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602 XIV. Ueher eine neue Siiure im rnrnschfichen Harn; uon FK Heintz. D i e hijchst interessante und wichtige Abhandlung von L i e b i g iiber die Constitution des Hams der Meiischen und der tleischfresseiiden Thiere, wodurch er besonders die Abwesenheit der II’Iilchslure in dernselben darzuthun sucht, veranlafste mich, einen Theil dieser Arbeit in ei- ner etwas anderen Weise zu wiederholen, nicht als ob ich ail dcr Kichtigkeit dcr unmittelbareii Resultate des Ex perilnen ts zweifclte , sondern wcil darin eine Voraus- setzuns gemacht war, die inir bei einer so hocli wichti- gen Saclie erst durch Versuclie dargcthan werdeu zu mus- sen schien. L i e b i g nimint nbimlich als gewik an, dafs, weil die MifchsPure durch Feulnifs nicht zcrstijrt werde, sie auch im faulenden Ham nicht verzndert werden kiinne. Jenes ist null zwar allgcineiii anerkannt; allein ob bei der Frulnifs des Harris nicht UmstYnde obwalten, wel- che die Zerstiirung der RiIilchshre veranlassen kiiniiten, das schien mir, obgleich es nicht wahrscheinlich war, den- nocli erst durch Versuche dargetlian werden zu rniissen. Deswegen nahni ich zur Auffindung der Milchszure iin Harn nicht gefaulten, wie L i e b i g , sondern frischen, an dem Tage, an welchein er abgedainpft wurde, erst gelassenen IIarn an. Icli behandelte ilin iihnlich, wie Jener, jedoch inu€ste ich wegen Anwesenheit des Ham- stoffs einen etwas anderen Weg einschlagen. Etwa 50 Pfund von inehreren gesiiiiden jungen Man- nerii gelassenen Harns wurdcn zrierst iiber freiem Feuer, dam im Wasserbade abgedampft , das erlialtene Extract init Alkohol, ivelcher mit der hiureicheuden Menge ver- dunnter Schwefelslure versetzt war, ausgezogen. Die saure Aufliisung wurde mit Bleioxgd gesgttigt, der er-

Ueber eine neue Säure in menschlichen Harn

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XIV. Ueher eine neue Siiure im rnrnschfichen Harn; uon FK H e i n t z .

D i e hijchst interessante und wichtige Abhandlung von L i e b i g iiber die Constitution des Hams der Meiischen und der tleischfresseiiden Thiere, wodurch er besonders die Abwesenheit der II’Iilchslure in dernselben darzuthun sucht, veranlafste mich, einen Theil dieser Arbeit in ei- ner etwas anderen Weise zu wiederholen, nicht als ob ich ail dcr Kichtigkeit dcr unmittelbareii Resultate des Ex perilnen ts zweifclte , sondern wcil darin eine Voraus- setzuns gemacht war, die inir bei einer so hocli wichti- gen Saclie erst durch Versuclie dargcthan werdeu zu mus- sen schien. L i e b i g nimint nbimlich als gewik an, dafs, weil die MifchsPure durch Feulnifs nicht zcrstijrt werde, sie auch im faulenden Ham nicht verzndert werden kiinne. Jenes ist null zwar allgcineiii anerkannt; allein ob bei der Frulnifs des Harris nicht UmstYnde obwalten, wel- che die Zerstiirung der RiIilchshre veranlassen kiiniiten, das schien mir, obgleich es nicht wahrscheinlich war, den- nocli erst durch Versuche dargetlian werden zu rniissen.

Deswegen nahni ich zur Auffindung der Milchszure iin Harn nicht gefaulten, wie L i e b i g , sondern frischen, a n dem Tage, an welchein er abgedainpft wurde, erst gelassenen IIarn an. Icli behandelte ilin iihnlich, wie Jener, jedoch inu€ste ich wegen Anwesenheit des Ham- stoffs einen etwas anderen W e g einschlagen.

Etwa 50 Pfund von inehreren gesiiiiden jungen Man- nerii gelassenen Harns wurdcn zrierst iiber freiem Feuer, d a m im Wasserbade abgedampft , das erlialtene Extract init Alkohol, ivelcher mit der hiureicheuden Menge ver- dunnter Schwefelslure versetzt war, ausgezogen. Die saure Aufliisung wurde mit Bleioxgd gesgttigt, der er-

