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32 7 6. Otiber die Diffusion von XetaZZen dm Glas; von E. War tibur y. (Mitteilung aus der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt.) 9 1. Die nachstehende Theorie des in der Uberschrift genannten Qorganges ist veranlaBt durch die in der vorher- gehenden Abhandlung beschriebenen Versuche des Hrn. G. Schultze uber die Diffusion von Silber in Glas, und beruht auf folgenden Grundannahmen. 1. Bei der elektrolytischen Leitung sowie bei der Diffusion wandern im Glase nur die positiven metallischen Ionen.') Unter dieser Annahme kann die den Ionen durch osmotische Krafte' erteilte Geschwindigkeit nach dem Vorgang von N ern s t z, aus der elektrolytischen Beweglichkeit berechnet werden. Nerns t nimmt den diffundierenden Elektrolyten als vollig dissoziiert an. Um das Problem ohne die in unserem Fall unzulassige Voraussetzung volliger Dissoziation zu behandeln, kann man folgende Uberlegung anstellen. Sofern alle elektrolytischen Molekeln sich gleich verhalten, ist nicht etwn ein Teil der- selben immer dissoziiert, ein Teil immer undissoziiert, sondern jedes Ion ist zeitweise dissoziiert, und zwar a - t" lang wahrend eines Zeitraumes von t", wenn a den Dissoziationskoeffizienten bedeutet. 1st also u die Geschwindigkeit, welche das Ion im dissoziierten Zustand in dem wirkenden Kraftfelde annimmt, so legt es wiihrend der Zeit t den Weg u . a - t zuriick, geradeso, als ob es wahrend der ganzen Zeit t die Geschwindigkeit u. a besessen hatte. Man darf also bei der Berechnung der wirk- lich stattfindenden Qerschiebungen allen Ionen der fraglichen Art, den freien und gebundenen , die konstapte Geschwindig- keit u . a beilegen. 1) E. Warburg, Wid. Ann. 21. p. 644. 1884. 2) W. Nernst, Zeitschr. f. physik. Chem. 2. p. 617. 1888.

Über die Diffusion von Metallen in Glas

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6 . Otiber die Diffusion von XetaZZen dm Glas; von E. War tibur y.

(Mitteilung aus der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt.)

9 1. Die nachstehende Theorie des in der Uberschrift genannten Qorganges ist veranlaBt durch die in der vorher- gehenden Abhandlung beschriebenen Versuche des Hrn. G. S c h u l t z e uber die Diffusion von Silber in Glas, und beruht auf folgenden Grundannahmen.

1. Bei der elektrolytischen Leitung sowie bei der Diffusion wandern im Glase nur die positiven metallischen Ionen.') Unter dieser Annahme kann die den Ionen durch osmotische Krafte' erteilte Geschwindigkeit nach dem Vorgang von N e rn s t z, aus der elektrolytischen Beweglichkeit berechnet werden. Nerns t nimmt den diffundierenden Elektrolyten als vollig dissoziiert an. Um das Problem ohne die in unserem Fall unzulassige Voraussetzung volliger Dissoziation zu behandeln, kann man folgende Uberlegung anstellen. Sofern alle elektrolytischen Molekeln sich gleich verhalten, ist nicht etwn ein Teil der- selben immer dissoziiert, ein Teil immer undissoziiert, sondern jedes Ion ist zeitweise dissoziiert, und zwar a - t" lang wahrend eines Zeitraumes von t", wenn a den Dissoziationskoeffizienten bedeutet. 1st also u die Geschwindigkeit, welche das Ion im dissoziierten Zustand in dem wirkenden Kraftfelde annimmt, so legt es wiihrend der Zeit t den Weg u . a - t zuriick, geradeso, als ob es wahrend der ganzen Zeit t die Geschwindigkeit u . a besessen hatte. Man darf also bei der Berechnung der wirk- lich stattfindenden Qerschiebungen allen Ionen der fraglichen Art, den freien und gebundenen , die konstapte Geschwindig- keit u . a beilegen.

1) E. Warburg, Wid. Ann. 21. p. 644. 1884. 2) W. Nernst , Zeitschr. f. physik. Chem. 2. p. 617. 1888.

