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JUSTUS LIEBIG’S ANNALEN DER CHEMIE. 487. Bend. Ober sterische Hinderung in Bruckenringen (Bredtsche Regel) und fiber die meso-trans-Stellung in kondensierten Ringsystemen des Hexamethylens; von J. Bredt. [Aus dem organiechen Laboratorium der Techniechen Hochechule Aachen.] (Eingelaufen am 4. Febrnar 1924.) Anf Grund nnserer Vorstellungen uber die Lage der Atome im Ranm kann in den Systemen der Camphan- und Pinanreihe, sowie in ihnlich konstituierten Verbindungen von den Ver- zweignngsstellungen A und B der Kohlenstoffbriicke (den Briicken- ktipfen) eine Kohlenstoffdoppelbindung nicht ausgehen. A A LC-c c-c-c I/’ I c-c-c B c-c-c I C i B Diese von J. Bred t anfgestellte Regel hat in zahlreichen Fallen l) ihre Bestatignng gefunden, gegenteilige Annahmen lielen sich in keinem Fall aufrecht erhalten. Es durfte daher an der Zeit sein, die diesbeziiglieh bisher festgestellten Tatsachen knrz znsammenzufassen. Im AnschluD daran werde ich zeigen, da8 sich die in ortho-St ellung kondensierten Hexamethylenringe wesentlich anders verhalten als die Bruckenringe, so daD es anch aus diesem Grnnde geboten erscheint, zwischen den beiden s) Bredt, Houben nnd Levy, B. 3b, 128 (1902); Bredt A. 396, 26 (1918); Bredt nnd Holz, J. pr. [2] 95, 134, 174 (1917); Mohr, J. pr. [2] 98, 826 (1918); P. Lipp und C. Padberg B. 64, 1317 (1921). Anaalen der Chemle 487. Band. 1

Über sterische Hinderung in Brückenringen (Bredtsche Regel) und über die meso-trans-Stellung in kondensierten Ringsystemen des Hexamethylens

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Page 1: Über sterische Hinderung in Brückenringen (Bredtsche Regel) und über die meso-trans-Stellung in kondensierten Ringsystemen des Hexamethylens

JUSTUS LIEBIG’S ANNALEN DER CHEMIE.

487. Bend.

Ober sterische Hinderung in Bruckenringen (Bredt sche Regel) und fiber die meso-trans-Stellung in kondensierten Ringsystemen des Hexamethylens;

von J. Bredt.

[Aus dem organiechen Laboratorium der Techniechen Hochechule Aachen.] (Eingelaufen am 4. Febrnar 1924.)

Anf Grund nnserer Vorstellungen uber die Lage der Atome im Ranm kann in den Systemen der Camphan- und Pinanreihe, sowie in ihnlich konstituierten Verbindungen von den Ver- zweignngsstellungen A und B der Kohlenstoffbriicke (den Briicken- ktipfen) eine Kohlenstoffdoppelbindung nicht ausgehen.

A A L C - c c-c-c

I/’ I c-c-c B

c-c-c I C i B

Diese von J. B r e d t anfgestellte Regel hat in zahlreichen Fallen l) ihre Bestatignng gefunden, gegenteilige Annahmen lielen sich in keinem Fall aufrecht erhalten. Es durfte daher an der Zeit sein, die diesbeziiglieh bisher festgestellten Tatsachen knrz znsammenzufassen. Im AnschluD daran werde ich zeigen, da8 sich die in ortho-St ellung kondensierten Hexamethylenringe wesentlich anders verhalten als die Bruckenringe, so daD es anch aus diesem Grnnde geboten erscheint, zwischen den beiden

s) Bredt, Houben nnd Levy, B. 3b, 128 (1902); Bredt A. 396, 26 (1918); Bredt nnd H o l z , J. pr. [2] 95, 134, 174 (1917); Mohr, J. pr. [2] 98, 826 (1918); P. L ipp und C. Padberg B. 64, 1317 (1921).

Anaalen der Chemle 487. Band. 1

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2 Bred t ,

Klassen von polycyclischen Verbindungen eine schhrfere Grenze zu ziehen, als ea bisher geschehen ist I).

