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(Aus der Universit~tskinderklinik Wiirzburg. - - Vorstand: Prof. Dr. Rietschel.) Vitaminprobleme. II. Mitteilung. I. Weitere vergleiehende Untersuehungen fiberdie Heilungder Raehitis. Von Dr. Walther Sehmitt, Assis~en~ der Klinik. Mit 15 Abbildungen im Text. (Eingegangen am 2. Juli 1928.) Wir haben in einer ersten Mitteilung (Bd. 40, Heft 5) fiber ver. gleichende Versuche in der Therapie der Raehitis mit B + C-Vitamin (Reyher) einerseits und HShensonnenbestrahlung andererseits be: richter. Dabei vefffigten wit leider fiber keine eigenen rSntgenologiseh kontrollierten WinterfMle. Wir sind heute in der Lage diese Lfieke auszuffillen; denn die vergangenen Wintermonate braehten uns eine gro]e Reihe teils stationar, tells ambulant beobachteter und behandelter l~aehitisf~lle, deren Heilungsverlauf zum Tefl (18 Falle) yon uns aueh rSntgen01ogiseh kontrolliert wurde. Alle diese Kinder zeigten ein- deutig in relativ kurzer Zeit kliniseh wie rSntgenologiseh unter H6hen- sonnenbehandlung prompte Besserung. Dabei wurde natfirlieh vor allem darauf geachtet, dal~ die Nahrung, bei der die Rachitis -- zum Teil unter unseren Augen (in den stationi~ren Fallen) -- sich entwiekelt hatte, in keiner Weise ge~ndert worde. Wir glauben uns auf die Krankengesehichten einiger siation~r beobachteter FMle besehr~nken zu dfiffen: 21. Erika K15hr, geboren 1. IX, 1925, aufgenommen am 2. XI. 1925 mit 4100 g Gewicht. l~ahrung: Anfangs Halbmflch, spiiter Sauermilch und HMbmilchbrei. Keine B + C-Vitaminzufiitterung. 26. I. 1926. Gegen Ende Dezember bfldete sich eine deutliche Kraniotabes aus. Starker KopfschweiB. Der Befund blieb bis heute ohne Vergnderung bestehen. R~ntgenaufnahmen des Handgelenkes yore 7. und 26. I. 1926 zeigen eine zunehmende Kalkverarmung und eine beginnende beeherf~rmige Ausbuehtung der Ulna-Epiphysenlinle. 2 Knochenkerne vorhanden. 27. I. bis ll. II. Intensive HOhensonnenbestrahlung (14 Bestrahlungen). 12. II. Die Kraniotabes ist heute abgeheilt. R5ntgenaufnahme zeigt starke frische Kalkeinlagerung an den Epiphysenlinien, Vergr6Berung und Verdichtung der beiden Knochenkerne. Zeitschrift fiir Kinderheilkunde. XLII. 14

Vitaminprobleme

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(Aus der Universit~tskinderklinik Wiirzburg. - - Vorstand: Prof. Dr. Rietschel.)

Vitaminprobleme.

I I . Mitteilung. I. Weitere vergleiehende Untersuehungen fiber die Heilungder Raehitis.

Von Dr. Walther Sehmitt,

Assis~en~ der Klinik.

Mit 15 A b b i l d u n g e n im Text.

(Eingegangen am 2. Juli 1928.)

Wir haben in einer ersten Mitteilung (Bd. 40, Heft 5) fiber ver. gleichende Versuche in der Therapie der Raehitis mit B + C-Vitamin (Reyher) einerseits und HShensonnenbestrahlung andererseits be: richter. Dabei vefffigten wit leider fiber keine eigenen rSntgenologiseh kontrollierten WinterfMle. Wir sind heute in der Lage diese Lfieke auszuffillen; denn die vergangenen Wintermonate braehten uns eine gro]e Reihe teils stationar, tells ambulant beobachteter und behandelter l~aehitisf~lle, deren Heilungsverlauf zum Tefl (18 Falle) yon uns aueh rSntgen01ogiseh kontrolliert wurde. Alle diese Kinder zeigten ein- deutig in relativ kurzer Zeit kliniseh wie rSntgenologiseh unter H6hen- sonnenbehandlung prompte Besserung. Dabei wurde natfirlieh vor allem darauf geachtet, dal~ die Nahrung, bei der die Rachitis -- zum Teil unter unseren Augen (in den stationi~ren Fallen) -- sich entwiekelt hatte, in keiner Weise ge~ndert worde.

Wir glauben uns auf die Krankengesehichten einiger siation~r beobachteter FMle besehr~nken zu dfiffen:

21. Erika K15hr, geboren 1. IX, 1925, aufgenommen am 2. XI. 1925 m i t 4100 g Gewicht.

l~ahrung: Anfangs Halbmflch, spiiter Sauermilch und HMbmilchbrei. Keine B + C-Vitaminzufiitterung.

26. I. 1926. Gegen Ende Dezember bfldete sich eine deutliche Kraniotabes aus. Starker KopfschweiB. Der Befund blieb bis heute ohne Vergnderung bestehen.

R~ntgenaufnahmen des Handgelenkes yore 7. und 26. I. 1926 zeigen eine zunehmende Kalkverarmung und eine beginnende beeherf~rmige Ausbuehtung der Ulna-Epiphysenlinle. 2 Knochenkerne vorhanden.

27. I. bis ll. II. Intensive HOhensonnenbestrahlung (14 Bestrahlungen). 12. II. Die Kraniotabes ist heute abgeheilt. R5ntgenaufnahme zeigt starke

frische Kalkeinlagerung an den Epiphysenlinien, Vergr6Berung und Verdichtung der beiden Knochenkerne.

Zeitschrift fiir Kinderheilkunde. XLII. 14

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206 W. Sehmit~:

Epi~ise: Eine un t e r unserer Beobachtung en t s t andene Rachi t is zeigt nach 15t~giger in tens iver HShensonnenbes t rah lung bei gleich- b le ibender Nahrung kl~nisch wie rSntgenologisch deutl iche Hei lungs- t endenz (Dez.-Febr.).

22. Johann Kopp, geboren 28. X. 1925, 8 Mon~tskind, aufgenommen 6. XI. 1925 mit 1650 g Gewicht find 44,5 em Lange.

Nahrung: Zwiemilch, keine B-k C-Vitaminbeifiitterung. 28. I. 1926. Das Kind hat sieh bis heute gut entwickelt. Es wiegt jetzt 3100 g.

Am Kopf federnde N/~hte, keine Kraniotabes. Starker raehitiseher Rosenkranz mit Auftreibungen bis BohnengrSBe. Starke Flankeneinziehung bei der Atmung. GreBes, froschbauchfSrmig aufgetriebenes Abdomen. Hypotonie der Muskulatur.

R.A. zeigt am Handgelenk wohl schwaehe Knoehenzeiehnung, aber noeh keine eigentlichen rachitisehen Ver~nderungen.

30. I. mit 2. III. intensive tt6hensonnenbestratflung (26 Bestrahlungen). 3. III. Der raehitisehe Rosenkranz ist heute fast ganz geschwunden, die

N/~hte am Kopf sind lest, die Flankeneinziehungen bei der Atmung sind bedeutend geringer, der Frosehbaueh besteht zwar noeh, doch ist im iibrigen die Atonie der Muskulatur sehr gebessert. Die R.A. des Handgelenks zeigt eine wesentlieh dichtere Kalkstruktur.

Epilcrise: Eine un t e r unsercr Beobachtung en t s t andene u n d fort- schrei tende Rachi t is bei einer Fr / ihgebur t zeigt nacb 41/.,w5chiger in tens iver H6hensonnenbes t r ah lung bei gleichbleibender Nahrung deut- liche Hei lungs tendenz (Jan.-M~rz).

