklrung
berflssig. Er fuhr nun fort: Was soll ich jetzt tun? Um Ihre Lebensangst zu
verlieren, wrde es Ihnen nichts ntzen, auerhalb Ihres Ichs herumzuwandern.Es ist sehr wichtig, zu erfassen, da das Selbst die Wahrheit seines wahren Selbst
lebt und da das Selbst in seinem wirklichen Leben lebt.
Zazen ist die Verwirklichung dessen. Mein verstorbener Lehrer Sawaki Kodo
Roshi (gest.1965) pflegte immer zu sagen: Zazen ist das Selbst, welches das
Selbst in das Selbst hineinbaut. Wieder nickte mein Gesprchspartner: Er hatte
eine hnliche Antwort wohl erwartet und sagte: Genauso stellte ich mir Zazenvor. Bitte erlauben Sie mir, hier mit Ihnen Zazen zu ben! Es waren meine
Entgegnungen zu den genannten Fragen nicht etwa blo meine persnlichen
Ansichten. Diese Worte sind seit uralter Zeit in den buddhistischen Sutras
niedergelegt. Im ltesten buddhistischen Sutra, Suttanipada genannt, steht es:
Von anderen abhngig zu sein, bedeutet Verlust des Gleichgewichtes. Und im
ebenfalls uralten Dhammapada heit es: Die Sttze des Selbst ist einzig das
Selbst.
Warum habe ich unser kurzes Zwiegesprch an den Beginn meiner Arbeit
gestellt? Wohl, weil ein Mensch nur ganz ausnahmsweise so rasch und mit
solcher Offenheit und Demut die zwei einfachen, jedoch sehr wichtigen Stze
der alten Sutras hinnimmt, die ich angefhrt hatte. Es scheint mir, da dieser
Mann diese wesentlichen zwei buddhistischen Kernworte, die ich nannte, so
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willig und so vllig annahm, weil sein Geist eben dafr reif war. Jedoch glaube ich,
da es fr die meisten Menschen einer weiteren und lngeren Erklrung bedarf,
um zu diesem Verstndnis zu gelangen. Warum jedoch sollten die
Wohlhabenden und in jeder Beziehung reichen Amerikaner in der heutigen Welt
eine solche innere Leere fhlen? Ich sprach jetzt von Amerikanern; wie kommt es,
da darber hinaus so viele Menschen aus reichen Lndern wie England,
Frankreich, Westdeutschland, Schweiz, Kanada, Australien und anderswoher, die
in ihrem Leben die Einsamkeit spren und die nun nach dem Zen suchen, ihre
Schritte gerade nach dem armen Japan und nach diesem rmlichen Antai-ji
Kloster lenken? Zunchst schien mir dies sehr merkwrdig; nun aber, da ich diese
Menschen aus der Nhe kennengelernt habe, glaube ich, ein wenig zu verstehen,was sie fhlen und was in
ihnen vorgeht.
Ich mchte die Menschen
der hochentwickelten
Lnder Europas und
Amerikas mit Ameisenvergleichen, die in eine
Zuckerbchse gefallen sind.
Halten wir einen Augenblick
dieses Bild fest und
versetzen wir uns in die
Lage der Insekten: Ihr Buchlein ist gefllt, sie speichern alle Se des Zuckers in
sich auf, bis die ganze Welt um sie, alles was sie hren und sehen, nur noch
Zucker ist. Wenn sie menschliches Gehirn besen, wrden sie dann nicht ganz
natrlich die Leere des Lebens fhlen? Schlielich und endlich haben sie in der
Zuckerbchse nichts mehr zu tun wenn sie Menschen wren, wrden sie sich
zu ihrem Trste berauschen mit LSD und Marihuana und wrden beim
Selbstmord landen Ich habe mich hier ber Europer und Amerikaner
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Ameisen in der Zuckerbchse:Rechts der Japaner, daseconomical animal;in der Mitte der durchschnittliche
Amerikaner;links der Schwarze in den USA.
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amsiert, die in die Zuckerbchse gefallen sind. Dabei mu ich jedoch auch an
die Lage der japanischen Gesellschaft denken. Meine Karikatur trifft auch auf den
heutigen Japaner zu. Tut er nicht sein mglichstes, um in der Zuckerbchse zu
landen? Er folgt einer Strae von aufgestreutem Zucker, die ihn zur Bchse fhrt,
und denkt: Wie schn wre es, hier hineinzufallen! In der ganzen Welt sind die
Japaner als die economic animals verschrien; sie selbst sind dabei, in die
Zuckerbchse zu fallen, whrend sie sich zu einer der groen Wirtschaftsmchte
entwickeln. Als Japaner fhle ich das Peinliche dieses Vergleiches, jedoch
entspricht er den Tatsachen. Schlielich kommt noch eine weitere Gruppe von
Menschen hinzu, die Farbigen in Amerika. Sie blicken von auen her in die
Zuckerbchse, in der die Weien fett werden. Wenn wir meinen, die Ameisen, diebereits im Innern sind, wren am besten dran, die anderen, die alles daransetzen,
hineinzufallen, kmen als nchste; und die Tierchen, die sich mit ihren Fchen
gegen die Auenwand stemmen, seien am schlimmsten dran, so ist unsere Idee
die Folge einer rein wirtschaftlichen Einstellung als economic animal. Blicken
wir jedoch auf die drei Gruppen von Ameisen aus der Schau des wahren
Lebensgrundes, so sehen wir sie alle auf einem ausweglosen Weg. Ihr aller Leben
ist der Versuch um wieder zum Menschlichen zurckzukommen eine
Existenz aus vielerlei ueren Beziehungen aufzubauen und dabei vllig die
Schau des wahren Selbst zu verlieren. Dies ist der Grund, weshalb wir Menschen
von heute nicht mehr aus dem Selbst heraus unser Leben gestalten. Von da
ausgehend, mssen wir weiterdenken, und die erste Frage, die sich uns dabei
stellt, heit: Wie steht es um das, was wir gewhnlich das Ich nennen?
!"n anderen abh#ngig $u sein% bedeutet !erlust des &leichge'ichts
Was ist das, was wir gewhnlich das Ich nennen? Es scheint, als kme das Ich
zum Vorschein, sobald wir es in Gegensatz zu anderen Menschen setzen, in der
Begegnung mit anderen. So sieht sich der Mann als Gatte in bezug auf seine Frau
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und als Vater in bezug auf sein Kind; bei seiner Arbeit sieht er sich als
Untergebener in bezug auf seine Vorgesetzten, und, falls er untchtig ist, auch in
bezug auf seine tchtigeren Kollegen. Wir sehen uns als Ich innerhalb einer
bestimmten sozialen Struktur. Der Geschftsmann sieht sich in bezug auf seine
Kunden; der Unternehmer in bezug auf seine Konkurrenz, der arme Mann in
bezug auf einen reichen. Ich sage mir z.B.: Ich kann dies Ding nicht kaufen,
wenn der Gegenstand meines Wunsches jenseits meiner Mglichkeiten liegt. Der
Verlierende sieht sich dem Gewinnenden gegenber, der machtlose einzelne hat
die Gesellschaft gegen sich. Kein Wunder, wenn ein Mensch, der sich seiner
bewut ist, angesichts solcher Gegenstzlichkeiten zu einem
Minderwertigkeitsgefhl, ja, zu einer Nervenstrung gelangt. Vielleicht aber auchgeht im Menschen, der ber seine Minderwertigkeit gegenber den anderen
nachdenkt, etwas anderes vor. Anstatt gekrnkt und bitter zu werden und an
seinem Komplex zu leiden, mag ein bestimmtes Selbstbewutsein in ihm sich
dagegen wehren (wie es gegenwrtig der Fall ist bei den japanischen economic
animals). Der Mensch sagt sich: Gut, ich
will hart arbeiten und viel dazulernen. Ich
will den anderen nacheifern, zu Geld, zu
einer Stellung, zur Tchtigkeit, zu Ruhm
gelangen; eines Tages hole ich sie ein und
bertreffe sie noch. Ich will gewinnen!
Wieweit kommt man mit einer solchen
Einstellung?
Was geschieht, wenn jemand mit diesen
Ideen zu einer Stellung gelangt, in
welcher er sich entsprechend hher und
im Gegensatz zu den anderen fhlen
kann, die sich ihrer Minderwertigkeit
bewut sind? Dem Anschein nach hat
sich seine Lage vllig gendert. In
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Kosho Uchiyama Roshi
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Wirklichkeit jedoch stehen noch beide, der Reiche und der Arme, auf der
gleichen Ebene. Warum wohl? Der Grund dafr ist, da die Menschen ihr Ich
als etwas betrachten, was von auen her bestimmt wird, als etwas, das anderen
Menschen und Dingen gegenbersteht. Im wesentlichen besteht keinerlei
Unterschied zwischen unseren beiden Beispielen. Wenn wir in einer solchen
Einstellung leben und glauben, da unser Selbst in der Gegenberstellung zu
anderen besteht, verlieren wir, dies ist der objektive Schlu, das wahre Selbst, das
Wesen des Lebens. Jean-Jacques Rousseau schrieb in Emile folgenden Satz:
Jeder Mensch, ob er ein Knig, ein Adliger oder ein Millionr ist, kam nackt und
arm zur Welt, und wenn er stirbt, so mu er nackt und arm sterben. Wir drfen
aber fragen: Bedeutet das etwa, da wir immer, whrend der ganzen Zeitzwischen Geburt und Tod nackt sind? Die Frage erscheint berflssig, denn alle
von uns tragen in der Zwischenzeit verschiedene Arten von Hllen: seien es
fabelhafte, knigliche Gewnder, oder aber, fr manche whrend ihres ganzen
Lebens, elende, grobe Lumpen. Der eine trgt eine Uniform, der andere ein
Strflingskleid, der dritte die Mnchskutte. Ich denke dabei nicht nur an das aus
Stoff gefertigte Kleid, sondern an all das, was die soziale Lage des Menschen
ausmacht: Beruf, Familie, Ruhm, Geld All diese sind blo Hllen, denn es
kommt immer wieder der Augenblick, in welchem alles vom Menschen abfllt
wie ein Kleid. Wie schn auch eine Frau sein mag, es kommt einmal die Zeit, da
ihr Aussehen das einer alten Frau ist. Auch das grte Genie wird am Ende
altersschwach. So gibt es hundertfache Hllen, in die wir gekleidet sind:
berheblichkeits- oder Minderwertigkeitsgefhl, Glck und Unglck, ferner alle
die Ismen, die Zugehrigkeit zu einer Rasse, zu einem Volke. Gewi, wir wechselnmanchmal und ndern unsere Weltanschauung, unseren Ismus; wenn es jedoch
ans Sterben geht, streift dann nicht der Mensch sogar seine letzte Hlle ab, selbst
seine Volkszugehrigkeit, und stirbt als ein vllig nacktes Ich? Obwohl es auer
Frage steht, da wir zwischen unserer Geburt und unserem Tode nur Hllen
tragen, sind trotzdem fast alle Menschen nur um diese besorgt. Sie konzentrieren
ihr ganzes Leben auf die Frage: welch schnes Kleid soll ich anziehen? Stimmt
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erkennbaren Umfange durch die anderen besttigt. Wir bilden uns leicht ein, in
unserem praktischen Leben unser wahres Selbst zu verwirklichen, als wre es
etwas Auergewhnliches. Dies ist ein Irrtum im stlichen Denken.
