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202 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 349. 1967 .. Uber Cha I kogenocarbonate. XXIX l) Untersuchungen u ber Kohlenstoffselenid- bis(hydrogense1enid) SeC(SeH), 2. Triselenokohlensaure H,CSe, in waRriger Losung2) 3, Von G. GATTOW und M. DRAGER4) Mit 5 Abbildungen Inhaltsubersicht Das Verhalten von SeC(SeH), in waBriger Losung wurde unter variablen Bedingungen niit Hilfe von Leitfahigkeits- und pH-Messungen zwischen 0°C und maximal +25 "C onter- sucht. Die Aquivalentleitfahigkeit von CSeif- laSt sich durch die Temperaturfunktion (in cm2 .O-l . g-Aqu.-'; T in OK) A: (4 CSei-) = -522,l + 2,02. T beschreiben. Die beiden Dissoziationskonstanten des H,CSe, betragen K,, (O'C) = (6,9 f 4) . 10V und Kaz (23°C) = (6,9 & 0,5) . 10-8. Die thermodynamischen StandardgroBen der Dissoziation wurden ermittelt. Durch Leitfahigkeitsmessungen zwischen 0 "C und + 15 "C konnte nachgewiesen werden, daB der Zerfall des H,CSe, in walriger Lbsung formal nach dem Geschwindigkeits- gesetz 1. Ordnung erfolgt; formale Aktivierungsenergie des Zerfalls AH, = 14 lkcal/Mol. Fur das CSe;--Ion wurden bei +26"C der STOKEssche Radius zu rs = 2,28 A, der Radius des hydratisierten Ions zu rHydr. = 3,76 A und der Grenzwert des Diffusionskoeffi- zienten zu Do = 1,08. cm2. sek-l berechnet. Summary The behaviour of SeC(SeH), in aqueous solutions between 0°C and +26"C was investigated by means of conductivity and pH measurements. The equivalent conductivity 1) XXVIII. Mitteilung: A. MULLER, B. Krebs u. G. GATTOW, Z. anorg. allg. Chem 349, 2) 1. Mitteilung: G. GATTOW ti. M. DRAGER, Z. anorg. allg. Chem. 348,229 (1966). 3) Um den Saurecharakter in waBriger Losung zu kennzeichnen, wurde - an Stelle der fur den wasserfreien Zostand gdtigeu Bezeichnung SeC(SeH), - die Schreibweise H,CSe3 gewahlt. 74 (1966). 4) Teil der Diplomarbeit M. DRACER, Gottingen 1966.

Über Chalkogenocarbonate. XXIX. Untersuchungen über Kohlenstoffselenid-bis(hydrogenselenid) SeC(SeH)2. 2. Triselenokohlensäure H2CSe3, in wäßriger Lö

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202 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 349. 1967

.. Uber Cha I kogenocarbonate. XXIX l)

Untersuchungen u ber Kohlenstoffselenid- bis(hydrogense1enid) SeC(SeH),

2. Triselenokohlensaure H,CSe, in waRriger Losung2) 3,

Von G. GATTOW und M. DRAGER4)

Mit 5 Abbildungen

Inhaltsubersicht Das Verhalten von SeC(SeH), in waBriger Losung wurde unter variablen Bedingungen

niit Hilfe von Leitfahigkeits- und pH-Messungen zwischen 0°C und maximal +25 "C onter- sucht. Die Aquivalentleitfahigkeit von CSeif- laSt sich durch die Temperaturfunktion (in cm2 .O-l . g-Aqu.-'; T in OK)

A: (4 CSei-) = -522,l + 2,02. T

beschreiben. Die beiden Dissoziationskonstanten des H,CSe, betragen

K,, (O'C) = (6,9 f 4) . 10V und Kaz (23°C) = (6,9 & 0,5) . 10-8.

Die thermodynamischen StandardgroBen der Dissoziation wurden ermittelt. Durch Leitfahigkeitsmessungen zwischen 0 "C und + 15 "C konnte nachgewiesen

werden, daB der Zerfall des H,CSe, in walriger Lbsung formal nach dem Geschwindigkeits- gesetz 1. Ordnung erfolgt; formale Aktivierungsenergie des Zerfalls AH, = 14 lkcal/Mol.

