4
503 LXXVII. Ueber das losliche Eiweiss. Von Ad. Wcrtz. (Cmpt. rend. T. Xlrlll. p. 700.) Das animalische Eiweiss findet sich fast immer in alkalischen Flussigkeiten, die imter andern auch verschiedene SaIze enthal- ten. Man hat geglaubt, dass es nur die Gegenwart dieser anorga- nischen Substanzen sei, denen es seine Loslichkeit verdankt. Diese Meinung ist yon Sch er e r ausgesprochen*). Die Ver- suche jedoch, auf welche diese Meinung gestutzt ist, sind nicht frei von jedem Einwurf **), und die Schlusse, die man daraus ge- zogen hat, werden vollig unhaltbar durch die Thatsachen, die ich hier mittheilen will. Es ist mir in der That gelungen, das Eiweiss yon allen fremden Bestandtheilen, die es sonst begleiten, zu befreien, ohne seine Loslichkeit in Wasser dadurch zu versn- dern. Folgendes ist das Verfahren, urn reines Eiweiss darzn- stellen. Das Weisse von Eiern wird in seinem doppelten Volume11 Wasser zertheilt und, urn die Zellen abzuscheiden, durch Lein- wand filtrirt. In die filtrirte Losung giesst man ein wenig basisch- essigsaures Bleioxyd, welches einen reichlichen Niederschlq hervorbringt. Man muss einen Ueberschuss dieses Bleisalzes vermeiden, da sich sonst der Niederschlag auflosen wurde. Der ausgewaschene Niederschlag wird in Wasser zu einem Brei ver- theilt und Kohlensawe hindurchgeleitet. Die anfaugs dicke Flussigkeit verliert ihre Consistenz , zu gleicher Zeit bildet sich ein starker Schaum. - Das Bleialbuminat wird durch die Iiohlensaiire zerlegt ; kohlensauras Bleioxyd bil- det sich uud bleibt suspendirt, wahrend das freigewordene Albu- min sich in Wasser auflost. 'Man Bltrirt die Flussigkeit durch ein mit Siiure ansgewaschenes Filter, um einen albuminijsen Nie- derschlag zu entfernen, auf den ich spiiter zuriickkonimen werde. *) Snnalen der Chem. u. !?harm. XL. S. 1 ff. **) Berzeliua'e Jahresbericht, 1842. S. 543.

Ueber das lösliche Eiweiss

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Ueber das lösliche Eiweiss

503

LXXVII. Ueber das losliche Eiweiss.

Von

Ad. Wcrtz. ( C m p t . rend. T. X l r l l l . p . 700.)

Das animalische Eiweiss findet sich fast immer in alkalischen Flussigkeiten, die imter andern auch verschiedene SaIze enthal- ten. Man hat geglaubt, dass es nur die Gegenwart dieser anorga- nischen Substanzen sei, denen es seine Loslichkeit verdankt. Diese Meinung ist yon S c h e r e r ausgesprochen*). Die Ver- suche jedoch, auf welche diese Meinung gestutzt ist, sind nicht frei von jedem Einwurf **), und die Schlusse, die man daraus ge- zogen hat, werden vollig unhaltbar durch die Thatsachen, die ich hier mittheilen will. Es ist mir in der That gelungen, das Eiweiss yon allen fremden Bestandtheilen, die es sonst begleiten, zu befreien, ohne seine Loslichkeit in Wasser dadurch zu versn- dern. Folgendes ist das Verfahren, urn reines Eiweiss darzn- stellen.

Das Weisse von Eiern wird in seinem doppelten Volume11 Wasser zertheilt und, urn die Zellen abzuscheiden, durch Lein- wand filtrirt. In die filtrirte Losung giesst man ein wenig basisch- essigsaures Bleioxyd, welches einen reichlichen Niederschlq hervorbringt. Man muss einen Ueberschuss dieses Bleisalzes vermeiden, da sich sonst der Niederschlag auflosen wurde. Der ausgewaschene Niederschlag wird in Wasser zu einem Brei ver- theilt und Kohlensawe hindurchgeleitet.

Die anfaugs dicke Flussigkeit verliert ihre Consistenz , zu gleicher Zeit bildet sich ein starker Schaum. - Das Bleialbuminat wird durch die Iiohlensaiire zerlegt ; kohlensauras Bleioxyd bil- det sich uud bleibt suspendirt, wahrend das freigewordene Albu- min sich in Wasser auflost. 'Man Bltrirt die Flussigkeit durch ein mit Siiure ansgewaschenes Filter, um einen albuminijsen Nie- derschlag zu entfernen, auf den ich spiiter zuriickkonimen werde.

