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Über die Bedeutung des Lösungsmittels für die Ausscheidung intravenös injizierter Harnsäure beim Nichtgichtiker

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Page 1: Über die Bedeutung des Lösungsmittels für die Ausscheidung intravenös injizierter Harnsäure beim Nichtgichtiker

XXI.

Aus der Medizinisohen Universiti~tsklinik zu Kiel. (Direktor: Prof. Dr. Schittenhelm.)

Uber die Bedeutung des L~sungsmittels fiir die husseheidung intraven~s injizierter Harns~ure beim Nichtgiehtiker.

Von Dr. Max Btirger,

Privatdozent und Oberarzt.

Auf dem Kongre[~ ftir innere Medizin 1910 teilten Umber und R e t z l a f f l) mit, dab die intravenSs injizierte Harnsi~ure vom Nieht- giehtiker fast quantitativ wieder ausgesehieden wird, wiihrend der Giehtiker sie bis auf 0-23,6~ retiniert. Die Harnsi~ure wurde in der Menge yon 0,5 g mit 1,0 g Piperazin in 20 ecru Wasser zur klaren LSsung gebracht. Die intraveniise Injektion wird ohne irgendwelehe Besehwerden ertragen; wiihrend der Einspritzung, d ie man mSgliebst langsam vorzunehmen hat, treten gelegentlieh einzelne vertiefte Atem- zUge auf. Untersehiede in der AnsseheidungsgrSBe zwischen Nicht- giehtikern und Giehtikern warden aueh yon mir and Schwer ine r : ) in der Folge gefunden. Dohrn 3) sah~ dab aueh bei intravenSser Harnsi~ureinjektion nieht bei allen Gesunden die einverleibte Harn- siiure quantitativ wieder ausgesehieden wird. F r a n k und Baueh 4) gewannen in einem Normalfall allerh(iehstens 400/0 der injizierten Harnsiiure wieder.

Der Befand yon Umber und R e t z l a f f ist bei theoretiseben Er- ~rterungen tiber das Wesen der Gieht vielfaeh diskutiert worden.

1) Umber und Retzlaff, Kongr. f. Innere Med. 1910, S. 436. 2) BUrger and Sehweriner, Arch. f. exp. Path. und Pharm. 1912, Bd. 74,

S. 362. 3) Dohrn, Zeitschr. f. klin. Medizin Bd. 74, S. 445. 4) Frank and Baueh, Berl. klin. Wochenschr. 1911, Nr. 32, S. 1463.

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Uber die Bedeutung des LSsungsmittels usw. 393

U m b e r selbst sieht in der Retention der intravenSs injizierten Harn- saure den Ausdruck fUr eine erhShte Affinitat der Gewebe des Gieh- tikers zur Harnsaure. In einer neueren Untersuchung kommt Gr ie s - bach 1) zu dem SehluB, dab die Harnsaure aueh beim Gesunden nieht ann~hernd quantitativ wieder zum Vorsehein kommt und lehnt des- halb die Methode der intravenSsen Harns~ureinjektion als differential diagnostisehes Hilfsmittel ab. Aueh das Fehlen einer Urikolyse beim Mensehen liel]e sieh aus den Umberschen Befunden nicht ableiten. Da nun das Piperazin in der Umbersehen Vorschrift in einem ge- wissen UbersehuB injiziert ist, ware es denkbar, dab dieser Uber- schuB yon Piperazin an sieh die Harnsaureausfuhr beeinfluBt, zumal Dohrn beim Giehtiker naeh Injektion yon 1,0 g Piperazin am In- jektionstage eine Vermehrung der Harns~ure um 22~2O/o fand~ die er mit einer stattgehabten Diurese erklart. Naeh Sehmi d t und W i e h m a n n ~) erleidet direkt in did Blutbahn des Kaninehens ge- spriztes Piperazin {als kohlensaures Salz) keine V.eranderung; die grSBte Menge erseheint bereits 2 Stunden naeh der Injektion wieder im Ham. In Spuren konnte es noeh" naeh 1~/2 Tagen naehgewiesen werden. Es sell daher untersueht werden, wie sieh die Ausseheidungs- verhaltnisse der Harnsaure unter Benutzung eines anderen L~sungs- mittels zunaehst beim Niehtgiehtiker gestalten. Ieh wahlte die Ubersattigte HarnsaurelSsung und ging bei deren tterstellung naeh der Vorsehrift yon S e h a d e und Bodena) vor: 0,5 g Harnsaure werden in 10 eem siedendem Wasser vorsiehtig in kleinsten Mengen bis zur

