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916 WOLFGANG MULLEE und J~RGEI~- WEINRElCtI: Die pathogenetisehe Bedeutung von AntikSrpern. Klinische Wochenschrfft kurven fiir die 3 ersten Beobachtungstage. Daraus geht hervor, dag der Grad der hgmatologischen Ver- /~nderungen ein MaBstab fiir die Schwere des klinischen Zustandes ergibt. Unsere Untersuchungen zeigen eindeutig, dag die stressbedingten hiimatologischen Ver~ndernngen in einem direkten Verh~ltnis zum Schweregrad der In- toxikation stehen. Von besonderem Interesse scheint uns die Tatsache, dab das Blutbild wghrend mehreren Tagen eine Stressreaktion ausdriickt. Dies gilt haupt- sgchlich ffir schwere und mitteIsehwere F~lle. Bei leichten Fi~llen sind die hgmatologischen Ver~nderun- gen nur wahrend der ersten 2 Tage charakteristisch. Akute exogene Intoxikationen rnfen also h~mato- logische Ver/inderungen hervor, welche fiir die sog. Gegensehockphase der Alarmreaktion charakteristiseh sind. Dabei scheint uns bemerkenswert, dab der neural bedingte Leu/coey~enanstieg und der hormonal bedingte Eosinophilen- und Lymphoeytenab]all dieselben quanti- tativen Beziehungen zum Schweregrad der Intoxi]cation au]weisen (s. Abb. 1). Zusammen/assung. An Hand yon 268 F/~llen wird gezeigt, dag akute Koh]enoxyd- und Schlafmittelver- giftungen zu Ver~nderungen des Blutbildes fiihren, die der Stressreaktion nach S~rE entsprechen. Im Me- chanismus dieser Reaktion bestehen zwischen Schwere- grad des Stress und Grad der Reaktion der neurMen und hormonMen Komponenten direkte gleichsinnige quantitative Beziehungen. Summary. A study of 268 cases of acute carbon monoxide and barbiturate poisoning shows hemato- logical changes corresponding to SELYE'S stress re- action. A quantitative correlation has been found between the intensity of the stress and the grade of the neural and hormonal reaction to the stress, as expressed by the blood picture. t~dsumd. L'6tude de 268 cas d'intoxication aigu~ par le monoxyde de carbone et par les barbituriques r4vMe des modifications h4matologiques correspondant celles qu'on observe aprgs un stress (S~Lr~). I1 existe une relation direete entre la gravit6 du stress et l'importanee de la r4action neurMe et hormonale qu'il d6clanche. Literatur. ESSELLIER, A.P., R. L. JEANNERET u. B.J. KOSZEWSKI:Erg. inn. Med. ~, 488 (1952). -- ESSELLIER, A. F., R. L. JEA~R~T U. L. MO~A~DI: Blood 9, 531 (1954). ESS~LLI~t~, A. F., H. ~c~. MARTI 11. L. MORANDI: Aelia haemat. 11, 21 (1954). - - ItAuss, W. H., H. Kt~mrzm~ u. L. LAM- bErS: Areh. exi0er. Path. u. Pharmakol. 214, 83 (1951). - - HA~rss, W. H., u. L. LAMbErS: Klin. Wsehr. 195~, 1087. -- HOFF, F.: Dseh. med. Wsehr. 19g~, 65, 112, 1 4 6 . - S~LYE, H.: Rev. of Med. ~, 327 (I951). -- Brit. Med. J. 1950, 1383. S~EG~TgALER,W.: Helvet. reed. Aet~ ~1, 54 (1954). UBER DIE PATHOGENETISCHE BEDEUTUNG YON ANTIKORPERN BEI EINIGEN PANCYTOPENIEFORMEN. Yon WOLFGANG MULLER und JfiRO~N Wv,i N ~ m m Aus der ~ed. Universit~tsklinik Freiburg i. Br. (Direktor: Prof. Dr. L. ttEIL~EYE~). Die Pathogenese mancher Formen leukopenischer erythrocyt/irer, leukocyt~rer und thrombocyt~rer und thrombopenischer Krankheitsbilder hat dureh Antik6rper bei 8 uns zur Verfiigung stehenden Pan- immunologische Untersuchungen in den letzten cytopenien zu fiihren. Jahren eine neue Deutung erfahren, die sie in Ana]ogie Methodik. zu dem pathogenetischen Mechanismus der erwor- Der Naehweis erythrocyt~rer AntikSrper wurde mit Hilfe benen h/imolytischen An~mien stel]t. So gelang es des direkten Antiglobulintestes~°, sowie der K~lteagglutination AOKROYD 1 bei der Sedormidpurpura Thrombocyten- versucht. agglutinine nachzuweisen, und auch bei anderen For- Zur Untersuehung auf leukoeyt~tre Antik6rper wurde die men der Thrombopenie sind thrombocytenaggluti- 1V[ethodik yon DAVSS]ST und Mitarbeitern is angewandt. Hier- nierende Antik6rper beschrieben worden e-6. Bei bei wurden sowohl NormMleukocyten als auch Patienten- leukoeyten in eigenem und fremdem Serum untersucht. verschiedenen Formen der Leukopenien und Agranulo- Leider gelang es in einigen F~llen wegen der geringen Leuko- cytosen wurden Antik6rper gefunden, die eine Agglu- cytenzahl nicht, ausreichende Patientenleukoeytensuspen- tination yon Lenkocyten v-14 oder eine Leukolyse 15, ~6 sionenzu erhMten, so d~B die Untersuehung yon Patienten- bewirkten. DAUSSET 17 h a t diese Krankheitsbilder leukoeyten in eigenem oder ffemden Serum nnterbMben muBte. Das Patientenserum wurde in unvorbehandeltem Zu- unter Einbeziehung erworbener hamolytischer An- stand und auch nach Inaktivierung (30 rain bei 560 C) ge- amien nnter dem Begriff der ,,Autoaggressionskrank- priift. Die Verdiinnungsreihen wurden mit physiologischer heiten" zusammengefaBt. Auch bei 6 Pancyto- KochsMzlSsung und inaktiviertem AB-Serum angesetzt. penien konnten DAUSSET und Mitarbeiter ~s Anti- Bei der Untersuehung auf thrombocytfire Antik6rper folgten wir der Methode yon MIEsc~E~ und Mitarbeitern ~, kSrper gegen Leukocyten, teilweise auch gegen jedoeh haben wir in Anlehnung an die Methode yon STE- Erythrocyten und Thrombocyten nachweisen. Eine FAm~I.und Mitarbeitern 2 das Patientenserum deealeifiziert ~hnliche Beobachtung stammt yon GOUDSMIT und und sowohl unvorbehandeltes wie inaktiviertes Serum ver- VAN LOGHEM13~ die bei einer Pancytopenie leuko- wandt. Auch bier wurden Verdiinnungsreihen mit physio- logischer KoehsMzlSsung angesetzt. Soweit eine ausreiehende cytare AntikSrper besehrieben haben. M~OESCItLIN Gewinnungyon Thrombocyten der Patienten mSglich war, und Mitarbeiter ~9 publizierten einen Fall yon Pan- wurde der direkte Thromboeyteneoombstest in der Modi- cytopenie, bei dem sie K/ilteagglutinine fanden und fikation VOIt FLi~OKINGER, KELLER und I-IXssm 21 dureh- durch Transfusionsversuche die Existenz yon peri- gefiihrt. Der indirekte Thromboeytencoombstest wie auch der Leukoeytencoombstest ist uns infolge techniseher Sehwierig- pher wirksamen ]eukoeyt~tren und thrombocyt/iren keiten, wie aueh anderert Autoren 7, is nicht gelungen. Wit AntikSrpern wahrscheinlich machen konnten, mSchten noeh erw/~hnen, dM3 bei der Durehfiihrung der Wegen der grundlegenden Bedeutung dieser Be- Untersuchung auf die Gruppengleiehheit vort Seren und "gerwandten Leukoeyten und Thromboeyten geaehtet wurde. funde ffir die Pathogenese gewisser Pancytopenie- BeipositivenErgebnissenwurden Kontrollen mit Leukocyten formen haben auch wir versucht, den Nachweis und Thromboeyten verschiedener Personen durehgef~ihrt.