*) Snnalen der Chem. u. !?harm. XL. S . 1 ff. **) Berze l iua 'e Jahresbericht, 1842. S. 543.

Page 2: Ueber das lösliche Eiweiss

504 W u r t z : U e b e r d a s l i j s l i c h e E i w e i s s .

Das filtrirte Eiweiss ist noch nicht re in; es enthiilt Spuren von Bleioxyd. Um dieses zu entfernen, giesst man einige Tropfen Schwefelwasserstoffwasser hinzu. Die Fliissigkeit brsunt sich, bleibt aber durchsichtig , denn das Sciivvefelblei fsllt nicht nieder. Um es abzuscheiden, erhitzt mail die Fliissigkeit vorsichtig bis auf 60”, bis die Fliissigkeit triibe wird; die ersten Flocken des sich ahscheidenden Eiweisses schliessen das Schwefelblei ein. Nach neuer Filtration ist die Flussigkeit klar und farblos; sie wird in einer flachen Schale bei 50” abgedampft. Der Riickstand stellt das Iosliche Albumin im Zustande der Reinheit dar.

Die Aufliisung des reinen Albumins in Wasser und das coagu- lirte Albumin zeigen eine schwache saure Reaction. Wenn man coagulirtes Albumin bei gelinder Wiirme mit nentralem oder zmei- fach-kohlensaurem Matron erhitzt, so verbindet es sich mit dem Natron unter Austreibung der Iiohlens%ure. Wenn man nach ei- niger Zeit die Substanz auf einem Filter sammelt und sie lange Zeit hindurch auswiischt , SO findet man sie vijllig neutral gegen Lakmuspapier, aber bei der Einiischerung findet man einen star- ken alkalischen Kiickstnnd.

Hr. H r u s c h a u e r hat gleichfalls diese saure Eigenscliaft des Albumins beobachtet, welclies durch SchwefelsSure gefiillt und durcli lange fortgesctztes husmaschen gereinigt war *).

*) Annalen der Chemie uncl Pharmacie, Band XZVI. Seite 34s. H r u s c h a u e r ’ s Versnche sind auf die Weise angestellt, dass e r Hiih- nereiweiss mit wenig Wasser vermischte nnd hiernuf unter stetem Urn- riihren verdiinnte Schwefelalnre in geringer Menge hinzusetzte. Es scheidet sich dabei die Te la cellulosa a b , wmon das Eiweiss klnr abfiltrirt werden kann. Bei Zusatz yon englischer Scliwefelsliure (9’g) in kleinen Qnantitiiten entsteht sogleich ein ilockiger Niedersdilag; hatte man zuin Eiweiss 2 Vol. Wasser gemischt und setzt Schwefelsiiure hinzn, welche init 4 Vol. Wasser verdiinnt ond dann erkaltet i s t , SO fiillt erst nach e i n i p r Zeit ein itockiger Niederschlag. Die so erhaltene ilIasse wurde sehr hiiulig mit reineiu Wasser i n einem Cylinderglase ubergussen unrl decantirt ; die saure Reaction der Waschwiisser nahm ab, nnd sie liessen anf Platinblech nnr sehr wenig Riick- stand. Nach 6 Wochen, wIhrend welcher Zeit tiiglich zweimal die Fliissig- kei t ernent war , war die Fliissigkeit nicht sauer, hinterlievs auch keinen Rickstand. Der weisse Niederschlag wurde mit dether und Slkohol ausge- zogen; bei looo getrocknet, bildet e r eine har te , gelbliehe, etwas dnrch- scbeinende Masse, die sehr ziihe und scbwer zii pnlvern war; bei 130” nahm sie eine strohgelbe Farbe an. - Im Serum konnte nor mit concen- tr ir ter S u r e ein schneller Niederschlag erhxlten werden ; rnit verdiinnter wurde auch nach langem Stehen kein solcher erhalten. Die Snbstanz zeigte beim Aufliisen in Kali keine Spur von Schwefelsiiure; mit WYns8er ausge-

Page 3: Ueber das lösliche Eiweiss

W u r t z : U e b e r d a s l i i s l i c h e E i w e i s s . 505

Andrerseits haben die HHrn. J o n es und R o c h I e d e r Be- zeigt, dass das Casei'n und Legumin im vollig reinen Zustande die Lakmustinctur schwach rothen *).

Erhitzt man eine reine Albuminlosung bis auf 59,5", so be- ginnt sie sich zu triiben; bei 61 - 63" bilden sich Flocken in der Flussigkeit , und bei einer etwas hoheren Temperatur gesteht das Ganze zu einer Masse. Man sieht, die Losung des reinen Al- bumins verhalt sich ganz SO wie das Weisse der Eier.