NaOtI jeweiligen Neutralisation mit 1-O~ versetzt. Wenn etwa 31 ccm

dieser NormallSsung hinzugefUgt sind, hat sieh die Harnsaure v~llig ffelSst. Die Meng'enverhaltnisse yon Wasser und Lauge sehwanken etwas. Im allgemeinen gelang es mir in Volumina zwisehen 40 und

NaOH 60 eem bei Verwendnng ~ yon etwa 30 ecm ~ eine auch bei 37 o

langere Zeit stabile klare iibers~ttigte LSsung zu erhalten. Die In- jektion erfolgte stets sofort im Ansehlul~ an die LSsung und wurde anstandslos vertragen. Die tiefen Inspirationen, die nach der In- jektion yon harnsaurem Piperazin auftreten, bleiben stets aus. Die Versuche wurden alle bei purinfreier Kost durchgeflihrt, die Injektionen erst dann ausgefiihrt~ wenn eine gleiehmaBige endogene Harnsaure-

1) Griesbaeh, Bioch. Zeitschr. :[920, S. 101. 2) Schmidt und Wichmann, Bet. d. them: Ges. 1891, S. 3237. 3) S c h a d e und B o d e n, Zeitsehrift fiir physiologisehe Chemie 1913, Bd. 83~

S~ 347.

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ausfuhr erreieht war. Die ttarnstiure wurde in Doppelbestimmungen naeh Folin bestimmt.

Die Ubersiehtstabelle 1 zeigt, dab die Ausscheidung des harn- sauren Piperazins bei lqiehtgichtikern in den ersten 48 Stunden maxi- mal 86,20/0 der injizierten Harns~iure (0~5g)betrtigt. Die mitflere Ausseheidung in den ersten 48 Standen betr~igt bei zw~lf F~illen 52,2 %.

~ b e r s i e h t s -

L

! .Fall I

]Nr. 1

4 a

4b

5

6 7

8a

8b i

9a;

9b~

10

11 12

Von 0,5 ttarns~iure mit Na0tI, in tibersiittigte L~sung gebracht, wurden ausgeschieden:

Leukocyten nach Alter lnjektions- . . , Leukocyten der Injektion

tag l~ aen~ag total vor der Zeit

J ~ h r e ~ (/o ~bsclut[ O/o ,absolut O/o Injektion in Stunden

54

42 48 38

26

33 59

62

62

31

61

57 21

i 0,040

0.096 ~,2 0,048 ~,6 0,089 7,8

),190 8

3,041 8,2 3,149 8,8

0,042 8,4

0,038 7,6

0,000 0,(

19,2

6,2 0 0

-t 16,8

4,0 / 23,4 i

5,8

0,221 4

0 0,189 3 ,8

0,096

0,0031

0

0,084

0,020 0,117

0,029

0,136

0,127 0,048 0,089

0,034

0

0,138

0,072 0

torte1:0,088 117,6I 0,047

6,8

0

27,6

9,4 0,135

27,2

25,4 9,6

17,8

54,8

!27

m

9 250

12 600

m

m

5 3OO

24

3

5

7

Zahl in cram

11 000

11 800

15 000

m

13 800 7 3OO

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Es verdient hervorgehoben zu werden, dab flir diese Versuche nur Patienten mit gesunden Nieren herangezogen wurden. Die Aus- scheidung li~Bt zwischen dem ersten und zweiten Tage kein~e ge- setzm~gigen Unterschiede erkennen. Es ist aber Zu bedenken, dab die Injektionen im allgemeinen am Spi~tnachmittage vorgenommen wurden, so dab am Injektionstag flit die Ausscheidung nur noch

t a b e l l e 1.

