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kressreport 22.15 vom 27. November 2015 6 6 print Leser langfristig an Gedrucktes zu binden, wird für Verlage nicht einfacher. Branchenvertreter erklären, was Verlage Abonnenten bieten müssen VERTRIEBSSTRATEGIEN Wie sieht das Print- Abo der Zukunft aus? Gemessen an der Lautstärke, in der immer wieder sein Ende verkündet wird, schlägt sich das Abo tapfer. Rund 70 % aller in Deutschland verkauften Ta- geszeitungen – im dritten Quartal 2015 waren es 18,5 Mio. je Erscheinungstag – und fast jede zweite (48 %) der 99 Mio. verkauften Publikumszeitschriften errei- chen über diesen Weg ihren Empfänger. Wahr ist aber auch, dass die Menge der Print-Abos schrumpft und es schwieri- ger wird, neue Abonnenten zu gewin- nen. „Leser scheuen feste Bindungen“, sagt Medienberater Karl-Heinz Behrens (siehe dazu auch Seite 9). Verlage hät- ten dazu selbst beigetragen, indem sie „ihren Vertriebskohorten und Drücker- kolonnen freie Hand gaben, um mit al- len Mitteln den Rückgang der verkauften Auflage aufzuhalten“. Wie sollte ein Print-Abo ausgestattet sein, damit es für Kunden attraktiv ist? Der kressreport hat diese und weitere Fragen Experten u. a. aus Forschung, Vertrieb und Forderungsmanagement gestellt, um die Voraussetzungen zu skiz- zieren, damit das Abo eine Zukunft hat. Vorbilder außerhalb der Branche „Die Erwartungshaltung junger Men- schen speziell an Zeitungs- und Zeit- schriftenabos ist heute eher negativ geprägt“, sagt Olaf Conrad, Unterneh- mensberater und Co-Founder der Deut- schen Zeitungstreuhand. Die Verlage seien daran nicht ganz unschuldig, weil das relativ starre Abo-Modell der Vergan- genheit in Verbindung mit einem fullfil- ment-geprägten Kundenbeziehungs- management als nicht mehr zeitgemäß gelte. „Die Konsumwelt rund um die Ver- lage hat sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt. Dieses prägt den Leser in seinem Alltag und determiniert seine Erwartungshaltung an Unternehmen“, so Conrad. Referenzpunkte für Verlage seien heute Zalando, Drive Now & Co. – und nicht mehr andere Medienhäuser. Um auf die gestiegenen Ansprüche der Verbraucher an Medienprodukte, Abo- Modelle, Kommunikation und Services zu reagieren, müsse man individuelle An- gebote schaffen, meint Nils Oberschelp, Vorsitzender der dpv-Geschäftsführung. Differenzierte und flexible Kundeno- rientierung stünde dabei im Vorder- grund. „Damit werden unsere Produkte im Abonnement – ob Print only oder in modularen Paketen aus verschiedenen Bausteinen der Markenwelt des Titels, ergänzt um nutzwertige Services – sogar noch attraktiver“, sagt er. Grundlage für eine wertschätzende Kundenansprache seien wesentlich mehr und feinere Da- ten, vor allem auch aus digitalen Kanälen und Kundenkontaktpunkten. Individualität ist auch für Markus Gries, Geschäftsführer der Axel Springer Vertriebsservice GmbH, das Stichwort. Während ältere Zielgruppen das klassi- sche Abo ohne Schnickschnack schätz- ten, seien für Jüngere kürzere Laufzeiten oder besondere Prämien wichtig. „Im Bereich der Kundenbindung gilt es, ne- ben einem perfekten Service auch die ständige Intensivierung der Kundenbe- ziehung im Fokus zu haben“, sagt Gries. So seien hier Up- und Cross-Selling oder die Umstellung auf Bankeinzug wichtige Bausteine. Für Stephan Weichert, Professor für Journalismus und Kommunikationswis- senschaft an der Macromedia Hochschule in Hamburg, ist das Abo-Modell „fast ob- solet“. „Printprodukte werden zu Prestige- objekten, das heißt, ein Abo wird nur noch bei sogenannten Premium-Titeln funkti- onieren mit einer spitzen Zielgruppe, die bereit ist, sich das zu leisten“, sagt er. Unternehmensberater Stefan Wilberg denkt im Zusammenhang mit Vertriebs- marketing-Strategien immer öfter: „We- niger kann manchmal mehr sein.“ Ihm kommt es vielfach so vor, dass viele Me- FOTOS: PETITE.PHOTO, DAVID MAUPILÉ, FRANK BEHREND, CHRISTIAN IRRGANG, STUDIO CONDÉ NAST, WWW.MARCELO-HERNANDEZ.COM Halten Konzentration auf den Kunden für unerlässlich (v.l.o.n.r.u.): Olaf Con- rad, Stephan Weichert, Nils Oberschelp, Markus Gries

