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Ober die Anwendung der MAYERschen Transformation in der Theorie partieller komplexer Diff erentialgleichungen ') Von WOLFGANG TUTSCHKE in Halle (Eingegangen am 11.10.1973) Der Grundgedanke der MAYERschen Transformation besteht bekanntlich darin, die Losung vollstandig integrierbarer partieller Differentialgleichungs- systeme erster Ordnung durch einen Parametrisierungsansatz auf die Losung gewohnlicher Differentialgleichungen zuriickzufuhren (vgl. z. B. C. CARATHEODORY [S]). Diese Methode ist auch auf vollstandig integrierbare Differentialgleichungs- systeme in unendlich vielen Variablen anwendbar (vgl. J. DIEUDONNA [3]). Ziel dieser Arbeit ist es, die Tragweite eines entsprechenden Parametri- sierungsansatzes im Fall vollstandig integrierbarer partieller komplexer Differen- tialgleichungssysteme zu untersuchen. Bezuglich vollst&ndig integrierbarer Differentialgleichungssysteme mit partiellen komplexen Differentiationen vgl. man [6]. Im komplexen Fall kann man durch Parametrisierung gewohnliche Differentialgleichungen oder Differentialgleichungen mit einer partiellen kom- plexen Differentiation herleiten. Beide Moglichkeiten liefern, wie gezeigt werden wird, das gleiche Resultat. 1. Um eine Losung der inhomogenen Differentialgleichung in einer Umgebung von z = 0 zu gewinnen (die reelle Betrachtung dieser Differen- tialgleichung ist insofern komplizierter, als dabei parametrische Ableitungen auftreten (man vgl. dazu [5])), wird die komplexe Variable z in der Form EI mit komplexem I und reellen 5 geschrieben, und es werden von E und dem Parameter A abhangige Losungen v = v([, A) der parameterabhangigen gewohnlichen Differentialgleichung gesucht (A* bezeichnet die zu I koiljugjerte komplexe Zahl). Unter geeigneten Voraussetzungen iiber f is t die Losung eines Anfangswertproblems eindeutig 1) Die Arbeit entsta,nd wah1er.d meines Aufenthaltes am Mathematisohen Institut der Aka- demie der Wissenschaften der Grusinischen SSR. 3'

Über die Anwendung der MAYERschen Transformation in der Theorie partieller komplexer Differentialgleichungen

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Ober die Anwendung der MAYERschen Transformation in der Theorie partieller komplexer Diff erentialgleichungen ')

Von WOLFGANG TUTSCHKE in Halle

(Eingegangen am 11.10.1973)

Der Grundgedanke der MAYERschen Transformation besteht bekanntlich darin, die Losung vollstandig integrierbarer partieller Differentialgleichungs- systeme erster Ordnung durch einen Parametrisierungsansatz auf die Losung gewohnlicher Differentialgleichungen zuriickzufuhren (vgl. z. B. C. CARATHEODORY [S]). Diese Methode ist auch auf vollstandig integrierbare Differentialgleichungs- systeme in unendlich vielen Variablen anwendbar (vgl. J. DIEUDONNA [3]).

Ziel dieser Arbeit ist es, die Tragweite eines entsprechenden Parametri- sierungsansatzes im Fall vollstandig integrierbarer partieller komplexer Differen- tialgleichungssysteme zu untersuchen. Bezuglich vollst&ndig integrierbarer Differentialgleichungssysteme mit partiellen komplexen Differentiationen vgl. man [6]. Im komplexen Fall kann man durch Parametrisierung gewohnliche Differentialgleichungen oder Differentialgleichungen mit einer partiellen kom- plexen Differentiation herleiten. Beide Moglichkei ten liefern, wie gezeigt werden wird, das gleiche Resultat.

1. Um eine Losung der inhomogenen Differentialgleichung

in einer Umgebung von z = 0 zu gewinnen (die reelle Betrachtung dieser Differen- tialgleichung ist insofern komplizierter, als dabei parametrische Ableitungen auftreten (man vgl. dazu [5])), wird die komplexe Variable z in der Form EI mit komplexem I und reellen 5 geschrieben, und es werden von E und dem Parameter A abhangige Losungen v = v([, A ) der parameterabhangigen gewohnlichen Differentialgleichung

gesucht (A* bezeichnet die zu I koiljugjerte komplexe Zahl). Unter geeigneten Voraussetzungen iiber f is t die Losung eines Anfangswertproblems eindeutig

1) Die Arbeit entsta,nd wah1er.d meines Aufenthaltes am Mathematisohen Institut der Aka- demie der Wissenschaften der Grusinischen SSR. 3'

