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76 IV. Clntersuchungen iiher die Redirrgtingen, mon wdclten die Eittmicklting von Gasblasen cind Darnpfhlasen alrhangig ist, undd iiber die hei ihrer Bildung wirksatnevi Kraftt.; non f.. Schriider. 8. 1. Begrdiiztmg der Aufgabe. Die Bedingungen, unler welchen die \ o n einer Flussiglteit aufgebsteu Gase in Blaseuform aus derselben entweichen und unter welchen sich ihre Dainpfe in Blasenform cntwickelii, sind noch uicht Zuni Gegcnsfand eincr arisreicheilden Untersuchiing gemacht woi.den. T:s siiitl Fragen von allgeiiieinster Ilieo- retischer Recleutuiig, welclie mich ziir Aufnalime dieser Untersucbung veranlafst haben. Es mar inir wesentlich darrriii zu tlinu, die hierbei an der Contktgrunse der Fliis- sigkeiteu wirksameii Krufte und dereii Quelle naher kennen zu lernen. Als ein allgemeines Resultat ineiner Ihterstichungen mufs ich, urn die vorlicgende Aufgabt? in bestimmte Granzcn eiuschliefsen zu k6iinen , sofort vorausschicken , dafs die Bedingungen der Entwichlnng von Gasbla.sen und Dampf- blasen v6llig analoge sind, und dafs die Entwicklung von Gasblasen [iberhaupt iiur stattfiiidet : ct) in Folge ciiemischer Action, oder ;9) ails iibersiittigten Gaslijsungen; die Ent- wicklung vou Uainpfblasen aber uur 7) aus kocheiidheifscn Flussigkeiten da, wo tliese init einem Gas in Beriihrring stehen; oder weun sie gasfrei sind, nur atis iiberhitaten Flussig k citen. Die Entwicklung von Gasblaseii in Folge directer che- mischer Action lasse ich, ah aufserlialb der Granzen der Aufgabe liegend, die ich mir zunachst gestellt habe, vor- erst unberiicksichtigt. Aucli die Entwicklung von Gasblaseu in Folge chemisclier Action gebort jedoch dem Bereich der vorliegendeii Unt ersuchung an in den Falleii, in welchen die chemische Action selbst erst eingeleitet wird durch die

Untersuchungen über die Bedingungen, von welchen die Entwicklung von Gasblasen und Dampfblasen abhängig ist, und über die bei ihrer Bildung wirksmen Kräfte

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I V . Clntersuchungen iiher die Redirrgtingen, mon wdclten die Eittmicklting von Gasblasen cind

Darnpfhlasen alrhangig i s t , undd iiber die hei ihrer Bildung wirksatnevi Kraftt.;

non f.. Schr i ider .

8. 1. Begrdiiztmg der Aufgabe. Die Bedingungen, unler welchen die \on einer Flussiglteit aufgebsteu Gase in Blaseuform aus derselben entweichen und unter welchen sich ihre Dainpfe in Blasenform cntwickelii, sind noch uicht Zun i Gegcnsfand eincr arisreicheilden Untersuchiing gemacht woi.den. T:s siiitl Fragen von allgeiiieinster Ilieo- retischer Recleutuiig, welclie mich ziir Aufnalime dieser Untersucbung veranlafst haben. Es mar inir wesentlich darrriii zu tlinu, die hierbei an der Contktgrunse der Fliis- sigkeiteu wirksameii Krufte und dereii Quelle naher kennen zu lernen.

Als ein allgemeines Resultat ineiner Ihterstichungen mufs ich, urn die vorlicgende Aufgabt? in bestimmte Granzcn eiuschliefsen zu k6iinen , sofort vorausschicken , dafs die Bedingungen der Entwichlnng von Gasbla.sen und Dampf- blasen v6llig analoge sind, und dafs die Entwicklung von Gasblasen [iberhaupt iiur stattfiiidet : ct) in Folge ciiemischer Action, oder ;9) ails iibersiittigten Gaslijsungen; die Ent- wicklung vou Uainpfblasen aber uur 7) aus kocheiidheifscn Flussigkeiten da, wo tliese init einem Gas in Beriihrring stehen; oder weun sie gasfrei sind, nur atis iiberhitaten Flussig k ci ten.

Die Entwicklung von Gasblaseii in Folge directer che- mischer Action lasse ich, a h aufserlialb der Granzen der Aufgabe liegend, die ich mir zunachst gestellt habe, vor- erst unberiicksichtigt. Aucli die Entwicklung von Gasblaseu in Folge chemisclier Action gebort jedoch dem Bereich der vorliegendeii Unt ersuchung an in den Falleii, in welchen die chemische Action selbst erst eingeleitet wird durch die

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Beriihrzing mit einem Gase, ohne diese Rrriihrang aber unt erbleibt.

5. 2. Uebersuttigfe Gasloswrrgen. Eine iibersuttigtr: Gaslbsiing ist, wie aus meinen Versiicbeii hervorgeht, zu definiren wie folgt:

Eine ii.bersattigte Gaslosung enthalt eon einem Gnrr: mehr niJfgeldst, nls sie in Aufloriin!] behallen kaiin, weiin sic bei dena namlirhen Drrick find der tidmlichm Temperatur mil dcm fraglicheid Gase 16ngere Zeit in Beruhmng sfeht .

Ucbers%ttigte Gaslbsangen sind arif dreierlei Weisen zii

erhalten: n ) Da dic Auflostichkeit der Gase in Fliissigkeiten mit

wachsenclein Ilrricke zunimmt, so is1 jede bei einer be- stimmten Teinyeraliir aber bei hdherena Driickc mit einem Gas gesattigtc! Fliissigkeit bei der gleicheii Temperatiir rind bei verminderlena Thick iibersuttigl.

Alle mit Liift pder irgentl einem Gas bei gewdhiilicliem Druck gessltigte Fliissigkeiten erweiseii sich bei gleicher Temieratur unter der Luflpumpe als iibersattigt.

Is) Da ferner die Arif lbsliclrkeit der Gase in Fliissigkeitm in der Regel rind im Allgemeinen mit wnrhender Tempc- ratur abnimml, so ist in der Regel eine bei irgend einer Teinperatur und einein besthinten T h c k mit einem Gase gesgttigte Flijssigkeit . bci tlem gleicheii Uruck aber bei hoherer Temperntur iibersuttigf.

So erweisen sicb z. I). alle bei gewohnlicher Temperatiir llingere Zeit mit atmospharischer Liift in Beriihrnng gewe- senen w8ssrigen Lbsungen in der W G m e als mit Luft iibersiitligt, Iclr liabc dicse Tbatsache bei einer selir grofsen Reihe von Lbsungen besttit tigt gefunden.

y ) Eine Fliissigkeit erweist sich Drittens als mit Gas iibersHItigt, weun dieselbe in Folge einer chemischen Action mit eiuer hinreichenden Menge eines Kbrpers im Entste- hungsaiis/aade in Rerilhriing gewesen ist, welcher in Re- riihriing mit einem Gas bei dem vorhaiidenen Druck rind der vorliaudeiien Temperatiir selbst Gasforrn annimmt. Man

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kann eiiien solchen K6rper rriieigenrlich wohl auch ein Gas irn Entsfehungszustnnde ueuncn.

Ich niufs es als eiu allgemeines Resultat meiuer Beob- achtungen, von welclrem ich bis jetzt iioch keiue Ausnabme habe constatirtn kliniien , bezeichiien , dafs eine Fliissigkeit von cinem Gas im Entstehungszus!nnde ( in stntu nflscenti) vie1 grofssre Mengen. ai i f losl , n l s sie bei dem tiamlichen Druck und der namlichen Tentparafur hei Iiingerer RerIi.11- rung m.it dena betreffenden Gus nii[pdiist hallen knnn.

Es siiid auf dicscm drittcn Wege am raschesten und leiclrtesten Fliissigkeiten vom Ir.D'chsten I~eebrrsatfigiingsgrnde zri erhalten, iind irh will hierzu schon an diescr Stelle einige Reispiele anfiihren.

Wird Coaksthrirm - Schwefelsaure, d. h. die Kammer- saure, welche sehr reich an viner farblosen Verbindung von salpetriger Satire mit Salpetersaure ist, mit einer hin; reichenden Meuge von Wasser vwdiinnt, so eiitweicht unter Erwarmung iiiid Auf bratisen salpetrige Saure uiid Sticksloffoxydgas, uiid die F'lussigk cit iiimmt eine griinblaue Farbung an. Diese Fliissiglieit erweist sich nachber' auch noch in niederer Temperatur in liohem Grade als mit salpetriger Saure und Stick stoffoxydgas ijbersattigt.

