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„Los eternos indocumentados“ Willy und Helga Verkauf-Verlon Preis 2014 an Erich Hackl Laudatio von Gerhard Baumgartner Der Titel meiner Laudatio stammt aus dem Lied Poema de Amor, der inoffiziel- len Nationalhymne El Salvadors, aus der Feder des Dichters und Revolutionärs Roque Dalton, das mit den Worten endet: los eternos indocumentados, los hacelotodo, los vendelotodo, los comelotodo, los primeros en sacar el cuchillo, los tristes más tristes del mundo, mis compatriotas, mis hermanos. Diese Zeilen Roque Daltons schweben wie ein inoffizielles Motto über dem Werk Erich Hackls, sie wirken wie eine fast pro- grammatische Umschreibung jenes Perso- nenkreises, dem Erich Hackl einen Groß- teil seines sich über drei Jahrzehnte hin- ziehenden Schaffens gewidmet hat: den Traurigsten der Traurigen dieser Welt, seinen Landsleuten, seinen Brüdern. Dass wir heute in Europa und im deut- schen Sprachraum die Werke von latein- amerikanischen Dichtern und Schriftstel- lern wie Roque Dalton überhaupt kennen, verdanken wir zu einem Gutteil den unab- lässigen Bemühungen Erich Hackls als Übersetzer und Herausgeber. Ich erinnere mich noch gut an einen Band über das Le- ben der guatemaltekischen Indios mit dem Titel Das Herz des Himmels – einen Band, den mir Freunde aus der IGLA, der In- formationsgruppe Lateinamerika, in den DÖW Mitteilungen DOKUMENTATIONSARCHIV DES ÖSTERREICHISCHEN WIDERSTANDES FOLGE 225 MÄRZ 2016 VERKAUF-VERLON PREIS 2014 UND 2015 Seit 1991 wird der von Willy und Helga Verkauf-Verlon als Zeichen der Verbundenheit mit dem DÖW gestiftete Preis für antifaschisti- sche Publizistik alljährlich vergeben. Am 1. Dezember 2015 wurden der Schriftsteller Erich Hackl für das Jahr 2014 und die Schriftstellerin Maja Haderlap für das Jahr 2015 im Veranstaltungszentrum des DÖW ausgezeichnet. Erich Hackl, mit seinen Werken gleichermaßen Chronist wie Vermittler zwischen Kulturen und Zeiten, setzt sich in fast allen seinen Arbeiten mit der Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts auseinander, immer wieder im Mittelpunkt stehen Widerstand und Verfolgung im Austrofaschismus und Nationalsozialismus oder der Kampf österreichischer Freiwilliger auf Seiten der Spanischen Republik. Die Kärntner Slowenin und Bachmann-Preisträgerin 2011 Maja Haderlap befasst sich seit Jahren in deutscher und slowenischer Sprache mit der Geschichte der Kärntner SlowenInnen, insbesondere mit dem Widerstand gegen die NS-Herrschaft und dem Umgang damit nach Kriegsende 1945. Bekannt wurde vor allem ihr preisgekrönter Debütroman Engel des Vergessens. Die Verdienste Hackls und Haderlaps wurden im Rahmen der Preisverleihung von Gerhard Baumgartner (wissenschaftlicher Leiter des DÖW) und Wolfgang Neugebauer (1983–2004 wissenschaftlicher Leiter des DÖW, bis Ende 2015 Vorsitzender der Stiftung Willy und Helga Verkauf-Verlon Preis) gewürdigt. Ihre Laudationes sind nachfolgend abgedruckt. Verleihung derWilly und Helga Verkauf-Verlon Preise 2014 und 2015 im DÖW, 1. Dezember 2015: Erich Hackl (Preisträger 2014) und Maja Haderlap (Preisträgerin 2015) Foto: Winfried R. Garscha

VERKAUF-VERLON PREIS 2014 UND 2015Dezember 2015 wurden der Schriftsteller Erich Hackl für das Jahr 2014 und die Schriftstellerin Maja Haderlap für das Jahr 2015 im Veranstaltungszentrum

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Page 1: VERKAUF-VERLON PREIS 2014 UND 2015Dezember 2015 wurden der Schriftsteller Erich Hackl für das Jahr 2014 und die Schriftstellerin Maja Haderlap für das Jahr 2015 im Veranstaltungszentrum

„Los eternosindocumentados“Willy und Helga Verkauf-VerlonPreis 2014 an Erich HacklLaudatio vonGerhard Baumgartner

Der Titel meiner Laudatio stammt ausdem Lied Poema de Amor, der inoffiziel-len Nationalhymne El Salvadors, aus derFeder des Dichters und RevolutionärsRoque Dalton, das mit den Worten endet:

los eternos indocumentados,los hacelotodo, los vendelotodo, loscomelotodo,los primeros en sacar el cuchillo,los tristes más tristes del mundo,mis compatriotas,mis hermanos.

Diese Zeilen Roque Daltons schwebenwie ein inoffizielles Motto über dem WerkErich Hackls, sie wirken wie eine fast pro-grammatische Umschreibung jenes Perso-nenkreises, dem Erich Hackl einen Groß-teil seines sich über drei Jahrzehnte hin-ziehenden Schaffens gewidmet hat:

den Traurigsten der Traurigen dieserWelt,seinen Landsleuten,seinen Brüdern.

Dass wir heute in Europa und im deut-schen Sprachraum die Werke von latein-amerikanischen Dichtern und Schriftstel-lern wie Roque Dalton überhaupt kennen,verdanken wir zu einem Gutteil den unab-lässigen Bemühungen Erich Hackls als

Übersetzer und Herausgeber. Ich erinneremich noch gut an einen Band über das Le-ben der guatemaltekischen Indios mit demTitel Das Herz des Himmels – einen Band,den mir Freunde aus der IGLA, der In-formationsgruppe Lateinamerika, in den

DÖW

MitteilungenDOKUMENTATIONSARCHIV DES ÖSTERREICHISCHEN WIDERSTANDES

FOLGE 225MÄRZ 2016

VERKAUF-VERLON PREIS 2014 UND 2015Seit 1991 wird der von Willy und Helga Verkauf-Verlon als Zeichen der Verbundenheit mit dem DÖW gestiftete Preis für antifaschisti-sche Publizistik alljährlich vergeben. Am 1. Dezember 2015 wurden der Schriftsteller Erich Hackl für das Jahr 2014 und dieSchriftstellerin Maja Haderlap für das Jahr 2015 im Veranstaltungszentrum des DÖW ausgezeichnet.Erich Hackl, mit seinen Werken gleichermaßen Chronist wie Vermittler zwischen Kulturen und Zeiten, setzt sich in fast allen seinenArbeiten mit der Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts auseinander, immer wieder im Mittelpunkt stehen Widerstand und Verfolgungim Austrofaschismus und Nationalsozialismus oder der Kampf österreichischer Freiwilliger auf Seiten der Spanischen Republik.Die Kärntner Slowenin und Bachmann-Preisträgerin 2011 Maja Haderlap befasst sich seit Jahren in deutscher und slowenischerSprache mit der Geschichte der Kärntner SlowenInnen, insbesondere mit dem Widerstand gegen die NS-Herrschaft und dem Umgangdamit nach Kriegsende 1945. Bekannt wurde vor allem ihr preisgekrönter Debütroman Engel des Vergessens.Die Verdienste Hackls und Haderlaps wurden im Rahmen der Preisverleihung von Gerhard Baumgartner (wissenschaftlicher Leiter desDÖW) und Wolfgang Neugebauer (1983–2004 wissenschaftlicher Leiter des DÖW, bis Ende 2015 Vorsitzender der Stiftung Willy undHelga Verkauf-Verlon Preis) gewürdigt. Ihre Laudationes sind nachfolgend abgedruckt.

Verleihung der Willy und Helga Verkauf-Verlon Preise 2014 und 2015 imDÖW, 1. Dezember 2015: Erich Hackl (Preisträger 2014) und MajaHaderlap (Preisträgerin 2015)Foto: Winfried R. Garscha

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1980er-Jahren weiterreichten und in demich zum ersten Mal dem Namen ErichHackl begegnete. Dem folgte dann bald, 1985, die Antholo-gie Hier ist niemand gestorben. Nachge-lassene Gedichte aus Lateinamerika, eineAnthologie ermordeter lateinamerikani-scher Schriftsteller, in der sich uns „Dritte-Welt-Bewegten“ erstmals auch ein neuerKontinent erschloss, der Kontinent der la-teinamerikanischen Literatur und gleich-zeitig ein Kontinent linker, sozialistischer,außereuropäischer Literatur.Denn Erich Hackl sah sich – so sagte ereinmal in einem Interview – eigentlich im-mer auch als Vermittler. Diesem Umstandverdanken wir, dass er neben seinen Bü-chern, Filmen und Hörspielen – immerhin28 Büchern, die er geschrieben oder her-ausgegeben hat, vier Filmen und sechsHörspielen – auch noch Zeit fand, unzähli-ge Gedichte und 16 Bücher zu übersetzen. Man kann sich gar nicht vorstellen, wiedas alles in ein Leben passt. Vor allemwenn man bedenkt, wie zeitaufwendigÜbersetzungen sind und wie wenig mandamit verdient. Insbesondere literarischeÜbersetzungen sind immer auch – odervielleicht sogar in erster Linie – ein Lie-besdienst: am Autor, am Werk und an derSprache. Und wie das bei Liebesdienstenso häufig der Fall ist, werden sie nicht ge-bührend geschätzt. Wie kein Zweiter mussder Übersetzer jedes Wort auf die Waag-schale legen, abwägen, experimentierenund nach der besten adäquaten Ausdrucks-form suchen. „Eine Übersetzung, die nichtbesser ist als das Original, ist es nichtwert, gedruckt zu werden!“, sagte mir ein-mal ein ungarischer Kollege. Und beiErich Hackl beschleicht uns immer wiederdas Gefühl, dass so manches Werk durchseine Übersetzung noch gewonnen hat. Bis zu einem gewissen Grad lässt sich die-ses Engagement als Kulturvermittler mitErich Hackls angeborener Neugier erklä-ren und mit der Tatsache, dass er – wie eres einmal formulierte – es „als Gnadeempfinde, andere Kulturen kennengelerntzu haben, auch emotional kennengelernt

zu haben“. Die zahlreichen Übersetzungenlateinamerikanischer AutorInnen aber sindsicher nicht nur seiner Liebe zu diesenKulturen und zur spanischen Sprache ge-schuldet, sondern auch der Bewunderungund Verehrung, die er dem Werk und Wir-ken dieser AutorInnen entgegenbringt:

dem indigenen maya-k’iche’AutorHumberto Ak’abal, dem bolivianisch-jüdischen AutorMemo Anjel, dem schon erwähnten – auf tragischeWeise von seinen eigenen Genossenexekutierten salvadorianischen Dichterund Revolutionär – Roque Dalton,dem kolumbianischen SchriftstellerLuis Fayad, dem uruguayischen Journalisten undSchriftsteller Eduardo Galeano, der links-feministischen guatemalteki-schen Dichterin Ana María Rodas, dem Journalisten, Bühnenautor undFührungsmitglied der uruguayischenStadtguerrilla der Tupamaros MauricioRosencof, der für sein politisches En-gagement zwölf Jahre im Gefängnisverbrachte, und nicht zuletzt dem argentinischenJournalisten und Mitglied der revolu-tionären Bewegung der Montoneros,Rodolfo Walsh, den man ruhigen Ge-wissens als den Erfinder des Tatsa-chenromans bezeichnen kann.