Von 0,5 Itarnsiiure, mit 1,0 Piporazin gelSst, wurden ausgeschieden:

I Iujektions-] Nachtag

tag

absolutl O/o absolutl O/o _,

0,163

0,196 0,100 0,176

0,028

0,166 o,m

0,044

0,138

0,144

0,184

o, io5

32~6 0,138 27,6

.)2,8

36,8

.)1,0

0,293 0,309

58,6 61,8

total

absolut %

0,301 (in 96 Stun- den 0.454

0,219 43,8 0,4!5 0,016 3,2 0.116 0,028 5,6 0,204

0,164

0,431

0,328 0,391

0,054

0,138

0,235

0,367

0,111

60,2 (in 96 Stun-

den 90,2) 83,0 23,2 40,8

32,8

86,2

65,6 78,2

10,8

27,6

47,0

73,4

22,2

Leukocyten nach Leukocyten der Injektion

vor der Zeit I,. Zahl Injoktion I in Stunden in cram

7 - -

8 3OO

5 50O

10000

14 400

7 000

7 300

8 700

8 12 3%

18 12 24

2 12 31h 51/2

26 3 5 3 5 4% 6~/~ 3 5

17

4 7

0,136 27,2

0,431 $6,2

0,162 32,~ 0,227 55,4

0,010 2,0

0 0

0,121 .)4,2

0,183 36,6

0,006 1,2

0 0. 0 O

E

0,293 58,6 - - 0,309 61,8 9 500

8 300 8 7OO 8 500 5 7O0

43 7O0 36 400

9 2O0 9 100

18 400 16 600 14 400 17 600 19 600 8 5O0.

14 500 10 800 9 9OO

14 300 12 00O 8 7OO

15 100 9 9OO

0,146 29,2 0,115 23 0,261 52,2 . . . .

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12--16 Stunden zur VerfUgung standen. Bertlcksiehtigt man das~ so sind die Werte far die ersten 24 Stunden post ir@ct, stets h(ihere als ftir die zweiten 24 Stunden~ mit Ausnahme der Fi~lle 4b and 5. Die Ausseheidung der in libersiittigter LSsung injizierten tiarnsiiure ist mit Ausnahme der Fiille 8a a n d 10 erheblieh sehleehter. Die Uber- siehtstabelle zeigt, dab yon der in tibersi~ttigter LSsnng injizierten Harns~ture in den ersten 48 Stunden maximal 62,2O/o wieder ausge- sehieden wurden. Die mittlere Ausseheidung in den ersten 48 Stunden betr~gt 27o/0 yon den injizierten 0,5 g. In den Versuchen 1, 2, 3, 6, 8b and 9b ist in den ersten 48 Stunden yon der als iibersi~ttigte Liisung injizierten tIarnsi~ure nieht die Hiilfte derjenigen Menge wieder herausgebraeht worden, die unter sonst gleichen Bedingangen am gleichen Patienten nach Injektion der gleichen in 1,0 Piperazia gelSsten Harns~turemenge wieder ausgeschieden wurde.

Zur Erklarung ftir die erheblichen Unterschiede in der Aus- seheidung des harnsauren Piperazins und der in tibers~tttigter LSsung injizierten tlarnsi~ure kann man verschiedene MSgliehkeiten in Betracht ziehen. Die ni~ehstliegende Annahme ist die, dab die Ubers~tttigte UratlSsung in den Geweben teilweise zum Ausfallen and dadurch zur verztigerten Attsseheidung gekommen ist. Vergleiche ich die Ausseheidungswerte der endovenSs einverleibten Uratltisung ftir den 2. and 3. Tag naeh der Injektion mit den Werten der Vortage, so zeigt sieh, dab in sieben yon elf Vcrsachen in der 49.--96. Stunde post inject, die Werte u n t e r dem Mit te l der V 0 r p e r i o d e bleiben. ]~Iur in vier Versnehen (Fall 2, 5, 9 und 10) liegen sie dariiber. Fall 10 seheidet aus, well hierdureh eine vermehrte N-Ausfuhr (plus 4,8 g in 48 Stunden) eine durch die Injektion bewirkte StoffwechselstSrung angezeigt wird. D~s gleiehe gilt ftir Fall 5, bei welehem naeh In- jektion des harnsauren Piperazins 4,96 g mehr SLickstoff als in den Vortagen ausgeschieden werden. Es bleiben die F~tlle 2 and 9 fur die Deutung der unterschiedlichen Harns•urcausfuhr als Folge einer verlangsamten Ausseheidung des harnsauren Natrons.

