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die tageszeitung. Dienstag, 29. September 1992 • Wirtschaft und Umwelt Und wer fürchtet weder Pech noch Schwefel? ,„, Grammüh in der AL Der falctor Zeit CDUtriffi die tageszeitung „Satanische Verse 1 r =i:==S=K?" BL-asEiaresssss; 14. Februar 1989: der iranische Ayatollah Khomeni ruft zum Mord an Salman Rushdie, dem Autor der 'Satanischen Verse' auf. Allen, die es wagen sollten, Rushdies 'blasphemischen' Roman zu verbreiten, wird mit Anschlägen gedroht. 17. Februar '89: die taz schlägt 'FAZ', 'FR', der 'Süddeutschen Zeitung' und der 'Zeit' vor, 'demonstrativ gleichzeitig auf einer ganzen Seite die von den islamischen Fanatikern inkriminierten Stellen' zu veröffentlichen. 20. Februar '89: Rushdies Verlag 'Kiepenheuer & Witsch' erhebt Einspruch, auch er will das Buch vorerst nicht drucken. Die anderen Zeitungen springen wieder ab. 22. Februar '89: die taz füllt mit den umstrittenen Passagen ihre Titelseite. Sorgt mit dafür, daß die taz weiter- machen kann: mit 5000 Rettungs- abos. Sonst ist am Jahresende Schluß. Fordert den taz-Kettenbrief an: (030) 25 902101. "Keine taz mehr? Ohne mich!" Ich abonniere die tageSZ@itling' Einzugsermächtigung {2,soEmäßigung/ciuaiaO: Name - . Straße - Geldinstitut. Kontonr M2. PLZ/Ort. Zahlungsweise (alte Länder) bis 15.10.92 (ab 1&10.92) O vierteljährlich DM108,- (DM118,50) O halbjährlich DM 216,- (DM 237,-) O jährlich DM 432,- (DM 474,-) Zahlungsweise (neue Länder) bis 15.10.g2 (ab 16.10.92) O vierteljährlich DM 60,- (DM 88,50) O halbjährlich DM120,- (DM177,-) O jährlich DM 240,- (DM 354,-) Das Abo verlängert sich automalisch um den angegebenen Zahlungszeitraum zum gültigen Bezugspreis, wenn ich nicht drei Wochen vor Ablauf schriftlich kündige. Diese Bestellung kann innerhalb von 7 Tagen (Poststempel) schriftlich widerrufen werden bei: taz-Abo, Kochstraße 18, 1000 Bertin 61. Davon habe ich Kenntnis genommen. Kontoinhaberin : Diese Ermächtigung gilt, bis ich sie schriftlich widerrufe. Datum, Unterschrift Die taz soll geliefert werden: O an mich (obige Adresse) O als Geschenk an: Straße. PLZ/Ort. O an einen Gefangenen O einen Jugendclub O eine Bibliothek O eine Drogeneinrichtung (die taz organisiert's!) Datum, Unterschrift. o Ich habe den taz-Kettenbrief an Freundinnen geschickt. weitere taz- Den ausgefüllten Coupon einschicken an: taz-Abo, KochstraSe 18,1000 Berlin 61. Wer bis zum 5.12/92 abonniert oder mindestens 5 Kettenbriefe weiterschickt, kann eine Weltreise zu taz-Korrespondentlnnen oder einen von fünf FCKW-freien Öko-Kühlschränken gewinnen. Götterbote abgestürzt: Hermes wird begraben Raumgleiter ist nicht finanzierbar / Abgespecktes ESA-Programm geplant Bonn (dpa/taz) — Der deutsch- französische Raumgleiter „Her- mes" wird nie fliegen: Forschungs- minister Heinz Riesenhuber (CDU) wird den europäischen Forschungsministern noch im No- vember das Ende des Prestigepro- jekts verkünden. Die über 8 Milli- arden Mark teure Raumfähre, so Riesenhuber gestern in Bonn, sei weder bemannt noch unbemannt finanzierbar. Die europäische Raumfahrtorganisation ESA werde sich mit einem abgespeck- ten Raumfahrtprogramm bis 1995 zufriedengeben müssen. Statt dessen soll in den nächsten drei Jahren in Zusammenarbeit mit Rußland, Japan und den USA nach technologischen Alternati- ven gesucht werden. Hierzu könn- ten, ein automatisch arbeitendes Transferfahrzeug ebenso gehören wie ein Rettungstransporter oder die Nutzung des deutschen Hyper- schallprojekts „Sänger", bei dem allerdings Umweltprobleme beste- hen. Riesenhuber ließ erneut an- klingen, daß er an der Nutzung rus- sischer Raumfahrttechnik interes- siert ist. Riesenhuber kommt mit seiner neuen Politik einer Empfehlung der quasi amtlichen Deutschen Agentur für Raumfahrtangelegen- heiten (DARA) nach. Die Gesell- schaft, eine hundertprozentige Tochter des Bundes, hatte schon Ende Mai vorgeschlagen, auf das Ziel einer