Rodolfo Walshs 1957 veröffentlichtesBuch Operación Masacre – natürlich auchvon Erich Hackl übersetzt – gilt als daserste Werk dieser für das 20. Jahrhundertso wichtigen literarischen Gattung, diedurch Truman Capotes In Cold Blood sichendgültig etablierte und mit BerntEngelmanns Publikation Großes Bundes-verdienstkreuz Einzug in die deutschspra-chige Gegenwartsliteratur hielt.Bei diesen Meistern hat Erich Hackl ge-lernt. Eigentlich sind – mit Ausnahme desKinderbuches König Wamba – alle Roma-ne Erich Hackls Tatsachenromane, die aufwahren Begebenheiten beruhen, die er mi-

nutiös und bis ins letzte Detail ausrecher-chiert. Die zeitaufwendigen Recherchenfür seine Bücher – und die dafür notwen-digen Reisen – waren schließlich auch derGrund dafür, dass er, der einstige Lehrer,beschloss, sich nur noch dem Schreiben zuwidmen und den Sprung in die ungesi-cherte Existenz des freien Schriftstellerszu wagen. Diese langwierigen und bisweilen lachhaftakribisch erscheinenden Recherchen bil-den das feste Gerüst seiner faszinierendenProsa. Um sich in eine Szene hineinverset-zen zu können, ist es für den Leser ebennicht egal, ob er sich nur „eine Allee“ vor-stellen soll oder eine „Pappelallee“ odereine von Buchen oder Olivenbäumenüberschattete Allee. Dieser weise Rat-schlag stammt von Ernesto Cardenal, demnicaraguanischen Dichter und Befreiungs-theologen. Er hat ihn einst – als er bereitssandinistischer Kulturminister war – denTeilnehmern seiner von ihm ins Leben ge-rufenen Dichterschulen mitgegeben.Diese Hingabe an die Recherche führteund führt Erich Hackl aber auch immerwieder auf neue Spuren. So stieß er bei-spielsweise bei der Recherche über einenaus seiner Geburtsstadt Steyr stammendenWiderstandskämpfer auf die Geschichteeines Findelkindes aus der Nachbarschaft,eines Mädchens, das seinen Adoptivelternweggenommen und als sogenanntes „Zi-geunerkind“ nach Auschwitz deportiertund dort ermordet wurde. Das 1989 unterdem Titel Abschied von Sidonie erschiene-ne Buch trug wesentlich zur Begründungvon Erich Hackls Ruf als engagierter, zeit-genössischer Schriftsteller bei.Den Stoff für seine Geschichten liefertihm die Zeitgeschichte, das Korsett derFaktentreue lasse da nicht viel Raum fürdichterisches „Erfinden“ – oder wie er eseinmal in einem Zeitungsinterview formu-lierte:

Nur da, wo es keine Fakten gibt, darfich behutsam meine Fantasie einset-zen. Erfinden ist Freiheit, in meinemFall aber auch Not. Umgekehrt stoßeich durch die Recherchen auf Dinge,die mir gar nicht einfallen würden.Weil sie so ungewöhnlich sind, unvor-stellbar eigentlich.

Und unvorstellbar sind sie meist fürwahr,die Lebensgeschichten seiner Protagonis-ten und Protagonistinnen, bei denen oftein zynisch gleichgültiges Schicksal Regiezu führen scheint – Geschichten, die wirmit umso größerer Faszination verfolgen,eben weil wir wissen, dass sie nicht vonErich Hackl frei erfunden sind.

2 Mitteilungen 225

Generalversammlung Verein DÖWDie Generalversammlung des Vereins DÖW wird am 18. April 2016, 17.00 Uhr ab-gehalten. Ort: Altes Rathaus, Salvatorsaal, Wipplingerstraße 6–8, 1010 Wien

Die alljährliche Festveranstaltung des DÖW findet heuer erst zu einem späterenZeitpunkt statt. Nähere Informationen werden zeitgerecht auf der Website des DÖWveröffentlicht: www.doew.at.

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Als „ganz uneitel und bescheiden“ hat ihnder Literaturkritiker des schweizerischenRundfunks, Hans-Ulrich Probst, einmalcharakterisiert, „als Chronisten und Zeu-gen“, der „Geschichte in Geschichten ver-stehbar macht, Geschichten oft eigenwilli-ger und eigensinniger Menschen, die sichauf der Suche nach Freiheit und Glückauch im Scheitern Würde und Werte be-wahrt haben“. Wie zum Beispiel in seinem Roman Hoch-zeit in Auschwitz, der das tragischeSchicksal des Wiener Automechanikers,Kommunisten und Spanienkämpfers RudiFriemel und seiner Frau Margarita vor unsausbreitet, oder in der bewegenden Lie-besgeschichte des Österreichers KarlSequens und der spanischen VerkäuferinHerminia Roudière aus Hackls ErzählungEntwurf einer Liebe auf den ersten Blick. In vielen seiner Texte macht Hackl sichzum Anwalt entrechteter Menschen. „Ichwill, dass ihnen Gerechtigkeit widerfährt“,hat er einmal über seine Charaktere ge-sagt, „ich weiß, dass ich das Unrecht da-durch nicht wieder gutmachen kann, aberdas ihnen angetane Unrecht soll zumin-dest nicht der Vergessenheit anheimfal-len.“ Der bereits erwähnte Dichter RoqueDalton formulierte das einmal in einemGedicht mit dem Titel Warum wir schrei-ben, das auch Erich Hackl immer wiedergerne zitiert, folgendermaßen:

Einer wird sterben,morgen, ein Jahr,ein Monat ohne schlafende Blüten; verstreut wird er unter der Erde blei-ben,und es werden neue Menschen kom-men, die Aussichten verlangen.

Sie werden fragen, was wir waren, die ihnen mit reiner Flamme vorange-gangen sind, die man mit der Erinnerung ver-wünscht.

Gut.Das machen wir: bewahren für sie die Zeit, die uns ge-geben ist.

Schon Hackls erstes Buch galt demSchicksal der guatemaltekischen Indios,als Übersetzer hat er wesentlich dazu bei-getragen, dass indigene Dichter wieHumberto Ak’abal auch außerhalb Latein-amerikas bekannt wurden. Und er hat sichauch für die diskriminierten und im Ver-borgenen lebenden Menschen in seiner

Heimat stark gemacht. Wir hatten einengemeinsamen Freund, den viel zu frühverstorbenen, tiroler-jenischen Dichter,Eisenbahner, Gewerkschafter, Forscherund unermüdlichen Aktivisten RomediusMungenast, der bei jedem Wien-Besuch,wenn er bei mir wohnte, immer begeistertvon seinen Treffen mit Erich Hackl be-richtete und dem Erich Hackl 2006 in ei-ner Festschrift für Romed mit dem TitelTiroler Identitäten auch einen Text gewid-met hat.

los eternos indocumentados ...los tristes más tristes del mundo,mis compatriotas,mis hermanos

Die, die ewig ohne Papiere sind …die Traurigsten der Traurigen dieserWelt,meine Landsleute,meine Brüder

Die Schicksale seiner Landsleute – undseiner Brüder und Schwestern im Geistein der spanischsprachigen Welt – bildeneinen zweiten Fixpunkt im Werk ErichHackls.Die beiden bereits erwähnten Protagonis-ten Rudi Friemel und Karl Sequens warenbeide österreichische Spanienkämpfer,Freiwillige, die zwischen 1936 und 1939auf Seiten der Spanischen Republik gegendie faschistischen Truppen GeneralFrancos kämpften. Den Spanienkämpfernunter seinen Landsleuten hat Erich Hacklein Leben lang nachgespürt, hat die nochLebenden aufgesucht, sie interviewt, ihreErfahrungen und ihre Schicksale doku-mentiert. Die Ergebnisse dieser Arbeitmündeten 2003 schließlich in dem ge-meinsam mit Hans Landauer herausgege-benen Lexikon der österreichischen Spa-nienkämpfer 1936–1939, das Namen undDaten von rund 1400 österreichischenFreiwilligen der sogenannten Interbriga-den enthält. Der 2014 verstorbene HansLandauer war selbst Spanienkämpfer, dernach seiner Pensionierung das Archiv derösterreichischen Spanienkämpfer imDÖW aufgebaut und geleitet hat. DasLexikon wurde 2008 von der TheodorKramer Gesellschaft neu aufgelegt undgilt bis heute als europaweit einmaligesStandardwerk.Das österreichische Exil in Lateinamerikadient Erich Hackl aber auch als Anknüp-fungspunkt für aktuelle politische Ent-wicklungen in Lateinamerika, wie etwa inseinen Arbeiten mit und über AlfredoBauer, den österreichisch-argentinischenArzt, Schriftsteller und marxistischen