Werden Ldsungen eines kohlensawen Alkalis mit einein Ueberschufs von Slure vermischt , so eiitweEht tinter leb- haft em Auf bra risen K ohlensaure. Die zuriicli bleibendc Fllissigkeit ist in hohem Grade mil Kohlensailre ubersattigt. Ebeiiso erhalt man eine mit Schwefelwasserstoff iibersattigte Llisung, wenii die Llisung voii Schwefelkalium nder Schwe- felnatriiim mit einer Saure im Ueberschufs versetzt wird. W-ird schwef ligsaures Natron mil einer starken SBure im Ueberschufs versetzt, so erbalt man eine hoch iibersiittigte Llisiiug von schwefliger Saure. Die Losuugeu eiiiiger chlorsauren Sake niit Schwefelshre versetzt geheu iiber- siittigte Liisringen von unterchloriger Satire und Sauerstoff.

Diese Beispiele mligen geiiiigen , uin die Ueberstittigung diirch Lostcng im Entstehiingssustande zu verdeutlicben.

5. 3. Ueberhitste Fliissigkeiten. Ich nenne eine Fllis-

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sigkeit iiberhitct , roenn dieselhe eins hoherc Tempemtur hat, als diejenige, bei wrlcher ihren Dampfen ein Span- nungsmaxivnum aukommt , welrhps dem ntif der Fliissigkeit wirklich lastenden Dnick das Gleichgeloicht halt.

Man kann von einer solchen Flussigkeit stets aucb sa- geu, dafs sic sich in eincm Siedeverzug befindet. Eine solrhe Fliissigheit kommt jedocb nothwendig ins Sieden, oder es entwickeln sirh doch ails ihr sofort Dainpfblasen, sobald diejenigen Kriifte wirlisam siiid, welche die erste Rildung einer Gasblase oder nampfblase rerursaclien li6unen.

5. 4. Hisforisrhes. Man keunt seit den altesten Zeiten an den sogenannten Smerzonssem iibersattigte Gasl6siingen ; ebenso ist jede unfer gewijhulichen Urnsttinden mit Luft geattigte Li)sang in der Wiirmc ubersdttigt.

Man hat sich jedoch bis in die neiiesle Zeit von dieser Ueberslttigiing heine hinreichend klare Vorstellung gemacht, und es ist mir nicht behanut, dafs cler Begriff einer iiber- attigten Gaslirsitng im Sinne des 3. 2 scbon irgentlwo gegeben sey. Der Ausdriick iiberslttigte Gasl6sringlt ist, glarlbe ich, ziierst von G e r n e z gebiarichl worden. Ich fintle nirgekid ausgesprochen, dafs die der Gasform hhigen Kiitper iw Enlstehungszuslartde vie1 liislicher sind , ale wenn sie bereits Gasform angenomnien haben. Der Be- griff der iiberhitden Fllissigheiten oder des a i Siedeverzugs I dagegen ist durch die behannten neuereu Arbeiten von Magnus , D o n n y und D u f o a r klargestellt.

Es ware mi weitllufig, alle einzelnen iiber die Ent- wicklung von Gas - rind Dainpfblaseu bereits friiher gc- macblen Versuvhe und daraiis gezogencn Schliisse hier anznfiibren. Ich werde mich darauf besctirlnken, einerseits an der geeigneten Stelle auzugeben , welcher Forscher die wichiigsten Thatsachen zuerst constatirt , oder die richtigen Folgerungen aus den bel,annlen Thatsachen ziierst grzogeu hat ; andcwrseits die mir iiber den fraglicben Gegenstand bekannt gewordene Literatur hier zusammenzustellen.

Die altesten Versuche uber .die Entwickliing von Gas- blasen scbeinen mir von 0 e r s t e d herzariihren. Sie findeo

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sich in Geh len ’ s Joririial fiir die Cheinie iind Pliysih Bd. 1 S. 27 u. d. f., Berlin 1806, und sind durch eine Angabe von W i n t e r 1 veranlafst. G e h l e n erwlhnt dabei, dais er 1805 init Dr. Sch i i s t e r ahnlicbe Versiiche gemacht habe. Es ist selir mcrkwurdig, dafs die interessanten, von O e r s t e d sclion damals bekannt gcmachten Beobachtnngen, wabrend mehr als 60 Jnhren vdllig unberucksichtigt ge bliebcn sind. - Im Jnhre 1837 ha1 sodnnn S c l i o e n b e i n in Pi)gg. Annal. Rd. 40 S. 382 eine Reihe sehr merltwiir- diger Beobachtungen mitgetheilt in cincr Abliandliing : m Ueber diis Verhalfen der salpefrichten Satire zu dpm Wasser, end eine tlamit in Verbindung steheiitle eigenthiimliclie Dampfbildunggt. - Ferner ist eine Remerkung von L i eb i g gelegentlich einer IJntersiirhiing der Mineralquellen zii Soden, Annal. d. Phann. Rd. 30 S. 1 3 voin Jahre 1839 Iiier anzufiihren.

Die kiltesten Versuclie iiber Siedenerauge scheinen von W a t t und So i i t h e r 11 herziiriihren. (R o b i s o n , System of Mechaia. Phil. ZI 31 iind 170.) Ueber den Einfliifs der Gefafswlnde aiif den Siedepunk t scheint zrierst A ch a r d gearbeitct zu haben (Schwe igge r ’ s Jotirn. f. Chem. ii.

l’hgs. Rd. 27 S. 27); dann G a y - L i i s s a c (Annal. d. Chem. Bd. 82 S. 174, im Jahre 1812); R u d b e r g (Pogg. Annal. d. Phys. Bd. 40 S. 49, im Jahre 1837), untl M a r c e t 1842 (diese Annal. Bd. 57 S. 218), - Grofsere Siedeverziige linden sich mitgetheih von Bos tok (Annals of phil. T. 2.5 p . 196).

Sehr wichtige Aufschliisse gab sodann eine Abhandlung von Magn i i s , welche derselbe I844 in diesen Annalen Bd. 61 S . 24H iinter dein Titel veroffentlichte: ~ ~ U e b e r n die Kraft, welche zur Erzeiigung von Damyfen erforderlich ista. - 1846 hat D o n n y seine bekannten Versuche pa- blicirt (diese Annalen Bd. 6’7 S. 562 nnd Annul. Chem. Phys. [3] XVZ 167), welcher sicb die bekannten iind aas- gezeichneten Arbeiten von L. D u f o u r anreihen. (Arch. des sc. phys. et nut. XIZ p . 210 Jahr 1861, dann 1864 in N. Arch. phy. nat. 21, 201 und diese Annalen 124 S. 295; ferner 1865 in N. Arch. phy. nat. ‘24, 5).

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Mit diesen Untersuchungen von n u f o u r tiber das Sieden geht eine Arbeit von G r o v e parallel (Chena. SOC. [2] I, p. 263 vom Jabr 1863). Die letzte und bedeutendste Arbeit tiber die Gasentwicklung in iibersattigten Losungen von Gasen riihrt von G e r n e z her (Compt. Rend. LXIII p . 883 und Instit. IS66, p. 370, dann Compt. Rend. LXIV, p . 606, 1867) und es scbliefsen sich ibr noch die interes- santen Versuche voii T o m 1 i n s o n (Phil. Mug. [4] 34 p. 136 iind p. 229 von 1867) an.

Ich hatte den grdfseren Theil meiuer Versuche bereits beendet, ehe mir die Arbeiten von G e r n e z und T h o m - l i n s o n bekanut werden konnten.. Die Mittheiliing rneiner Versuche scheint mir gleichwohl nicht iiberfltissig geworden, da ich den Resultaten jener Forscher noch manches Neue hinzufiigen zu kdnnen glaube.

5. 5. Actice Oberflachen. Senkt man einen por8sen Kdrper, dessen Poren mit Luft erfiillt sind, oder auch irgend einen festen Ki)rper, welcher langere Zeit an der Luft ge- legen hat, in eine iiberstittigte Gaslasung ein, so Ubenieht sich seine Oberflache mehr oder weniger gleichfhmig, und je nach dem 'IJebei sattigungsgrade der Flussigkeit mehr oder weniger rasch mit Gasblasen. Wird ein solcher K6r- per lnit einer iiberhitzten Fliissigkeit in Beriihrung gebracht, so entwickeh sich an seiner Oberflache sofort Dampfblaeen, und es tritt ein mehr oder weniger stiirmisches Aufkochen ein.