westeuropäischen Auto- nomie in der Raumfahrt zu ver- zichten. Schon Ende 1990 war die Deutsche Physikalische Gesell- schaft, der Berufsverband der Phy- siker, in einer vielbeachteten Ent- schließung zu dem Urteil gekom- men, daß ein „wissenschaftlicher oder ökonomischer Nutzen, der die hohen Kosten der bemannten Raumfahrt rechtfertigen würde, bislang nicht auszumachen" ist. Die Bundesregierung will bis 1995 insgesamt 5,1 Milliarden Mark für ESA-Projekte bereitstel- len —das sind nur noch 65 Prozent dessen, was ursprünglich für euro- päische Raumfahrtvorhaben anvi- siert wurde. Bis zum Jahr 2000 be- trägt der finanzielle Umfang nur noch 75 Prozent der 1987 verein- barten Vorhaben. Bestehenbleiben wird das wis- senschaftliche Programm „Hori- zont 2000", zu dem vor allem Un- tersuchungen des Sonnensystems und des fernen Weltraums gehö- ren. Bestandteil sind unter ande- rem die mit Rußland vorgesehe- nen Mars-Missionen 1994. Eindeu- tig Vorrang erhält die Erdbeob- achtung im Umweltinteresse. Der entsprechende Forschungssatellit „Envisat-1" soll 1998 zum ersten Flug starten. Einbezogen wird auch die sogenannte polare Platt- form, die ursprünglich zu den „Co- lumbus-"Projekten gehörte und jetzt nur noch in verkleinerter Form gebaut werden soll. Offen ist, ob nach den US-Wah- len die Amerikaner weiterhin an ihrer Weltraumstation „Freedom" festhalten, zu der das europäische Labor Columbus gehören soll, das an die Station fest angedockt wird. Dagegen verzichten Deutschland und Italien auf ihr Projekt eines frei fliegenden Labors im Rahmen des Columbus-Programms. Riesenhuber schloß negative Auswirkungen auf die deutsche Raumfahrtindustrie nicht aus, meinte aber, daß „per Saldo" Ar- beitsplätze nicht verlorenzugehen brauchten, da die deutschen Un- ternehmen wie Dornier verstärkt bei Vorhaben der Erdbeobach- tung einsteigen könnten, ten Kanzlerrunde DAG fordert Änderung der Arbeitslosenversicherung Bonn (dpa/taz) — Die Ver- sprechen des Bundeskanzlers an die ostdeutschen Bürgerin- nen reißen nicht ab. Jeder ost- deutsche Jugendliche, der sich darum bemühe, könne in die- sem Herbst einen Ausbildungs- platz bekommen, versicherte Helmut Kohl gestern vor Spit- zenvertretern von Wirtschaft und Gewerkschaften. Die 13. Kanzlerrunde seit Anfang 1990 über die wirt- schaftliche Lage in Ostdeutsch- land stand wieder ganz im Zei- chen unbegrenzter Vorschlags- möglichkeiten. Während der Kanzler die Teilnehmer um Un- terstützung für die Gespräche über einen Solidarpakt bat, for- derte der Vorsitzende der Deut- schen Angestellten-Gewerk- schaft (DAG), Roland Issen, die Arbeitslosenversicherung neu zu gestalten. Nach Issens Vorschlag sollte klar zwischen der Absicherung gegen Arbeits- losigkeit und der Finanzierung sonstiger Aufgaben der Bun- desanstalt für Arbeit unter- schieden werden. Arbeitsbe- schaffungsmaßnahmen und Umschulungen müßten über eine auch von Beamten und Selbständigen zu zahlende Ar- beitsmarktabgabe finanziert werden. Die Industrie hat ganz an- dere Sorgen: Der Präsident des Deutschen Industrie- und Han- delstages (DIHT), Hans Peter Stihl, forderte, die Altschulden der ostdeutschen Unternehmen zu streichen. Der schwäbische Mittelständler schlug zudem vor, die Investitionshilfen auf Problemregionen zu konzen- trieren. Und auch für die Aus- bildungsmisere im Osten hatte Stihl eine gute Nachricht parat: In diesem Jahr könnten in den neuen Ländern 90.000 betriebli- che Ausbildungsverträge abge- schlossen werden — zwanzig Prozent mehr als 1991. Nach Angaben des Bundesbildungs- ministeriums werden aber wie im Vorjahr zwanzigtausend ost- deutsche Jugendliche in West- deutschland eine Ausbildung beginnen. Helmut Kohl zog eine posi- tive Bilanz für die Investitionen in den neuen Ländern. Nach ei- ner Umfrage des Münchner Ifo- Instituts würden sie in diesem Jahr 110 Milliarden Mark errei- chen und 1993 noch einmal um zwanzig Prozent auf 135 Milliar- den steigen, es