Theoretiker, der bei seiner Flucht wertvol-le Briefe über die Revolution in Wien1848 ins Ausland rettete. Oder mit demösterreichisch-bolivianischen Autor FritzKalmar, Theater- und Opernregisseur,ORF-Korrespondent und später Honorar-konsul in Montevideo. Oder in seiner Er-zählung Als ob ein Engel, in der er dasSchicksal der jungen Gisela Tenenbaumdokumentiert, einer Tochter der österrei-chisch-argentinischen Exilanten WilliTenenbaum und Helga Markstein, die inden 1970er-Jahren als Aktivistin der ar-gentinischen Montoneros-Guerilla ein Op-fer der Militärchunta wurde, als eine von30.000 Verschwundenen. Ein Buch alsKlage und Anklage zugleich.Fäden und Spuren, vielfach verwoben,sich kreuzend und überschneidend. Öster-reicher in Spanien, Spanier in Österreich.Von den über 7000 nach Mauthausen de-portierten republikanischen Spaniern ka-men rund 5000 ums Leben, nur 2184 er-lebten die Befreiung des Lagers 1945.Etliche von ihnen, die auch nach der Be-freiung in Österreich geblieben sind, hatErich Hackl in einer Radiosendung in den1980er-Jahren porträtiert – und er hat ih-nen in seiner Erzählung Der Anarchist vonLeonding, in der er das Leben des spani-schen Anarchosyndikalisten FranciscoComellas nachzeichnet, ein bleibendesDenkmal gesetzt. Eine „Spurensicherung“ ganz im Sinnedes italienischen Historikers CarloGinzburg, der in einem seiner letzten Bü-cher Il filo e le tracce (Faden und Fährten)beschreibt, wie Historiker auf der Basisvon Spuren – also Zeichen auf Papier, Fo-tos, abgegriffenen Gegenständen etc. –mittels einer kreativen Rekonstruktionvergangene Welten wieder auferstehenlassen. Historische Verfahren als Prozess,der es uns erlaubt, „to build the truth onfiction and true history on the ficticious“(also Wahrheit auf der Basis von Fiktionenaufzubauen und wahre Geschichte aufFiktivem). Treffender, so finde ich, lässtsich Erich Hackls Balanceakt auf demschmalen Grat zwischen literarischer Fik-tion und historischer Faktentreue kaumbeschreiben. Erich Hackl nimmt mit dem Willy undHelga Verkauf-Verlon Preis, wenn ichrichtig gezählt habe, seine 20. Auszeich-nung entgegen.Lieber Erich Hackl!Das langjährige Verhältnis zwischen Ihnenund dem DÖW war nicht immer span-nungsfrei, doch auch wenn die Mitarbei-terInnen des DÖW und Sie nicht immereiner Meinung waren darüber, was wichtigund was notwendig ist auf unserem Weg,

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so denke ich doch sagen zu können, dasZiel ist uns gemein.Oder wie es der nicaraguanische Dichterund Erzähler Mario Cajina Vega in seinemfür die politische Poesie Lateinamerikasso emblematischen Gedicht Cartel (Pla-kat) formulierte:

La revolución es el hombrees el amigo que no piensa lo mismoy vota en contra y sigue siendo el mismo amigo. La revolución es el indio.La revolución es un libro y un hombrelibre.

Die Revolution, das ist der Menschund der Freund, der nicht dasselbedenktund dagegen stimmt und weiterhinderselbe Freund bleibt.Die Revolution, das ist der Indio.Die Revolution, das ist ein Buch undein freier Mensch!

Der Widerstand der Kärntner SlowenInnenWilly und Helga Verkauf-VerlonPreis 2015 an Maja HaderlapLaudatio von Wolfgang Neugebauer

Meine letzte Handlung als scheidenderVorsitzender der preisverleihenden Stif-tung war der – dann einstimmig angenom-mene – Vorschlag, den Preis für antifa-schistische Literatur in Österreich an ErichHackl und Maja Haderlap zu vergeben. ImFalle Erich Hackl wäre diese Auszeich-nung schon seit vielen Jahren am Platz ge-wesen – wie aus der Laudatio von GerhardBaumgartner eindrucksvoll hervorgeht –,doch wurde dies durch verschiedene, nunüberwundene Widerstände verhindert. Da-her ist es mir ein Anliegen, Erich Hacklvon dieser Stelle herzlich zu dieser ver-dienten Anerkennung seines Werkes zugratulieren.Ich durfte mir die Laudatio aussuchen undhabe mich für Maja Haderlap entschieden,weil mir die von ihr behandelten Themen– der slowenische Widerstands- und Parti-sanenkampf und der skandalöse Umgangmit den betroffenen Menschen in derNachkriegszeit – seit Jahrzehnten beson-ders am Herzen liegen. Ich habe in meinen Publikationen, aberauch als Verantwortlicher für die DÖW-

Publikationen den slowenischen Partisa-nenkampf in seiner Bedeutung als effek-tivster Teil des Widerstands in Österreichgewürdigt; wir haben einen Oral-History-Band Spurensuche in deutscher und slo-wenischer Sprache veröffentlicht; wir ha-ben zahlreiche Veranstaltungen wie Buch-präsentationen von slowenischen Parti-sanInnen durchgeführt und uns immerwieder für die im österreichischen Staats-vertrag verankerten Rechte der sloweni-schen Volksgruppe eingesetzt. Darüberhinaus gab es viele persönliche Kontakte:1982 besuchten auf Einladung des Partisa-nenverbandes Brigitte Bailer, HerbertExenberger und ich das ehemalige Partisa-nengebiet. Einstige Partisanen wie JanezWutte-Luc und Anna Sadolschek-Zala, aufderen Hof wir untergebracht waren, führ-ten uns in jenem Gebiet herum, von demMaja Haderlap in ihrem Roman Engel desVergessens erzählt. Daher interessiertemich diese Arbeit in ganz besonderemMaße, und in der Zwischenzeit habe ichmir auch die packende Dramatisierung imAkademietheater angesehen. Es war übri-gens ein alter Widerstandskämpfer mitKärntner Wurzeln, Dr. Wilhelm Grimburg,Mitbegründer des DÖW 1963, der michals Erster und nachdrücklich auf diesesWerk hingewiesen hat.Nach dieser hoffentlich nicht zu langenEinleitung komme ich zum eigentlichenThema. Ich bin kein Literaturwissen-schaftler und maße mir nicht an, über dieliterarische Qualität des Werkes von MajaHaderlap und dessen Stellenwert zu spre-chen, sondern kann nur aus der Perspek-tive eines Historikers etwas sagen.Zuerst einige wenige biografische Anga-ben: Maja Haderlap, 1961 geboren, stammt ausjenem slowenisch besiedelten Gebiet umEisenkappel, von einem Bauernhof in derLeppen/Lepena, in dem der Roman Engeldes Vergessens seine Handlung hat. Nachdem Besuch des slowenischen Gymna-siums studierte sie Theaterwissenschaftund Germanistik in Wien, promovierte1988 mit einer Dissertation Die Grund-züge der slowenischen Kulturpolitik inKärnten von 1946 bis 1976 und der Funk-tionswandel des slowenischen Laienspielssowie seine Bedeutung für die slowenischeKulturpraxis in Kärnten. Sie erfüllte sichihren Jugendtraum vom Theater und kamals Chefdramaturgin an das StadttheaterKlagenfurt unter Dietmar Pflegerl, wo siebald die Kärntner „Kulturpolitik“ unterJörg Haider am eigenen Leib kennenlern-te. Ab 2008 wirkte sie als freie Schriftstel-lerin und Übersetzerin aus dem Slowe-nischen und veröffentlichte Lyrik, Prosa

und Essays in slowenischer und deutscherSprache.Engel des Vergessens, 2011 erschienen,war ihr Romandebüt; mit einer Lesungdaraus erhielt sie im selben Jahr denIngeborg-Bachmann-Preis. Inzwischensind weitere Preise und Auszeichnungenhinzugekommen, u. a. ein Ehrendoktoratder Universität Klagenfurt. Der Roman, eine an eigenem Erleben undeigenen Erfahrungen orientierte Erzäh-lung, beschreibt in der Ich-Perspektive,wie eine Heranwachsende auf einem slo-wenischen Bauernhof nach und nach vonden schrecklichen Erlebnissen ihrer El-tern, Großeltern und Nachbarn erfährt. Sieerlebt hautnah, wie diese Erfahrungen dieMenschen bis zu deren Tod nachhaltigprägten. Obwohl ich die Gegend, das Geschehenund einige Personen ein wenig kannte, hatdie Darstellung Maja Haderlaps auch fürmich einige neue Perspektiven eröffnet,und zwar in Bezug auf die Intensität undDichte von Widerstand und Verfolgung,wie sie sonst nirgends in Österreich gege-ben waren. Der mörderische NS-Terrorwar flächendeckend. Praktisch alle Be-wohnerInnen der Höfe im Tal und auf denBergen wurden in der einen oder anderenForm involviert. Nicht nur Partisanen,auch das gesamte familiäre Umfeld wurdeverhaftet, misshandelt, in KZ gebracht,vielfach ermordet. Maja Haderlap hat die Auswirkungen desdramatischen Geschehens auf die Psycheder Menschen in ihrem Umfeld eindrucks-voll beschrieben. Während die Großmut-ter, Überlebende des KZ Ravensbrück, of-fenbar eine starke Frau, mit ihrem Schick-sal zurechtkommt und das junge Mädchenmit ihren Geschichten beeindruckt und be-einflusst, leidet der Vater, als Kind bei denPartisanen, bis zu seinem Tod an den Fol-gen des ihm von den Nazischergen zuge-fügten Leids. Maja Haderlap gelingt es,mit literarischen Mitteln den heute oft in-flationär gebrauchten Begriff vom psychi-schen Trauma sichtbar zu machen.Diese lang anhaltende kollektive Trauma-tisierung hängt wohl auch damit zusam-men, dass sich die Nachkriegsentwicklungfür die slowenische Volksgruppe in Kärn-ten ausgesprochen negativ gestaltete. Derslowenische Beitrag zum Sieg über Nazi-deutschland und zur Befreiung Österreichswurde in keiner Weise gewürdigt; im Ge-genteil: Die PartisanInnen wurden ausge-grenzt, diffamiert, diskriminiert und teil-weise verfolgt. Die alten Nazis und Wehr-machtskämpfer waren bald wieder tonan-gebend, Abwehrkämpfer, Heimatdienstlerund Soldatenbündler hatten die Hegemo-

4 Mitteilungen 225

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nie, Deutschnationalismus und Slowenen-feindschaft prägten das Land, nicht nur diePolitik, sondern die gesamte Gesellschaftbis ins kleinste Dorf. Die Kärntner Slowe-nInnen, insbesondere die ehemaligen Par-tisanInnen, wurden in die Defensive undin eine Außenseiter-, ja Verräterrolle ge-drängt. Diese triste Nachkriegssituation,die ja bis in unsere Zeit anhielt und erstmit dem Niedergang der Haider-Partei einEnde fand, hat Maja Haderlap anschaulichdargestellt; sie ist, heruntergebrochen aufdie örtliche und familiäre Ebene, nochmehr als der Widerstands- und Partisanen-kampf Hauptinhalt ihres Buches. ErlaubenSie mir dazu, nur eine aufschlussreichePassage aus dem Roman zu zitieren. Siespielt sich ca. Anfang der 80er-Jahre in ei-nem Gasthaus in Eisenkappel ab, wo slo-wenische und nichtslowenische Gäste, so-genannte Deutsch-Kärntner, aufeinander-prallen und sich Wortgefechte liefern:

Für einen Augenblick erreicht uns derNachhall des Krieges. Die Gaststubeverwandelt sich in einen Kampfplatz,auf dem die Gegner ihre Stellungeneinzunehmen beginnen […] Der Ne-bentisch geht wieder zum Angriff über.Und du, Zdravko, sagt der Vorlaute zumeinem Vater, warst auch nichts ande-res als ein Spitzel, da kann dich der va-terlandslose Bundespräsident aus-zeichnen, so oft er will. Für mich bistdu ein Bandit wie alle anderen. […]ich habe das starke Bedürfnis, demAngreifer etwas entgegenzuschleudernund meinen Vater in Schutz zu neh-men, aber es fällt mir nichts anderesein, als Nazi zu sagen.