23. u. 24. Anna und Babette Aeehtner, eineiige Zwillinge, 7 Monatskinder, geboren 9. XI. 1925. Aufgenommen am 14. XI. 1925.

l~ahrung: Zwiemileh von Frauenmilch und Sauermflch. Naehdem beide Kinder sieh bis zum 15. XII. gleichm~l]ig entwiekelt haben, bekommt Babette t/~glich eine Zulage von 0,75 his 1,5 g ttevitan pro Kflogramm und (vom 23. I. ab) 30 g Orangensaft, w/~hrend Anna ohne Vitarninzufiitterung bleibt.

Seit Mitre Januar hat sich bei beiden Kindern zunehmend eine deutliehe Kraniotabes entwickelt, die heute in Ausdehnung und Sehwere bei dem Vitamin- kind Babette ganz wesentlieh iiberwiegt.

/~.A. 18. I., 3. II., 20. II. Wahrend die Epiphysenlinien bei Anna noch dureh cinen klaren, wenn auch diinnen Kalkstrieh begrenzt werden, sind sie bei Babette allm/~hlich wellenf6rmig geworden (an der Ulna schon etwas ausgezackt und beeherfSrmig) und enthalten nur sehr wenig Kalk.

21. II. mit 17. IIL bei Anna intensive ItShensonnenbestrahlung (22 Be- strahlungen).

4. III. Die Kraniotabes hat sich bei Anna im ganzen gebessert. R.A. zeigt bei Anna frisehe Kalkeinlagerung an der Epiphysenlinie, w~hrend

bei Babette die Ausfransung der Epiphysezflinie noch etwas fortgeschritten ist. 13. III. Die Kraniotabes ist bei Anna in den letzten Tagen ganz verschwunden.

N~hte bei Anna lest, bei Babette stark federnd. GreBe Fontanelle bei Anna 2 Quer- finger breit mit festen Knochenrandern, bei Babette 4 Querfinger breit mit weichen Knoehenr/indern.

R.A.: Bei Babette ist die Kalkverarmung welter fortgesehritten, die Epi- physen slnd ohne jede Kalklinie weiter ausgefranst, bei Anna dagegen sind die Knochen im allgemeinen kalkreieher und die Epiphysen yon einer breiten, seit der letzten Aufnahme noch wesentlich dichter gewordenen, zum Teil unregelm/~Bi- gen (Einbeziehung des osteoiden Wachstumssaumes) Kalklinie begrenzt.

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Nun wird bei Anna die H(ihensonne abgesetzt und wird Babette bestrahlt (27 Bestrahlungen).

6. IV. /~.A. zeigt bei Babette eine frischverkalkte 3 mm breite osteoide Zone an Radius und Ulna, bei Anna keine weitere Veranderung. Kliniseh is~ bei Babette auch die Kraniotabes ira Laufe der letzten 14 Tage ganz wesentlich kleiner ge- worden und verschwindet in den n~ichsten Tagen voUends. Ebenso verkleinert sich die Fontanelle und weist bald harte Knoehenrander auf.

Epilcri8e: Von einei igen f r i ihgeborenen Zwil l ingen wird nach anf~ng- lich gu te r E n t w i c k l u n g der eine m i t , de r andere ohne B -~ C-Vi tamin- be i f i i t t e rung aufgezogen. Beide b e k o m m e n im 3. M o n a t Rach i t i s . Be im B ~ - C - v i t a m i n r e i c h e n K i n d en twicke l t sie sich rascher und s t a rke r als be im v i t a m i n a r m e n Zwill ing. Bei d iesem wird sie durch eine 4wSchige B e s t r a h l u n g s k u r aufgeha l ten bzw. gehei l t , w~hrend sie be im Vi taminzwi l l ing sich wel te r verschlechter t . Nunmehr ige 3wSchent - l iche Bes t r ah lung b r i n g t be i g le icher N a h r u n g auch bei d iesem K i n d e deut l iche Abhei lungsvorg~nge ( Jam-Apr i l ) .

25. Hartlieb, Erh~rd, geboren am 2. XI. 1925, aufgenommen 10. II . 1926 mit ehroniseher Erniihrungsst6nmg, Gewieht 4100 g. Eine vorhandene deutliehe Kraniotabes i s t a m 21. II . spontan wesentlieh gebessert. Von da ab taglich 3 g Hevitan und 50 g Orangensaft. Bei guten Fortschritten des Kindes bessert sich die Kraniotabes vceiterhin, am 9. IH. sind nur mehr Spuren davon festzusteUen. Am 23. I l L jedoch ist sie wieder reeht deutlieh geworden.

R.A. vom 15. II . und 23. III . zeigen anseheinend normale Epiphysenlinien. R.A. vom 7. IV. zeigt aber doch deutlich frisehe Kalkeinlagerung an den Epi- physenlinien, naehdem vom 24. I I I . bis 7. IV. 12 intensive H6hensonnenbestrah- lungen vorgenommen worden waren (daneben l~reilicht und Sonne). Die Kranio. tabes war unter der Bestrahlung rasch und endgtiltig verschwunden.

Epilcrise: Geringe l~aehit is b le ib t 6 Wochen lang u n t e r H e v i t a n und Orangensa f t unver~nder t , u m d a n n d u t c h eine 14t~gige HShen- sonnenkur , un t e r s t i i t z t yon F r e i l i c h t - u n d Sonnenb~dern , deu t l i ch ge- besser t zu werden.

26. Kuther, Maria, geboren 2. VIII. 1925, aufgenommen 10. VIII. 1925. Seit Monaten reichlich Hevitan, Malzextrakt, Karottensaft, Orangensaft,

im Februar, M~trz 1926 allm~hlich zunehmende tIypotonie, Anamie, Rosenkranz, Kraniotabes.

28. HI. Deutliehe Kraniotabes, Rosenkranz bis tIaselnul~grOl3e. R.A. vom 26. I. noch ziemlich normal, yore 1. IV. dagegen starke floride

Raehitisl). Vitamine am 9. IV. abgesetzt. H6hensonnenkur (20 Bestrahlungen) yore 6. IV. his 28. IV., daneben Freiluft und Sonne.

R.A. veto 28. IV. zeigt starke Kalkeinlagerung in der osteoiden ZoneS). Kraniotabes schon seit 8--10 Tagen nieht mehr nachweisbar, Rosenkranz kaum mehr nachweisbar.

Epi]~rise: Sta rke Rach i t i s is t t ro tz H e v i t a n und Z i t ronensa f t ent- s t anden . HShensonne dagCgen b r ing t (nach Abse tzen der Vi tamin . zu]agen) s t a r k e Hei lungs tendenz .

1) Ein Knoehenkern. 3) Zwei neue Knoehenkerne aufgetreten.

14"

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Damit glauben wir den Nachweis erbracht zu haben, dab auch im Winter bei einer _h?ahrung, die die Rachiti8 entstehen l~i[3t, dab ultra- violette Licht der HShensonne heilend wirkt. Neben mehreren, zum Teil schon friiher erw~hnten Autoren haben diese Tatsache tibrigens in neuerer Zeit auch Peem6ller (Strahlentherapie 20) und Rosenbaum (Zeitschr. f. Kinderheilk. Bd. 39, S. 743) durch ihre Untersuchungen wiederum bewiesen.