Fur das CSe;--Ion wurden bei +26"C der STOKEssche Radius zu rs = 2,28 A, der Radius des hydratisierten Ions zu rHydr. = 3,76 A und der Grenzwert des Diffusionskoeffi- zienten zu Do = 1,08. cm2. sek-l berechnet.

Summary The behaviour of SeC(SeH), in aqueous solutions between 0°C and +26"C was

investigated by means of conductivity and pH measurements. The equivalent conductivity

1) XXVIII. Mitteilung: A. MULLER, B. Krebs u. G. GATTOW, Z. anorg. allg. Chem 349,

2 ) 1. Mitteilung: G. GATTOW ti. M. DRAGER, Z. anorg. allg. Chem. 348,229 (1966). 3) Um den Saurecharakter in waBriger Losung zu kennzeichnen, wurde - a n Stelle

der fur den wasserfreien Zostand gdtigeu Bezeichnung SeC(SeH), - die Schreibweise H,CSe3 gewahlt.

74 (1966).

4) Teil der Diplomarbeit M. DRACER, Gottingen 1966.

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G. GATTOW u. M. DRACER, Triselenokohlensaure H,CSe, in waBriger Losung 203

(AT) of CSet- as well as the dissociation constants Kal and K,, of H,CSe, were determined. The thermodynamic data of the dissociation were calculated.

From electrical data i t is concluded that the decomposition of H,CSe, i n aqueous solution is a first-order reaction. The decomposition constants, the activation energy, and the half-lifes were determined.

Furthermore, the STOKES radius of the CSei- ion, the radius of the hydrated ion, and its diffusion coefficient were calculated.

Wahrend in der vorangegangenen Publikation z, iiber Versuche zur Dar- stellung des wasserfreien Kohlenstoffselenid-bis( hydrogenselenids) SeC(SeH), berichtet worden ist, sol1 in diesem Teil das Verhalten waSriger Losungen von SeC(SeH), besprochen werden.

Auf Grund des Saurecharakters in waSriger Losung ist zu erwarten, daS die Triselenokohlensaure H,CSe,,) in zwei Stufen dissoziiert :

H,CSe, + H,O + HCSe, 4- H,O+

HCSe; + H,O s CSei- + H,O+.

Bedingt durch die relativ groBe Zerfallsgeschwindigkeit und die geringe Los- lichkeit des H,CSe, in Wasser, sowie durch die starke Sauerstoffempfindlich- keit der BaCSe,-Losungen waren die Messungen an diesem System schwierig durchzufuhren.

I. Leitfahigkeitsmessungen

An waBrigen Losungen von BaCSe,5) und H,CSe,5) wurden elektrische Leitfahigkeitsmessungen in Abhangigkeit von der Zeit bei verschiedenen Temperaturen und Konzentrationen durchgefiihrt, die im Hinblick auf die I . Dissoziationskonstante und die thermochemischen KenngroSen der Disso- ziation, auf die Zerfallskinetik und -konstante, sowie auf die Aktivierungs- energie des Zerfalls und auf die Aquivalentleitfahigkeit und GroDe des hy- dratisierten CSeg--Ions ausgewertet werden konnten.

Die relativ groSe Zerfallsgeschwindigkeit der Triselenokohlensaure und die starke Empfindlichkeit von BaCSe, in waBriger Losung gegeniiber Sauer- stoff machten die Anwendung einer besonderen Versuchstechnik notwendig :

Eine sich in der MeBzelle befindliche waBrige (tridestilliert ; mit N, geslttigt) BaCSe,- Losung bekannter Konzentration wurde auf die konstant gehaltene MeBtemperatur abge- kiihlt. Eine genau aquivalente Menge 0, l n HCl der gleichen Temperatur wurde unter kraftigem Ruhren in einem SchuB hinzugegeben, die das H,CSe, in waBriger Losung in Freiheit setzte. Mit der Aufnahme exakter MeBwerte konnte bereits 5 10 sek nach der Saurezugabe begonnen werden. Da sich die Leitfahigkeiten - bedingt durch den Zerfall der Triselenokohlenslure - wiihrend der Messung verringerten, wurde das Leitfahigkeits- meBgerat (Metrohm-Konduktoskop E 365 bzw. E 165) an einen automatischen Schreiber

5 ) NLhere Einzelheiten iiber die Darstellung, Eigenschaften usw. siehe bei2) und 4).

