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203 11. Eeber (lie inrrere Reibung dc~r G'asr; cot1 Oskar Emil .Meyer. Fiinfte Abhandl ung. Der Einfltib der Temperatur auf die Reibung. n e i den Beobachtungen iiber die Transpiration der Luft durch enge Rohren, aus welchen ich in meiner letzten Abbandlung ') die Giiltigkeit des Pois euille'schen Gesebes auch fiir Gase bewiesen habe, blieb der Druck, unter wel- chem die Lufi stromte, sich nicht gleich, sondern veriin- derte sich mit der, Zeit. Daraus folgt unmittelbar , dafs auch die Temperatur der stromenden Luft eine mit der Zeit verbderlicbe Gr6h.e seyn mufste. Dieser Umstand ist fir das in jener Abhandlung verfolgte Ziel ohne Be- deutung; will man aber den Einflufs der Temperatur auf die Transpiration und somit auf die Reiburrg der Gase un- tersuchen, so wird jener Umstand zu einem so gewichti- gen Uebelstand, dak ich die friihere einfache Methode der Beobachtung verlassen nnd coiriplicirtere Apparate an- wenden mufste. Die Methode der frtiheren Versuche beruhte auf einer solchen Einrichtung des Apparates, dafs die in demselben striimende Luft wohl ihren Druck, nicht aber ihr Volu- men veranderte. Bei den neuen Messungen machte ich mir zum Principe, die Luft so strbmen ZLI lassen, dals sie nur ihr Volumen, nicht aber ihren Druck veranderte. Durch diese entgegengesetzte Art zu experimentiren habe ich das Gesetz Poiseuille's nicht allein aber- mals bestatigt gefunden, sondern auch strenger und inner- halb weiterer Griinzen hewiesen. Namentlich ergiebt sich aus den neuen Versuchen augenscheinlicher, dafs wir ne- ben der inneren eine aufsere Reibung der Luft am Glaee nicht anzunehmen haben. 1) Im vorigeu Hefte dieser Annalen. Seite 1.

Ueber die innere Reibung der Gase

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11. Eeber ( l ie inrrere Reibung dc~r G'asr; cot1 O s k a r Emil .Meyer.

Fiinfte A b h a n d l ung. Der Einfltib der Temperatur auf die Reibung.

n e i den Beobachtungen iiber die Transpiration der Luft durch enge Rohren, aus welchen ich in meiner letzten Abbandlung ') die Giiltigkeit des P o i s euille'schen Gesebes auch fiir Gase bewiesen habe, blieb der Druck, unter wel- chem die Lufi stromte, sich nicht gleich, sondern veriin- derte sich mit der, Zeit. Daraus folgt unmittelbar , dafs auch die Temperatur der stromenden Luft eine mit der Zeit verbderlicbe Gr6h.e seyn mufste. Dieser Umstand ist f i r das in jener Abhandlung verfolgte Ziel ohne Be- deutung; will man aber den Einflufs der Temperatur auf die Transpiration und somit auf die Reiburrg der Gase un- tersuchen, so wird jener Umstand zu einem so gewichti- gen Uebelstand, dak ich die friihere einfache Methode der Beobachtung verlassen nnd coiriplicirtere Apparate an- wenden mufste.

Die Methode der frtiheren Versuche beruhte auf einer solchen Einrichtung des Apparates, dafs die in demselben striimende Luft wohl ihren Druck, nicht aber ihr Volu- men veranderte. Bei den neuen Messungen machte ich mir zum Principe, die Luft so strbmen ZLI lassen, dals sie nur ihr Volumen, nicht aber ihren Druck veranderte.

Durch diese entgegengesetzte Art zu experimentiren habe ich das Gesetz Po i seu i l l e ' s nicht allein aber- mals bestatigt gefunden, sondern auch strenger und inner- halb weiterer Griinzen hewiesen. Namentlich ergiebt sich aus den neuen Versuchen augenscheinlicher, dafs wir ne- ben der inneren eine aufsere Reibung der Luft am Glaee nicht anzunehmen haben.

1) Im vorigeu Hefte dieser Annalen. Seite 1.

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Vie1 wichtiger ist die durch meine Versuche gewonnene Entscheidung der Frage, in welchem VerhiiltniCs der Rei- bungscoEfficient der Luft mit der Temperatur zunimmt.

Dieser Pnnkt ist namlich von hervorragender Bedeu- tung fur die dynamische Theorie der Gase und die ihr zu Grunde liegenden Vorstellungen vom Wesen des gas- farniigen Zustandes. Ich meirie die von K r 6 n i g '), C 1 a 11 - s i u s ') , J o 11 I e ') ti. A. aufgestellten Ansichten , welche mit den vie1 alteren Ideen von D a n i e l B e r n o u l l i 4 ) v6l- lig iibcrrinstimmen und im wesentliclien selbst mit den Anschauungen L e u k i p p's, D e m o k r i t 's niid E p i k u r 's soweit sie uns, namentlich durch Lu c r e z , iiberliefert wor- den sind, zusaininenzufallen scheinen.

Auf diese Ansicht von der Natur der Gase haben M a x w e l l ') und ich fi) eine Theorie der Reibung gegriin- det, aus welcher sich schliefsen liefs, dafs der Reibungs- coefficient iu etwa halb so starkem Grade, wie der Druck bei constantem Volumen oder wie das Volumen bei con- stantem Drucke , mit der Temperatur wachsen mtisse ; oder wenri ich das Gesetz strenger ausspreche, die Theorie liefs erwarten, dafs das Quadrat drs Reibungscoiifficienten mit der Temperatur genau proportional dem - nach dem B o y 1 e - M a r i o t t e 'schen Gesetze unveranderlichen - Pro- ducte von Druck und Dichtigkeit, d. h. also im Verhalt- nisse der sogenannten absoluteu Temperatur zunebmen werde.

Dieses von der Theorie vorausgesagte Gesetz hat M a x - w e l l ') nicht bestiitigt gefunden, als er die Reibung der Luft durch Beobachtung der Schwingungen mars, welche

1) Diese Ann. Bd. 99, 1856, S. 315. '2) Diese Ann. Bd. 100, 1S57, S. 375. 3) Mem. of Munch. SOC. Vol. 3, 1551, p . 107; phil. Mag. (4) Vol. 14,

4) Hydrodynamica, 1738, p. 302; diese Ann. Bd. 107, S. 493. 5 ) Phil. Mag. (4) VoZ. 19, 1860, p . 31. 6 ) In meiner ersten Abhandlung uber diesen Gegenstand, in diesen Ann.

Bd. 12.5, 1865, S. 586. 7 ) Lond. phil. Transact. 1866.

1857, p . 212.

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Scheiben in Luft von verschiedener Dichte und verschie- dener Warme ausfiihrten. M a x w e 11 fand eine gerade doppelt so starke Zunahme der Reibung mit der Tempe- ratur, so dafs also nach seiner Angabe der Reibungscogf- ficient selber der absoluten Temperatur unmittelbar pro- portional wachst.

Dieses Ergebnils der Beobachtungen M a x w e l l ’ s be- stiitigen meine Versuche nicht. Andererseits stimmen die- selben auch nicht viillig mit dem von jener Theorie ge- forderten Gesetze iiberein. Meine Zahlenresultate halten etwa die Mitte zwischen der Theorie und der Beobach- tung Maxwell’s.

An der Richtigkeit diescr Zahlen kann ich um so we- niger zweifelu, als ich rnich durch cine Wiederholuug der Versuche M a x w el 1’s von der Ungenauigkeit seiner Zahl iiberzeugt habe.

M a x w e 11 glaubte durch seine Beobachtung gezwun- gen zu seyn, seine Theorie zu modificiren I). Statt einer Repulsivkraft , welche zwei sich begegneiide Gasmolekeln, ahnlich wie zwei zusammenstofsende elastische Kugeln, nur bei unmittelbarer Beriihrung oder wenigstens in un- mefshar kleiner Entfernung auf einander ausiiben, nimmt er neuerdings eine der fiinften Potenz der Entfernung iimge- kehrt proportionale abstofscnde Kraft an. Ftir diese, ge- wissen Reobachtungen Jou le ’ s und W. Thomson’s %) ge- geniiber kaum baltbare Hypothese einer abstolsenden Fern- wirkung liegt jetzt in der Beobachtung kein Grund vor.

Jedoch, da auch die von mir beobachteten Zahlen, frei- lich besser als die Max we 11 ’schen , dennoch aber nicht genau mit den theoretisch berechneten iibereinstimmen, so bedarf die dynamische Theorie der Gase immerhin noch einer kleinen Modification. Ich suche den Fehler der Theorie in der Vernachlassigung eines schon ofter, nament- lich von C 1 a u s i u s hervorgehobenen Verhaltnisses. War- mezufuhr vermehrt nicht blols die geradlinige Geschwin- 1) Phil. mag. (4), V . 35, 1868, p. 129. 2 ) Phil. Tr. 1853 u. 54.

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digkeit der Molekeln, sondern auch die inneren Bewegun- gen der die Molekeln bildenden Atome.