Und wer fürchtet weder Pech noch Schwefel? - download.taz.dedownload.taz.de/taz29091992_UmweltundWirtschaft_Seiten6-7.pdf · heiten (DARA) nach. Die Gesell-schaft, eine hundertprozentige

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die tageszeitung. Dienstag, 29. September 1992 • Wirtschaft und Umwelt

Und wer fürchtet wederPech noch Schwefel?

, „ , Grammüh in der AL Der falctor Zeit CDUtriffi

die tageszeitung„Satanische Verse1

r = i :==S=K?" BL-asEiaresssss;

14. Februar 1989: der iranische AyatollahKhomeni ruft zum Mord an SalmanRushdie, dem Autor der 'SatanischenVerse' auf. Allen, die es wagen sollten,Rushdies 'blasphemischen' Roman zuverbreiten, wird mit Anschlägen gedroht.17. Februar '89: die taz schlägt 'FAZ','FR', der 'Süddeutschen Zeitung' und der'Zeit' vor, 'demonstrativ gleichzeitig aufeiner ganzen Seite die von denislamischen Fanatikern inkriminiertenStellen' zu veröffentlichen. 20. Februar'89: Rushdies Verlag 'Kiepenheuer &Witsch' erhebt Einspruch, auch er will dasBuch vorerst nicht drucken. Dieanderen Zeitungen springen wieder ab.22. Februar '89: die taz füllt mit denumstrittenen Passagen ihre Titelseite.Sorgt mit dafür, daß die taz weiter-machen kann: mit 5000 Rettungs-abos. Sonst ist am JahresendeSchluß. Fordert den taz-Kettenbriefan: (030) 25 902101.

"Keine taz mehr? Ohne mich!"

I c h a b o n n i e r e d i e tageSZ@it l ing ' Einzugsermächtigung {2,soEmäßigung/ciuaiiaO:Name -

. Straße -

Geldinstitut.

Kontonr M2.

PLZ/Ort.

Zahlungsweise (alte Länder) bis 15.10.92 (ab 1&10.92)O vierteljährlich DM108,- (DM118,50)O halbjährlich DM 216,- (DM 237,-)O jährlich DM 432,- (DM 474,-)

Zahlungsweise (neue Länder) bis 15.10.g2 (ab 16.10.92)O vierteljährlich DM 60,- (DM 88,50)O halbjährlich DM120,- (DM177,-)O jährlich • DM 240,- (DM 354,-)

Das Abo verlängert sich automalisch um den angegebenen Zahlungszeitraum zumgültigen Bezugspreis, wenn ich nicht drei Wochen vor Ablauf schriftlich kündige.Diese Bestellung kann innerhalb von 7 Tagen (Poststempel) schriftlich widerrufenwerden bei: taz-Abo, Kochstraße 18, 1000 Bertin 61. Davon habe ich Kenntnisgenommen.

Kontoinhaberin :Diese Ermächtigung gilt, bis ich sie schriftlich widerrufe.

Datum, Unterschrift

Die taz soll geliefert werden:O an mich (obige Adresse)

O als Geschenk an:

St raße.

PLZ/Ort.

O an einen Gefangenen O einen Jugendclub O eine BibliothekO eine Drogeneinrichtung (die taz organisiert's!)

Datum, Unterschrift.o Ich habe den taz-Kettenbrief an

Freundinnen geschickt.weitere taz-

Den ausgefüllten Coupon einschicken an: taz-Abo, KochstraSe 18,1000 Berlin 61. Wer bis zum 5.12/92 abonniert oder mindestens5 Kettenbriefe weiter schickt, kann eine Weltreise zu taz-Korrespondentlnnen oder einen von fünf FCKW-freien Öko-Kühlschränken gewinnen.