Am wichtigsten scheinen uns die Versuche an den beiden eineiigen Zwillingspaaren l~iess und Aechtner, sowie die F~lle Hartlieb und Kuther zu sein, Sie zeigen vor allem klar eine vorbeugende bzw. heilende Wirkung des ultravioletten Lichtes gegeniiber einer vollkommenen Wirkungslosigkeit der Zugabe yon ]3-~ C-Vitamin. Einen wesent- lichen Beitrag zu der Frage hat inzwischen auch Vollmer verSffent- licht. (Zeitschr. f. Kinderheilk. 40.)

Er land, ebenfalls an einem (wahrscheirdich eineiigen) Zwillingspaar yon 26 Monaten, eine sehr sehwere Rachitis, die trotz Vitaminzufuhr (seit einem Jahr Lebertran, friihzeitig und reichlich Gemfise) sich entwickelt hatte bzw. immer noch keine Heilungstendenz zeigte. Sehon nach 8 Tagen Bcstrahlung bei Eosin- sensibilisierung der Haut zeigten beide Kinder eine gleichmiil3ige, rSntgenologisch festgestellte Kalkeinlagerung. Nach 17 Tagen wurde das eine Kind welter be- s~raMb, das andere ohne Bestrahlung mit reichlich B q- C-Vitamin behandelt. 1N'ach Ablauf yon weiteren 14 Tagen war das vitaminarme, aber bes~rahlte Kind dem vitaminreichen, nichtbestrahlten Kind in seiner Heilungstendenz klinisch wie rSntgenologisch wesentlieh voraus. DaB sich auch die Rachitis des Vitaminkindes nach der Anfangsbestrahlung welter gebessert hatte, erkl~trt VoUmer mit der Naeh- wirkung der HShensonnenbestrahlung. Diese hat schon Huldschinsky beobaehtet (Nachwirkung fiber 2 Monate),. und auch wir pflichten nach unseren Erfahrungen dieser Erkl~trung vollkommen bei.

Nun glaubt l~eyher allerdings, dal] Raehitis aueh trotz ausreichender Vitaminzufuhr bei anderen aliment~tren Mi~ngeln entstehen kann, ebwa bei zu geringem Kalkangebot in der zugefiihrten Nahrung oder bei fehlerhafter KoiTelation der Salze, oder bei sonstigen Fehlern in der quantitativen und qualitativen Bemessung der anderen N~hrstoffe. Betrachten wir unter diesem Gesichtspunkte e t w a unsere Fiille 19, 24 und 26, bei denen sicher reichlieh B q-C-Vitamin gegeben wurde, kein Grund ftir eine mangelnde Assimilation dieser Stoffe gegeben war und doch Rachitis entstand, so 'daft gesagt werden, dab die Ern~hrung -- auch yon den Vitaminen abgesehen -- die denkbar zweekm~13igste war, dal~ also alimenti~re M~ngel im Sinne Reyhers nicht in Frage kommen konnten.

Zur Teilfrage ,,Kalk-Vitamhlmangel" [Arch. f. Kinderheilk. 71f, H. 1 2; es handelt sieh nattirlich immer um einen Vitaminmangel im intermedii~ren Stoff- weehsell)] teilte uns Herr Geheimrat M. B. Schmidt in Bestatigung unserer An-

1) Vgl. unsere Anrnerkung ,,und raehitische S~uglinge machen bekanntlieh in ihrem Ernahrungszustand oft genug alles andere als einen sehwer ernahrungs-

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sicht mitl), dab im Tierversuch bei einer an Kalk ungeniigenden, sonst aber in jeder Beziehung geniJgenden Nahrung immer nur Osteoporose, niemals dagegen Rachitis auftrete, selbst nicht bei schwangeren Tieren mit ihrem wesentlieh er- h6hten Kalkbedarf. Klinisch wird sich eine solche Osteoporose mindestens dadurch yon der Rachitis unterseheiden, dab bei Kalkzufuhr sofortige Besserung eintritt.

Unsere ~rage aber, ob man sich den Skorbut unter gleiehen Verh~ltnissen, d. h. dutch irgendwelche aliment~re Mangel bei Anwesenheit genligender C-Vitamine im intermediKren Stoffwechsel, vorstellen k6nne, wurde zwar mit , , ja" beantwortet, bewiesen wurde aber das Gegenteil. Denn wir erkl/~ren uns mit .Reyher vollkommen einverstanden, wenn er sagt, dab der Skorbut zustande komme, wenn das indi- viduelle Minimum des C-Vitaminbedarfes unterschritten welMe. Ob es nun dazu dutch einen relativen Mangel der Nahrung an C-Vitamin oder durch eine zu ge- ringe Nahrungsaufnahme iiberhaupt kommt, ist natiirlich fiir unsere Fragd ganz gleiehgiiltig.

5 we i te re Rachi t i s fh l le wurden m i t P h o s p h o r - L e b e r t r a n b e h a n d e l t und de r He i lungsver l au f rSntgenologisch kont ro l l ie r t . Sie ze ig ten insofern e in sehr unterschiedlichGs Verha l ten , als e in Fa l l von f lor ider Rach i t i s nach e iner Behand lung v o m 11. I I . 1926 bis 11. I I I . 1926 kl in isch wie r6ntgenologis6h s t a r k e He i lungs tendenz aufwies und da- m i t unse ren H6hensonnener fo lgen g le iehkam, wKhrend z. B. e in ande re r (Geis W a l t e r I~r. 429/26) t r o t z groSer L e b e r t r a n d o s e n nach 4 Wochen (vom 22. I I . bis 22. I l I . 1926) k l in isch wie r6ntgenologisch i m m e r noch ke ine Besserung zeigte. Ganz ~hntieh verl ief e in 3. Fa l l , de r 3 W o c h e n dureh P h o s p h o r - L e b e r t r a n n ight beeinf luf l t wurde, u m d a n n durch eine H6hensonnGnkur ohne L e b e r t r a n gehei l t zu werden.

Die E rk l~ rung dieses un te r seh ied l i chen Verha l t ens d i i r f te s icher in e iner versch iedenen Qual i t~ t des Lebe r t r ans zu suchen sein, d ie e inen ve rseh iedenen Geha l t a n a n t i r a e h i t i s e h e m F a k t o r zur Folge ha t . D a m i t d i i r f ten auch dig un te rsch ied l ichen A n g a b e n der L i t e r a t u r fiber die W i r k s a m k e i t des Lebe r t r ans a m e infachs ten erk l~r t werden k6nnen. P rak t i s ch be s t eh t desha lb d ie Ta t saehe , da~ d ie HShensonne d e m L e b e r t r a n in de r S ieherhei t und Schnel l igke i t de r W i r k u n g f iberlegen ist . Den gle ichen S tand launk t n e h m e n u . a . auch Rosenbaum und Gy6rgy ein.

Sehr interessant war es nun, dab das obenerw~hnte Kind Geis ]Valter, als es uns am 6. IV. 1926, also 14 Tage nach der letzten R6ntgenaufnahme, wieder vorgestellt wurde, eine auffallende klinische und r6ntgenologische Besserung seiner Rachitis zeigte, trotz der Klagen der intelligenten Pflegefrau, dab es ihr die 14 Tage gar nicht mehr gelungen sei, dem Kinde nennenswerte Mengen Leber•ran beizu- bringen. Dafiir habe sie es dauernd bei dem seh6nen Sonnenwetter im t~rdien

gesch/~digten Eindruek". Diese Anmerkung soll in ihrem Zusammenhang often- kundig lediglich besagen, dab rachitische S/~uglinge in ihrem Ernahrungszustand

o f t durehaus nicht einen s o schwer geseh~digten Eindruck machen, dab man eine mangelnde Verdauung bzw. Assimilation der in geniigender Menge gegebenen Vitamine annehmen miiBte.