Findet dieser Umstnnd gebiihrende Berucksichtigung in der Rechnung, so glaube ich, dafs die verbesserte Theorie sich mit dem Experixnente in vollem Einklange befinden wird. Auf diese Theorie gedenke ich spater an einem an- deren Orte zuruckzultommen. Meine experimentellen Ar- beiten iiber die Reibung der Gase aber schliefse ich mit dieser und der noch folgenden ab, wobei ich meiner Be- fiiedigung daruber Ansdruck gebe, dafs sich die im Ein- gange meiner ersten Abhaodlung ausgesprochenen Gedan- ken, welche mich zii einer so grundlichen Uiitersuchung eines spcciellen Gegenstandes reranlassten, im Verlaufe der langeii Arbeit stets als vollig berechtigt erwiesen.

5. 1. Erster Apparat.

Meine Absicht, die Luft durch eine enge Rohre so strijmeii zu lassen, dafs trotz der Stromung der Druck der Luft sich niclit verlndere, habe ich auf zweierlei Art erreicht. Bei den1 ersten Apparate, der in Fig. 2 Taf. I in 10 fach verkleinertem Maafsstabe abgebildet ist, geschah die Regulirung des constanten Drucks automatisch durch den Apparat selber.

Die Flasche a, deren beide Hiilse durch Krtutschuk- pfropfen luftdicht verschlossen sind, kann durch den Trich- ter 6 , wenn der Hahn c geiiffuet ist, mit Wasser gefillt werden. Verschliefst man, nachdem diefs geschehen ist, sowohl den Hahn c als auch den Quetschhahn d, bffoet aber den unten angebrachten glasernen Hahn e, so wird etwas Wasser ausfliefsen, und es wird die im oberen Theile von a befindliche Luft entsprechend verdunnt werden. Ihren erniedrigten Druck zeigt das rnit Wasser gefullte Manometer f an, ihre Temperatur das Thermometer g.

In den luftverdannten llaum in a stromt durch ein System von Glasrohren h, i, k, welche durch dickwandige, eirigefettete und mit Draht fest umwundene Kautschuk-

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schliiuche unter einander luftdicht verbunden sind, Luft von auhen ein, sobald der Glasstopsel 1 herausgezogen wird. Diese Rbhren sind von einer weiten Rbhre, die anfangs auch aus Glas, spater bei einem nach einer etwas anderen Methode angestellten Versuche aus Zinkblech bestand, umgeben, und zwar zu dem Zwecke, um durch letatere Dampf durchleiten und so erstere erwarmen zu kiinnen. Der Dampf strbmte aus einem Kolben durch die Rohre m ein und trat durch die unter Wasser miindende Riihre ti

aus. Zur Beobachtung der Temperatiir in der Rohre war das Thermometer p bestimmt. Von den drei Rbhren h, i, k ist i die Capillare, die dem Transpirationsversuche unter- worfen werden soll; h und k sind Glasrbhren gewohnli- cher Weite, von denen k den Zweck hat, die Luft bereits vor dem Eintritte in die Capillare i zu erwlrmen. Bei manchen Versuchen waren diese Einrichtungen nicht voll- sffindig vorhanden.

In Folge dieser Einstromung von Luft durch die R6h- ren wtirde der Druck in a; steigen, das Manometer f also fallen. Diefs wird vermieden, wenn man aus dem Hahn e ein Quantum Wasser ausfliefsen lafst , dessen Volumen gleich deli' der eingestrbmten Luft unter dem in der Fla- sche herrschenden Drucke ist.

Hiernach wiirde die einfachste Art, die Transpiration EU beobachten, darin bestehen, dafs man diejenige Stellung des Hahnes e sucht, bei welcher eiu bestimmter Stand des Waesere im Manometer sich dauernd erhiilt; mifst man dann das in einer bestimmten Zeit ausgeflossene Wasser, so hat mail damit zugleich das Volumen der in derselben Zeit trsnspirirten Luft. Nach diesem Principe habe ich wirklich beobachtet; nur habe ich, urn die Stromung gleich- mgfsiger zu machen, noch eine Htilfsvorrichtung angebracht.

Zu diesem Zwecke habe ich das ausfliefsende Wasser nicht unmittelbar aufgefangen, da ja die Geschwindigkeit des Ausflusees fort und fort langsamer geworden seyn wtirde, je niedriger der Wasserstand in der Flasche ge- worden ware. Ich lielis es vielmehr durch die Itohre q,

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die in einer weiteren, oben offenrn Riihre s steckte, bei r unter Wasser austreten. 1st der Hahn u am unteren Theile der Riihre s geschlossen, so wird eine Oeffnung des Hahnes e bewirken, dafs das Wasser in der Rohre s bis zu einem Punkte t steigt oder fallt, welcher um die vom Manome- ter f angegebene Druckhohe unter dem Wasserspiegel in a liegt; denn beide Fliissigkeitshohen geben den Unter- schied des Druckes der inneren und der iiulseren Luft an.

Oeffne ich aber u, so wird der Wasserstand t sinken, also die Verdunnung in der Flasche zunehmen und das Wasser im Manometer f steigen. Schliefse ich u und ijffne den Stopsel I , der die Capillare verschliefst, so stromt Loft in die Flasche, und das Manometer f fallt. Es giebt also eine rnittlere Stellnng des halb geijffneten Hahnes u, hei welcher das Manometer f einen unveranderten Stand einhalten wird, obgleioh fortwahrend Luft einstromt ; und zwar ist es diejenige Stellnng des Hahnes, bei welcher der Wasserstand bei t gerade so schnell sinkt, wie der in der Flasche durch die Einstrijmung der Lufi abnimmt. Es kommt also darauf an, dafs der Wasserstand bei t sich mit gleichmafsiger Gcschwindigkeit herabsenke. Diese Forderung wird mit vollkomme~~ster Annaheruug erreicht, wenn die Rijtire s eine liinreichende Lange hat , so dafs aiif den Querschnitt des Halines u iminer nahezu der gleiche Druck wirkt, wie hoch auch das Wasser in der Flasche stehen moge.

Bei dieser Einrichtung ist nun aber zu beachten, dafs, wenn ich das in einer bestimmten Zeit aus dem Hahne 1b

ausgeflossene Wasser in der Flasche r auffange und messe, das Volumen desselben nicht mehr unmittelbar das Volu- men der in der gleichen Zeit transpirirten Luft liefert. Vielmehr setzt sich das aufgefangene Wasser am einem Theile, der aus der Flasche a ausgeflossen ist, und aus einem zweiten Theile, der aus der Rohre s herstammt, zu- sammen. Letzteren Theil habe ich abzuziehen, um ein dem gesuchten Luftvolumen gleiches Wasservolumen zu erhalten. Um dies zu erreichen, war die Rolire s rnit

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einer Scale versehen, an welcher beim Beginne einer Messung der Wasserstand abgelesen wurde ; nach dem Schlusse derselben wurde von dem aufgefangenen Wasser soviel in die Rohre abgegossen, bis der frtihere Stand er- reicht war.

Bei den nachstehend mitgetheilten Versuchen verfuhr ich nun auf folgende Weise. Nachdem der Apparat ge- fallt, und die Hahne o und d geschlossen waren, wurde durch Oeffnung des Glaehahns e die Luft verdtinnt. In diesem Znstande liefs ich den Apparat mindestens einen Tag stehen, um die von dem Wasser absorbirte Luft bis auf einen dem Drucke entsprechenden Grad demselben zu entziehen. Beim Beginne der Beobachtung wurde dann der Stapsel 1 herausgezogen und der Hahn u bis zu einer passend scheinenden Stellung, die sich leicht nach der Zahl der fallenden Tropfen beurtheilen 1Ust , geofiet. Nach Verlauf einer liingeren Zeit bildet sich dann von selbst ein fester Stand des Manometers, dessen Hohe von der Weite der Oeffnung des Hahns abhangt; man erreicht auf diese Weise leicht jeden beliebig gewnnschten Druck. War nun erreicht, dafs sich wahrend einer Dauer von etwa 10 Minuten kein erhebliches Schwanken des Mano- meters, noch auch des Thermometers wahrnehmen liefs, SO begann ich die Messung, indem mit einem Pendelschlage einer Secunden-Uhr das gewogene Fllischchen 0, das 100 CC, fafste, unter die Oeffnung des unteren Hahns geschoben wurde. Gleichzeitig wurde. der Wasserstand t in der Rbhre s abgelesen, unmittelbar darauf auch das Mano- meter, Barometer und die Thermometer, welche letzteren Ablesungen kurz vor Scblufs der Messung wiederholt wurden. War das Flaschchen gefiillt, so wurde wiederum mit dem Schlage einer Secunde der Hahn e geschlossen, darauf auch u; ich gofs dann aus dem Flaschchen so vie1 Wasser in die Rbhre s ab, bis der Stand derselbe, wie zu Anfang war, und wtigte das Flaschchen abermds.

Nach diesem Verfahren habe ich nachstehend mitge- theilte Versuche angestellt, zu denen ohne Ausnahme die-

Poggendofli Annal. Bd. CXLVIII. 14

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jenige Capillarrohre I verwandt wurde, welche schon zum Versuche No. 13 der in der vierten Abhandlung beschrie- benen Transpirationsbeobachtungen gedient hatte. Ihre Lange betragt 79,75 Centimeter, ihr Quersohnitt 0,00081 1 Quadrat - Centimeter.

