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Villa Gelpke, Waldenburg Renovationsarbeiten 2002 - 2004

Villa Gelpke, Waldenburg - STEINMANN & REY Villa Waldenburg.pdf · Bericht zu den Renovationsarbeiten 2002 - 2004 von Markus Steinmann und Charlotte Rey dipl. Arch. ETH/SIA Villa

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Villa Gelpke, Waldenburg

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arbe

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2002

- 20

04

Bericht zu den Renovationsarbeiten 2002 - 2004 von

Markus Steinmann und Charlotte Rey dipl. Arch. ETH/SIA

Villa Gelpke, Waldenburg

Bau- und Besitzergeschichte

Zum Aeusseren

Rundgang im Innern

Zum Park

Zum Oekonomiegebäude

Quellen und Hinweis

Grundrisse

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9

12

30

34

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Bau- und Besitzergeschichte

Im Jahre 1885 wird die Villa von Gedeon Thommen in

Waldenburg erbaut. Unter dem Namen Villa Thommen oder

Villa Reseda wird sie als Prunkstück von Waldenburg auf

vielen Postkarten abgebildet. Unterhalb des Städtchens

auf Wyl errichtet, thront das Haus über der Endstation der

Waldenburgerbahn. Trotz widerwärtigem Baugrund, der eine

Pfählung des Neubaus mit "einigen Hundert Papilotten" erfordert,

ist der Bauplatz am Westhang des Tales erworben worden. Das

Grundstück über dem Bahnhof ist der passende Ort, um die

Verbundenheit von Gedeon Thommen mit der Bahn sichtbar zu

machen. Wie damals üblich wohnen die Unternehmer nicht unter

ihresgleichen, sondern in nächster Nähe ihrer Betriebe. Gedeon

Thommen hat schon einige Fabriken im Tal erbauen lassen. Mit

dem Bau der eigenen Villa setzt er im Alter von 55 Jahren für sich

den krönenden Schlussstein.

Gedeon Thommen hat die Entwicklung des Waldenburgertales

entscheidend mitgeprägt. Sein aus Eptingen stammender Vater

Martin Thommen erwirbt 1825 das Waldenburger Bürgerrecht.

Er ist Seiler in der Seilerbahn auf Wyl. Auch sein 1931 geborener

Sohn Gedeon erlernt den Beruf des Seilers und übt ihn auch

einige Zeit aus. Die Seilerei ist ein einträgliches Geschäft,

weil die Wagen zu dieser Zeit mit Seilen über den Hauenstein

gezogen werden. Das Handwerk hat aber keine Zukunft, weil

sich der Verkehr in absehbarer Zeit auf den Bahnverkehr durch

den untern Hauenstein verlagern wird.

Gedeon Thommen erkennt die Zeichen der Zeit. Er setzt

4

Gedeon Thommen

auf die zukunftsträchtigere Feinmechanik und übernimmt

1859 zusammen mit Louis Tschopp von der Gemeinde

Waldenburg die defizitäre "Societe d'Horlogerie à Waldenburg".

Das Unternehmen gedeiht und entwickelt sich mit neuen

Absatzgebieten und Spezialtäten über die Jahre bis zur heutigen

Revue Thommen AG. Gedeon Thommen verfolgt auch eine

militärische Karriere, in der er es bis zum Artilleriehauptmann

bringt. Parallel dazu engagiert er sich politisch, und gelangt

via Gemeinde- und Landrat 1875 in den Nationalrat. Gedeon

Thommen setzt sich dafür ein, dass das Waldenburgertal mit

einer Bahn erschlossen wird. Damit verbessert er seine eigenen

Standortbedingungen, und fördert gleichzeitig die weitere

Industrialisierung des Tals. Die Bahn wird 1880 in Betrieb

genommen. Als Direktionspräsident ist Gedeon Thommen der

Waldenburgerbahn bis zu seinem Tod 1890 eng verbunden.

Die Söhne behalten nach dem Tod der Eltern das Haus nicht.

Es wechselt in rascher Folge die Besitzer. Derweil heiratet

die Tochter Fanny Thommen In Waldenburg. Die aus dieser

Verbindung entstammende Susanna Straumann wächst

unterhalb der Villa im Straumannhaus auf. Mit Wehmut sieht sie

dem Verfall der Villa zu. Sie heiratet den Schifffahrtspionier Rudolf

Arnold Gelpke und 1929 können sie die Villa zurückkaufen, die

bis heute im Familienbesitz bleibt und mit Liebe gepflegt wird.