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2. Bei der elektrolytischen Leitung des Glases wandern, ehe es einem DiffusionsprozeB unterworfen wurde, nur die Natriumionenl)! bei der Diffusion eines Metalles 2 in das Qlas hinein werden die Natriumionen 1 durch Metallionen 2 ersetzt, so da6 die Summe der Ionen 1 und 2 im Glase durch die Diffusion nicht verandert wird. Unter 2 sei im folgenden Silber verstanden, auf das die Versuche des Hrn. G. S c h u l t z e sich beziehen. Seien also im Kubikzentimeter urspriinglich N Natriumionen, hei der Diffusion Nl Natrium- und NB Silber- ionen, so sol1 iiberall sein

Die 1v beziehen sich auf alle Ionen der betreffenden Art, freie und gebundene zusnmmengenommen.

3. Alles Natrium im Glase befindet sich im gleichen Ionen- zustand, so da6 der Wert N in Gleichung (1) durch chemische Analyse bestimmbar ist.

4. Die freien Ionen uben im Glase wie in einer Fliissig- keit einen osmotischen Druck aus, welcher nach den Gas- gesetzen zu berechnen ist.

Im folgenden wird das absolute elektromagnetische Ma6 des C.G.S.-Systems zugrunde gelegt. Unter einem Ion sei immer ein Grammion verstanden.

Sei e = 9654 die Valenzladung, uI1 die Beweglich- keit von 1, d. h. die Geschwindigkeit des freien Ions 1 im elektrischen Einheitsfeld, in welchem auf das einwertige freie Natriumgrammion 1 eine Kraft gleich e Dynen wirkt. u I 1 / e ist also die Geschwindigkeit der freien Ionen 1, wenn auf das Grammion eine Dyne wirkt. Werden lineare Verhaltnisse an- genommen und wird die x-Achse in die Richtung der Wanderung gelegt, ist ferner p , der osmotische Druck der freien Natrium- ionen, so wirkt auf eine Schicht von der Dicke d x und 1 qcm Querscbnitt die osmotische Druckkraft - ap, / a x - d x , welche sich auf die N, a, dx freien Ionen der Schicht verteilt. Mit Riicksicht auf 8 1 Nr. 1 ist also

(1) N, + N, = 8.

8 2.

1) Diese Annahme trifft zu fur das gewFhnliche Thiiringer Glas, auf welches die in der porhergehenden Abbandlung beschriebenen Ver- suche des Hm. G. S c h u l t z e sich beziehen.

Diffusion von Metallen h Glas. 329

wo u ~ , ~ ~ ~ . die aua den osmotischen Druckkraften entspringende Geschwindigkeit von 1 bedeutet, welche allen Ionen 1 bei- zulegen ist: Da nach 0 1 Nr. 4

so wird (2) p, = iVl el * R T,

(3)

Die Anzahl von Ionen 1, welche durch das Quadratzenti- meter im Querschnitt x von der negativen zur positiven Seite gehen, ist 3, u l , der entsprechende Ausdruck gilt fur die Ionen 2 und es mu6 nun nach 8 1 Nr. 2 sein

(4) XI u1 + Nz 7 i 2 = 0 , weil sonst die Summe der Ionenzahlen 1 und 2 auf der posi- tiven Seite sich andern wiirde. Wenn aber die Geschwindig- keiten ul, u2 allein von den osmotischen Kraften herriihrten, also die durch (3) bestimmten Werte hatten, so ware die Be- dingung (4) im allgemeinen nicht erfullt. Es mogen z. B. in- folge der osmotischen Krafte durch den Querschnitt x hin- durch mehr Ionen 1 von der positiven zur negativen, als Ionen 2 in der umgekehrten Richtung getrieben werden. Da- durch wird die positive Seite von x negativ elektrisch gegen die negative Seite, und es entsteht ein nach + x gerichtetes elektrisches Feld. Dieses ist der auf 1 wirkenden osmotischen Kraft entgegen, der auf 2 wirkenden gleich gerichtet und wird anwachsen bis zu dem Betrage Q, fur welchen die Bedingung (4) erfullt ist. Mit Rucksicht auf (3) erhalt man

d (AT, a,) 1 11 dx eN, 211 = u1 Ull @ - R I'u ~----

oder

Die Bedingung (4) liefert fur Q

Annalen der Physik. IV. Folge. 40. 22

330 E. Warburg.

Daraus folgt nach (5)

Nach (1) ist arv,=-___ 8 4 . d X ax

ferner ist der Nenner in (7) gleich dem elektrischen Leitungs- vermogen x der Stelle z, auf welche (7) sich bezieht.