In Fall 2 warden in 72 Stunden yon der ttberslittigten tiara- skate 0,209 = 41,8 o/o , yon d e r m i t Piperazin gelSsten Hzrns~ture 0,391 -~ 78,2 o/o ausgeschieden. Im Fall 9 warden in 96 Stunden aus- gesehieden yon dem harnsanren Natron 0,328 = 65,6o/o vom harn- sauren Piperazin bereits in 48 Stnnden 0,367 ~---73,4 O/o. Die Unter- sehiede bleiben also selbst unter BerUeksichtigupg der verzSgerten Ausscheidung der als iibers~tttigte Ltisung injizierten Harnsiture zu- gunsten der mit Piperazin gelSsten Harns~ture bestehen~ und die ve r - zSger te A u s s e h e i d u n g kann n i e h t als Erkllirung herangezogen

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l~ber die Bedeutung des Liisungsmittels usw. 397

werden fUr die bessere Elimination des harnsanren 1)iperazins go,on- tiber der als iibersiittigte LSsung injizierten Harnsiiure.

Tabe l le der mi t t l e ren Ausseheidung in den e r s t en 48 Stunden post inj ectionem.

Gesamt . . . . . . . . . davon am ]njektionstage . am Tage nach der Injektion

Von0,5UmitNaOH, iniiber= Von0~5U~mitl,0Piper- siittigte Lifsung gebracht, azingeliist, werdenaus-

werden ausgeschieden geschieden

0,135 g ---- 27 O/o 0,088 g = 17,6% 0,047 g = 9,4%

0,261 ~ 52,20/0 0,146 ~-- 29~2O/o 0,115 = 23 %

Eine weitere MSgliehkeit ist die, dab dureh die Injektionen ver- sehieden groBe Mengen yon harnsi~urebildendem Material in den Stoff- weehsel gerissen werden. Man denkt zun~ehst an die Leukoeyten, znmal G. E w a l d 1) unter Sch i t t enhe lms Leitunff nach intraven~iser Harns~ureinjektion bei einem Hnnde eine miiBige Leukoeytose fand. Es wurden, wie die Ubersichtstabelle i zeigt~ nach Injektion yon Piperazinharnsi~ure Leukoeytenzahlen his 19 600 gefunden. Die Ver- mehrung der Leukocyten war eine vortibergehende and nach 7 Stunden bereits wieder im Abklingen. Den Fall 5, bei welchem 43 700 Leu- kocyten 12 Stunden und 36400 24 Stunde~ naeh der Injektion ge- ziihlt wurden, miichte ich deswegen aus der Diskussion ausschalten~ well offenbar infolge einer Vernnreinigung der InjektionsfiUssigkeit hoehfieberhafte Erscheinungen mit stark negativer Stiekstoffbilanz auftraten, wie sic in keinem der Ubrigen Versuehe beobaehtet wurden. Derartiffe fieberhafte Reaktionen naeh Harns~ureinjektionen bilden, was ieh noeh einmal aasdrUcklieh betonen mSchte, sehr seltene Ausnahmen und sind stets auf einen Fehler in der Versuchsanordnung zurUck= zuFtihren (Verwendung nieht einwandfreien LSsungswassers~ welches stets doppelt in Glasapparaturen destilliert sein muB). Es zeigte sieh aber~ dab aueh naeh Injektion yon harnsaurem Natron in iibers~ttigter LSsung solehe raseh vorttbergehende Leukoeytosen geringen'Grades (bis 15 000) gefanden werden; vor allem abet bleibt der Untersehied in der Harnsiiureansseheidung aueh dann bestehen, wenn wie in Fall 4 und 7 d i e tlbers~ttigte Harnsiinrel~sun~ eine Leukoeytose zur Folge hat, die in PiPerazin geloste Harns~ure aber eine Vermehrnnff der Leukocyten tiber die Norm nicht erkennen laBt. Solche F~tlle zeigen

1) G. Ewald, Zeitschrift ftir experimentelle Path. nnd Thor. 1913, Bd. XII, S. 357.