VERTRIEBSSTRATEGIEN Wie sieht das Print- Abo der Zukunft aus?€¦ · Peter Rensmann, Geschäftsführer Marketing und Sales beim Jahreszeiten Verlag kress: ... Stefan Wilberg, Consulting,

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Leser langfristig an Gedrucktes zu binden, wird für Verlage nicht einfacher. Branchenvertreter erklären, was Verlage Abonnenten bieten müssen

VERTRIEBSSTRATEGIEN

Wie sieht das Print-Abo der Zukunft aus?

➜Gemessen an der Lautstärke, in der immer wieder sein Ende verkündet

wird, schlägt sich das Abo tapfer. Rund 70 % aller in Deutschland verkauften Ta-geszeitungen – im dritten Quartal 2015 waren es 18,5 Mio. je Erscheinungstag – und fast jede zweite (48 %) der 99 Mio. verkauften Publikumszeitschriften errei-chen über diesen Weg ihren Empfänger.

Wahr ist aber auch, dass die Menge der Print-Abos schrumpft und es schwieri-ger wird, neue Abonnenten zu gewin-nen. „Leser scheuen feste Bindungen“, sagt Medienberater Karl-Heinz Behrens (siehe dazu auch Seite 9). Verlage hät-

ten dazu selbst beigetragen, indem sie „ihren Vertriebskohorten und Drücker-kolonnen freie Hand gaben, um mit al-len Mitteln den Rückgang der verkauften Auflage aufzuhalten“.

Wie sollte ein Print-Abo ausgestattet sein, damit es für Kunden attraktiv ist? Der kressreport hat diese und weitere Fragen Experten u. a. aus Forschung, Vertrieb und Forderungsmanagement gestellt, um die Voraussetzungen zu skiz-zieren, damit das Abo eine Zukunft hat.

Vorbilder außerhalb der Branche

„Die Erwartungshaltung junger Men-schen speziell an Zeitungs- und Zeit-schriftenabos ist heute eher negativ geprägt“, sagt Olaf Conrad, Unterneh-mensberater und Co-Founder der Deut-schen Zeitungstreuhand. Die Verlage seien daran nicht ganz unschuldig, weil das relativ starre Abo-Modell der Vergan-genheit in Verbindung mit einem fullfil-ment-geprägten Kundenbeziehungs-management als nicht mehr zeitgemäß gelte. „Die Konsumwelt rund um die Ver-lage hat sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt. Dieses prägt den Leser in seinem Alltag und determiniert seine Erwartungshaltung an Unternehmen“, so Conrad. Referenzpunkte für Verlage seien heute Zalando, Drive Now & Co. – und nicht mehr andere Medienhäuser.

Um auf die gestiegenen Ansprüche der Verbraucher an Medienprodukte, Abo-Modelle, Kommunikation und Services zu reagieren, müsse man individuelle An-gebote schaffen, meint Nils Oberschelp, Vorsitzender der dpv-Geschäftsführung.

Differenzierte und flexible Kundeno-rientierung stünde dabei im Vorder-grund. „Damit werden unsere Produkte im Abonnement – ob Print only oder in modularen Paketen aus verschiedenen Bausteinen der Markenwelt des Titels, ergänzt um nutzwertige Services – sogar noch attraktiver“, sagt er. Grundlage für eine wertschätzende Kundenansprache seien wesentlich mehr und feinere Da-ten, vor allem auch aus digitalen Kanälen und Kundenkontaktpunkten.

Individualität ist auch für Markus Gries, Geschäftsführer der Axel Springer Vertriebsservice GmbH, das Stichwort. Während ältere Zielgruppen das klassi-sche Abo ohne Schnickschnack schätz-ten, seien für Jüngere kürzere Laufzeiten oder besondere Prämien wichtig. „Im Bereich der Kundenbindung gilt es, ne-ben einem perfekten Service auch die ständige Intensivierung der Kundenbe-ziehung im Fokus zu haben“, sagt Gries. So seien hier Up- und Cross-Selling oder die Umstellung auf Bankeinzug wichtige Bausteine.