Maja Haderlap hat für ihr Buch viel An-erkennung und Lob von berufener Seitegefunden. Peter Handke und Peter Turrini,die ja als Kärntner die Verhältnisse bestenskennen, haben ihre literarische Leistunggewürdigt. Die Verleihung des Preises fürantifaschistische Literatur in Österreichsoll zum Ausdruck bringen, dass diesemWerk neben seiner literarischen Qualitätauch ein hoher historisch-politischer Stel-lenwert zuzumessen ist.

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16. Gedenkfahrt nach Engerau

Gedenkkundgebung beim ehemaligen Teillager Leberfinger im Aupark (Bratis-lava) und Enthüllung eines von der Stadtgemeinde Bratislava errichteten Gedenk-steins | Gedenkkundgebung beim Mahnmal für ungarisch-jüdische Zwangsarbeiterauf dem Friedhof von Petrzalka (Engerau)/Bratislava | Gedenkkundgebung inWolfsthal (Kriegerdenkmal, Gedenkstein für die ungarisch-jüdischen Opfer des„Todesmarsches“ von Engerau nach Bad Deutsch-Altenburg) | Gedenkkund-gebung am Friedhof und im Kurpark von Bad Deutsch-Altenburg

Zeit: Sonntag, 17. April 2016, 7.45 bis ca. 18.00 Uhr

Treffpunkt: 1020 Wien, Praterstern 1 (vor dem Jüdischen Institut für Erwachsenen-bildung), U-Bahn Aufgang Heinestraße

Information/Anmeldung: Claudia Kuretsidis-Haider (Forschungsstelle Nachkriegsjustiz am DÖW)e-mail: [email protected] | T: (01) 22 89 469 / 315

Programm und weitere Informationen: www.doew.at

Engerau: The Forgotten Story of PetrzalkaAusstellung des jüdischen Gemeindemuseums Bratislava im DÖW

Zeit: 2. März bis 20. April 2016, Montag bis Mittwoch, Freitag 9.00 bis 17.00 Uhr,Donnerstag 9.00 bis 19.00 Uhr

Ort: Ausstellung Dokumentationsarchiv, Altes Rathaus, Wipplingerstraße 6–8, 1010 Wien (Eingang im Hof)

Eintritt frei! Informationen zum Rahmenprogramm: www.doew.at

Anfang Dezember 1944 wurde in Petrzalka (Engerau), das in der NS-Zeit zum Gau Nie-derdonau gehörte, seitens der Bauleitung der OT (Organisation Todt) ein Arbeitslager fürungarische Juden eingerichtet. An die 2000 Zwangsarbeiter mussten Sklavenarbeit beimBau einer Reichsschutzstellung, des sogenannten Südostwalles, leisten. Viele starben anden Folgen von Hunger, Kälte und Misshandlungen oder wurden Opfer willkürlicherErschießungen und Hinrichtungen. Mehr als 100 Männer kamen Ende März 1945 imZuge des „Todesmarsches“ von Engerau nach Bad Deutsch-Altenburg um.Die Ausstellung präsentiert u. a. Fotos und Dokumente der Opfer des Lagers Engerau,die von der im April 1945 von der tschechoslowakischen Regierung eingerichteten Untersuchungskommission zusammengestelltwurden. Ebenfalls zu sehen sind 20 Bilder vonheutigen Standorten des ehemaligen Lagers –Reflexionen über die Identität der Stadt unddie (vergessene) Erinnerung an die Shoah imheutigen Bratislava, aufgenommen vom Foto-grafen Illah van Oijen.

Ein Katalog zur Ausstellung in slowakischerund englischer Sprache beinhaltet u. a. eineKarte des Lager Engerau und skizziert dieTopographie der einzelnen Standorte

Zu beziehen zum Sonderpreis von 10,– Eurounter: [email protected]

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Bei der Ausstellungseröffnung am 19. Jän-ner bekannte sich NationalratspräsidentinDoris Bures zur Notwendigkeit einer wei-teren Aufarbeitung der Geschichte der NS-Medizin als Verpflichtung gegenüber denOpfern, aber auch gegenüber den jetzigenund nachkommenden Generationen. Auchder Präsident der Österreichischen Gesell-schaft für Psychiatrie und PsychotherapieChefarzt Georg Psota betonte die Ver-pflichtung und den Willen insbesondereder psychiatrischen Profession, weitereSchritte in dieser Richtung zu setzen.Herwig Czech vom DÖW erinnerte an denlangen Weg, der in Österreich zurückzule-gen war, bis das Bewusstsein über die Ver-brechen an kranken und behinderten Men-schen im gesellschaftlichen Mainstreamangekommen war. Während der zentralgesteuerte Mord der „Aktion T4“ heuteschon weitgehend bekannt sei, gebe es zuden darauffolgenden, dezentralen Mord-aktionen durch Hunger, systematischeVernachlässigung und Gift noch viel zuerforschen. Darüber hinaus sei es wichtig,auch diesen Opfern Namen und Gesichtzu geben und sie in ähnlicher Weise zuwürdigen wie andere Opfer des NS-Regi-mes. Das könne auch zu einer Bewusst-seinsänderung in der Gesellschaft beitra-gen, wo die Stigmatisierung durch psychi-sche Krankheit noch auf vielfältige Weisenachwirke. Eine weitere Gelegenheit zur Diskussiondieser und verwandter Fragen ergab sichim Rahmen einer anlässlich des Interna-tionalen Holocaust-Gedenktages veran-stalteten Podiumsdiskussion am 26. Jän-

ner. An diesem Abend war auch der Präsi-dent der Deutschen Gesellschaft für Psy-chiatrie und Psychotherapie Prof. FrankSchneider anwesend, der Initiator der Aus-stellung erfasst, verfolgt vernichtet sowiewesentlicher weiterer Schritte der Auf-arbeitung durch die DGPPN im Laufe derletzten Jahre. Prof. Schneider und Chef-arzt Psota waren sich einig, dass diePsychiatrie als Fach sich viel zu lange ih-rer Verantwortung entzogen habe und dassein klares Bekenntnis zu diesem Teil derGeschichte unumgänglich sei. Teilneh-merInnen der Podiumsdiskussion warenneben den Genannten auch Brigitte

Kepplinger vom Verein Schloss Hartheim,Heidemarie Uhl von der ÖsterreichischenAkademie der Wissenschaften als Mode-ratorin und Herwig Czech vom DÖW. Die Kooperation zwischen dem Doku-mentationsarchiv und der Österreichi-schen Gesellschaft für Psychiatrie undPsychotherapie geht auf die bereits imApril 2015 vom DÖW mitveranstalteteTagung Austrian Physicians and NationalSocialism zurück, auf der Chefarzt Psotafür die ÖGPP eine öffentliche Erklärungabgegeben hatte. Weitere gemeinsameProjekte sollen folgen.

6 Mitteilungen 225

DÖW-Ausstellung zu den NS-Medizinverbrechen im Palais EpsteinVon 19. bis 30. Jänner 2016 war die vom DÖW erstellte Ausstellung „Der Krieg gegen die ‚Minderwertigen‘ – Zur Geschichte der NS-Medizin in Wien“ im Palais Epstein zu sehen. Es handelte sich dabei um eine mobile Ausgabe jener Ausstellung, die seit dem Jahr2002 das Kernstück der Gedenkstätte Steinhof im Otto Wagner Spital der Stadt Wien bildet (www.gedenkstaettesteinhof.at). Ermög-licht wurde das Gastspiel im Stadtzentrum durch das Parlament sowie die Österreichische Gesellschaft für Psychiatrie und Psycho-therapie, die im selben Rahmen auch die Ausstellung ihrer deutschen Schwestergesellschaft (DGPPN) „erfasst, verfolgt, vernichtet.Kranke und behinderte Menschen im Nationalsozialismus“ präsentierte.

Ausstellungseröffnung im Palais Epstein, 19. Jänner 2015Foto: Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

„Lieber Edy, Bitte heiraten Sie die Frl. Se-rena. Wir sind sehr mit ihr befreundet. Siesollen aber von Ihren Rechten keinen Ge-brauch machen. Sie wird es auch nicht“,schrieb Fritz Brupbacher im Frühling

1932 seinem Freund und Genossen, demSchriftsetzer Edy Meier. Mit „Frl. Serena“wird die seit 1928 illegal in der Schweizaufhältige Jüdin Gabriella Seidenfeld be-zeichnet, die damals mit dem Schriftsteller

Ignazio Silone liiert war. Beide standen imSchweizer Exil vor dem Nichts. Eine Ehe-schließung mit einem Schweizer nur zumSchein würde für „Frl. Serena“ eine ent-scheidende Verbesserung bedeuten.

Auf der Suche nach Scheinehen in der NS-ZeitDie Politikwissenschaftlerin Irene Messinger lehrt an der Universität Wien und der Fachhochschule für Sozialarbeit zu den ThemenFlucht und Migration, Migrationspolitik und -forschung sowie Sozialstaat und soziale Ungleichheit. Sie informiert im Folgenden überihr Projekt „Scheinehen in der NS-Zeit“.