Es gelingt nicht, Bromwasserstoff aus dem bicyclischen Bromcamphersaureanhydrid (I) abzuspalten, obgleich nach Sna- l oge bei einkernigen Ringen die Vorbedingungen hierf fir gegeben sind 3: so entsteht z. B. ans der monocyclischen Bromcampher- same bzw. deren Ester (11) unter Bromwasserstoffabspaltung die Uehydrocamphersaure (111) CH,---CBr- CO CE,-CBr-CO,R CH-C-CO,H

I I I I

CH3- T * Me---CO,H

CMe, \o, I1 CM% 1 111 I I 1 I /

CH,-CMe-CO,R

Andererseits ist die freie Dehydrocamphersaure LII nicht zur Bnhydridbildnng beflhigt. Zwingt man sie dnrch trockene L)estillation oder durch Kochen mit Essigsaureanhydrid zur Wasserabspaltnng, so geht sie nnter Zwischenbildung eines polymeren Anhydrids 3, in das Anhydrid der Isodehydrocampher- sanre (IV) uber.

CH,-CMe-CO

CH-CH-CO CMe,--C-CO,H

H,-CMe43O9H /

H-CMe-CO In der Isodehydrocamphersanre liegt die Kohlenstoff doppel-

bindnng nicht mehr am Bruckenkopf, die -4nhydridbildung ist dadurch miiglich geworden.

Dehydroisof~nchosuure 4, (V), fur sich oder mit Acetylchlorid erhitzt, gibt ebensowenig wie Dehydrocamphersaure ein Anhydrid.

Broncampher (VI) ist nicht befahigt, Bromwasserstoff ab- znspalten und einen ungesattigten Campher (VII) zu bilden "):

CH,---CH-CHBr CHs- C=CH -HBr I

1) Bredt und Savelsberg, J. pr. [2] 97, 22 (1918) vgl. RuziEka und

9) Aschan, B. 27, 1440 (1894); Bredt , Houben u. Levy, B. 35,

7 Siehe den experimentellen Teil. ') Toivonon, A. 419,178 (1919). *) Aschan, a. a. 0.

S t o l l , Helv. VI, 851 (1923).

1286 (1902); A. 396, 26 (1913); J. pr. [2] 96, 134 (1917).

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Uber sterische Hinderung in Briickenringen usw. 3

weil hier die Kohlenstoff doppelbindung am Bruckenkopf liegen wiirde.

Die Formel VII wurde von Angelil) dem Camphenon ZK- geschrieben, welches am Diazocampher (VIII) durch Abspaltnng von Stickstoff entsteht. B r e d t und Holza) zeigten dagegen, daS bei dieser Reaktion keine ungesattigte, sondern eine cy- clische Bindnng neu gebildet wird unter Entstehnng des P-Peri- cyclocamphanons (IX). Mnige weitere Belege fur die B r e d t - sche Regel Bind in den nachstehenden Formelgleichnngen gegeben.

CH

H,-h. Me-CO a)

CH,-C - CH

g!.#.cht' C .Me, -4 I i Dehydrocamphan

CHS-CH-CH

CHs-CH-CH(0H)

CHs-C . Me - CH, Epiborneol

Ha-C . Me - CH Bornylen 7

CH,---CH-C.Mep

Camphenilen s,

H,-CH-CHC1 I Camphenilyl~hlorid~) L--

Santen4

I) G. 24 11, 44, 317 (1894); B. 28, 819 (1896). 3 J. pr. [2] 96, 134 (1917). ') B r e d t u. Perkin , J. pr. [2] 89, 255 (1914). 3 J a g e l k i , B. 32, 1503 (1899). 'j) H i n t i k k s u. K o m p p s , A. 887, 293 (1912). 6 ) Sernmler u. B a r t e l t , B. 41, 129 (1908); vgl. Meerwein , A. 405,

184 (1914); Komppa u. H i n t i k k a , C. 1917 I, 640. 1*

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4 Bredt,

CH,-C-- -~---qoH)

i gibt nloht: + * I I I

C . Me,

UH,-C.Me- 0 Isocampherchinon l)

H,C c.&

0 CH,- C- CO

Y %C CH,

!I Y

1 CE,-CH-CO

L*-i:2(lo Campherchinon 1 CH,-C--CO

-+ I I --t I I CHg-CH-CO CH,--CbC(OH)

I I CH, CH,

ortho-Ketopnlegon 1)

An der Stelle, wo im Campherchinon die Rrtickenbindnng aufgehoben ist, kann die doppelte Kohlenstoffbindnng im Ring unbehindert anftreten, so daS Enolisierung des o-Ketopnlegons erfolgt.