Das Denken des Westens hat jedoch noch in einer anderen Art seine Blicke vonder Wirklichkeit des Lebens abgewendet. Das westliche Denken, das im alten
Griechenland begann, gewhnte sich allzusehr daran, alles Existentielle durch
den Logos (d.h. den sprachlichen Ausdruck) zu erfassen. Dies bedeutet: Wenn wir
uns des Logos bedienen, um ein Ding zu begreifen, so bauen wir damit eine
uere Beziehung von Ding zu Ding. Der Westen hat sich allzusehr daran
gewhnt, in dieser Weise die Dinge zu definieren, und daher trachtet er sogar, das
Selbst und das Leben durch Definition zu erfassen. Dabei mssen wir folgenden
wichtigen Umstand festhalten: Sogar unser Vermgen, alle Dinge durch
Erklrung ihres Inhalts (Definition) zu verstehen, kommt aus dem Leben-des-
Selbst. Dies letztere aber kann nicht durch Erklrung bestimmt werden. Es ist dies
Etwas, das als wirkliche Erfahrung vorhanden ist, selbst wenn es nicht verstanden
und definiert wird. Obwohl nun diese Tatsache als etwas Natrliches anerkannt
werden sollte, kann sie nicht leicht von der westlichen rationalistischenDenkmethode erfat werden. Sobald jemand ber die Wirklichkeit nachdenkt,
die bereits vor jeder Definition spekulativen Denkens existiert, so schafft dieser
Vorgang selbst eine Definition. (Der Mensch des Westens fragt sich: Hat diese
Wirklichkeit nicht ihren Daseinswert verloren, wenn sie nicht definiert wird?)
Daher kommt man zum irrigen Schlu zu denken, die Definition selbst sei das
wirkliche Ding. Die Grundlage des Buddhismus, der in Indien begann, ist jedoch
die Wirklichkeit des Lebens, die sich in absoluter Weise jenseits aller Definition
setzt. Mehr als dies: Da tatschlich das Leben alle bedingten Definitionen
erzeugt, ist jede Art von Definition selbst Leben. Die Wirklichkeit des Lebens
jedoch kann nicht in eine Definition eingekapselt werden. Obwohl sie alle Arten
von Definition erzeugt, geht die Wirklichkeit des Lebens darber hinaus und
setzt sich in absoluter Weise jenseits aller Definitionen. Warum setzt der
Buddhismus voraus, da es eine Wirklichkeit jenseits aller Definition gibt? Der
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Grund ist einfach. Wenn wir eine Flamme berhren, werden wir davon verbrannt;
wenn wir jedoch, ohne das wirkliche Feuer zu berhren, nur ans Feuer denken, so
wird unser Kopf nicht in Brand gesetzt. Wenn wir das Wort Feuer aussprechen,
so brennt unsere Zunge nicht. Die Definition des Feuers, dessen Natur es ist, alle
mit ihm in Berhrung kommenden Gegenstnde zu verbrennen, kann nicht das
wirkliche Feuer sein. Dieses besteht jenseits seiner Definition. Im Zen sagen wir,
da ein Mensch warm und kalt nur kennt, wenn er es an den Dingen selbst
erfhrt. Alles wird hier als die wirkliche Lebenserfahrung durch das Selbst erklrt.
Im Zen sind Definitionen wertlos, welche Dinge, den Bericht von Menschen
darber oder die bloe Beobachtung ohne Lebenserfahrung unseres Selbst
enthalten. Dies steht im Gegensatz zur westlichen Auffassung. Wir knnen sagen,der Unterschied zwischen Zen und Existentialismus besteht in folgendem: Der
gegenwrtige Existentialismus ist die Philosophie der Existenz im allgemeinen
und nicht die Praxis des wahren Lebens des Existentialisten selbst. Das
Entscheidende fr das Selbst ist die Praxis, in welcher es aus seinem eigenen
Leben lebt, es ist keine theoretische Errterung ber allgemeine Existenz, die
nur aus der Beobachtung stammt. Nach westlicher Auffassung mssen alle Dinge
durch den Logos definiert werden. Eine Wirklichkeit jenseits der Definition wre
demnach Unsinn und absolut unmglich. Die wahre Kraft jedoch, die jenseits des
Denkens und der gedanklichen Definitionen liegt, besteht eben in der
Wirklichkeit des Lebens. Professor Daisetsu Suzuki hat bereits von der stlichen
Spiritualitt gesprochen. Diese ffnet sich jedoch nur dann dem Blicke, wenn wir
die Lebenswirklichkeit leben, die auf einer anderen Ebene liegt als das westliche
rationalistische Denken. Man knnte nun versucht sein anzunehmen, da dieWirklichkeit des Lebens, die Definitionen, Worte und Gedanken bersteigt, eine
mystische, esoterische Welt sei: etwas irgendwo tief Verborgenes, etwas worber
wir nicht sprechen knnen und das einfach unvorstellbar ist. Dem ist durchaus
nicht so; denn in Wahrheit leben wir immer die Wirklichkeit des Lebens. Hier ein
Beispiel: Ich lege meine Hand aufs Herz, spre den Herzschlag. Es schlgt, jedoch
nicht etwa, weil ich daran denke oder infolge von medizinischen oder
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physiologischen Definitionen. Eine Kraft, die jenseits von Wort-Definitionen und
Worten liegt, bringt es zum Schlagen. Solange es jedoch in meiner Brust schlgt,
ist mein Herz meine Lebens-Wirklichkeit. Dasselbe gilt von meiner Atmung. Im
Schlafe berlasse ich sie irgendeiner groen Macht jenseits von meiner
Mitbestimmung, die jedoch in meinem Innern tatschlich wirkt. Auch dies
bedeutet nichts anderes als das Wirken meiner Lebens-Wirklichkeit. Die
genannten Beispiele beziehen sich auf das Physiologische. Gehen wir jedoch
etwas weiter. Ich bin als Japaner geboren und von daher ein anderer als ein
Weier. Dies ist nicht etwas, das wir durch den sogenannten Willen
bestimmen, sondern es ist eine gegebene Tatsache: wiederum die Lebens-
Wirklichkeit, die meine eigene Mitbestimmung und Wahl bersteigt. Ich bin einbuddhistischer Mnch und lebe ein Leben des Zazen in einem bestimmten
Tempel in Kyoto in Japan. Habe ich mir diesen Lebensweg selbst ausgesucht?
Sicher, in einem gewissen Sinne. Ich habe meinen Weg gewhlt, woher aber
erhielt ich die Kraft, ihn zu whlen? Ich mu annehmen, da meine Wahl
ebenfalls durch eine hhere Macht bestimmt wurde (man mag es Zufall,
Schicksal oder Vorsehung Gottes nennen), eine Macht, die meine eigene
sogenannte Willenskraft und Gedanken bersteigt. Wenn wir in diesem Fall
unseren Verstand anstrengen, um zu einer Antwort zu kommen, so wird sie
hchstens ein einseitiger und abstrakter Gedanke sein. Was die Lebens-
Wirklichkeit angeht, knnen wir nur sagen: sie ist, was sie ist. Es ist eben so und
nicht anders. Die Lebens-Wirklichkeit des Selbst bedeutet, das Leben genauso zu
leben, wie es ist. Das Selbst existiert nicht etwa, weil ich daran denke. Es existiert
auch, wenn ich nicht daran denke. Es ist eben mein Leben: Hier stehe ich, ichkann nicht anders. Zazen bedeutet, diese Lebens-Wirklichkeit in die Praxis
umzusetzen.
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Der Sinn des *ebens aus der *ebens-Wirklichkeit heraus
Stellen wir uns nun die Frage: Ist es denn mglich, auerhalb der Wirklichkeit zu
leben? Physisch gesehen, solange wir atmen, sicher nicht. Wir knnen uns nicht
auerhalb des Lebens stellen. Trotzdem ist es aber mglich, die Lebens-Wirklichkeit aus den Augen zu verlieren, wenn Schmerz und Leid in unser Leben
einfallen.
Hier ein Beispiel dafr:
Vor kurzer Zeit kam eine vierzigjhrige Frau zu mir, um sich auszusprechen.
Whrend sie mir ihre Geschichte erzhlte, zeigte ihr Geist eine tiefe
Erschtterung. Seit ihrer frhen Kindheit, so sagte sie, war das Malen ihre liebsteBeschftigung. Man sprach ihr Talent zu, und so entschlo sie sich im Alter von
zwanzig Jahren, mit Hilfe ihrer Eltern nach Tokyo zu gehen, um sich zur
Knstlerin auszubilden. Sie hatte Erfolg: Alle Bilder, die sie malte, kamen in
Ausstellungen, und sie gewann Preise. Die Kritik hielt sie fr eine junge, schne
und echte Knstlerin. Leider stie jedoch ihr glnzender Aufstieg auf ein
Hindernis. Whrend einiger Jahre erregten ihre Bilder Aufsehen, und die
Knstlerin war nahe daran, sich durchzusetzen. Da verlor ihr Vater pltzlich sein
ganzes Vermgen. Fr die junge Frau bedeutete dies einen schmerzlichen
Rckschlag; auf sich allein gestellt die Knstlerlaufbahn fortzusetzen, war etwas
gewagt. Die Sorge um die Eltern, die eine schwere Zeit mitmachten, trieb sie
schlielich wieder in ihre Heimat. Dort tat sie, was sie nur konnte, fr ihre
Familie. Die Jahre gingen dahin, und die Eltern wurden alt; die Leidenschaft fr
die Kunst war jedoch zu stark in unserer Malerin, als da sie sich damitzufriedengeben konnte, zu Hause zu sitzen und zu verkmmern. Sie fate vor
einigen Jahren den Entschlu, nach Tokyo zurckzukehren, dort fr eine Zeit
Arbeit anzunehmen und dabei zu versuchen, sich als Knstlerin selbstndig zu
machen. Die Frau nahm ihre Eltern mit sich in die Hauptstadt. Sie arbeitete
whrend des Tages fr das tgliche Brot und malte des Nachts. Whrend
mehrerer Jahre fhrte sie dieses anstrengende Leben, jedoch gelang es ihr diesmal
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nicht, das zu erreichen, was sie im Alter von zwanzig Jahren vermocht hatte. Alle
ihre Werke, auf die sie ihre Hoffnung setzte, blieben unbeachtet; sie konnte kein
Bild mehr verkaufen und war daher gezwungen, zu ihrem Broterwerb
zurckzukehren. Ihre Energie und ihr Mut waren schlielich gebrochen. Sie klagte
ber ihre unglckliche Lage und sagte mir: Ich bin unglcklich. Ich habe mein
Talent nicht verwirklichen knnen, seit meine Eltern ihr Vermgen verloren
haben. Whrend ich natrlich Mitgefhl mit dem Schicksal dieser Frau hatte,
deren Knstlerlaufbahn an einem widerwrtigen Umstand gescheitert war,
antwortete ich ihr: Sie denken ganz falsch. Es ist ein schwerer Irrtum zu glauben,
es sei ganz selbstverstndlich fr einen Menschen, von seiner Familie Geld zu
erhalten. Es ist vielmehr natrlich, da jemand berhaupt nichts besitzt.Immerhin war es Ihnen dank dem Vermgen Ihrer Eltern mglich, bis zu Ihrem
zwanzigsten Lebensjahr die Malerei zu erlernen, die Sie so sehr liebten. Das ist ein
seltener Glcksfall, und Sie sollten dafr sehr dankbar sein. Dies liegt nun schon
zwanzig Jahre zurck. Trotzdem denken Sie noch immer an den verlorenen
Besitz. Darber zu weinen, bedeutet, sich in Phantasien ber die Vergangenheit
zu verlieren. Ist dies nicht absolut sinnlos? Sie mssen Ihre Augen vor der
augenblicklichen Wirklichkeit ffnen und mit einem vllig nackten Selbst
beginnen, das weder Eigentum noch sonst etwas besitzt. Als Sie zwanzig Jahre alt
waren, haben Ihre ausgestellten Bilder immer Preise gewonnen. Sie denken noch
immer an diese Tage und wnschen: Knnte ich das doch wieder erleben ! Ihr
tiefer Schmerz rhrt daher, weil Sie sich ber Dinge, die eben nicht kommen, in
Phantasien verbohren. Werfen Sie alle diese nutzlosen Wnsche, die Dinge Ihrer
Jugend wieder haben zu wollen, von sich, und beginnen Sie mit der WirklichkeitIhres Jetzt! Das Wichtigste ist Ihre Liebe zur Malerei, Sie lieben es, Bilder zu
malen, weil Sie daran Freude haben. Sie sollten sich damit zufriedengeben.