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Das Forschungsprojekt Scheinehen in derNS-Zeit beschäftigt sich mit dem Phäno-men Scheinehe als weiblicher Flucht- undÜberlebensstrategie im Zeitraum 1933 bis1945. Durch Eheschließungen mit Auslän-dern konnten sich verfolgte Frauen inExilländer retten oder waren durch diefremde Staatsangehörigkeit geschützt.Frauen erhielten damals durch die Ehe-schließung fast überall automatisch dieStaatsangehörigkeit ihres Ehemannes.Manche Ehen wurden nur pro forma aufdem Papier aus Solidarität und/oder gegenBezahlung geschlossen und als Schein-ehen bezeichnet. „Werter Genosse! In der bekannten Ehe-angelegenheit müsste ich wissen, ob Sie inZürich geboren sind und bitte Sie, das anfolgende Adresse zu schreiben: […] Bes-ten Dank und Gruß, Ihre Braut“, schriebGabriella Seidenfeld im Mai 1932 an ih-ren Ehemann in spe, und dass „die Spesennatürlich vergütet werden“. Die Vorberei-tungen dauerten noch über ein Jahr, es wa-ren zahlreiche bürokratische Hürden zuüberwinden. Edy Meier musste bei denFremdenbehörden vorsprechen, er erhieltanonyme Drohungen, versäumte den ers-ten Hochzeitstermin, doch im Juni 1933konnte die Scheineheschließung in Zürichendlich stattfinden. Die Ehe wurde im Ok-tober 1934 geschieden. Das formale Ehepaar entwickelte denBriefen zufolge ein freundschaftlichesVerhältnis und bereitete auch die Schei-dung gemeinsam vor. Dies war jedochnicht in allen Fällen so. Eine Scheinehekonnte auch bedeuten, in Abhängigkeitvom Ehemann und in ständiger Angst vorVerrat, Erpressung und sexueller Gewaltleben zu müssen. Nicht alle Frauen konnten oder wolltenüber ihre Scheinehe sprechen und ver-heimlichten sie, sei es aus Scham oderFurcht vor rechtlichen Konsequenzen. An-dere hingegen waren stolz auf ihre Überle-bensstrategie und erzählten offen darüber.Doch selbst Letztere sind schwer zu fin-den: Die Interviews mit ZeitzeugInnensind in den zahlreichen Online-Archivenzwar beschlagwortet, doch ist „Schein-ehe“ nicht als Suchbegriff etabliert. InKurzbiografien werden Scheinehen seltenerwähnt. Durch meine Recherchen in Fachliteratur,(Auto-)Biografien und Interviews sowiedurch Hinweise von KollegInnen, beiKonferenzen und im DÖW, konnte ichbislang über 70 Scheinehen zusammentra-gen. Bei den bisherigen Fällen handelte essich mehrheitlich um als „jüdisch“ defi-nierte Frauen aus der Mittel- und Ober-schicht mit internationalen Kontakten, da-

runter zahlreiche Kommunistinnen. Eswurde in zahlreiche Länder Europas, aberauch in die USA, nach Palästina undÄgypten geheiratet. Die Vermittlung vonScheinehen lief meist über politische oderreligiöse Kontakte sowie im persönlichenUmfeld, der Ehemann war daher oft ausden entsprechenden Netzwerken. Nur inwenigen Fällen wird davon berichtet, dassdie Ehe gegen Bezahlung eingegangenwurde. Ein weiteres Tabu sind die intimenArrangements innerhalb einer Scheinehe,denn in manchen Fällen musste das Paarzusammenleben, um nach außen ein Ehe-leben vorzutäuschen. Ein erster Blick in die Archive in den be-kannten Exilländern Großbritannien undSchweiz zeigt, dass die Fremdenbehördenmit unterschiedlichen Strategien versuch-ten, Scheinehen zu verhindern, und Kon-trollen des Ehelebens und des sozialenUmfelds durchführten. Diese Akten reprä-sentieren die behördlichen Bemühungen,eine Scheinehe zu beweisen, und bildendamit höchst interessantes Forschungs-material, wie die Nutzung der InstitutionEhe für die Erlangung der Staatsbürger-schaft diskutiert wurde, wissend, dass dieFrauen vor dem NS-Regime geflohen wa-ren.Das Forschungsprojekt will jene Frauenals aktive Akteurinnen sichtbar machen,die ihre sozialen und politischen Netz-werke zu nutzen verstanden, um eineScheinehe zu organisieren. Der Fokusmeiner aktuellen Recherche liegt daherauf den Lebensgeschichten von Frauen,die von sich aus in irgendeiner Form hin-terlassen haben, dass es sich bei ihrer Eheum eine Scheinehe gehandelt hat, sei es inMemoiren, Briefen oder Erzählungen.Mittels Biografieforschung gehe ich denmir bekannten Fällen – sowie weiterennoch zu entdeckenden – Scheinehen nach.Daher haben Hinweise auf autobiografi-sches Material und Erzählungen vonNachkommen oder aus dem persönlichenUmfeld besonders große Bedeutung fürmeine Forschung.

Für ihr Forschungvorhaben bittet IreneMessinger um Informationen zumThema. Auf Wunsch werden alle An-gaben vertraulich behandelt.

Kontakt: Dr.in Irene [email protected]

Quelle der Zitate: Briefe im Nachlass EdyMeier im Sozialarchiv Zürich, Ar 150.10.2.

Prof. Rudolf Gelbard, Mitglied des Vor-stands des DÖW, wurde das Österreichi-sche Ehrenkreuz für Wissenschaft undKunst verliehen.

Für seine Forschungsarbeiten auf dem Ge-biet der Politikwissenschaft, insbesonderezur Entwicklung des Sozialstaats in Öster-reich und zum Austrofaschismus, erhieltEmmerich Tálos den Wilhelm Hartel-Preis 2015 der Österreichischen Akademieder Wissenschaften.

Hans Hermann, Freund und Förderer desDÖW und 1944/45 als Angehöriger derUS-Truppen im Einsatz gegen Hitler-deutschland, starb am 24. November 2015im 94. Lebensjahr.

Mit der von ihm herausgegebenen Publi-kation Aufrechter Gang in neuen Zeiten.Ernst Nedwed. Sozialdemokrat – Volks-bildner – Antifaschist würdigt WolfgangNeugebauer die Verdienste eines der wich-tigsten sozialdemokratischen Bildungs-und Kulturpolitiker in Wien.Neben wichtigen Reden und SchriftenNedweds, der viele Jahre Vizepräsidentdes DÖW war und auch dessen Stiftungs-rat angehörte, geben ehemalige Mitstrei-terInnen wie die Minister Erwin Lanc,Karl Blecha, Hilde Hawlicek und RudolfEdlinger ebenso wie Nedweds TochterAndrea Schnattinger Einblick in seinePersönlichkeit und sein Wirken. NedwedsMitarbeiter und Nachfolger, MichaelLudwig und Ernst Woller, zeigen seineVerdienste als zentrale Persönlichkeit inder sozialdemokratischen Bildungsarbeitauf. Antifaschismus, Nedweds wichtigstesAnliegen, wird in Beiträgen von MariaMesner, Wolfgang Neugebauer, VeronikaDuma, Alfred Kohlbacher, Gerald Netzlund Hannes Schwantner sowie in einemInterview mit dem Holocaust-Überleben-den Rudolf Gelbard behandelt. Das Buch ist Ende 2015 erschienen (CarlGerold’s Sohn Verlagsbuchhandlung,ISBN 978-3- 900812-49-2).

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Publikation überErnst Nedwed

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8 Mitteilungen 225

Wolfgang Purtscheller(1955–2016)

Der engagierte antifaschistische Journalist und PublizistWolfgang Purtscheller starb am 6. Jänner 2016 nach kurzer,schwerer Krankheit im Alter von 60 Jahren. – Ein Nachrufvon Andreas Peham

Mit Wolfgang Purtscheller verlieren wir einen der profundestenKenner der österreichischen Neonaziszene und einen verläss-lichen Partner im Kampf gegen Rechtsextremismus in all sei-nen Schattierungen. Das DÖW hat Purtschellers Verdienste1995 mit dem Willy und Helga Verkauf-Verlon Preis ausge-zeichnet.Seit dem Beginn seiner Recherchen Ende der 1980er-Jahrestand Purtscheller in engem Kontakt mit dem DÖW, seineErkenntnisse zur neonazistischen Gewalteskalation ab 1993fanden auch Eingang in die zweite Auflage des Handbuchs desösterreichischen Rechtsextremismus. Purtschellers Arbeiten, dieer in zahlreichen österreichischen Medien veröffentlichte,brachten ihm die Feindschaft nicht nur von Neonazis ein. SeinBuch Aufbruch der Völkischen. Das braune Netzwerk (1993)gilt zu Recht als Meilenstein in der publizistischen Ausein-andersetzung mit dem heimischen Rechtsextremismus und des-sen Verstrickungen mit der etablierten Politik. Insbesondere erwarb sich Purtscheller große Verdienste um denNachweis der zahllosen Verbindungen zwischen dem parteiför-migen Rechtsextremismus Marke FPÖ und dem Neonazismus.Dementsprechend hasserfüllt und ehrenrührig waren die Kam-pagnen von Freiheitlichen, die Purtscheller sogar in die Nähedes Terrorismus zu rücken versuchten. Trotz aller Substanz-losigkeit zeitigten die zum Teil auch von Boulevardmedienübernommenen rechtsextremen Anwürfe Erfolg, sodassPurtscheller Österreich vorübergehend verlassen musste. Eswaren jedoch weniger die Feindschaft von Rechtsextremen unddie Bedrohungen durch Neonazis, die Purtscheller zu diesemSchritt veranlasst hatten, als vielmehr die fehlende Unterstüt-zung seitens des „anderen Österreichs“, das ihn ansonsten beijeder Gelegenheit hofierte, aber dann dem Druck von rechts außen schnell nachgab.Wolfgang Purtscheller wird uns immer in Erinnerung bleiben.Unser Mitgefühl gilt seinen Angehörigen und FreundInnen.

Berthold Sandorffy s. A.(1951–2015)

Berthold Sandorffy, Vorstandsmitglied des Wiener Wiesen-thal Instituts für Holocaust-Studien (VWI), starb am 8. De-zember 2015. – Ein Nachruf von Brigitte Ungar-Klein

Berthold, Berti, wie ihn alle nannten, war eine Kämpfernatur,der stets bis an seine Grenzen ging. Jede Aufgabe, die man ihmanvertraute, jede Tätigkeit, Verpflichtung, die er übernahm, be-trieb er mit hundertprozentigem Einsatz und viel Engagement. Über viele Jahre war Berthold Sandorffy im Rahmen derChewra Kadischa in Wien aktiv und deren Präsident. Diese„heilige Bruderschaft“ bemüht sich um die rituelle BestattungVerstorbener der jüdischen Gemeinde. In dieser Funktion wares ihm ein besonderes Anliegen, die nach wie vor unentdecktenGräber von ermordeten jüdischen Zwangsarbeitern im Burgen-land zu finden. Er trat dabei das Erbe seines Vaters, IsidorSandorffy, an, der mit dieser mühevollen Suche – vor allemnach den Opfern des Massakers von Rechnitz – begonnen hatte.Totschweigen – so der Titel des Films, der Anfang der 1990er-Jahre zu diesem Thema gedreht wurde – gilt für viele Rech-nitzer allerdings noch immer. Eine persönliche Freundschaftverband Berthold Sandorffy mit Paul Gulda, dem Vorsitzendender Flüchtlings- und Gedenkinitiative RE.F.U.G.I.U.S. Oftsprach er in diesem Zusammenhang über die Bedeutung der ri-tuellen Bestattung im Judentum, um so vielleicht das Still-schweigen über die furchtbaren Ereignisse aufzubrechen. Die langjährige Freundschaft mit Simon Wiesenthal und dessenTochter, Paulinka Kreisberg, brachte ihn schließlich dazu, imRahmen des VWI die Interessen der Familie Kreisberg und desBundes jüdischer Verfolgter des Naziregimes zu vertreten. MitAbschluss der entsprechenden Adaptierung der Räumlichkeitendes Hauses Rabensteig sollen die Bestände des von SimonWiesenthal gegründeten Dokumentationszentrums an das VWIübergehen. Es war Berthold Sandorffy daher wichtig, nicht nurdie Fortschritte des Bauvorhabens zu verfolgen, sondern es lagihm auch die inhaltliche Entwicklung des Instituts am Herzen. Immer wieder waren gesundheitliche Probleme Wegbegleiter,auch gegen diese kämpfte er vehement an; seine Gattin, Kinderund Enkelkinder waren ihm wichtig, sie gaben ihm Kraft undunterstützten seine Aktivitäten.