In Qemeinschaft m i t Th. Doerenkamp habe ich die Ver- suche von Manasse und Samueld) zur Bromierung des Campherchinons unter verschiederlen Bedingnngen wiederholt, um womiiglich zum Bromcampherchinon (X)

CH,-CBr-CO C. Mq-CH-CH, I

C.Meg , XI I CE, 1 , Cq-C. ‘ I I Me-CO ho-cnr-c€& I

zn gelangen, eine Verbindung, die sich nach Analogie des Bromcamphers leicht bilden sollte. Es ist uns aber nicht ge- Iungen, hier zum Ziel zu kommen; ebensowenig war es M. B r e d t - S a v e l s b e r g moglich, das Camphenilon zu bromieren und daraus Bromcamphenilon (XI) zu gewinnen. Das Camphe- nilon geht wohl mit Brom eine tief rot gefarbte, feste Mole- kularverbindnng ein, aber beim Erhitzen im geschlossenen Rohr findet keine Substitution in or-Stellung zum CO-Rest statt; steigert man die Temperatur , so tritt unter Bromwasserstoff- Entwicklung Zerfall ein. Wir fuhren diese auffallende Er- scheinnng bei Campherchinon nnd Camphenilon auf dieselbe

I) Manasse u. Samuel , B. 31, 3259 (1898); vgl. B. 36, 3839 (1902). 3 B r e d t , Rochussen u. Monheim, A. 314, 389 (1900). 3, B. 30, 3160 (1897).

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Ubet sterische Iiinderung in Bruckenringen usw. 5

sterische Hindernng zuruck, die wir in den zahlreichen vorher besprochenen Beispielen kennen lernten.

Die Bromiernng von Ketonen ist nnr scheinbar eine Sub- stitution, in Wirklichkeit aber eine Additionsreaktion l), bei der sich znnilchst die Enolform des Eetons bildet, die nach der dddition von Brom 1 Mol. Bromwasserstoff abspaltet:

CQ-CO ---+ CR===C(OH) CEIBr-C<OH %+ CHBr-CO , I I I I I I Br I I

In Ubereinstimmnng mit der Bredtschen Regel kann weder im Campherchinon noch im Camphenilon die Enolisiernng znstande kommen. Ans demselben Grunde reagiert Camphe- nilon nicht mi t Natrinm a)); das betreffende Natrinmenolat hat keine Existenzmoglichkeit. Nach dem hier Gesagten ist nicht daran zn xweifeln, dab die Konstitutionsformeln fur Fenchene 3,

( X I I nnd XIII) und die Formeln fur Nitrosopinen und Pinyl- amin (XIV), die von W a l l a c h nnter Vorbehalt gegeben wnrden:

XI1 XIII XIV nicht anfrecht zu erhalten sind.')

In zwei friiheren Abhandlnngen6) habe ich an Hand von Keknlhschen Atommodellen gezeigt, daS eine betrlichtliche Spannnng in den Molekiileu herrschen mubte, wenn es mtjglich wlire, die in dieser Abhandlung bisher anfgefiihrten Substannen mit Kohlenstoff doppelbindungen an den Bruckenkopfen dar- znstellen. Der RingschluS muSte hier in einer mittleren Lage zwischen cis- nnd ci~-trans-Stellung erfolgen, die ich als meso- trans-Stellnng bezeichnet habe. Wie die c~-traiis-Camphersgiure ein Anhydrid nicht xu bilden vermag, so ist auch die meso-trans- Dehydrocamphersanre (HI) d a m nicht befilhigt e), weil der Ab-

I) Lapworth, Moc. 86, 30 (1904); Kurt H. Meyer, A. 3210,212 (1911). *) RueiEka, B. 60, 1364 (1917), FuEnote 6. 3 Konr. Rarte l t , Terpene und Campherarten, S. 91. ') W a l l s c h , A. 268, 346 (1890); 268, 197 (1892); SOO, 287 (1898);

R n s i i k a u. T r e b l e r , Helv. IV, 566 (1921).

9 Siehe den experimentellen Teil. A. 396, 26 (1913); J. pr. [2] 95, 134 (1917).

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6 B r e d t ,

stand der Carboxyle den zweiten RingschluD unmoglich macht. Dagegen ist dieser meso-trans-Ringschlnll zwischen benachbarten Kohlenstoffatomen im Cyclohexan sehr wohl moglich, wie die nachfolgende Anseinandersetznng zeigen wird.