Ich will zunachst einige Versuche mittheilen, durch welche ich die Methode zu priifen beabsichtigte. Bei die- sen Versuchen befand sich die Capillare noch nicht inner- halb einer weiteren Rohre, sondern sie stak unmittelbar in dem Kautschukpfropfen der Flasche a, aus dem sie senkrecht in die Hohe ragte. An ihrem oberen Ende bing ein Thermometer.

Februar 19, 1872. Manometerstand 81,8'" 37,3 Barometer, auf Oo reducirt 75,61 75,61 Thermometer im Apparat 18,2O C. 18,O Thermometer draufsen 18,O 17,6 Beobachtungsdauer 10' 15' Gew. des ausgefloss. Wassers 85,20 grm. 57,44 Reibungscoefficient der Luft 0,000193' 0,000191.

Die Werthe des Reibungscogfficienten sind unter Vor- aussetzung des Poiseuille'schen Gesetzes, also auf Grund der Formel

berechnet. Dieselbe giebt das Volumen V der Luft an, welche wahrend der Zeit t durch eine Capillarrohre von der Lange L und dem Halbmesser R hindurchfliefst, wenn am Anfang und am Ende der Rohre der Druck p , und pI herrscht; das Volumen V ist gemessen gedacht unter dem in der Flasche stattfindeoden Drucke p , und bei der Tem- peratur, die es wahrend der Transpiration in der Rohre besafs.

Aus dieser Formel erhiilt man umgekehrt den Rei- bungscoefficienten

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welcher nach derselben leicht berechnet werden kann; il und nR2 sind oben angegeben; V aus dem Gewichte des ausgeflossenen Wassers durch Division durch das spec. Gewicht desselben zu berechnen; t ist die Beobachtungs- dauer, in Secunden ausgedriickt; endlich erhiilt man p, aus der Beobachtung des Barometers und die Druckdiffe- renz p , - p a aus der Ablesung des Manometers. Bei Be- rechnung dieser leteteren Grolsen ist zu beriicksichtigen, dafs der absolute Werth eines Druckes nicht mit der ent- sprechenden Druckhohe verwechselt werden darf ’) , hier um so weniger, da p , durch eine Quecksilbersaule, p, - p , durch eine Wasserhohe gemessen wird.

Nach diesen Hegeln sind die angegebenen Werthe des Reibungscoefficienten q aus den tibrigen direct beobach- teten Zahlen berechnet worden ; sie enthalten dieselhen Einheiten, die in den friiheren Abhandlungen gebraucht sind , Centimeter , Zeitsecunde und die Dichtigkeit des Wassers bei 4O.

Die beiden berechneten Werthe stimmen nicht allein unter einander vollig iiberein, worin wir eine Bestatigung der Formel erblicken diirfen, sondern ebenfalls mit dem friiher nach einer anderen Methode durch dieselbe Rohre gefundenen Werthe

der sich auf die Temperatur 23O,4 C. bezieht ’). 0,0001 95,

Zwei andere Versuche ergaben : Mirz 6. 1872.

Manometerstand 65,85 40,s Barometer, auf Oo red. 75,75 75,73 Thermometer im Apparat 9,75 995 Thermometer draufsen 10,5 10,2

ReibungscoBfficient 0,000192 0,000199.

Beobachtungsdauer 10 9’ 40” Gewicht des Wassers 68,57 39,15

1 ) Vergl. meine 4te Abhandlung in demselben Bande dieser Annalen

2) Versuch No. 13 der 4ten Abhandlung Seite 38. Seite 37.

14 *

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Hieran schliefse ich einige einzelne Versuche, zu dem die correspondirenden, die unter Erwarmung durch Dampf angestellt werden sollten , mifslangen, da das Dampfrohr zersprang.

Mai 16. Mai 10. Manometerstand 72,85 78,7 Barometer, 00 75,07 74,64 Thermometer im Apparat 19,4 18,O Therm. im Dampfrohr 19 18

Gewicht des Wassers 80,94 88,36 Temperatur d. Wassers 19,5 Rei bungsco&fficient 0,000180 0,0001 79.

Nachdem durch diese Beobachtungen die Brauchbar- keit der Methode bewiesen und der Grad ihrer Zuver- liiasigkeit gezeigt ist, theile ich die hber den Einflufs der Temperatur angestellten Versuche mit.

Anfangs versuchte ich den Apparat zu erwlrmen, in- dem ich das Zimmer sehr stark heizen liefs. Ich beob- achtete :

Beobachtungsdauer 10' 10

Februar 23. Manometer 73,6 Barometer, Oo 75,83 Therm. im App. 34,3 Therm. draufsen 38 Beobachtungszeit 10' Gewicht d. Wass. 73,13 Temp. desselben 27,9 ReibungscoSfficient 0,000201.

Dieser Werth der Reibung zeigt deutlich die bekannte Zunahme mit der Temperatur. Vergleiche ich ihn mit dern Mittelwerthe 0,000192 der beiden ersten bei 18" an- gestellten Beobachtungen , welche diesem Versuche dem Datum nach zunachst liegen, so berechne ich durch lineare Interpolation den Werth fiir Oo zu 0,000183 und fur eine beliebige Temperatur 6

0,000183 (1 + 0,0027 .a).

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Diese Bestimmung diirfte inders keine grofse Sicher- heit besitzen, da das Temperatur-Interval1 nur 18O betriigt.

Genauere Messungen des Einflusses der Temperatur sind jedenfalls durch Benutzung der Dampfrbhre zu er- warten. Bei den beiden ersten Beobachtungen fehlte noch dss in der Figur durch k bezeicbnete Rohr.

M i l 30. 1872.

erwarmt. erwarmt. Manometer 78,l 81,2 Barometer Oo 74,63 74,61 Therm. i. d. Flasche 10,9 13,2 Therm. i. d. Rbhre 100

Gewicht d. Wassers 87,96

Nicht Durch Dampf

Beobachtungsdauer 10' 12'

ReibungscoEfficient 0,000178 0,0002 11. 7 1,20

In Bezug auf die Berechnung der letzten Zahl ist nicht iiberfliissig, eine bereits in einer fraheren Abhandlung er- wahnte Vorsicht abermals hervorzuheben. Es ist niimlich in der obigen Formel das Volumen Y bei der Temperatur der Transpiration gemessen gedacht, also f b den 2ten Ver- such bei 1000. ImVersuche wurde es aber bei 13,2O ge- messen. Demnach ist eine Multiplication mit ')

1,3665 1 + 0,003665.13,2

erforderlich; durch denselben Factor ist bei der Berech- nung von q zu dividiren.

Stelle ich beide gefundenen Werthe 0,000178 fur 11° und 0,000211 fiir looo durch eine lineare Interpolation dar, so erhalte ich

7 = 0,000174 (1 + 0,0021 8). Gegen diese Bestimmung des CoZjfficienten 0,0021 liefse

sich noch der Einwand erheben, dafs bei dem zweiten Ver-

1) Ah AusdehnungscoGfficienten habe ich iiberall die von Magnue und R e gna ul t angegebenen Zahlen benutzt. Die klainen Verbeesernn- gen, deren diese nach F. Weber bediirfen, fallen hier nicht in's Gewicht.

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sucbe die Luft gar nicht, wie die Theorie verlangt, mit der Temperatur loo", sondern nur mit 110 in die Capillare eingetreten sey. Man konnte daraus vielleicht sogar foL gern wollen, die mittlere Temperatur in der Capillaren sey ebenfalls das Mittel aus lln und looo gewesen, woraus dann eine Verdoppelung des Co6fficienten 0,0021 nothwen- dig werden wiirde.

Urn diesen Einwand zu beseitigen, brachte ich die oben beschriebene und in der Figur dargestellte Einrichtung an. Vor der Capillaren i wurde eine weite R6hre k ein- geschaltet, welche ebenfalls im Dampfrohr lag, und in wel- cher die Luft vor dem Eintritt in die Capillare bereits auf die Siedhitze des Wassers erwiirmt wurde. Nun er- hielt ich folgende Zahlenwerthe :

Mai 19. Nicht erwiirmt. 'Erwiirmt.

Manometer 77,9 83,2 Barometer Oo 74,82 74,78 Therm. i. d. Flasche 20,8 24,3 Therm. i. d. Rohre 20 99

Gewicht d. Wassers 86,83 75,62 Temp. des Wassers 20,6 21,5

Aus beiden Werthen ergiebt sich die Interpolations-

Beobachtungsdauer 10' 12'

Reibungsco6fficient 0,000180 0,000212.

formel q = 0,0001 71 (1 + 0,0024 . 8) ,

in welcher der etwas grijisere Werth des CoBfficienten, 0,0024 statt 0,0021, in der That zii beweisen scheint, dafs bei jenem Versuche die Temperatur der Siedhitze nicht tiberall in der Capillarrtihre erreicht war.