Am gleichformigsten bedeckt sich in einer iibersBttigten Fliissigkeit eiii Draht, z. B. ein Platindraht, mit Blasen, wenn derselbe vorher zwischen dem dicht anliegenden Zeigefinger und Daumen durchgezogen wurde. Ich werde so behandelte Drabte kurzweg actiae nennen. Ziemlich gleichfiirmig activ erweisen sicb auch solclie Drahte, welche ein paar Ma1 durch die Haare des Kopfes hindurchgezogen oder an der Stirne gerieben wurden ; minder gleichfthmig activ sind sie, wenn sie rnit Leinwand, Papier, Pergament- papier, Baumwolle, Tuch , Seide oder sonst einem Korper, den ich versucht habe, abgerieben wurden.

PoggendorN's Anna). Bd. CXXXVlI. 6

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5. 6. Mittel, die Oberflache fester Korper inactiv 5u

machen. Luftfreie reine Oberflachen sind inactiv. Active Oberflachen sind nur dtwch die an ilmeri haftenden Gas- schichfm wirksana. Es geht dies aus folgenden Thatsachcn liervor:

a) Jeder, auch ein porbser fester Kbtper kann durch hinreichend lauges Liegen im Wasser inactiv gemacht wer- den, iiisofern alle in den Poren eingeschlossene Luft rind jede an der eingesenhten Obcrflzchc nnhaftende Luffschicht vom Wasscr allmiihlig aofgeliist wird.

6) Active Drahtc, z. B. Platindrdite, sind in der Regel sofort vbllig inactiv, wenn sie in einer Weingeistflainlne oder II t i 11s en'sclien GasHnmme bis ztiin Gliihen oder bis nnhe ziim Gluhcn erhitzt wordon sind. Es werden dadurch die an drr OberBKclie I~nfteiiden poriiscii rind die fettartigen Kiirycrchen zerstort, welclic die Ursnche sind, dafs an eiiicr solchcii Oberfliiche beim Einsenken derselben in cine iiber- szttigte Gasliisung an unztihligen Stellen hleine Luftschichlen haften bleiben.

c) Ein durch Hindnrchziehen durch die Finger activ gemachter Platindraht bleibt, im Luftbad bis 1 50° erwarint, vijllig activ. Seine Activiiiit schwiicht sich allmiihlig , wenn er kingere Zeit bei 150° bis 200° im Luftbad verweilte. Bei 250° bis 260" wird ein activer I%-ttiudraht im Luftbad iinch 10 bis 15 Minuten vbllig inactiv. Offenbar werden bei dieser Temperatur die fettnrtigen organischen Theilchen, welche seine Oberflticbe bedechen , schon zerstiirt oder verfliichtigt.

d ) Glasfiiden, welche eben erst dhrch Ausziehen her- gestellt und an keiiier Stelle beriihrt wurden, sind vbllig inactiv; sie bleibeii es manchmal, der Luft ausgesetzt, wgh- rend mebrerer Tage; offenbar meil an ibrer glatten und reinen Uferfltiche nicht leicht irgend welche durch die Luft zugefuhrte porbse, oder sonst niclit benetzbare KBrperchen htingen bleibep

e) Active GlasfZden und Metalldrtihte vcrlieren ihre Activittit sofort in hcifser Stzender oder kohleusaurer Kali-

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llfsung ; ebenso diirch Verweilen in Alkohol wHhrend eini- ger Minuten, oder durch kurzes Verweilen in concentrirter Schwefelslure und nachheriges Abschwenken in Wasser. Es sind dies offenbar ebenso viele Mittel, ihre Oberfllcbe zii reinigen.

f ) Porbse KBrper werden am raschesten inactiv, wenn sie kingere Zeit in Wasser oder Weingeist gekocht, iind dann noch einige Zeit mit der erkalteten Flussigkeit in Beriihrung gelassen werden. Es ist klar, dafs durch eine solche Behandlung die in ihren Poren enthaltene Luft rasch ausgetrieben und absorbirt wird. In vielen Fallen wird dabei auch die Anwendung der Luftpumpe forderlich seyn.

g ) Active Drathe werden im Allgemeinen sebr rasch inactiv in iiberstittigten Gaslirsungen, wenn man die an ihrer Oberflache sich bildenden Blasen wiederholt durch Erschutterung abklopft , oder durch Ausziehen aim der Fliissigkeit und Wiedereinsenken abstreift. Es erkliirt sich dies dadurch , dafs die anhaftenden Lufttheilchen durch die sich entwickelnden Blasen mit abgerissen werden; und es wird hierdurch eine Oberflache vie1 rascher inactiv , als durch Liegen im Wasser , welches die anhaftenden Luft- schichten erst nach langerer Zeit aufbst. In sehr activem kolilensaurem Wasser wurde ein activer Glasfaden schon nach einmaligem Ausheben und Wiedereinsenken inactiv.

h) Inactive Drahte, an offener Luft liegend, werden auch wahrend mehrerer Tage nicht gleichformig activ, und oft nach 24 Stunden erst an einzelnen Stellen; in einer kleinen Menge abgeschlossener ruhiger Luft, im Kork des Gefafses befestigt , auf bewahrt sind sie auch nach mehreren Tagen in der Regel noch vollig inactiv.

i) Die Kirrper werden durch Ligen an der Luft nicbt etwa durch eine Gasschicht besGnderer Art, oder etwa durch einen Ueberzug verdichteten Gases activ, der sich an der Luft allmahlig und langsam bildete; denn Gase, welche sich vorzugsweise auf der Oberflache fester Korper verdichten, z. B. Kohlens8ure , Leuchtgas, Wasserstoffgas, Chlorgas, Ammoniakgas machen inactive Drtihte auch nach

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langerer Bertjhrung nicht activ; und ebenso werden active Urahte auch durch tagelanges Verweilen in solcheu Gasen nicht inactiv.

Die Acthitat der feslen Oberflachen in mafsig iiberstit- tigtcn oder tiberliitzten Flussigkeiten ist daher lediglich be- dingt durch ihre Unreinheif oder durch ihre Porositat, und dic solcheu Oberflachen, auch nachdem sie in eine Flussig- keit eingetaucht siiid, noch anhaftendan Gasschichfen.

k ) Glasfaclen uud Drahte aus den verschiedensten Me- tallen siiid urn so leicliter inactiv zu rrhal!eii, je dichter m d polirter ihre Oberflache ist, uud es komlnt dabei auf die besondere Bescbaffenheit des Materiales gar nicht an; in alleu Flussigkeiten, i n welchen durch Erhitzeu angelaufener Stahl nicht angegriffen wird, zeigen z. B. Platindrahte und Stahldrahte ein v6llig analoges Verhalten.

I ) Durch eines der vorsteheuden Mittel inactiv gemaclite Drrthe weide ich daher, so oft es nicht ndtbig ist, deu speciellen W c g der Reinigung ihrer Oberfllche nlher an- zugeben, lediglicli reine Druhte nennen.

m) Ich babe Sorge getragen, dafs sich bei all meineu Versuchen die Flussigkeiten stets in mSgliclist inactiven GlnsgefiEseu befanden. Die Geftifse wiirden dadurcb in- activ erhalten, dafs ich sie, mit einer Glasglocke bedeckt, langere Zeit mit destillirtelu Wasser gefullt stehen liefs. Wird die auf ihre IJebersattigung zu priifende Fliissigkeit in solche Gefsfse iibergefiillt, ohne daEs dieselben vorher getrocknet werden, so bleiben diese Gefarse stets inactiv, d. h. niemals entwickeln sich Gasblasen an einem nicht erwarnaten Theile der Gefarswand selbst.

a ) Die im Vorstehenden unter a bis m erwahnten That- sachen sind nur ausnahmslos giiltig, insofern man lnit miirs'sig tibersattigten oder ijberhitzten Flussigkeiten operirt. Aus solchen entwickeln sich Gasblasen oder Dampfblasen niemals durch blofse Beriihrung rnit einer reinen nicht er- wtirmten festen Oberflache; sie entwickeln sich nur in Be- riilrriing mit einem schon gebildeten Case oder Dampfe, und es i s t dabei gleichgultig , welches Gas oder welcher Dampf

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6s sey. Bei hoch iibersattigten oder uberhitzten Flussig- keiten tritt jedoch auch Gas- und Dampfblasenbildung an der Beriihrungssfelle mit reincn festen, nicht erwarrnlen Oberflachen ein, auf welche Thatsache ich jedoch erst an einer spateren Stelle naher eingehen Irann.