Götterbote abgestürzt:Hermes wird begraben• Raumgleiter ist nicht finanzierbar /Abgespecktes ESA-Programm geplant

Bonn (dpa/taz) — Der deutsch-französische Raumgleiter „Her-mes" wird nie fliegen: Forschungs-minister Heinz Riesenhuber(CDU) wird den europäischenForschungsministern noch im No-vember das Ende des Prestigepro-jekts verkünden. Die über 8 Milli-arden Mark teure Raumfähre, soRiesenhuber gestern in Bonn, seiweder bemannt noch unbemanntfinanzierbar. Die europäischeRaumfahrtorganisation ESAwerde sich mit einem abgespeck-ten Raumfahrtprogramm bis 1995zufriedengeben müssen.

Statt dessen soll in den nächstendrei Jahren in Zusammenarbeitmit Rußland, Japan und den USAnach technologischen Alternati-ven gesucht werden. Hierzu könn-ten, ein automatisch arbeitendesTransferfahrzeug ebenso gehörenwie ein Rettungstransporter oderdie Nutzung des deutschen Hyper-schallprojekts „Sänger", bei demallerdings Umweltprobleme beste-hen. Riesenhuber ließ erneut an-klingen, daß er an der Nutzung rus-sischer Raumfahrttechnik interes-siert ist.

Riesenhuber kommt mit seinerneuen Politik einer Empfehlungder quasi amtlichen DeutschenAgentur für Raumfahrtangelegen-heiten (DARA) nach. Die Gesell-schaft, eine hundertprozentigeTochter des Bundes, hatte schonEnde Mai vorgeschlagen, auf dasZiel einer westeuropäischen Auto-nomie in der Raumfahrt zu ver-zichten. Schon Ende 1990 war dieDeutsche Physikalische Gesell-schaft, der Berufsverband der Phy-siker, in einer vielbeachteten Ent-schließung zu dem Urteil gekom-men, daß ein „wissenschaftlicheroder ökonomischer Nutzen, derdie hohen Kosten der bemannten

Raumfahrt rechtfertigen würde,bislang nicht auszumachen" ist.

Die Bundesregierung will bis1995 insgesamt 5,1 MilliardenMark für ESA-Projekte bereitstel-len —das sind nur noch 65 Prozentdessen, was ursprünglich für euro-päische Raumfahrtvorhaben anvi-siert wurde. Bis zum Jahr 2000 be-trägt der finanzielle Umfang nurnoch 75 Prozent der 1987 verein-barten Vorhaben.

Bestehenbleiben wird das wis-senschaftliche Programm „Hori-zont 2000", zu dem vor allem Un-tersuchungen des Sonnensystemsund des fernen Weltraums gehö-ren. Bestandteil sind unter ande-rem die mit Rußland vorgesehe-nen Mars-Missionen 1994. Eindeu-tig Vorrang erhält die Erdbeob-achtung im Umweltinteresse. Derentsprechende Forschungssatellit„Envisat-1" soll 1998 zum erstenFlug starten. Einbezogen wirdauch die sogenannte polare Platt-form, die ursprünglich zu den „Co-lumbus-"Projekten gehörte undjetzt nur noch in verkleinerterForm gebaut werden soll.

Offen ist, ob nach den US-Wah-len die Amerikaner weiterhin anihrer Weltraumstation „Freedom"festhalten, zu der das europäischeLabor Columbus gehören soll, dasan die Station fest angedockt wird.Dagegen verzichten Deutschlandund Italien auf ihr Projekt einesfrei fliegenden Labors im Rahmendes Columbus-Programms.

Riesenhuber schloß negativeAuswirkungen auf die deutscheRaumfahrtindustrie nicht aus,meinte aber, daß „per Saldo" Ar-beitsplätze nicht verlorenzugehenbrauchten, da die deutschen Un-ternehmen wie Dornier verstärktbei Vorhaben der Erdbeobach-tung einsteigen könnten, ten

Kanzlerrunde

DAG fordert Änderung derArbeitslosenversicherung

Bonn (dpa/taz) — Die Ver-sprechen des Bundeskanzlersan die ostdeutschen Bürgerin-nen reißen nicht ab. Jeder ost-deutsche Jugendliche, der sichdarum bemühe, könne in die-sem Herbst einen Ausbildungs-platz bekommen, versicherteHelmut Kohl gestern vor Spit-zenvertretern von Wirtschaftund Gewerkschaften.