Über die pathogenetische Bedeutung von Antikörpern bei einigen Pancytopenieformen

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Page 1: Über die pathogenetische Bedeutung von Antikörpern bei einigen Pancytopenieformen

916 WOLFGANG MULLEE und J~RGEI~- WEINRElCtI: Die pathogenetisehe Bedeutung von AntikSrpern. Klinische Wochenschrfft

kurven fiir die 3 ersten Beobachtungstage. Daraus geht hervor, dag der Grad der hgmatologischen Ver- /~nderungen ein MaBstab fiir die Schwere des klinischen Zustandes ergibt.

Unsere Untersuchungen zeigen eindeutig, dag die stressbedingten hiimatologischen Ver~ndernngen in einem direkten Verh~ltnis zum Schweregrad der In- toxikation stehen. Von besonderem Interesse scheint uns die Tatsache, dab das Blutbild wghrend mehreren Tagen eine Stressreaktion ausdriickt. Dies gilt haupt- sgchlich ffir schwere und mitteIsehwere F~lle. Bei leichten Fi~llen sind die hgmatologischen Ver~nderun- gen nur wahrend der ersten 2 Tage charakteristisch.

Akute exogene Intoxikationen rnfen also h~mato- logische Ver/inderungen hervor, welche fiir die sog. Gegensehockphase der Alarmreaktion charakteristiseh sind. Dabei scheint uns bemerkenswert, dab der neural bedingte Leu/coey~enanstieg und der hormonal bedingte Eosinophilen- und Lymphoeytenab]all dieselben quanti- tativen Beziehungen zum Schweregrad der Intoxi]cation au]weisen (s. Abb. 1).

Zusammen/assung. An Hand yon 268 F/~llen wird gezeigt, dag akute Koh]enoxyd- und Schlafmittelver- giftungen zu Ver~nderungen des Blutbildes fiihren, die der Stressreaktion nach S ~ r E entsprechen. Im Me- chanismus dieser Reaktion bestehen zwischen Schwere-

grad des Stress und Grad der Reaktion der neurMen und hormonMen Komponenten direkte gleichsinnige quantitative Beziehungen.

Summary. A study of 268 cases of acute carbon monoxide and barbiturate poisoning shows hemato- logical changes corresponding to SELYE'S stress re- action. A quantitative correlation has been found between the intensity of the stress and the grade of the neural and hormonal reaction to the stress, as expressed by the blood picture.

t~dsumd. L'6tude de 268 cas d'intoxication aigu~ par le monoxyde de carbone et par les barbituriques r4vMe des modifications h4matologiques correspondant

celles qu'on observe aprgs un stress (S~Lr~). I1 existe une relation direete entre la gravit6 du stress et l 'importanee de la r4action neurMe et hormonale qu'il d6clanche.

Litera tur . ESSELLIER, A.P., R. L. JEANNERET u. B.J. KOSZEWSKI: Erg. inn. Med. ~, 488 (1952). - - ESSELLIER, A. F., R. L. JEA~R~T U. L. MO~A~DI: Blood 9, 531 (1954). ESS~LLI~t~, A. F . , H . ~c~. MARTI 11. L. MORANDI: Aelia h a e m a t . 11, 21 (1954). - - ItAuss, W. H., H. Kt~mrzm~ u. L. LAM- bErS: Areh. exi0er. Path. u. Pharmakol. 214, 83 (1951). - - HA~rss, W. H., u. L. LAMbErS: Klin. Wsehr. 195~, 1087. - - HOFF, F.: Dseh. med. Wsehr. 19g~, 65, 112, 1 4 6 . - S~LYE, H.: Rev. of Med. ~, 327 (I951). - - Brit. Med. J. 1950, 1383. S~EG~TgALER, W.: Helvet. reed. Aet~ ~1, 54 (1954).

UBER DIE PATHOGENETISCHE BEDEUTUNG YON ANTIKORPERN BEI EINIGEN PANCYTOPENIEFORMEN.

Yon

WOLFGANG MULLER und JfiRO~N Wv, i N ~ m m Aus der ~ed. Universit~tsklinik Freiburg i. Br. (Direktor: Prof. Dr. L. ttEIL~EYE~).

Die Pathogenese mancher Formen leukopenischer erythrocyt/irer, leukocyt~rer und thrombocyt~rer und thrombopenischer Krankheitsbilder hat dureh Antik6rper bei 8 uns zur Verfiigung stehenden Pan- immunologische Untersuchungen in den letzten cytopenien zu fiihren. Jahren eine neue Deutung erfahren, die sie in Ana]ogie Methodik. zu dem pathogenetischen Mechanismus der erwor-

Der Naehweis erythrocyt~rer AntikSrper wurde mit Hilfe benen h/imolytischen An~mien stel]t. So gelang es des direkten Antiglobulintestes~°, sowie der K~lteagglutination AOKROYD 1 bei der Sedormidpurpura Thrombocyten- versucht. agglutinine nachzuweisen, und auch bei anderen For- Zur Untersuehung auf leukoeyt~tre Antik6rper wurde die men der Thrombopenie sind thrombocytenaggluti- 1V[ethodik yon DAVSS]ST und Mitarbeitern is angewandt. Hier- nierende Antik6rper beschrieben worden e-6. Bei bei wurden sowohl NormMleukocyten als auch Patienten-

leukoeyten in eigenem und fremdem Serum untersucht. verschiedenen Formen der Leukopenien und Agranulo- Leider gelang es in einigen F~llen wegen der geringen Leuko- cytosen wurden Antik6rper gefunden, die eine Agglu- cytenzahl nicht, ausreichende Patientenleukoeytensuspen- tination yon Lenkocyten v-14 oder eine Leukolyse 15, ~6 sionen zu erhMten, so d~B die Untersuehung yon Patienten- bewirkten. DAUSSET 17 hat diese Krankheitsbilder leukoeyten in eigenem oder ffemden Serum nnterbMben

muBte. Das Patientenserum wurde in unvorbehandeltem Zu- unter Einbeziehung erworbener hamolytischer An- stand und auch nach Inaktivierung (30 rain bei 560 C) ge- amien nnter dem Begriff der ,,Autoaggressionskrank- priift. Die Verdiinnungsreihen wurden mit physiologischer heiten" zusammengefaBt. Auch bei 6 Pancyto- KochsMzlSsung und inaktiviertem AB-Serum angesetzt. penien konnten DAUSSET und Mitarbeiter ~s Anti- Bei der Untersuehung auf thrombocytfire Antik6rper

folgten wir der Methode yon MIEsc~E~ und Mitarbeitern ~, kSrper gegen Leukocyten, teilweise auch gegen jedoeh haben wir in Anlehnung an die Methode yon STE- Erythrocyten und Thrombocyten nachweisen. Eine FAm~I.und Mitarbeitern 2 das Patientenserum deealeifiziert ~hnliche Beobachtung stammt yon GOUDSMIT und und sowohl unvorbehandeltes wie inaktiviertes Serum ver- VAN LOGHEM13~ die bei einer Pancytopenie leuko- wandt. Auch bier wurden Verdiinnungsreihen mit physio-

logischer KoehsMzlSsung angesetzt. Soweit eine ausreiehende cytare AntikSrper besehrieben haben. M~OESCItLIN Gewinnung yon Thrombocyten der Patienten mSglich war, und Mitarbeiter ~9 publizierten einen Fall yon Pan- wurde der direkte T h r o m b o e y t e n e o o m b s t e s t in der Modi- cytopenie, bei dem sie K/ilteagglutinine fanden und fikation VOIt FLi~OKINGER, KELLER und I-IXssm 21 dureh- durch Transfusionsversuche die Existenz yon peri- gefiihrt. Der indirekte Thromboeytencoombstest wie auch der

Leukoeytencoombstest ist uns infolge techniseher Sehwierig- pher wirksamen ]eukoeyt~tren und thrombocyt/iren keiten, wie aueh anderert Autoren 7, is nicht gelungen. Wit AntikSrpern wahrscheinlich machen konnten, mSchten noeh erw/~hnen, dM3 bei der Durehfiihrung der

Wegen der grundlegenden Bedeutung dieser Be- Untersuchung auf die Gruppengleiehheit vort Seren und "gerwandten Leukoeyten und Thromboeyten geaehtet wurde.

funde ffir die Pathogenese gewisser Pancytopenie- BeipositivenErgebnissenwurden Kontrollen mit Leukocyten formen haben auch wir versucht, den Nachweis und Thromboeyten verschiedener Personen durehgef~ihrt.