Denselben CoEfficienten habe ich noch auf eine andere Weise mit demselben Apparate bestimmt. Setze ich zu- nachst den Apparat bei gewohnlicher Temperatur in Gang und lasse das Manometer zu seiner Gleichgewichtsstellung kommen ; erwsrme ich daranf, bei unverhderter Stellung des Abflufshahnes u, die Transpirationsrbhre durch Dampf,

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so wird der Stand des Manometers zu einer neuen Gleich- gewichtsstellung ansteigen. Denn ich vergriifsere durch die Erwarmung die Reibung, es striimt also weniger Luft ein, und die durch das Manometer angezeigte Evacuation wird zunehmen. Die Beobachtung dieser beiden Gleich- gewichtsstellungen des Manometers kann man benutzen, das Verhdtnirs beider Werthe der Reibung bei gewtihn- licher Temperatur und bei Siedhitze zu bestimmen.

Als ich versuchte, nach diesem verhderten Principe Beobachtungen anzustellen, stiefs ich auf eine friiher nie bemerkte Schwierigkeit , welche darin bestand, dafs der Abflufshahn u nicht so lange unverhdert blieb, wie die AusfIihrung des Versuches erforderte. Der kaum geiiff- nete Hahn , der das Wasser nur tropfenweise durchlassen durfte, verstopfte sich gar zu leicht. U m dieser Gefahr zu entgehen, lief8 ich das Wasser durch eine Capillar- riShre von solcher Lange, d d s sie die gewtinschte Verzo- gerung hervorbrachte, fliefsen und bffnete den Hahn ganz. Den ausgeftihrten Versucb theile ich in allen Einzelhei- ten mit.

Der Apparat wurde um 9 Uhr in Gang gesetzt; la 20’ 0” das Flllschchen untergestellt ; la 36’ lof sind 100 CC. ausgeflossen,

also Dauer 16’ 10” = 970”. Von lh40’ an durch Dampf erwkmt;

6b 12’ 0” das Fliischchen untergestellt; 6b 30’ 29” sind 100 CC. ausgeflossen,

also Dauer 18’ 29” = 1109”. Abgelesen wurde :

la 20’ la 36’ 6h 12’ 6h 30’

Manometer 55,67 55,64 73,86 73,63

Thermometer 21,6OC 21,6 24,7 24,7

Formel

Scale des Rohrs s 79,65”” 79,45 55,9 55,75

Barometer Oo 74,71 74,75

Die zur Berechnung des Reibungsco6fficienten dienende

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setzt denselben der Zeitdauer t und der Druckdifferenz p , - y2 proportional. Diese beiden Elemente sind als die allein veranderlichen aufzufassen. Streng genommen an- derte sich auch p 2 , der Druck im Innern der Flasche. Doch darf diese Aenderung unberiicksichtigt bleiben, weil die Druckdifferenz p, - pl, die das Manometer durch die Hohe einer Wassersaule mifst, sehr klein ist im Verhklt- nifs zum Drucke p,, den das Barometer durch eine Queck- silbers%ule angiebt. Demnach geniigt es, das Verhiltnifs der beiden Werthe des Reibungsco6fficienten gleich dem aus den Werthen jener beiden Elemente gebildeten zu setzen; jedoch ist dabei die Correction nicht zu vergessen, durch welche das Volumen V auf die Temperatur von 1000 statt 24,7 gebracht wird. Man hat also

7 (looo) - 7 7 5 1109 1 f 24,7. u 7 (21,6O) - 55,65 970 * 1 + 100. u '

wo a=O,003665 zu setzen ist, oder q (100') = 1,21 .?I (21,6O).

Nehme ich nun an, dafs q sich linear mit der Tem- peratur 9. verandere,

so ergiebt sich aus der soeben berechneten Verhaltnifs- zahl der Temperaturcoijfficient

P = 0,0028, also ein Werth, welcher dem von M a x w e l l gefundenen 0,00365 zwar niiher als die friiher angegebenen liegt, je- doch diese Zahl bei weitem nicht erreicht.

Die angefiihrten Beobachtungszahlen geniigen aber nicht blofs zur Berechnung dieses Verhtiltnisses, sondern auch zur Berechnung des absoluten Werthes des Reibungs- co8fficienten, wenn auch etwas weniger genau als aus den friiheren Versuchen.

q = 0,000179 bei 21,6O, q = 0,000218 bei looo, q = 0,000170 bei Oo.

0 = P (1 + Pa),

Ich finde nach derselben Formel

und daraus

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6. 2. Zweiter Apparat.

Aufser den bis jetzt mitgetheilten Beobachtungen habe ich noch eine weitere Reihe von Versuchen nach einer iihnlichen Methode mit einem anderen Apparate ange- stellt, welcher in Fig. 3 Taf. I ebenfalls in zehnfach ver- kleinertem Maafse dargestellt ist. lch construirte den- selben, da ich noch eine sehr viel engere Rbhre dem Experimente zu unterwerfen wiinschte, und zwar, urn rnit grofserer Strenge, ale es in der vorigen Abhandlung ge- schehen, die Frage zu entscheiden, ob neben der inneren Reibung der Luft auch eine aufsere am Glase angenom- men werden miisse.

Hiermit hlingt ein anderes Bedenken zusammen, das ich schon fruher bei einer anderen Gelegenheit ausgespro- chen habe. Ich hielt narnlich far mbglich, dafs jene au- fsere Reibung nach einem anderen Gesetze mit der Tem- peratur zunehmen mbge als die innere. Durch ein sol- ches Verhaltnifs wurde der Widerspruch meiner Versuche mit denen Maxwel l ’ s eine einfache Lbsung finden. Es liegt nahe, diese Hypothese durch Experimente mit einer sehr viel engeren Rohre, bei der die iiufsere Reibung stiirker hervortritt , zu prtifen.

Als ich aber die zu diesen Beobachtungen bestimmte Rbhre in den oben beschriebenen Apparat einsetzte, zeigte sie einen so grofsen Reibungswiderstand, dafs jeder in der bisherigen Weise angestellte Versuch einige Stunden gedauert haben wurde. Wenn es nun auch gelange, den Druck wlihrend einer so langen Zeit constant zu erhalten, so wiirde sich doch die Temperatur erheblich verandern, gegen d q e n Schwankungen der Apparat ebenso empfiud- lich ist , wie ein Luftthermometer.

Ich war also, urn die Transpiration zu beschleunigen, gezwungen , gr6fsere Druakdifferenzen anzuwenden , und mdste , urn dies EU kbnnen, den mit Wasser gefullten Apparat gegen einen mit Quecksilber gefiillten vertau- schen , den ich in folgender Weise zusammensetzte.

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218

Die Transpirationsrohre a liegt , mit einer weiteren Rbhre p verbunden, ganz ebenso wie bei dem ersten Ap- parat in einer weiten aus Zinkblech gefertigten Rohre, durch welche mittelst der Rohren y und 6 Wasserdampf hindurchgeleitet werden kann ; ebenfalls steckt wie friiher ein Thermometer E in der Dampfrohre.

Die Luft, welche zuerst durch /I und dann durch a gestromt ist , tritt in ein Rohr gewohnlicher Weite, das an eine andere horizontal liegende Glasrbhre 5 seitlich an- geschmolzen ist. Von dieser Rohre fnhrt ein Hahn 1 zur LuRpumpe. An die Rohre 5 sind noch einige andere Rohren seitlich angeschmolzen ; eine nach oben gerichtete enthiilt ein luftdicht eingekittetes Thermometer 3 ; eine andere fuhrt zu dem mit Quecksilber gefiillten Manome- ter 1. Die dritte endlich, die ich spiiter durch eine Pi- pette x ersetzte, steht durch einen starkwandigen Gummi- schlauch mit einem mit Quecksilber gefullten Glasrohr I in Verbindung. Das letztere hangt an einer senkrecht gespannten, oben und unten iiber Rollen gefiihrten Schnur, mittelst deren es auf und ab bewegt werden kann.

Durch diese einfache Vorrichtung ist es mbglich, den Luftdruck im Innern des Apparats beliebig zu regeln, ins- besondere ihn constant zu erhalten. Wird nsmlich z. B. L gesenkt, so wird das Quecksilber auch in x sinken, folg- lich der Druck vermindert werden und demnach das Queck- silber in dem geschlossenen Schenkel des Manometers steigen. Stromt nun gleichzeitig durch die Capillare a in den ausgepumpten Apparat Luft ein, wodurch das Mano- meter sinken wiirde, so kann man die Schnelligkeit, mit der die Rohre L gesenkt wird, so einrichten, dafs der Luftdruck constant bleibt. Aehnlich ist ea dur& Hebung von I zu erreichen, dafs, wenn in dem Apparate Luft comprimirt war, welche durch die Capillare a ausstrcmt, der vom Manometer angezeigte Ueberdruck unverlndert bleibt.

Bei den nach diesem Principe unter gleich bleibendem Drucke angestellten Versuchen bezog sich die Beobach-

Page 17: Ueber die innere Reibung der Gase

219

tung einerseita auf die Ablesung des constant gehaltenen Manometerdruckes, andererseits auf die Messung der Zeit, welche erforderlich war, dafs das Quecksilber in der Rohre x von einer Marke p bis zu einer anderen v her- absank oder umgekehrt von v bis p stieg.