Für Stephan Weichert, Professor für Journalismus und Kommunikationswis-senschaft an der Macromedia Hochschule in Hamburg, ist das Abo-Modell „fast ob-solet“. „Printprodukte werden zu Prestige-objekten, das heißt, ein Abo wird nur noch bei sogenannten Premium-Titeln funkti-onieren mit einer spitzen Zielgruppe, die bereit ist, sich das zu leisten“, sagt er.

Unternehmensberater Stefan Wilberg denkt im Zusammenhang mit Vertriebs-marketing-Strategien immer öfter: „We-niger kann manchmal mehr sein.“ Ihm kommt es vielfach so vor, dass viele Me- FO

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Halten Konzentration auf den Kunden für unerlässlich (v.l.o.n.r.u.): Olaf Con-rad, Stephan Weichert, Nils Oberschelp, Markus Gries

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kress: Wie hat sich die Rolle des Print-Abos für den Geschäftserfolg in den vergangenen fünf Jahren verändert?André Pollmann: Die Mediennutzungsgewohnheiten haben sich in den vergangenen Jahren verändert. Heute wollen Leser und User Inhalte auf vielen verschieden Kanälen, zu jeder Zeit und an jedem Ort nutzen – ob auf Desktop, Tablet, Smartphone oder bedrucktem Papier. Deshalb haben wir „Wired“ von Beginn an medienneutral konzipiert, sowohl im Redaktionellen, als auch hinsichtlich der Erlösfelder. Mit dem „Wired“-Membership als einem Teil unserer Erlösstrategie haben wir uns vom klassi-schen Abo gelöst und das Nutzerlebnis in den Vordergrund ge-stellt. Mit unserem „Wired“-Membership laden wir unsere Leser dazu ein, Teil der „Wired“-Welt zu werden. Neben dem gedruck-ten Heft erhalten Member auf „wired.de“ zusätzlichen Content sowie alle Inhalte aus dem gedruckten Heft. Die Website kann von jedem Endgerät und mit jedem Betriebssystem angesteu-ert werden. Außerdem bekommt man als „Wired+ Member“ exklusiven Zugang und bessere Konditionen für unsere Events und Konferenzen sowie unser Education-Angebot.

André Pollmann,Publisher von Wired Germany

kress: Wie hat sich die Rolle des Print-Abos für den Geschäftserfolg in den vergangenen fünf Jahren verändert?Nikolaus Förster: Wir sprechen nicht mehr von Abos, sondern von Mitgliedschaften. Mitglieder im „impulse“-Netzwerk erhal-ten nicht nur das Magazin – gedruckt und digital –, sondern haben auch Zugang zu Netzwerktreffen bei innovativen Unter-nehmen in ganz Deutschland. Wir vermitteln „impulse“ also auf allen Kanälen: gedruckt, digital und persönlich. kress: Wie machen Sie ein Print-Abo in Zeiten der Digitalisierung wertig?Förster: Durch Qualität. Die Inhalte müssen so gut sein, dass die Leser dafür zu zahlen bereit sind. Seit unserem Management-Buy-out Anfang 2013 verzichten wir auf jegliche Abo-Prämien, auch gibt es bei uns keine Laufzeiten mehr. Jeder kann seine Mitgliedschaft ohne Fristen kündigen. Unser Anspruch besteht darin, Unternehmern und Selbstständigen Ideen, Tipps und Kontakte zu vermitteln und ihnen zu helfen, sich weiterzuent-wickeln. Vergünstigte Preise und bevorzugten Zugang erhalten „impulse“-Mitglieder bei unseren Konferenzen und Workshops.