Page 2: Über die pathogenetische Bedeutung von Antikörpern bei einigen Pancytopenieformen

Jg. 32, Heft 37188 ~VoLFoANG MfOLLJ~t¢ und J~zoz~ W~ctaz~c~: Die pathogenetisehe Bedeutung yon AntikSrpern. 917 1. Oktober 1956

Kasuistik. Fall1. A.H., 49j~hrige Patientin, bei der seit dem

18. Lebensjahr eine prim~r-ehrouisehe Polyarthritis bestand. In der Anamnese kein AnhMt ffir eine A~'anuloeytose oder Panmyelopathie.

Be[und. Stark vorgealterte Patientin mit den Minischen und rSntgenologisehen Zeiehen einer fortgesehrittenen primer- chronisehen Polyarthri~is. tm Blutbild Mchte Anemic (.11,5 g-% Hb, 3,7 Mill. Erythroeyten). getieuloeyten 26°/0o. Ubriges Blu~bild unauff&llig. Direkter Antiglobulintest fraglieh positiv (bei Kontro]le negativ), indirekter Anti- globulintest negativ. Die Uberlebenszeit yon Normalerythro- eyten im Patientenkreislauf betr/igt 52 Tage. Im Sternal- mark zungehst abgesehen yon einer leiehten Vermehrung der roten Vorstufen keine Abweichungen vonder Norm.

Im Verlauf der Behandlung wird eine Uberempfindlieh- keit gegen pyramidonhaltige Arzneimittel festgestellt und dutch einen positiven Intracutantest (Modifikation nach DA~SH~K und CoLmss se), sowie einen positiven PRAVS~;~TZ- K~swssRsehen Versueh (naeh Sc~wA~z ~a) gesiehert. Auf orale und parenterale Pyramidongabe trat bei der Pa- ticntin jeweils unter sehoekargigen Beglei~symptomen ein ? kurzdauernder Agranuloeytosesehub auf. Naeh der 5. Pyra- midonappl ikat ion- 3 Wochen nach einer Bronchopneu- monie - - entwiekelte sieh eine lgnger anhaltende Pan- eytopenie (Abb. 1). Im Knoehenmark, das vorher eine ann~hernd normate Zusammensetzung zeigte, einige Stun- den naeh der Pyramidongabe eigentfimliehe Zellver/inde- rungen, die auf einen Zellzerfall im Mark hindeuteten (s. beiS~). Leukoeytenagglutitfierende 8ubstanzen konnten wie bei den vorhergehenden Pyramidonbelastungen nur wenige Stunden naeh Darreiehung des Medikaments nach- gewiesen werden.

Blutbild (3 Woehen naeh Auftreten der Paneytopenie). Hb 8,5 g- %, Erythro 2,6 Mill., Retieuloeyten 3°/oo, Leuko 2400, Differentialblutbild: Stab 10 %, Segm 46 %, Eos 4 %, Mono 4%, Lympho 36%. Thromboeyten 65000.

Das Knochenmark ist zur gleiehen Zeit zellarm, die erythropoetisehen und granulopoetischen Zellen sind deut- lieh vermindert, bei den letzteren finder sieh eine signifi- kante Linksversehiebung. Die Megakaryoeyten sind eben- falls vermindert. Dagegen sind die lymphoiden und plas- maeellulS, ren Retieulumzellen vermehrt. Sonstige wiehtige Untersuehungsbefunde bei diesem und den folgenden Fallen linden sieh in den entspreehenden Tabellen (1--3). Einige Zeit nach Auftreten der Paneytopenie entwiekelte sieh langsam ein Milztumor. Unter Cortisontherapie Rfick- gang dieses Milztumors und Normalisierung des Blutbildes. Patientin konnte naeh Hause entlassen werden. Eine ein- gehende Studie fiber diesen Fall hag MiiLL~ s* verSffentlieht.

Fall 2. E.H. , 20 Jahre. Patientin bathe frfiher keine wesentlichen Erkrankungen durehgemaeht. Anfang 1953 Lues- infektion. Dezember 1953 Beginn der ersten Salvarsankur. Naeh der 4. Injektion akutes Exanthem mit Fieber bis 400 C. Naeh 5 Tagen Entfieberung, Sehuppung der Haut. Auf die weiteren Injektionen zun/~ehst keine siehtbaren Reak- tionen. Seit Beendigung der Kur (Anfang Februar 1954) zu- nehmcnde Bl~sse, Temperaturen bis 39 s C und subjektive Besehwerden wie hochgradige Abgesehlagenheit und Miidig- keit. Auftreten eines agranuloeytotisehen Geschwiirs an der Unterlippe. Im Knoehenmark fund sieh jetzt das Bild einer Pancy~openie.

Bei der Aufnahme in die Klinik am 7.3.54 wurde bei der Patientin eine ausgesproehene B1Esse, mehrere H~matome und ein kleines agranuloeytotisches Geschwfir an der Unter- lippe festgestellt. Keine Drfisensehwellung, Leber und Milz nieht vergrSBert. Aueh der /ibrige klinisehe Befund ent- spraeh der Norm. Erhebliehe Menorrhagien. Capillarresi- stenz 15 sec, lgumpel-Leede negativ. Blutungszeit iS min, Gerinnungszeit normal. Prothrombin 70 %, Gesamtbilh'ubin 0,98 rag- %. Wa.R. und Nebenreaktionen jetzt negativ. Tem- peratur anf/inglieh his 400 C.

Blutbild. Hb 3,3 g-%, Erythro 1,45 Mill., Retieuloeyten 1 °/00, Leuko 2100, Differentialblutbild: Jugend 3 %, Stab 6 %, Segm 2%, Lympho 89%. Thrombo 5800.

Im zellarmen Knochen~nark Vermetn'ung der lymphoiden und plasmaeellul~ren Retieulumzellen bei erheblieher Ver- minderung der erythropoetisehen und granulopoetisehen gellen sowie der Megakaryocyten. Starke Linksversehiebung innerhalb der Granulopoese.

Bluttransfusionen und Cortison hatten keinen wesent- lichen Effekt auf die Erkrankung. Da sick die Patientin der

Y

Hb Erj/ Re/ikLeuk ° g% M/7/ %o 15 - 3 8 - 7 5 0 0 r -

1~ ~ ,51 7000H

13 - ~,0 2 5 - ~500~- 12 6000 I-

11 ~,5~- 5 5 0 0 ] -

i0 20 - 50001- ~ob

9 - 4z500 H

3 - ~ b z/O001- ~5

7 - 35O01- _ ~Ol- 3o00~-

5 - 1,51- 10-2500~- q- - 20001-

3- ~ , o b ~5001- 5 -

2 - 1OOOH o, sb 7 5001- O - 0 L- O - 0 ~-

Abb. 1.

weiteren Beh~ndlung entzog, kann fiber den jetzigen Befund niehts ausgesagt werden.

Fall 3. K. M., 16jghrige Patientin. Als Kind nie ernstlieh krank gewesen. Im September 1952 linksseitige Obergeschog- tuberkulose festgestellt. Deshalb yon September 1952 bis Mai 1953 Krankenhausaufenthalt. Wghrend dieser Zeit mit insgesamt 106 g INH (Neoteben) und 31 g Streptomycin behandelt. Dauernde Blutbildkontrollen ergaben keine pathologisehen Ver&nderungen. Von Mai 1953 bis August 1953 mit insgesamt 5,15g TB I (Conteben) behandelt. Blut- bild zun~tchst weiterhin normal. Mitte Oktober 1953 erst- malig Auftreten yon Xopfsehmerzen, SehwindeI, zunehmen- der Sehw~iehe und H~imatomen. Das jetzige Blutbild ergab eine Paneytopenie. Zum gleiehen Zeitpunkt raseher Anstieg der BSG von 5/16 mm n.W. auf 120/135 mm n.W. Zeit- weilig agranuloeytotische Geschwfire und sehwere Blutungen.