Der Architekt der Villa ist Paul Reber. Geboren in Basel

studiert er 1852 an der polytechnischen Schule in Karlsruhe

mit besonderem Interesse für die Ingenieurfächer. Er arbeitet,

bevor er sich selbstständig macht, bei der Schweizerischen

Zentralbahn, wo er bald für die Hochbauten entlang der ganzen

1891 Gedeon Thommen

1891 Thommen, Witwe

1895 deren Erben

1902 Thommen Walter

1903 Prinzessin Alexandra

von Ysenburg,

Büdingen

1905 Schönig Anton

1906 Spar- und Leihkasse

Herzogenbuchsee

1907 Freiherr von

Mässenbach

1910 Pfenninger W. Ch.

Lugano

1915 Spar- und Leihkasse

Herzogenbuchsee

1919 Lohri Otto, Gasthaus

zum Kreuz

1923 Habegger Hans

1927 Schürch Fritz

1927 Kaltenrieder J.A.

1929 Gelpke - Straumann

Rudolf Dr.

1940 Susanna Witwe u.

Kinder

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Linie verantwortlich ist. Paul Reber baut in seiner 40-jährigen

Karriere über 20 Kirchen, etliche Spitalbauten und Wohnhäuser.

Stilistisch hält sich Reber in den Siebziger Jahren an den

Spätklassizismus. In den Achtziger Jahren wendet er sich dem

Historismus zu. Als Hauptwerk in Basel figuriert die 1883-86

erbaute Marienkirche. Sie ist im neuromanischen Stil gebaut

und der Innenausbau lehnt sich an byzantinische Vorbilder

an. In diese Zeit fällt der Entwurf der Villa Gedeon. Er enthält

Fassaden und Giebelaufbauten mit Gestaltungsmerkmalen der

französischen Schlösser der Renaissance. Im April 1884 liegen

zwei unterschiedlich grosse Vorprojektvarianten vor. Bei der

kleineren sieht die Grundrissanordnung gleich aus wie bei der

grossen, weggelassen ist aber die Raumtiefe des Wartezimmer

des Herrn. Zur Ausführung bestimmt, wird die grössere

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Geflügel- und Hundehaus

Variante.

Der grosse Landschaftsgarten wird nach Angaben des Bauherrn

gestaltet und bepflanzt. Wasser wird gefasst und als Bächlein

übers Gelände geführt. Es fällt über die Geländekante und

mündet ein in einen grossen Weiher auf dem Niveau der

Eisenbahnstation. Ein dreiräumiges in Eisen konstruiertes

Treibhaus steht an der nordwestlichen Gartenecke .

Der nachfolgende Brief wird am 8. April 1885 an das

Statthalteramt Waldenburg geschickt. "Ich bitte Sie um

Entschuldigung, dass ich erst nachträglich (zur) Bewilligung zum

Bau eines Oekonomiegebäudes einkomme. Der Bau ist nämlich

schon begonnen. Da ich mitten auf dem eigenen Grundstück

baue und daher keine Reklamationen voraus zu sehen waren,

so wurde das vom Gesetz vorgeschriebene Einholen einer

Baubewilligung vergessen. Ich bitte nachträglich um dieselbe.

Achtungsvoll zeichnet Gedeon Thommen" Mit dem Bau des

Oekonomiegebäudes, das eine Pächterwohnung und eine

Remise beherbergt ist, sind die Bautätigkeiten beendet. Auf

alten Postkarten ist zwischen Oekonomiegebäude und Villa noch

das kleine Geflügelhaus, das mit Türmchen und Seitenflügeln

ausgestattet war, erkennbar. Wie das Treibhaus wurde es lange

nicht mehr benutzt und im Laufe der Zeit abgebrochen.

2002 präsentiert sich die Villa sehr stattlich, aber einige

Schäden sind sichtbar. Das Gebäude hat sich talseitig 15cm

abgesenkt und Risse zeugen von dieser Bewegung. Die

unmittelbare Umgebung der Villa wird dominiert von einer in den

Neunzigerjahren erstellen Sichtbetoneinstellhalle. Diese macht

der Villa ihre Solitärstellung streitig. Ein Rundgang mit dem auf

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Geflügel- und Hundehaus

Vorprojektvariante Südfassade

Vorprojektvariante Grundriss

Historismusgebäude spezialisierten ehemaligen Denkmalpfleger

des Kantons Bern Hermann von Fischer bestätigt den hohen

Wert, aber auch den grossen Renovationsbedarf des Gebäudes.