Die 13. Kanzlerrunde seitAnfang 1990 über die wirt-schaftliche Lage in Ostdeutsch-land stand wieder ganz im Zei-chen unbegrenzter Vorschlags-möglichkeiten. Während derKanzler die Teilnehmer um Un-terstützung für die Gesprächeüber einen Solidarpakt bat, for-derte der Vorsitzende der Deut-schen Angestellten-Gewerk-schaft (DAG), Roland Issen,die Arbeitslosenversicherungneu zu gestalten. Nach IssensVorschlag sollte klar zwischender Absicherung gegen Arbeits-losigkeit und der Finanzierungsonstiger Aufgaben der Bun-desanstalt für Arbeit unter-schieden werden. Arbeitsbe-schaffungsmaßnahmen undUmschulungen müßten übereine auch von Beamten undSelbständigen zu zahlende Ar-

beitsmarktabgabe finanziertwerden.

Die Industrie hat ganz an-dere Sorgen: Der Präsident desDeutschen Industrie- und Han-delstages (DIHT), Hans PeterStihl, forderte, die Altschuldender ostdeutschen Unternehmenzu streichen. Der schwäbischeMittelständler schlug zudemvor, die Investitionshilfen aufProblemregionen zu konzen-trieren. Und auch für die Aus-bildungsmisere im Osten hatteStihl eine gute Nachricht parat:In diesem Jahr könnten in denneuen Ländern 90.000 betriebli-che Ausbildungsverträge abge-schlossen werden — zwanzigProzent mehr als 1991. NachAngaben des Bundesbildungs-ministeriums werden aber wieim Vorjahr zwanzigtausend ost-deutsche Jugendliche in West-deutschland eine Ausbildungbeginnen.

Helmut Kohl zog eine posi-tive Bilanz für die Investitionenin den neuen Ländern. Nach ei-ner Umfrage des Münchner Ifo-Instituts würden sie in diesemJahr 110 Milliarden Mark errei-chen und 1993 noch einmal umzwanzig Prozent auf 135 Milliar-den steigen, es

Wirtschaft und Umwelt • die tageszeitung. Dienstag, 29. September 1992

Neue Löcher in Schweizer AlpenBeim Volksentscheid in der Schweiz stimmten am Wochenende mehr als 60 Prozentfür zwei Eisenbahntunnel / Teuerstes Projekt der Schweiz • Von Annette Jensen

Berlin (taz) — Der SchweizerVerkehrsminister Adolf Ogi atmetauf: die Bagger für mehr als 80 Ki-lometer Eisenbahntunnel könnenbestellt werden. Am Wochenendehaben 63,5 Prozent der Wählerin-nen dem größten Bauprojekt, dasder Alpenstaat je in Angriff ge-nommen hat, ihr Jagegeben.

Das Referendum zur „neuenEisenbahn-Alpentransversale",kurz NEAT genannt, hatte dieSchweizer Regierung in den letz-ten Wochen zu einem wahren Pro-pagandafeldzug veranlaßt: aufdem Spiel stand die Einbindungdes Landes in den EuropäischenWirtschaftsraum (EWS). Im Tran-sitvertrag mit der EG hatten sichdie Eidgenossen nämlich ver-pflichtet, eine 50 Kilometer langeEisenbahnröhre unter dem Gott-hard und eine weitere Röhre vonfast 30 Kilometern unterm Lötsch-berg zu bohren, durch die nach of-fiziellen Angaben im nächstenJahrtausend täglich 550 Zügebrausen sollen. Dafür erhielten siedie Zusicherung, daß täglich ledig-lich einhundert 40-Tonner aus derEG über ihre Grenzen kommenund ansonsten die Schlagbäumenur für 28-Tonner geöffnet werdenmüssen.

Wer für Nein stimme, gefährdedie Integration der Schweiz in Eu-ropa, drohte die Regierung undmit ihr alle großen Parteien, dieWirtschaftsverbände und selbstdie Automobilclübs. Fuhrunter-nehmer und die Swissair würdendiskriminiert — vielleicht Schlim-meres. Aber auch mit Positivargu-menten sollte den Schweizerinnendie Zustimmung schmackhaft ge-macht werden. „Die NEAT ist daswirkungsvollste Umweltprojektder heutigen Zeit", hatte Ogi denSchweizerinnen weiszumachenversucht.