Anstatt dessen aber malen Sie und beschweren sich dann darber, da Sie Ihre
Bilder nicht verkaufen knnen. Sie verlangen zuviel. Sie haben ja eine Arbeit fr
Ihren Unterhalt. Wenn Sie Ihren Lebensunterhalt verdienen, ist es Ihnen doch
mglich, den Rest Ihrer Zeit fr Ihre Lieblingsbeschftigung, die Malerei, zu
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verwenden. Sie haben Interesse und Talent fr diese Kunst mitbekommen, und
so knnen Sie Ihr Leben damit ausfllen, ob jemand Sie anerkennt oder nicht. Sie
sollten doch darber froh sein. Ich selbst habe nie Zazen gemacht, um damit
Geld zu verdienen. Whrend dreiig Jahren habe ich ein Zazen-Leben gefhrt, in
den ersten zwanzig Jahren war ich der Welt vllig unbekannt. Ich habe Zazen
gebt im Dunkeln und in Armut; ich hatte kaum genug zum Essen. Doch gerade
durch Zen war ich imstande, den Sinn meines eigenen Lebens selbst unter
solchen Umstnden zu finden. In den letzten zehn Jahren sind Menschen, welche
sich durch meine Methode des Zazen angezogen fhlen, zu mir in der gleichen
Absicht gekommen, doch auch jetzt habe ich nicht die geringste Absicht, aus
Zazen ein Verkaufsprodukt zu machen. Ich be mein Zazen, weiter nichts. FrSie bedeutet es das Leben, Bilder zu malen, wie Sie es lieben. Sollte Ihnen dies
nicht grte Freude bedeuten? Die Frau verstand durchaus, was ich meinte, sie
kehrte mit einem frohen Blick nach Hause zurck. Wir alle leben stndig in
unserer Lebens-Wirklichkeit; aber manchmal geschieht es, da wir sie aus den
Augen verlieren. Kommt es dann zu bedrckenden Vergleichen mit der
Vergangenheit oder zu Vergleichen mit dem Leben anderer Personen, so verliert
sich der Betreffende leicht in Hirngespinste. Dies fhrt zu einem Gefhl groer
Verlassenheit und Einsamkeit, zu Eifersucht, Neid, Schmerz und Leid. Ein
hnliches Gefhl der Befremdung berfiel mich einmal, als ich einen Tempel auf
dem Lande besuchte. Aus der Entfernung sah ich auf der einen Seite des Berges
einen dichten Wald, und ich konnte das Dach eines groen Tempels gewahren,
der hinter den Bumen versteckt lag. Ein Einheimischer erzhlte mir, der Tempel
sei frher viel grer gewesen; jedoch nach einem Brande habe man den jetzigenBau viel kleiner aufgebaut. Der Mann fhrte mich, ich stieg eine hohe Steintreppe
hinan. Als ich endlich oben angelangt war und den Tempel sehen konnte, fand
ich, da es ein prchtiger Bau und alles andere als klein war. Trotzdem schien er
keineswegs aus einer jngeren Zeit zu stammen. Ich wunderte mich darber und
fragte meinen Begleiter, wann eigentlich der vorige Tempel niedergebrannt sei. Er
nannte die Kamakura-Periode (1185-1333). Wahrscheinlich hatte vorher hier ein
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viel grerer Tempel gestanden, aber die Kamakura-Periode lag ja sieben oder
achthundert Jahre zurck. Ich mute lachen, denn ich hatte nach der Erzhlung
des Mannes, der sagte nachdem der Tempel niedergebrannt ist, an fnf oder
sechs oder hchstens an zwanzig bis dreiig Jahre gedacht. Es war interessant zu
beobachten, da die Leute vom Lande hier etwas Geschichtliches, das sie selbst
nicht gesehen hatten, so behandelten, als wre es gestern geschehen. Wenn man
es jedoch richtig bedenkt, so ist ein Ereignis, das sich sieben- oder achthundert
Jahre vor uns zugetragen hat, ein krzliches Ereignis. So erinnert sich das jdische
Volk lebhaft an den von Salomon vor mehreren tausend Jahren gebauten
Tempel, als wre es gestern gewesen. Normalerweise sind es Dinge, die sie selbst
erfahren oder die wenigstens in ihrem eigenen Leben geschehen sind, wenn dieLeute von Erinnerungen sprechen. In diesem Falle jedoch erinnern sie sich
an das, was in Bchern steht oder was ihre Vorfahren erzhlt haben. Dies wre
ohne Bedeutung, doch beim jdischen Volk geht es um sein ganzes Schicksal im
Zusammenhang mit diesen Erinnerungen; es kommt, ebenso bei Christen und
Moslems, zu gegenseitigem Totschlag um dieser Erinnerungen willen, die ihnen
allen gemeinsam sind. Aus dem Gesagten geht hervor, da die in mythischen und
einseitigen Religionen verhafteten Vlker so handeln, wie sie es gelehrt wurden,
wie es in ihren Bchern steht und wie sie es von ihren Vorfahren gehrt haben.
Dabei verwickeln sie sich nur allzuoft in schwere Kriege und Massenmorde. Dies
nur als Beispiel; denn diese Tatsache bezieht sich nicht allein auf Religionen. Das
gleiche geschieht im Falle von Weltanschauungen. Anstatt die Wirklichkeit des
wahren Lebens ganz ins Auge zu fassen, verbrmen sie diese mit Namen wie
Gott, Gerechtigkeit, Frieden; oder mit steifen Dogmen und zur Routinegewordenen Ideen. Wir knnen nicht einfach sagen, da Erinnerungen,
Illusionen, Mythen, geschichtliche Fakten oder Ideengnge, insofern sie aus dem
menschlichen Leben geboren werden, sinnlos sind. Sie alle aber sind nicht die
wahre Lebenserfahrung selbst; sie haben vielmehr eine rein begriffliche Existenz
innerhalb unseres Denkens. All dies gehrt zur Erfahrung, alles Wissen der
Vergangenheit und vielleicht der ganzen Menschheit, doch hat es nur einen Sinn,
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wenn es durch die wirkliche Lebenserfahrung, das Hier und Jetzt, zum Dasein
gebracht wird. Es kommt manchmal vor, da wir uns allzusehr in die genannten
Dinge verrennen. Wir bewundern sie, glauben blind daran, werden verrckt und
fanatisch, da wir diese Hirngespinste mit einem Scheinleben fllen. Wir
verwechseln vllig diese rein begrifflichen Existenzen mit der wahren
Lebenserfahrung, die etwas Gegenwrtiges ist. Wir tun Dinge, die unser wahres
Leben ersticken. Dies kommt immer wieder vor. Das einzelne Individuum, das
sich auf diesen Irrweg begibt, kann in eine Anstalt fr Schizophrene geschickt
werden. Was aber, wenn breite Massen von Menschen so handeln? Keine
Irrenanstalt der Welt ist imstande, sie aufzunehmen und, was schlimmer ist, diese
Gruppen von Fanatikern sind es, die gelegentlich unsere Zeitgeschichte machen.Ist nicht unsere Geschichte eine fortgesetzte Handlung von Sinnlosigkeit? Gewi
lebt ein jeder immer seine eigene Lebens-Wirklichkeit, selbst in irriger Weise.
Worauf es jedoch ankommt, ist, das Leben aus seiner Wirklichkeit heraus zu
erleben. Von diesem Standpunkt aus erfassen wir, was es bedeutet, wenn wir
immer wieder betonen, da unser Zazen den Weg zeigt, die Lebens-Wirklichkeit
praktisch durchzufhren.
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Wirklichkeit des ZaZen
Wie bt man Za$en+
Soeben habe ich ber den Sinn des Zazen
gesprochen, nun will ich erklren, wie man Zazen
bt.
Zunchst: der bungsraum soll so ruhig wie mglich
gelegen sein. Er sollte weder zu hell noch zu dunkel
sein, warm im Winter und khl im Sommer. Achtet
darauf, den Raum von Wind und Rauch freizuhalten,
haltet ihn sauber und rein! Mit anderen Worten,
trachtet, hier eine Umwelt des Friedens zu schaffen, die nicht dem Wechsel
unterworfen ist, einen Ort, der stndig zum Zazen-Sitzen benutzt werden kann.
Ihr knnt eine kleine Buddhastatue aufstellen, dazu ein paar Blumen in einer
Vase und Weihrauchstbchen anznden. Das
Buddhabild stellt die Ruhe des Zazen dar und
ist ein knstlerischer Ausdruck desweltumfassenden Mitleides und der Weisheit
des Zen. So schaffen wir die rumliche
Stimmung fr unsere bung. Dem Orte, wo wir
Zen ben, gebhrt Achtung. Daher gren wir
mit aneinandergelegten Hnden (Gassho),
wenn wir den Zen-Raum betreten. Lat uns
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Zafu (Kissen) und Zaniku(gepolsterte Matte)zur Zazen-
bung
Schema des Zazen-Sitzeslinks: halber Lotussitzrechts: voller Lotussitz
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stets die Stimmung des Ortes wahren, die es uns ermglicht, Zazen zu ben. Wie
sollen wir sitzen? Legen wir eine Zaniku vor die Wand und darauf einen Zafu!
Setzt euch auf den Zafu und kreuzt die Beine: Der rechte Fu ruht auf dem linken
Schenkel und umgekehrt. Dies nennt man die volle Lotus-Stellung. Wenn ihr dieBeine nicht in dieser Weise kreuzen knnt, so legt nur den linken Fu auf den
rechten Schenkel. Dies ist die halbe Lotus-Stellung. Setzt euch nicht mitten auf
den Zafu. Dieser mu zum Groteil frei bleiben; eure Knie sollen fest auf der
Decke liegen. Das Gewicht des Oberkrpers sttzt sich auf drei Stellen: auf eure
beiden Knie, auf den Zaniku und auf euer Ges (auf dem Zafu). Setzt euch
gerade und streckt den Rcken, als wolltet ihr das Ges tief in den Zafu stoen!
Haltet euren Nacken gerade und nehmt das Kinn zurck! Schliet den Mund und
legt die Zunge fest an den oberen Gaumen, lat im Innern des Mundes keinen
Hohlraum entstehen! Stot euren Kopf nach oben, als wolltet ihr die
Zimmerdecke eindrcken! Die Daumen begegnen einander oberhalb der Hnde.
Eure Ohren sollen in einer Linie
mit den Schultern liegen, die
Nase in einer Linie mit demNabel. Lat die Augen offen wie
gewhnlich, blickt auf die Wand
und senkt dann etwas den Blick!