Der Ur-Ur-Grossenkel von Gedeon Thommen, Wenzel Gelpke

stellt die nötigen Mittel bereit, um das grosse Unterfangen an

die Hand nehmen zu können. Das Architekturbüro Steinmann

& Rey erhält den Planunsauftrag. In einem ersten Schritt

wird das Oekonomiegebäude saniert. Die Pächterwohnung

bleibt bestehen, in die Remise wird eine neue Wohnung

eingebaut. Als nächstes wird die Villa innen und aussen einer

umfassenden Sanierung unterzogen. Als letztes wird das

dominante Garagengebäude abgerissen. Eine unterirdische

Einstellhalle löst das Parkierungsproblem eingebettet in

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Originalplan der Westfassade1884

die Umgebungsgestaltung. Susan Doran Gelpke richtet

schlussendlich in akribischer Detailarbeit die Villa wieder so ein,

wie sie seit Generationen gewachsen ist.

Zum Aeusseren

Die Villa ist als kompakter rechteckiger Baukörper konzipiert.

Die Hanglage des Baugrundstücks führt dazu, dass dreiseitig

das Kellergeschoss als niedriges Geschoss, auf der westlichen

Haupteingangsseite als Sockel in Erscheinung tritt. Das

Sockelgeschoss ist mit Natursteinquadern verkleidet. Zwei

Hauptgeschosse treten als verputze Flächen in Erscheinung,

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Originalplan der Nordfassade1884

die mit Eckquadern zusammengefasst werden. Auf allen vier

Hausseiten sind den Fassaden "barocke" Mittelrisalite vorgestellt.

Das steil aufstrebende Schieferwalmdach ist mit Dachaufsätzen

und Zinkblechzinnen verziert. Hier greift die Gestaltung auf das

Vokabular der französischen Schlösser der Renaissance zurück.

Ein Kranz von Kaminaufbauten legt sich um den oberen Dachteil.

Aussen sind jeweils grosse Dachaufbauten als Weiterführung der

Mittelrisalite vorgesetzt. Seitlich finden sich kleine Dachgauben

für die Belichtung der Eckzimmer.

Als Spezialelement ist in der südöstliche Hausecke über Eck

ein schlanker Turm, der das Dach weit überragt, angefügt. Das

Kellergeschoss wird auf der Ostseite durch einen zweiarmigen

Treppenaufgang abgedeckt, der in einem Altan endet, der

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Originalplan der Südfassade1884

wiederum von einem Metallterrasse überdeckt wird. Auf der

Nordseite findet das Esszimmer eine Verlängerung durch

einen angebauten Metallwintergarten. Turm, Vorbauten und

Dachaufsätze verleihen dem Gebäude den distinguierten

Schlösschencharakter. Entgegen der Planvorlage wird auf der

Südseite über dem Nebeneingang eine grosse Terrasse in Stein

zugefügt.

Die Renovationsarbeiten umfassen die komplette Fassade.

Gemäss Befund sind die verputzten Fassadenteile wieder im

originalen ins Gelb gehenden Weisston gestrichen.

Die Fassadenöffnungen sind im alten Schichtaufbau erhalten.

Als erste Fassadenschicht sind die abbröckelnden Gewände

im grünen Sandstein renoviert worden. Als nächste Schicht

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Originalplan der Ostfassade1884

sitzen die in den Leibungen integrierten Holzfensterläden.

Diese sind mit einer Leinölfarbe im Ton der Sandsteingewände

gestrichen. Die Vorfenster wurden renoviert und werden jeweils

im Herbst eingesetzt und im Frühling wieder entfernt. Dies ist

ein mühsames und aufwendiges Unterfangen, aber es gibt dem

Gebäude auch sein typisches Sommer- und Wintergesicht. Das

Beibehalten der Vorfenster ist die Voraussetzung dafür, dass die

alten Innenfenster erhalten werden können. Diese sind, obwohl

von hervorragender Qualität, auch nach der Restaurierung nicht

hundertprozentig dicht. Zusammen mit der Innenschicht der

dicken Vorhänge, ergibt sich aber ein angenehmer Klimabschluss

ohne Zugerscheinungen.

Das Türmchen ist im oberen Teil mit einer Glastüre

wärmetechnisch vom untern abgekoppelt worden. Als luftiger

Ausguck ist es in seiner ursprünglichen Materialisierung

erhalten.