5. 7. Historisches. Die Resultate der im 3. 6 mit- getheilten Versriche sind nicht neii, denn es hat bereits G e r n e z am angefuhrten Orte im Wesentlichen ganz die gleichen Resultate in ahnlicher Vollstundigkeit mitgetheilt ; aber die einaelnen Thatsachen waren fast alle auch schon nor G e r n e z entdeckt, nur nicht im gleichen Zusammen- hange dargestellt. Sclion O e r s t e d hat 1806 a. a. 0. dar- auf aufmerksain gemacht , dafs in Mischiingen aus kohlen- sauren Alkalien und Sauren, oder ails Schwefelalkaljen und Sluren u. s. f., nachdem das Aufsch3uinen und die Blasen- entwickelnng aufgehdrt hat, diese sofort wieder lebbaft beginnt, wenn ein fester K6rper eingetaucht wird. Er theilte bereits die analoge Erscheinung mit, dafs, wenn ein Platindraht in Wasser eingesenkt , und dieses unter die Luftpumpe gebracht wird, sich der Platindraht an seiner ganzen Oberflache mit Lriftblasen uberzieht. O e r s t e d bemerkte jedoch noch nicht, dafs die festen Oberflachen diese Eigenschaft auch oerlieren kdnnen; er hatte noch keine Vorstellung von einer ubersattigten Gaslbsung , und konnte daher zu einer ErklBrung der voii ihm beobachteten Thatsache in keiner Richtung gelangen. Dafs diese Eigen- schaft fester Kdrper lediglich den von ihrer unreinen Ober- flaiche in die Fliissigkeit mit eingefiihrten Luffschichlen oder den in den Poren porbser K6rper hefindlichen Gasen zu- zuschreiben ist, hat zuerst 1837 S c h 6 n b e i n a. a. 0. bei seiner Untersuchung des Verhaltens der salpetrigen Sal- peterszure zu Wasser unzweifelhaft nachgewiesen. Er hat ebendaselbst gezeigt, dab es die Luft poroser Korper ist, welche, bis zum sogenanuten Kochpunkt , erhitzte Fltissig- keiten bei der Einfuhrung ersterer pl(ltz1ich aufwallen macht, und dafs die porthen K(lrper diese Eigeiischaft ver;

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lieren, wenn ihre Poren in Folge llingeren Auskochens und Liegeus im Wasser keine Luft mchr enthalten.

Eine Ueberhifaung des Wnssers haben, wie M a g ii ti s am angefiihrten Orte angiebt, sclion W a t t und nach ihm auch S o u t her i i bei den Barometerriihren beobachtet, die sie zu ihren Versuchen anwandten. Einen andereii eigent- licheu Siedeoeraug, und zwar in Aetlier uiid in wassrigem Alkohol , und des pl6tzlichen Aufwallens der uberhitzten Fliissigkeit durch Eintauchen eines festen , naineiitlich po- r6sen Kiirpers scheint dann zunachst B 0s t o c k (An. Phil. 25, 196) bekannt gemacht zu haben.

Dafs es immer nur die Luft ist, deren Beruhrung die Gasentwicklung a m Sauerwassern veranlafst , hat am oben angefuhrten Orte gelegentlich aucli L i e b ig ausgesprochcn. - Aber es blieben diese Arbeiten viillig unberucksichtigt, und erst die Versuche von D o n n y und D u f o u r lenkten die allgemeine Aufmerksamkeit auf diese theoretisch wich tigen Erscheiuuiigen liin.

§. 8. Zusanamenhang der Actioitlit und der Benetabarkeit. Die unreinen M e n Oberflachen siiid, wie ich im 5. 6 nach- gewiesen habe, actio, weil sie beim Einsenken in tibemat- tigte oder iiberhitzte Fliissigkeiten an vieleii Stellen anhaf- tende Luftschichlen mit in die Fliissigheit hineinziehen. Es folgt hieraus, dab auch die Benetsung durch eine Fliissig- keit dieser Activitat vollkommen parallel geheii miisse. Dies ist in der That der Fall.

Wird ein activer dunner Draht aus der Flussigkeit etwas rasch ausgehoben, so bleibt dieselbe perlschnrrrar'tig ail dernselben hangen, uud die eiiizeliien Triipfchen tliefsen an dem Draht bei Verticalstellung dcsselben iiicht gleich- fiirmig ab. Das Gleiche tritt ein, wenn ein solclier Ihaht in destillirtes Wasser getaucht , und aus demselben msfsig rasch ausgezogen wird. Wird dagegen eiii reiner oder inacther Draht aus der Fliissigkeit ausgehoben, odcr in deetillirtes Wasser getaucht, uiid BUS diescm herausgezogen, so fliefst die lilngeiibleibende Fliissigkeit bei Verticalstellung des Drahtes gleichfijrmig uber desseii game Lange ab.

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It6actioilat und gleichfurmige Benetsung, Activitat und un- gleichformige Benetsz,mg gehen vbllig parallel. Es geht dies so weit, dafs sich an einem inactiven Draht ein ein- ziger acliver Punkt, an welchem sich in einer iibersattigten Gasliisung ein Blaschen entwickelt, sofort aucli durch man- gehde Benetzung sichtbar machen 'lafst. Beruhrt mau E. B. einen frisch ausgegluhten Platindraht an einer einzigen Stelle mit dem Finger, so entwickeln sich in einer iiber- sattigteu Lllsung an dieser cinzigen Stelle Blaschen. Taucht man nun diesen Draht in das Wasser, und zieht ihn rascli heraus, so fliett das anhangende Wasser bei Verlicalstel- lung und Umkehren von beiden Seiten niir bis an diese Stelle, bleibt aber hier, weil sie nicht benetzt wird, als Tropfen bkingen. Es ist dieser Doppelversuch, eine aclive Stelle sichtbar zu machen, von Uberraschender Empfind- lichkeit und Pracision.

5. 9. Langsarne Sattigung oon Fliissiglceiten rnif Gasen. Die vallige Sdttigung einer Fliissigkeit mit einem Gase durch blofse Diffusion setzt eine sehr lange andauernde Beriibrung voraus. Ein paar Male wiederholtes Schiitteln eher Fliissigkeit mit Luft reicht, z. B. in der Regel uicht nus, dieselbe mit Luft zu sattigen. Wenn ich die gem- liche Sattigung fur niithig hielt, stellte ich die Fliissigkeiten in eiuer flachen Schale oder in einem kurzen Glase unter einer Glocke gegen Staub geschiitzt , sieben bis vierzehn Tage lang an die Luft. Die Niithigung hierzu ist durcli die im folgenden Paragrapheu mitgetheilten Versuche gege- ben. Als Beispiel sey hier die folgende Thatsache erwlhnt. Mit Luft, wie angegeben, v6llig gesattigte concentrirte Koch- salzlasung entwickelte Blasen an eingetauchten activen Drghten sofort mit beginnender Erwhmung. Friscli berei- tete concentrirte Kochsalzliisung, obwohl filtrirt, und daher tropfenweise mit Luft in Beruhrung gebracht , entwickelte solche merklicli erst bei 50° bis 70°.

9. 10. Langsame Wirkung der Diffusion. Sichtbar- namhung der fortschreitenden Diffusion. Wird eine hoch dersattigte Lbsung llngere Zeit, z. B. 24 Stunden, in

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einem offenen Glasgchte unter einer Glocbe gegen Staub geschutzt, ruhig an die Lrtft gestellt, und man senkt sodann einen activen Platindraht ein, so iiberzieht sicli derselbe mit Blaschen von stetig zuiiehmender Grafse in der Rich- tung von oben nach unten, ganz ahulich, !vie ein magne- tischer Draht von der Mitte bis zum Pole ziinehinend Eisenfeile anzieht. Der Grad der fortgeschrilteueu Diffii- siou, die Tiefe unter der Oberflache, bis zu welcher die Fliissigkeit nicht mehr iibersattigl ist, kanu anf diese Weise auf das cleutlichste sichtbar gemacht werden. Es ist dies ein sehr instructiver Versuch, der sich mannigfach moditi- ciren lafst. Es ist iiberraschend zu seheii, wie Zangsatn die Diffusion fortschreitet, uud wie \iele Tage vergehen, ehe eine ruhig an die Luft gestellte Fliissigkeit bis in die untersten Schichten jede Spur von Uebersattigung verloren hat.

Kohlensaures Wasser , haufliches sogeiianutes Sodam as- ser, in einem Becherglase von nur 1; Zoll Tiefe, bei einer Temperatur des Zimmers zwischeii 5O und 15O offeii hin- gestellt , verlor in wiederholten Versucheii erst iiach 6 bis 7mal 24 Stunden jede Spur von Uebcrsattiguug mit Koh- lenslure. Aehnlich verhielt sich eine lioch iibersattigte LBsung von schwef liger Saure, durch Mischen von schwef- ligsaurer NatronlBsung u id Salzsaure im Ucberschufs er- halten; ahnlich die niit salpetriger Saure und Stickobyd iibersattigte blaugriine Fliissigkeit, welche durch Verdunnen der Coaksthurin-Scliwefelslure init Wasser erlialten wird.