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204 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 349. 1967

4,1 5,4 6,6 7 , i 8,5 9,9 13,5 15,7 17,6 20,O 20,2 21,6 22,i

(Metrohm-Potentiograph E 336) angeschlossen, der die Leitfahigkeiten direkt als Funktion der Zeit aufzeichnete.

Die Eichung der Leitfahigkeitsme13anordnunga) erfolgte praktisch vor jeder Messung mit 0,01 m KCI-Losung. Die Leitfahigkeiten des verwendcten Wassers und die des in der Losung anwesenden BaCl, wurden jeweils getrennt bestimmt und konnten so eliminiert werden.

Die Bestimmung der wahren Leitfahigkeiten der unzersetzten Substan- Zen erfolgte durch Extrapolation der gemessenen Leitfahigkeitswerte auf die Zeit ,,Null", da die Reaktionsordnung des Zerfalls bekannt war (nahere Einzelheiten siehe weiter unten).

1,85 1,94 2,03 2,12 2,19 2,31 2,64 2,74 2,90 3,18 3.16 3,28 3,36

1. Leitfahigkeit und GriiBe des CSei--Ions Die spezifischen Leitfahigkeiten ~t der BaCSe,-Losungen wurden bei drei

verschiedenen Konzentrationen (6,55 . bis 19,5 . Mol/Liter) im Temperaturbereich von 0 bis + 30 "C bestimmt ; die gemessenen x-Werte

Tabelle 1 Spezi f i sche L e i t f i h i g k e i t e n x u n d m o l a r e Lei t f t ih ig-

ke i t e n Ac wa Dri ger L o s unge n v o n BaCSe, b e i ver s c hie d e n e n T e m p e r a t u r e n T u n d K o n z e n t r a t i o n e n c 7 )

c = 6.55 . lo-' T X . 104

5,O 0,969 6,1 1 1,01 7,1 1,11 11,o ~ 1,21

16.5 13,* I 1,41 18,6 1 1,50 19,4 I 1,53

1,54 20,6 1,58 1I:f 1 1,64 23,l 1,6i 23,8 ' 1,72 25,3 1 1,78 2i,2 I 136 29,6 , 1,95 30,9 2,04

Ac

118 124 128 132 138 148 154 170 7 84 197 216 229 234 235 241 250 255 262 271 284 297 31 1

- T lx.10' Ac - 110 120 123 128 136 143 119 156 161 l i 0 194 202 213 234 232 241 247 260 272 2 i 8 194

C = 19.5. lo-'

T b . 1 0 4

0,0 I 2.04 1.3 ' 2.14 2,O 3,3 4 3 5,3 9,O 11,6 14,o 17,O 193 21,6 22,5 23,2 24,4 25,6 26,2 29,l

2.26 2,40 2,55 2,63 3,0e 3,37 3,63 3,90 4,27 4.46 4,57 4,64 4,76 4.89 4,97 5.25

6 , Eingeschmolzene platinierte Platinelektroden. ') x in 0-l . cm-I; A, in cm2. n-l . 3101-l; c i n Mol/Liter; T in "C.

105 110 116 123 131 135 155 1 i3 186 200 219 229 234 238 244 251 255 269

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G . GATTOW u. M. DRAGER, Triselenokohlensiiure H,CSc, in wiiBriger Losung 205

und die errechneten konzentrationsabhangigen molaren Leitfahigkeiten A, sind der Tab. 1 zu cntnehmen*).

Die graphischen Auftragungen von A, als Funktion von 6 gernalj der Beziehung von DEBYE, HUCKEL~O) und O N S A G E R ~ ~ ) (im Fall eines 2-2-wer- tigen Elektrolyten gilt fur die Ionen- starke ,IL = 4c) ergeben fur die hoheren MeBkonzentrationen eine deutliche nega- tive Abweichung und erst im Bereich der niedrigsten Konzentration ein Ein- miinden des verbindenden Kurvenzuges in eine Grenzgerade. Eine graphische Extrapolation auf die Grenzleitfahigkeit A, ware deshalb mit einer recht groBen Unsicherheit behaftet, so daB der direk-

HVCKEI, und ONSAGER &us den Werten

Abb. 1. Temperaturabhangigkeit der Berechnung ' 0 nach DEBYE, AquivalentleitfLhigkeit des CSeZ,--Ions

der niedrigsten MeBkonzentration der Vorzug gegeben wurde ; fur diesen Konzentrationsbereich ist erfahrungsgemaB schon eine gute Gultigkeit der Grenzbeziehung zu erwarten. Die Bereclinungen erfolgten in Schritten von 5" zwischen 0°C und + 30°C.