Nikolaus Förster, Chefredakteur von „impulse“ und Geschäftsführender Gesellschafter der Impulse Medien GmbH

kress: Wie sieht Ihrer Meinung nach das Print-Abomodell der Zukunft aus?Rensmann: Die Bedeutung des Print-Abos wird weiter steigen, speziell für Zielgruppenzeitschriften und Special-Interest-Maga-zine. Durch den stärker werdenden Verdrängungswettbewerb im Einzelhandel – um Platz und um Aufmerksamkeit – und auf-grund des Convenience-Faktors, der immer mehr Verbraucher veranlasst, Waren und Dienstleistungen an eine Wunschan-schrift liefern zu lassen, hat der Vertriebsweg Abo eine über-ragend relevante Perspektive. Maßgeblicher Faktor bleibt die redaktionelle Qualität des Magazinangebots. Es werden aber ergänzende Nutzenstiftungen, die das Abo auch zusätzlich emotional aufladen, zunehmen. Abonnenten unserer Premium-Magazine laden wir heute schon mehrfach pro Jahr zu exklusi-ven Veranstaltungen ein, dieser Benefit erfährt eine große Ak-zeptanz. Und bei „Zuhause Wohnen“ können Abonnenten mit Priorität und zu vergünstigten Tarifen eine individuelle Wohnbe-ratung erhalten, diesen Service bietet beispielsweise kein ande-res Wohnmagazin.

Peter Rensmann, Geschäftsführer Marketing undSales beim Jahreszeiten Verlag

kress: Wie hat sich die Rolle des Print-Abos für den Geschäftserfolg in den vergangenen fünf Jahren verändert?Katarzyna Mol-Wolf: Das Print-Abo ist nach wie vor eine wichtige Erlössparte bei „Emotion“, da es zu einer langfristigen Kundenbindung und damit auch kontinuierlichem Erlös führt. Allerdings hat sich die Abo-Treue bei Leserinnen verändert. Heute schließt man nicht mehr so schnell ein Abo ab, da man die langfristige Bindung scheut. Frauen wägen mehr denn je die Preis- beziehungsweise Geschenkvorteile des Abos ab. Wir haben daher schon seit Langem das Abo mit zusätzlichen Vor-teilen (Rabatt bei „Emotion“-Vorträgen etc.) aufgewertet. Das führt dazu, dass unsere Abo-Haltbarkeit gewachsen ist. Insge-samt basiert „Emotion“ von Anfang an auf mehreren Erlösquel-len. Neben dem Abo, dem Einzelvertrieb, den crossmedialen Anzeigenerlösen trägt unser Event-Bereich immer mehr zum Geschäftserfolg bei. Das Print-Abo ist für uns als langfristige Bin-dung zur Leserin nach wie vor sehr wichtig. Bei „Hohe Luft“ trägt das Print-Abonnement entscheidend zum Geschäftserfolg bei – mit wachsenden Abo-Zahlen ohne den Einsatz von Prämien.

Katarzyna Mol-Wolf, Geschäftsführungsvorsitzende von Inspiring Network

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dienhäuser mit skalierenden (Digital-)Kampagnen alle ansprechen, die auch nur im Entferntesten Interesse haben könn-ten. Das Abo der Zukunft müsse seine Leser an sehr unterschiedlichen Touch-points abholen, zum Dialog einladen und mehr Angebote machen als bisher. Der Rundumservice sei sehr wichtig – aller-dings müsse er reibungslos funktionieren, da er sonst dem Image schaden könne.

Seriöse Abo-Werbung

Schickler-Partner Peter Skulimma ge-hen die Abo-Strategien von Verlagen nicht weit genug. „Multikanal ist die Zukunft des Abos“, sagt er. Auch wenn das schon lange bekannt sei, seien die Verlage bei der Umsetzung nicht konse-quent genug, weil sie die Kannibalisie-rung ihrer eigenen Produkte fürchteten. „So müssten beispielsweise Print- und Digital-Abonnenten andere, sich ergän-zende Produkte bekommen als Digital-Only-User.“ Gut gemachte Abowerbung orientiere sich an der Zielgruppe und

Stefan Wilberg, Consulting,Interim- und Pro-jektmanagement

„Wer sich als Leser für eine Medien-marke entscheidet und diese abon-niert, will zu einer ‚Community‘ ge-hören. Ein Abo ist auch Ausdruck der Meinungs-, Lebens- und Interessen-welt eines Lesers. Und diese Interes-senwelten enden nicht damit, dass man zwölf mal oder 51 mal im Jahr ein gedrucktes Werk im Briefkasten hat. Das Abo der Zukunft wird seine Leser an unterschiedlichen ‚Touch-points‘ abholen.“

Frank Reh, Geschäftsführer intan service plus, Vize-Präsident und Vorstand Presse beim BMD

„Grundsätzlich sollte man in der Abo-werbung nur das versprechen, was man auch leisten kann. Überhöhte Prämien und Rabatte zum Abo- Abschluss sind nicht zielführend, weil sie das Produkt verwässern. Langfristig schaden sie der Marke, da langjährige Abonnenten dadurch vergrault werden.“

Jörg Laskowski:Geschäftsführer Verlagswirtschaft beim Bundesver-band Deutscher Zeitungsverleger e.V.