Wurde in eiiiem etwa zwei Zoll hohen Becherglase in das untere Drittheil eiiie Mischuiig von 1 Thl. reincr Schwe- felsaure mit 1 Thl. Wasser gegossen, und daraiif vorsichtig mittelst eines Trichters einc gestittigte LBsung von kohlen- saurem Kali, so dafs sich tliese aiif der Saure schwiminend erhielt, so zeigle sich, nachdem das freiwillige Brausen auf- gclidrt hatte, niir in der Nahe dcr Beriihrungsgranze beider FltissigLeiten eiue init Kohlcnsltire hoch iibeislttigte Ll)suiig. Rrihig linter eincr GlasglocLc hingestellt gabeu die unteren Schicbteu dieser Fliissigkeit mittclst eines activen Platin-

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drabtes uoch nach achtzehn Tagen Spuren von Uebersatti- gung zu erkennen.

Ueber conceiitrirter Kochsalzlbsung wurde kohlensaures Wasser vorsichtig zum Schwimmen gebracht. Ifatte die KochsalzlOsung nur eine Tiefe von 2 Zollen, so war bei ruhigem Stehen das koblensaure W'asser auch nach acht Tagen noch nicht bis auf den Grund der Salzl6sung durcli Diffusion vorgedrungcn, und der tagliche Fortschritt der lelderen gab sich liier bei Einsenkung eines activen Platin- dcahles natiirlich diirch die von oben nach unten in der

. Salzlbsung abnehmende Gr6fse der an seiner Obcrflache sich bildenden Gasblasen zu erkennen.

8. 11. Die Acticitat tritt in gesa4tigten Gaslosunyen sofort mit Erhohung der Temperatur ein. In irgend einer mehr oder weniger mit Gas gesattigten Lbsung, wenn man sic hber einer Eisenplatte auf ein Drahtnetz geslellt, oder im Eisenfeilbad iiber einer Gaslampe erwarmt, belnerkt man die TJeberziebung eines activen Drnhtes mit Blasen gew6hnlich erst bei einer Temperatur von '26O bis 40". Es ist dies jedoch nur eine Folge angeniigender Sattigung mit Gas, oder zu raschcn Ansteigens der Temperatur. In vbllig gestittigten Losungen Iaht sich die Activitat schon bei einer Erwlnnung um 2 O bis 3" erkennen, wenn man nur im Sandbad oder durch Verhleinerung der Flamme laagsam genug erwiirmt, am die Zeit abzuwarten, bis die feinen Blaschen, welche die activen Drithe iiberziehen, fiir das freie Auge sichtbar werden. So habe ich z. B. die Activittit an Platindrahten beobachtet : in destillirtem Was- ser bei 14O; in angesauerlem bei 13"; in friscliem Schnee- wasser bci 17O; in gesattigter Alaunl6sung bei l lo ,5; in conc. chlorsaurer Kalilbsung bei 1 '2"; in conc. Chlorbarium- lhung bei 6"; in conc. Chlorcalciumlbsung bei 1 4 O ; in ver- dunnter Salpeteilbsung bei 17"; und es ist dies so zu ver- stehen, dafs immer die Anfangstemperatur um 2" bis 3O niederer war, als die angegebene Temperalur. Wahrend der allmlhligen Settigung durch wochenlanges Hilistellen an die Luft war die Temperatnr allerdings, namentlich bei

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Nacht, mehrere Grade niederer; bei Tag, da faglich einmal geheint wurde, abcr auch ofter hiiher gewesen.. Doch glaube ,ich aus diesen Versiichen schlielen zu diirfen, dak iii volliy gesiittigten Flussigkeiren die Activitat init der Temperaturerhohung sofort beginnt; d. h. die dem activcu 1)ralit anhangenden Lnftscliichten begiiiiien sofort sicli zu vergriitern, so dafs sie allmahlig siclitbar werden. Dieses Sichtbarwerden derselben tritt urn so rascher ein, je tiber- siittigter eine Fliissigkeit ist, also auch uin so rascher, je hoher die Temperatur einer kalt gesattigteii Fliissigkeit ansteigt. Von vielen ahnlich ansgeflihrteii Versuchen will ich bier iiur Einen anfuliren. In zweifach chromsaurer Kalilasuiig z. B., ,welche nur wenig Luft aufzunebmen scheint, war activer Platiiidraht sichtbar activ:

Bei 37O nach 17 Secunden nach dem Eintaucbeu; n 430 u 6 JJ I, n

JJ 460 4 m 1) D

1) 51' JJ 3 ,J Y u

Y 980 sofort Y 1) JJ

Im allgeineiuen werdeii active Drahte in wassrigen mit Luft gesattigten Lbsungen sclion bei 70° bis 80° sofort nach dem Eintauchen sichlbar mit Blasen bedeckt, in man- chen schoii vie1 fruher. In kalt coiireiitrirter Chlorbarium- lilsuiig z. B. habe ich es sclion bei 34", in verdunnter Kochsalzlasung schon bei 31° beobaclitet. Diese salzsauren Lasungen absorbiren cine betrachtliche Meiige atmospharischer Luft.

Es wiire nun detn Obigen znnachst eine Man- nigfaltigkeit von Blasenbilduiigen an der Oberflache fester Kbrper anzureihen, welche linter besoiideren Umstanden stattfinden, die sich nicht sofort und uninittelbar auf die bisher bereits besprochenen Bedingungen zuriickfiihreii las- sen, z. B. die Activitat durcli Verdutislung, die Blasenbilduiig beim Abloschen lieifser Korper, die Lufiblasen- und Dampf- Bildung in Verbindung mit dem Leidenfrost'schen Phano- men; die Blusenstrome in sebr hoch tibersattigten Losungen; das Verhalten fetter Oberflachen 11. s. w. Weil die dar-

9, 12.

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auf beztiglichen Beobachtungen jedocli niclits den bishcr initgetheilten Rrsullaten Widersprecheiides enthalten, so ziehe ich vor, ihre Mittheilung zu verschieben, und zunaclist die bei der Luft uiid Dampfblasenbildung wirksatnen Krafte und ihre Angriffspunkte einer naheren Betrachtung zu unterziehen.

Am dem Inneren einer Fliissigkeit selbst habe ich die Entwicklung voii Gasbtaseii bisher iiur in Folge von di- recter chemischer Action beobachteii hl)nnen, z. B. wenn man, wie schon oben erwahnt, auf eiiie Saure die Liisuiig eines kohlensaoren Alkalis vorsichtig so aufgiefst , dafs die letztere auf ersterer schwimmt. In der Nahe der Beruh- rungsgrkiiize beider Flussigkeiten entwickelii sich d a m eiiie Zeit lang GasbIasen aus dem Inneren der Fliissigkeit selbst.

Von der chemischen Action abgesehen, hiinnen jedoch alle anderen bei der Lufi- mid Dainpf blasenbildung wirk- samen Krafte ihre Angriffspunkte nur a11 der Contactstelle einer Fliissjgkeit mit eiiieln Gase oder wit eiiier feslen Uberfliiche haben, und die QueZZe dieser Krafte kanu an ersterer Beruhruugsstelle entweder in tleln Gase oder in der Fliissigkeit, und an der zweiteii Beriihrungsstelle ebenso entweder in der Flussigkeit oder in der festen Oberflache gesricht werden.

Von allen hier in Betracht kommeiideii Krsten haben nur die im Contact mit einetia Gase wirksarnen Krafte ab- soluten Eifolg, d. h. die Luft - oder Dampfblasenbildung findet schon bei der geringsten Uebersattigung oder Ueber- hitzung slatt. Alle ubrigeii an der Beriihrungsstelle mit reiiieta festen Oberflacheii wirksainen Krafte habeu nnr bedingten hfolg , d. h. die erste Luft- oder Dampfblasen- bildung erfolgt erst bei mehr oder weniger gesteigerlen Graden der Uebersattigung oder Uebet hitzung, hat d a m aber durch die Beruhrung mit dem bereits gebildeten Gase ihren raschen und oft stiirmischen Fortgang.

Ich will daher zuiilichst die wirksamai Krafte an der Contectgranze mit einem Gase nlher zu wurdigen suchen.

5. 13. Affinitut der Gase aur Warme. An der Con-

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tactgranoe einer Fliissigheit mit einem Gase liegt die Quelle deer Krafle , welche die Verdampfung oder die Gasbildiing uerursachea, nicht in der Fliissigkeit, sondern in dem Gase.