Die Aquivalentleitfahigkeiten des CSe;--Ions bei unendlicher Verdun- nung A, (g CSei-) wurden aus den so erhaltenen A,-Werten des BaCSe, nach KOHLRAUSCH unter Verwendung der bekannten Grenz-Aquivalentleitfahig- keiten des Ba2+-Ions 12) errechnet ; die Ergebnisse sind in Abb. 1 wiederge- geben. Die Aquivalentleitfahigkeiten des CSez--Ions lassen sich im Tempe- raturbereich von 0 bis $30 "C durch die lineare Beziehung

ausdrucken (T in OK). Fur die Standardaquivalent(1eitfahigkeit bei + 25,O "C folgt A? (4 CSei-)

= 80,3 & 2 cm2. Q-l . g-&u.-l. Vergleicht man die in Tab. 2 zusammengefaBten Aquivalentleitfahig-

keiten (und Radien) der Chalkogenocarbonat-Ionen CXi-, dann fallt auf, 8 ) Die gemessenen spezifischen Leitfiihigkeiten x brauchten nicht urn den Betrag A x

(= Hydrolysenkorrekt~r~)), der das Vorhandensein von, aus der Umsetzung mit dem LOsungsmittel nach CSe:- + H,O + HCSe, + OH- entstandenen, weiteren Ionen beriick- sichtigt, korrigiert zu werden. Eine Berechnung von A x ergab einen innerhalb der MeBge- naaigkeit von x liegenden Wert9).

AT ( 4 CSe:-) = --522,1 + 2,02 - T (cmz. ij-1 . g-Aqu.-')

._

$) Xiihere Einzelheiten bei M. DRAQER, Diplomarbeit Gottingen 196.3. l o ) P. DEBYE 11. E. HUCKEL, Physik. Z. 24, 311 (1923). 11) L. ONSAOER, Physik. Z. 37, 388 (19%). 12) J. LANOE, Z. physik. Chem., Abt. A 188, 284 (1941); L. R. DAWSON, J. physic.

Colloid Chem. 66, 1499 (1951).

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206 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 349. 1967

Tabelle 2 A q u i v a l e n t le i t f a hig k e i t e n A,, STOKES 8 c he R a d i e n rs u n d e f f e k t i v e R a d i e n rHydr. von C h a l k o g e n o -

c a r b o n a t - I o n e n bei +25"C

daB der A,-Wert beim CS?j--Ion ein Maximum aufweist. Da die Symmetrie der CXi--Ionen unabhangig von X konstant bleibt14), ist der Verlauf der A,-Werte durch Hydratations- und Radieneffekte zu erklaren : Die Hydrata- tion des COf-Ions ist wesentlich groBer als die des CSt--Ions. Zwischen CSE- und CSe:- wird nur noch ein geringer Unterschied vorliegen, der durch den vergroBerten Radius des unhydratisierten CSei--Ions gegenuber CS:- iiberkompensiert wird, woraus eine Verkleinerung des A,-Wertes resultiert.

Es ist zu erwarten, daI3 bei Symmetrieerniedrigung des CX:--Ions die Bquivalentleit- fahigkeit durch Verringerung der Hydratation zunimmt. Dieses konnte durch Untersuchun- gen an Monoselenothiocarbonatena)'5) und PerthiocarbonatenlG) bestatigt werden: Ac (8 CS,Se2-) = 98,6 f 2 und A, (3 Cq-) = 104,4 f 0,s cm2 . g-Aiqu.-' bei +25,0°C.

Auffallend ist ferner die starke Temperaturabhangigkeit der Leitfahigkeit des CSe$--Ions von dA,/dT = 2,02. Die meisten vergleichbaren Sauerstoff- saure-Anionen zeigen Werte zwischen 1,3 und 1,6; CSg- hat einen Wert von 1,70. Dies weist auf eine schnellere Abnahme der Hydratation des CSe?j--Ions mit steigender Temperatur als bei sauerstoff- oder schwefelhaltigen Anionen hin.