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aueh, dab die Mehrausfuhr yon Harnsaure naeh den Injektionen, soweit sie st~irungslos verlaufen, n i eh t d u t c h die L e u k o c y t o s e bedingt sein kiinnen. Der Zerfall der Lenkocyten und der Abbau der Kern- nukleine wUrde ferner eine gewisse Zeit beanspruchen, wi~hrcnd die Ausschwemmunff der Harns~tnre bereits in den ersten 12 Stunden nach der Injektion ihren HShepunkt erreieht.

Daher ist es aneh wenig wahrscheinlich, dab die Unterschiede in der Ausseheidung dadurch bedingt sind, dab die sehlechter aus- geschiedene Substanz eine komplexe Verbindung mit Nukleins~inren eingeht, die dutch Leukoeytenzerfall verfiigbar geworden s i n d . Be- kanntlieh hat Minkowsk i 1) eine derartige Vorstellung lange ver- teidigt, naeh der die Harnsiiure im Blur und in den Gewebss~tften zun~tehst als Nukleins~ureverbindung auftritt nnd diese Paarung mit dem l'/ukleins~turerest die LSsung, den Transport sowie das weitere Sehicksal der Harnsi~ure im Organismus regeln sell. S c h i t t e n h e l m und SeiBer 2) konnten abet zeigen, dab der Nnkleinsanre jede Wir- kung auf das Sehieksal der Harnsiiure abzuspreehen ist. Aueh das Vorkommen anderer komplexer Harns~tureverbindungen, die etwa naeh Injektion der Ubersi~ttigten Harns~turel~isunff sich bilden ki~nnten, naeh Injektion des harnsauren Piperaz!ns aber nieht zustande kommen, ist dureh die Feststellung yon S c h i t t e n h e l m und Wiene r 3) tiber das Niehtvorkommen organisch gebundener Harnsi~ure beim Mensehen unwahrseheinlieh g'emae~t.

Eine weitere MSgliehkeit ist folgende: Die ale tibersattigte L(isung injizierCe Harnsaure kSnnte z. T.

als kolloide Zwisehenstnfe in der Blutbahn zirkulieren und diese Zu- standsform der Ansscheidung dutch die Nieren weniger gtinstig sein ale die des harnsauren 1)iperazins. Naeh Kohle r 4) liegt die Uber- siittignngsgrenze in verschiedenartig bereiteten Natriumuratl(isungen bei Gegenwart yon l o/o Kochsalz nnd einer Temperatur yon 37 ~ wenn man Harns~iure in NaOtt 15st bei einem Gehalt yon 3fl2 g Urat pro Liter. Die yon mir injizierten Liisungen hatten einen Urat- gehalt yon etwa !0 g pro Liter und blieben auch nach Abktihlen auf

1) Minkowski, Die Gicht. bIothnagels Handbuch der speziellen Path. and Ther. 1903, Bd. VII, S.190. -- Derselbe, Diskussion zum Vortrag yon Hil~, Verhandlung des 18. Kongreeses fiir innere Medizin, Wiesbaden 1900, S. 438.

2) Schittenhelm und SeiZer, Zeitschrift fiir experimentelle Path. und Ther. 1909, Bd. VII~ S. 1.

3) Sehit tenhelm und Wiener, Zeitschrift ffir die gee. experimentelle Medizin 1914, Bd. III, S. 397.

4) Kohler, Zeitsehr. f. klin. 1tied. !919, Bd. 8% S. 190.

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Uber die Bedeutung des L~sungsmittels usw. 399