Au/nahmebefund vom 4.2.54. Sehr blasse Patientin. Petechiale und fl~,ehenhafte Hautblutungen an den unteren Extremit~ten. Zeitweilig agrannloeytotische Mundschleim- hautgesehwfire. An der Lunge kliniseh und rSntgenologisch

Thrombo

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.~. 53 l g ]~n~wicklung einer PancytopenJe naeh Pyramidonapplikation in Fall 1.

kein krankhafter Befund mehr. Keine Lymphknotenschwel- lungen, keine VergrSBerung yon Leber und Milz. Capillar- resistenz 6 see., t~umpeLLeede positiv. Blutungszeit ver- 1/~ngert, Gerinnungszeit normah Prothrombin 68 %. Gesamt- bilirubin 0,23 rag- %. Temperatnr bis 38,5 ° C. MIDDLEBROOK- DuBossche Hgmagglutinationsreaktion 1:64.

BIu~bild. Hb 4,0g- %, Erythro 1,2 Mill., Reticulocyten 30/00. Leuko 1700, Differentialblutbild: Stab 1%, Segment 2 %, Eos 1%, Mono 2%, Lympho 94%. Thromboeyten 2600.

Knochenmark sehr zellarm. Syncytiale Retieulumzellver- b~nde und Gewebsbasophilie. Erythropoetisehe, granulo- poetische Zellen und Megakaryoeyten sehr stark vermindert. Linksverschiebung in der Granulopoese.

Im aktiven und inaktivierten Serum kSnnen leukoeyten- und thromboeytenagglutinierende Substanzen in geringem MaBe festgestellt werden.

Durch Bluttransfusionen konnte die An~mie zeitweise gebessert werden. Cortison hatte keinerlei Wirkung auf das Krankheitsbild. Nach Zunahme der Blutungsneigung kam die Patientin sehliel31ieh unter den Zeichen einer Hirnblutung ad exitum. Bei der Sektion wurden neben den Zeiehen der Panmyelopathie noch einzelne aktive tuberkulSse Lungen- herde festgestellt.

Fall 4. H. Ch., 54j~hrige I-Iausfrau. In der Kindheit ,,Bleichsueht". 1923 Lues, die mit 6 kombinierten Salvarsan- Wismutkuren behandelt wurde. Seit 1950 chronische Poly- arthritis. Behandlung zun~tehst mit Sehlangengift, 1951/52 mit parenteraler Irgapyrintherapie (im ganzen 20 Spritzen mit lfingeren Interva]len). Daraufhin tlfiekgang der rheu- matischen Besehwerden. Zu Beginn der Behandhng war d~s Blutbild normal. ~7~hrend der Irgapyrlnbehandlung Auf- treten yon ,,blauen t~]eeken" an den Beinen, es wurde gleich- zeitig eine ,,Blutarmut °' diagnostiziert. Im November 1953 Paneytopenie.

Be/und bei der Aufnahme am 8.3.54. Kliniseh und rSntgenologisch Zeiehen einer Polyarthritis, besonders an den Hand- und Fingergelenken. Kein Anhalt fiir eine Lues ]atens. Tdbrige Befunde normal, insbesondere keine Leber-

Page 3: Über die pathogenetische Bedeutung von Antikörpern bei einigen Pancytopenieformen

918 WOI~FGA~G Mi3LLXI~ und Ji31~ax~ WEINI~EICtt: Die pathogenetisebe ]3edeutung yon Antik6rpern. Klinische Wochensehrift

oder Milzvergr6l]erung. Capillarresistenz 6 see, l~nmpel- Leede positiv. Blutnngszeit verlfingert, Gerinnungszeit nor- mal. Gesamtbilirubin 0,30 rag-%. Wa.R. und Nebenreak- tionen negativ, Antistreptolysintest 166ASE/em a Serum, WAALER-ROSxsehe Hamagglutinationsreaktion negativ.

Blutbild. Ilb 8,4g-%, Erythro 2,3Mi11, Retikuloeyten 120/00, Leuko 2400. DifferentiMblutbild: Stab 4 %, Segm 10 %, Baso 1%, Mono 4%, Lympho 81%. Thromboeyten 41200.

Im auBerordentlieh zellarmen Knochenmark relativ viel erythropoetisehe, dagegen wenig granulopoetisehe Zellen. Von den letzteren verhMtnism~gig vim Promyeloeyten. Mega- karyoeyten extrem selten. Reticulumzellen sehr reiehlieh.

Unter Bluttransfusionen hag sieh die An/imie etwas ge- besser~, Cortison zeigte keine weitere wesentliehe Beein- flussung. Patientin befindet sieh jetzt in dauernder ambulanter Kontrolle.

Fall 5. M.A., 54j~hrige Patientin. Als Kind hie ernstlieh krank gewesen. 1917 bei einer Explosion Verletzungen dutch zahlreiehe Kupfersteeksplitter, die im Laufe der ngchsten Jahr- zehnte zum groflen Teil herauseiterten, teilweise aueh chir- urgisch entfernt wurden. Seit 1927 zusgtzlieh heftige Gelenk- besehwerden, wegen der die Patientin im Lauf der Jahre zahlreiebe, meist pyramidonhaltige Medikamente einnghm, bzw. injiziert bekam. 1952 Thromboplflebitis, zeitweilig Uleus eruris. Im Oktober 1953 Paneytopenie festgestellt, die sieh auf entspreehende Behandlung nur wenig besserte. DeshMb erneut Klinikeinweisung.

BeJund. Sehr blasse Patientin. Mehrere agranulo- eytotisehe Geschw/ire der Mundsehleimhi~ute, Mundwinkel- rhagaden, vereinzelt ~ltere peteehiMe Blutungsstellen. Leber und Milz nicht vergrSfiert. V~ricosis beider Untersehenkel, keine Gelenkverfi.nderungen. Capillarresistenz 7 sec. Blu- tungszeit 3 min. Gerinnnngszeit 1 min. Gesamtbilirubin 0,5 rag- %. Antistreptolysintiter : 880 ASE/cm a Serum.

Blutbild. Hb 6 g-%, Erythro 2,5 Mill., Retieuloeyten 30/00, Leuko 800. DifferentiMblutbild: Jugend 2%, Stab 2%, Segm 4%, Mono 6%, Lympho 86%. Thromboeyten 60000.

Knochenmark augerordentlieh zellarm. Si~mtliehe hi~mato- poetisehen Zellen treten in den Hintergrund, keine st~rkeren qualitativen Verschiebungen. Vermehrung der nacktkernigen Reticulumzellen, daneben aueh vereinzelt lymphoide und plasmaeellul~re I/eticulumzellen.

Fall 6. St. F., 78jahriger Patient. Friiher hie ernstlich krank gewesen. 1949 Uleus ventrieuli mit sehwerer Bhtung. l ib damals 5.6g- %, Erythro 1,2 Mill. Am Sehlug der damaligen Behandlung wieder normMes Blutbild. Anfang 1953 Auf- treten yon Hgmatomen, seit November 1953 aueh Mund- sehleimhautblutungen. Am 4. 12.53 Klinikeinweisung wegen einer ~mbulant diagnostizierten Pancytopenie.

Be/und. Blasser Patient. Ausgedehnte petechiMe und fl~ehenhafte Blutungen, vor allem an den Beinen. Leber und Milz nieht vergr6flert. Am Bulbus duodeni r6ntgeno- logisch Verwaehsungen mit beginnender Stenose, kein Ulcus oder Tumor naehweisbar. Capillarresistenz 8 see, Rumpel- Leede positiv. Blutungszeit 14 rain, Gerinnungszeit normal. Prothrombin 70%, Gesamtbilirubin 0,92 mg-%.

BlutbiId. Hb 10,0 g-%, Erythro 3,4 Mill, Retieulocyten 60/00, Lenko 2200. Differentialblutbild: Segm 36%, Eos 3%, Baso 2%, Mono i%, Lympho 58%. Thromboeyten 2900.

Das Knochenmark ist zellarm, an Stellen der Blutbildung iiberwiegt die Erythropoese. Granulopoese nur sehwaeh aus- geprggt mit Linksversehiebnng. Vereinzelt Megakaryocyten. Retieulumzellen sind vorherrsehend, Gewebsbasoph.!lie.

Unter Cortisontherapie keine nennenswerte Anderung des Befundes. Dutch Bluttrgnsfusionen konnte das rote Blutbild gebessert werden. Der Zustand ist im wesentlichen konstant, wie laufende ambulante Kontrollen mit gelegentlich dabei vorgenommenen Bluttral~sfusionen zeigen.