Nach STOKES und EINSTEIN 17) laat sich aus der Aquivalentleitfahigkeit A,, der Ladung des Ions z und der Viskositat 7, des Losungsmittels der SToKEssche Radius rs berechnen, der seinerseits mit dem Grenzwert des Ionen-Diffusionskoeffizienten Do und der Temperatur T in enger Beziehung steht 18) :

rs = 0,820 1 z I / ( A o vo) = 0,732 . T/(D, qo).

13) Dieser Wert wurde neu ermittelt; vgl. G. GATTOW u. B. KREBS, Z. anorg. allg. Chem. 323,13 (1963).

14) Vgl. z. B. B. KREBS, G. GATTOW 11. A. MULLER, Z. anorg. allg. Chem. 337, 279 (1965); B. KREBS, A. MULLER u. G. GATTOW, Z. Naturforsch. gob, 1017 (1965); A. MULLER,

G. GATTOW u. H. SEIDEL, Z. anorg. allg. Chem. 347,24 (1966). ' 5 ) G. GATTOW u. M. DRAOER, in Vorbereitung. 16) G. GATTOW u. J. WORTMANN, Z. anorg. allg. Chem. 346, 172 (1966). 17) Vgl. R. A. ROBINSON u. R. H. STOKES, ,,Electrolyte Solutions", New York 1955. I*) Vgl. W. NERNST, Z. physik. Chem. 2, 613 (1888).

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G. GATTOW u. M. DRAGER, Triselenokohlensiiure H,CSe, in wiihiger Losung 207

Bei + 25,O "C errechnet sich fur das CSe:--Ion ein SToKESscher Radius von rs = 2,28 A.

Da die SToKEsschen Radien in sehr vielen Fallen nicht reel1 sind und ledig- lich formale GroBen darstellen, wurde der effektive Radius rHvdr. des hydra- tisierten CSei--Ions aus der Kalibrierungskurve von NIGHT&GALE 19) bei +25,0 "C zu

ermi ttel t . rHydr. = 3,7G A

Der Grenzwert des Diffusionskoeffizienten Do des CSeZ,--Ions errechnet sich a m der STOKES-EINSTEINSC~~~ Gleichungl') bei + 25,O " c zu

Do = 1,08 . 10-5 cmz . sek-'.

2. Dissoziationskonstante Die Bestimmung der 1. Dissoziationskonstanten der Triselenokohlensaure

konnte wegen der leichten Zersetzlichkeit nur bei 0°C erfolgen, da eine sichere Extrapolation der spezifischen Leitfahigkeiten auf die Zeit t = 0 auch bei Kenntnis des Zerfallsgesetzes (niihere Einzelheiten siehe weiter unten) nur bei tiefen Temperaturen moglich war. - Zur Auswertung gelang- ten die MeBergebnisse von 3 verschiedenen Konzentrationen im Bereich von 1,22 .

Die Auswertung basiert auf der im vorliegenden-Fall zutreffenden Annahme (vgl. Ab- schnitt 11), daR die in die Gleichgewichtskonstante K,, eingehenden Aktivitiiten der bei der ersten Ionisierungsstufe auftretenden Stoffe nicht merklich durch das Gleichgewicht der zweiten Ionisierungsstufe beeintriichtigt werden, so daR man Kal aus ihnen berechnen kann. Spaltet man Kal in eine konzentrationsabhiingige Gleichgewichtskonstante KC1 und Sktivitiitskoeffizienten auf und nimmt fur den mittleren Aktivitiitskoeffizienten die Giiltig- keit einer erweiterten DEBYE-HvCKEL-Beziehung l o ) mit Berucksichtigung von endlichen Ionenradien und Solvathullennahordnung an, so ergibt sich die Gleichung0)22)

bis 4,55 . Mol H,CSe3 pro Liter bei 0°C.

wonach der links stehende Term linear von der Ionenstiirke abhiingen sollte.