37 o geraume Zeit klar, so dab ieh sic bequem and ohne Sttirung in- jizieren konnte. S e h a d e and Boden~) haben bei ilbersi~ttigten Harn- si~ureltisungen das Auftreten der intermediaren Bildung einer kolloiden Zustandsform naehgewiesen. Wenn wir S e h a d e nnd B o d e n hierin folgen, fragt es sieh, ob naeh Injektion yon 0,5 g Harnsiture in tiber- s~ttigter LSsnng in etwa 5 1 Blut oder - - was zun~chst in Frage kommt - - in 21/2 1 Serum eine kolloide Phase tier ttarns~ure in der kurzen Zeit yon 2 Tagen zur Ausbildung kommt; nach der VerdUnnung dutch das Blur handelt es sieh nut noeh um einen Harnsauregehalt des Serums yon 0102 %. Rechnet man mit einem ~ormalgehalt yon 4 mg Harns~ure auf 100 g Serum~ so kommt man naeh der intravenSsen Injektion auf 24 mg pro 100 g Serum; nun enthalten aber nach S t e i n i t z ~) und B o r n s t e i n nnd Gr iesbaeh3) aueh die BlutkSrper- chert weehselnde Mengen yon Harnsaure, so dab mit einem Uber- gang der injizierten Harns~ure in die BlntkSrperchen zu reehnen ist. Der Gehalt des Gesamtblutes an Harns~ure naeh der Injektion yon 0fi g wUrde daher 12--14 mg pro 100 g Btut betragen, ein Wert, der sehon sehr nahe an den Grenzpunkt der wahren L~sliehkeit im Serum herankommt und der aueh, wenn man 5 Minnten naeh der In- jektion untersueht nur selten erreicht wird. Ob nun fur meine Versuehsverh~ltnisse eine kolloide LSsung der Harns~ure im KSrper vorhanden ist, ist vorerst nieht sieher zu entscheiden. Es kommt noch eine zweite wichtige Frage hinzu, die gegen das Auftreten yon Kolloid unter diesen Versuchsbedingungen ins Feld gefUhrt werden kSnnte. Untersucht man n~mlieh das Blur kurz vor und in versehie- denen zeitlichen Abst~nden naeh der intraven6sen Injektion yon Harn- s~iure, so zeigt sieh 7 dab dieselbe sehr raseh aus dem Blute wieder verschwindet, viel schneller als sie durch den Harn ausgeschieden wird. So fund ieh z. B. in Fa l l9 :

vor der Injektion in 100 cam Serum . . . . . . . 0,6 mg ttarns~ure 5' naeh der Injektion yon 0,5 g Harnsaure mit "

1~0 g Piperazin . . . . . . . . . . . . . 2~6 ~ 35' nach tier Injektion yon 0,5 g I-Iarnsaure mit

l i 0 g Piperazin . . . . . . . . . . . . . 1~7 ~ 2h5 ' naeh der Injektion yon 0,5 g Harns~ure mit

1~0 g Piperazin. . . . . . . . . . . . . 176 �9 ~ 7 ~ 5' naeh der Injektion yon 0,5 g Harns~ure mit

1~0 g Piperazin. . . . . . . . . . . . . . 0 ,86 ~

1) Schade und Boden, a. a. O. 2) Steini tz , Zeitschr. f. phys. Chem. Bd. 90. 3) Bornste in und Griesbach,Bioch. Zeitschr. 19207 I~d. 101, S. 184.

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400 XXI. MAx Bt~nonn.

In Fall 12 land ich:

vor der Injektion yon 0,5 g Harns~ture mit 1,0 g Piperazin 412 mg Harnsiiure 5 ' naeh der Injektion yon 0,5 g Harnsiiure mit

1,0 g Piperazin . . . . . . . . . . . . . 5,6 ~ ~ 1 h 5 ' nach der Injektion yon 015 g Harnsiiure mit

1,0 g Piperazin . . . . . . . . . . . . . 412 5, ~

Bei einem weiteren Patienten mit rechtseitiger Ischias land ich:

vor der Injektion in 100 eem Serum . . . . . . 0~65 mg Harnsiiure 5 ' naeh der Injektion yon 0,5 g Harnsiiure mit

1,0 g Piperazin . . . . . . . . . . . . . 4,3 ~ 35' naeh der Injektion yon 0~5 g Harns~ure mit

1,0 g Piperazin . . . . . . . . �9 . . . . 3,3 ~ 1~35 ' naeh der Injektion yon 0,5 g Harnsiiul'e mit

1,0 g Piperazin . . . . . . . . . . . . 3,4 �9 ~ 3 h 38' naeh der Injektion yon 0 , 5 g Harnsaure mit