Alle Dachuntersichten, Metallteile und Blechumfassungen der

Fassade sind instandgestellt und neu gestrichen. Unten im

Basler Grauton, oben beim Dach im Gelbton entsprechend den

Jurakalk- Ecksteinquadern.

Rundgang im Innern

Die Villa ist ein typischer Repräsentant der gehobenen

Wohnansprüche des Grossbürgertums des 19. Jahrhunderts.

Durch ein rotes Sandsteintor betritt der Besucher das Gebäude

im Erdgeschoss. Zwei Meter hinter der stattlichen Eichentüre

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liegt der nächste Raumabschluss mit zwei Pendeltüren, der

den Windfang überleitet zu ein paar Treppenstufen, die in die

Eingangshalle hochführen.

Die Anlieferung wickelt sich im Sockelgeschoss auf der Südseite

durch eine zweiteilige Eichentüre mit seitlichen, verglasten Teilen

ab.

Das Sockelgeschoss beherbergt ausgedehnte Keller- und

Wirtschaftsräume. Bei den Renovationsarbeiten sind die

gesamten Werkleitungen neu eingebracht worden: die

Kanalisation, das Wasser und das Elektrisch. Die Ueberlandtel

efonleitungen sind abmontiert und neu erdverlegt. Der Aushub

durch den mittleren Kellerteil legt während der Bauzeit den

Untergrund der Villa frei und das stehende Grundwasser ca. 1.oom

unter dem Sockelgeschossboden wird sichtbar. Als Bodenbelag

wird im ganzen Geschoss ein Euböolith-Holzzementboden

eingebracht. Dieser ist dampfoffen und leicht wärmeisolierend.

Der gelbliche Farbton resultiert aus den ungefärbten Holzfasern

und dem Kalkstein. Die ganze Haustechnik ist im nördlichen

mittleren Keller untergebracht. Eine neue Heizung, die neue

Schwimmbadtechnik und die neue Warmwasseraufbereitung.

Der danebenliegende Oeltank ist saniert. Als absolute Rarität

darf die Elektroleitungsführung mit den alten an der Decke

sichtbaren Elektrokabeln bezeichnet werden. In der Waschküche

sind überflüssige Installationen entfernt worden. Eine Dusche

und eine Toilette für die Schwimmbadbenutzer sind neben der

Waschmaschine und dem Tumbler im Raum intergriert. Im

Originalzustand erhalten ist der Weinkeller. Alle Räume sind neu

gestrichen und wo nötig sind einzelne Fenster ersetzt worden.

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Das Erdgeschoss erschliesst sich über die zentrale Eingangshalle.

Rundum gruppieren sich Repräsentations - und Wohnräume,

die untereinander durch unterschiedlich ausgebildete Türen zu

Raumfluchten zusammengeschlossen sind. Auf der Nordseite

ist die Küche, Speisekammer und Dienstenzimmer platziert. Die

Villa besitzt keine eigentliche Aussichtslage. Klar ausgerichtet

sind die Haupträume zur Ostseite, auf die Endstation der

Waldenburgerbahn hin. Die Villa wurde im Urzustand mit

Zimmeröfen beheizt. Die umgebenden Wände der Halle sind

deshalb jeweils als dicke Raumschicht ausgebildet, in der

die Kamine integriert sind. Die Zwischenräume werden für

voluminöse eingebaute Schränke verwendet. Die heute nicht

mehr gebrauchten Kamine sind ideale Verbindungsgänge

für die neuen Installationen. Die Wasser-, Abwasser- Elektro

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Eingangshalle, Treppe

und Heizungsleitungen finden so unauffällig ihren Weg in die

verschiedenen Geschosse. So kann das Dachgeschoss mit

neuen Installationen versorgt werden, ohne dass die unteren

Geschosse aufgeschlitzt werden müssen.

Als wahrhaftes Schatzkästchen entpuppt sich die Eingangshalle

mit dem Treppenaufgang. In den Jahren der vielen

Besitzerwechsel sind die Wände mit dicken, weissen Tapeten

überklebt worden. Vorsichtiges Ablösen dieser Schicht bringt

Fragmente einer wunderbaren Wandbemalung zum Vorschein.