36 Tutschke, Uber die Anwendung der Mayerschen Transformation

bestimmt und eine differenzierbare Funktion des Parameters A. Aus ( 1 ) folgt,

av Die Funktion ~- werde mit g bezeichnet und es sei

a1

(3) h(E, 1) === g ( E , 2) - tf(E2) , woraus durch Differentiation nach E

df ax* folgt. Die auf der rechten Seite stehende Differenz ist Null, wenn

trisch zur reellen Achse ist. In diesem Fall ist h als Funktion von

symme-

konstant. Jetzt sei v = v([, A ) Losung des Anfang~wertproblems

v(0, A) = 0

fur die Differentirtlgleichung (2). Dann ist h(0, A) = 0 und wegen der Konstanz von h als Funktion von 6 auch

h(E, A) = 0 . Das bedeutet aber

und

Da die rechte Seite der Differentialgleichung (2) von der gesuchten Losung v = v(5, A ) nicht rtbhtingt, ergibt sich

Satz 1. Die rechte Seite der Di,fferentialgleichung ( 1 ) habe die Eigenschnft, dab af - - ~ syrnnzetrisch zur reellen Achse ist. 1st az *

8

v(E, 2) = J (Aj(E'i) + A*f(E'A*)) a' , 0

so ist

v(1,A)

Ldsung der gegebenen inhomogenen Differentialgleichung (1) .

Tutschke, Uber die Anwendung der Mayerschen Transformation 37

2. Ein analoges Result a t erhiilt man, wenn man die Parametrisierung mittels eines komplexen Parameters vornimmt. 1st h = h(5, A ) eine zu (3) analoge Hilfsfunktion, so folgt aus und dem Verschwinden von h im Punkt l = 0 jedoch noch nicht das identische Verschwinden von h. Fordert man jedoch fiir h eine Zusatzbedingung, etwa Holomorphie, so li%t sich dann aber doch darauf schlie- Ben, daB h uberall gleich Null ist. D a m sei v = v(C, A ) Losung des Systems

aV

sy* = A*f(C*A*) .

Dieses System spielt dieselbe Rolle wie die Differentialgleichung (3) bei reeller Parametrisierung. Da

af ist, ist (4) lokal losbar, falls wieder ~ ~

az* C'V

1st g = - wie in l., so folgen fur 8a

w, A) = g(T, A) - 5.m) bei Beachtung von (4) die Gleichungen

symmetrisch zur reellen Achse ist.

uiid

1st v(T, A) nun diejenige Losung von (4), die durch die Anfangsbedingung

v(0, A) = 0

eindeutig festgelegt ist, so ist wegen

c"V

an g (0 ,A ) == - (0, A)

auch h(O, A) = 0 .

Zusammen mit den Gleichungen ( 5 ) , (6) bedeutet das aber das identische Ver- schwinden von h = h( [ , A) und somit die Aussage

38 Tutschke, uber die Anwendung der Mayerschen Transformation

woraus

folgt. Mithin erhalt man in Analogie zu Satz 1 :

a ! ax*

Satz 2. Ist ~ symmetrisch zur reellen Achse, so ist v( 1, A ) Losung der Differen-

tialgleichung ( I ) , wobei

v(C, 4 = J ( A f ( r ' A ) a' + A*f(T'*A*) a'*) Y

und y ein uon 5' = 0 nach verlaufender Weg ist.

3. Jetzt wird gezeigt, wie sich die Symmetrie von if verallgetneinert, az *

wenn anstelle (1 ) das System

betrachtet wird. Es wird hierbei vorausgesetzt, daB die iiblichen Integrierbarkeits- bedingungen

erfullt seien. Wird zunachst rnit der reellen Variablen 5 parametrisiert, so werde mit kom-

plexen ill, . . . ,A, die Funktion v = v([, A i 7 , . . , A%) definiert durcli die gewohnliche Differentialgleichung

av - - = C nj&( tA f , . . . > [An) + ,JJ A?fj AT, . . . , ~ j . 2 ) . a8 j i

av ali

h,(t,Al, * * . 7 A,) = % ( E , 4, - . . ,A,) - $ f i ( t A , , . . . , tA,) ,

(9)

Setzt man

- = gi

und

so erhalt man bei Beachtung von (8)

Damit verschwinden die hi bei jeder Wahl von 11, . . . , A, identisch, wenn v(0, At, . . . , An) = 0 gewahlt wird und wenn die gegebenen rechten Seiten,fi aul3er den Bedingungen (8) den (n-dimenuionalen Symmetriebedingungen)

Tutschke, Uber die Anwendung der Mayerschen Transformation 39

geniigen. Unter diesen Bedingungen ist

Losung des Systems ( 7 ) . V ( l , J . l , * * . , A,)

Parametrisiert man durch ein komplexes c, so hat man anstelle (4) das System

zu betrachten. Setzt man (10) voraus, so ist das System (1 1 ) (lokal) losbar, wobei es genau eine Losung v = v(C, A,, , . . , A,) gibt, die die Anfangsbedingung

v(0, i l l , . . . , A,) = 0

aV erfiillt. Fur

erhilt man unter Beachtung von (11) aus den Voraussetzungen (8) bzw. (10) die Gleichungen

- = g j und hj(c, A,, . . . , A,) = g i ( c , A,, . . . , A,) - Cfi(tAl, . . . , CA,) a31 j

ah. ahi 3= 0 bzw. -- = o . aC a[*

Wegen hj(O, Ai, . . . , A,) = 0 folgt hieraus das identische Verschwinden von hi und somit die Differentialgleichung

also

Mithin ist gezeigt : Satz 3. Erfiillen die rechten Xeiten von ( 7 ) neben der Integrierbarkeitsbedingung ( 8 )

die (Symmetrie-)Bedingung (lo), so erhalt man eine Losung durch Integration von (9) oder (11).