Fall 7. P.F. , 21jiihrige Patientin. Friiher nie krank ge- wesen, i950 Lungentuberkulose festgestellt, deshMb im I~ahmen einer I-Ieilsti~ttenbehandlung Behandlung mit TB I (Conteben) in einer Gesamtdosis yon 3,75 g. Die Tuberkulose war danach nicht mehr aktiv und ist bis heute inaktiv ge- blieben. Im Ansehlug an die Contebentherapie Versti~rkung der Menstruationsblutungen. Wegen zunehmender Leistungs- unf~higkeit Anfang 1953 Krankenhaus~ufnahme) wo eine Paneytopenie festgestellt wurde. Auf Bluttransfusionen Besserung des roten Blutbildes, wtLhrend die Leukopenie und Thrombopenie blieb.

Be]und bei Klinikaufnahme: etwas blasse Patientin. H&matome und Peteehien an beiden Beinen. Leber und Milz wie aueh bei allen friiheren Untersuehungen nieht vergr6f~ert.

Im l~Sntgenbild einzelne ~ltere tuberkul6se I-Ierde in der rechten Lnngenspitze. Capillarresistenz 8 see, Rumpel-Leede positiv. Blutungszeit 31/2 min, Gerinnungszeit 1/2 rain. Pro- thrombin 74%, Gesamtbilirubin 0,27 mg-%. MIDDLEBP~OOK- Dtl•ossche H~imagglutinationsreaktion 1 • 32 + .

Btutbild. Hb 12,0g-%, Erythro 3A6Mill, Retieulo- eyten 230/00, Leuko 3000. DifferentiMblutbild: Jugend 1%, Stab 6%, Segm 20%, Eos 1%, Mono 1%, Lympho 71%. Thromboeyten 42100.

Das Knochenmark ist aul]erordentlich zellreich. Die erythropoetischen und granulopoetisehen Zellen sind ver- mehrt. Letztere zeigen eine deutliehe Linksversehiebung. Leichte Markeosinophilie.

Im Serum Leukocytenagglutinine nachweisbar, im un- vorbehandelten Serum bis zu einer NaC1-Verdfinnung von 1:16, im inaktivierten Sermn bis zu einer NaC1-Verdtinnung yon 1:32. Thromboeytenagglutinine im unvorbehandelten Serum negativ, im inaktivierten Serum bis zu einer NaC1- Verdtinnung von 1:4 sehwach positiv.

Fall 8. G.A., 45j&hriger Arbeiter. Als Kind nie wesent- lieh krank gewesen. 1944/45 mehrfache Kriegsverletzungen, unter denen Bin Kopfsehug und ein LebersteeksehuB er- w~hnenswert sind. Im November 19.53, 1 Monat naeh Laparo- tomie wegen Verwaehsungen erhebliehe An&mie, Leuko- penie und Thrombopenie, wi~hrend das Blutbild im Oktober 1953 noeh normal war. AuBerdem fund sich jetzt eine Ne- phritis. BSGvon 11/36 mm n. W. am 29.10.53 auf 65/108mm n. W. am 29.11.53 angestiegen. Gleiehzeitig deutlieher Milz- tumor.

Be/und bei der Klinikaufnahme am 3.12.53: starke B1/~sse, Leber und Milz nieht mehr palpabel. Im Urin Eiweig positiv, Esbaeh 2~/0o . Im Sediment mussenhaft Erythro- eyten, vereinzelt Leukoeyten und Cylinder. Bei der Clea- rance leieht eingesehr&nkte Nierenfunktion. lgest-N-, Harn- s~ure- und NaC1-Werte im Serum sind normM. Capillar- resistenz 10 see, l~umpel-Leede negativ. Blutungs- und Ge- rinnungszeit normal. Prothrombin 69%, Gesamtbilirubin 0,79 rag- %.

Blutbild. l ib 9,5 g-%, Erythro 2,6Mi11, Reticulocyten 70/oo, Leuko 2100. Differentialblutbild: Jugend 1%, Stab 12%, Segm 23%, Mono 3%, Lympho 61%. Thromboeyten 83 600.

Im Knochenma~'k normaler Zellgehalt, erythropoetische Zellen nieht vermindert, in der quantitativ normMen Granulo- poese deuttiehe Linksversehiebung. Megakaryoeytenzahl normal. Lymphoide und plasmaeellul&re t~eticulumzellen etwas vermehrt.

Im Serum anf~nglieh leukoeyten- und thromboeyten- agglutinierende Substanzen, die Leukoeytenagglutinine sind dabei bis zu einer NaC1-Verdiinnung von 1:32 naehweisbar. Das vor der Klinikeinweisung leieht erhShte Gesamtbilirubin (1,6 rag-%) und die Erh6hung der Farbstoffausseheidung im Urin (F0) liel3en bei Fehlen einer hepatischen Affektion auch an einen gesteigerten peripheren Abbau der Erythroeyten denken; aus i~uSeren Griinden war Mlerdings eine Bestim- mung der Reticulocytenzahl und ein Antik6rpernaehweis damals nicht mSglieh. Bei der Klinikaufnuhme bestanden keine Zeichen einer vermehrten I-Iamolyse mehr (direkter AGT negativ, normMes Bilirubin, kein Milztumor mehr, normMe geticuloeytenz~hl). Bei der Entstehung der Angmie diirfte auch dem stttndigen Blutverlust im Urin und dem Infekt eine zus~tzliche RolIe zukommen.

Im Verlauf der Behandlung trat ein Anstieg der Thrombo- cyten ein, zum gleichen Zeitpunkt verschwanden die thrombo- eyt~ren Antik6rper aus dem Serum. Die Leukoeytenagglu- tinine blieben ~ber weiterhin im Serum in gleieher St&rke nachweisbar, auch die Leukopenie persistierte. Mit Blut- transfusionen konnte die An&role zeitweise gebessert werden. Die Nephritis ist in ein ehronisehes Stadium getreten.

Untemuchungsergebnisse.

Wie aus den vorl iegenden Kasuis t iken zu ent- nehmen ist, weisen 6 unserer Fglle als gemeinsames Charakter is t ikum chronische Infekte auf. Zwei yon diesen P a t i e n t e n h~t ten eine chronische Polyar thr i t i s (Fall 1 und 4), eine Pa t i en t in eine Lues (Fall 2). I n Fa l l 3 und 7 war der Infek t eine Tuberkulose und bei :Fall 5 wurden anamnes t i sch langd~uernde chro- nische E i t e rungen durch Steckspl i t terver le tzungen

Page 4: Über die pathogenetische Bedeutung von Antikörpern bei einigen Pancytopenieformen

Jg. 32, Heft 37/38 WOLFGANG Mi~LLER und Jti~a]~N WEINREICIt: Die pathogenetische Bedeutung von Antik6rpern. 919 1.0ktober 1954

Tabelle 1.

Globuline Fall

Gesamt- eiweil3 g-%

6,8 7,8 6,4 8,0 8,2 7,6 7,2 6,0

Albumin

%

41,8 60,4 49,2 41,1 42,3 42,2 57,7 55,0

10,3 3,8 6,2 7,4 8,0 4,7 i 3,4 I 4,2 I

C¢ 2 %

12,3 9,3 14,8 6,5 7,0 15,2 9,2 12,7

13,7 8,5 4,9 11,0 8,5 ]1,8 6,3 7,8

26,3 14,5 22,4 29,6 27,5 37,2 18,6 26,7

Takata

rag-%

100 100 90 80

100 70

100 100

Weltmann Thymol

0 0 0

T

0

]3SG

m m n.W.

112/138 100/165 121/155 13o/15o 158/165 64/99 35/61 65/120

S e r u r l l - Fe

7-%

36 105 105 79

154 107 108 108

S e r u i ] l - Cu

7- %

240 139 239 219 268

80 137 124

Tabelle 2.