Die Bauherrschaft scheut den immensen Aufwand nicht, der

in einer Freilegung liegt und wird belohnt mit einer stimmigen

Komposition. Der Plattenboden erhält sein Deckenpendant mit

einer zarten Blauumrandung. Die Wandbemalungen betonen

die unterschiedlichen Wandelemente in ihrer stützenden und

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Vorraum Obergeschoss

flächigen Struktur. Die Brauntöne von Wänden, Türen, Holzteilen

und Boden vereinigen sich zu einem üppigen Ganzen. Der

wunderbare Plattenboden ist auf hohle Stellen abgeklopft und

wiederverfestigt. Belichtet wird die Eingangshalle vom grossen

Glasfenster über der Eingangstüre. Glasmalereien von Jacob

Kuhn aus Basel stellen Hubertus den Jagdheiligen dar. Eine

Spezialistin hat dafür gesorgt dass die Fassungen wieder satt

sitzen. Die Seitenwände des Treppenaufgangs werden von

grossen Landschaftsgemälden beherrscht darüber zieht sich ein

Fries mit Engeln. Das Medaillon in der Mitte stellt trägt die Initialen

von Gedeon Thommen. Seitlich ist der Bezug zur Eisenbahn und

Uhrenindustrie abgebildet. Die Deckenbemalung ist nur mehr

sehr schemenhaft unter der Ueberdeckung hervorgekommen. Die

Darstellung eines umlaufenden Geländers ist erkennbar ebenso

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Wohnzimmer

ein grösserer Engel. Neu interpretiert zeigt sich die Decke heute

als Ausblick in den Himmel. Als Reminiszenz an den Pionier

der Rheinschifffahrt Rudolf Gelpke hält ein Engel ein Dampfschiff

in der Hand. Auf der andern Seite wächst in Anspielung auf die

Weingüter der heutigen Besitzerfamilie ein Rebstock.

Die Raumenfilade im Erdgeschoss beginnt beim Zimmer des

Herrn in der Südwestecke des Hauses. Die weiss übermalte

Holzvertäfelung ist neu als Eichenholz gestrichen. Das

Fries darüber ist in blau mit goldenen Sternen gehalten. Die

Eichenholzfenster samt Beschlägen und Griffen sind restauriert.

Die alten handgemachten Glasscheiben sind erhalten. Bei

einigen Fenstern wurden bereits früher Scheiben durch

Flachgläser ersetzt. Das Nebeneinander von verschiedenen

Glastypen ergibt interessante Durchblicke, teils verschwommen,

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Esszimmer mit Blick in den Wintergarten

teils klar. Als nächstes Zimmer schliesst sich das Wartezimmer

des Herrn an. Es ist ganz in Grün gehalten. Die Stoffbezüge

stammen aus der Werkstatt von William Morris. Die Vorhänge

sind in Leinenvelours angefertigt. Die weissen Vorhänge sind aus

Baumwoll-Erbstüll mit kleinen Spitzenbordüren. Die beweglichen

Halterungen machen es möglich sie für einen unverschleierten

Ausblick auf die Seite zu klappen. Die Wanduntersuchungen

des Wohnzimmers ergaben den überraschenden Befund,

dass die Wände ursprünglich in Rot und die Fenster in tiefem

Schwarz gestrichen waren. Diese kühne Farbkombination ist

widerhergestellt und harmoniert perfekt mit dem schwarzen

Marmorcheminee.

Der Salon behält seine blaue Tapete, die vermutlich in den

fünfziger Jahren angebracht wurde. Eine besondere Kostbarkeit

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Wintergarten

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in diesem Raum ist der weisse Originalkachelofen. Zusammen

mit einem weiteren übriggebliebenen Ofen im Nordwestzimmer

ist er der letzte Zeuge des ursprünglichen Heizsystems. Das

Speisezimmer hat auch beim neuen Anstrich sein rote Farbe

behalten. Die Falttüren öffnen sich in den Wintergarten, der sich

neu in Holzmaserierungsfarbtechnik zeigt.

Im Küchenbereich bleibt der alte gelb-schwarze Plattenboden

erhalten. Das ehemalige Dienstenzimmer wird durch einen

vergrösserten Ausbruch mit der Küche verbunden. Der

zugemauerte Durchgang in die Speisekammer ist ausgebrochen

und mit einer neuen Türe ergänzt. Die neuen Küchenschränke

zeigen sich ganz in massivem Birnbaumholz. Die Abdeckungen

und Wandverkleidungen sind aus gelbem Solothurner Kalkstein

hergestellt. Einem sehr besondern Stein, der auch die Kathedrale Küche im Erdgeschoss

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von Solothurn schmückt, und heute bereits nicht mehr erhältlich

ist, weil der Abbau eingestellt wurde.

Im Obergeschoss ist das Bad komplett neu installiert worden.