Ich habe grosse Sorgfalt darauf verwandt, dime Eigenschaf- ten des reinen Albumins festzustellen, um seine Identitgt mit dem Eiereiweiss darzuthun. Ich habe nun noch die Analysen mellre- re r reiner Eiweissproben anzufuhren.

Die Zusammensetzung des Eslichen Eiweisses ergab sic11 zu : Kohlenstoff 5?,88 52,70 Wasserstoff 7,19 7,06 Stickstoff 15,55 15,55 Sauerstoff u. s. w. 24,38 ?4,69

100,00 100,oo.

Fur das unlosliche Albumin : Durch Aether aosgezogen.

Xohleristoff 52,98 52,m Wasserstoff 7,15 7,23

100,oo.

Stickstoff 15,65 Sanerstoff 24,28 ---

kocht , reagirte clieses neutral ; legt man jcdocb das feuchte Albumin auf Lnkmuspapier, so riithet sich dieses sehr deutlich. Dan Albumin hat also eine Aelinliehkeit hierin mit dem Case'in, wornit auch B i r d's Erfahrung stimmt, dnss Albumin i m Kochen die Kohlenslure der kohlensauren Alkalien aiistreibt.

c 2 54,33 54,67 54,58 H c 7,72 7,35 7,74 N i= 15,83 0 = 22,42.

Die Analyse ergab:

Demnaeh exhtirt also keine chemische Verbindung von Albumin r ind Schwefelsiinre. Salpeterslure und Chlorwasserstoffslure gaben mit Eiweixs Niederschliige, die sich beim Auswaschen l isen .und durch Sfurezusatz wie- der gefll l t werden, also verxndertes Slbumin sind.

*) Annal. cl. Chem. u. Pharm. Bd. XLVI. S. 155 IT.

Page 4: Ueber das lösliche Eiweiss

506 U e b e r d i e S i i u r e n d e s g e g o l i r e i i e n G u r k e n s a f t e s .

Die Zusammensetzung des gereinigten Albumins ist also eiiie constante. Ausserdem stimmt sie mit der von D u m a s und C a - ll ou r s anpegebenen uberein *).

Auf gleiche Weise habe ich versucht, das ,4lbumin des Blut- serums zu reinigen ; aber der Niederschlag, welchen das basisch- essigsaure Bleioxyd in dem Blutserum bildet , wird nicht vollig durch Kohlenssure zerlegt und liefert nur Flussigkeiten , welche sehr wenig Eiweiss enthalten. Ich habe daher diese Methode der Reinigung aufgeben miissen.

LXXBIII. Ueber die Sauren des gegohrenen Gurkensaftes.

Die Siiure der gegohrenen Pflanzen, welche in diesem Zu- stande als Nahrungsrnittel angewandt werden , hat man bekannt- lich friiher allgemein fur Essigsiiure gehalten. L i e b i g wies zu- erst nach , dass im gegohrenen Sauerkraute Milchsiiure enthalten sei und diese hauptsiichlich den sauren Geschmaclc dieses Ge- muses hervorbrtichte. Dass es nicht allein 8Iilchsiiure sein konnte, welche den sauren Geschmck hervorruft , war daraus ersichtlich, dass der saure Geruch von der nicht fliichtigen'Bilchsiiure nicht herriihren konnte. Essigsaure war diese Saure gleichfalls nicht. Ebenso fand ich, dass in dem Safth der gegohrenen Salzgurkeu gleichfalls eine nicht unbedeutende Menge Nilchsiiure enthalten sei , aber auch neben einer fluchtigen Siiure, die den sauren Ge- ruch derselben hervorruft. Durch P e l o u z e's und G i: l i s's Beoh- achtung der Bildung der Butterssure bei der Giihrung, und die von E r d m a n n und mir gernachte iihnliche Erfahrung war niclits mehr zu vermutheri, als dass auch hier die Buttersiiure-sich bil- den mochte. Ich habe diese Vermuthung bestiitigt gefundeu. In dem Safte der sauren Gurken ist diese Siiure in hinreichender l e n g e enttialten , em mit Vortheil daraus abgeschieden werden zu konnen. Bei den Hiindlern kann man die Flussigkeit, in wel- cher die Gurken gahren, in jeder beliebigen Menge um den ge-

*) Vgl. dies. Journ. XXVIII. S.418. Man vergesse nicht, dass dime Angaben deu Hrn. W u r t a in der Pariser Academie vorgetragen sind.

M d.