Stab Segm Eos ~aso ~[ono Lympho Thrombocy[en % % % % % %

Erythro- [ Reti- Fall Kb cyten ' kulocyten Lenkooyten Jugend

g. % in Nill. o/0 ° %

l i 8,5 2,6 : 3 2400 0 2 3,3 1,45 1 2100 3 3 4,0 1,2 3 1700 0 4 8,4 2,5 12 2400 0 5 6,0 2,5 3 800 2 6 10,0 3,4 6 2200 0 7 12,0 3,1 23 3000 1 8 9,5 2,6 i 7 2100 1

ber ich te t . I n Fa l l 4 h a t t e zudem frfiher eine Lues bes tanden , die aber un t e r mehreren Sa lvarsan-Wis - m u t k u r e n abgehe i l t war. Diese 6 P a t i e n t e n b e ka me n fiber l~ngere Zei t Arzne imi t te l , yon denen b e k a n n t ist , dab sic Agranu loey tosen und P a n e y t o p e n i e n aus- 16sen k6nnen. Dre im~l waren es p y r a m i d o n h a l t i g e P r ~ p a r a t e (in F a l l 1, 4 und 5), 2mal Conteben (Fal l 3 n n d 7) und 1real Sa lva r san (in Fa l l 2).

Bei 2 Patienten (Fall 2 und 4) gelang mit Hilfe der Kom- plementbindungsreaktion der serologische Nachweis yon spezifischen, gegen die betreffenden Medikamente gerich- teten AntikSrpern*. Im Fall 1 konnte durch Hauttestung und durch den P~AVS~ITz-KvESTNERschen Versueh die Arzneimittelfiberempfindlichkeit best£tigt werden.

I n F a l l 6 kSnnen in der Anamnese weder ein s icherer I n f e k t noch h£ufige Arzne imi t t e lgaben eru ier t werden. Bei dem 8. P a t i e n t e n k a n n bei dem gleieh- zei t igen Auf t r e t en einer Nephr i t i s ein allergiseh- hypererg isehes Gesehehen, v ie l le icht infolge Focus- ak t iv i e rung durch eine vorausgegangene Opera t ion (Laparo tomie) angenommen werden. Als Focus is t mSglicherweise ein an der r eeh ten Colonflexur ein- gekapse l te r G r a n a t s p l i t t e r mi t nmgebende r Entz t in- dung anzusehen.

Das klinische Bild der P a n e y t o p e n i e war bei unse- ren P a t i e n t e n das gleiehe, wie es aus der L i t e r a t u r b e k a n n t is t (L i t e ra tu r bei HEILMEYEt~ und BEGE- ~ANN ~5. Als erstes Merkma l wiesen unsere P a t i e n t e n neben ausgesprochenen An~miezeichen in der Mehr- ,zahl S y m p t o m e einer h/~morrhagisehen Dia these auf. I n einigen F~l len konn t en aueh agranulo- cy to t i sehe Gesehwtire nachgewiesen werden. I n ke inem Fa l l konn te kl inisch eine MilzvergrSl3erung b e o b a e h t e t werden, die im Sinne eines Hypersp len is - mus als Ursaehe fiir die bes tehende Pancy tope n i e angesehuld ig t werden kSnnte ,

Laboratoriumsbe/unde, Sehr e indrueksvol l is t in d e n meis ten unserer F~lle die s t a rke Besehleunigung der Blu t senkung , die als eines der Charak te r i s t i ea der

* Dr. ]~FIP, MANIg 11124 Dr. LINDA3I]EYI~ vom serodiagnostischen Labor dot Universit~ts-Hautklinik in Wien sind wir fttr die Durchffihrung der Kompiementbindungsreaktion zn grol3em Dank verpflichtet.

Klinische Wochenscbrfft, 32.5ahrg.

1 4 ,o

20 23

0 4 0 o 0 1 4 0 6 2 1 0 1 0 3

36 65000 89 5800 94 2600 81 41200 86 60000 58 , 2900 71 42100 6i 83600

P a n c y t o p e n i e gil t 2~. Auffa l lend war dabei , dab bei einzelnen F~l len die B S G mi t dem Mani fes twerden der P a n e y t o p e n i e in kurzer Zei t yon normalen auf max ima le W e r t e anst ieg. I m Gegensatz hierzu zeigt das Blu te iweigbi ld in unseren F~l len nu t eine re la t iv geringfiigige Anderung . Die E lek t rophorese is t moist in F o r m einer le iehten A l b u m i n v e r m i n d e r u n g zu- guns ten der c~- oder y-Globul ine ver~nder t . En t - spreehend den gelegent l ichen Ande rungen des E lek t ro - phoresed iag ramms ist aueh eine Abweiehung der Serumlab i l i t / i t s reak t ionen yon der N o r m naehweisbar . I) iese Befunde en tspreehen ~hnliehen Beobaeh tungen von WUtIRMANN und WUNDEI%LY 26, E M M R I C K 27 U. a. :Die Kupfe r - und E i senwer te im Serum zeigten ein nnterschiedl iches Verha l t en (Tabelle 1).

Hdimatologische Be/undo. I n all unseren Fg l l en zeigte das per iphere B lu tb i ld eine erhebl iche Ver- minde rung s~mt]icher Blutzel le lemente . I m Differen- t i a lb lu tb i l d war meis t eine re la t ive L y m p h o c y t o s e und eine Linksverseh iebung zu beobaeh ten (Tabelle 2),

I m S t e r n a l p u n k t a t war in den ers ten 6 F~l len eine erhebl iehe A r m u t an b lu tb i ldenden Zellen vorhanden , wobei die unrei fen Vors tufen der ro ten und weiBen l%eihe f iberwiegten. Demgegenfiber waren die Ret i - culumzel len vermehr t , tei lweise auch die Gewebs- basophi len. Diese Befunde lassen sich am ehesten un te r die 5. Gruppe der yon HEILMEYEt~ 25 angegebenen E in te i lung der Markb i lde r einreihen. Die F~l le 7 und 8 dagegen entsprechen mi t ihrem zellreichen Mark und der Vermehrung der nnrei fen Vors tufen der ro ten und weiBen g e i h e der 4~. Gruppe nach HEILMEYEI% 25.

Serologische Be/undo. Naeh den obengenann ten Techniken wurden die Seren auf erythroeyt/~re, l eukocyt~re und thromboeyt /~re An t ikSrpe r unter - sueht . H ie rbe i e rgaben sieh die in Tabel le 3 zusammen- ges te l l ten Befunde. Wie aus dieser Tabel le ersiehtl ich, konn ten gegen E r y t h r o c y t e n wi rksame A n t ikS rpe r nu t in Fa l l 1 in ganz geringffigigem Mage festgestel l t werden, es is t a l lerdings dazu zu sagen, dab diese sehon vor dem Auf t r e t en der P a n c y t o p e n i e vo rhanden waren (s. a.~4).

59c

Page 5: Über die pathogenetische Bedeutung von Antikörpern bei einigen Pancytopenieformen

920 W o ~ G ~ o ]V[i~LLER und Ji)RGEN W]~INREICII: Die pathogenetisehe Bedeutung yon AntikSrpern. Klinische Wochenschrift

Leukoeytenagglutinine wurden in Fall 1, 3, 7 und 8 gefunden. I m Fall 1 war naeh der ffir die AuslSsung der Paneytopenie verantwortlichen Arzneimittelgabe

Abb. 2. Leukocytenagglutinate bei Fall 7.

(Pyramidon) zun~tehst eine sehr starke agglutinierende Wirkung des Serums der Patientin auf eigene und

• ~? *. t :

ab, war naeh 4 Std nur noch sehwaeh und naeh 8 Std nicht mehr naehweisbar. I m Fall 3, 7 und 8 waren die AntikSrper dagegen fiber einen l~ngeren Zeitraum festzustellen. Die Agglutination der Leukoeyten war in Fall 7 und 8 im unverdtinnten Serum sehwaeher ausgepr~gt als in der NaC1-Verdfinnung. ])as Maxi- mum der Agglutinationsfi~higkeit lag bei Fall 7 bei der NaC1-Verdfinnung yon 1:16, bei FM1 8 bei 1:8. Bei einer Verdiinnung von 1:64 war jeweils keine Agglutination mehr zu beobachten (Abb. 2).

Thromboeytenagglutinierende Substanzen konnten in Fall 3 und 8 in geringem Mage, in Fall 7 bis zu einer NaC1-Verdfinnung yon 1:4 gefunden werden (Abb. 3). I m letzteren Falle zeigte die Agglutination ihre st~rkste Ausprggung in einer Verdfinnung yon 1 : 2.