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haltene Niederschlag abfiltrirt, die Fliissigkeit stark ein- gedampft und der in dieser concentrirten Auflbsung er- haltene Harnstoff mit reiner Oxalsaure gefallt. Ich er- hielt bei dieser Gelegenheit eine bedeutende Menge oxal- sauren Hariistoffs, der durch Abwaschen init Wasser und einmaliges Umkrystallisiren sich vollkominen weirs und in grofsen Kryslallen abschied. Die von deinselben ab- geprefste, von Harnstoff fast freie Flussigkeit wurde zur Trockne abgedampft, init Alkohol ausgezogeu und diese Aufl~suiig zur Ahscheidung des Natrons mit verwitterter Oxalsaure versetzt. Das oxalsaure Natron wurde abfil- trirt, das Filtrat mit Bleioxyd gesattigt und darauf mit basisch essigsaurein Bleioxyd gefiillt. Ails der vom Nie- derschlage durch Filtration befreiten Fliissigkeit wurde (lurch Schwefelwasserstoff das Blei entlernt, und das im Wasserbade concentrirte Filtrat init Baryterdehydrat ge- kocht, wobei eine reicbliche Amiiioniakeiitwickliing statt- faud. Das in der Aufliisung erhaltene Barytsalz wurde clarauf mit schwefelsaurem Zinkoxyd so zerlegt, dafs nur ein geringer Ueberschufs von diesem in der Fliissigkeit blieb. Sie wurde darauf stark eingedampft, worauf sich feine mikroskopische Krystallchen abschieden, die ich an- fznglich fur milchsaures Zinkoxyd hielt. Durch das Mi- kroskop aber iiberzeugte icb mich bald yon ihrer Ver- scbiedenheit. Das milchsaure Zinkoxyd bildet udmlich Nadeln, die an den Enden zweiflachig zugespitzt erschei- uen, wogegen die Krystalle des aus dein. Harn erhalte- nen Zinksalzes durch eine gerade Endtlache begriiuzt wa- ren. Um mich von der Natur der Saure zu iiberzeugeo, an welcher das Zinkoxyd in diesem Salze gcbunden war, schied ich die Krystallchen mit moglichster Sorgfalt VOII

der Mutterlauge, prebte sie zwischen Fliefspapier aus, liiste sie in vielem kochenden Wasser, welches nur in grolser Quantitat nngewendet sie vollstandig aufnahm, uiid li,ei's durch's Erkalteu krystallisiren. Die Mutter- lauge gab beim allmaligen Abdampfen uoch mehr Kry-

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stalk. Sic wurden slinintlich von Neuein von der an- hangenden Fliissigkeit durch Abpresscn gesondert.

Das auf auf diese Wei se erhaltcne Zinksalz hatte noch einen schwachen Stich in’s Griinlicligelbe, war also wohl noch nicht ganz rein, obgleich seine Aufliisung ganz farblos war. Aus diesein Salzc suclite icli die Saure durch Schwcfelwasserstoff rein darzostellen, was auch vollkoinmcu gelang. Zu dcin Zweck liiste ich es in ko- cliendcin Wasser a d , und leitete durch diese Liisung Schwefelwnsserstoff. Nach Abscheidung des Schwefcl- zinks enthielt die Losung keiue Spur i n c h von Zinkoxyd. Die stark sauer reagirende Aufliisung ivurde durcli Ko- chcn von iiberschussigem Sclirvcfel~vasserstoff bcfrcit und iin Wasscrbatle cingctlampft. Bci starker Coiiccntration der Flussigkeit scliicd sicli die S iu re in prismatischen Krystallen a b , die vicrscitige, mie cs schien, rechtmink- liclie Siiulen und Tafcln biltleten.

Diese Siiurc liist sich also sehr leiclit in Wasser auf, und krystallisirt leiclit uiid deiitlich, durcli welche Ei- genschnften sic sich vollstiinclig von Hippurs:iure und Narnsiiurc cinerseits, voii der Milclisliure andcrcrscits un- tcrsclicidct , welche S8urcn dic eiiizigcii organischen Ur- sprungs sind, t h e n Anwcsenhci t iiii H a m bisher ange- Iioininen wurde. Durch dieses Resultat incincr Untersu- chung wird also erstens die Abwesenheit der bIilchsSure aurh im frischen H a m , zweitens aber die Anwesenheit ciner neuen Saure in demselbeii erwiescn. D i c k ist ein neuer Beweis, dafs diejcnigen Materien, ~velclie wir Es- tractivstoffe zu nenncn pflcgen, so rccht eigcntlicli Fuiid- griiben sind fur cheinische Forschungcn, und es ist wohl nicht zu bezweifeln , dafs manche dcrsclben cine wichti- gere Rolle im thierischen Kiirper spielen, als man bis- lier der Meinung war. Ob dieki von der von mir aufgc- fundenen iieuen Siiure gcsagf. merdcn tlurfe, iiiusscii erst weitere Untersuchungen lehren. Bis jetzt habc ich die Siiurc erst ein Ma1 dargestellt, es bleibt also zunachst

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nachzuweisen, ob sie in jedem menschlichen Harn fertig gebildet vorkommt, oder ob sie sich nur zuweilen darin fiiidet, oder erst durcli die Operation bei ihrer Darstel- liing gebildet wird. Im ersteren Falle wiirde dadurch oline Zmeifel die geistvolle Ansicht L iebig 's iiber die saure Reactiou cles Harm SO modificirt werden, dafs aucli ihr ein Theil derselben zugeschriebeii werden miifste. Ich hoffe diefs durcli weitere Untersuchung dieser Slure spliter entsclieiden zu kiiunen.