Sac h s e I) hat darauf hingewiesen, daS im Trimethylen-, Tetramethylen- und Pentamethylen-Ring die Ablenkung der Valenzrichtungen von der Geraden uud damit die Spannung dann am geringsten ist, wenn die Schwer- punkte der Ringkohlenstoffe in einer Ebene liegen. GemBE A. v. B a e y e r s Auffaesung, der sich die meisten Chemiker bisher angeechlossen haben, eollen auch im Hexamethylen die sechs Ringkohlenstoffe in einer und der- selben Ebene angeordnet sein, obgleich dabei eine Valeneablenkung von 5O16' nach der AuBenseite des Ringes erfolgen muflte.

Sac h s e nimmt dagegen fur das Hexamethylen zwei Normal- konfignrationen an, welche ohne jede Spannung sind:

1. eine starre sylnmetrische Konfiguration, 2. eine labile, ewischen zwei Endpunkten ~pannungslos drehbare

Konfiguration. Da diese beiden Konfignrationen die Existenz einer gro6eren Zahl

von isomeren Derivaten des Hexamethylene voraussetzen, als tatsiachlich bekannt sind, so fand die Sachsesche Theorie zugunstexi dar Bayerschen Auffaasung zunachet fast allgemeine Ablehnung. M 0 hrP) machte, um dieeen Widersprnch zu besaitigen, die Annahme, dab die beiden S a c h s e - echen Formen durch Umklappen (Version) leicht ineinander iibergehen konnen und dadurch wie eine einzige Form erscheinen.

Wir wollen fur nnsere weitere Betrachtnng der Hexa- methylen-o-dicarbonsanren die zweite Konfignration des S a c h s e - schen Modells s, zngrnnde legen. Dieses Modell ist zwischen zwei Endpunkten spannnngslos drehbar. Bei der Drehung

I) B. 23, 1363 (1890); Z. phys Ch. 10, 203 (1892); 11, 185 (1893). ') J.pr. 98, 318 (1918); vgl. A. W e r n e r u. E. C o n r a d , B. 32, 3046

(1899); S o h r a u t h n. G o r i n g , B. 66, 1900 (1923); M e e r w e i n , A. 104,168 (1922); M e r l i n g , A. 278, 54 (1893); v o n W e i n b e r g , Kinetische Theorie der Kohlenetoffverbindungen, S. 48, Braunschweig. Vieweg & Sohn, 1914.

a) Man konstruiert dieses Modell zweckmiiflig in der Art, da8 man die seche Tetraeder, welche aun hartem Hole hergestellt sein mtiissen, au j e zwei ihrer Ecken dnrch eingelassenc Stricknadcln eng miteinander ver- bindet und die Kugeln, welche die Wasserstoffe im Hexamethylen dar- stellen, mit kleinen Schrauben befestigt, so da6 sie snsgewechselt werden konnen; Abbildung auf S. 112 der Studie iiber die riiumliche Konfiguration des Camphers nnd einiger seiner wichtigeten Derivate von J. B r e d t (Aus der Festschrift Ad. W i i l l n e r gewidmet eum 70. Qebnrtatag, 13. Jnni 1906), Verlag von B. G. Teubner, Leipzig. Der Verfasser ist gern bereit, auf Anfrege gegen Einsendung des Portos die Scbrift zuzuschicken.

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Uber stei-ische Biderung in Briickenringen usw. 7

gehen j e zwei an benachbarten Kohlenstoffen in cis-trans-Stellung befindliche Wasserstoil'e in die meso-trans-Stellung uber, nm dann bei weiterer Drehung in die eis-tran.r-Stellnng zuriick- zukehren. l) Ich bezeichne daher als die meso-tram-Stellnng von cis-trans-Snbstitnenten an 1,2 Kohlenstoffen des beweglichen Hexamethylenringes die mittlere Lage rnit kleinstem Abstand der Subs titnenten, welche beim Wendepunkt der Drehung ein- genommen wird.

Das Tetrahydrobenzol rnit einer doppelten Kohlenstoff- bindung ist, woranf bisher noch nicht hingewiesen wurde, ebenfalls, aber nur teilweise nnd beschrankt nm die Tetraeder- achsen drehbar, das Dihydrobenzol rnit zwei doppelten Bin- dungen ist starr, wie das Benzol.