Der Raum zwischen diesen beiden Marken fafste bei der einfachen Rijbre , welche bei den ersten Versuchen verwandt wurde , 6 7 ~ 3 Grm. Quecksilber, dagegen nach- dem statt dieser die Pipette angeschmolzen worden war, 438,99 Grm. Quecksilber von 21,8"C. Nimmt man nach Regnau l t ' s Angabe die Dichtigkeit des Quecksilbers bei dieser Temperatur zu 13,544 an, so ergeben sich die Werthe des Volumens

der ersten Rbhre Y = 4,96 CC. der Pipette V = 32,41 CC.

Ebenfalls wurde mit Quecksilber der innere Querschnitt der Transpirationsrohre ausgemessen. Ein Quecksilber- faden von 0,123 Grm. Gewicht beads, an zwei verscbie- denen Stellen der Riihre, eine Llinge von 267,8 und von 270,8. pariser Linien. Man erhiilt daraus den mittleren Querschnitt

n R" = 0,00015 Quadratcentimeter.

L = 86,5 cm. ; Die Lisnge derselben Riihre betrug Anfangs

spater verkiirzte ich sie auf 65,7cm.

drei Versuche an. Zur Prufung des Apparates stellte ich zuerst folgende

V = 4,96; ?. = 86,5. Barometer (nicht red.) 74,80 = p,.

Temperatur 20,6" C. Manometer. Zeitdauer. Reibnngscoefficient.

t = 75" p , - p , = 52,5 cm. 17 = 0,000 188 45,O 90 196 31,9 162 192.

Die berechneten Werthe des ReibungscoEfficienten stim- men ziemlich gut unter einander und mit den bereits be- kannten Werthen tiberein.

Page 18: Ueber die innere Reibung der Gase

220

Vie1 genauer sind folgende Bestimmungen : V = 32,41; I = 65,7.

Thermometer

d. Bar. lim App.lim Rohr Mano- meter

Rei- bungs- coeff.

292” 767 785 313

7534 19,4 20,l 20,6

75,82 19,6 20,7 20,5

verdiinnt verdichtet

verdiinut n

Nieht erwarmt.

52,6 55,6

51,25 54,25

21,5 22,o 22,o 22,o

Dureh Dampf erwarmt.

450 1 75,77 I X$ I 25,5 1159 75,77 26,2

0,000182 187 187 182

verdiinnt verdichtet

100 0,000223 1 227 51,25 54,25

Die erhaltenen Zahlenwerthe der Reibung zeigen nur sehr geringe Abweichungen von einander, welche auf den ersten Blick den Anschein erwecken, als sey die Reibungs- constante in geringem Grade mit dem Drucke verhder- lich. Dies ist in der That nicht unmiiglich; ebenso wohl aber kann die geringe Veranderlichkeit eine Folge der Temperaturschwankungen seyn, wenn sie nicht einfach in zufalligen Fehlern begriindet liegt:

Indem ich das letztere annehme, ziehe ich einfach aus obigen Zahlen die Mittelwerthe und erhalte

p = 0,000184 fur 20,5O; 4 = 0,000225 fur looo.

Hieraus habe ich die Interpolationsformel 9 = 0,000174 (1 + 0,0030 . 3 )

berechnet. Was zungchst den absoluten Werth dieser Griifse be-

trifft, so erkennt man durch Vergleichung des fiir Oo giil- tigen 0,000174 mit den durch den ersten Apparat gefun- denen Zahlen , welche zwischen 0,000170 und 0,000175 schwanken, dak er mit jenen identisch ist. Beide Appa- rate liefern also dasselbe Resultat. Ebenso fand ich auch in meiner 4ten Abhandlung nach einer anderen Methode fir Oo den Werth 0,000168.

Page 19: Ueber die innere Reibung der Gase

221

Dies ist eine schijne Bestatigung des Poiseui l le’schen Gesetzes, und zugleich wird dadurch der Beweis seiner Galtigkeit bis auf weitere Granzen ausgedehnt. In meiner vorigen Abhandlung habe ich es fir Riihren bewiesen, de- ren Querschnitt grijfser als 0,0008 und kleiner als 0,0016 Quadratcentimeter ist. Es erweist sich jetzt such bei ei- ner Rbhre, deren Querschnitt 0,00015~cm 10 ma1 kleiner als der der weitesten jener Rohren ist, noch als giiltig.

Diese Uebereinstimmung der Werthe des Reibungs- cosfficienten, wie sie aus Beobachtungen mit Rijhren ver- schiedener Weite hergeleitet sind, erlaubt mit grofserer Strenge, als in der letzten Abhandlung, den Schlufs zu ziehen, dafs in das Poiseui l le ’sche Gesetz auker dem ReibungscoEfficienten 7 kein GleitungscoEfficient 5 in der Verbindung

t + 4 5 R-1

aufzunehmen ist , dafs vielmehr letzterer CoEfficient j = 0 ist. Denn da bei der Gesammtheit der Versuche der Querschnitt im Verhtiltnisse von 1 : 10, folglich der Ra- dius R im Verhaltnisse von 1 : 3 variirt, so miifste sich diese Verhderlichkeit in den Werthen von zu erkennen geben.

Betrachten wir aber zweitene den Temperaturcoefficien- ten, wie er sich durch die Beobachtungen rnit dem zwei- ten Apparate ergeben hat, 0,0030, und vergleichen wir ihn mit den mit dem ersten Apparate ausgefiihrten Bestim- mungen, 0,0024 nach der ersten, 0,0028 nach der zweiten Methode : so zeigen sie eine ziemliche Uebereinstimmung unter einander. Freilich lakt sich nicht Iaugnen, dafs meine Versuche in dieser Hinsicht noch zu wiinschen tibrig lassen. Darin aber stimmen alle tiberein, dafs sie erheblich kleinere Werthe liefern, als M a x w el 1 ihn ge- funden hat, 0,00365, und dak sie dem von der Theorie geforderten halb so grofsen Werthe erheblich naher kommen.

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222

9. 3. Maxwell's Me t h ode.

Aus diesem Grunde entschlofs ich mich, Maxwel l ' s Methode einer nochmaligen Priifung zu unterwerfen und seine Beobachtungen uber den Einflufs der Temperatur auf die Luftreibung zu wiederholen.

Ich benutzte dazu denselben Apparat, der zur Aus- fuhrung meiner ersten Arbeit ') gedient hatte, und den ich spiiter schon einmal zu Versuchen nach Maxwel l ' s Methode, welche in meiner dritten Abhandlung ') mitge- theilt sind, benutzt habe. Ich verwandte aber zu den neuen Versuchen nicht wieder die kleineren Glasscheiben von ungefahr 15"" Durchmesser, sondern die grbfseren Messingscheiben von 2OCm Durchmesser, welche den ange- naherten Voraussetzungen der M a x w ell'schen Theorie besser entsprechen.

Da der Apparat bereits auf der Tafel 11 des 125sten Bandes dieser Annalen in seinen einzelnen Theilen abge- bildet und in demselben Bande beschrieben ist, so wird fur jetzt die kleine Skizze in Fig. 4, T a t I dieses Randes geniigen, von der Anordnung eine allgemeine Anschauung zu geben.

An zwei feinen, etwa 1: Meter langen Metalldriihten hangen, durch eine, mit einem Spiegel versehene, senk- rechte Axe verbunden , die genannten 3 Messingscheiben, horizontal liber einander. Ueber , zwischen und unter ihnen stehen, durch drei Saulchen getragen, vier in der Mitte durchbohrte Glasscheiben von 24 bis 25'" Durchmesser. Dieses System von 7 Scheiben erscheint in der Zeichnung als ein System von elenso vielen dicht uber einander ge- zogenen Linien.

Um diesen Apparat vor Erschiltterungen mbglichst zu sichern, ist er nicht in der friiheren Weise aufgestellt; sondern es ist einerseits der Theil, an welchem die Driihte hangen, an einem an der Wand befestigten starken Holz- klotee angebracht ; andrerseits sind die Saulen, von denen

1 ) Diese Annalen Band 125. 2 ) Diese Annalen Band 143.

Page 21: Ueber die innere Reibung der Gase

223

die Glasplatten getragen werden , in eine schwere Platte aus Glimmerschiefer eingeschraubt , welche ebenfalls auf starken in die Wand eingelassenen Triigern ruht.

Um ferner diesen Apparat erwiirmen zu khnen, wurde er mit einem, aus zwei Hlilften zusammengesetzten Cylin- der iiberdeckt , zwischen dessen doppelten Wandungen Dampf hindurchgeleitet wurde. Von unten her war eine Erwarmung nicht wohl thunlich, ohne der Stabilitat des Apparates zu schaden. Ich begniigte mich defshalb da- mit, auf die Schieferplatte eine starke Filzlage zu legen, auf welcher der cylindrische Mantel ruhte, und auch die- sen oben mit Filz zu bedecken. Der iiber den Deckel des Cylinders hervorragende Spiegel wurde durch ein vorn offenes Pappkiistchen vor Luftstromungen geschiitzt. Die Temperatur im Innern des Apparates bestimmten drei in verschiedener Richtung hineingesteckte Thermometer, eins iiber, eins unter, ein drittes in der Hohe der Scheiben. Da alle drei in ihren Angaben erheblich dserirten, so habe ich das mittlere als das mafsgebende angesehen.