4. Sind die rechteri Seiten von (1) bzw. ( 7 ) holomorph, so lassen sich die Lo- sungen von ( 1 ) bzw. ( 7 ) unmittelbar aus den rechten Seiten gewinnen (z. B. durch ein Kurvenintegral oder aus den Potenzreihen. Hieizu ist auch der Fall zu rechnen, da13 die rechten Seiten Potenzreihen in x , x* bzw. xi,. . . , z,, zT, . . . ,zE sind, vgl. I. N. VEKUA [l], H. MEDEN [4]).

Die gewonnenen Symmetriebedingungen fur die partiellen komplexcn Ab- leitungen der rechten Seiten beziiglich z* bzw. zf, . . . , z,* sind gewissermaBen Abschwlichungen der Holomorphiebedingung

40 Tutschke, uber die Anwendung der Nayerschen Transformation

DaB damit auch rechte Seiten erfal3t werden, die keine Potenzreihendarstellungen zulassen, sol1 durch folgendes Beispiel gezeigt werden :

1 Die rechte Seite f(z) der Differentialgleichung (1) sei gleich o- y2 fur y =

Y

1 af = Im z >= 0 und gleich - - 9 2 fur y 5 0. Dann ist 2 ~- ( 2 ) = 1 ~ 1 2 8x* so dal3 die in 1. erforderliche Syminetriebedingung erfiillt ist. Entsprechend Satz 1 li1fit sich die Losung durch eine Integration gewinnen (Ergebnis: W ( X ) = 1 1

3 3 iy3 fur y 2 0 und ~ ( z ) = - - iy3 f u r y 5 0).

5. Um das identische Verschwinden von h einer linearen Differentialgleichung der Form

zu erschliefien, genugt es, da13 h

genugt (bei holomorphen h genugt eine entsprechende Differentialgleichung in der komplexen Variablen c). Daher lassen sich - wie im Fall reeller partieller Differentialgleichungssysteme - auch Differentialgleichungen mit von der Losung abhiingiger rechter Seite behandeln. Als Beispiel werde

aw = f(2, w)

az

betrachtet, wobei zur Vereinfachung der Rechnungen holoniorphe Abhiingigkeit der rechten Seite f von der gesuchten Losung vorausgesetzt wird.

Anstelle (2) hat man jetzt

woraus man

erhiilt. Folglich genugt h einer Differentialgleichung der Form (12) , wenn auSjer der

af Symmetriebedingung fur -- noch die Bedingung az*

af af - (527 V ) f ( t 2 * , v) = >--- (a*, v ) f ( M , v) aW GW

erfullt ist. 6. SchlieBlich sei noch darauf hingewiesen, da13 man durch Abanderung des

Ansatzes (2) die MAYERsche Transformation auch unter anderen Voraussetzungen

Tutschke, Uber die Anwendung der Mayerschen Transformat.ion 41

uber die rechten Seiten der Differentialgleichungen anwenden kann. I m Fall der Different,ialgleichung (1) fuhrt der Ansatz

auf die Bedingung, daB f nur von z = Re z abhiingig ist. Als weiteres Beispiel sei

genannt, hierbei ist die MAYERsche Transformation dann durchfuhrbar, wenn ?f

~ reel1 ist. a2 *

Literatur

[I] I/I. €1. BEKYA, CIlCTeMbI ~H@I&peHqHaJIbHblX YpaBHeHHm IIepBOrO IIOpHnKa 3JIJIHIITHYeCHOrO Tma If fpaHHYHne aanaw C IIpHMeHeHHeM I< TeOpHll 06onose~. MaT. C ~ O P H H K 31 (73),

[a] C. CARATHEODORY, Variationsrechnung und partielle Differentialgleichungen erster Ordnung. NC 2, 217-314 (1952).

Leipzig/Berlin 1935. [3] z. AbEAOHHE, OCHOBH COBpeMeHHOrO aHaJIH3a. Mocma 1964 (Ubers. &US dem Engl.). [4] H. MEDEN, uber Potenzreihenlosungen des inhomogenen CAUCHY-RIEMANNschen Diffe-

rentialgleichungssystems. Diese Nachr. 66, 345- 352 (1973). [5] J. NAAS und W. TUTSCHKE, Entwicklungstendenzen einer allgemeinen komplexen Analysis

(dritter Teil des Sammelbandes: J. Nuas, Beitrage zur komplexen Analysis und deren Anwen- dungen in der Differentialgeometrie. Berlin 1974).

[63 W. TUTSCHKE, uber die Umwandlung (auch nichtlinearer) partieller komplexer Differential- gleichungssysteme mit mehreren komplexen Variablen in Integrodifferentialgleichungs- systeme und deren Losung durch funktionalanalytische Methoden. Diese Nachr. 58, 87-136 (1973).