Es ist eine durchaus irrige, aber noch imuoer weit ver- breitete Auffassung, da€s einer fluclitigen Flhsigkeit eine gewisse Spannhuft innewohne, vermiige welcher sie sich von selbst in Dampf verwandeln wiirde, wenn nicht ein das Spannungsmaximum ihrer Dampfe fur die gegebene Temperatur iiberschreitender Druck aiif ihr lastete. Im In- neren der Fliissigkeit denkt man sich dieser Spannung lediglich die Cohasion der flussigen Theile entgegenwirkend. Es geniigt, in dieser Beziehung z. B. atif D o n n y ’ s oben erwahnte Abliandlung zu verweisen. Diese Auffassung scheint inir gegenuber der allgemeinen Thatsache der Ueber- sattigung und der Uebcrhitmtng; wie ich sie definirt habe, viillig unhaltbar. Sowohl die IJebersattigung als die Ueber- hitzung werden nur begreiflich, wenn man anerkennt , dafs die einer Fliissigkeit inharenten Krafte auf andere Kbrper im Contact verfliissigend wirken ; dafs diese Krafte nicht die Verdampfung der Fliissigkeit einleiten , falls kein Hin- dernifs entgegenstcht , sondern vielinehr der Verfliichtigung einen bestimmten Widerstand entgegensetzen; und dafs dieser Widerstaud nicht ausschliefslich der Cohiision der flussigen Theile, sondern ebensowohl den Kraften zuzu- schreiben ist, welche die Flijssigkcit befahigcn, andere Kor- per, fcste und gasformige, aufzzilbsera, und selbst ihre eigenen Dampfe zu condensiren. Ich kenne keine Thatsachen, welche mit dieser Auffassung unvercinbar waren, wabrend unzahlige That sachen darauf hinweisen, dafs den Flussig- keiten Krafte innewohnen, welche sowohl feste K6rper als Gase zii eerftiissigen vermiigen. Ich verweise nur aiif die merkwiirdige in dicsen Annalen Bd. 61 S. 250 von M a g - n u s initgetheilte Beobachtung , dafs eine Kochsalzldsung, die in einem Wasserbade auf looo erhalten wurde, durch Einleiten von Wasserdampfen , welche ebenfalls nur eine Temperatur von looo hatten, dennoch auf 107O erwgrmt wurde.

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Weiin nun liiernach an der Contactgriinze zwischeii einer Fliissigheit und einern Gase die der Fliissigkcit inh#- renten Krafte nicbt verfluchtigend, sondern verflussigend wirken, so konnen die durch die mitgetheilten Versuche nachgewiesenen gas bildenden Krafce an einer solchen Con- tactgranze nur deln Gase selbst inhariren, und es mufs anerkannt werden, d a k den Gasen als solchen Krafte inne- wohnen, welche auf die mit ilinen in Beruhrung tretenden Ktirper verfliichtigend wirken. Es spechen hierfur aufser den bereits initgellieillen Thntsacheii so viele andere Iangst bekannte, ulid ich werde noch manche weitere beizubringen habcn, daL es schwer begreiflich sclieint , weshalb diese Eigenschaft nicht Iangst als eine den Gascn inharente all- gemein anerkannt ist.

Diese Eigenschaft der Gase scheint sogar aus dem Be- griff des Gases selbst mit Nothwendigkeit hcrvorzogehen; denn was denkt man sich nnter einem Gase? Man denkt sich darunter eine Materie mit bcstiminter Ezpansiukraft oder Spannkraft ; eine Matcrie, welche durch einen jener Spannkraft gleichen inechanischen Gegendruck verhindert wird , sich auszudehnen oder aussuspannen , bei welcher Ausspannung sensible Wurme in )J Werk ( 1 , in innerc und aiifsere Arbeit, vermandelt wird , und weil diese Krafte wirksam sind, nennen wir eine solche Materie Gas oder Datnpf. Sucht man die Ursache dieser Spannkraft eines Gases nicht in einer durchaus unwahrscheinlichen Absfo- /‘sung seiner Theile, sondern iu seiner Eigenschaft , sensible Wartne in Werk umsuwandeln, so ergiebt sich sofort, dab. wo ein Gas mit einer Flussigkeit in Contact tritt, dasselbe Anlafs giebt ziir Umwandlring von sensibler Warme in Werk, d. h. es wirkt verdampfend oder verfliichtigend. Ich glaube , es ist gestattet , diese Eigenschaft der Gase in Kiirze mit dem Ausdruclie n Affinitiit zur Wurrnen zu be- zeichnen. Die Gasbildung an der Beruhrungsstelle mit einern Gase ware daher der Affinitut der Gnse aur Wi irae auzuschrei ben.

Indem ich inir vorbehalte, auf die weiteren Consequenzen

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aus dieser Aiiffassung an einer anderen Stelle naher ein- zugehen, wende ich mich nun zunachst zu den oon Aufsen Itinaidretenden Kraften, welche die erste Luft- oder Dampf- blasen-Rilduiig an der Granze einer iiberssttigten oder iiber- hitzteii Fliissigkeit und einer reinen festen Oberfliiche eiii- zuleiten vermiigen.

5. 14. Von au[sen hinautretende lirufte. Als solclie von aufseii Iiinzutretende Kriifte, welche an reinen festeii OberHaclien die Gas- oder ~~~mpfblase i ib i ldu i~g eiiileiteii konnen , habe ich anzufiihren:

I. Eine hinreichende oder pliilzliclie Druckuerminderung. 11. Eine hinreichend rasche Ueberleitung von Wiirme.

111. Eine genugend k,raftige Reibung. 5. 15. Gasentwicklung 6ei Druckverminderung. Dafs

cine pbtzliche Drzickvernainderuug zur Entwicklung voli Gasblasen an der Oberflache inactiver fester Kiirper genii- geiideii Anlafs giebt, lehrt die Oeffuiing jedes Gefafses, in welchein eiiie unter lioherein I h c k mit einem Gas gesat- tigte Fliissigkeit eingeschlosseii ist. Es tritt ein momeiitanes von den Gefafswanden aasgehendes Aufbrarisen ein. Fin- det nachher iioch eiii Zungere Zeit fortgesetztes Aufstromen v o n Masen statt, so geheii diese von kleinen poriisen Kiir- perchen aus, dereii Porejt bei Clem ersten Aufbrauseii sich mit Gas erfiillt haben. Es ist leicht, fiir bei gewohnlichem Driick gedttigte Liisungen das gleiclie Verhalten bei ver- iniiidertem Druck unter der Luftpumpe nachzuweisen.

Fur ziberhitzte Fliissigbeiten haben die D ufour'scheii Versuche 'geniigend aufser Zweifel gesetzt, dafs plofzliche Druckverminderung zur Entwicklung von Dainpfblasen aus eiuer iiberhitzten Fliissigkeit an ihrer Contactgranze mit der inactiven Gefafswand Anlafs geben kann.

Blasenenteoich.Eung an reinen festen Oberfiachen beirn Uebekgang von Warnae. Es ist eine allbekannte That- sache, dak in einer luf~haltigen oder sonst ein Gas auf- geliist haltenden Fliissiglreit beim Erwdirnien derselben, je iiach dem Grade der mit steigeiider Temperatur fortschrei- tendeii TSebersattigung, friilier otfcr spater vor dem Einfritt

8. 16.

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des Kochens Gasblasen von der erwarmten Bodentlache des Gefafses aufsteigen, oder bis zii einer gewissen Grirfse an derselbeii adhariren.

In wiissrigen, atmosph8rische Luft enthaltenden Lilsungen bedeckt sich die inactive Bodenfliiche des Glasgefiifses meist erst zwischen 40n rind 60° sichtbar mit kleinen Gasblaseu. In htiiheren Teinperatureii bleiben in wsssrigen Losringen diese Gasblasen nieist niclit mehr an der Bodenflache des Glases hangen, sondern reifsen unsichtbnr klein ab, und sind nur wshrend des Aufsteigciis rind allniahligen Wachsens sichtbar. Benetzt eine Fliissigkeit das Glas vie1 leichter, als es das Wasser thut, so merden an der Bodeii- flache niemals Blaschcn sichtbar; dies ist z. B. in Wein- geist der Fall. In Glycerin dagegen, und ebenso auch in Collodionlosring , bleiben die Blasen bis zur Kochhitze in beti achtlicher Grofse ail der erwarmten Bodenflache des Glasgefafses adhariren, und selbst der in der iiberliitzten Flussigbeit sich entwickelnde Dampf bleibt in Blasen von auffallender Gro€se an der Bodenflache haften. Diese Er- scheinnngen werden mit den relativ starheren oder schwa- cheren und mit der Temperntur veranderlichen Adhiisions- kriiften einerseits d'er Fliissigkeiten, andererseits dcr Gase an der festen Gefafswand mannigfach inodificirt ; das Stu- dimn derselben ist daher der Complication der zusammen- wirkenden Ursachen wegen ein sehr schwieriges. Icli habe den Vorgang gelegentlich auderer Fragen an das Experiment wohl in mehreren hiindert Fallen aufmerksam beobachtet, sowohl in mit atmospharischer Luft gesattigten Fliissigkeiten der verschiedensten Art, Sauren , Alkalien, Salzen, als in Ltisungen sehr verschiedener Gase. Diese Untersuchuiigen sind keineswegs als abgeschlossen zii betrachteii , und ver- sprechen noch eine reicliliche Ausbeute. Im Allgemeinen qlaube ich die nachfolgenden Beziehungen erkannt zu haben:

Die erste Bildung von Gasblasen an reinen Glasflachen in iibersattigten Gasltisungen, beim Uebergang von Warme von der Glasflache an die Fliissigkeit, tritt unter sonst

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gleicheii Urnstandeli uin so friiher, d. h. bei minder erh(i1i- ter Temperatur der Fliissigkeit ein:

ct) J e iibersattigter die Losung ist ; b ) je rascher die Ueberstittigiing mit steigender Tem-

y ) je mehr von einem Gase aufgelost ist; S) je weniger die Flussigkeit an der Glasflache adha-

rirt, uiid je geringer die Beweglichkeit der fliissigen Theilchen ist;

peratur zunimmt;

E ) je schlechter die Fliissigkeit die Warme leitet; c) je rascher die Warme ziigefuhrt wird.