1~0 g Piperazin . . . . . . . . . . . . 1,1 ~

Bei einem 20ji~hrigen Patienten, der zur Beobachtung auf Nieren- steine in der Klinik lag, fand ich:

ve t der Injektion in :tO0 ecru Serum . . . . . . 2,3 mg Harnsiiure 12' naeh der Injektion yon 0,5 g Harns~ture in

~aOH geliist . . . . . . . . . . . . . 14,0 >, . 1 h nach der Injektion yon 0,5 g Harnsi~ure in

~aOH gelSst . . . . . . . . . . . . . 7,4 ~ 75 6 h 20' naeh der Injektion yon 0,5 g Harnsiiure in

~aOH gel0st . . . . . . . . . . . . . 2,5 5,

Man erkennt daraus, dab sowohl die mit Piperazin wie die mit ~a t ronlauge zur L~isung gebrachte Harnsi~ure sehr bald nach der in- travenSsen Injektion wieder aus dem Blute verschwindet. Diese Tat- sacbe wurde schon yon BaB ~) festgestellt und yon G r i e s b a c h 2} neuerdings bestatigt. DaB ~intraven~s injizierte Harnsi~ure durch die Kapil larsysteme des K~irpers retiniert wirdr wie G r i e s b a c h meint, scheint mir wenig wahrscheinlich. N~iher liegt es doeh an einem Konzentrationsausgleieh der HarnsAure zwisehen Blur und Geweben zu denken, wie F r e y a) ihn ftir intraventis injizierte Ltisungen yon Phosphat , Nitrat, Bromid, Jodid, Sulfat und Chlorid yon Natr ium ffe- funden hat. F r e y konnte zeigen 1 daB wenige Stunden nach der in- travenSsen Injekfion die Konzentration der Salze im Gewebswasser

1) Bal3, Zentralbl. f. innere Medizin. 2) Griesbaeh, Biodhem. Zeitschr. 1920, Bd. 101. 3) Frey, Ernst , Archly der ges. Physiologie (Pfitiger) 1919, Bd. 177, S. 110.

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tiber die Bedeutung des L(isungsmittels .usw. " 401

genau gleieh der im Blutplasma geworden ist, wenn man das Blut- plasma zu 5 o/o und das Gewebswasser zu 45o/o des KiJrpergewiehts ansetzt. Es ist auch bei der Gesamtbeurteilung der obigen Versuehe zu berUeksiehtigen, dal] selbst eine kolloide Harns~ture, falls sic vor- handen wi~re, infolge ihrer reversiblen Gleiehgewiehtseinstellung zur Liisung sehneIle Diffusiousfi~higkeit zeigt (vgl. v. Schilling1)).

Man kann demnaeh nicht behauptenj dab die als Ubersiittigte LSsung injizierte Harnsiiure deshalb sehlechter ausgeschieden wiirde, weil sic in kolloider Zustandsform liinger im Blut festgehalten wUrde. Es bleibt somit als naehstliegende Deutung der Versuehsergebnisse die Annahme Ubrig, dab das P i p e r a z i n an s ieh die Ausseheidung der Ha rns i t u r e begUnst igt .

Es sind sehliel~lieh ~lie niedrigen Ausscheidungswerte als solehe zu diskutieren. :Naeh den Vorstellungen, die sieh auf Grund der Mit- teilung yon Umber und Retzlaff~) gebildet l~aben, erwartet man eine quantitative oder doch anni~hernd quantitative Ausseheiduug der intravenSs injizierten Harns~iure beim Normalen in den ersten 48 Stun- den naeh der Injektion. Man kiJnnte einwenden, dab es sieh in meinen Fiillen vielleieht nut um eine VerzSgerung der Ausseheidung handle, nnd dal] bei BerUeksiehtigung der Ausseheidungswerte am 2. und 3. Tage nach der Injektion die Gesamtausscheidungswerte gtin- stiger wiirden. Es wurde sehon oben erwi~hnt, dal~ die Aus- seheidnng der als iibers~ttigte LSsung injizierten Harns~ure in den ersten 48 Stunden nut in zwei F~tllen n i eh t abgesehlossen war~ in allen Ubrigen war am 2. und 3. Tage naeh der Injektion der Durehsehnittswert der Vortage wieder erreieht oder unterschritten. So wurden in Fall 1 in der 49.--96. Stunde 0,034 g, in Fall 4 0,324 g, in Fall 7 0,097 g zuwenig ausgeschieden. Die Ursache ist nieht klar. Man k~innte daran denken, dab dutch die Injekion nrikolytisehe Vorgi~nge angeregt, harnsiiurezerst(irende Fermente mobilisiert oder �9 aktiviert, wurden und auf diese Weise die Menge der flit die Aus- seheidung zur VerfUgung stehenden endogenen Harns~ure vermindert wurde. Doeh sind das bis heute unbewiesene Annahmen. Komple- mentbindende Antikiirper gegen injizierte Harns~tnre, die F a l k e n - s te in 8) gefunden zu haben glaubte, gibt es nieht, wie Str(ibeD) zeigte. Ftir das harnsaure Piperazin gilt das gleiehe. Each Fortlassung yon Fall 5, in welehem es im AnsehluB an die Injektion zu fieber-