Folgt man dem Leitsatz der Stereochemie, der die Grund- Iage der ganzen Konfignrationsbestimmung bildet: ,,d@ intra- molekulare Beaktionen, im besonderen solehe, die zu einem intra- molekularen RingschIuP fuhren, urn so leichter erfolgen, j o benach- barter die den Ringschlup vermittelnden Gruppen im MoEeRiil sind" =), NO kommt fur die mit Hexamethylen kondensierten Ringe neben der cis- nur die meso-trans-Stellung, aber nicht die cis- trans-Stellnng in Betracht; denn die ortho-standigen Kohlenstoffe des an dae Hexamethylen angeschlossenen zweiten Ringes sind in der meso-trans-Stellung naher zusammengeruckt als in der cis-trans-Stellung, so daS der nm die Valenzachsen bewegliche Hexamethylenring sich nach obigem Leitsatz in die begdnstigte meso-trans-Lage einstellen mud.

In den Anhydriden der hydrierten PhthalsLnren hat man es mit einer Kombination von einem Kohlenstoff-Sechsring mit einem funfgliedrigen, sanerstoffhaltigen Ring zu tun, welche in ortho-Stellung aneinander gefiigt sind. Diejenigen Anhydride dieser Reihe, welche man bisher allgemein als cis-trans-dnhydride bezeichnet hat, tragen diesen Namen zu Unrecht, sie sind als meso-trans-Anhydride aufzufassen, die sich zu cis-trans-Sanren aufspalten und beim Erhitzen in die cisdnhydride umlagern lassen.

I) In der zweiten von S a c h 6 e angenommenen etabilen, sgmmetrischen Konfiguration des Hexamethylens gibt es fur ortho-Substihenten nur die meso-trans-Stellung.

p, A. Werner, Lahrbnch der Stereochemie, S. 166.

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8 B r e d t ,

210--axp CH,-CH,-CH-CO XV CH,--CB*-CH

I I CH,-CE&-CH--CO

naapo-trans-Hexahydro-o-phthal- isomere &-Form'), siiure-anhydrid, Schmelzp. 140° Schmelzp. 320

XVI CH-CH,--bH

O L O CH- CEIB-CH-CO

I It &H-CQ - CR-CO

-0-tram- A,-Tetrahydro-o-phthal- isomere &-Form *), n#iLniwanhydrid, Schmelzp. 140° Schmelzp. 580.

oc-0 CH-CHS- CH-CO

XVII CH-CH -C * I II CH-CHe-CH-

&I-CH.-CH-CO ' I I

meso-trans- AsA-Dihydro-o-phthal- eks-d'~4-Dibydro-o-phthelsiiure- sfiure-anhydrid, Schmelzp. 103O

Der Ring in der cis-trans d3~~-'-l)ihydro-o-phthalsanre (XVI11) ist starr nnd daher nicht in die meso-truns-Stellnng zii drehen.

anhydrid, Schmelzp. 134O

HC

H c7' HOOCCH XVIIL I I

%H Dime SiiuteS) ist eine echte cis-trans-Saure und gibt als solcfte keia Anhydrid, sie geht mit Essigshreanhydrid in das Anhydrid der cis-Form, Schmelzpnnkt 99 O iiber.

Es gibt also im Sechsring zwei Arten von mego-trans-Stel- lnngen:

1. Die meso-trans-Stellnng an einfach gebnndenen Kohlen- stoffatomen, wie sie Hexahydro-o-phthalslnre-anhydrid (XV) nnd d4-Tetrahydro-o-phthalsanre-anhydrid (XVI) zeigen.

2. Die meso-trans-Stellung an doppelt gebnndenen Kohlen- stoffen, wie sie im dg4-l)ihydro-o-phthalsanre-anhydrid (XVII) vorlieg t.

Andererseits sind .analog der cis-trans d16-Dihydro-o-phthal- s h r e [XVIII) folgende 1,2- Dicarbonsaaren mit starren Ring-

I) Baeyer , A. 268, 214 (1890). 8) Baeyer , A. 269, 161 u. 204 (1892).

*) A. 269, 202 (1892).

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Uber stsrische Hiderung in BnZckenringen w w . 9

systemen in der cis-trans-Form nicht befiihigt, Anhydride zu bild en, nLmlich : cis-truns-Trime thy I en- und cis-trans-Te tramethylen- 1,2-I)icarbonsiiure.