Sobald ihr die Zazen-Stellung
eingenommen habt, ffnet den Mund und atmet tief aus! Dadurch ndert ihr
eure ganze Stimmung. Um die Steife in den Gelenken und Muskeln loszuwerden,
wiegt euch langsam zwei- oder dreimal nach rechts und nach links, erst dann
nehmt eure unbewegte Stellung ein! Von nun an atmet ruhig durch die Nase! Es
ist wichtig, natrlich zu atmen, die kurzen Atemzge kurz und die langen lang zu
halten, je nach eurer Gewohnheit. Atmet so natrlich wie mglich vom
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Haltung der Hnde beim Zazen
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tanden1aus! Macht beim tiefen Atmen keine Gerusche.2
Meister Tendo Nyojo3sagt:
Der Atem geht in den Unterleib. Versucht jedoch nicht zu
erfahren, woher er kommt! Ihr sollt nicht absichtlich langoder kurz atmen. Wenn der Atem wieder den Unterleib
verlt, ist es das gleiche: Versuchet nicht zu wissen, wohin er
geht! Auf alle Flle aber kann
man nicht sagen, ob die
Atemzge an sich lang oder kurz
sind.
Mein Meister erklrte es in dieser Weise,
und wenn mich jemand danach fragen
wrde, so wrde ich wahrscheinlich ebenso
antworten. Es ist dies jedoch nicht etwas,
das man eigens als Mahayana oder als
Theravada bezeichnen kann. Es geht ber
beide hinaus. Sollte der Fragesteller mich
weiterfragen: Wie ist es also darum
bestellt?, so wrde ich antworten, da das
Atmen an sich weder lang noch kurz ist.
Die hier beschriebene Zazen-Haltung kann
1 Etwa drei Zentimeter unterhalb des Nabels gibt es eine tandem genannte Zone. Wenn ihr die richtige Zazenhaltung
einnehmt, wird der Schwerpunkt eures Krpers und Geistes ganz natrlich ins tandem fallen, vor allem, wenn ihr eureAtmung regelt. Im brigen sollt ihr ganz natrlich atmen. (Anm. des Verf.)2 Bei unserem Zazen ist die richtige Haltung das wichtigste. Hat man diese eingenommen, so beruhigt man das Herz, indemman den Atem kontrolliert, das heit, man atmet natrlich. Im Theravada-Buddhismus gibt es zweierlei Gesichtspunkte.Der eine richtet sich auf das Physische, das Zhlen der Atemzge, und der andere auf das Psychische, die Reinigung desHerzens. Im Theravada kontrolliert man also den Atem, indem man die Atemzge zhlt. Dies unterscheidet sich jedochvllig von der Unterweisung, die Buddha gab. Buddha sagte: Im Theravada zhlt man die Atemzge. Ihr aber kontrollierteuren Atem nicht wie die Leute des Theravada! Gegenwrtig praktizieren die Shibunritsu- und die Kushna-Sekte in Japandiese Atemkontrolle. Im Mahayana-Buddhis-mus gibt es auch eine Atemkontrolle. Man wei jedoch hier, da fr deneinen lange, fr den anderen kurze Atemzge seiner Natur entsprechen, es hngt von der einzelnen Person ab. Der Atemwird in den Unterleib eingezogen und kommt aus diesem wieder zurck. Wenn auch Einatmen und Ausatmenverschieden sind, so hngen doch beide vom Unterleib ab. Wenn die Atmung zunchst nicht regelmig vor sich geht, sowird es doch leicht und bald gelingen, das Herz zu beruhigen.
3 Tintng Rjng.
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Kodo Sawaki Roshi
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als eine einzigartige Entdeckung des Ostens bezeichnet werden, da sie die
wirkungsvollste ist, um unsere per-snlichen menschlichen Gedanken aus uns zu
entfernen. Dies kann leicht verstanden werden, wenn wir die Zazen-Haltung mit
Rodins Skulptur Der Denker vergleichen. Die Bezeichnung Denker klingt
schn, aber die Stellung des Denkers ist die eines Mannes, der seinen Illusionen
nachtrumt. Der Oberleib ist vornbergebeugt, Arme und Finger sind gekrmmt,
und sogar die Zehen sind krumm. Wenn wir uns so gekrmmt halten, stockt
unser Blut, wir verfangen uns in unseren Einbildungen und knnen uns nicht frei
fhlen. Im Gegensatz dazu bleibt beim Zazen alles an uns vllig gerade: Oberleib,
Rcken und Kopf. Unser Unterleib ruht entspannt auf den richtig gekreuzten
Beinen, dadurch strmt das Blut aus dem Kopf und kreist ungehindert gegen denUnterleib zu. Infolge dieser Entlastung des Kopfes entsteht keine Stauung, unsere
Erregbarkeit sinkt, und es wird uns unmglich, weiterhin Phantasien und
Trumen nazuhngen. Darum ist die beraus korrekte Krperhaltung beim
Zazen so entscheidend, darauf kommt es an, und alles brige hngt davon ab. Es
ist nun freilich leicht zu sagen: Richtet eure Glieder auf diese richtige Haltung aus;
jedoch in der Praxis ist es nicht so einfach, dies zu tun. Wenn ihr trotz eurer
Zazen-Haltung weiter den Gedanken nachhngt, so denkt ihr eben und seid
nicht im Zazen. Oder wenn ihr in Zazen-Stellung in Schlaf fallt, so schlaft ihr
eben und macht kein Zazen mehr. Zazen ist weder Denken noch Schlafen,
sondern Hinstreben auf lebendige Zazenhaltung. Wenn ihr whrend des Zazen
schlfrig werdet, so erschlafft eure Energie, und euer Krper sinkt zusammen.
Verfolgt ihr aber eure Gedanken, so wird eure Stellung verhrtet. Zazen bedeutet
weder schlaff und leblos noch versteift zu sein. Es mu im Gegenteil Lebensflleund Energie beinhalten. Es ist das gleiche wie beim Autofahren. Wenn ein Fahrer
trinkt oder sich schlfrig fhlt, so schwcht sich seine Kraft, und er luft groe
Gefahr. Andererseits wird ein Fahrer, der nervs oder vllig von seinen Gedanken
gefangengenommen ist, sich verkrampfen, auch dies ist gefhrlich. Dasselbe gilt
fr Geschftsleute, Politiker, usw.
Unsere Lebenskraft soll weder erschlafft noch allzu gespannt sein. Das Wichtigste
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ist, da sie absolut wach bleibt. Zazen ist die am meisten kondensierte Form von
Leben in hchster Wachsamkeit, seine direkte und reinste Form. Allerdings ist es
leicht, darber zu reden, jedoch sehr schwer, es richtig durchzufhren. Nochmals:
wenn wir Zazen sitzen, so drfen wir nicht dsen und uns nicht in unsere
Gedanken verspinnen. Wir mssen hellwach sein und mit Haut und Haaren,
mit allen Krften auf die rechte Haltung zusteuern. Knnen wir sie jemals
erreichen? Knnen wir sagen, da es hier ein Erreichen oder ein Endziel gibt?
Nein! Denn darin ist eben Zazen einzigartig. Wohl mssen wir nach Krften
darauf zusteuern, jedoch wir erreichen den Endpunkt niemals. Anders
ausgedrckt: der Mann, der Zazen sitzt, wird niemals wissen, ob er das Ziel
erreicht oder nicht. Wer denkt: Mein Zazen ist wirklich ausgezeichnet., oder:Ich habe es nun erreicht!, der bildet sich dies nur ein, und gerade dadurch fllt
er von seiner Zazen-Wirklichkeit ab. Stehen wir tatschlich vor einem solch
ungewhnlichen Gegensatz? Die meisten Menschen denken: wo es um einen
Zweck geht, gibt es ein endgltiges Ziel. Wo kein Ziel vor Augen steht, wird
niemand versuchen, sich anzustrengen. Dies ist die gewohnte Denkweise und
bliche menschliche Verhaltensweise, die auf logischer Berechnung fut. Hier
aber, beim Zazen-Sitzen, mt ihr alle Berechnung fahren lassen, an die ihr im
Verkehr mit den anderen gewhnt seid. Zazen ist: das Selbst, welches das Selbst
ins Selbst hineinbaut. Zazen macht Zazen. Zazen bedeutet das berbordwerfen
einer Denkweise, die annimmt, wo ein Weg sei, msse auch ein Ziel sein. Hier
steht ihr eben im Zentrum des Gegensatzes: Obwohl ihr euch bemht, auf etwas
zuzusteuern, knnt ihr absolut nicht sehen, ob ihr das Ziel erreicht. Ihr steht
mitten in einem Gegensatz, der absolut absurd ist, wenn ihr ihn von eurembeschrnkten Gesichtswinkel her seht. Wenn ihr nun so Zazen bt und einfach
dasitzt, fhlt ihr euch vermutlich ganz im Ungewissen. Ihr fhlt euch unzufrieden
und vllig verloren. Gerade deshalb ist Zazen etwas Unerhrtes! Solange das
winzige Ich, dieses dumme kleine Selbst mit sich zufrieden ist, bedeutet
dieser Stolz, diese Anmaung nichts als ein Weiterspinnen unseres trichten Ich-
Denkens. In unserem Zazen ist das der springende Punkt: Unser trichtes kleine
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Ich oder Selbst zeigt sich unzufrieden oder vorlufig aus der Fassung
gebracht, wenn das unermeliche wahre Leben jenseits des Denkens unseres
kleinen Selbst in Bewegung kommt. Gerade hier, wenn wir vllig verloren sind,
wirkt das LEBEN; hier wirkt die MACHT des Erwachten, des Buddha! Wer immer
die Absicht hat, sich dem Zen hinzugeben, mu sich zunchst verstandesmig
darber klar sein, da Zazen eben dies oben Ausgefhrte bedeutet. Sobald man
aber Zazen zu sitzen beginnt, mu man sich einzig auf die richtige Haltung
konzentrieren, nicht mehr mit dem Verstande, sondern dem ganzen Krper-
Geist. Endlich heit es: alles fallenlassen und sich ganz der korrekten
Zazenhaltung hingeben. Mit euren eigenen Augen knnt ihr unmglich das
eigene Angesicht anschauen. Da Zazen die lebendige Wirklichkeit unseres Selbstschafft, so wie es ursprunghaft vorhanden ist, knnt ihr es niemals wahrnehmen.
Halten wir uns eines vor Augen: Wenn bei allem etwas in uns unzufrieden bleibt,
so ist es unser verstehensschtiger Geist, der dies bewirkt, weil er den Erfolg
seiner Ttigkeit nicht beobachten kann. Auf alle Flle ist Zen die beste Haltung
und damit die Mglichkeit, zur tatschlichen Flle der Lebens-Wirklichkeit zu
gelangen. Ein alter gelufiger Ausdruck nennt dies: Shikantaza Zweck des
Zazen-Tuns ist Zazen. Niemals kann das Ziel dabei sein, um irgendeiner Absicht
willen zu sitzen, so etwa, um eine Art besonderes Satori zu empfangen. Weiter
unten wird dies an den Worten des Altmeisters Dogen noch deutlicher. Zazen
heit: Krper und Geist fallenlassen. Zazen-tun ist Satori. Es ist das wahre
Dharma; die Wahrheit Shobogenzo (Nehanmyoshin). Zazen machen bedeutet,
das Satori, die Erweckung, zu ben, zur Wirksamkeit zu bringen, in Wirklichkeit
zu setzen. Nur, wenn wir in diesem Geiste Zazen wirken, drfen wir vonShikantaza sprechen. Das recht berlieferte Dharma, der Weg von Buddha zu
Buddha, von einem Erweckten zum anderen, von einem Patriarchen zum
anderen, ist je immer nur dies gewesen: Zazen tun. Dies ist vllig eindeutig. Zazen
an sich ist bereits die letzte Stufe des Satori. Anders gesprochen: Satori, das
Erwachen, ist eben Zazen machen (Eihei Koroku, Buch 4). Der von einem
Buddha zum anderen, von einem Patriarchen zum anderen berlieferte Weg ist:
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durch Zazen-Wirken das Gesetz erfllen.