Einen Unterschied, welcher dadurch bediiigt wiirde, ob die sonst reine Glasflache rauh oder glatt ist, habe ich bis jetzt nicht in unzweifelhafter Weise wahrnehmen honnen.

8. 17. Entwicklung von Gas- und Dampfblasen durch Rei bung.

Ich habe die hier zu beschreibende sehr merkwiirdige Wirkiing der Reibung bis jetzt nirgcnd erwahnt gefunden.

In sehr hoch iibersattigten oder uberhitzten Fliissig- keiteii giebt jrde anch sehr schwache Reibung Anlids zur crsten Rilduiig vou Laft- rind respective Uampf blascn. In schwach iibersattigten Gaslosungen, oher in wenig iiber- hitzten Fliissigkeiteii giebt Reibung iiur dann Anlafs zur ersten Bildung von Gas- oder Dampf-Blasen, wenn sie kraftig genug ist, und vorzugsweise nur, wenn sie an einem iiher die Temperatur der Flussigheit erwarmten Theile der Gefafswand vorgenommen wird.

Es giebt meinen bisherigeii Erfahrungen zufolge keine iiberstittigte und keine iiberhitzte Flussigkeit , in welcher iiicht bei hinreichend gesteigerter Temperatur durch Rciben der erhitzteu Bodenflache mit einem harten Kbrper Gas- oder Dampf-Entwicklung hervorzubringen ware. Gelindes Reiben der erhitzten Bodenflache des Glasgefahes mit einem Glasstabe ist in maiichen Fallen, z. R. in verdiinnter Kochsalzlosung bei 102O, in halt gesaltigter bei 104" die Quelle einer so eiiergischeii Luft- und Dampfblasen -En[-

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wicklung, dafs diese eine weithin sichtbare auffallende Er- scheinung bildet.

Adhariren in einer ubersattigten Gaslosung die Gas- blasen an der Gefafswand, so tritt jede Reibungslinie sofort oder in 1,rirzer Zeit als BEasenlinie sichtbar heivor. In concentrirtem Glycerin wird bei 125' jede Reibungslinie der erhitzten Bodenflache durch einen Glasstab als eine Dampfblasenlinie von beirachtlicher Grofse sichtbar; ebenso bilden die Aetherdampfblasen einer Collodionlosung, welche im Wasserbad erwarmt wird, bei 38' bis 40' an jeder noch so schwach geriebenen Stelle der erwarmten Gefafs- wand eine Dampfblasenlinie.

Die naheren Bedingungen dieser W irkung der Reibung ergeben sich aus den nachfolgenden Thatsachen.

9. 18. Die Reibung wirkt unter sonst gleichen Umstan- den urn so energischer, j e harter die geriebenen Korper sind. Von vielen diese Tlratsache bestatigenden Versiichen will ich nur einige beispielsweise erwahnen.

In gewiihnlichem Wein gab Reiben der erwarmten Bodenflache des Glases mit einem Stahldraht (Stricknadel) bei 75O vie1 schonere Blasenlinien, als Reiben mit einem etwa gleich dicken Kupferdraht.

In halt gesiittigter Salpeterlbsung, durch Iangeres Stehen an der Luft mit solcher bei geivohnlicher Temperatur ge- sattigt, und also in holrerer Temperatar mit Luft iibersat- tigt, gab bei 82" Reiben der erwarmten Bodenflache dee Glasgehfses mit einem Glas-, Stahl- oder Zinh-Stab sehr schane Blasenlinien ; Reiben mit einem Cadmirimstab blieb ohne Wirkung.

Bei gewtihnlicher Temperatur kalt gesattigte, filtrirte, lufthaltige Leimlosung gab bei 85O durch Reiben des er- hitzten GIasbodens mit Glas selrr sch6ne Blasenlinien ; minder sch6ne mit Stahl; keine mit Kupfer und Cadmium. Es verstelit sich, dafs bei diesen Versiichen die Reibung mit den verschiedencn Staben ungefahr mit gleicher Kraft, bei den Staben, welche ein negatives Resultat gaben, aber jedenfalls niit starkerem Druck vorgenonimen wurde.

PogeendorK's Annal. Bd. CXXXVII. 7

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Ans hoch tiberssttigten LBsungen, erhalten z. B. durch Mischung einer bohleiisauren oder schwefligsauren Alkali- losung init einer Saure im Ueberschufs, durch Mischen von Coaksthurm-Schwefelsaure mit Wasser, ebenso aus liohlen- saurem Wasser, sogenanntem Sodawasser , 11. s. w. lassen sich durch allmahlig fortgesetzte Verdunnung leicht solche Uebersattigungsgrade iiach einaiider herstellen, dafs in der concentrirteren Losung, nachdem sich keine Blasen mehr von selbst entwickeln, jede kleinsle Reibung der hier nicht erwiirmten Gefafswand, auch init Cadmium, oder einem dunnen biegsameii Platindraht, Blasenlinien hervorbringt; dafs solche in der weiter verdiinnten zwar mit Glas oder Stahl, Zink und Kupfer erhalten werdeii, mit Cadmium aber nicht mehr; endlich in der noch ferner verdiinnten, zwar noch mit Glas aber nicht mehr mit Kupfer; endlich anch iiicht mehr mit Glas, obwohl ein activer Platindrabt in solcher Flussigkeit sich noch rasch mit Blasen bedeckt.

Die Reibung i s t wirksamer in Glasgefafsen, ah in Metallgefifsen. Schon weil das Glas hurter ist, I~ f s t sich dies voraussehen; ich halte jedoch fur wahrscheinlich, dafs dabei noch andere Ursachen mitwirken diirften.

In einer Platinschale entstanden in kohleusaurem Was- ser , welches in Glasgefafsen iioch schone Reibungslinien gab, solche nicht mehr. In geeignet verdunnter Coaks- thurm-Schwefelssure, ebenso in einer Mischung von kohlen- saurer Natronliisung und Salzsaure waren jedoch ohne Erwgrmung auch in der Platinschale Blasenlinien durch Reibung mit einein Glasstabe 211 erhalten.

Bruiiiienwasser in der 'Platinschale allmahlig erwbmt gab beim Reibeii der erhitzten Bodenflkhe mit einem Glasstabe schon bei 24O, mit einem Kupferdraht erst bei 40° bis 50° Blasenlinien; mit einem Cadmiumstabe auch bei hoherer Temperatur nicht. Im Glasgefafs waren in Brunnenwasser bei 87" auch mit Cadmium Reibungslinien zu erhalten. In lufthaltigem destillirtem Wasser gab in der Platinschale Reiben mit Glas bei 60° deutliche Blasen- linien.

9. 19.

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In einer Kupferschale dagegen habe ich in mehrfachen Versuchen iiberhaupt durch Reiben keine Blasenlinien er- halten k h n e n ; jcdoch in einer hoch ubersattigten Mischung von kohlensaurer KalilBsuiig und Salzsaure im Ueberschufs traten solche sowohl mit Glas- als mit Kupferstaen un- zweifelhaft hervor.

Es ist nicht nothig, dafs durch die Reibung ein wirk- liches Ritsen der Oberflache eintrete. Ich habe schon erwlhnt, dafs in hoch iibersattigten oder uberhitzten Fliis- sigkeiten die allergeringste Reibung auch mit weichen Karpern zur Luft- oder Dampf blasenbildung Anlafa geben kann. Es ist klar, dais hierbei kein Ritzen stattfindet.