Mit diesem Apparate habe ich folgende vier Beobach- tungsreihen uber die Abnahme der Schwingungen, welche die drei Messingscheiben um ihre verticale Axe ausfiihrten, angestellt.

1. Die drei Messingscheiben, von einander getrennt zwischen den vier Glasscheiben in 3"" Entfernung von denselben.

a. Nicht erwiirmt. Barometer . . . . . 75,32. Temperatur desselben . 18O,6. Temperatur des Apparata 18O,8.

Amplitude logar. Decr. 45971" 37767 0,08537 31105 8482 25576 8488 21032 8490 17316 8481 14224 8491

Mittel : 0,08489 beob. Schwingungszeit : 26",83.

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224

b. Dampf durchgeleitet.

Barometer . . . . . 75,25. Temperatur desselben . 19,5. Oberes Thermometer . 91,O. Mittleres Thermometer . 82,5. Unteres Thermometer . 75,8.

Amplitude. logar. Decr. 47222" 37519 0,09990 29854 9957 23785 9947 19003 9888 15175 9860 12165 9817

Mittel : 0,09833 beob. Schwingungszeit : 26",80.

2. Die drei Messingscheiben liegen dicht auf einan- der und hangen zwischen zwei festen Glasscheiben in 3""' Entfernung von denselben.

a. Nicht erwarmt. Barometer . . . . . 75,48. Temperatur desselben . 18,O. Temperatur des Apparats 19,l.

Amplitude. logar. Decr. 477 18" 38904 0,08860 31738 8850 25897 8845 21125 8845 17252 8835 14090 8828

Mittel: 0,08839 beob. Schwiiigungszeit : 26",82.

Page 23: Ueber die innere Reibung der Gase

225

b. Dmpf dnrchgeleitet.

Barometer . . . . . 75,40. Temperatur desselben . 20,4. Oberes Thermometer . . 90,O. Mittleres Thermometer . 81,2. Unteres Thermometer . 76,O.

Amplitude logar. Decr. 47962j 37888 0,10240

23239 0,10489 18329 0,10444 14210 0,10566 11604 0,10271

Mittel: 0,10396 beob. Schwingungszeit : 26",85.

29997 0,1019 1

Zu diesen Tabellen ist zu bemerken, d d s die Able- sungen des Barometers nicht auf Oo reducirt sind; die Temperaturangaben beziehen sich auf das 100 theilige Ther- mometer.

Die angegebenen Werthe der Amplituden sind aus den Spiegelablesungen berechnet und in Secunden angegeben. Es sind nicht alle Schwingungen beobachtet worden, son- dern bei den ersten Beobachtungen nur jede 12te, bei den beiden letzten jede 36ste. Die logarithmischen De- cremente sind also noch durch diese Zahlen zu dividiren; ihre Werthe, die sich auf Br iggs ' s che Logarithmen be- ziehen , sind nach den friiher gebrauchten Rechnungsme- thoden gefunden worden.

Aus je zwei bei der gleichen Temperatur beobachteten Werthen des logarithmischen Decrements lafst sich nach Formeln der Maxwell ' schen Theorie, welche ich in mei- ner dritten Abhandlung angefhhrt babe, der Werth der Reibungsconstante far diese Temperatur herleiten. Zu- gleich findet man denjenigen Theil k dieser Decremente, welcher nicht von der Reibung der LuR an den Scheiben,

Poggendorff's A n d . Bd. CXLVIII. 15

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226

sondern von anderen Widerstanden herrtihrt, die der Ap- parat erleidet. Ich habe berechnet :

a. fir 19O: 11 = 0,000199, k = 0,00174;

17 = 0,000228, k = 0,00281.

Die Grbfse k versteht sich fur das Interval1 von 12 Schwin- gungen in 8 r i g gs ' schen Logarithmen.

F a r den Reibungscoefficienten erhzlt man aus diesen beiden Werthen die Interpolationsformel :

11 = 0,000190 (1 + 0,0025 . a), welche den Coefficienten 0,0025 enthiilt, der mit meinen iibrigen Bestimmungen in recht guter, dagegen mit Max- we 11's Angabe durchaus nicht in Uebereinstimmung ist.

Ehe wir indefs diesen Werth als richtig annehmen, sind die beiden Werthe von k noch zu untersuchen, welche einen auffallend grofsen Unterschied zeigen. Vielleicht er- klart sich dieses VerhaltniQ ganz naturgemiif's durch die grofsere Reibung der Lufi am Spiegel bei 82O, als bei 19O. Es bedtirfte indefs nur der Annahme von nicht sehr betriichtlichen Fehlern in den Zahlenwerthen der Decre- mente, urn beide Werthe von k zur volligen Ueberein- stimmung zu bringen. Nahme man namlich statt der obigen Werthe :

0,08489 0,09833 0,08839 0,10396 an :

0,08436 0,09886 0,08892 0,10341, so wiirde man

k = 0,00227 und

q = 0,000231 far 82O, 11 = 0,000196 fir 1 9 O

erhalten , und schliefslich die Interpolationsforme! : q = 0,000186 (1 + 0,0030. a),

welche ebenfalls meinen tibrigen Bestimmungen sich gut anschliefst, der Maxwel l ' when aber nicht so gut.

b. fir 82O:

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227

Nach dieser Uebereinstimmung aller meiner Beobach- tungen unter einander kann kein Zweifel dariiber bestehen bleiben, dafs die Maxwel l ' sche Bestimmung dea Tem- peratur -Co5fficienten der Luftreibung = 0,00365, d. h. gleich dem AusdehnungscoiSfficienten der Luft ungenau ist.

Der Fehler, der der Bestimmung M a x w e l l ' s anhaf- tet, kann nach meiner Auffassung mehr als eine Ursache gehabt haben. Die wahrscheinlichste Veranlassung scheint mir die geweseu zu seyn, dafs die Temperatur des durch Wasserdampf erwarmten Apparats von M a x wel l unge- nau bestimmt worden ist.

Er erwtlrmte seinen Apparat von unten und mafs die Temperatur durch ein iiber den Scheiben angebrachtes Thermometer, das, nach den oben mitgetheilten Erfahrun- gen zu schliefsen, etwa 5 bis 7 O zu niedrig gezeigt haben mag. Die von ihm abgelesene Temperatur betrug 185" F. =84OC. Diese Beobachtung vergleicbt er mit einer an- dern bei 51°F. = 10:OC.; das Interval1 betragt also 73a0. Nehme ich statt dessen 80° an, so wiirde diefs den M a x - well'schen Werth 0,00365 um seinen lOten Theil, also bis auf 0,0033 verkleinern, wodurch er meinen Zahlen schon recht nahe klime.

Zu diesem von M a x w e l l begangenen Fehler mag ein zweiter gekommen seyn. Seine Art der Aufhilngung si- cherte ihn nicht davor, dafs a i d der zur Aufhangung verwandte Draht sich erwarmte. Derselbe wird sich also .verlilngert, und die drei Scheiben werden sich gesenkt haben. Dadurch haben sie sich aus der Mitte zwischen den vier feststehenden Scheiben entfernt, und diese Ver- schiebung vergrtifsert den Einflufs der Reibung. So ist es also moglich, dafs M a x w e l l eine zu starke Erhohung der Reibung durch die Wiirme beobachtete.

Bus diesen Griinden halte ich den von M a x w e l l an- genommenen Werth des Temperatur -Cogfficienten fiir zu grofs. Freilich darf ich auch fiir meine Versuche nicht beanspruchen, jenen Coefficienten mit einer solchen Si- cherheit bestimmt zu haben, wie ich sie wegen seiner gro-

15 *

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228

hen Bedeutung fiir die dynamische Theorie der Gase zu erreichen gewtinscht hlltte. Das aber glaube ich als fest- gestellt ansehen zu diirfen, dafs der wahre Werth des Coefficienten etwa in der Mitte zwischen dem theoretisch vorausberecbneten nnd dem von M a x w e 11 bestimmten liegt , also ungeBhr des Ausdehnungscoiifficienten be- trligt.

5. 4. Bemerkungen zur dynamischen Theorio der Cfase.

Nachdem somit durch alle Versuche iibereinstimmend festgestellt worden ist , dafs der TemperaturcoGfficient er- heblich grofser ist, als wir nach der dynamischen Theorie der Gase zu erwarten uns berechtigt glaubten, so erhebt sich die Frage, ob nach diesem Resulkit jene Theorie zu verwerfen oder wenigstens zu modificiren seyn wird.