FPÖ-Akademikerball (wieder)mit Gästen von rechts außen

Nachdem das Aufkommen internationalerrechtsextremer Prominenz am Ball derWiener FPÖ („Akademikerball“, vormalsBall des Wiener Korporationsrings/WKR)in den letzten Jahren ein wenig zurückge-gangen war, konnten heuer wieder mehre-re einschlägige Gäste begrüßt werden.In Begleitung der Wiener Olympen be-suchten am 29. Jänner 2016 mindestensdrei Kameraden aus Ungarn den Ball:

Szabolcs Szalay, Auslandschef der neofa-schistischen Jobbik-Jugendorganisation,zumindest ein weiterer Repräsentant der-selben und László Toroczkai, Bürgermeis-ter des südungarischen Grenzortes Ásot-thalom. Toroczkai begann seine politischeKarriere in der rechtsextremen MIÉP,gründete dann die (später verbotene) neo-nazistische 64-Komitate-Jugendbewegungund handelte sich durch seine irredentis-tisch-revanchistischen Positionen Einrei-severbote in mehreren NachbarländernUngarns ein. In weiterer Folge kandidierteer wiederholt als unabhängiger Kandidatauf Wahllisten der Jobbik.

Dass die Einladung der Ungarn durch eineBurschenschaft und nicht durch die FPÖselbst erfolgte, liegt nahe, zeigt Letzteresich doch seit rund fünf Jahren offiziellauf Distanz zu Parteien bedacht, die wieJobbik, die deutsche NPD oder die grie-chische Goldene Morgenröte sich allzudeutlich in faschistischer Tadition veror-ten. 2011 hatte Jobbik-Vorsitzender GáborVona sich in einem offenen Brief an seinFPÖ-Gegenüber Strache gewandt, moti-viert durch „schockierende Nachrichten inder österreichischen Presse“, wonachStrache Jobbik als „rechtsextremistischePartei“ bezeichne, deren Positionen „dem

NEUES VON GANZ RECHTS

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freiheitlichen Geist“ nicht entsprächen.Straches Manöver, die Jobbik-Spitzenkan-didatin zu den Europawahlen, KrisztinaMorvai, als Partnerin zu akzeptieren, diePartei selbst jedoch nicht, stehe den „inden letzten Jahren ausgebildeten freund-lichen und guten Beziehungen unsererParteien“ entgegen. Ferner erinnerte VonaStrache daran, dass die bilateralen Kon-takte von der FPÖ ausgegangen seien undu. a. ein „vielversprechendes Treffen“ derbeiden Parteiobleute zur Folge gehabt hät-ten. Der Brief schloss mit dem Ausdruckder Hoffnung, dass FPÖ und Jobbik die„lebenswichtige Schlacht“ gegen den „Li-beralismus unserer Zeit […] auch in derZukunft zusammen kämpfen können!“Tatsächlich standen die Zeichen zuletztauf Wiederannäherung: Unter Mitwirkungdes Wiener FPÖ-Bezirksrats Karl Egglgründete sich im Oktober 2015 in Wienein Jobbik-Ableger. Wenige Tage zuvorhatte der Jobbik-NachwuchspolitikerSamu Tamás Gergö in einem Facebook-Posting versöhnliche Stimmung verbrei-tet: „Ich denke, man muss sehen, was unsverbindet und nicht nur, was uns trennt.“Die verbindenden Elemente seien „viel-leicht entscheidendere Angelegenheitenals diejenigen, die uns trennen“, weswe-gen er der FPÖ zu ihren Landtagswahl-erfolgen im Herbst auch gratuliere.Neben den inoffiziellen Gästen aus Un-garn war auch der belgische Vlaams Be-

lang wieder in der Hofburg vertreten, u. a. durch seinen Vorsitzenden Tom VanGrieken, der selbst einer verbindungsar-tigen flämischen Studentenorganisation(Nationalistische Studentenverenigong)angehört. Aus Deutschland waren u. a.Tatjana Festerling und Christopher vonMengersen angereist. Festerling wurde alsSprecherin der PEGIDA-Mobilisierungenin Dresden bekannt. Erst vor drei Wochenhatte sie in einer Rede in Leipzig erklärt:„Wenn die Mehrheit der Bürger noch klarbei Verstand wäre, dann würden sie zuMistgabeln greifen und diese volksverra-tenden, volksverhetzenden Eliten aus denParlamenten, aus den Gerichten, aus denKirchen und aus den Pressehäusern prü-geln.“ Von Mengersen ist Generalsekretärder rechtsextremen Bürgerbewegung pro-NRW, die nicht zum ersten Mal Vertreterauf den Burschenschafter-Ball entsandthatte. Einer Aussendung von pro-NRW istzu entnehmen, man habe in Wien einen„sehr vertiefte[n] und angeregte[n] Aus-tausch“ v. a. mit Vertretern von FPÖ undVlaams Belang gepflogen: „In ganzEuropa lässt die aktuelle Flüchtlings- undZuwanderungskrise diejenigen enger zu-sammenrücken, die sich Umvolkung undBevölkerungsaustausch entschlossen inden Weg stellen.“Zusammen mit von Mengersen trat EsterSeitz am Ball auf. Die Bayerin gründeteim vergangenen Jahr ein Bündnis namens

Widerstand Ost/West, das die in Sachsenvorübergehend erfolgreichen PEGIDA-Mobilisierungen imitieren sollte. Nach ei-nem Bericht der Frankfurter Rundschauwar sie 2015 auf diversen Aufmärschendes Hooligan-Milieus vertreten, ein Inter-net-Video zeigt sie Anfang Juni auf einerDemonstration in Karlsruhe, wo sie ge-meinsam mit neonazistischen HooligansParolen wie „Antifa, Hurensöhne“ und„Deutschland – Hooligans“ skandierte. Anzutreffen war Seitz auch beim soge-nannten „Sturm auf den Reichstag“ imMai, bei dem sich 500 rechte Verschwö-rungstheoretikerInnen und Neonazis inBerlin versammelten (vgl. www.fr-onli-ne.de/frankfurt/demo-anmelderin-ester-seitz-in-frankfurt-wer-steckt-hinter--w i d e r s t a n d - o s t - w e s t - - , 1 4 7 2 7 9 8 ,30897890.html). Auf der Facebook-Seite von WiderstandOst/West, als dessen „Teamleiterin“ sichSeitz bezeichnet, war im Frühjahr 2015 ta-gelang eine an AntifaschistInnen gerichte-te Drohung zu lesen gewesen: „Nun ist Schluss, jetzt spielen wir, auch wirermitteln täglich.... und keine Angst... auchwir wissen wo ihr wohnt..... Ihr traut euchnur an Gegenstände.... Wir rufen nicht die Polizei! […] FREUNDE, KAMERA-DEN, PATRIOTEN: VERÖFFENTLICHTJEDEN LINKEN TERRORISTEN MITFOTO UND ANSCHRIFT!“

Halbmayr, Brigitte: Herbert Steiner.Auf vielen Wegen, über Grenzen hinweg. Eine politische Biografie (= Enzyklopädie des Wiener Wissens.Porträts, Bd. III). Weitra: Bibliothekder Provinz 2015. 330 S.

Ich lernte Herbert Steiner 1966 kennen,als ich als Student der Zeitgeschichte miteinem Seminarthema über den Republi-kanischen Schutzbund ins DÖW kam.Dieses damals noch wenig bekannte Insti-tut befand sich in zwei kleinen Räumen ineinem Haus der BAWAG am Fleisch-markt. Schon bei diesem ersten Besuchfiel mir – im Unterschied zu anderen Ar-chiven – positiv auf, dass sich HerbertSteiner Zeit nahm, um sich um die Anlie-gen eines Studierenden zu kümmern, überBestände und Arbeitsmöglichkeiten imDÖW zu informieren, Ratschläge undEmpfehlungen zu geben. Diese unterstüt-zende Haltung für junge Menschen konnte

ich auch später immer wieder beobachtenund Benützerfreundlichkeit war stets einVorzug des DÖW. Als Mitarbeiter (ab1969) bzw. Nachfolger als wissenschaft-licher Leiter des DÖW (ab 1983) habe ichmehr als 25 Jahre mit Herbert Steiner kon-struktiv zusammengearbeitet und ihn da-bei menschlich und fachlich, vor allem alshervorragenden Organisator und Chef desDÖW schätzen gelernt. Diese persönlichen Erfahrungen berechti-gen mich zu der Einschätzung, dass es derAutorin der Biografie von Herbert Steiner,Brigitte Halbmayr, gelungen ist, eine vor-zügliche Arbeit zu verfassen. Obwohl sieSteiner niemals persönlich kennenlernte,hat sie sowohl seine Persönlichkeit alsauch seine vielfältige Tätigkeit, seineLeistungen und Verdienste in adäquaterWeise herausgearbeitet. Gestützt auf eineFülle von gut recherchierten Quellen (wiedem Nachlass Steiners im DÖW) und aufInterviews mit Familienangehörigen, Be-kannten und MitarbeiterInnen des DÖW

beschreibt Halbmayr seine Lebensstatio-nen: das Aufwachsen in einer assimilier-ten jüdischen, linken Familie in Wien, dieantifaschistischen Aktivitäten im KJV, diedramatischen Ereignisse 1938, die mit dererzwungenen Flucht nach Großbritannienden 15-Jährigen aus Schule, Familie und(politischem) Freundeskreis rissen, die er-folgreiche Tätigkeit als Sekretär der öster-reichischen Exiljugendorganisation YoungAustria in Great Britain, die ihn nach derRückkehr nach Österreich 1945 zum Ge-neralsekretär der (kommunistischen) Frei-en Österreichischen Jugend (FÖJ) prädes-tinierte.Im Mittelpunkt der Darstellung steht derschwierige Aufbau des DÖW als einerüberparteilichen wissenschaftlichen Ein-richtung mit weit über Widerstandsfor-schung und -archivierung hinausgehendenArbeitsbereichen, wobei die von Steinerzustande gebrachte gedeihliche Zusam-menarbeit unterschiedlicher politischerKräfte – von den Sozialistischen Freiheits-