Die konzentrationsabhangige 1. Dissoziationskonstante K,,

Kc1 = (x' . c/( l - (x)

wurde in bekannter Weise aus dem wahren Dissoziationsgrad a

a- = M n , * fA)

durch Iteration mit dem Leitfiihigkeitskoeffizienten fA (vgl. DEBYE, HUCKEL'O) und ON- S A C E R ~ ~ ) ) unter Verwendung der gemessenen molaren Leitfiihigkeiten A, und der molaren Grenzleitfiihigkeit A, berechnet O). Nach KOHLRAUSCH errechnet sich die molare Grenzleit-

lo) E. R. NIGHTINGALE, J. physic. Chem. 63, 1381 (1959). za) Es bedeuten: A = 1,8246. los . ( E T)-3/2; E = Dielektrizitiitskonstante des Losungs-

mittels; T = Temperatur; p = Ionenstiirke; C = Konstante.

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fihigkeit der Triselenokohlensaure additiv aus den entsprechenden Werten von H+ und HCSe;. Der A,-Wert fur HCSe;, der nicht gemessen werden konnte, laBt sich - nach CHANDLER^^) bzw. JEFFERY und V O G E L ~ ~ ) giiltig fur zweibasische Sauren - zu 60% der aquivalent,leitfahigkeit des zneifach dissoziierten Ions abschitzen, so daB folgt O )

A, (H,CSe,) = A, (H+) + O,G . A , (3; CSe:-).

Bei Auftragung von pK,, + (2A h'i)/ (1 + li) als Funktion von p (siehe Abb. 2) erhalt man tatsachlich mit guter Naherung eine Gerade; die Extra-

polation auf ,u = 0 ergibt fur die Gleichgewichtsgrofien pK,, und K,, der ersten Ionisierungsstufe der Tri- selenokohlensaure bei 0 "C

... 7.5. pK,i = 1,16 f 0,2 und

K,, = (6,9 f 4).10-,.

Diese Werte sind sicherlich auf Grund der bei der Bestimmung aufgetretenen be- sonderen Schwierigkeiten mit einem recht hohen Fehler behaftet, liegen aber grolen-

Abb. 2. Extrapolation der 1. Dissoziations- konstanten von H,CSe, auf ,u = 022)

ordnungsm&Big wohl richtig. Die GIBsssche Freie Enthalpie (Dissoziationsarbeit) der 1. Dissoziationsstufe errechnet

sich bei 0°C zn AGL = 1,4 f 0,3 kcal/&Iol.

3. Zerfall der Triselenokohlenstiure in waBriger Losung

Wahrend bisher nur die Anfangswerte (bei t = 0) der gemessenen Leit- fahigkeiten betrachtet wurden, sol1 im folgenden die zeitliche Anderung, die Auskunft uber die Geschwindigkeit und die Reaktionsordnung des Zerfalls gibt, untersucht werden. Als Zerfallsprodukte des H,CSe, entstehen H,Se und Kohlenstoff --elen-Polymerisate (vgl. 2))).

Die entsprechenden Messungen wurden - wie oben naher beschrieben - bei drci ver- schiedenen Konzentrationen ( l ,22 . l O P , 2,38 . 1 0 F und 4,h.j . Mol/Liter) im Tempe- raturbereich von 0" his maximal +14,8 "C durchgefuhrt. Wegen der leichten Zersetzlich- keit des H2CSe, muBte auf ein Arbeiten bei hoheren Konzentrationen und hoheren Tempe- raturen verzichtet werden.

Beim Auftragen des Logarithmus der Leitfahigkeitsdifferenz (zwischen Zerfallskurve und linear extrapolierter Grenzgeraden) als Funktion der Zeit ergeben sich in guter Naherung Geraden. Daraus kann geschlossenwerden, daB die Triselenokohlensaure formal nach einem Zeitgesetz I . Ordnung zerfallt ; uber den Zerfallsmechanismus lassen sich vorlaufig noch keine Aussagen

? O ) E. E. CHANDLER, J. Amer. chem. SOC. 30. 694 (1908). ?') G. H. JEFFERY u. A . I. VOCEL, J. chem. SOC. [London] 1935, 21.

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G. GATTOW u. M. DRAOER, Trisclenokohlensiiure H,CSe, in wiioriger Losung 209

machen. - Die aus der Anderung der Leitfahigkeiten mit der Zeit errech- neten Halbwertszeiten tl,2 und die Geschwindigkeitskonstanten k ( =In 2/tlI2) sind in der Tab. 3 wiedergegeben.