Um SO bemerkenswerter ist die Angabe von W. H. P e r k i n , daS die cis-tra7ls-Pentamethylen-1,2-dicarbonsaure als starres ebenes Ringsystem aus der Reihe heransfallen nnd ein Anhydrid geben soll. P e r k i n ? geht von der Voraussetzung aus, daS die rrans-Pentamethylen-o-dicarbons~u~e nach B a e y er s Theorie der truns-Hexahydro-o-phtbalsaure entspricht und daher wie diese zur Anhydridbildung befahigt sein mu& Nach vielen ver- geblichen Versuchen gelang es ihm, auf folgende Weise das gewiinschte Anhydrid zu erhalten.

Die reine cia-traM-Pentamethylendicarboneiinre wurde mit dem eehn- fachen Gewicht von Eseigsiiureanhydrid 25 Minuten lang unter Ruckflull erhitzt. Dam wurde dae Produkt in kleiae Wur tzsche Flaachen gebracht, unter 200 mm Druck auf 120° erhitzt und ein langsamer Strom sorgWtig getrockneter Luft hindurehgeeogen , bis der Uberschud an E8sigeQure- anhydrid vollstandig entfernt war. Der leicht briiunlich gefiirbte Bick- stand gab bei der Andyse Zahlen, welche auf dse Anhydrid stimmten. In eeinen Eigenechaften unterscheidet eich dieses olfdrmige s, ,,Cis-trans- Anhydrid" in vielen Beeiehungen von dem prachtvoll kryetallisierenden An- hydvid der c~s-siiure, ~ E I lost sich z. B. sehr scbnell und unter Aufbrausen in Natrinmcarbonat und wenn es auf cinem Uhrglase der Luft anegesetet wird, so wird es eu einem feateu Kuchen, der in der Hauptsache aua trans- Siiure beuteht. Das cis-Anhydrid andererseite ist an der Luft bestilndig und lost eich nur sehr langssm in Soda.

Das gauze Verhalten des P e r k i n schen cis-trans-Anhydrides erweckt den Anschein, daS diese Verbindung zu den anormalen hochmolekularen Anhydriden gehort, wie solche Ein h o r n 2 sowie S t a n d i a g e r und O t t 4 ) aus Dimethyl- nnd Diiithylmalon- saure, J o h n Bncher nnd W. Clifton-Slades) dnrch An- hydrisieren der Tere- nnd Isoph thalstiure mit Essigsaure- anhydrid erhalten hraben. Wir stellten daher aus der vor-

x, Jonm. chem. Soc. 65, 572, 980 (1894). *) In ,,Beilsteyl"-Erglungsband I, S. 332 (3. Aufl.) wird der Schmelr-

punkt dieses Anhydrids zu 160° angegeben (= Schmekpunkt dcr freien 6aure). Dieser lrrtum ist such in dae Lehrbnch der Stereochemie von A. W e r n e r (S. 167) ubergegangen.

9 A. 369, 150 (1908). 3 B. 41, 2208 (1908); 63, 1084 (1920). ') Journ. Americ Chem. SOC. 31. 1319 (1909).

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10 Bredt,

erwlhnten Dehydrocamphersaure (III) das anormale Anhydrid vermittelst Essigsaureanhydrid dar nnd gelangten dabei zu der Uberzeugung, daO das P e r k i n sche Anhydrid von derselben abnormen Art sei, wie der von uns untersnchte Stoff. Solche Anhydride sind entweder olformig, wie das P e r k i n sche Produkt oder amorphe Snbstanzen, wie die Anhydride der Iso- nnd Terephthalsaure oder sprode, glasige Korper , wie das Anhydrid der Dehydrocamphersaure, und bilden bei der Behaudlung mit Wasser oder Alkalien die zugehorigen Sauren zuruck. Trifft die von mir gemachte Annahme fur $as Pe rk insche Anhydrid zu, so sind bislang iiberhaupt keine cis - trans- Anhydride zweibasischer Sauren bekannt.

Auch das ,,cis-tram" Hexahydrohomophthalsaure-anhydridl) und das ,,cis-trad' Uekahydronaphthalin a) sind meso-trans- Verbindungen, die aber zum Unterschied von den bisher auf- gefuhrten Ringen in dieser meso-trans-lage keine Spannnng im Nolekul aufweisen. DaS es fumaroide und malejinoide Formen von Doppelringen mit annlhernd gleicher Spannung im Molekiil geben muB, ist wohl zuerst von mir fur das Model1 des ring- homologen Camphers s) angenommen worden.