Unter Berucksichtigung dieser Beziehungen bringt man (7) auf die Form

(8) x = (4 a1 u11 + N, a 2 UgJe.

Jm folgenden sol1 die Annahme gemacht werden, daB a, /al vom Konzentrationsverhaltnis N, / Nl , also auch von x unabhangig ist.3 Unter dieser Annahme wird nach (9) der Diffusionskoeffieient B

Man setze = N . ull a1 e = Leitungsvermogen des Natriumglases,

(11) { x2 = N.uZ1 a2 e =

wo im ,,Silberglase" alles Natrium durch Silber ersetzt ist. Dadurch erhalt man

> 7 ,, Silberglases,

Nach den Versuchen des Hm. G. S c h u l t z e ist ungefah xz = 1,5 - xl, x und D hangen deshalb vom Konzentrations- verhaltnis N,/N2 ab, B ist in der Diffusionszone variabel, an

1) Diese Annahme folgt aus dem Massenwirkungsgesetz, wenn die Silikate nach dem Schema N%SiO, = Na, + SiO, zerfallen und auBerdem o1 und as klein gegen 1 oder wenig voneinander verschieden sind. Doch ist die angegebene Zerfallgleichung sehr zweifelhaft, nicht minder die Anwendbarkeit des Massenwirkungsgesetzes auf den vorliegenden Fall.

Diffusion von Metallen in Glas. 33 1

der Silberseite kleiner als an der Natriumseite und liegt zwischen R T x l / N e 2 fur Silberglas (x = x,) und R T x , / N e 2 fur Natriumglas (z = xl).

Bei der Berechnung der Diffusionsvorgange sind die Bedingungen an der Glasoberflache in Betracht zu ziehen. Wir beschranken uns hier auf den Fall, da6 die Glasoberflache mit einer Schmelze aus reinem Silbernitrat in Bertihrung ge- halten wird. Beim Gleichgewicht einer in eine solche Schmelze getauchten Glasmasse ist offenbar mit Rucksicht auf @ 1 Nr.3 alles Natrium durch Silber ersetzt, d. h. N, = 3. Solange das Gleichgewicht sich noch nicht hergestellt hat, mu6 infolge einer aus der Warmelehre gelaufigen Betrachtungsweise die in die Oberflache eintretende Silbermasse gleich der in der- selben Zeit in das Innere fortdiihndierenden sein; f b die Sekunde ist diese gleich - D . (dNg/dw) , indem w die nach dem Innern der Glasmasse gerichtete Normale bedeutet ; jene werde, da sie verschwindet , wenn der Gleichgewichtsbetrag N, = N erreicht ist, mit N - N, proportional angenommen. Dadurch erhalt man an der Oberflache

0 3.

113)

J e kleiner D und je gro6er h ist, d. h. je langsamer die Diffusion ins Innere und je schneller die Diffusion von a u k erfolgt, desto mehr nahert sich diese Bedingung der einfacheren an der Oberflache

welche nach Betrachtungen yon Nerns t I) in auberordentlich kurzer Zeit erreicht wird und deshalb hier angenommen wird.

8 4. Wir betrachten nun eine Glasmasse, die einerseits durch die Ebene x = 0 begrenzt ist und hier zur Zeit 0 mit der erwahnten reinen Silberschmelze in Beriihrung gebracht wird; andererseits erstrecke sie sich ins Unendliche. Die Diffusionsgleichung fur lineare Verhaltnisse lautet

(14) iv, = N ,

dN,/at = a / d x ( D a N , / a ~ ) ,

wo nach (12) D von x abhtngt. Wir werden aber im folgen-

I) W. Nernst , Zeitschr. f. phys. Chem. 47. p. 52. 1904. 22 *

332 E. Warburg.

den B als konstant ansehen. Unter dieser Annahme ist die Gleichung

(15)

zu integrieren unter den Bedingungen t = O ,

8, = 0 . z=m,

Die Lasung ist bekanntlich sc -

Daraus folgt far die in der Zeit t eindringende Silbermenge M in Grammatomen pro Quadratzentimeter

t

8 5. Prufung der Theorie an den Versuchen des Hrn. G. S c h u 1 t z e. Bei diesen Versuchen wurden beiderseits offene Glasrohren in die Schmelze getaucht, das Verhaltnis der Ein- dringtiefe des Silbers zum Halbmesser der Oberflache betrug dahei ungefahr 0,02, so daB die Annahme h e a r e r Verhalt- nisse zulassig erscheint, urn so mehr als die Diffusion gleich- zeitig an der inneren konkaven und an der au6eren konvexen Oberflache erfolgte.