1) v. Schilling, Annalen der Chemie und Pharmazie Bd. 122, S. 241. 2) Umber und Retzlaff, a. a. 0. 3) Falkenstein, Berl. klin. Wochensehr. 1910, Nr. 9. 4) Striibel, Zeitschr. f. exp. Path. u. Ther. 1912~ Bd. XI, S. 112.

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haffen Erseheinungen gekommen war, bleiben nur drei F~lle, bei denen in der 49.--96. Stunde die tIarns~urewerte noch Uber dem Mittel der Vortage lagen. Im Fall 1 wurden in der 49.--96. Stunde noch 0,154 g = 300/0 , demnach in 96 Stunden 0,454 oder 90,2O/o aus- geschieden. Im Fall 7 werden in der 49.--96. Stunde noch 0,098 g

19,6 o/o , also in 96 Stunden 0,489 g ~ 97,8 o/o ausgeschieden. Im Fall 11 werden in der 49.--96: Stunde noch 01059 g ~ 11,8 O/o

der injizierten Harns~ure oder in 96 Stunden 0,352 g ~--- 70,4 0/0 ausgeschieden. Es haben demnach yon 12 nierengesunden Nicht- gichtikern - - wenn man dio Ausscheidung der ersten 4 Tage nach tier Injektion be rUcks i ch t i g t - nur 4 Uber 80o/o der injizierten Harns~ure wieder eliminiert. Berechnet man dagegen die Aus- scheidungswertr lediglich fur den Injektions -~ und den auf ihn folgen- den Tag, so haben nut 2 den Ausscheidungswert yon 80O/o tiber- schritten.

Uber den Verbleib der nichtausgeschiedenen Harns~ture l~Bt sich nach den vorliegendcn Untersuchungen nichts aussagen. Einen Beweis fiir eine teilweise urikolytische ZerstSrung der nichteliminierten Harn- s~ure mt~chte ich in diesen Befunden nicht erblicken. Die Frage der Urikolyse beim Menschen bleibt vorerst often. Mit Entschiedenheit aber wendo ioh mich gegen die" yon Dohrn 1) versuchtc Deatung diescr Erscheinung. Dohrn glaubt, dab man bei Gesunden, bei denen fur die Gieht keine klinischen Zeichen zu finden sind, aus der verzSgerten Ausseheidung endovenSs injizierter ttarnsaure gewissermaBen eine latonte Gicht oder, wie er sieh ausdrtiekt, einen ~,0bergang zur Gicht- krankheit, diagnostizieren ktinne. Ob die Methode der endovenSsen Injektion sich zur Differentialdiagnose yon gichtischen und nicht- giehtischen Erkrankungen weiterhin eignet, mUssen umfangreiehe Untersuehangen an echten Gichtikern entscheiden. Es mug jeden- falls verlangt werden, dab nach den Erfahrungen an Gesunden der Giehtiker ganz gesetzmagig die injizierte ttarnsaure zum allergr~Bten Teil retiniere, wenn man diese Erscheinung unter Berticksichtigung der Tatsache dag sehon yore gesunden Nichtgichtiker im Mittel nut 500/0 wieder ausgeschieden werden, far differentialdiagnostische Zwecke benutzen will.

1) Dohrn, Zoitschr. f. klin. l~ed. 1912, Bd. 74.

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