REZENSIONEN

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kämpfern über die ÖVP-Kameradschaftder politisch Verfolgten bis zum (damals)KP-nahen KZ-Verband – die politisch-or-ganisatorische Grundlage bildete. Nichtweniger wichtig, vor allem in der erstenPhase der Tätigkeit, war der von ihm orga-nisierte ehrenamtliche Einsatz vieler ehe-maliger Verfolgter, der jahrzehntelangCharakter und Atmosphäre des DÖWprägte und noch heute spürbar ist. HerbertSteiner gelang es, sowohl die nach undnach herangezogenen jüngeren Mitarbei-terInnen ohne Generationenkonflikte indas Kollektiv des DÖW zu integrieren alsauch die unterschiedlichen politischenStandpunkte der Einzelnen nicht zum Hin-dernis für eine fruchtbare Zusammenarbeitwerden zu lassen, sondern sie im Gegen-teil für eine lebhafte sachliche Diskus-sionskultur zu nutzen. Seine Hauptsorgegalt der Finanzierung des DÖW, das, an-fangs noch keine Stiftung, vor allem aufSpenden angewiesen war und von Anbe-ginn sparsam wirtschaften musste.Ein weiterer wichtiger, von der Verfas-serin sorgfältig beschriebener Arbeitsbe-reich Steiners war die von ihm wesentlichgeschaffene und getragene InternationaleTagung der HistorikerInnen der Arbeiter-bewegung (ITH) – deren Name im Laufeder Jahre mehrfach adaptiert wurde –, diealljährlich abgehaltene „Linzer Konfe-renz“, die bis 1989/90 eine einzigartigePlattform war, bei der HistorikerInnen ausOst und West zusammentreffen und ihrePositionen und Ergebnisse austauschenkonnten. Dass die kontroversen, z. T. hef-tigen Diskussionen die Tagungen nichtsprengten, war dem vermittelnden Ein-fluss Steiners zu verdanken. Zu Recht würdigt die Verfasserin dieLehrtätigkeit an der Universität Wien, dieHerbert Steiner nach seiner Habilitation1983 viele Jahre mit großem Anklang beiden Studierenden durchführte. Last, notleast wird die von Steiner gegründete undgeleitete Jura Soyfer-Gesellschaft als seinbesonderes Verdienst hervorgehoben, weilSteiner schon in London und dann späterin der FÖJ sich um die Manuskripte undTexte des 1939 in Buchenwald umgekom-menen Dichters kümmerte.Die Biografie ist ungeachtet der einfühlsa-men Beschreibung Herbert Steiners kei-neswegs apologetisch, zumal auch Wider-sprüche, Inkonsequenzen und Fehler nichtausgespart werden. Hier sei nur auf die fürviele Freunde Steiners unverständliche,weil zu lange währende Tätigkeit für dieGesellschaft Österreich-Nordkorea hinge-wiesen. Brigitte Halbmayr hat nach ihrer Biografieüber Hermann Langbein (2012) ein weite-

res fundiertes Werk über eine herausra-gende Gestalt des österreichischen Anti-faschismus verfasst, dessen Lektüre ichnur empfehlen kann.

Wolfgang Neugebauer

Rettl, Lisa, Magnus Koch: „Da habeich gesprochen als Deserteur.“ RichardWadani. Eine politische Biografie.Wien: Milena Verlag 2015. 295 S.

Als 2009 im Nationalrat die Rehabilitie-rung der Wehrmachtsdeserteure beschlos-sen wurde und fünf Jahre später am Wie-ner Ballhausplatz die Enthüllung einesDenkmals folgte, rückte ein Mann in denBlickpunkt der Öffentlichkeit, der seitEnde der 1990er-Jahre den Bemühungenum eine Rehabilitierung der Opfer derNS-Militärjustiz ein Gesicht verliehen hat-te: Richard Wadani. Über ihn haben LisaRettl und Magnus Koch nun eine Bio-grafie vorgelegt, in der sie Wadani nichtnur als Wehrmachtsdeserteur und enga-gierten Streiter für die Rehabilitierung derOpfer der NS-Militärjustiz zeigen. Nach-gezeichnet wird seine gesamte politischeund berufliche Entwicklung, in engerVerbindung mit seinem jeweiligen Le-bensalltag: als kommunistischer Aktivist,Jugend- und Sportfunktionär sowie alsPionier des österreichischen Volleyball-sports, Trainer und Sportlehrer.Wadani wurde am 11. Oktober 1922 inPrag als Sohn eines aus Kärnten stammen-den Mechanikers und Bühnenarbeiters inärmlichen Verhältnissen geboren. Bereitsin seiner Kindheit und Jugend werden jenebeiden Konstanten deutlich, die sein wei-teres Leben prägen sollten: sein politi-sches Engagement in der organisierten Ar-beiterInnenbewegung und der Sport. Sowurde Wadani im Alter von sechs JahrenMitglied bei den Roten Falken, der sozial-demokratischen Kinderorganisation, undmit zwölf Jahren beim Arbeiter-Turn- undSportverband. 1935 wurde er schließlichMitglied im Kommunistischen Jugend-verband.Unfreiwillig führte Wadanis Weg im De-zember 1938 nach Wien, nachdem er in-folge des „Anschlusses“ im März 1938vom österreichischen zum deutschenStaatsbürger geworden war. Als gebürtigerPrager in Wien sozial und politisch iso-liert, kam er im Oktober 1939 zur Wehr-macht. Ab 1941 war Wadani drei Jahrelang im Osten als Kraftfahrer der Luft-waffe im Einsatz, wo er auch Zeuge vonGräueltaten wurde. Ein erster Fluchtver-such scheiterte im März 1942 am Schwar-zen Meer, da er als Luftwaffenangehöriger

im Hinterland eingesetzt war und es ihmso nicht gelingen konnte, über die Haupt-kampflinie zu kommen. Einige Tage saß erim Arrest, nachdem er bei der Durchkäm-mung eines Waldes zwei Warnschüsse ab-gegeben hatte, um die PartisanInnen zuwarnen, und aus einem Lager Lebens-mittel für die örtliche Bevölkerung verteilthatte. Als er im Herbst 1944 erstmals andie Front kommandiert wurde, nutzte eram 16. Oktober die Gelegenheit, um ander Westfront zu den Amerikanern überzu-laufen. In der britischen Gefangenschaftschloss er sich einer tschechoslowaki-schen Freiwilligen-Brigade an, die jedochnicht mehr zum Einsatz gelangte.Nach Kriegsende konnte Wadani seineAbsicht, nach Prag zurückzukehren, nichtrealisieren, ließ sich doch der Wunsch sei-ner entkräfteten und ausgebombten Mut-ter, in Wien zu bleiben, nicht ausschlagen.So ging Wadani im November 1945 nachWien, wo er im Jänner 1946 aus der Ar-mee entlassen und im April Mitglied derKPÖ wurde, die seinen weiteren politi-schen und beruflichen Lebensweg prägensollte.Die Kapitel über die Jahre 1946 bis 1970lassen einen Aktivisten lebendig werden,der „überzeugte wie überzeugende Arbeit“für die Partei leistet, wie Rettl und KochWadanis politisches Engagement undKommunikationstalent umreißen. Daswichtigste Politikfeld Wadanis war zu-nächst die KPÖ-nahe Freie Österreichi-sche Jugend (FÖJ). Im dritten Wiener Ge-meindebezirk fungierte er als deren Be-zirksobmann, bis 1960 blieb er Sport-referent ihrer Wiener Leitung. Auch beruf-lich war Wadani an die KPÖ gebunden, ar-beitete er doch von 1949 bis 1962 alsKraftfahrer beim parteieigenen Globus-Verlag sowie bis 1964 als Angestellter derSpedition Express, die zum Wirtschafts-apparat der KPÖ gehörte.Wadanis Schwerpunkt war der Sport bzw.die Sportpolitik und hier wiederum derVolleyball, eine Sportart, die er bereits inseiner Jugend in Prag leidenschaftlichgern gespielt hatte und die zu diesem Zeit-punkt in Österreich noch fast unbekanntwar. Wadani war einer jener Sportler undSportfunktionäre, die den Volleyballsportin Österreich aufbauten und populärmachten. Ende der 1950er-Jahre wurde erNachwuchstrainer im ÖsterreichischenVolleyballverband, ab 1962 war er Trainerund Bundeskapitän der Nationalmann-schaft. Im Rahmen der Sportkommissionder KPÖ war Wadani maßgeblich in denKampf gegen den deutschnationalen Ös-terreichischen Turnerbund (ÖTB) einge-bunden. Im September 1964 wurde er

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Sportreferent der KPÖ Wien und damithauptamtlicher Parteifunktionär.Mitte der 1960er-Jahre begrüßte Wadanidie in der KPÖ – analog zum Reformkursin der Tschechoslowakei – eingeleitete po-litische Neuorientierung. Im Jahr 1970war es gewiss keine leichte Entscheidungfür ihn, die Partei zu verlassen, nachdemder „Prager Frühling“ gewaltsam nieder-geschlagen worden war und er mit derauch in der österreichischen KP durchge-setzten „Normalisierung“ nicht einver-standen sein konnte. Dieser Schritt warauch mit einem beruflichen Neustart ver-bunden. Als vorteilhaft erwies sich seineAusbildung zum Sportlehrer an der Bun-deslehranstalt für Leibeserziehung, wo ernun bis zu seiner Pensionierung im Jahr1984 arbeitete. Parallel dazu baute er imPensionistenverband der SPÖ – ohne derPartei anzugehören – den Seniorensportauf.Als Wadani 1946 – unmittelbar nach sei-ner Rückkehr nach Wien – in Bewer-bungsschreiben die Bezeichnung „Wehr-machtsdeserteur“ anführte, erhielt er nichteinmal eine Antwort, galt „Deserteur“doch in der politischen Kultur der österrei-chischen Nachkriegsgesellschaft alsSchimpfwort. Jahrzehntelang wurden je-ne, die durch Desertion Widerstand gegenden NS-Vernichtungskrieg leisteten, als„Verräter“, „Feiglinge“ und „Kameraden-mörder“ diskriminiert. Diesen Anfeindun-gen zum Trotz war Wadani einer der ers-ten Wehrmachtsdeserteure, die nach derBefreiung vom Faschismus offensiv ver-suchten, ihre Geschichte zu erzählen.Der Weg zu einer gesetzlichen Rehabili-tierung der Deserteure und Verfolgten derNS-Militärjustiz war mühsam und steinig:Als Ende der 1990er-Jahre eine öffentli-che Debatte hierüber angestoßen wurde,war Wadani von Beginn an in diesen Pro-zess eingebunden. Schlagkräftige Ver-bündete fand er in den Grünen, die 1999eine parlamentarische Anfrage und einenEntschließungsantrag und 2002 schließ-lich einen Gesetzesentwurf zur Rehabili-tierung der Opfer der NS-Militärjustiz imNationalrat einbrachten. In diesen Jahrender schwarz-blauen Regierung hat Wadanimit medialen Auftritten die Diskussion inGang gehalten, wobei er wiederholt An-feindungen durch rechtskonservative undneofaschistische Kreise ausgesetzt war.Vom FPÖ-Europaparlamentarier AndreasMölzer wurde er etwa als „Deserteurs-kapo“ beschimpft.Als 2002 das Personenkomitee „Gerech-tigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz“gegründet wurde, war Wadani nicht nurdessen erster Obmann, sondern auch eine