1) Wir m6eh~en auch an dieser Stelle Herrn Geheimrat M..B. Sehmidt f~r seine freundlichst gegebene Auskunft bestens danken.

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gelassen. Das Kind war sehon ganz sehbn gebr/s viel lebhafter und beweg- licher und zeigte r6ntgenologiseh frische Yerkalkung einer fast 3 mm breiten osteoiden Zone an den Epiphysenlinien. Einen gleichgiinstigen klinisch wie rOnt- genologiseh festgestellten Einflull dieser frtihen Sonnenperiode (Ende lV[arz bis Anfang April) konnten wit aueh an einigen unserer Iteimkinder, die zu diesem Zweeke tagstiber fast dauernd im Freien gehalten wttrden, beobaehten, und das zu einer Zeit, in der yon Weidegang der Milchtiere und Griinfutter sieher noch keine Rede war. Nattirlich erhielten die Kinder auch kein Gemiise oder andere frische Vitamintrager.

Was nun eigentlich das Wesen der Rachitis ist und welches die Beziehungen zwischen dem antirachitisehen Fak tor des Lebertrans (Vitamin D, Me. Collum, Vitamin E, Funk) und den ultravioletten Strahlen sind, berfihrt nicht unsere Fragestellung. Versuche dartiber sind aueh in unserer Klinik im Gange. I m iibrigen sei hier nur auf eine Arbeit Gy6rgys in den Ergebnissen der gesamten Medizin Bd. 8 hingewiesen.

Zusammen/assung. Wir verffigen also nunmehr fiber ein Material yon 38 rOntgenologisch

kontrollierten Rachitisf~llen. Schalten wir nun aus dem ver6ffent- lichten Materiale alle Fhlle ans, die irgendeinen Seh6nheitsfehler auf- weisen (vielleicht zu kurze B - ~ C-Vitaminperioden; Fhlle die in den kritisehen l~bergangsmonaten - - April his Juni - - behandelt wurden oder bei denen auch noch andere therapeutische Ma~nahmen [Leber- tran] angewandt wurden; poliklinische Fglle), so kSnnen wir die FMle, die ein einwandfreies, wohl unangreifbares Versuehsergebnis bieten, folgendermal3en ordnen :

A. B + C-Vitamin: 1. Besserung nur in Fi~llen mit bereits vorhandener Heilungstendenz

(1, 2, 3): 27 FKlle ohne Besserung (4, 5, 25); 3. F~lle, bei denen sieh trotz dauernder Zulage yon B + C-Vitamin

Raehitis entwickelte (19, 24, 26); 4. ein Fall , bei dem B ~ C-Vitamin die Entwieklung der Rachitis

gegeniiber d e m eineiigen Zwillingsschwesterehen nicht einmal ver- z5gern konnte (24).

B. HOhensonne : 1, Winterf~lle, die bei gleicher Nahrung, bei der die Rachitis ent-

standen war, dureh H6hensonne gebessert wurden (21, 22, 23, 24); 2. F~lle, die trotz teilweiser Vernichtung der Vitamine in der Nah-

rung und trotz schwerer Infekte (13, 14) durch H(~hensonne gebessert wurden (13, 14, 15, 17);

3. FMle, bei denen Vitamin B - ~ C erfolglos war, bzw. die sich unter Vitamin B A-C entwickelt hatten, die aber durch HShensonne gebessert wurden (18, 19, 24, 25, 26);

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4 . e in Fa l l , be i dem durch t t6hensonne Rach i t i s ve rh inde r t wurde im Gegensa tz zum einei igen Zwil l ingsbruder , de r be i re ichl ieher Vi ta- min-B q - C - Z u l a g e Raeh i t i s b e k a m (20).

I I . W e i t e r e E r f a h r u n g e n m i t de r Z u f i i t t e r u n g der V i t a m i n e B u n d C,

I n den vorausgehenden Mi t t e i lungen haben wi t yon unseren ver- g le iehenden Un te r suchungen t iber die He i lung der ~ a e h i t i s ber ieh te t . W ~ h r e n d wir uns yon e inem e indeut igen Effolg de r Zugabe yon Vi ta- min B ~- C hie t iberzeugen konn ten , waren wi t in de r Lage, den p r o m p t e n Hei lungsef fo lg des u l t r a v i o l e t t e n Lich tes de r k t ins t l ichen HShensonne (Hanau), unabh~ng ig von N a h r u n g und Jahresze i t , deu t l i eh zu de- mons t r ie ren .

Ungle ieh schwieriger is t d ie Aufgabe dieser Mi t te i lung, d ie fiber unsere sons t igen Er fah rungen mi~ V i t amin -B q - C - Z u f t i t t e r u n g be- r i eh t en sell.

W i r besch~ft igen uns nun sei t e twa 11/2 J a h r e n m i t e ingehenden Versuchen 1) auf d iesem Gebie t , n a c h d e m sehon im J a h r e vorher eine Reihe yon o r ien t i e renden Versuehen vorangegangen waren.

Wit sehen uns veranlaBt, eine Selbstverst/~ndlichkeit zu betonen, n~mlich, dab unsere Versuche sine ira et studio begonnen and durehgeffihrt wurden, und dal3 wir uns stets der gr613ten Selbstkritik befleil3igt haben. Wit werden daher auch gerade die Ffille bringen, bei denen eine Diskussion m6glich erscheint, um nicht in den Verdacht zu kommen, wir wollten efne bestimmte verge]afire Meinung beweisen.

Vorbemerkungen: Unsere Versuche wurden an 2 Anstalten ausgeffihrt: an der S/iuglingsabteilmlg des Luitpold-Krankenhauses und am Siiuglingsheim des Roten Kreuzes, das ebenfalls zum Teil der Leitung der Universit~tsklinik unter- steht. Werden dort fast nur kranke S~uglinge aufgenommen, so sind es im Si~ug- lingsheim vorwicgend gesunde S/iuglinge, Friihgeburten oder gefhhrdete Kinder, seltener chronisch kranke S~uglinge, die zur Aufnahme gelangen. Auch bleiben die Kinder fiber Monate bis zu einem Jahr und noch l~nger in unserer Beobachtung, w/~hrend der Wechsel im Krankenhaus naturgemaB ein sehr gro/3er ist. :Die/irzt- lithe Versorgung ist in beiden Anstalten dieselbe (Leitung Prof. Dr. Rietschel), die Sehwestern und Sehtilerinnen sind naeh denselben Grundsatzen ausgebfldet. Unter diesen Umstanden war es uns m0glieh, den pflegerisehen Erfolg in der Auf- zueht der Kinder unter ganz versehiedenen Bedingungen zu studieren: imKranken- haus 1rater dauernd weehselnden Umweltsbedingungen, unter der stets erneuten MSglichkei~ der Infektion: denn da eine geniigende IsolationsmSglichkeit leider nicht gegeben ist, miissen die Neuaufnahmen immer wieder mit den alten Insassen zusammengelegt werden, und jeder Gruppierungsversuch nach Ansteekungs- rnSgliehkelten (,,Bronchitiszimmer" usw.) hat bei der Verschiedenheit der Erreger und Infekte - - in der Mehrzahl der Aufnahmen handelt es sich um akute Infekte des Respirations- (und des Digestions)trakts - - etwas Problematisehes an sich. Im Siiuglingsheim dagegen unter weitgehend unver~nderten Umweltsbedingungen;

~) Wenn wir zur u sehon anderen Orts 8tellung genommen haben, so gesehah es natth'lieh auf Grund dieser Versuche, deren Teilergebnisse bereits in 2 Arbeiten berichtet waren.