Zusatz der Medikamente, die Ms mitauslSsende Faktoren der Erkrankung in Frage kamen, ver- s tarkten weder eine vorhandene Leukoeyten- oder Thromboeytenagglutination noeh wurde dadureh in den negativen F~llen eine solehe ausgelSst.

Der Thromboeyteneoombstest war, soweit ge- niigend Thromboeyten zur Ausffihrung desselben gewonnen werden konnten, negativ. In Fall I muSte aus teehnisehen Griinden auf die Ausffihrung des- selben verziehtet werden.

Leukolysine oder Thronibo- lysine konnten in keinem unserer F~lle beobaehtet werden.

In umfangreiehen Kontroll- untersuehungen, bei denen fiber 100 NormMpersonen erfagt wur- den, konnten yon uns niemals leukoeytare oder thromboeytare Antik6rper gefunden werden.

Die osmotisehe und meeha- nisehe Resistenz der Erythro- eyten war bei keinem unserer Patienten signifikant ver~ndert.

Besprechung der Ergebnisse. Die Atiologie der Pancyto-

penie ist heute weitgehend ge- kl~rt. Unter den versehiedenen Formen derselben (s. HEm-

,.:~:.:. ~ " 1~ . . . . .:~:~: MEYER 25, B U T Z E N G E I G E R 2s) t r i t t die ,,anaphylaktiseh-allergische" Gruppe immer mehr in den

Vordergrund, nieht zuletzt dutch den enormen Anstieg des Medikamentenverbrauehes und die Ein-

Abb. 3. Thrombocytenagglutinate bei Fall 7.

gruppengleiche fremde Leukocyten vorhanden, diese nahm jedoch im Verlauf der niichsten Stunden rasch

Tabelle 3.

Fall Blutgruppe

Ery~hrocyten

direkter AGT K~ilteagglutinin

I

1:32 t : 4 1 : 4 1 : 4 1 : 4 1 :32 1 : 4 1 :4

Leukocyten Thrombocyt(

Patientenserum Patientenzellen Sermn Zellen

aktiv NaCI Serum [ verdiinnt [ verdtinnt

: L - - 0 O O ¢ 0 ¢ ¢ ¢

A 1 Rh~ A~ Rh+ 0 g h ÷ A 1 Rh~ A 1 Rh-~

A~B Rh~ 0 Rhq- A 1 Rh-t-

Einzelheiten s. Text.

¢ (+)

1:32 1 :32

(+)

1:16 ±

0 0

T

in in eigenem fremdem Serum Serum

(inaktiv) (inaktiv)

( ± ) ¢

aktiv inaktiv

¢

(+) ( )

O 0 $ 0

(±1 :+~

Thrombo- eyten- A G T

,0 ,0

,0

Page 6: Über die pathogenetische Bedeutung von Antikörpern bei einigen Pancytopenieformen

Jg. 32, ]~efl~ 37/38 WOLFGANG ~ULLER u n d J i ~ E ~ WEINR:EIOI~: Die pathogenetische Bedeutung yon AntikSrpern. 921 1. Oktober 1954

fiihrung nener, hoehwirksamer, aber sehr differenter Arzneimittel.

Zur AnslSsung dieser Formen ist oft ein Zusaramen- wirken versehiedener Faktoren srforderlieh, wie z. B. neben einer ,,konstitutionellsn Knochenmarksdis- position" (ROAR29, a0) eine infektiSse2S, ~9-3a oder sins medikamentSss Seh/~digung. Ein Zusamraen- wirken mehrerer Faktoren k6nnen aueh wir in einem Teil unserer F&lle naehweisen. Einmal waren es der Paneytopenie vorausgehende langdauernde ehronisehe Infekte, dis, wie Roti~ 29, a3 besehreibt, sehon ihrer- seits zu einer Sehiidigung des Xnoehenmarks im Sinne einer ehroniseh-interstitiellsn Myelitis fiihren kSnnen. Zum andsrn waren an der Ausl6sung der Erkrankung Medikaraente beteiligt. Bei den rest- lichen F/~llen war 2ram nur ein infekti6ses Gesehehen vorausgegangen, bei einem Patienten konnte in der Anamnese weder ein Infekt noch irgendwelehe Arznei- raittelgaben sruiert wsrden.

Es handelt sich also bei unseren untersuehten Pat isnten um Paneytopenien, die medikament6s- Mlergiseh, dutch Infekte oder dutch ein Zusamraen- wirksn beider Noxen ausgelSst wurden oder zu den ,,idiopathisehen" Formen gereehnst werden miissen.

Die Pathogenese dieser obengenannten Formen ist im Gegensatz zu ihrer Xtiologie noeh umstritten. Neuere serologisehe Untersuchungen 1-19 geben zu der Frage Anlag, inwieweit Antigen-AntikSrpsr- reaktionen bei der Ausl6sung dieser Paneytopenien eine Rolle spielsn. Bei einer solehen Reaktion kSnn- ten einmal die im Mark lagerndsn Zellen irreversibel geseh~digt werden, worauf neuere Beobaehtungen bei An~mien ~ und Lsukopsnien ~, s~, ~ einen ttinweis geben, andererseits wgre denkbar, dab ein vermehrter Zelluntergang in der Peripherie dureh zirkulierende AntikSrper das Bild einer Paneytopenie hervorrufen kSnnte, wie er isoliert ftir bestimrate hi~molytisehe An&mien sehon seit 1/~ngerer Zeit bekannt ist und in neuerer Zeit aueh fiir gewisse Leukopenien und Throrabopenien festgestellt worden ist ~-~, 2~.

Bei der Entstehung der Zellseh/~digung wi~rsn drei Meehanismen vorstellbar:

1. Dureh Zufuhr yon Antigenen, wie Arznei- mitteln u. a., werden bei entspreehsnder Reaktions- bereitsehaft zellst/indige AntikSrper gebildet. Wird nun erneut das Antigen zugefiihrt, so t r i t t eine di- rekte Reaktion des Antigens rait dem zellst~Lndigen AntikSrper ein, wodurch eins Zellseh~digung her- vorgerufen wird. Eine solehs Rsaktion diirfte viM- leieht gerade bei den Mlergisch-anaphylaktisehen Formen der Paneytopsnie, die akut auftreten, eine Rolle spielen und sich haupts/iehlieh am Knoehen- mark, eventuell abet aueh in der Peripherie aus- wirken. Soweit diese F~lle dureh Arzneimittel, die Ms Haptene vorliegen, ausgelSst werden, mfissen sieh diese zun~ehst dureh Bindung an einen korrespon- disrenden EiweiBkSrper zu Vollantigenen entwiekeln.

2. Infolge Zufuhr yon Arzneimitteln oder infolgs gewisser Infektionen kann unter anderem eine Seh/~- digung der Blutzellelemente, sei es in der Peripherie oder im Mark, hervorgerufen wsrden, wodureh die eigenen Zellen dem Organismns entfremdet werden. Sie k6nnen dadureh antigene Eigensehaften erwerben und den Organismus zur AntikSrperbildung anregen. Es ist vorstellbar, dab die so gebildeten Antik6rper nieht nur gegen dis pathologisehen Zellen wirken

Klinische Wochenschrift, 82. Jahrg.

nnd zu deren Untergang fiihren, sondern auch eine Seh~digung der gesunden Zellen bewirken k6nnen. Hierbei handelt es sieh also ura AutoantikSrper.