treibende Kraft des Komitees: Er warRedner im Parlament, in Schulen undUniversitäten, auf Konferenzen und De-monstrationen. Nach jahrelangen Debat-ten beschloss der Nationalrat schließlicham 21. Oktober 2009 die Anerkennung derDeserteure als NS-Opfer. Alle Urteile derNS-Militärgerichte gegen Deserteure wur-den pauschal aufgehoben. Im Oktober2014 wurde auf dem Wiener Ballhausplatzdas Deserteursdenkmal mit einem Staats-akt enthüllt. „Es ist plausibel zu behaup-ten, dass dieser geschichtspolitische Mei-lenstein ohne ihn wohl gar nicht gesetztworden wäre“, so Rettl und Koch über denpolitischen und persönlichen Höhepunkt

des jahrzehntelangen Kampfes vonRichard Wadani, dem bereits 2007 als ers-tem österreichischen Wehrmachtsdeser-teur das Ehrenzeichen für Verdienste umdie Befreiung Österreichs verliehen wor-den war.Die vorliegende Biografie vereint wissen-schaftlichen Anspruch mit vergnüglicherLesbarkeit. Sie ist all jenen zu empfehlen,die sich mit Geschichtspolitik und Erinne-rungskultur in Österreich auseinanderset-zen und am Lebensweg eines Arbeiter-funktionärs interessiert sind, durch densich das „in bester Manier Eigensinnige,Widerständige und Unbequeme“ wie einroter Faden zieht. Manfred Mugrauer

„Ohne Widerstand gibt es in dieserGesellschaft keinen Fortschritt.“(Irma Schwager, 1920–2015)

Vortragsreihe im DÖW, veranstaltet vom Jüdischen Institut für Erwachsenen-bildung in Kooperation mit dem DÖW (jeweils Donnerstag, 18.30–20.00 Uhr)

7. April 2016 | Brigitte Bailer: Frauen nach Widerstand und Verfolgung – Die ersten Nachkriegsjahre

14. April 2016 | Gerhard Baumgartner: „Die Angst, immer diese Angst ...“ (CeijaStojka, 1953) – Überlebensberichte österreichischer Romnia

21. April 2016 | Manfred Mugrauer: Hella Altmann-Postranecky – Ein Leben mitder ArbeiterInnenbewegung, Widerstandskämpferin und 1945 erste Frau ineiner österreichischen Regierung

Kurs-Nr. FV2065 | Kosten: 6,– Euro | Anmeldung und Bezahlung im JüdischenInstitut erforderlich: e-mail [email protected] | T +43 1 891 74–153 000

Information: www.doew.at

Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz:Medieninhaber: Verein „Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes“, 1010 Wien, Wipplingerstraße 8.Vereinsvorstand: Präsident: BM a. D. Rudolf Edlinger. Vizepräsidenten: Albert Dlabaja, KR Dr. Gerhard Kastelic,Dkfm. Dr. Claus J. Raidl, Prof. Hannes Schwantner. Kassier: Hon.-Prof. Univ.-Doz. Dr. Brigitte Bailer. Kassier-Stv.:MR PD Dr. Helmut Wohnout. Weitere Mitglieder: Sr. Dr. Edith Beinhauer, Univ.-Prof. Dr. Ernst Berger, Präs. der IKGOskar Deutsch, Obersenatsrat Univ.-Prof. Dr. Hubert Christian Ehalt, MMag. Markus Figl, Prof. Rudolf Gelbard, DDr. Barbara Glück, Sekt. Chef i. R. Dr. Wilhelm Grimburg, Univ.-Prof. Dr. Gabriella Hauch, Präs. d. VwGH Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. Clemens Jabloner, RA Dr. Heinrich Keller, Mag. Hannah Lessing, Willi Mernyi, Dr. Ariel Muzicant, Hon.-Prof. Dr. Wolfgang Neugebauer, Assoz.-Prof. Dr. Bertrand Perz, Prof. Rudolf Sarközi, Dr. GerhardSchmid, Bezirksvorsteher i. R. Dr. Richard Schmitz, OSR Dr. Kurt Scholz, Mag. Terezija Stoisits, MR Mag. ManfredWirtitsch. Wissenschaftlicher Leiter: Dr. Gerhard Baumgartner. Kontrolle: Mag. Eva Blimlinger, Helma Straszniczky,Peter Weidner.Richtung: Verbreitung von Informationen im Sinne der Grundsatzerklärung des DÖW von 1963: „Das Archiv soll vorallem durch dokumentarische Beweise der zeitgeschichtlichen Erziehung der Jugend dienen. Sie soll mit den schreckli-chen Folgen des Verlustes der Unabhängigkeit und Freiheit Österreichs sowie mit dem heldenhaften Kampf der Wider-standskämpfer bekannt gemacht werden. Das Archiv soll als bleibende Dokumentation verwahrt werden.“

An der Herstellung dieser Nummer wirkten mit: Gerhard Baumgartner, Herwig Czech, Eva Kriss, Claudia Kuretsidis-Haider, Irene Messinger, Wolfgang Neugebauer, Andreas Peham, Brigitte Ungar-Klein, Bernhard Weidinger.

Impressum: Verleger, Herausgeber und Hersteller: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Wipplin-gerstraße 8 (Altes Rathaus), 1010 Wien; Redaktion ebenda (Christa Mehany-Mitterrutzner, Tel. 22 89 469/322, e-mail:[email protected]; Sekretariat, Tel. 22 89 469/319, Fax: 22 89 469/391, e-mail: [email protected]; web:www.doew.at).

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Österreicher im Exil. Mexiko 1938–1947. Eine Dokumentation,hrsg. v. DÖW. Deuticke 2002, 704 S., Bildteil. Leinen oderKarton i 15,– Leinen ... Stück

Karton ... Stück

Florian Freund, Concentration Camp Ebensee. Subcamp ofMauthausen, 2nd revised edition, Vienna 1998, 63 S., i 4,30

... Stück

Jonny Moser, Demographie der jüdischen Bevölkerung Öster-reichs 1938–1945, Wien 1999, 86 S. i 4,30 ... Stück

Josef Hindels, Erinnerungen eines linken Sozialisten, Wien1996, 135 S. i 6,50 ... Stück

KombiangebotGedenken und Mahnen in Wien, Gedenkstätten zu Widerstandund Verfolgung, Exil, Befreiung. Eine Dokumentation, hrsg. v.DÖW, Wien 1998 undGedenken und Mahnen in Wien. Ergänzungen I, Wien 2001.i 13,– (statt i 15,–)

... Stück

Gerhardt Plöchl, Willibald Plöchl und Otto Habsburg in denUSA. Ringen um Österreichs „Exilregierung“ 1941/42, Wien2007, 288 S., Ladenpr. i 9,90 ... Stück

Wolfgang Form/Oliver Uthe (Hrsg.): NS-Justiz in Österreich.Lage- und Reiseberichte 1938–1945. Schriftenreihe des DÖW zuWiderstand, NS-Verfolgung und Nachkriegsaspekten, Bd. 3, LIT Verlag 2004, LVIII, 503 S., Sonderpreis i 25,– (Ladenpr. i 49,90) ... Stück

Institut Theresienstädter Initiative/DÖW (Hrsg.) Theresien-städter Gedenkbuch. Österreichische Jüdinnen und Juden inTheresienstadt 1942–1945, Prag 2005, 702 S., i 29,–

... Stück

Herbert Exenberger/Heinz Riedel, Militärschießplatz Kagran,Wien 2003, 112 S., i 5,– ... Stück

DÖW, Katalog zur permanenten Ausstellung. Wien 2006, 207 S., 160 Abb., i 24,50 ... Stück

DÖW, Catalog to the Permanent Exhibition, Wien 2006, 95 S.,über 100 Abb., i 14,50 ... Stück

Bewahren – Erforschen – Vermitteln. Das Dokumentations-archiv des österreichischen Widerstandes, Wien 2008, 190 S., i 13,50 ... Stück

Martin Niklas, „... die schönste Stadt der Welt“. Österreichi-sche Jüdinnen und Juden in Theresienstadt. Wien 2009, 232 S., i 19,90 ... Stück

Forschungen zum Nationalsozialismus und dessen Nachwir-kungen in Österreich. Festschrift für Brigitte Bailer, hrsg. vomDÖW, Wien 2012, 420 S., i 19,50 ... Stück

Rudolf Agstner / Gertrude Enderle-Burcel / Michaela Follner,Österreichs Spitzendiplomaten zwischen Kaiser und Kreisky.Biographisches Handbuch der Diplomaten des Höheren Auswär-tigen Dienstes 1918 bis 1959, Wien 2009, 630 S., i 29,90

... Stück

Günther Morsch / Bertrand Perz, Neue Studien zu nationalso-zialistischen Massentötungen durch Giftgas. Historische Be-deutung, technische Entwicklung, revisionistische Leugnung,Metropol Verlag 2011, 446 S., Ladenpr. i 24,– ... Stück

Heinz Arnberger / Claudia Kuretsidis-Haider (Hrsg.), Gedenkenund Mahnen in Niederösterreich. Erinnerungszeichen zu Wi-derstand, Verfolgung, Exil und Befreiung, Mandelbaum Verlag2011, 712 S., Ladenpr. i 39,90 ... Stück

Florian Freund, Die Toten von Ebensee. Analyse und Dokumen-tation der im KZ Ebensee umgekommenen Häftlinge 1943–1945,Braintrust, Verlag für Weiterbildung 2010, 444 S., i 29,–

... Stück

Barry McLoughlin / Josef Vogl, „... Ein Paragraf wird sich fin-den“. Gedenkbuch der österreichischen Stalin-Opfer (bis1945), hrsg. vom DÖW, Wien 2013, 622 S., i 24,50

... Stück

Jahrbuch 2011, hrsg. vom DÖW, Schwerpunkt: Politischer Wi-derstand im Lichte von Biographien, Wien 2011, 302 S., i 13,50 ... Stück

Täter. Österreichische Akteure im Nationalsozialismus, Jahr-buch 2014, hrsg. vom DÖW, Wien 2014, 318 S., i 19,50

... Stück

Feindbilder, Jahrbuch 2015, hrsg. vom DÖW, Wien 2015, 378 S., i 19,50 ... Stück

Wolfgang Neugebauer, Der österreichische Widerstand1938–1945, überarb. u. erw. Fassung, Edition Steinbauer 2015,351 S., i 22,50 ... Stück

Wolfgang Neugebauer, The Austrian Resistance 1938–1945,Edition Steinbauer 2014, 336 S., i 22,50 ... Stück

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