Mein Meister Tendo Nyojo sagte:
Mit gekreuzten Beinen sitzen, ist seit jeher die Haltung des
Erwachten. Vertraut ihr daher dem Zen euren Krper an, solat ihr Krper und Geist fallen.
Es ist nicht notwendig, Weihrauch zu verbrennen, um euren Geist in Stimmung
zu bringen, Buddhastatuen zu verehren, Nenbutsu zu rezitieren, d. h. den Namen
Buddhas oft wiederholen; es bedarf keiner Akte der Reue, Lektre der Lehrtexte
(Sutras) und anderer religiser Gebruche. Es gengt einzig, Zazen zu ben.
(Eihei Koroku, Buch 6). Bodhidharma kam nach China, er begann keineswegs,sich mit allen mglichen religisen Praktiken abzugeben. Er hielt keine Reden,
auch nicht ber die Sutras. Er tat einzig Zazen: im Shorin Tempel.Whrend
neun Jahren sa er, das Gesicht gegen die Wand gerichtet, nichts anderes. Dies ist
der Weg der Buddhas, die wahre Gnaden-berlieferung, genannt Shobogenzo
Nehanmyoshin. (Eihei Koroku, Buch 4.)
Tendo sagte:
Zazen-tun heit: Krper und Geist fallenlassen; es ist nicht
notwendig, Weihrauch zu verbrennen, Buddhas Bild zu
verehren, seinen Namen zu wiederholen, Sutras zu singen
und andere religise Zeremonien zu vollziehen.
In den letzten vier- oder fnfhundert Jahren war es wohl nur Tendo, welcher
Buddhas Auge ausri und mit seinem eigenen Auge schaute. Selbst in China
gab es keinen seinesgleichen. Nur wenige wissen, da Zazen der Weg des
Buddhas ist und da der Weg jeden Buddhas (Dharma) Zazen ist. Wohl mag es
manchen geben, der durch Erfahrung wei, da Zazen der Weg des Buddhas ist.
Keiner wei jedoch, da Zazen-tun nichts weiter ist als Zazen-tun. Es gibt keinen,
der die Wahrheit Buddhas lebt. Shobogenzo: Zammai-o-zammai
Mein Lehrer Sawaki Kodo, der Alte Meister, pflegte immer zu sagen:
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Zazen tun, das ist alles. Dies Wort bedeutet das gleiche wie:
kmmert euch nicht darum zu erfahren, ob Zazen der Weg
Buddhas, und ob der Weg Buddhas Zazen ist. Zazen ist
Zazen.
Darum ist Zazen alles, was zu tun ist. Da es viele Zweifel gibt, worin eigentlich die
Za-zen-bung besteht, fllt es vielen Leuten schwer, die rechte bungsweise zu
entwickeln. So ist es denn meine Absicht, auf den folgenden Seiten dieses
Bchleins dies zu erklren. Versteht, ich bitte euch, da es fr meine ganze Schrift
keine andere Schlufolgerung gibt als Dogens Wort:bt Za$en,
Die &edanken allenlassen
Ich sagte bereits: wenn ihr whrend des Zazen denkt, dann ist es kein Zazen
mehr. Bedeutet das etwa, da whrend des Zazen keinerlei Gedanken uns
anfallen? Kann man nur dann von gutem Zazen sprechen, wenn alle Gedanken
aufhren, in uns einzustrmen? Wir mssen unterscheiden zwischen: denken,
den Gedanken nachjagen, und den Gedanken, die zufllig kommen. Wenn
whrend des Zazen ein Gedanke in euch auftaucht und ihr ihm folgt, dann denkt
ihr bereits und seid nicht mehr im Zazen. Dies heit aber nicht, da ihr nur dann
im Zazen seid, wenn alles Denken aufgehrt hat. Genauer: stellt einen groen
Stein neben eine Person, die Zazen bt. Niemals wird der tote Stein einen
Gedanken haben. Wir sind jedoch lebende Wesen. Auch wenn ihr euch
unbeweglich hinsetzt wie ein Stein, so heit das nicht, da keine Gedanken auf
euch eindringen. Dies wre unnatrlich, da ihr ja lebt, und die Wirklichkeit desLebens wird immer in euch pulsieren. Es wre falsch zu sagen, das Denken hre
auf, sobald einer Zazen sitzt. Die Gedanken kommen, das ist nur allzu natrlich.
Wenn allerdings jemand den Gedanken nachhngt, dann denkt er eben und hrt
auf, Zazen zu ben.
Wie sollen wir uns also verhalten?
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In kurzen Worten: unsere geistige Einstellung soll so sein, da wir uns um die
rechte Haltung im Zazen bemhen: mit dem ganzen Krper-Geist, mit allen
Krften. Der richtige Ausdruck fr unser Verhalten wre vielleicht: Lat die
Gedanken fallen!
Was heit dies?
Wenn wir denken, so denken wir an etwas. Dies bedeutet, da sich die Gedanken
an einen Gegenstand heften. Whrend des Zazen ffnen wir weit unser Inneres,
das daran ist, sich an etwas zu klammern. Unsere Hnde - geistig gesprochen -
halten dann nichts mehr. Dies ist, was wir nennen:
Lat die Gedanken fallen!Genauer gesagt: ein Gedanke kommt in uns auf. Wird er jedoch nicht
festgehalten, so hat er keine Mglichkeit, zu einem Ding zu werden. Zum Beispiel:
selbst wenn der Gedanke A (eine Blume) auftaucht, bleibt er ohne Bedeutung,
solange er nicht von einem Gedanken B (ist schn) gefolgt wird. Kommt der
Gedanke A in unseren Sinn, so bleibt er, wenn er nicht weitergefhrt wird, allein
und erhlt keine Bedeutung. Er ist sinnlos und wird verschwinden, whrend
unser gedankenloses Bewutsein weiterluft. Da das Blut infolge der Zazen-
Haltung aus dem Kopfe strmt und unser seelisches Erregungsvermgen infolge
der Zazen-Haltung vermindert wird, sind beim Zazen von vornherein Gedanken-
Assoziationen unmglich. Solange ihr alles auf diese Haltung konzentriert, wird
der freie Fall der Gedanken ganz natrlich erfolgen. Immerhin ist das
menschliche Leben keine Maschine. Selbst in Zazenhaltung seid ihr physisch
imstande zu denken, soviel ihr wollt, wenn euch danach zumute ist. Versteht esrecht: Beim Zazen-Sitzen ist es das Wichtigste, von ganzem Herzen, mit dem
ganzen Krper-Geist sich auf die Haltung einzustellen. Kmmert euch
ausschlielich um die Haltung, die Gedanken lat fallen! Wenn ihr euch danach
richtet, so sind beide, Krper und Verstand, im Geiste des Zen. Whrend des
Sitzens drfen wir niemals daran denken, da wir Zazen machen. Es soll nichts als
die Ausfhrung einer erworbenen Praxis sein. Zenmeister Dogen nannte dies
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unter Berufung auf die Worte von Yakusan: das Denken des Nicht-Denkens.
Das heit: whrend ihr mit dem ganzen Krper-Geist Zazen bt, erstrebt ihr
(denkt ihr an) das Fallenlassen der Gedanken (Nicht-Denken). Altmeister
Eisan gebrauchte das Wort kakusoku. Er meinte damit, da wir hellwach sind
und mitten aus der Wirklichkeit leben. Kakusoku charakterisiert in
ausgezeichneter Weise die mentale Einstellung einer Person, die Zazen bt. Es
bedeutet, aufzuwachen und wirklich zu sein. Vielleicht darf ich es so ausdrcken:
das Wirkliche erwacht zu seiner Wirklichkeit. Wohlgemerkt: dieses Erwachen
ist nicht das, was man in der gewhnlichen Sprache denken oder
wahrnehmen nennt.Beim Denken und Wahrnehmen geht es um eine
Gegenberstellung !on Erkennendem und Erkanntem, bei diesem "Erwachen#$edoch wird nichts einander gegenbergestellt.Dies ist wichtig. Wie schon
vorher erklrt, leben wir immer und berall innerhalb der Wirklichkeit unseres
Lebens. Leicht verlieren wir diese unsere Lebens-Wirklichkeit aus den Augen, und
so erscheint sie dann getrbt und nebelhaft.
Wie geschieht dies nur?
Auf zweierlei Art: dadurch, da wir mde und schlfrig werden oder durch unserallzu konkretes Denken. Wenn wir einen Wagen lenken und dabei dsen oder an
etwas ganz anderes denken, so zeigen sich bald gefhrliche Folgen. Aufwachen
heit hier: Schlaf und konkrete Gedanken fahrenlassen, um die Zazen-
Wirklichkeit zu gestalten, mit Leib und Leben zu ben.
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Zum *eben er'achen
Im folgenden will ich nun, soweit wie mglich ins
einzelne gehend, unsere innere Erfahrung beim
Zazen-Sitzen beschreiben.Die Linie ZZ' stellt die korrekte Zazen-Haltung dar. Sie
bedeutet unsere Lebens-Wirklichkeit, in der wir
bleiben mssen. Ein Mensch ist jedoch selbst beim
Zazen-Sitzen kein Stein, und so geschieht es zuweilen
da er diese Linie zu verlassen sucht; entweder gehen
ihm Gedanken durch den Kopf oder er wird schlfrig. Ein Beispiel: jemand verlt
die Linie ZZ'; ein Gedanke "a" steigt in ihm auf. Wenn er diesen zum
Ausgangspunkt nimmt und mit anderen Gedanken "a" assoziiert, so denkt er
eben. Es ist klar: wenn dem Betreffenden seine Arbeit einfllt und er berlegt, wie
er sein Werk einteilen und ausben knnte, so tut er nichts anderes als dies: er
denkt. Pltzlich aber lt er seine Gedanken fahren und erwacht wieder zum
Zazen mit Fleisch und Blut. Er kehrt zur Lebens-Wirklichkeit zurck. (Siehe den
Pfeil). Nach einer Weile wird unser Mann schlfrig. (Siehe b). Wenn er soweiter macht ('b' und b"), dst er bereits. Daran ist nichts Erstaunliches. Wenn ihr
beim Zazen schlfrig werdet und sich Gedanken dazu gesellen, so schlaft ihr
bereits. Eine Gedankenflut erscheint ihr trumt. Den Gedanken nachjagen
oder schlafen, darin sehe ich fr das Zazen keinen Unterschied. Wenn wir
whrend des Wachens einem aufsteigenden Gedanken folgen, so denken wir.