„Das Abo der Zukunft wird nach dem Baukastenprinzip funktionieren: Der Kunde bedient sich an einer Produkt-palette und schnürt sich individuell sein Paket zusammen aus gedruckter Zeitung, E-Paper, App oder einzelnen Artikeln. Flexibilität und eine ein-fache Zahlungsmöglichkeit spielen dabei wichtige Rollen.“

Die Zahlungsmöglichkeiten spielen für den Kunden beim Abschluss eines Abos eine wichtige Rolle. „Unsere Erfahrung zeigt, wenn nicht die klassischen Bezahl-methoden wie Rechnung und Lastschrift neben den neuen digitalen Möglichkeiten angeboten werden, wird oftmals der Bestellvorgang abgebrochen“, berichtet Ludwig Gehrke. Es sei ein „Muss“ für die Verlage, außer Bankeinzug, Zahlung per

FORDERUNGSMANAGEMENT

Je mehr Zahlungsmöglichkeiten, desto eher wird ein Abo abgeschlossen

Rechnung und Kreditkarte auch Möglich-keiten wie Paypal oder „sofortüberwei-sung.de“ anzubieten, ergänzt Till Völzke. Laut Gehrke gehöre zum Erfolgsrezept außerdem „ein perfekter Service in allen Phasen der Kundenbeziehung“. „Denn wenn ein Kunde sich immer gut betreut fühlte, so ist er eher bereit bei finanziellen Engpässen die Forderung zu bezahlen.“ Über das Print-Produkt hinaus sollten die Verlage ihren Abonnenten einen klaren Mehrwert bieten, sagt Völzke. Sämtliche Aktivitäten und weiterführende Ange-bote, wie z.B. kostenlose Downloads für Abonnenten von IT-Zeitschriften oder Baumarkt-Gutscheine für DIY-Magazin-Abonnenten, würden das Image des Abos steigern. Wichtig ist für Völzke auch, dass sich das Abo in gewisser Weise am Lebens-modell orientiert, „denn Kunden verändern sich von der Schule zum Studium, zum Hausbesitzer oder werden Eltern. Hier gilt es, ganz nah am Kunden zu sein.“

Ludwig Gehrke (l.), Geschäftsführen-der Gesellschafter von KSP Rechts-anwälte, und Till Völzke, Geschäfts-führer Prodefacto Forderungsma-nagement

ihren Bedürfnissen. „Alles andere über-zeugt nicht, sondern überredet.“

Frank Reh, Geschäftsführer des Ver-lagsdienstleisters intan service plus und Vize-Präsident des Bundesverbands der Medien- und Dienstleistungshändler (BMD) sagt zum Thema Abo-Werbung: „Überhöhte Prämien und Rabatte zum Abo-Abschluss sind nicht zielführend, weil sie das Produkt verwässern. Lang-fristig schaden sie der Marke, da lang-jährige Abonnenten dadurch vergrault werden. Auch der BMD will künftig auf Rabatte verzichten, um die Marken der Verlage besser zu pflegen und zu schüt-zen“, kündigt er an. Man arbeite an einer Selbstverpflichtungserklärung der Me-dien- und Dienstleistungshändler.

Für Alexander von Reibnitz, VDZ-Ge-schäftsführer Print und Digitale Medien, kann die „Bindungsangst“ der Abon-nenten durch eine kreative Gestaltung der Angebotsformen überwunden wer-den. „Der Kunde wünscht sich heutzu-tage eine Beziehung auf Augenhöhe, er-wartet einen vertrauensvollen Umgang

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und flexiblen Service.“ Das Feedback der Abonnenten müsse über verschiedene Kanäle eingeholt werden, um schnell darauf reagieren zu können.

Fazit: Verlage müssen künftig noch mehr Wert auf die Kundenbeziehung le-

gen als bisher. Flexibilität bei Laufzeiten und Zahlungsmöglichkeiten, Transpa-renz bei der Werbung und Individuali-tät beim Zusammenstellen eines Bund-les spielen eine wichtige Rolle bei der Konzeption eines Abo-Modells. Dem

Abonnenten muss zusätzlich zu seiner Zeitung oder seiner Zeitschrift eine Er-lebniswelt geboten werden, damit er sich mit der Marke identifiziert.