Q. 20. An den durch kraftige Reibung ereeugten sicht- baren Furchen entstehen die Blasenlinien nur Einmal, nach- dem der Strich gefiihrt i s t ; und erneuern sich nicht, wenn eie abgerissen sind.

Ich habe auch nicht beobachten kthnen, dafs an solchen durch Reibung gezogenen Furchen, sey es in Glas oder Platin, die bei weiter fortgesetzter Erwarmung von selbst sich entwickelnden Gasblasen leichter oder haufiger entste- hen, als an jeder anderen Stelle.

Es ist schon erwahnt worden, dafs in schwach tibersattigten Lbsungen die Reibung nur wirksam ist, wenn sie an einem iiber die Temperatur der Flussigkeit erwarm- fen Theile der Gefafswand stattfiudet. Von mebreren hierber geh6rigen Versuchen will ich uur einige anfuhren.

In mit einem Tropfen Kali versetztem destillirtem Was- ser, das bei gewtihnlicher Temperatur mit Luft gesattigt war, gab Reiben der erwlrmten, Bodenflache mit einem Glasstabe schon bei 40° bis 450 schane Blasenlinien. Rei- ben der Seitenwand des Gefafses blieb unwirksam. Nach dem Idschen der Flamme, beim Abkuhlen, blieb Reiben dee Bodens bei 47O wirkungslos. Beim Wiedererwarmen bis 70° gab Reiben der Bodenflache sehr lebhafte Blasen- entwicklung ; bei beginnendem Abktihlen keine Spur mehr : beim Wiedererwarmen bis 90° und 98O bildeten sich durch Reiben der Bodenflache mit einem Glasstabe ganze W o k e n

Q. 21.

7 *

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von Blasen; bei beginnendem Abkiihlen in der noch fast kochendheifsen Flussigkeit keine Spur mehr. Bei allen Temperaturen blieb Reiben der Seitenwand des Gefafses, welche nicht heifser oder minder heifs als die Fliissigkeit war, vbllig wirliungslos.

Ein Kupferdraht urid Stahldraht, oder ein Glasstab und Stahldraht geben auch in hochendheifsem Bruiineiiwasser fest aneinandergerieben zu keiner Biasenbildung Anlafs. In gewohnlichem Bier dagegeu, welches sich in der Wl rme hoch ubersattigt erweist , verursacheii inactive Stahl- rind Kupferdrahte, bei 85O in der Flussigheit aneinander gerieben, eiue lebhafte Schaumbildung. Hier ist auch die Reibung der Seitenwand des Gefafses wirbsarn.

In hoch ubersattigtcm kohlensaurem Wasser giebt Rei- ben, wenn dasselbe vorher erwarmt wurde , auch wahrend der fortschreitenden Abltuhluitg zur Blasenbildung Anlafs. Uagegen ist die in concentrirtem Glycerin bei 125O bis 134" lebhafte Dampfbildung hervorrufende Reibung auf dem abkiihlenden Boden sofort vollig unwirksam.

In im Wasserbad erwarmter CollodionliSsung wirkte jede schwachste Reibung, wie schon erwahnt, bei 38" bis 40'' hiSchst energisch; nach dem Herausnehmen des Ge- fakes aus dem Wasserbad war sofort jede Reibung un- wirksam.

8. 22. In uberhitzten Flussigkeiten ist nicht selten sclion die bloke Beriihru-ng der erwarmten Bodenflgche des Glases mit einem hiiieirigestellten Glasslabe oder Me- talldrahte die Ursache einer continuirlichen lebhaften Uampf- entwicklung an der Beriihrungsstelle. Ich habe dies z. B. beobachtet in kochendheifsem Weingeist, in Collodion- losung bei 3s'' bis 42O; ferner bei 98" in einer Flussigkeit, welche durch Mischung von kalt gesattigter chlorsaurer Kalilosung und uberschussiger Salzsaure hergestellt war. Die Ursache liegt wohl darin, das eine diinne Schicht der Flussigkeit an der Beriihrungsstelle des erwarmten Bodehs mit dem Stab am raschen Aufsteigeii verhindert ist, und deshnlb hoher erwiirmt wird, als an den Stellen, an wel-

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chen die Bodenfllche frei ist. In diesen Fallen giebt na- tiirlich Reibung ebenfalls zu lebhafter Damyfbildung Anlafs; aber es ist dann nicht sicher -zu unterscheiden, welchen Antheil an der Wirkung die Reibung als solche hat.

tj. 23. Die Ursache dieser Wirkung der Reibung ist nicht auf die durch Reibung entwickelte Warme zuriickm- fuhren. Wirkung der Reibung in uberschmolaenen Kljrpern. Wenn auch in manchen Fallen die durch Reibung ent- wickelte Warme eine Rolle mitspielen mag, so glaube ich doch nicht, dafs dieser Ursache irgend ein wesentlicher Theil der Wirkung zrizuschreiben ist.

Einerseits ist eine sehr schwache Reibung, z. R. mit einem ganz diinnen leicht biegsamen Platindrahte, in hoch tibersattigten Ltisnngen auch wirksarn an betrdchtlich abge- kbhlten Fluchen , so dafs nicht angenommen werden kann, dafs durch eine so schwache Reibung die Temperatur an der geriebenen Stelle auch nur bis zrir herrschenden der Flussigkeit erbiiht werde; bei letzterer aber entwickeln sicb, wie natiirlich vorausgesetzt ist, ohne Reibung keine Blasen an der Gefafswand. Andererseits erzeugt in hoch ubersat- tigten Losungen an der erwarmten Bodenflache die ge- ringste Reibung schon Blasenlinien bei Temperaturen, welche noch sehr weit unter derjenigen liegen, bei welcher sich die erwarmte Bodenflache von selbst mit Blasen bedeckt.

Es geht hieraus hervor, dafs die Reibung in genugend iibersattigten oder uberhitaten Flussigkeiten unmittelbar zrur Umwandlung von mechanischer Arbeit in latente Warnae oder Werk Anlafs giebt.

Weil ferner die gasbildende Wirkung der Reibung in minder iiberslttigten Losungen nur an erzoiirmten Flacbcn auftritt, so ist zugleich anziierkennen, daL die Reibung unter diesen Urnsttinden unmittelbar Bur Umwandlung von iibergeleiteter sensibler Warme in Zatente Anla/s giebt ; ein Resultat, welches in theoretischer Beziehung nicht ohne einiges Interesse ist.

Es wird diese Auffassung noch durch eine andere Er- w8gung nahe gelegt. G e r n e z hat I866 (Conapt. Rend.

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t . LXIII p. 217) die interessante Thatsache mitgetheilt, dafs iiberschnaolsene Kiirper, d. h. Kiirper, welche unter ihren Schmelzpunkt abgekuhlt , aber flussig geblieben Bind, durch Reibung zu platzlicher Erstarrung gebracht werden. Hier ware die durch Reibung etwa erzeugte WHrme offenbar ein Hindernifs gegen den Beginn der Erstarrung gerade an der geriebenen Stelle. Dennoch hat die Reibung diese Wirkung. Ich habe diese Beobachtung G e r n ez 's voll- hommen besttitigt gefunden. Inactive und active Platindrahte in eine l& Zoll laiige Saule von unter Wasser, welches init etwas Kali versetzt war, befindlichem uberschmolzenem Phosphor wiederholt eingesenkt und herausgezogen, bringen denselben bei etwa 34O bis 32" nicht ziir Erstarrung; 0ber in Folge der leisesten Beriihrung des Bodens oder der Seitenzvand des Gefafses mit dam eingesenkten Platindraht beginnt die Erstarrung sofort. Phosphor in einem Glas- riihrchen unter Alkohol gebracht, und im Wasserbad bis 43O erwlrmt, blieb, nachdem das Wasserbad, in welchem sich das Rohr befand, bis 35" abgekuhlt war, durch Ein- senken von activem und von inactivem Platin fliissig, er- starrte aber sofort bei Beriihrung des Glasbodens mit dem Platin. Unter mit Kali versetztem Wasser verhielt sich der Phosphor ebenso wie bei Einsenkung von Platindraht auch bei Einsenkung von inactivem und activem Stahl, Kupfer und Glas. Die Beriihrung mit activen und inac- tiven Oberfkhen macht also den Phosphor nicht erstarren, sofort aber die leiseste Reibung. G e r n e z erklart diese Wirkung der Reibung durch eine kleine Naherung der Molecule des tiberschmolzenen K6rpers in Folge des dabei stattfindenden Druckes. Es scheint mir jedoch vie1 ntihex zu liegen, anzuerkennen, dafs in iiberschmolzenen Karpern, wie auch in iibersattigten Salzliisungen, die Reibung unmit- telbar Bur Unszoandlung aon latenter Warme in sensible Anlafs giebt.

Mannheim im December 1868. (Fortsetzung folgt.)