Wenn wir schlfrig sind und unseren Gedanken folgen, so werden daraus
Trume. Gelegentlich kann es vorkommen, da ihr einnickt und im Schlafe
denkt: Ich bin schlfrig, doch halte ich durch und mache weiter Zazen. (Ich
spreche da aus eigener Erfahrung. Von Hypnose verstehe ich nichts, aber ich
kann mir denken, da die Hypnose diesen Halbschlaf zu ihrem Zwecke
verwendet.) Wenn ihr beim Zazen schlfrig werdet, so mt ihr aufwachen,
indem ihr mit Leib und Seele eure Energie auf das Zazen konzentriert und es vor
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Schema zur Erklrung derinneren Einstellung beim
Zazen
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allem vermeidet, den Gedanken zu folgen. (Dieses Aufwachen ist auf der
Zeichnung ebenfalls mit einem Pfeil gekennzeichnet.) Es kann auch sein, da ihr
vllig das Aufwachen verget. Vielleicht geht ihr euren Gedanken nach (siehe c,
c', c", c'"), und ihr kommt weit ab von der Lebens-Wirklichkeit. Mit anderen
Worten: ihr trennt euch von der Tatsache, da ihr Zazen sitzt. Ohne es zu
gewahren, kommt ihr zu einer Gedankenassoziation, zu einem Dialog mit einer
anziehenden Person (c"'), z. B. einer Freundin, die jedoch vllig von eurer
Phantasie geschaffen wurde. Selbst hier gibt es eine rasche Lsung: wenn jemand
beim Zazen aufwacht, d.h. wenn er sich wieder mit Leib und Seele
hineinversenkt und seine Gedanken fallenlt, so wird selbst die anziehendste
Person (c'") sofort verschwinden, und der Trumer kann zur Zazen-Wirklichkeitzurckkehren (ZZ'). Dies ist eine sehr bedeutende Bemerkung. Zeigt sie doch in
aller Klarheit, da die Erscheinung (c'") keinen konkreten Krper besitzt und da
sie nichts als ein inhaltloses Kommen und Gehen darstellt. Wie dem auch sei: falls
ihr whrend eures Zazen eine solche Erfahrung macht, sei es im Stadium c', c"
oder c'", so mt ihr so rasch wie mglich aufwachen und zum Zazen ZZ'
zurckkehren. Wie wir vorhin sahen, bedeutet die Linie ZZ' unsere Lebens-
Wirklichkeit. Drcken wir es besser aus: ZZ' zeigt unsere notwendige Haltung
beim Zazen. Unsere Lebens-Wirklichkeit aber ist weit mehr als das. Wir sind ja
keine leblosen Steine. ZZ' ist eine Richtschnur, an die wir uns halten mssen, die
wir jedoch niemals vollstndig erreichen. Wir weichen leicht in verschiedener
Weise davon ab. Die wahre Lebens-Wirklichkeit liegt dahinter: es ist unser
stndiges Streben, aufzuwachen und uns nach ZZ' auszurichten. Durch unser
Zazen erfahren wir, da alle Gedanken in unserem Kopf nichts sind als leeresKommen und Gehen, ohne konkrete Substanz und jederzeit zum Schwinden
verurteilt.
Zenmeister Yoka Daishi sagt:
Die fnf Skandhas sind nur wandelnde Wolken, die ziellos
kommen und gehen, whrend die drei Gifte: Begierde, Zorn
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und Stumpfheit des Geistes nichts sind als Wasserblasen;
Trugbilder, die erscheinen und verschwinden. Wenn erst das
Wirkliche erfat wird, dann gibt es kein Ego und kein
Dharma, kein Ich und kein Suchen des Weges. Und in einem
einzigen Augenblicke zerbrechen die Ketten des avici Karmas,
der tiefsten Hlle.4
Wahrlich, alle Gedanken, Illusionen und Begierden sind gleich Wasserblasen;
nichts als leeres Kommen und Gehen ohne wirkliche Substanz, sobald du zum
Zazen aufwachst. Selbst die avici genannte Hlle, die aus der Phantasie
entsprungen ist, verschwindet mit einem Schlage. Zazen lt uns dies als
Wirklichkeit erleben. Das Gesagte ist von hchster Wichtigkeit. Der Grund,
weshalb ich versucht habe, durch eine Skizze verstndlich zu machen, was
whrend des Zazen vorgeht, ist der Wunsch, Irrtmer vermeiden zu helfen. Ich
mchte klarmachen, da das Zazen des wahren Lebens, das Zen-Meister Dogen
vorschwebte, jenes ist, das er das richtig bermittelte Zen der Buddhas und der
Patriarchen nannte. Hren wir dazu folgende Stze aus Altmeister Dogens Eihei
Koroku, Buch 7:Der Patriarch Nagarjuna sprach also: Zazen ist der Weg aller
Buddhas. Andersglubige Schulen ben auch Zazen, sie
gehen jedoch zu weit; sie verfrben die Natur des Zazen, und
ihre unrichtigen Ansichten sind vom bel. Es ist dies nicht
das gleiche wie das Zazen der Buddhas und der Bodhisattvas,
der Erweckten und derjenigen, die dahin auf dem Wege sind.
Auch die Theravada-Schler machen Zazen, doch sie
wnschen, vollkommen zu werden, sie suchen die
Auslschung, das Nirwana zu erreichen. Dies ist eben nicht
dasselbe, wie das Zazen der Buddhas und Bodhisattvas.
Diese Worte von Nagarjuna (150-250 unserer Zeitrechnung) von Altmeister
4 Aus dem Shodoka (Zheng Daoge) von Yoka Daishi (Yongjia Xuanjue).
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Dogen zitiert, zeigen, da er bereits das Problem klar erblickte. Das Zazen von
andersglubigen Schulen ist nicht das lebendige. Es vermischt und frbt sich mit
allerlei Gedanken an Vorteile und bedeutet eine Entartung, ein Streben zu
weltlichem, auf Ntzlichkeit bedachtes Denken. Die Theravada-Schler ben
Zazen in der Absicht, stufenweise Illusionen und Begierden zu vermindern, und
suchen diese endlich ganz zu lschen (Nirwana). Nichts davon hat mit dem
wahren Zazen der berlieferung zu tun.
Unser Zazen (ZZ') trachtet nicht nach Verminderung der Illusion und nach deren
vlligem Auslschen. Falls jemand dieses Auslschen, im Theravada Nirvana
oder Satori genannt, fr die letzte Wirklichkeit des menschlichen Lebens
nimmt, dann hiee dies, da die Wahrheit des Lebens das Nicht-Leben, der Tod
ist. Im Theravada-Buddhismus sind die Begierden des menschlichen Lebens der
Grund des Leidens; man lscht sie und sucht nach der Seligkeit des Nirwana. Ist
jedoch das Suchen, sich vom Schmerz zu befreien und die Seligkeit des Nirwana
zu erlangen, nicht schon ein Wunsch und eine Begierde? Wer danach strebt, ist in
Widerspruch mit sich selbst, und mu daher leiden. Daher die warnenden Worte
des Meisters und die Mahnung eines Sutras: Ihr sollt niemals versuchen, imZazen dem Theravada-Weg zu folgen, dessen Jnger danach streben,
vollkommen zu werden. Wahres Lebens-Zazen ist anders. Sind doch auch
Wnsche und Begierden eine Manifestation der Lebenskraft. Daher ist es einfach
nicht wichtig, sie zu meiden und zu versuchen, sie auszulschen. Wenn es jedoch
soweit kommt, da Wunsch und Gier uns beherrschen und ganz ausfllen, dann
zerrinnt das Leben. Dies eine tut not: Unser Leben darf nicht durch Gedanken
berschattet werden; alle unsere Gedanken und Wnsche sollten wir zwar als
lebenswichtige Bestandteile ansehen, sie jedoch in ihrem Rahmen be-lassen und
uns nicht von ihnen vergewaltigen lassen. Dazu bedarf es keiner besonderen
Anstrengung. Nur eines: aufwachen und zur Lebens-Wirklichkeit zurckkehren!
In unserem Beispiel heit dies: Selbst wenn allerlei Gedanken (a und b) auf uns
einstrmen, so werden sie verschwinden, sobald wir zum Zazen erwachen.
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Versuche nicht, Scheinbilder zu vertreiben, und suche auch
nicht zu erfahren, was wirklich ist. Ein solches Suchen kommt
aus Unwissenheit. Wir Menschen besitzen jedoch Buddha-
Natur. Selbst unser Krper, der in dieser Welt wie ein
Phantom erscheint und wieder verschwindet, ist nichts
anderes als Lebens-Wirklichkeit. Wenn ihr zu dieser erwacht,
dann gibt es einfach kein Ding mehr. (Yongjia Xuanjue's
Shodoka)
In der Tat: wer selbst Zazen bt, kommt mit seinem ganzen Herzen zur
Erfahrung, da Gedanken nichts sind als ein leeres Erscheinen und Vergehen
ohne wirklichen Hintergrund. Dies aber kann nicht leicht verstanden werden,
wenn ihr nicht wahrhaft Zazen bt. Dies mag uerst anmaend erscheinen.
Gewhnlich ist es uns unmglich, ohne weiteres zu erkennen, da alles leeres
Kommen und Gehen ist, was sich in unserem Kopfe abspielt. Wir versenken uns
viel zu sehr in das Denken, und wir leben zu sehr aus der Welt des Denkens
heraus. Sobald wir etwas wnschen, nehmen wir an, die Tatsache, etwas zu
wnschen, beinhaltet dies bereits dessen Verwirklichung. Wir fhlen unsverpflichtet, das betreffende Etwas zu suchen; wir laufen ihm berall hin nach,
und schlielich bleibt uns nur ungeordnetes Verlangen und Gereiztheit.
Mit anderen Worten: die Ttigkeit in unserem tglichen Leben ist fast ganz vom
Streben nach Verwirklichung von Ideen bestimmt. Der physiologische Vorgang
ist dabei folgender: Wir kristallisieren in unserem Geiste ein Bild unserer
Einbildung; wir fixieren es, um so unserer Illusion, unserem Begehren mehr
Konsistenz zu geben. Unser Handeln wird daher ganz von Illusionen und
Begierden bestimmt. Ja, wir knnen sagen, da die Menschen sich gewhnlich in
dieses hineinstrzen, ohne es selbst gewahr zu werden. Ein Mann, der Sake trinkt,
lt sich von seiner Einbildung hinwegschwemmen, er wei, da er betrunken
ist; kommt er jedoch in ein Stadium, wo Sake sich gleichsam selber trinkt, und
noch weiter, wo Sake den Trinker trinkt, dann lt sich der Mann in seinem
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Rausche gehen und handelt dementsprechend. Dies als Beispiel. Es gilt fr fast
alles in der Welt: Der einzelne und die Gesellschaft werden von Begierden und
Illusionen begleitet und hinweggeschwemmt. Daher die hohe Bedeutung
unseres Zazen. Wenn wir zum Zazen erwachen, so erleben wir die Erfahrung,
da alle Dinge, die in unseren Gedanken sich entwickelten, in einem einzigen
Augenblick verschwinden knnen. Anders ausgedrckt, wir forcieren fast stndig
den Inhalt unserer Gedanken. Wachen wir jedoch auf, so kehren wir zur Lebens-
Wirklichkeit zurck, und diese wird zu unserem geistigen Schwerpunkt. Wenn
Zazen ein Teil von uns wird, und zwar in unserem gesamten tglichen Leben,
dann beherrschen uns keine Trugbilder mehr, die sonst eben kommen und
gehen. Wir beginnen dann von neuem unsere Lebens-Wirklichkeit. Von der LinieZZ' her gesehen vermgen wir, den Gedanken, Begierden und Illusionen ihre
eigentliche Rolle auf der Lebensbhne zuzuweisen. Solange wir auf dieser Welt
sind, wird es Glck und Unglck geben, Annehmlichkeiten und
Unannehmlichkeiten, Dinge, die uns anziehen, und solche, die uns kalt lassen, wir
werden lachen und weinen. All dies spielt sich auf der Ebene ab, die wir die
Lebensbhne nennen. Wer sich wahllos davon treiben lt, verliert sein
Gleichgewicht. Im Erwachen zum Zazen aber vermgen wir, den wahren Wert
und Unwert all dieser Dinge, die selbst whrend unseres Lebens auf uns
einstrmen, zu erfassen. Wir kommen nun in diesem Zusammenhang wieder auf
das Ich zurck, das, wie vorher erwhnt, durch die Beziehungen zu den
anderen bestimmt wird. Wir knnen leicht erkennen, da dieses Ich, das von
auen her bestimmt wird, die Bhne unseres Lebens, unseres Selbst ausfllt.