I n folgenden Punkten ist die Theorie durch die Versuche bestatigt worden.

1. Die Gleichung (18), nach welcher die eingedrungene Silbermenge M mit der Quadratwurzel aus der Zeit t pro- portional sein 9011, zeigte sich zwischen t = 5 Min. und t = 1200 Min. erfiillt.

Uiffusion von Metallen 2n Glas. 333

2. h d e r t man die Temperatur des Glases, so Hndert sich daa Leitungsvermijgen xl, und es sol1 nach (12), indem xI und x mit x1 proportional angenommen werden, D mit x1 T, mithin nach (18) M / f i mit v c p r o p o r t i o n a l sein. Diese Be. ziehung zeigte sich zwischen T = 238". und T= 422O C., bzw. x, = 6,74.10-17 und x1 = 3,44. nahe erfullt, also zwischen Werten von xl, die im Verhaltnis von 1 : 500 variierten.

3. F u r das von Hrn. Schul tze untersuchte Glas war gAtom

ccm N = 0,0122-.

Fur dasselbe fand er bei 354O sec cmz

x1 = 5,27 .10-'5 - , xZ = 1,5*x1

Aus (20) und (22) folgt mittels (19)

Andererseits folgt aus (20) und (21) mittels (12) ern2 aec D, = 3,63.10-'0- = 3 , ~ . 10-5 __

fur Natriumglas, aus dem elektrischen emp I LeitungsvermGgen. __ = 2,09. aec Tag

D, = 2,42 . fur Silberglas

Der aus dem Diffusionsvorgang berechnete Wert von D liegt zwischen den ans dem elektrischen Leitungsverlnogen be- rechneten Werten D, und D,, aber vie1 naher an 3,. In der Tat kommt es fur den Eintritt des Silbers an der Silberseite mehr auf D, als auf B, an.

Fur die Diffusion einer wasserigen Normalschwefelsaure- liisung in Wasser bei So ist nach Scheffer') 3 = 1,Ol cma/Tag, also 32000-48000 ma1 so groB als fur die Diffusion von Silber in Glas bei 354O.

1 ) J. D. R. Scheffer, Zeitschr. f. phys. Chem. 2. p. 399. 1888.

334 3. Warburg. Diffusion von Metallen in Glas.

8 6. In folgenden Punkten zeigen sich Abweichungen der Versuche von der gegebenen Theorie.

1. hat Hr. S c h u l t z e nach Beendigung der Diffusion die Silberkonzentration als Funktion der Tiefe x gemessen. Die gemessenen Werte stimmen nun mit den aus (17) berechneten innerhalb der Beobachtungsfehler iiberein nur etwa bis zur Tiefe x = 48 y , fbr gro6ere Tiefen (bis 68 y) sind die ge- messenen Werte kleiner als die berechneten. I n der Tat lafit sich im Widerspruch mit der Gleichung (17) eine ziemlich scharfe Grenze finden, an welcher die Silberkonzentration verschwindet, und nach Hrn. Schu l t ze lafit sich die Silber- konzentration innerhalb der Beobachtungsfehler als lineare Funktion der Tiefe .r darstellen.

2. hat Hr. S c h u l t z e die Glasoberflache anstatt mit reinem Silbernitrat mit Schmelzen aus Silber- und Natriumnitrat in Beruh- rung gebracht und die Silberkonzentration an der Glasoberfliche durch besondere Versuche bestimmt. Erst bei einer ziemlich groBen Verdunnung des Silbernitrats wird die Silberkonzentration an der Oberflache merklich kleiner als fur reines Silbernitrat, urn bei weiterer Verdiinnung starker abzufallen. Nach der gegebenen Theorie sollte nun M / f i in Gleichung (18) immer der Silber- konzentration an der Glasoberflache proportional sein; bei kleinen Oberflachenkonzentrationen wird aber MI fi kleiner gefunden, als berechnet.

Immerhin sind die im 8 5 vermerkten ubereinstimmungen zwischen den Versuchen und der Theorie so weitgehend, da6 mir die Mitteilung der letzteren gerechtfertigt schien.

Char lo t t enburg , 18. November 1912.

(Eingegangen 27. November 1912.)