Birte Bühnen, Uwe Förster,

Roland Karle, Christine Lübbers

Karl-Heinz Behrens, 59, hat als Verleger von regionalen Kultur- und Weinmagazi-nen (u.a. „Trendguide Weine & Winzer“) selbst schon hart um Abos gekämpft. Das tut er jetzt wieder, jedoch jenseits des Verlagsgeschäfts: Behrens ist unter die Händler gegangen, betreibt seit Jahresbeginn die Plattform „www.wein-kiste.com“. Die Idee dahinter: Er sucht nach dem besonderen Tropfen von klei-nen aber feinen Winzern und bietet sie Weinfreunden in begrenzter Stückzahl an. Im Rheingau betreibt Behrens einen kleinen Laden, der Hauptvertriebsweg ist aber das Internet. Die jeweils limitierten Editionen werden im Abo verkauft. Aus den Erfahrungen mit seinem Start-up lei-tet Behrens, der früher u.a. im Manage-ment des Deutschen Fachverlags tätig war und heute auch als Medienberater arbeitet, mehrere Vertriebserkenntnisse für die Verlagsbranche ab. Exklusivität: Die „Weinkiste“ soll sich von vergleichbaren Angeboten unter-scheiden. Also kommen die Weine aus regionalem Anbau, aus feinen, eher unbekannten Weingütern, die zusam-mengestellten Editionen sind einmalig. „Guter Wein ist wie ein Qualitätsmedium. Der Inhalt muss stimmen, etwas Beson-deres sein. Dann gelingt es eher, dass Leser zu Freunden oder Fans werden“, betont Behrens.

Wortwahl: Freund, Fan oder Mitglied – das klingt ganz anders als „Abonnent“. Anfangs bot der Firmengründer das „Weinkiste-Abonnement“ an, inzwischen heißt es „Mitgliedschaft im Weinkiste-Club“. „Das ist deutlich attraktiver und wird stärker nachgefragt, obwohl Ange-bot und Konditionen unverändert ge-

EXKURS

Leser zu Freunden oder Fans machen

Das Weinkiste-Team (v. l.): Andreas Herchenröther (Programmierung), Karl-Heinz Behrens (Inhaber), Eike Freier (Corporate Design)

Medienberater Karl-Heinz Behrens ist unter die Weinhändler gegangen – und hat aufschlussreiche Erfahrungen gesammelt, worauf es im Vertrieb ankommt

blieben sind. Der Begriff ,Abonnement‘ ist oft negativ belegt“, so Behrens. Frequenz: Ursprünglich sollten Kunden alle zwei Monate ihre Weinkiste mit je sechs Flaschen erhalten. Zu viel in zu kurzer Zeit, wie sich bald herausstellte. Für Genuss braucht es Gelegenheiten. „Es ist ganz wichtig, den richtigen Rhyth-mus herauszufinden“, sagt Behrens. Vor allem, wenn es – wie auch bei hochwer-tigen Medien – nicht um den schnellen Konsum geht. Das Weinkiste-Abo kommt nun vierteljährlich. Erfreulicher Neben-effekt: Die Einzel- und Nachbestellungen haben angezogen, seit die Lieferfrequenz reduziert wurde. Bindungsfrist: Das Weinkiste-Jahresabo mit vierteljährlichem Bezug kostet rund 240 Euro, ist gegenüber dem Bezug von

Einzelkisten 40 Euro günstiger. Besteller können jederzeit kündigen und bekom-men dann das zu viel gezahlte Geld zurückerstattet. Dadurch fällt es Kunden leichter, sich auf ein Abo einzulassen. „Eine vertrauensbildende Maßnahme, die sich bislang ausgezahlt hat“, resümiert Behrens. Was beweist: Mehr Freiheit wagen kann funktionieren. Mehrwert: Der Slogan der Weinkiste lau-tet: „Entdecken, erschmecken, erfahren und erleben“. Also können Kunden u.a. im Laden live einen Riesling genießen, oder bei angekündigten Events die Winzer treffen. Angebote, die es für Mit-glieder des Weinkiste-Clubs zu Vorzugs-preisen gibt. Behrens: „Solcher Mehrwert und eingehaltene Nutzenversprechen sind wichtige Bestandteile des Abonne-ments.“ Roland Karle