Die NEAT macht's möglich: Die schweren Lasier dürfen bald durch die Berge kriechen. Foto: Thomas Scheuer

Diese Einschätzung wird vonUmweltschützem keineswegs ge-teilt. Sie sehen darin nicht nur eine„Opfergabe an den Mobilitäts-wahn", der den anschwellendenEG-Güterverkehr flüssig haltensoll und oft eine räumliche Ar-beitsteilung erst möglich macht.Vor allem entziehen die Milliar-denprojekte der Staatskasse vielGeld, das umweit- und verkehrs-politisch wesentlich sinnvoller an-gelegt werden könnte. Studien be-legen, daß eine Datenbank zurVermeidung von Leerfahrten undeine Erneuerung des Bahn-Wa-genparks die CO2-Bilanz entschie-den schneller positiv beeinflussenkönnten als die Tunnel, die zudemerst 2010 fertig sein sollen.

Aber auch von konservativerSeite war das Projekt stark kriti-siert worden. 15 Milliarden Fran-ken (17,25 Milliarden Mark) hatdie Regierung veranschlagt, Kre-ditzinsen und Teuerungsratennicht mitgerechnet. Gegnerinnenvermuten, daß das Projekt schließ-lich 50 Milliarden Franken kostenwird. Die Regierung hat nämlichbei ihrer Rechnung nicht nur dienotwendigen neuen Zubringer-trassen vernachlässigt, sondernauch einen Zuwachs von Zügenvorausgesetzt, der gar nicht durchdie Tunnelröhren paßt. EineAmortisierung nach 60 Jahren hal-ten sie für Schönfärberei. Nebenden Baukosten für die Schienenwird auch entscheidend sein, wie

stark der Straßengüterverkehr diedurch ihn verursachten Kosten be-zahlen muß — und wie günstig da-mit die Konkurrenzsituation derHuckepackzüge aussieht. Bishersubventioniert die Schweiz jedenTransport mit dem Zug.

Finanzielle Unterstützung ausder EG, die vor allem Nutznießerdes gigantischen Bauwerks seinwird, lehnt Verkehrsminister Ogijedoch ab: „Es gilt das Territorial-prinzip. Wenn die EG zahlen soll,will sie auch mitreden."

Bei der Volksbefragung amWochenende stimmten nur dreiKantone gegen den Tunnelbau:Uri, Appenzell-Außerrhoden undAppenzell-Innerrhoden. KeinWunder: Die Menschen dort wer-

Bahnen planen Brückenschlag nach Skandinavien• Die Staatsbahnen versprechen sich Zeiteinsparungen und mehr Fahrgäste

Frankfurt/Main (dpa/taz) —Mit drei großen Projekten schla-gen sich Europas Verkehrsplanerderzeit' herum: die Röhre unterdem Ärmelkanal, die Tunneldurch die Alpen und der Brücken-schlag nach Skandinavien. Die dä-nischen, schwedischen und deut-schen Eisenbahnen haben gesternin Kopenhagen Pläne zum Bau ei-ner Hochgeschwindigkeitsstreckezwischen Hamburg und der däni-

schen Hauptstadt vorgestellt. Wiedie Deutsche Bundesbahn mit-teilte, soll die feste Verbindungüber den Fehmarn-Belt die direkteAnbindung Skandinaviens an daseuropäische Hochgeschwindig-keitsnetz ermöglichen.

Die Bahnen hoffen damit dieReisezeiten auf mehreren Verbin-dungen zwischen Stockholm, Oslound Kopenhagen einerseits undBerlin, Hamburg und Köln ande-

rerseits um mehr als die Hälfte ver-ringern zu können. Allein dieFahrzeit zwischen Hamburg undKopenhagen würde sich von jetztgut fünf Stunden auf zwei Stundenverkürzen lassen. Und auch diePrognosen für die Bahnen klingennicht schlecht: Sie deuten auf einAnwachsen des Fahrgastaufkom-mens von heute einer MillionBahnreisenden zwischen den bei-den Städten auf rund fünf Millio-

nen im Jahre 2010 hin. Auch derGüterverkehr könne enorm gestei-gert werden: Von derzeit acht Mil-lionen auf 23 Millionen Tonnen imJahr 2010 zwischen Skandinavienund dem Kontinent.