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denn die wenigen Neuaufnahmen mit akuten Infekten k6nnen lange genug isoliert werden, so dab im wesentlichen Infektionserreger nm" dt~rch die Erwachsenen (~'zte, Pflegerpersonal, Besuche) an die Kinder herangetragen werden k6nnen.

Die verwendete Milch starnmt im Krankenhause yon einem gut geleiteten Gutshofe in n/~ehster Iq/~he und wird von uns selbst beim Anliefern abgekocht. Ira S~uglingsheim dagegen wird die Milch von der st~dtischen Mflchzentrale be- zogen, wohin sie aus zahlreichen d6rfliehen Sammelstellen (moist aus Klein- betrieben) angeliefert wird. In der Milehzentrale wird sie niederpasteurisier$ (1/~ Stunde bei 63--65~ Im Heim selbst wurde sie sodann bis November 1925 noehmals abgekoeht, seitdem nur mehr bis K6rperw/~rme (35--40 ~ erhitzt. Irgendeinen Einflu$ dieser _~nderung - - das sei hier schon vorweggenommen - - haben wit bisher kliniseh nicht feststellen k6nnenl). ,

Als Vitamintriiger benutzten wit das yon Reyher gepriifte Hevitan, gelegentlieh aueh Malzextrakt (B-Vitamin) und je nach der Jahreszeit Citronen-, Apfelsinen-, Mohrriibensaft (C-Vitamin), meist aber Citronen- odor Apfelsinensaft. In einigen F~llen wurde aueh das beido Vitamine enthaltende Laktana-Vitamin der Laktana- werke gegeben. Von Hevitan wurde 0,5 bis 1,0 pro Kilogramm KOrpergewieht, yon Citronen- usw. Salt (30)--50--100(--150)g pro Kopf gegeben. Im iibrigen bekamen natiirlieh die Kinder eine ihrer jeweiligen Toleranz angepa/lte und hin- sichtlieh der Menge, der Zusammensetzung und des Caloriengehaltes nach den Erfatrrungen der Klinik zweckentsprechende Nahrung.

Als Beobachtungsmaterlal diente das gesamte S/~uglingsmaterial der Kinder- abteilung und des S~uglingsheims: Tefls wurden den Kindern Vitamine (B, C, B - b C) zugefiittert, toils wurden m6glichst gleiehartige F/ille, m6glichst unter gleiehen aufleren Bedingungen 2) (ira selben Zimmer, gleiehartige Nahrung, gleiches Pflegepersonal usw.) ohne Vitaminzulage als Kontrollen beobachtet. Vor allem nach L~nge der Beobaehtungszeit und in bezug auf die Beobachtung der Reaktion auf gleichartige Infekte (Heiminfektionen) bet naturgemaB das S/~uglingsheim die wertvolleren Aufschliisse.

Le ide r lassen verg le ichende Ern~hrungsversuche kl inisch i m m e r al le mSgl ichen Deu tungen zu. Desha lb k a m es uns auch h ier da r au f an, mSgl ichs t g le ichar t ige exper imen te l l e Grund lagen zu gewinnen. A m gee igne t s t en erschienen dazu Zwil l ingspaare , womSglich noch eineiige, d ie ih re r ganzen K o n s t i t u t i o n nach a m ehes ten e inwandfre ie Vergleiche l iefe l~ kSnnen. Aus d iesem G e d a n k e n he raus b a b e - wir a n 4 Zwi l l ingspaaren , yon denen zwei sieher, eines wahrsche in l ich eineiig und eines zweieiig waren, Versuche anges te l l t u n d mSch ten diese d a h e r auch in den M i t t e l p u n k t unserer fo lgenden Ausf i ihrungen s te l len.

1) Mit dieser Milch (vgl. aueh die Versuche Loewys mit niederpasteurisierter Degermamileh; Miinch. reed. Woehenschr. 1925, Nr. 40) wurden am 8. IV. 1926 3 Meerschweinchen in Versuch genommen mit 205 g, 210 g und 255 g Gewleht. Sie starben nach 26, 31 und 32 Tagen mit 145 g, 175 g und 175 g Gewicht. Skorbut wurde einwandfrei klinisch, rfintgenologisch und histologisch festgestellt. Fiir die freundliche Anfertigung und Durehsich$ der histologisehen Pr/~parate sei auch an dieser Stelle den Herren Privatdozent Dr. Letterer und Dr..Borodowitsch (Patho- logisches Institut) herzlich gedankt.

~) Eine Ausnahme maehte nur die von Reyher unwesentlich gehaltene HShen- sonnenbestrahlung.

Page 9: Vitaminprobleme

Vitaminprobleme. II. 213

1. Therese und Eleonore Wolf (Abb. 1), geboren am 31. XII. 1924, wurden beide am 19. VI. 1925 wegen einer akuten Dyspepsie in die Klinik aufgenommen. Die Mutter gab an, w~hrend der Schwangerschaft sehr viel Beschwerden gehabt zu haben (groBe Mattigkeit, die sic zu jeder Arbeit unfahig machte, sehleehten Appetit und sehr hgufiges Erbrechen, die zu starker Abmagerung ftihrten, keine besondere Vorliebe ftir Obst). Ihre Aussagen und die verbliiffende ~hnlich- keit der Kinder machen eine eineiige Zwillingsschwangerschaft sehr wahrsehehi- lich, eine Bestgtigung durch Arzt oder Hebamme war nicht zu erlangen.

Bisherige Nahrung: 3Monate gestfllt, dann Halbmflchschleimmischungen und Brei; Gemtise erst seit einigen Wochen und nur 1--2 real w~chentlich. Seit 12 Tagen haben die Kinder taglich 5--8 dtinne, spritzende Stiihle ohne Blur mit sehr viel Sehleim.

Au]nahmebe/und ergibt bei beiden den gleichen dystrophischen Erniihrungs. zustand. Beide zeigen eine akute Wasserverarmung; bei Eleonore ist ein geringer,

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bei Therese ein deutlicher toxischer Einschlag der Dyspepsie und 38--39 ~ Fieber festzustellen.

.4u]nahmegewid~t bei beiden Kindern 4740g. Beide boten bei der Unter- suehung gleichmaBig die Zeichen einer mittleren Rachitis (ausgesprochene Hypo- tonie der Musku]atur, Kraniotabes, Rosenkranz, Epiphysenauftreibung).

Therese als die anscheinend schwerer gesch~ligte, wurcte in der Folgezeit ohne Vitaminzulage ern~tln~ bzw. bekam vom 1. VII. ab auf 61/2 Wochen Tobler- Kondensmilchl), um womOglich noch eine Vitaminverarmung der Nahrung herbei- zuffihren. Vom 3. VII. bis zum 13. VIII. wm<ie sie fast tgglich mit tt6hensonne bestrahlt.

Eleonore dagegen bekam vom 21. VI. ab bis zum 26. VIII. also fast 10 Wochen lang, taglich 3 g Hevitan und 5 E~16ffel Citronensaft. Im tibrigen wurde natfirlich darauf gesehen, dab die Nahrungen der beiden Kinder in Menge, Zusammen- setzung und Caloriengehalt dem jeweiligen Bedarf angemessen waren und sich vollkommen entspraehen.

z) Meerschweinchenversuch siehe 1. Mitteflung.

Page 10: Vitaminprobleme

214 W. Sehmitt :

Beide Kinder besserten uieh, nachdera sie einmal ihre anfangliche Dyspepsie iiberwunden hatten, ganz glcichm~tl~ig. Bei beiden war nach 5--6 Wochen yon den ldinisehen Zeichen der Rachitis kaum noeh etwas nachzuweisen; sie wurden lebhaft, hatten guten Appetit, kamen in iin'en statischen ~mktionen gleichm~Big reran und waren schlieBlieh bei ihrer verbliiffcnden ikhnliehkeit fast nut mehr dutch die kr'iftige Br~unung des H6hensonnenkindes zu unterseheiden. Aueh die an sieh nut geringe r6ntgenologische Raehitis heilte bei beiden Kindern gleich- m~l]ig aus (Handwurzelaufnahme am 21. VI., 11. VII., 28. VII. und I0. VIII�9 1925).