Bei dem H,CSe, nehmen die Halbwertmeiten des Zerfalls mit steigender Konzentration stark a b (vgl. Tab. 3). Dieses steht im Einklang mit der Tatsache, da8 bei hoheren Salz- konzentrationen nie eine intermediare Siiure- bildung, sondern stets nur die Zerfallsprodukte beobachtet werden konnten (vgl. 2)9)).

ergeben sich bei einer logarithmischen Auftragung der Geschwindigkeitskon- stanten als Funktion von 1/T fur die beiden geringeren Konzentrationen lineare Beziehungen. Fur die formale Aktivierungsenergie des Zerfrtlls der

AH, = 14 f 1 kcal/Mol

Wie aus der Abb. 3 zu ersehen ist, sa?

20 75 70 ' 5 0 - JI"C1 Triselenokohlensaure in Wasser folgt -4bb. 3. Temperaturabhiingigkeit der Geschwindigkeitskonstanten des Zerfalls

im Temperaturbereich 0-15 "C 23)24). von H,CSe, in wiioriger Losung

Tabelle 3 H a l b w e r t s z e i t e n 2,j2 u n d Geschwindigkeitskonstanten k b e i m Z e r f a i l v o n

1 2 2

T ["CI

0.0 LO 2,o 3-0 4,O 5,96 7.0 8,0 9,9

11,5 1?,0 14.8

H

14,7 12,8 13,O 11,2 10,o 8,6 7,3 7.7 6,1 5 8 5 3 4,0

- Se, i n w a o r i g e r L o s u n n

k [sek-'1

0,047 0,054 0,053 0,062 0,069 0,081 0,095 0,90 0,114 0,138 0,130 0,173

2,38 1 0,O ~ 7,2

4,55

0.0 1 7 3

3,9 ' 4,7

1,o 6,6 1,95 1 6,2 3.8 ' 4,8

5,O ~ 4,5 6 , l 1 4,4 7,0 4 4 0,o 3,6 0,0 3,0 1 ,0 2,6

k [sek-'1

0,096 0,095 0,105 0,112 0,144 0,147 0,153 0,156 0,154 0,19 0,23 0,2i

11. pH-Messungen Die experimentelle Bestimmung des pH-Wertes erfolgte im Temperaturbereich von

0 bis +25"C mit dem Metrohm-Potentiograph E 336 unter Verwendung von T- und

23) Innerhalb der experimentellen Fehlerbreite ist die Aktivierungsenergie praktisch

24) Zum Vergleich sei die Aktivierungsenergie des Zerfalls der Trithiokohlensiiure in

25) G. GATTOW u. B. KREBS, 2. anorg. allg. Chem. 333, 13 (19G3). Z. anorg. allg. Chemie. Bd. 349.

von der Konzentration unabhangig.

Wasser aufgefuhrt: A H A = 16,6 & 0,2 kcal/Mol (vgL25)).

14

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210 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 349. 1967

UX-Glaselektroden, die vor und wahrend der Messungen mit Pufferlosungen von bekanntem pH-Wert (pH 7-13) geeicht wurden. Benutzt wurden 3,2. lo-' bis 2,5. lo-, m Losungen von BaCSe, in Wasser (8 verschiedene Konzentrationen). Um den EinfluB von gelostem CO, und 0, auszuschalten, wurde frisch destilliertes Wasser (tridestilliert ; mit N, gesiittigt) verwendet ; gearbeitet wurde in N,-Atmosphare. - Um eine mogliche Zersetzung des BaCSe, in waBriger Losung Z U umgehen, muDten die Messungen nach Auflosen des Salzes schnell erfolgen.