Eine Bodenheizung wärmt den Steinboden, der wie die Küche

im warmen Gelbton gehalten ist. Sanitärapparate und Armaturen

im alten Stil ergänzen den Baderaum. Alle Zimmer sind in

intensiven, dem Historismus verpflichteten Farben gestrichen.

Die Holzböden sind frisch geschliffen und eingeölt. Auf diesem

Geschoss sind nicht wie unten einfarbige, sondern gemusterte

Vorhangstoffe angebracht. Alle Dessins stammen aus der Zeit

um 1880.

Das Dachgeschoss hat in der Mitte eine neue Bibliothek erhalten.

Hier sind nun die verschiedenen Büchersammlungen des Hauses

vereint. Die vormals offenen Eckzimmer bekommen einen

Raumabschluss und neue Türen eingesetzt. Alle Holzarbeiten

und auch die Böden sind in diesem Geschoss in massiver geölter

Buche ausgeführt. Die Gestaltung lehnt sich an das Bestehende

an und interpretiert es auf eigene Weise. Wie im Historismus

üblich werden die modernen Errungenschaften versteckt. Die

Heizkörper in der Bibliothek sind in die Büchergestelle integriert.

Die Badezimmerinstallationen verbergen sich in einem Raum-in-

Raumduschenmöbel. Der Naturstein stammt auf diesem Geschoss

aus den Lisberger Steinbrüchen. Sein Rotton paart sich gut mit

dem ebenfalls rötlichen Buchenholz. Das Dachgeschoss ist nun

ein vollwertig ausgebautes Wohngeschoss. Der Estrichboden ist

mit Zellulosedämmstoff ausgeblasen. Neue dichte Fenster leisten

ebenso ihren Beitrag, dass die Wärme im Winter im Haus bleibt.

Die Leuchten in der Bibliothek betonen die vertikalen "Holzpfeiler"

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Raumenfilade im Obergeschoss

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Badezimmer im Obergeschoss

Badezimmer im Obergeschoss

Deckenausschnitt Treppenhaus

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der Bücherregale und den Lesetisch als Raummittelpunkt.

Im Bad wird die ganze Beleuchtung nach Innen und Aussen

mit den vier eingebauten Fluoreszenzröhren abgedeckt. Im

Duschenraum sind die neusten Stromspareinbauspots in den

umlaufenden Holzsims eingelassen. Druckschnäpper geben in

Bad und Dusche den Zugang zu den eingebauten Kästchen frei.

Die eingelassen, gravierten Metallplättchen der Duschenkabine

entwickeln im Kreis herum die Gelpkeinitiale hin zum stilisierten

Villengrundriss und wieder zurück.

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Bibliothek im Dachgeschoss

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Bad im Dachgeschoss

Küche im Dachgeschoss

Dusche im Dachgeschoss

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29

Zum Park

Die Villa ist im Jahr 1885 von der Endstation der

Waldenburgerbahn her sehr gut sichtbar. Sie steht als Solitär

inmitten einer Gartenanlage mit Büschen und kleinen Bäumen.

Heute scheint der nördliche Wald über sie hinwegzuschwappen.

Einiges Gartenterrain hat sich der Wald effektiv angeeignet. Doch

der Lauf der Zeit hat auch viele der kleinen Bäume zu stattlichen

Riesen wachsen lassen. Besondere Prachtsexemplare sind

die beiden Mammutbäume und die Linde vor der Villa. Der

Park ist nur ganz moderat ausgelichtet worden. Neu gepflanzt

ist eine Naturhecke, die das Grundstück gegen die Neubauten

der Bahn abschirmt. Die Auffahrt ist wie auf alten Abbildungen

ersichtlich mit flankierenden Spitzahornbäumen wieder als

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Um 1890Endstation Waldenburgerbahnmit Blick auf die Villa

Allee ausgebildet. Zwei Mauerwinkel mit Tor markieren neu die

Einfahrt in das Grundstück. Drei im südlichen Teil gepflanzte

Solitärbäume sollen dereinst den Blick auf die Burg rahmen.