Ihre Eigenschaften sind folgende : .\Vie ich schon erwiihnte, ist sit: in Wasser leiclit

liislich, und scheidet sich daraus beim Abdampfen in Kry- stallen ab. Diese Liisung riithet stark Lackmuspapier und schineclit sauer. Aucli Alkoliol liist sic auf, jedocli nicht ganz so leicht, wie Wasser; Aetlier aber nimmt nur wenig odcr gar nichts davon auf. Auf dern Platin- blech erhitzt, schinilzt sie, indem sie sicli hraunt, uud lab1 eine scliwer verbrennliche Kohle zuriick , welclie aber durch stiirkere Hitze vollstzndil; verschwindet.

Aos der Darstellungsweise geht liervor, dafs diese Snure mit Zinkoxyd eiii sehr schwer liisliches, in mikros- kopischen Krystallchen sich absclieideiides Salz bildet. Uebersatfigt man die Saure mit Ammoniak und darnpft die Fliissigkeit iin Wasserbade ein, so entweicht so vie1 Anmoniak, dafs sie wieder sauer reagirt; dainpft man sie zur T r o c h e ein, so dab alles Ammoniak, mas bei tlie- ser Teinperatur entweichcn konnte, entfernt ist, und ver- setzt die Masse mit kaustischem Kali, so entwickelt sicli noch Aminoniak in nicht unbedeutender Menge. Es scheint daher diese Slure, wie so viele organische C" auren, saure Salze zu bilden. Dieses so erhaltene Ammouiak- salz ist iin Wasser etwas scliwerer liislicli als die Sitire selbst. Siittigt inan die Siiure geuan mit Kali, so bildet sich eiii leicht liisliclies Salz, dessen Aufliisung ini t schwe- fclsaurein Kupferoxyd versetzt keineii Niederschlag gieht. Aus dieser Mischung wird das Kupferoxyd durch eiuen

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Ueberschufs vou Kali nicht gefiillt, die Farbe der Lo- sung wird aber etwas dunkler. Essigsaures Bleiosyd gab daniit nur cine schwache Trubung, die hiichst wahrschein- lich von einer geringeii Menge einer Verunreinigung her- ruhrte. Durch salpetersaures Silheroxyd erhielt ich keine Fiillurig, uud diese Mischuiig wurde, nachdein sie ammo- niakalisch gemacht war, durch Kochen nicht ver8ndert. Eiiie init Ainiiioniak neutral geinaclite Liisung von Ei- senchlorid gab mit dcrselben keiiicn Xiederschlag. Sic untci~scheidct sicli also aucli durcli diese Reaction von der Hippursiiute. Liisriiigeii von Alaui!, Clilorbaryum uud Clilornatriuiii gabcn damit kcineii Niedcrsclilag, letz- tcre aucli niclit, wemi. sic vother aininoiiiakalisch gemacht word en mare 11.

Die Zusainmensetzung diescr Siiure habe ich noch niclit besliiiiineii kiiiiiicii, weil die Quantitiit derselben, welche icli aus dcii aiigcweiidetcn 50 Pfund Harn erhielt, iiiir sehr gcring war. Sie betrug etwa eincn halben Grainm. Zutlcln war sic nicht eiiinial vollkoiiiinen weirs; ich 1i:ittc also bci ihrcr Reinigung gewifs noch bcdeiitend dnvon einbufscii miissen. Icli wage dahcr auch iiiclit ihr eineii Nainen bcizulegcn, da cs sehr iniiglich ist, dafs sic mit eiiier voii den Sliurcii identisch wYre, welche a u s dcr Harrisiiure inittelst verscliiedener Reagcntien erhalten wer- den. Dafs sic aber Stickstoff in grofset Menge eiithYlt, habe icli leicht nachweisen kijnnen. Ich bediente mich dazu der Methode, nach welcher eine kleine Menge der Substaiiz mit Nalrium in einer an eiiiein Ende zuge- schinolzenen Kiilire gegluht, die gegluhte Masse mit Was- ser ausgezogen, uiid die filtrirte Flussigkeit init einer EiseiioxydullBsung und dann i i i i t SalzsYurc versetzt wird. Es enlstaiid bei meinem Vcrsuch ein starker blauer Nie- derschlag voii Eiseocyaniircyanid.

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