Indessen steht meine Lebens-Wirklichkeit hinter allem Schein. Sie ist zwar dessenUrsache, ohne sich jedoch von ihm beeinflussen zu lassen. Zazen grndet das
Leben und seine Wirklichkeit, es ist das wahre Selbst.
Dogen sagt:
Zazen ist die Praxis des Buddha. Zazen ist Nicht-Tun. Es ist
die Wirklichkeit des Selbst. Dies und nichts anderes soll auf
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dem Wege des Buddha gesucht werden. (Shobogenzo,
Zuimonki, 2. Buch)
Mit anderen Worten: das Bedeutendste beim Zazen ist nicht, Illusion und
Begehren zu verringern und vllig mit ZZ' eins zu werden. Gewi kommt esmanchmal dazu, aber selbst dies ist nur ein Teil des Zazen Es bleibt in uns immer
wieder das Bestreben, von der Grundlinie ZZ' abzuweichen. Worauf es jedoch
ankommt, ist das Hinstreben zum Erwachen, dem eigentlichen Grund des
Lebens.
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Sesshin in Antai-Ji
Sesshin ("hne S.iel$eug)
Zunchst mchte ich ber unsere Sesshins in Antai-ji sprechen und die
Erfahrungen zu beschreiben versuchen, die wir hierbei machen. Es ist mein
Wunsch, Zazen und unser Verhalten zum Leben in diesem Lichte klarer
hervorzuheben. Seit dem Tode meines Meisters Sawaki Kodo im Jahre 1965
begann ich, unser Sesshin in folgender Weise zu halten. Jedes dauert fnf Tage,
und zwar vom Freitag bis Dienstag, so da der Sonntag in die Mitte fllt. Im
Februar, wenn es kalt ist, und im August, wenn es hei ist, findet kein Sesshin
statt. Im Juli und im September dauert das Sesshin nur drei Tage. UnserProgramm beinhaltet Zazen und Kinhin, und nichts anderes, von vier Uhr
morgens bis neun Uhr abends. Wir haben drei Mahlzeiten am Tage und halten
Kinhin unmittelbar nach jeder Mahlzeit, danach gibt es eine Ruhepause von
jeweils dreiig Minuten fr persnliche Bedrfnisse. Unsere Sesshins zeichnen
sich durch zwei Merkmale aus: zunchst durch absolutes Sprechverbot. Wir
gren uns nicht und haben keinen Kontakt miteinander, wir rezitieren auch
keine Sutras. Auerdem wird der Warnstab, der Kyosaku, nicht verwendet, der
dazu da ist, im Falle von Unachtsamkeit oder Schlfrigkeit die benden auf die
Schulter zu schlagen. Sogar ich selbst, der Vorsteher des Tempels, sitze stndig
mit dem Gesicht zur Wand und beobachte nicht die anderen beim Zazen. Diese
beiden Merkmale bilden die Besonderheit der Antai-ji-Sesshins. Jeder einzelne
mu, unabhngig von den anderen, sein eigenes Zazen kontrollieren. Diese Art
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von Sesshin ist das Resultat verschiedener vorangegangener Sesshin-Erfahrungen.
Wir ben sie hier seit 1965. Ich glaube, es ist dies der beste Weg, das in die Praxis
umzusetzen, was mein Meister Sawaki Kodo Roshi mit den Worten ausdrckte:
"Zazen ist das Selbst, welches das Selbst in das Selbst einbaut.#
Der Grund fr fnf Tage absoluten Stillschweigens ist, da auf diese Weise, ohne
mit anderen Verbindung zu halten und ohne Zerstreuung durch andere, der
Mensch zu jenem Selbst wird, das nichts als dieses ist. Gleichzeitig wird dadurch
das Sesshin mit seinen fnf Tagen zu einer einzigen Zeitspanne von Zazen ohne
Unterbrechung. Der Grund, weshalb wir den Warnstab nicht verwenden, ist vor
allem, weil so jedermann ganz zu seinem eigenen, wahren Ich wird. Da Zazen hier
bedeutet, alles brige fallenzulassen und, gegen die Wand sitzend, nichts als
man selbst zu sein, wird dies als schreckliche Lange-Weile im ursprnglichen
Sinne des Wortes empfunden. Wrde jedoch der Kyosaku die Runde machen, so
wrde er zu einer Art Spielzeug, und die benden wrden gewissermaen
beginnen, damit zu spielen. So knnte zum Beispiel einer der ruhig
dasitzenden Teilnehmer, bald er den Kyosaku in die Nhe kommen sieht, denken:
Seht nur meine Haltung an! Ist sie nicht fabelhaft! Es besteht kein Grund, michmit dem Stock zu schlagen. Oder auch: Ach diese endlosen Nachmittagsstunden!
Vielleicht gibt er mir einen Schlag mit dem Kyosaku, das wird mich ein wenig
erfrischen! Der Mahnstab wre hier zum Spielzeug geworden. Wenn wir
genauer zusehen, gleicht unser ganzes Leben einer Suche nach Spiel und
Spielzeug. Dies beginnt schon bald nach unserer Geburt: Das erste Spielzeug ist
die Milchflasche. Spter sind es Puppen und Teddybren. Werden wir lter, so
interessieren wir uns fr mechanische Spiele, Fotoapparate und Autos. Und in
der Jugend ist es das andere Geschlecht, spter Studien und Forschungen,
Wettbewerb aller Art und Sport. All dies bedeutet schlielich nichts als Spiel. Bis
zu unserem Tode tauschen wir ein Spielzeug gegen das andere aus, das ganze
Leben ist nichts als Spielen. Unser Zazen dagegen ist die Lebens-Wirklichkeit. Es
ist das Ich allein, das zu seinem eigenen, wahren Ich wird. Hier gibt es kein
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Spielzeug mehr. Es geschieht das, was sich im Augenblick vor unserem Tode
ereignet, wenn alle Spielzeuge verschwinden. Beim Zazen suchen wir jedoch
leicht immer wieder nach einem Spielzeug, wenigstens fr einen Augenblick.
Sobald der Kyosaku uns nahekommt, wird er zum Spielzeug, das Ich wird nicht
mehr Ich sein. Aus diesem Grunde verzichten wir beim Sesshin auf den
Warnstab. Was sollen wir aber tun, wenn wir beim Antai-ji-Sesshin schlfrig
werden? Werden wir etwa ohne Kyosaku, der ja zum Wecken der Mden da ist
schlafen? Dies ist nicht zu befrchten, da es niemanden gibt der whrend der
ganzen siebzig Stunden des fnftgigen Sesshins nur schlafen wird. Es liegt an
euch selbst: Macht Zazen, so gut ihr eben knnt! Ihr sollt euch nicht dazu
gezwungen fhlen. Es ist eine Praxis die allein von euch abhngt. Es kann aberauch der Fall eintreten, da ihr zwar wach seid, euch jedoch zu Tode langweilt.
Um die Zeit zu vertreiben, denkt ihr an eine bestimmte Sache und unterhaltet
euch selbst mit dieser Idee. Es ist aber ganz unsinnig zu meinen, da ihr es so die
lange Zeit aushaltet; freilich gibt es Menschen, die dazu imstande sind. Seid ihr
jedoch geistig normal, so ist dies unmglich. Whrend eines Sesshins gleich
unserem, wo Stunde auf Stunde Zazen in absolutem Stillschweigen dahinluft,
wrdet ihr euch einfach uerst unbehaglich fhlen und glauben, verrckt zu
werden. Ein normales Gehirn kann es einfach nicht ertragen, auf lange Zeit hin
sich an Phantasiegedanken zu klammern. Am Ende begreift ihr es von selbst, da
es das beste ist, die Illusionen fahrenzulassen und zur korrekten Zazen-Haltung
zurckzukehren. Anders gesagt: dieses unser Sesshin ist nicht etwa durch
ueren Zwang bestimmt; ihr kommt einfach, ob ihr wollt oder nicht, zu jenem
Punkt, wo das Ich in sich selbst zur Ruhe kommt. Ich selbst sitze beim Sesshin wiealle anderen mit dem Gesicht gegen die Wand gekehrt und nicht gegen die
Teilnehmer. (Gewhnlich ist es nicht der Fall, da der Vorsteher eines Soto-
Tempels diese Stellung einnimmt.) Ich tue dies, um jeder Beziehung von Mensch
zu Mensch, jedem Beobachten oder Beobachtetwerden, die Spitze abzubrechen.
Wrde ich Zazen sitzen in der Absicht, die anderen zu berwachen, so wrde ich
eben nur dies tun und wahrscheinlich mein eigenes Zazen aus den Augen
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verlieren. Ebenso wrde, falls jeder sich vom andern beobachtet fhlt, unser
Zazen ein Haften am andern werden und nicht mehr authentisch sein. In einem
Sesshin in Antai-ji besteht keine Spur von Anleitung. Daher mssen unsere
Teilnehmer von vornherein erfat haben, wie ihre innere Einstellung zu sein hat.
Aus diesem Grunde habe ich bereits einige Schriften darber verfat und bin
darin soweit wie mglich in Einzelheiten gegangen. Ich wnsche, da meine
Sesshin-Teilnehmer bereits vorher diese Bcher gelesen und verstanden haben.
Dieses Bchlein gehrt auch dazu. Wenn dann die Interessierten noch Fragen zu
stellen haben, knnen sie mich ohne weiteres besuchen und - auerhalb des
Sesshins - bei mir um Auskunft bitten. Ich bemerke, da Menschen, die meine
Bcher gelesen haben und sich dann zum Zazen entscheiden, verschieden vonjenen sind, welche ohne diese Vorkenntnisse kommen. Viele Menschen kommen
und suchen, Zazen intellektuell zu verstehen. Sie sind von didaktischen, oft vagen
Theorien belastet. Ich mchte, da diese Dialektiker durch ihre eigene Erfahrung
zu dem Schlu kommen, da Zazen absolut nichts Theoretisches ist, sondern
etwas, das man tun mu. Daher ermuntere ich sie immer, sich direkt auf die
Praxis des Zazen einzustellen, dessen Weg nichts als Schweigen ist.
Za$en au/erhalb der Zeit
Welches sind nun die Erfahrungen und Wahrnehmungen whrend eines Sesshins
nach der Art von Antai-Ji? Zunchst die endlose Ausdehnung der Zeit whrend
der Versenkungsstunden. Dies erinnert uns an zwei Zen-Redensarten: Ein Tag ist
so lang wie die ganze Vergangenheit der Welt und: Ein Tag ist so lang wieunsere Kindheit. Wie oft sind wir im gewhnlichen Leben in heiterem Gesprch
mit Freunden oder beim Fernsehen oder sonst mit einer angenehmen Ttigkeit
beschftigt. Ehe wir uns versehen, ist ein halber oder ein ganzer Tag dahin. Sitzen
wir jedoch Zazen whrend eines ganzen Tages, so vergeht die Zeit nicht leicht.