M a x w e l l ') hat diese Frage bejaht und an die Stelle seiner iilteren Theorie eine neue gesetzt, welche von einer etwas anderen Hypothese ausgeht. Die Iltere Hypothese, welche auch jetzt wohl noch fast allgemein ftir richtig gehalten wird , besteht darin , dafs zwei Gasmolekeln nur dann auf einander Krlifte ausfiben sollen, - nattirlich ab- gesehen von der Anziehung der allgerneinen Gravitation - wenn sie in unmittelbare Beriihrung oder wenigstens in eine unmefsbar geringe Entfernung von einander gerathen. Tritt dieser Fall ein, so verhalten sich nach der Hypothese die Molekeln wie zwei einander stofseiide elastische Ku- geln; sie fahren in Richtungen und mit Geschwindigkeiten wieder auseinander , welche nach denselben Regeln , wie beim elastischen Stoke zu bestimmen sind.

Dime Hypothese hat M a x w e l l aufgegeben und statt jener nur beim Zusammenstofse wirksamen KriiRe noch unbekannter Natur eine in jeder Entfernung wirkende Abstofsung swischen den Gasmolekeln, welche er der funf- ten Potens der Entfernung umgekehrt proportional setzt, angenommen.

M a x w e l l ntihert sich durch diese Hypothese der 51- teren Anschauung , welche den Grund der Expansivkraft 1) Phil. mug. (4) Bd. 35, 1868.

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229

eines Gases in einer gegenseitigen Abstofsung der kleinsten Theilchen des Gases suchte. Seiner neuen Theorie stellen sich daher auch dieselben Schwierigkeiten entgegen, welche die Veranlassung waren, jene Anschauungen aufzugeben und die dynamische Theorie der Gase anzunehmen.

Eine dieser Schwierigkeiten, welche kiirzlich auch schon von S t e f a n ') hervorgehoben worden ist, besteht darin, dafs die Annahme einer fernwirkenden Abstofsung den Beobachtungen von J o u l e und T h om s o n ') widerspricht. Nach ihren Messungen dejenigen Temperaturanderungen, welche die Drucksnderungen eines Gases begleiten, sind wir gezwungen , zwischen Gasmolekeln ansiehende, nicht aktorsende Fernwirkung anzunehmen.

Vielleicht ist diese Schwierigkeit nicht unfiberwindlich, indem die Ausrede bleibt, dafs bei den mittleren Entfer- nungen der Gasmolekeln die Gravitation fiber jene, nach der umgekehrten funRen Potenz wirkende Abstofsung iiber- wiege , wlhrend bei kleineren Abstanden die Abstofsung grbfser sey als die Anziehung. Wenn aber das letztere der Fall ist, wie kann man sich dann vorstellen, dafs ein Gae eine solche Cohiiaion besitzt, dafs es sich zu einer FlUssigkeit verdichten last und selbst als fester Schnee bestehen kann ? Es bliebe nur iibrig, die Molekeln als wandelbar, die Verdichtung eines Gases als chemische Zer- setzung und Verbindung aufzufassen.

Aus diesen Griinden kann ich mich nicht zu der An- sicht M ax w e 11 's bekennen , ganz abgesehen davon , dafs ich statt des von ihm angenommenen Gesetzes einer Ab- stofsung im umgekehrten Verhaltnisse der funRen Potenz nach meinen Beobachtungen eine solche nach der neun- ten Potenz der Entfernung annehmen mtifste. Ich sehe aber auch weder in Maxwel l ' s noch in meinen Beob- achtungen den geringsten Grund, der uns zu einer so tief einschneidenden Umgestaltung - wenn nicht Verunstal-

1) Ueber die dynamieche Theorie der Difieion der Gase. Sitznngeber. d. Wiener Akad.; Bd. 65, Abth. 2, Aprilheft 1872.

2 ) PAiL !?'r. Bd. 143, 1853 nnd Bd. 144, 1854.

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230

tung - zwlnge, wie sie M a x w e l l mit seiner dteren Theorie vornahm, a l s er die neue aufstellte.

Schon bei der ersten Publication nieiner, der iilteren M a x w e 11 'schen Theorie folgenden theoretischen Berech- nung der Reibung habe ich hervorgehoben'), dafs uber- haupt nur eine angenaherte Bestatigung des theoretisch gefundenen Gesetzes durch die Beobachtung zu erwarten sey, da die Theorie nicht alle wichtigen Umstiinde beriick- sichtige. Nach Ausfiihrung meiner jetzigen Beobachtungen habe ich mir iiber die Ursache der gefundenen Abweichun- gen eine Ansicht gebildet, welche mit der von S t e f a n ausgesprochenen in mehreren wesentlichen Punkten zu- sammenfallt.

Die dynamische Theorie der Gase erklart den Druck eines Gases bekanntlich durch die lebendige Kraft der in Folge der molecularen Geschwindigkeit gegen die Wand stofsenden Theilchen. Diese Erklarung mhrt zu der von K r i i n i g 2, und C l a u s i u s ') aufgestellten Formel

in welcher p den Druck des Gases, {J seine Dichtigkeit und endlich ti' den mittleren Werth des Quadrats der Ge- schwindigkeit der Gasmolekeln bedeutet. Eine andere Form ist in der von mir friiher aufgestellten Formel ')

8

P = d eu2,

x p=--(,51=

enthalten, in welcher $2 den Mittelwerth der molecularen Geschwindigkeit selber bezeichnet , der von dem Mittel- werthe u wohl zu unterscheiden ist ".

Diese Forrneln enthalten das B o yl e - M a r i o t t e'sche Gesetz und fiihren zii dem Schlusse, dafs das Quadrat der mittleren Geschwindigkeit oder auch der Mittelwerth des Quadrats der Geschwindigkeit der sogenannten abso- luten Temperatur proportional sey.

1 ) Erste Abhandlung. 2 ) Diese Ann. Bd. 99. 1856. 3) Diem Ann. Bd. 100. 1857. 4 ) Dc gasorurn theoria. Vrafishvias 1866. 5 ) Vgl. die Definition YOU C laus ius in diesen Ann. Bd 100, S 372,

und meine Note, Ann. Chem. Pharm. 5. Sappl. Bd. S. 131.

Diese Ann. Bd. 185, S. 598.

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231

Fiir den Reibungscogfficienten q liefert dieselbe Theorie nach Maxwell 's 1) erster, dann auch nach meiner ') iind von Lang'sS) Berechnung den Werth

wenn die Geschwindigkeit u aller Theilchen gleich vor- ausgesetzt wird; I ist die mittlere Lange eines zwischen zwei ZusammenstBCsen von einem Theilchen zuriickgeleg- ten Weges, welche unter derselben Voraussetzung nach Claus ius 9

1 = ; Q u l ,

zu setzen ist. Hierin ist ha derjenige kleine Raum, in welchem sich im Mittel nur eine einzige Gasmolekel be- fbdet; s ist der Abstand der Schwerpunkte zweier Mole- keln im Momente des Zusammenstofses. Statt jener For- me1 fiir q iet, wenn man die ungenaue Vorstellung glei- cber Geschwindigkeiten fallen l&fst, nach S t e f a n 6, strenger

zu setzen; man mufs aber dann zugleich nach Maxwell'a ') und meiner Berechnung ')

annehmen. Dies sind die Formeln, aus denen Maxwell und ich

glaubten schlieben zu miissen, dafs der Reibungsco5fficient 0 der Quadratwu;zel aus der absoluten Temperatur proportio- nal sich mit der Temperatur verhdern werde. Wir nahmen also an, dafs 11 sich nur insofern mit der Temperatur iindere, als die Geschwindigkeit u oder 2 von derselben abhinge;

,

1) Phil. mag. Bd. 19. 1860. 2) Diem Ann. Bd. 125, 8. 586. 1865. 3) Wiener Gitzungeber. Bd. 64, 2te Abbth. 1871. 4) Dieee Ann. Bd. 105, 1858. 5) In der erwiihnten Abhandlang Wiener Sitrangiber. Bd. 65, 1872. 6) Phil. mag. (4) Bd. 19, 1860. 7) Ds gcuorum thaoria.

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232

die WeglHnge 1 aber sahen wir als unabhhngig von der Temperatur an.

Letztere Ansicht , die wir aus den angegebenen For- meln schopften, ist aber nicht unbedenklich richtig. Frei- lich ist il selbstversthdlich von der Temperatur unabhiin- gig, und s wiirde es ebenfalls seyn , wenn die Molekeln wirklich dasselbe wiiren, wie ein oft gebrauchtes Bild dea wirklichen Vorganges, niimlich elastische Kugeln. Da sie dies aber g e a s nicht sind, so haben wir zu untersuchen, ob eine Verlinderlichkeit jener Grofse s denkbar ist, wel- che sich mit der Erfahrung tiber die Reibung q vertragt.

Ich nehme, wie es aus den mitgetheilten Beobachtungen hervorgeht, an, dafs q sich proportional der Grofse

veriindere, wo n grofser als a und kleiner als 1 ist. Dies heifst mit anderen Worten, dafs 1) sich mit der Tempera- tur rascher als u oder $2 verandere. Dann folgt, dafs die Weglcinge I ebenfalls mit der Temperatur wachse; dies sieht nicht auffallend aus, die Liinge des zurtickgelegten Weges sol1 mit der Geschwindigkeit zunehmen.