Experimenteller Teil. Uher polyniere Anhydride der Dehydrocamphersiiure.

(Mitbearbeitet von Hans llirouet m a Josef Sckmitz.)

Die Dehydrocamphersaure wurde nach der fruher gegebenen Vorschrift 9 dargestellt. Wird die Sllure ltingere Zeit mit Acetylchlorid erhitzt, so entsteht in der Hauptmenge das Chlorid der Dehydrocamphersgure. Nach dem Abdestillieren des Acetyl- chlorids im Vakuum bleibt eine sirupose Xasse zuruck, die voriibergehend unlbslich in kohlensanrem Natron ist und ein gemischtes Anhydrid der Essigsaure mit Dehydrocamphersaure - - -. .- -

1) Windaus, Hi i cke l und Revery , B. 56, 91 (1923). 1) Htickel , Nachricht. der Ges. der Wissenech. zu Gottingen 23. Miire

') Bredt, Wullner-Festschrift, a. a O., S. 110. ') B. 55, 1286 (1902); A. 396, 26 (1913).

1923.

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Uber sterische Iiinderung in Bruciienringen usw. 11

darstellt.') Destilliert man die Uehydrocamphersaure (Formel 111, S. 2) unter gewohnlichem Druck, so geht sie in das gut kry- stallisierende Anhydrid einer isomeren Saure, der Iaodehydro- camphersanre (Formel IV, S. 2), uber.

N'ir haben uns bemiiht, anch die Dehydrocamphersaure in ihr einfaches Anhydrid . uberznfuhren, aber ohne Erfolg. LLDt man auf Deliydrocamphersaurechlorid dehydrocamphersaures Silber einwirken, so erhalt man ein amorphes Doppelanhydrid, welches in Benzol liislich ist. Behandelt man Uehydrocampher- saure mit Essigsanreanhydrid, . so entsteht zunachst ein ge- mischtes Nssigsaure-Dehydrocamphersanre-anhydrid. Beim Er- hitzen geht es nnter Abspalten von Essigsaureanhydrid in ein polymeres glasiges Anhydrid uber, welches in Benzol und Ather nnloslich ist und bei hoherem Erhitzen zu Isodehydrocampher- sanre-anhydrid umgelagert wird.

1. E i i i w i r k u n g von d e h y d r o c a m p h e r s a u r e m S i l b e r au f D e h y d r o camp hersaure-ch lor id .2)

2 g Dehydrocamphersaurechlorid und 4,5 g dehydrocampher- saures Silber (1 g UberschnB) wurden, mit trockenem Ather gemischt, 6 Stnnden im geschlossenen Rohr im aiedenden Wasserbad erhitzt. Jede halbe Stunde wurde das Rohr kraftig geschuttelt, da sonst das Silbersalz zusammenbackt nnd sich nicht umsetzt. Uann wurde der Ather abfiltriert und der Ruckstand wiederholt mit Ather ausgewaschen. Beim Bb- destillieren blieb eine dicke, ijlige Fliissigkeit, die nach langereni Erwarmen im Vakuum anf dem Wasserbade zu einer gallert- artigen Masse erstarrte. Uas entstandene Dianhydrid war schwach chlorhaltig. Es wurde dnrch Losen in Benzol nnd Ausfallen mit niedrig siedendem Petrolather gereinigt. Es fallt als schleimige Masse aus. Beim Erhitzen wird aas Prodnkt bei 120 O harzartig, ohne einen bestimmten Schmelzpnnkt zu

I) Auch die 3-Methyl-cyclopropen-1,2-dicarbonsliure HO,C.CH-C.CO,H Y C B .

veilnag kein einfwhes Anhydrid zu bilden. Bei der Behandlung mit Acetylchlorid geht sic in ein gemischtes Anhydrid fiber [Feist, A. 436, 140, 142 (1924)) Demnach wiirde die Bredtsche Regel anf ungesiittigte Dicarbonsauren des Dreirings zu tibertragen sein.

*) A. 396, 44, 45 (1913).