Die Generaldirektoren der dreiBahnen schlugen vor, die festeVerbindung über den Belt als Ei-senbahntunnel mit einem völligneuen Shuttlezug-Konzept zubauen. Die Investitionen zwischen

Stimmengewirr zu kleiner Währungsunion• Ökonomisch schwächere Länder lehnen Europa der zwei Geschwindigkeiten ab

Brüssel (dpa/ap/taz) — DieVorstellung, daß sich die Europäi-sche Gemeinschaft auf ihrem Wegzu einer Währungsunion spaltenkönnte, stößt vor allem bei denkleineren EG-Staaten auf wenigGegenliebe. Obwohl die Bundes-regierung auf dem gestrigen EG-Finanzministertreffen in Brüsselkeinen Zweifel daran lassenwollte, daß sie am EuropäischenWährungssystem (EWS) in seinerjetzigen Form festhalte, drehte sichalles um ein Europa der zwei Ge-schwindigkeiten.

Die zwölf Minister berieten inder belgischen Hauptstadt, ob und

wie das in den vergangenen Wo-chen arg strapazierte Währungssy-stem geändert werden soll. Dochwährend die Briten darauf drän-gen, die Schwachstellen des Wäh-rungssystems zu beheben, sehendie Dänen keine Notwendigkeitfür eine grundlegende Reform desEWS. Aber die Glaubwürdigkeitdieser Einrichtung, so der dänischeWirtschaftsminister Anders Fogh-Rasmussen, müsse wiederherge-stellt werden.

In den letzten Tagen war in ver-schiedenen Ländern eine soge-nannte kleine Währungsunion an-geregt worden. Danach könnten

die Hartwährungsländer Deutsch-land, Frankreich, die Benelux-Staaten und Dänemark mit einergemeinsamen Währung den An-fang machen, die anderen EG-Staaten sollen erst einmal außenvor bleiben.

Dänemarks Finanzministersagte dazu, die Dänen seien nichtfür ein Europa der zwei Geschwin-digkeiten. Auch Irland will sichnicht aus der geplanten Währungs-union auskoppeln lassen.

Luxemburgs FinanzministerJean-Claude Juncker glaubt dage-gen unter Hinweis auf das Aus-scheren von Pfund und Lira aus

dem EWS-Wechselkurssystem,daß bereits heute eine Staaten-gruppe den anderen Ländern vor-ausmarschiere. Belgiens Finanzmi-nister Philippe Maystadt lehnte einAuseinanderdriften der Staaten-gemeinschaft ebenfalls ab, wäh-rend sich sein Notenbankchef Al-foins Verplaetse für eine kleineWährungsunion mit den Benelux-Staaten sowie Deutschland undFrankreich ausgesprochen hatte.

Frankreich schielt ebenfalls aufdiesen Länderkem, während sichSpanien energisch gegen die zweiGeschwindigkeiten einsetzte.Wirtschaftsminister Carlos Sol-

Mit Hausgeräten auf du und du

Weiße Energiefressersofort verbieten

Berlin (taz) — Waschma-schine ist nicht gleich Waschma-schine, und Kühlschrank nichtgleich Kühlschrank. Was uns dieWerbung der Hausgeräteher-steller täglich suggeriert, zeigtsich auch beim Strom- und Was-serverbrauch. Der DetmolderEnergiebeauftragte Klaus Mi-chael hat den Energieverbrauchvon Hausgeräten jetzt in einerMarktanalyse zusammenge-stellt und drastische Konse-quenzengefordert:Energiefres-ser und Wasserverschwendermüßten aus dem Verkehr gezo-gen werden.

Michael schweben für dieweißen Haushaltskisten gesetz-liche Grenzwerte im Wasser-und Stromverbrauch vor. Heutegibt es Waschmaschinen, diefünf Kilo Wäsche strahlendweiß waschen und dabei 58 Li-ter Wasser verbrauchen, wäh-rend andere Maschinen für diegleiche Leistung 140 Liter Was-ser in den Gully fließen lassen.Künftig soll nach Michaels Wil-len eine normale Haushalts-waschmaschine nicht mehr als16 Liter Wasser und 380 WattStrom pro Kilo Wäsche undStunde verbrauchen. Von den456 in Deutschland lieferbarenWaschmaschinen müßten 260aus dem Verkehr gezogen wer-den. Verschwinden müßtenauch 893 der 1.336 angebotenenKühl- und Gefrierschränke, 122

der 291 lieferbaren Spülmaschi-nen und sogar 75 der 128 ange-botenen Wäschetrockner.