Unsere Knie schmerzen, und unser Kopf fhlt Langeweile. Und, was noch
schlimmer ist, nichts ist da, uns vor der Langeweile zu retten. Da gibt es nur eines:
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unsere Versenkungszeit als Lebens-Wirklichkeit in jedem Augenblick
durchzuleben. Whrend des Sesshins wird alle Ttigkeit durch Glockenzeichen
geregelt. Zwei Schlge sind das Zeichen frKinhin: Alles steht auf und beginnt
zugehen. Ein Gedanke erwacht in uns: Jetzt aber bin ich schon von Zazen
berfttert... Wenn wir noch etwas weiterdenken, dann ist uerst
entmutigend, sich vorzustellen, da wir erst am Morgen des zweiten Tages
stehen, da erst weniger als die Hlfte des Sesshins vorber ist. Ohne Zweifel hat
jeder von uns diese Erfahrung gemacht. Wie kann es uns nur gelingen, ber die
restliche Zeit hinwegzukommen? Hier hilft nur eins: die Zeit zu berschreiten.
Wenn wir das, was wir Zeit nennen, nicht vergessen, ist es unmglich, durch die
vielen brigen Stunden des Zazen hindurchzukommen. Nur wenn wir die Zeitberschreiten und das Zeit benannte Etwas vergessen, begegnen wir der
nackten Wirklichkeit des Lebens. Das japanische Wort fr Zeit ist toki. Ich
glaube, es hat einen tiefen Inhalt. Toki kommt von toshi, das schnell, rapid
bedeutet. Mit anderen Worten: gerade weil wir einen Vergleich anstellen knnen,
bei welchem wir die dahingleitende Schnelle erspren, ersteht vor uns die
sogenannte Zeit. Wenn wir nicht vergleichen wrden, so wrden wir auch die
Schnelle oder Zeit berschreiten; wir wren dann das Selbst, das nur das Selbst
ist. Wenn wir weiterhin in unserem Sesshin sitzen, so denken wir nicht mehr an
Zeit. Drei Gongschlge und das Zazen-Sitzen fngt wieder an. Dann zwei Schlge:
nochmals Kinhin. So folgen wir dem Sesshin. So folgen wir den tnenden
Signalen und denken nicht weiter daran, ob die Zeit zwischen ihnen kurz oder
lang ist. Sodann, ohne da wir dessen gewahr wurden, sind fnf Tage vergangen.
Das Sesshin ist aus. Wir denken: Beim Zazen-Sitzen habe ich vllig die Zeitvergessen. Ich frchte, da dieser letzte Satz beim Leser ein starkes
Miverstndnis hervorrufen kann. Es wre richtiger zu sagen: Whrend ich mich
in dieses Zazen und Kinhin begeben habe, sind fnf Tage von selbst
vorbeigegangen. Ob wir diesen oder jenen Ausdruck gebrauchen, ist von keiner
Bedeutung, da sie beide die Wirklichkeit nur andeuten. Worauf es ankommt, ist
die persnliche Erfahrung. Auf alle Flle zeigt uns diese Art von Erfahrung, was
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eigentlich die sogenannte Zeit bedeutet, und auch, was auerhalb der Zeit
bedeutet. Gewhnlich haben wir das Gefhl, inmitten der Zeit zu leben. Hier
erleben wir das Gegenteil: Das Leben unseres Selbst, unseres Ich schafft die Zeit.
Ferner, wenn wir Zazen ben, kreuzen wir die Beine, bewegen den Leib nicht, wir
halten uns vllig ruhig; man knnte sagen, da diese Stellung schmerzvoll sei im
Vergleich mit unserer normalen Lebensweise, in der wir uns nach Belieben
bewegen knnen. Wenn wir bei einem Sesshin darber nachgrbeln, wie
schmerzvoll Zazen ist und wie tapfer wir diesen Schmerz durchhalten, so wird es
uns unmglich sein, die ganzen fnf Tage gut durchzuhalten. Gewi, selbst dann
knnen wir zwei oder gar vier oder fnf Stunden Zazen sitzen, entsprechend
unserer Fhigkeit und Geduld, Schmerz zu ertragen, jedoch vermgen wir nicht,einen ganzen Tag lang und noch viel weniger ein ganzes Sesshin von fnf Tagen
zu ertragen. Undenkbar, aus eigenen Krften heraus mo-nate- und jahrelang ein
solches Zen-Leben zu fhren. Selbst wenn der Krper es aushielte, wre es
sinnlos. Es wre eine knstliche Geste, eine Art Schaustellung der eigenen
Fhigkeit, auszuhalten und zu dulden. Nein, das Wichtigste bei unseren Sesshins
ist, ber den eitlen Gedanken hinauszukommen: Wie schwierig ist dies, und wie
wundervoll ertrage ich die Pein! Ihr mt einfach im Zazen untergehen, in
jenem Selbst, welches das Selbst als solches in sich einbaut. Unbewegliche
Haltung! Nur dann verrinnt die Zeit von selbst. Weg mit den migen Gedanken
ber die Mhe und Unannehmlichkeit, die ihr erduldet: nur so wird euer Sesshin
leicht. In dieser wichtigen Erfahrung sprengt ihr eure Gedankengrenze, und ihr
vermgt es, Unbehagen und selbst Schmerz zu vergessen. Fhren wir einen
Vergleich aus dem tglichen Leben an. Wenn uns schwere Probleme und Unglckbedrcken, sind wir gewohnt zu kmpfen, und wir verstricken uns damit noch
tiefer. Handelt es sich aber um jemand anderen, so begreifen wir sein Problem
leichter. Wenn es unseren Nchsten angeht, so geben wir ihm als Beobachter den
Rat, nicht zu kmpfen und sich vielmehr zu beruhigen. Als Auenstehende
knnen wir dies kalten Blutes sagen. Geht es aber uns an den Kragen, dann
wehren wir uns mit Hnden und Fen. Wie knnen wir nur dieses Ich, das sich
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so strubt, daran hindern und zur Ruhe bringen? Dazu gibt es nur einen Weg:
Unsere Gedanken zu sprengen, so da sie sich nicht an unser persnliches Leiden
und Ringen klammern. Auf unseren Fall bezogen, geht unser Sesshin diesen Weg:
Wir mssen uns in einen Zustand versetzen, der diesseits aller Unterscheidung
von einer Ich-Macht und einer Macht von auen steht. Wir machen unser Zazen
gleichsam auf einer anderen Ebene, diesseits von Aushalten und Leiden und
auerhalb der Zeit.
Za$en 0 S.iegel des *ebens
Wir kommen nun zu einer weiteren Erfahrung, die wir bei den Antai-ji-Sesshinsmachen. An einem Septembertage kamen zwei Amerikaner, J. und F., die recht
gut japanisch sprachen, mit ein paar Fragen zu mir. Beide hatten bei uns ber ein
Jahr geweilt und unsere Sesshins mitgemacht. Wenn ich Zazen be, mu ich
dann nicht zur Erfahrung des Satori kommen?, war ihre erste Frage. Ich
antwortete: In Japan scheinen Satori und Zen in enger Beziehung zueinander zu
stehen; sobald jemand sagt: Satori, denkt jedermann an Zen und
umgekehrt. Satori ist nun ein schwerwiegender Begriff, und es wre besser, dieses
Wort nicht zu gebrauchen. Ich sage dies, weil gewhnlich die Leute Satori als
Gegensatz zu Verwirrung, Unklarheit, Unwissenheit ansehen, als wren sie
einander entgegengesetzte Begriffe. Es handelt sich hier um den allgemeinen
Sprachgebrauch. Das wahre Satori des Shakyamuni ist jedoch nichts dergleichen.
Es wird uns berichtet, da Shakyamuni im Augenblick, als er das Satori erreichte,
ausrief:Ich habe den Weg zugleich mit der ganzen Erde und mit
allen fhlenden Wesen erlangt. Alles: Berge, Bche, Bume,
Gras alle sind zu Buddhas geworden.
Fr Shakyamuni war Satori nicht etwas, das ihm allein zukam. Es war das Satori
des Lebens, das ihn und alle Dinge miteinschlo. Eine solche Wahrheit geht
manchmal ber das Fassungsvermgen gewisser Leute. Das Sutra des Herzens
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oder von der groen Weisheit, Prajna Paramita genannt, drckt etwas
hnliches aus, dort heit es:
Es gibt keine Geburt und keinen Tod, nichts Reines noch
Unreines, kein Wachstum noch Verdorren.Dies bedeutet: Satori jenseits von Geburt und Tod, von Reinem (Satori) und
Unreinem (Verworrenheit, Unklarheit, Unwissenheit), von Wachsen und
Verfallen. Es bedeutet: Zur Wirklichkeit des Lebens erweckt (erleuchtet) zu
werden, die, physisch gesehen, vor allen Unterscheidungen von Ich und den
anderen, vor Unwissenheit und Erweckung steht. Andererseits steht fest: Wenn
jemand Versenkung bt und sich auf Grund dessen rhmt: Ich habe Satori
erreicht!, so ist sein Satori etwas, das nur seinem Ich angehrt. Es ist dies ein
Satori, das im Nachhinein kommt, nach logischen Unterscheidungen. Es entsteht
nur aus vernunftmigem Denken, als Produkt des schlecht vorbereiteten
Geistes.
Hren wir dazu ein Wort des Altmeisters Dogen:
Wenn ihr euch die Idee des Satori als Ziel in den Kopf setzt,
so wird die daraus erfolgende Erweckung wertlos sein. Satori
ist nicht das Ziel. Da es alle Dinge berschreitet, kann nur
Satori dem Satori mit seiner Macht zu Hilfe kommen.
Erfahret, da es Unwissenheit nicht gibt! Erfahret, da es
Satori nicht gibt! (Shobogenzo, Kapitel: Yubutsu yo butsu,
wrtlich: Nur Buddha ergibt den Buddha)
F. entgegnete nun folgendes: Wenn ich Zazen be, kommen Tage, wo ich trotz
aller Bemhungen, meine Gedanken fernzuhalten und mich in richtige Haltung
zu versetzen, nicht umhin kann, ihnen nachzugehen. An anderen Tagen wieder
gelingt es mir, Zazen mit vllig offenem Sinne zu machen, ohne da Gedanken
aufsteigen. Wrden Sie dies Satori oder Kensho (Wesensschau) nennen? Ich
antwortete darauf: Gewi, wenn Sie Sesshin erleben wie jene in Antai-ji, so
werden Sie diese Erfahrung oft machen. Wenn Sie aber die Tage, an denen Sie
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den Gedanken nachjagen mssen, >Wirrnis oder Unwissenheit< Ihre guten Tage
aber >Satori< nennen, dann ist diese Art von Unklarheit und Satori nur durch
die Temperatur und die Feuchtigkeit bedingt. Hier in Antai-ji haben wir das
ganze Jahr hindurch sehr unterschiedliches Wetter, und selbst whrend eines
einzigen Sesshins kann das Wetter stark wechseln. Durch Ihre Erfahrungen, die
sich ber mehr als ein Jahr erstrecken, werden Sie wohl den Zusammenhang
zwischen der Temperatur drauen und Ihrer persnlichen seelischen Verfassung
erfat haben. Im allgemeinen werden Sie dies fhlen, sobald gewisse
Wetterbedingungen eintreten. Ist es erstickend hei, so mgen Sie sich noch so
sehr bemhen; Ihr Kopf scheint zu gren und Sie kommen zu nichts. Wenn
jedoch die Luft trocken ist und ein khler Abendwind weht, klrt sich Ihr Kopf,und Sie kommen zu einem guten Zazen. In beiden Fllen handelt es sich um eine
Wechselbeziehung zwischen Ihrem Organismus und dem Wetter. Sicher ist im
zweiten Fall Ihre Zazen-bung ausgezeichnet, aber das heit nicht, da dies
schon ein gutes Zazen sein mu; wie auch umgekehrt ein Zazen unter
ungnstigen Umstnden kein Versager ist. Unabhngig davon kommt es darauf
an, da Sie Zazen