I . Dissoziationskonstante Die Berechnung der zweiten Dissoziationskonstanten K,, des H,CSe,

erfolgte aus den Gleichgewichtsaktivitaten der sich bei Auflosung von BaCSe, im Rahmen einer Basenreaktion zwischen CSei- und H,O bildenden Stoffe ; wie sich aus dem zuvor bestimmten Wert von K,, abschatzen laBt, werden diese Aktivitaten im Rahmen der MeBgenauigkeit nicht durch die anschlie- Bende Basenreaktion des HCSeg-Ions beeinflufit. Nach Aufspaltung von K,, in eine teilweise konzentrationsabhangige Gleichgewichtskonstante K,, und Aktivitatskoeffizienten, fur die wieder (vgl. I, 2 ) eine erweiterte DEBYR- HOCKEL-Beziehung lo) angenommen wurde, ergibt sich 9)26)

~ ~ 2 2 + D 1/E = PKa, + 4 c(P/4)

mit = A l/CBaCSel)!(l + 'q6 l/CBaCSe,), A = 1,8246 . 10' . ( E T)-"/',

= - 'HCSe; / (4 CBaCSe,),

d4 = CBaCSe, [l - CHCBe. /(4 CBaCSeS)l*

wonach pK,, linear von ,u/4 abhangen sollte. K,, wurde aus den gemessenen pH-Werten und ccse:- berechnet; zur Bestimmung dieses

Wertes und der in E und y/4 eingehenden Gro13e cHCSe; ist allerdings die vorherige Kennt- nis von K,, und der von y abhiingigen GroBe log fHCsej notwendig. K,, wurde deshalb ausgehend von einem vorlaufigen cHCSe, -Wert sukzessive angenahert; im allgemeinen waren fur jeden MeRwert 4 bis 5 Iteiationsschritte bis zur Konstanz von K,, notwendig g).

Durch Auftragen von (pK,, + D 1/E) als Funktion von p/4 erhalt man bei linearer Extrapolation auf ,u/4 = 0 den Wert von pK,, (siehe Abb. 4). Die erhaltenen Werte sind in Tab. 4 wiedergegeben. Wie Abb. 5 zeigt, hangt pK,, mit guter Naherung linear von T-I ab, so daB eine Auswertung ge- ma13

In Ka, = - ,JHk(RT)-l + C

moglich ist. Eine Berechnung nach der Methode der kleinsten Quadrate liefert (T in OK; pK,, = f0 ,02)

PK,, = i,92.103. T-' + o , n .

26) Es bedeuten: c = Konzentration; y = Ionenstarke; F = Dielektrizitatskonstante des Losungsmittels; T = Temperatur; C = Konstante.

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G. GATTOW u. M. DRAGER, Triselenokohlensaure H,CSe, in waBriger Losung 211

Fur die Standardwerte der Gleichgewichtsgrohen pK,, und K,, der zweiten Ionisierungsstufe der Triselenokohlensaure bei + 25 "C folgt hier- aus

pK,, = 7.16 & 0,02 und K,, = (6,9 & 0,5). 10-8.

Tabelle 4 2. D i s soz ia t ionskons tan te K, d e r Tr i se lenokohlen-

s a u r e

9 0 r

70 4 - L. 4

Abb. 4. Extrapolationder 2. Disso- ziationskonstanten von H,CSe,

auf p /4 = 026)

8.0

Abb. 3. Temperaturabhangigkeit

der 2. Dissoziationskon- stanten K,, von H,CSe,

2. Dissoziationsenthalpie, Dissoziationsentropie und Dissoziationsarbeit

Die Anderung der GIBssschen Freien Enthalpie (Dissoziationsarbeit) dG;) fur die Reaktion

HCSe, + H,O -+ H,O+ + CSez-

lafit sich zwischen 0" und +25 "C durch die Temperaturfunktion (T in OK)

AGO, = 8,80 . l o 3 + 3,36 . T (cal/Mol) wiedergeben.

Fur den Standardwert von AG; und der Dissoziationsenthalpie AH: bzw. Dissoziationsentropie A S ; der 2, Dissoziationsstufe der Triselenokohlen- 14*

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saure folgt bei + 25 "C AGO, =

AH; =

AS: = -3,3, f 0,2 cal/Grad . Mol.

9,8 f 0,2 kcal/Mol,

8,8 f 0,2 kcal/Mol,

Die hderung der spezifischen Wiirme bei der Dissoziation von HCSe; in wafiriger Losung errechnet sich zu AC; = 0,O f 0,3 cal/Grad. Mol.

Herrn Professor Dr. 0. GLEMSER, Gottingen, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Fonds der Chemischen Industrie danken wir sehr fur die uns zur Verfiigunggestell- ten Hilfsmittel.

Mainz, Institut fur Anorganische Chemie und Kernchemie der Universitat,

Bei der Redaktion eingegangen am 4. Juli 1966.