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12 B r e d t ,

zeigen. Es wnrde in einer KeknlBschen Ente im Vaknnm bei looo getrocknet nnd der Analyse nnterworfen:

0,1787 g, 0,1467 g Subst.: 0,4348 g, 0,3573 g CO, 0,1092 g, 0,0885 g H,O. H (6,71) -0,OZ +0,05. C,,H,,O,, Gef. C (66,64) -0,12 - 0,2

2. E i n w i r k n n g von E s s i g s a n r e a n h y d r i d auf Dehydro- c amp h e r 8 Lnr e.

a) Biucetat. In einem Kolben mit angeschmolzener Vorlage wnrden

10 g Ilehydrocamphersbwe in frisch destilliertem Essigsanre- anhydrid gelbst und liingere Zeit digeriert. Uann wnrde im Vaknnm die gebildete Essigsliure nnd das iiberschussige An- hydrid abdestilliert. Im Kolben blieb ein dickes, gelbes 01 zuriick. Urn die Ietzten Snteile von Essigsaureanhydrid zn entfernen, wurde das Produkt 2 Stunden im Vaknnm von 11 mm anf dem Wasserbade erhitzt, wobei das 01 zu ainer gallertartigen simpbsen Masse erhartete. Es zeigte folgende Eigenschaften: In Ligroin (Siedep. 70-looo) war es nnloslich. In Chloro- form und Benzol lbst es sich leicht; bei wochenlangem Stehen an der Lnft erstarrt es. Eine kleine Menge wnrde fiir die Snalyse in Benzol gelbst, letzteres im Vakuum abgedtbmpft und das zuriickbleibende Prodnkt mehrere Tage im Vakuum getrocknet, bis das Gewicht konstant war.

0,1266 g Subet.: 0,2776 g CO,, 0,0772 g H,O. C,,H,,O, Gef. C (59,55) +0,37 H (6,42) +0,3G.

b) Hochmolekulares Polyanhydrid. Wird das Diacetat im Olbade im Vaknum anf 160° erhitzt,

so spaltet es Essigsiinreanhydrid ab, wobei der gsllertartige Korper zu einer undnrchsichtigen festen Masse erstarrt. Nach 8-stiindigem Erhitzen destillierte kein Essigsaureanhydrid mehr iiber. Der zuruckbleibende Stoff war gelblich, hatte glasige Konsistenz nnd war sehr sprbde; er war in Benzol und anderen organischen Losungsmitteln fast nnliislich. Eine Probe des im Morser fein gepulverten Polyanhydrids wnrde zur Analyse bei 150° bis znr Oewichtskonstanz getrocknet.

0,1639 g Subet.: 0,3961 g CO,, 0,0958 g H,O. (C,,H,,O,). = Gef. C (66,64) -0,4 H (6,71) -0,02.

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Ober sterische Bindmng in Briichenringen urn.

3. I s o d eh y d r o camp h e r s Lnr e- a n h y d r i d. Wird das hochmoleknlare Anhydrid im Vaknum uber 160°

erhitzt, so zersetzt es sich vollstandig zn Isodehydrocampher- siiure-anhydrid.

Polgeodes Verfahren erwies sich dabei als das beste. In einem Destillierkolben mi t Kragen l) wnrde das Anhydrid im Vaknnm von 11 mm auf 150’ erhitzt nnd die Temperatur all- mahlich anf 200° gesteigert. Schon bei 160° hatten sich in dern Ansatz des Kolbens Krystalle gebildet; bei 210’ schmolz die Masse und snblimierte stark. Nach 3-4 Stunden war die Zersetznng beendigt. Durch vorsichtiges Erwarmen mit der Flamme wnrde das gebildete Anhydrid in die Vorlage getrieben nnd konnte nach dem Erkalten leicht mi t dem Spate1 herans- genommen werden. I m Kolben blieb nnr wenig barziger Riick- stand. Das Rohprodukt zeigte den Schmelzp. 180’; nach dem Umkrystallisieren ans Ligroin stieg er auf 184”. Eine kleine Probe wurde mit Wasser gekocht. Die gebildete Isodehydro- camphersgnre krystallisierte in derben Krystallen, Schmelz- punkt 181 9 4 g Dehydrocamphersanre gaben 3,l g Isodehydro- camphersanreanhydrid (Ansbente = 86 Proc. d. Th.).

13

0,1682 g Subet.: 0,4100 g CO,, 0,0988 g H,O. C,aH,,O, Gef. C (66,64) -0,26 H (6,71) -0J2.

I) Die Deetillation unter vermindertem Druck im Labontorium; von B Anschiite und H. Reitter, S. 42, Fig. 54. Bonn, F’riedr. Cohen.