Sparsame Haushaltsgerätesind für langfristig denkendeKundinnen schon heute vonVorteil: Eine besonders spar-same Kühltruhe von 250 LiternGröße verbraucht nach Micha-els Recherchen im Laufe ihres15jährigen Lebens Strom für821 Mark, während die ver-schwenderischste Truhe in dergleichen Zeit Energie für 2.956Mark frißt. Leider, so Michael,seien die Aufklärung der Ver-braucher und die Produktinfor-mation der Hersteller nochnicht ausreichend.

Mittelfristig fordert der Wis-senschaftler neben dem Verbotder schlimmsten Verschwendereine weitere Verschärfung derVerbrauchsgrenzwerte bis zumJahr 2000. Solche gesetzlichenVorgaben hätten bei der Indu-strie immer „positive Auswir-kungen auf die Technikentwick-lung" gehabt. Bei Haushaltsge-räten sei die Situation der Her-steller sowieso recht günstig.„Der Großteil der erforderli-chen Änderungen der Geräteund der dazugehörigen Ferti-gungstechnik" sei ohne großeKosten zu haben. tenMichaeis Studie und seine Vorschläge fürVerbrauchsgrenzwerte sind beim Det-molder Stadtdirektor zu beziehen: StadtDetmold, Amt 18, Postfach 2761, 4930Detmold.

den schon heute vom Transitver-kehr der EG besonders belästigt.Sie haben die Erfahrung gemacht,daß neue Verkehrswege immermehr Verkehr anziehen.

Kopenhagen und Hamburg ein-schließlich des Tunnels würden„beträchtlich" sein, so die Bahn.Doch die Bahnen haben die Rech-nung vielleicht ohne die Natur ge-macht: Der rund acht Milliardenteure Tunnelbau über den großenBelt hängt nach Wassereinbrüchenund Pannen weit hinter der Pla-nung hinterher, die konventionelleBohrtechnik hat versagt, die be-auftragten Unternehmen scheinenmit dem Projekt überfordert zusein. Nach dem heutigen Standkönnen Züge frühestens 1995durch den Tunnel fahren. Die Bah-nen wollen aber schon ab 1993 zwi-schen Hamburg und Kopenhageneinen Intercity einsetzen.

chaga sagte, eine Währungsunionzwischen fünf Ländern vor 1997wäre „nicht hinnehmbar undwürde den Maastricht-Vertragverletzen". Großbritanniens Pre-mier John Major hatte bereits ver-kündet, sein Land bleibe im Her-zen Europas und wolle eine füh-rende Rolle spielen. Die italieni-sche Regierung hat sich zu der De-batte über das Europa der zweiGeschwindigkeiten bisher offiziellnicht geäußert, kann aber ange-sichts der katastrophalen Finanz-lage kaum offensiv auf der Zuge-hörigkeit zum harten Kern der EGbestehen. Bitter ist für die Italie-ner, daß sie als einziges Grün-

' dungsmitglied der EWG in denPlänen für ein Kerneuropa außenvor bleiben sollen. Auch in Grie-chenland herrscht ebenso wie inPortugal Sorge um ein Europa derzwei Geschwindigkeiten.

• Conti und Pirelli

Am VerhandlungstischHannover (dpa) — Nach der ge-scheiterten Übernahme der Conti-nental AG durch den italienischenPirelli-Konzern führen beide Un-ternehmen nun wieder intensiveGespräche über eine mögliche Zu-sammenarbeit. Der Spiegel berich-tet, Conti bemühe sich jetzt umeine Beteiligung von rund 20 Pro-zent an der Reifenholding von Pi-relli. Seinerzeit hatte eine Investo-rengruppe um Leopoldo Pirellivergeblich versucht, eine Fusionunter italienischer Führung zu er-zwingen.

• Ostdeutschland

Wenig AufträgeBonn (dpa) — Die Auftragsein-gänge beim verarbeitenden Ge-werbe in den neuen Bundeslän-dern gingen im Juli um 20 Prozentzurück. Besonders eklatant warder Rückgang bei Auslandsbestel-lungen mit 51,5 Prozent. Im Juniwaren die Aufträge für die ost-deutsche Industrie noch um 26Prozent gestiegen.

Money MarketDer Kurs des US-Dollar

fiel gestern auf 1,4602(1,4775) DM. Die FeinunzeGold wurde mit 349,00(349,70) Dollar fixiert. DasPfund erholte sich auf 2,5225DM, 100 Schweizer Frankenkosteten 114,60 DM. Der ta-gelang massiv gestützte Franclag mit 29^5 DM außerhalbder Spekulationslinie.