Auch in der Gewiehts- und Wachstumskurve hielten sieh die Kinder ann~hernd die Wage, nur war schlieBlich das vitaminarme Kind am Ende der vitaminarmen Periode dem vitaminreiehen Kind um 300 g iiberlegen, nachdem es noeh zu An- fang 100 g mehr abgenommen hatte. Doeh ist dieser Vorsprung bei den verhi~ltnis- mgBig gro0en Wasserschwankungen, die die Kurve beider Kinder aufwies, ziemlieh gleichgtiltig, und er wu~de aueh in den niiehsten "Wochen (Masern !) wieder verloren, so dab die Kinder am 7. IX. wieder mit ungef~hr gleichem Gewicht entlassen werden konnten (Eleonore 6620 g, Therese 6540 g).

�9 Sie entwickelten sich auch weiterhin unter poliklinischer Beobachtung ganz gleichm~Big (am 30. XII. 1925, also mit 1 Jahr, zum letzten Mal vorgestellt. Gewieh$ je 8750 g).

Auch der Blutbefund zeigte in beiden Fallen deutliehe Besserung:

Therese: 25. VL 4,32 Millionen rote Blutk6rperchen 71% Hgb. 10. VIII. 4,7 . . . . . . 79~o Hgb.

Eleonore: 25. VI. 4 , 1 1 . . . . . . 66~o Hgb. 10. VIII. 5,2 . . . . . . 79% Hgb.

Beide Kinder lagen w/ihrend der Beobachtungszeit im gleichen Zimmer neben- einander trod waren somit gleiehen Infektionsm6gliehkeiten ausgesetzt (wieder- holt Bronchitis bei Zimmernachbarn).

Das Vitaminkind Eleonore hatte veto 27. VI. bis etwa 10, VII. eine Bronchitis ohne lmieber, veto 30. VII. bis 5. VIII. Fieber bis 38 ~ weinerlich, blaB, geringerer Appetit, etwas Husten, Hals ger6tet, keine Kopliksehen l~lecke, nur ganz geringe Conjunctivitis, keine Rhinitis.

2. VIII. Masernexanthem, das nach wenigen Tagen wieder abgeblai]t ist. (Dureh ein nur wenige Tage aufgenommenes Kind war eine, wenn aueh nut leiehte ~Iasernepidemie eingeschleppt worden.) Von da ab blieb das Kind yon Infekten verschont.

Da~ vitaminarme Kind Therese blieb nach ~berwindung einer leichten Toxikose bis zum 25. VIII. fieberfrei und ohne Infek~, es hatte sich bei der ersten Generation nieht an Masern angesteckt und bekam deshalb am 5. VIII., l0 ecru Hammelserum nach DegLneitz, dem naeh einem Serumexanthem am 15. VIII. trotzdem typisehe, wenn aueh leichte Masern vom 25. mit 30. VIII. folgten.

Epikrise: Wahrseheinl ieh eineiige Zwillinge von fast 6 Monaten, bis dah in fast ohne Vi taminzulage e r n i h r t , werden in gleichen dystro- phischem Zus tande mi t aku te r E rn~hrungss t6 rung aufgenommen. Sie gedeihen beide gleichgut , obwohl das schwerer a k u t gestSrte keine Vi t aminzu lagen u n d 61/2 Woehen sogar Kondensmi lch erhMt, w i h r e n d dem anderen fast 10 Wochen lang reiehlieh B - k C-Vitamin zugelegt wird. Aueh s p i t e r h i n bis zur Vol lendung des ers ten Jahres maeh t sieh kein Unterschied im Gedeihen der K inde r bemerkbar . Beide K i n d e r zeigen e ine gleiehm~ltige H e b u n g ihrer Immuni t i~t .

Page 11: Vitaminprobleme

Vitaminprobleme. II. 215

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2. Kunigunde und Maria Gerling 1) (Abb. 2), am 3. III. 1925 4 Wochen zu frtih geborcn. Aufnahme am 23. VL Die Mutter hatte w~hrend der Sehwanger- schaft schwer unter Hyperemesis zu leiden und war stark heruntergekommen. Die Kinder wurden nur 3 Wochen an dcr Brust gestillt, dann auf Halbmflch mit Hafersehleim gesetzt. 3---4 Woehen litten sie viel unter Erbrechen und Dutch- fallen. Es wurde ihnen deshalb immer wieder die Milch cntzogen, und ihnen so seit dem Abstillen wesentlich nur Haler- bzw. Reisschleim verftittert. Erst seit 3 Woehen vor Einlieferung bekamen sio je etwa 1/21 Vollnfilch mit Zwieback nnd Zucker ~/iglieh. Ihr Gedeihen war aber auch dabei nicht befriedigend. Beide Kinder batten bei der Aufnahme auf beiden Augen groBe, teilweise vernarbte Infiltrate, die nach dem Urtefl der hiesigen Universit~ts-Augenklinik auf eine Keratomalaeie zuriickzufiihren waren.

Kunigunde (3120g, 48 em Lange) hatte die geringeren Hornhautinffltrate; sic bekam deshalb als das vermutlieh wem'ger gesch/idigte~Kind zu ihrer ~Tahrung (600 g Buttermehlnahrung) 3 g Hevitan und 4--6 El]lSffel Citronensaft zugelegt. Maria (3180 g, 49 cm L~nge) hatte so schwere Hornhautinfiltrate, dab fiir sp~tter

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Abb. 2.

kaum mehr mit einer Wiedergewinnung des Augenlichts zu rechnen war. Sic bekam zur gleiehen Nahrung keine Vitaminzulage und wurde nach einer Woche aul~erdem noch auf Tobler-Kondensmilch gesetzt.

Beide Kinder wiesen bei Aufnahme eine deutliehe klinische und m~flige r6ntgenologischc Rachitis auf. Maria wird deshalb bestrahlt.

30. VI. Beide Kinder sind immer noch recht unruhig. Der Appetit ist weehselnd, doeh bei dem Vitaminkind Kunigunde entsehieden besser wie beim Schwesterchen.

10. V I I . Seit einigen Tagen befindet sich Maria entsehieden besser als ihr Schwesterchen und hat guten Appetit, muB aber knapp gehalten werden, da jenem kaum mehr die angegebene Nahrung beigebracht werden kann. Vom 9. bis 12. VII. zeigt K~migtmde h~ufige diirme und schleimige Sttihle, grol]e Unruhe. Die Rachltis ist bei ihr nicht gebessert, wiihrend sic bei Maria unter H6hensonne siehtbar ab- heilt. Die Conjunctivitis und die Hornhautinfiltrate sind bei beidcn Kindern be- deutend gebessert.

28. VII. Der Appetit ist bei Kunigunde dauernd so schlecht, dab nunmehr

1) Trotz Gleiehgeschlechtlichkeit und verbliiffender AhnliclLkeit ergibt An- frage bei dem entbindenden Arzt die Diagnose zweieiige Zwillinge.