Eine grosse Herausforderung stellt die Lösung des

Parkierungsproblems dar. Das allererste kleine Garagenhäuschen

hat in den neunziger Jahren einer grossen Vierfach-Garage mit

Treibhausaufbau weichen müssen. Der funktionelle Bau ist zu

nahe an der Villa platziert worden. Als Ersatz dafür soll eine neue

Garage gebaut werden, die für mehr Fahrzeuge Platz bietet

und die sich besser in die Umgebung integriert. Gelöst wird die

Parkierung mit einer unterirdischen Einstellhalle. Die Einfahrt dazu

ist in nächster Nähe des Hauses aber in grosser Unauffälligkeit

angeordnet. Die Gartenmauer, die auf der Nordseite der Villa den

Hang zurückhält wird auf der Südseite konzeptionell weitergeführt.

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Blick von der Burg auf Villa und Bahnhof

Bereits die bestehenden Treppenabgänge sind beidseits

symmetrisch angelegt. Unterbrochen wird die Gartenmauer von

einem kleinen zurückgesetzten Garagenhaus. Der sichtbare

Aufsatz wird als Torelement für die obere Hausvorfahrt wiederholt.

Gleichzeitig gibt dieser zweite Aufsatz der unterirdischen Halle

Tageslicht und räumliche Grosszügigkeit. Damit wirkt die nur 2.30

hohe Garage nicht bedrückend und finster, sondern hell und weit.

Ein feinteiliges, gestemmtes Eichentor schwingt sich zweiflüglig

auf die Seiten und gibt die Einfahrt frei. Mit einer Rampe wird

der Höhenunterschied zwischen Platz und Garagenboden

überbrückt. Rosen und Clematis flankieren die Einfahrt und

sollen dereinst die Pflanzgerüste üppig überwuchern.

Der Vorplatz auf der Südseite der Villa ist mit umlaufenden

Sitzmauern gefasst worden. Dadurch entsteht eine stark

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Garagenein- und überfahrt

33

Schwimmbad

definierte Vorzone von der aus die Garagenabfahrt und der

Sockelgeschosseingang bedient werden. Dieser Vorplatz ist

zweiseitig mit Rosen, zur Villa hin mit Pfingstrosen bepflanzt.

Eine hohe Buchshecke schirmt den Schwimmbadbereich ab.

Das Schwimmbad hat eine komplett neue Wasserreinigungsanlage

erhalten. Dafür musste im talseitigen Bereich ein Technikraum

gebaut werden. Dieser bildet nun hinter dem Schwanenbrunnen

eine kleine Aussichtskanzel. Im Schwimmbad ist zudem eine

Unterwasserbeleuchtung installiert. Die Beckenränder sind

mit einem Kalksteinbelag umgeben worden, der auch die

Höhendifferenzen zum Haus aufnimmt. Der ganze Bereich ist

frisch angepflanzt. Der untere und der obere Vorplatz sind mit

weissem Gartenkies ausgelegt, der die Villa hell unterlegt.

Zum Oekonomiegebäude

Untergebracht im Oekonomiegebäude ist ursprünglich eine

Pächterwohnung und die Remise. Der Remisenteil wird nicht

mehr gebraucht und soll als Wohnung nutzbar gemacht werden.

Da im Inneren nur ein Heuboden und eine Stalldecke eingebaut

sind, bietet sich eine Entkernung an. Damit ist es möglich einen

energetisch optimierten Wohnungseinbau zu bewerkstelligen.

Konsequent wird das neu eingefügte beheizte Volumen von den

alten, teils im Erdreich befindlichen dicken Bruchsteinmauern

getrennt und sehr gut wärmegedämmt. Die Raumeinteilung und

die Raumhöhen richten sich nach den bestehenden Oeffnungen

in der alten Fassade. Das ergibt im Erdgeschoss eine hohe

grosse Essküche mit dem Blick und direkten Ausgang durch

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Oekonomiegebäude mit neuem Wohnteil in der Remise links und Pächterwohnung rechts

die ehemalige Toreinfahrt. Daneben findet ein grosszügiges

Entree und die Waschküche, mit Abstellraum und WC Platz. Als

Hauseingang dient die Oeffnung der ehemalige Stalltüre. Eine

Buchenholztreppe führt in das Obergeschoss. Hier finden sich

drei Zimmer und das Bad. Eine besondere Herausforderung stellt

die alte Holzverkleidung der Fassade dar. Sie kann nicht erhalten

werden, da sonst zu wenig Licht in die dahinterliegenden Zimmer

gelangen würde. Die neue Lösung ist eine von innen transparente

von aussen geschlossen wirkende Holzverkleidung, welche die

neue Nutzung berücksichtigt und trotzdem das alte Fassadenbild

bewahrt. Die Zimmerwände dahinter sind vollständig verglast.

Damit ergibt sich eine helle, sehr spezielle Raumatmosphäre.