Es folgt aber weiter, dafs s mif ujachsendem u ab- nehme. Dieser Schlufs kann auf den ersten Bliok sehr unwahrscheinlich erscheinen. Denn der Abstand iz der Mittelpun kte zweier zusammenstofsenden Molekeln ist, wenii auch nicht geradezu rnit dem Durchmesser eines solchen identisch , so doch jedenfalls eine Grofse , welche zu diesem Durchmesser in einer eiiifachen Beziehung steht.

Der Durchmesser einer Molekel aber nirnmt ohne Zwei- fel- mit steigeiider Temperatur BU, nicht ab. Denn eine Molekel habcn wir uns aus chemischen Griinden als zu- sammengesetzt aus mehreren Atomen vorzustellen. Diese Atome trennen sich zwar nicht von einander, aber, iihn- lich wie ein Planetensystem, bewegen sich die Glieder des Systems von Atomen, das wir eiue Molekel nennen, urn und neben einander. Dabei nimmt das System als Gan- zes an der fortschreitenden, hin und her fahrenden Bewe- gung der Molekeln Theil. Steigert sich durch Wlrmezu-

(1 +a$).

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fuhr die Geschwindigkeit dieser molecularen Bewegung, so steigt die lebendige Kraft der Bewegungen, welche die Atome innerhalb einer Molekel jedes fir sich ausfuhren, in demselben Verhaltnifs wie die lebendige Kraft der Mo- lekeln .I). Durch eine solche Steigerung der Geschwindig- keiten der einzelnen Atome wird zugleich die L b g e ihrer Bahnen wachsen ; weiter wird hierdurch , sowie in Folge der vermehrten Centrifugalkraft etwaiger Rotationen die rliumliche Ausdehnung der Molekel mit der Temperatur zunehmen.

Wenn trotzdem der Abstand s, in welchem sich die Mittelpunkte zweier Molekeln beim Zusarnmenstofsen be- finden, mit steigender Temperatur abnehmen 8011, SO sieht das wie ein Rridersproch aus. Es ist aber nur ein schein- barer Widerspruch. Denn bedenkt man, dafs die erhahte Temperatur, indem sie die Molekeln ausdehnt, den Zu- sammenhang ihrer Theile lockert, so ist leicht einzusehen, dafs zwei Molckeln oder Atomsysteme, welche zusammen- s to len , tiefer in einander eindringen werden, j e weiteren Zwischenraum ihre Beetandtheile bieten. Die Entfernung der Mittelpunkte wird also kleiner , wenn die Temperatur gesteigert wird.

Ich glaube durch diese Speculation die Sache einfach erkliirt zu haben, so dafs es nicht nathig erscheinen wird, mit M a x w e l l die alte Theorie zu verwerfen und eine neue aufzustellen. Ich glaube auch eine einfachere Erklilrung gegeben zu haben, ale S t e f a n , welcher Aetherhiillen der Gastheilchen zu Htilfe nimmt.

Wenn aber diese meine Erklarung richtig ist, so ist sie nur ein neuer Beleg far die Wahrheit der mehrfach von C 1 a u s i u s ausgesprochenen Mahnung, in diesen Theo- rien die inneren Bewegungen der Bestandtheile der Mo- lekeln nicht aufser Acht zu lassen. Hoffen wir, d d s es bald gelingen werde, auch diese in die Rechnung einzu- fllhren, auf d d s wir eine strenge Theorie der Gase erhal-

1) Claneine , diem Ann. Bd. 100.

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ten, welche von allen Eigenschaften dicser Medien genaue Rechenschaf't gebe.

Dies ist besonders zu whschen , wenn man, von den unmittelbar beobachteten Griifsen weiter schliefsend , die Eigenschaften der Molekeln selbst nach Zahl und Mds zu berechnen sucht.

Das naheliegendste, was man in dieser Richtung er- reichen kann, ist die Berechnung der Wegliinge 1 oder vielleicht noch einfacher die der Zeit, welche im Mittel zwischen zwei auf einander folgendeii Zusammenstbfsen eines Gsstheilchens vergeht. Diese Zeit betriigt

woffir man nach den obigen Formeln

T = l

schreiben darf I). Unter der Voraussetzung eines Baro- meterstandes von 76'" iind der Temperatur des Gefrier- punktes erhalt man aus dieser Formel f i r den reciproken Werth von T oder die Anzahl der in einer Secunde er- folgenden Stbfse

5900 Millionen, wenn man den aus den Transpirationsbeobachtungen ge- folgerten Werth q = 0,000172 zu Grunde legt; dagegen, wenn der aus den Schwingungsbeobaclitungen hergeleitete 11 = 0,000186 benutzt wird, so wird die Anzahl

5500 Millionen in 1 Secunde. Um hieraus die Weglange zu berechnen, fuhre ich

fdr 9 den in meiner Dissertation') far atmosphiirische Luft berechneten Mittelwerth

n = 447 Meter in 1 Secunde ein. giebt sich aus den Schwingungsbeobaohtungen

1 = 0,0000082 in Centimetern, wie S t e f a n bereits aus Maxwel l ' s Zah-

P

Durch Benutzung desselben er-

1) Stefan a. a. 0. 2) De gasorurn thcoria. Vratisl, 1866.

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len berechnet hat; aus den Transpirationsbeobachtiingen aber folgt

1 = 0,0000076, fast genau mit dem von S t e f a n aus Loschmidt 's ' ) Diffusioneversuchen hergeleiteten Werthe

1 = 0,0000071 Ubereinstimmend.

Einen anderen noch unmittelbarer auf die Eigenschaften der Molekeln selbst gerichteten Schlufs haben mein Bru- der L o t h a r M e y e r ') und A l e x a n d e r N a u m a n n s ) aus den mit verschiedenen Gasen angestellten Reibunge- beobachtungen gezogen. Sie haben ntlmlich geradezu die oben erwlihnte Griifse s als den mittleren Durchmesser einer Molekel angesehen und, indem sie die Beziehung benutzten, dafs

e h 8 = m gleich dem Moleculargewicht ist, aus den bekannten re- lativen Werthen des letzteren und den Reibungsco6fficien- ten der Gase, den von einer kugelfirmig gedachten Mo- lekel eingenommenen Raum, das Molecularvolumen

wenigstens in relativen Einheiten, berechnet. Nach den oben gemachten Bemerkungen fiber die Art,

in welcher sich einerseita s, andrerseits der Durchmesser einer Molekel mit der Temperatur verandern miige, kiinnte es scheinen, als wolle ich die Berechtigung bezweifeln, die Speculation bis auf jenes Gebiet der theoretischen Chemie auszudehnen. Streng genommrnen wird man al- lerdings s nicht mit dem Durchmesser einer Molekel iden- tificiren dfirfen ; aber ihre verschiedene Veriinderlichkeit mit der Temperatur, von der ich oben gesprochen, ware kein Endernifs, sie einander gleich oder proportional zu setzen,; denn diese Vertlnderlichkeit ist h6chst unbedeutend, ihr Mars wiirde etwa der 8te Theil des Ausdehnungs-

t n 88,

1) Wiener Sitznngsber. Bd. 61 nnd 62. 2) Ann. Chem. Pharm. 5.Snppl. Bd. S. 129. 3) Ebendaselbet S. 252.

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coijficienten der Luft seyn. Die Berechtigung jener Spe- culationen aber beweist nichts besser , als die vorztiglich gute Uebereinstimmung ibrer Ergebnisse mit den auf ganz anderem Wege von K o p p gefundenen Werthen der Mo- lecular -Volumina.

Breslau, den 9. September 1872.

111. Ueber spec$scRe Wiirme, JWischungswarme USW. von Gemischen aus iEethylalkohol und Wmser , somie iiber gewisse Beziiehungen zmischen der spe-

c i j s c i en Warme einer Bischung oder Lostrng und der bei deren Bildung entraickelten oder

absorbirten Wiirmemenge; von A. Dupre ' , Philos. Dr.

(Vom Ern. Verf. mitgetheilter Auszug aus den P, oc. Royal Society 1872.)

I )e r benutzte reine Methylalkohol wurde bereitet nach einer von E. T h. C ha Csm a n n beschriebenen Metbode, welche eine Modification der von Sir N o b e r t K a n e be- schriebene Chlorcalciuni - Methode ist. Der so bereitete reine Holzgeist hatte bei 10" C. ein specifisches Gewicht von 0,81571, kochte bei 58",6 C. unter einem Drucke von 75Vm,4, hatte zwischen den Temperaturen von 60 und 18',6 eine specifische WZirme von 0,58325 und war mit Wasser in jedem Verhlltnisse vollkommen mischbar. Bei der Oxydation mittelst doppeltchromsrurem Kali und Schwe- felsgure wurden, aufser einer hbchst geringen Spur Amei- sensaure , nur Kohlensaure und Wasser gebildet.

Ueber Art und Weise der Bestimmung der verschie- denen Eigenschaften siehe die Abhandlung. Ueber speci- fische WZirme, MischungswZirme und Ausdehnung von Ge- miscben von Alkohol und Wasser von A. D u p r h und F. J. M. P a g e , P o g g . Ann. ErgBnz. Bd. V, 221. - Hier