Page 12: Vitaminprobleme

216 W. Schmitt :

(hath ca. 5 Wochen) die Vitamine abgesetzt werden, da die Pflegerin den Eindruck gewonnen hat, dab die /~aschen ohne Hevitan immerhin noch etwas besser ge- nommen werden. ]:)as Kind hat wieder etwas vermehrte, zum Teil schleimige Stfihle und kleine Fieberzacken, die auf einen leichten, wenn auch klinisch nicht erkennbaren Infekt bezogen werden miissen. Maria dagegen hat sich bis heute, abgesehen yon einer leichten Angina vom 19. bis 21. VII., sehr gut entwickelt, ist taunter, tr inkt gut.

6. VIII. W/ihrend Kunigunde weiterhin die gr6~ten ]~rns keiten macht, und ihre Rachi~is weder klinisch noch rSntgenologisch sich ge- bessert hat, zeiclmet sich Maria dutch ein gutes Allgemeinbefinden aus, ist unter I-IOhensonne und Freilichttherapie ganz dunkelbraun gebrannt und sticht gegen sein blasseres und nun deutlich schmachtigeres Schwesterchen vorteilhaft ab. Die Tobler-Milch wird (nach nunmehr 51/2 Wochen) abgesetzt und das Kind bekommt weiterhin (bis 13. VIII:) t~glich 4 g Hevitan. Am 15. VIII. Entlassung im besten Zustand (auch die Keratomalacie hat sich inzwischen in wcitgehendstem Malle zuriickgebildet). Bei der letzten Vorstellung am 9. IX. hat das Kind weiter ohne Vitaminzulage auf 5100 g zugenommen, Lange 56,5 cm, und macht den besten Eindruck.

Vom 8. VIII. bis 31. VIII. wird nun Maria bestrahlt und bessert ihre l~achitis in diesen Wochen prompt. Der Appetit aber bleibt dauernd wechselnd, meist schlecht. Ab 27. VIII. 500 g Vollmi]ch mit 5% Mehl und 10~o Malzextrakt.

24. IX. Das Kind befindet sich immer noch in m~I]igem Ernghrungszustand, wenn es auch in den letzten Wochen langsam zugenommen hat. Der Appetit ist immer noch sehr schlecht. Die Zlffiitterung yon Citronen- and Tomatensaft mul3te nach einigen Tagcn wcgen absoluter Verweigerung und vermehrtem Erbrechen wieder aufgegeben werden. Die Hornhautinfiltrate haben sieh aueh bei diesem Kinde weitgehend zuriickgebildet. Entlassung aus guBeren Griinden (4050g Gewicht, 53 cm L/inge).

Epikr i se: Fr i ihgeborene zweieiige Zwil l inge werden auf eine in Menge u n d Calor iengehal t gleiche N a h r u n g gesetz t . Der ve rmu t l i ch weniger Geschadig te b e k o m m t 5 Wochen lang grol~e B A-C-Vi t aminzu lagen , dem ande ren werden d ie V i t amine aus se iner N a h r u n g 51/2 Wochen lang m6glichs~ en~zogen. Anf~ngl ich is t das V i t a m i n k i n d i iber legen, b l e ib t aber ba ld h in t e r d e m ande ren zuri iek. A m E n d e der V i t amin - per iode is t es se inem Sehwes te rehen bere i ts u m 360 g un te r l egen u n d b le ib t a u c h we i te rh in i m m e r mehr h in t e r ihm zuri iek. ~ I ) ie L~ngen- zunahme geh t bei be iden K i n d e r n ann~he rnd paral le l , d ie Res te e iner K e r a t o m a l a c i e bessern sich bei be iden K i n d e r n g le ichar t ig ; d ie be- s tehende Rach i t i s wi rd e r s t bei d e m v i t a m i n a r m e n und d a n n be i dem v i t amin re i ch e rnghr t en K i n d durch H6hensonne geheil t . Die Res is tenz h e b t sich be i d e m v i t a m i n a r m e rn~hr t en K i n d e s icht l ich schnel ler als wie be i dem anderen .

3. Ado]/ und Otto Riess (Abb. 3), am 4. VIII. 1925 4 Wochen zu friih ge- boren; eineiige Zwillinge (Universit~ts-l~rauenklinik). Aufnahme am 24. VIII. 1925. Die Schwangerschaft verlief ohne Beschwerden, bis 8 Tage vor Geburt ein eklamptischer Anfall und kurz darauf ein zweiter auftrat.

Adolf als der krMtigere ZwiUing mit 2020 g Aufnahmegewicht und 45 cm L~nge entwickelt sich yon Anfang an besser Und bekomm~ deshalb ab 7. IX. 2 g (sparer 3 g) Hevitan und 4 E~lSffel Citronensaft pro Tag. Otto (Aufnahmegewicht

Page 13: Vitaminprobleme

Vitaminprobleme. II. 217

1920 g, L~nge 43 cm) bekommt keine Vitaminzulage. Nahrung beider Kinder 200 g :Frauenmilch und 20(~-250---300 g Sauermileh + Kohlenhydrate mit einem Caloriengehalt yon 140--150 Cal/kg KSrpergewicht.

l. X. 1925. Beide Kinder haben sigh bis heute be i ungef/ihr gleiehgutem Appetit und im groBen ganzen gutem AUgemeinbefinden gleichgut entwickelt. Aueh das L/~ngenwaehstum ist parallel fortgeschritten (Otto 471/2 cm, Adolf 50 cm). Der ohne Vitaminzulage em/ihrte Otto wird ab 10. IX. bis 17. X. East t/iglieh intensiv mit HShensonne bestrahlt. Er zeigt keine rachitischen Symptome, w~hrend Adolf die Zeichen einer eben beginnenden Raehitis aufweist.

9. X. 1925. Appetit bei beiden Kindern noch gut. Ado]/ sieht aber frischer aus als Otto.

17. X. 1925. Seit 12. X. maeht Otto einen zweifellos gestSrten Eindruek; das Befinden versehleehtert sieh allm/~hlieh, die Nahrung wird 5fters gebrochen, zum Teil durch die Nase; das Kind nimmt zusehends ab, da es sehlieBlich nur mehr einen geringen Tell seiner Nahrung beh/ilt. Es sieht reeht blab und elend aus und liegt apathiseh in seinem Bettehen. Kein Fieber. Racheninspektion: Der Gaumen

Zitrone,~s~ ~ q ~ " r I Yo a ~ ~ BI~ ,~ooI-I I i I I ~' I+t I I I ft"i'!'lflt~:,f'lJ IJ4--

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Abb. 8.

scheint paretiseh zu sein, das Z/~pfehen bewegt sich nut sehwach, ein AbsceB der hinteren Raehenwand ist nicht nachweisbar. Auch Adolf hat geringeren Appetit und leidet anscheinend unter einem Infekt (am 13. X. Temperaturzacke bis 38~ Gewichtsstil[stand seit einer Reihe yon Tagen und sehlie61ieh Abnahme, wenn

auch nicht so stark wie bei Otto. 24. X. 1925. Seit 5 Tagen ist bei Otto die Nahrungsaufnahme wieder besser

geworden und das Breehen bzw. die Gaumenparese geschwnnden. Er sieht auch wieder etwas rosiger und frischer aus. Heuf~ Temperaturzacke bis 38 ~ Adolf ist ebenfalls seit 5 Tagen wieder ganz in Ordnung und nimmt bei gutem Appetit gut zu. Dutch einen Irrtum des Stationsarztes bekommt ab heute aueh Otto 2 g Hevitan und 1 EB15ffel Tomatensaft 1) f~glich.

17. XI. Beide Kinder haben zuletzt, wenn aueh langsam, wieder zugenommen (ab 4. XI. 600 g Buttermehlnahrung). Heute Entlassung aus auBeren Gri~nden.