3. Als weitere MSglichkeit w~re bei den Mlergiseh- anaphylaktischen Forraen eins Zsllseh~digung dnrch die bsi der Antigen-AntikSrperreaktion freiwerden- den Substanzen zu diskutieren, die sieh ebenfMls so- wohl anf zirku]ierende Ms auch ira Knoehenraark ruhende Zellen erstrecken kSnnte. Versehiebungen im I-Ieparingehalt des Blutes some Sch~digungen am Capillarsystem ira Rahraen des Mlergischen Ge- schehens bei der Entstehnng der Pancytopenie wur- den yon einzelnen Autoren erwahnt s~, ss

Diess Uber]egnngen sind zwar spekulativer Natur, seheinen uns absr am ehesten eine Erkl~rung und eine vorlgufige Arbeitshypothese zur Interpretation der klinisch-hamatologischen Ph~inorasns zu geben. Betrachten wit nun die aus der Literatur 25 bekann- ten und die von uns gefundensn morphologisehen

Knoehenmarksbefunde zusaramen rait unseren ssro-

logischen Untersuchungsergebnissen, so scheint uns eine Einteilung der hier besprochenen Pancytopenie- formen in 3 Gruppen mSglich:

1. Paneytopenien, bei denen eine Zellseh~idigung nach einem der erw~hnten 3 Meehanismen vorwiegend die im Mark ]agernden Zellen betrifft. Solche Formen zeigen dann eine Verminderung der spezifisehen Kno- chenmarkselemente, wobei in Einzelfgllen das eine oder andere System raehr betroffen sehl kann. Zirku- lierende AntikSrper sind in diesen F~illen rait den uns bisher zur Verftigung stehenden Mitteln nicht nach- zuweisen. Dieser Gruppe kSnnten unsere Fglls 2, 4, 5, wahrssheinlich aueh Fall 6 zugeordnet werden. Dsr lstztsre FM1 gehSrt in die Reihe der sog. ,,idiopathi- sehen" Paneytopenien, fiir deren Entstehung nach nnserer Meinung aueh Sensibilisierungen am ehesten eine Rolle spielen diirften.

2. Pancytopenien, bei denen die Zellschgdigung vorwiegend die zirkulierenden Zellen bstrifft. Solehs Forraen zeigen ein zellreiches Mark rait Verraehrung urLreifer Vorstufen der roten und weigen Reihs. In diesen F~llen sind zirkulierende AntikSrpsr raeist nachweisbar, die einen verstarkten peripheren ZelL untergang bewirken. Der hierdurch bedingte erhShte periphere Zellbedarf ffihrt zu einer verraehrten Aus- sehiittung reiferer Zellen aus dem Mark und einer ent- spreehend gesteigerten Xnoshsnmarksrsgeneration, wodurch einerseits der Zellreiehtum, andererseits die Linksversehiebung des Markes erklart wird. Es ist anzunehmen, dag bei diesen Fgllen die Linksver- schiebung nicht auf einer geifungshemraung beruht, sondern aus dem oben besprochenen Mechanisraus resultiert. Ob die dauernd gesteigerte Knoehenmarks- t~tigkeit sehliel~lich zu einer sekund~ren MarkerschSp- lung mit leerera Mark fiihren kann,ist noch nicht ge- kl~irt. Der Gruppe 2 m6ehten wit unsere F~lle 7 und 8 zuordnen, wenn wir auch erythroeyt~rs AntikSrper bei diesen F~illen bisher nieht findsn konnten. Welter kSnnte hierzu vielleicht aueh der Fall 5 yon DACSSE~ ~s und der yon MOESCHLr~ und seinen Mitarbeitsrn pu- blizisrts Fall ~9 zu reehnen sein. Da bsi disssn Forraen lediglieh eine periphere Paneytopenie ohne faBbare Zellsehiidigung im Mark zu beobaehten ist, wi~re die Frage zu erSrtern, ob diese Formen auch weiterhin noeh in die Gruppe der Panmyelopathien im engeren Sinns einzuordnen wgren.

60

Page 7: Über die pathogenetische Bedeutung von Antikörpern bei einigen Pancytopenieformen

922 WOLFGANG MffL~ER und Ji)RGEN WEINREICH: Die pathogenetische Bedeutung yon Antik6rpern. Klinische Wochenschrift

3. Pancytopenien , bei denen eine Zellschiidigung sowohl im Mark als auch in der Peripherie anzu- nehmen ist. Bei diesen Fi~llen ist wiederum eine Ver- minde rung der spezifischen t (noehenmarksze l len zu finden. Gleichzeitig kSnnen zirkulierende An~ikSrper in verschieden s tarkem AusmaB beobaehte t werden. Dieser Gruppe sind unsere F~]le 1 u n d 3 zuzuordnen, vielleicht kSnn ten hierher auch einige F~lle yon DAUSSET Is gerechnet werden. Gerade der yon uns mitgetei l te Fal l I (s. a. ~a) l~Bt den doppel ten Angriffs- p u n k t des seh~digenden Mechanismus im Mark u n d in der Peripherie erkennen. Das krisenartige, plStz- ]iche Verschwinden der Granulocy ten nach der fiir die AuslSsung der Paney topen ie verantwort ] ichen Medikamentengabe (Pyramidon) diirfte hierbei auf peripher nachweisbare leukocytenagglut in ierende Sub- s tanzen zuriickgeffihrt werden, w~hrend anderer- seits das Markbi ld u n d das Abs inken der Reticulo- cyten im Sinne einer gleiehzeitigen Marksehadigung zu werten ware. Die An~mie result ier te in diesem Fai l aus einer hi~molytischen K o m p o n e n t e und der erwiihnten Markschiidigung.

Das Vorliegen eines Toxins, das im Serum yon Paney topen iek ranken vo rkommen und zu einer L~sion zirkulierender wie auch im K n o e h e n m a r k liegender Zel]en fi ihren sell ~, konn t en wir in Analogie zu den Befunden yon WE~G~L~ und v. MuT~us a0 sowie BuT- z ~ o ~ a und GnATZ a~ nicht besti~tigen.

Die bei unseren bisherigen Un te r suehungen er- hobenen Befunde scheinen unsere Arbei tshypothesen zu stfitzen, reichen aber bei der k]einen Zahl noch n ieht aus, dieselben zu siehern u n d mfissen deshalb durch weitere Beobach tungen ergiinzt werden.

Zusammen]assung. Es wurde bei 8 Paney topen ien , die medikamentSs- bzw. infekti6s-allergisch ausgelSst waren oder zu der Gruppe der , , idiopathisehen" F o r m e n geh6rten, Un te r suchungen auf peripher wirk- same Ant ikSrper gegen Ery throcy ten , Leukocyten u n d Thrombocy ten vorgenommen. G]eichzeitig wurde den Knochenmarksbe funden besondere Aufmerksam- keit geschenkt.

Bei 4 dieser Fi~lle, die im K n o c h e n m a r k eine Ver- minderung aller spezifisehen Zellelemente aufwiesen, waren keine per ipheren Ant ikSrper naehzuweisen.

I n 2 weiteren F/~llen, die ebenfalls eine Ze l la rmut des Knochenmarks e rkennen lieBen, k o n n t e n zirku- l ierende Ant ikSrper gegen Leukocyten, teilweise auch gegen E ry th rocy t en und Thrombocy ten gefunden wer- den. Diese waren jedoch yon geringer Wirksamkei t oder nu r kurze Zeit nachweisbar, so dab ihnen fiir die E n t s t e h u n g der Pancytol0enie eine untergeordnete Rolle zugemessen werden kann .

Die rest l ichen beiden F/~lle zeigten gegen Leuko- cyten und Thrombocy ten gerichtete Ant ikSrper im peripheren Blur, die eine starke Agglu t ina t ion dieser Zellen in vi t ro verursachten. I n diesen beiden F/~llen war das Mark sehr zellreich und lieg eine deutliche Linksverschiebung erkennen. Der ausl6sende Fak to r dieser beiden Pancy topen ien wird in den zirkulieren- den Ant ikSrpern gesehen.

Die Pathogenese der beschriebenen Pancytopenie- formen wird diskut ier t und ein Ant igen-Ant ik6rper- mechanismus als aus]Ssende Ursache angesehen.

Es is~ auf G r und der erhobenen Befunde anzu- nehmen, dal~ durch die Ant igen-Ant ikSrperreakt ion e inmal mehr die im Mark lagernden Ze]len betroffen werden, t i n anderes Mal mehr die zirkulierenden Zellen durch die im Blur auf t re tenden AntikSrper zum Unte rgang gebracht werden. Kombina t ions - formen kSnnen als dr i t te MSglichkeit angenommen werden, bei denen Ant ikSrper im Mark u n d in der Peripherie wirksam sind. Die einzelnen Fo rmen dfirften dabei mi t mehr oder minder charakteristi- schen Markbi ldern einhergehen.

Nachtrag bei der Korrektur : Inzwischen konnten wir die Seren yon 2 weiteren Patienten untersuchen, die an einer Paacytopenie litten. I n beiden Fallen fund sich eine starke Verminderung der hi~mopoetisehen Knochenmarkselemente. In keinem der Seren konnten AntikSrper gegen Eryihroeyten, Leukocyten oder Thrombocyten festgestellt werden.

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