Im Dachgeschoss ist ein sehr grosser multifunktioneller Raum

untergebracht, der als Wohn- und Arbeitszimmer genutzt

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Hinter der Holzverkleidung der Remise

werden kann. Eine Dusche und eine Abstellkammer ergänzen

das Raumangebot auf diesem Geschoss. Das im Innern des

Hauses angeordnete Treppenhaus bezieht sein Tageslicht

von einem Dachflächenfenster. Dadurch, dass die Treppe im

obersten Stock keine Futterbretter hat, fällt das Licht bis ins

Erdgeschoss herunter. Die Materialwahl des gesamten Baus ist

nach streng ökologischen Kriterien ausgeführt. Das Gebäude hat

als sechster Umbau des Kantons Basellandschaft die Kriterien

des Minergiestandarts erfüllt und erhält das Qualitätslabel für

energieeffizientes Bauen.

Für die Sanierung der Pächterwohnung wird das Konzept einer

sanften Sanierung gewählt. Damit die zeittypische Riegelbau-

Fassade erhalten werden kann, werden die Aussenwände

von Innen her isoliert. Eine neue Treppenführung macht es

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Eingangstor

möglich, dass die Küche kein Durchgangsraum mehr ist. Die

Küche erhält einen neuen Innenausbau ebenso wie das Bad im

Dachgeschoss. Ein neuer Ausgang im Obergeschoss erschliesst

für diese Wohnung einen privaten Gartenteil.

Jede der beiden Wohneinheiten erhält einen separaten

Autounterstand mit einem verschliessbaren Abstellraum.

Das Aeussere des Oekonomiegebäudes erfährt seine grösste

Veränderung dadurch, dass die Farbe des Holzanstriches

gewechselt wird. Befunde zeigen, dass der grüne Anstrich

jüngeren Datums ist, und dass die ursprüngliche Farbe ein

milchiger Kakaoton ist. Damit fügt sich das Oekonomiegebäude

ein in die dezente Farbgebung, die auch die Villa aussen prägt.

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Gelpke-G beim Holzschopf

Quellen und HInweisePläne und Dokumente aus dem Besitz von W. Gelpke. Sabine Kronenberg: Papier zum Tag des offenen Denkmals

Fotografien und Bericht: Markus Steinmann und Charlotte ReySteinmann & Rey, dipl.. Arch. ETH/SIASchulstrasse 2 CH - 4436 Oberdorf BL

1

2

3

4

5

6

50100

38

1 Villa

2 Schwimmbad

3 Garage

4 Oekonomiegebäude

5 Friedhof

6 Weiher

Dank

Wir danken Wenzel

Gelpke für den uns

erteilten Auftrag zur

Renovation von Villa,

Oekonomiegebäude

und Park.

Wenzel Gelpke hat

uns sein Vertrauen für

die Planungsarbeiten

geschenkt und

die notwendigen

Finanzen zur

Verfügung gestellt,

damit die Arbeiten

sorgfältig ausgeführt

werden konnten.

Peter Stähelin, der

den Bau selbst sehr

gut kennt, hat die

Arbeiten über alle

Phasen hinweg mit

viel Detailkenntnis

und Enthusiasmus

begleitet und

unterstützt.

Gedeon Thommen (1831-1890) der Bahn- und Uhrenpionier des Waldenburgertals lässt 1886 oberhalb der

Endstation der Eisenbahn vom Architekten Paul Reber eine repräsentative Villa errichten. Die Historismusvilla

wird mit Pächterhaus, Remise und einer grossen Parkanlage umgeben. 2004 sind die umfassenden

Renovations- und Umbauarbeiten an Fassaden, Innenräumen und Umgebung abgeschlossen. Überklebte

Kostbarkeiten wie die Malereien im Treppenhaus sind zum Vorschein gekommen, und die Innenräume der

Villa erstrahlen in ihrer ursprünglichen Farbenpracht und üppigen Dichte an Formen und Strukturen. Das

Pächterhaus wird renoviert. In die Remise kommt neu ein Wohnteil, der mit seinem hochgedämmten Haus-

in-Haus-Konzept den Minergiestandard erfüllt. Eine in die Umgebungsgestaltung integrierte unterirdische

Einstellhalle ersetzt eine unpassende Garage. Neue Sitzmauern und Bepflanzungen ergänzen Vorfahrt und

Wasserbecken. Die Architekten Steinmann & Rey erhalten für die Sanierung den Heimatschutzpreis 2004.