1) Ende Oktober, Alffang November waren die am Markt kauflichen Citronen so sauer geworden und enthlelten so wenig Saft, dab wit mit gutem Grunde an- nahmen, dab die an sieh noeh griinen dieksehaligen Friichte in unreifem Zustande geerntet waxen und deshalb aueh vermutlich nut einen geringen Vitamingehalt besaflen. Wir gingen daher zu rohem Tomatensaft tiber (siehe Arch. f. Kinder- heilk. 76, H. 1 u. 2, S. 110 u. 121).

Page 14: Vitaminprobleme

218 W. Schmitt:

Otto ist immer noeh rechf blab und sieht jedenfalls weniger gut aus als sein Zwil- lingsbruder. Er weist klinisch am. ganz geringe, rSntgenologisch keine Zeiehen yon Raehitis auf. Adolf dagegen zeigt vor allem eine hochgradige, fast fiber den ganzen Sehadel ausgebreitete Kraniotabes, Rosenkranz, ttypotonie, Froschbaueh; auch r6ntgenologiseh eine deutliehe Knochenrachitis. Lhnge: Otto 52 em, Adolf 54 em. Der Blutbefund hat sich bei beiden Kindern seit Aufnahme gleiehmi~flig ver- schlechtert: Otto Adolf

3. IX. 95~o Hb. 5,24 Mill. r. B1. 98% Hb. 5,53 Mill. r. B1. 17. XI. 62% Hb. 4,6 . . . . . . 65% Hb. 3,2 . . . . . .

Epilerise: Von eineiigen Zwil l ingsfrf ihgeburten wird dem kraf t igeren Zwilling zur gleiehen Zwiemi lchgrundnahrung reiehlich B q -C-Vi ta - m in zugelegt, der schw~tehere wird bestrahl t . Nach anf~nglieh gleich- guter En twick lung werden beide K i n d e r anseheinend durch e inen {nieht nachweisbaren) I rdek t gest5rt , wobei das ohne Vi taminzulage erni~hrte K i n d deut l ich schwerer betroffen wird. Schon in der Repa- ra t ion befindlich, b e k o m m t es durch ein Versehen ebenfalls Vi t~mine zugelegt. Bei der En t l a s sung zeigt das prophylakt i sch bes t rahl te K i n d n u r ganz geringe rachit ische Symptome, das v i t aminre ich ern~hrte, aber unbes t r ah l t e dagegen eine kl inisch u n d rSntgenologisch bereits ausgesprochene Rachit is .

4. Aechtner, Anna trod Babette, geboren am 9. XI. 1925, eineiige Zwillinge, 8 Wochen zu friih geboren. Die Mutter ist seit einigen Monaten vor der Geburt angeblich wegen Tuberkulose in einem auswartigen Krankenhaus, genauere ana- mnestische Daten sind von ihr nicht bekannt.

Aufnahme ins StLuglingsheim am 14. XI. 1925; Anna wiegt 1280 g und mil3t 38~/2 cm, Babette wiegt 1170 g und mil~t 361/2 era.

Anna ist an Haut- und SehIeimhauten ziemlich blal3, w~hrend Babette auf- fallend gut durchblutete Schleimh~ute zeigt.

Nahrung: 250g Frauenmfleh, 50 g Sauermilch. Nach einer Einstellungsperiode yon 8---10 Tagen beginnen beide Kinder in

gleizhm~13ig seh6ner Gewiehtskurve zu steigen, beide zeigen Monothermie yon 36,7 bis 37 ~ die Iffahrungsaufrmhme ist befriedigend, nur gelegentliehes Speien, taglich 2---4Frauenmflchstiihle. Bei gleiehbleibender Frauenmilchmenge wh'd die Sauermileh bei beiden K_indern allmahlich auf 150--200 g gesteigert. Ebenso allmahliehe Steigerung der Kohlenhydratanreieherung, so dab den Kindern stets 140--170 kal/kg (Babette ist dabei immer um 10--15 kal]kg im Vorteil) zu- gefiihrt werden.

Babette als das zartere Kind bekommt ab 14. XII. tiiglieh 2 g Hevitan. Seit 21. XII. hat Babette vermehrto diinne Stiihle, die ihr Gewicht voriiber-

gehend yon 1840 g wieder auf 1760 g herabdrficken. Temperatur nieht veritndert. Starke Intertrigo der Nares. Starke Unruhe. Aueh weiterhin vermehrte Stfihle (5--6 pro Tag, zum Tell sehleimig gehackt); das Gewicht jedoch beginnt vom 28. XII. ab wieder gleichmi~l]ig zu steigen. Hevitan: 21. XIL bis 7. I. 1926 taglich 1 g; von da ab 11/2 g ( = 0,75 pro Kilogramm). Anna hat inzwisehen weiterhin gleiehm~l~ig zugenommen, die Temperatur bleibt bei beiden Kindern aueh weiter- bin vollkommen monotherm.

11. bis 13. I. Beide Kinder, namentlich Babette, sind leicht gest6r~: sehr unruhig, speien vermehl~, etwas schlechter zu fiittern, voriibergehender Gewiehts- stfllstand.

Page 15: Vitaminprobleme

Vitaminprobleme. II. 219

23. I. Ab heute bekommt Babette auch noeh eine Zlflage yon 30 g 0rangen- saft pro Tag.

5. II. Beide Kinder, namentlieh Babette, sind seit 8 Tagen sehr wehmrlich und empfindlich und machen naeh einer Periode besseren Appetits wieder Er- nAhrhngsschwierigkeiten. Kein Befund zu erheben; Temperatur auch weiterhin monotherm; zwar langsamer, aber gleiehm/~Biger Gewiehtsanstieg.

20. II. Aueh heute noeh bei beiden Kindern sehlechter Appetit, namentlich bei Babette. Beide Kinder husten und niesen ab und zu. Seit Mitre ganuar wurde bei beiden Kindern eine langsam zunehmende Kraniotabes beobachtet, die bis heute, namentlich bei Babette, einen ziemlieh schweren Grad erreicht hat. Aueh leichter Rosenkranz bei beiden Kindern. RSntgenaufnahme (23. I., 4. II. und 20. II.) zeigt zunehmende Kalkverarmung, bei Babette zuletzt auch schon be- ghm6nde Becherform an der Ulnaepiphysenlinie. Anna wird ab heute titglich mit der I~6hensonne bestrahlt.

17. III . Anna war die letzten Woehen bei wesentlieh besserem Appetit wie Babette. W/ihrend bei dieser sich die Kraniotabes nut etwas auf der unbelasteten Kopfseite gebessert, die Raehitis der Vorderarmknochen aber welter verschlechtert hat, ist bei Anna die Kraniotabes heute geheflt und die Rachitis der Vorderarm- knoehen dureh frisehe Kalkeinlagerung wesentlich gebessert (R.A. am 4. III. und 17. III.). Bei Anna wird die H6hensonnenbestrahlung abgesetzt, dagegen wird Babette ab heute bestrahlt.

17. bis 25. III. Bei beiden Kindern erneut leiehte StOrung mit vermehrter Un- ruhe, sehleehterer Natnmngsaufnahme, gelegentlichen subfebrflen Zacken (Babette) kolitisehen Stiihlen nnd Tenesmen. Bakteriologisehe Stuhluntersuchung negativ.

3. IV. Seit 8 bis 10 Tagen bei beiden Kindern nun endlich wieder gutes Be- finden und stere Zunahme, bei monothermer Temperatur. Aussehen, Turgor, Muskeltonus bei beiden Kindern befriedigend, namentlieh die anfangs viel blassere Anna steht jetzt im Aussehen nm" mehr wenig seinem Sehwesterchen nach; keine Reflexanomalien.

14. IV. Aueh bei Babette tt6hensonne abgesetzt, die Kraniotabes ist fast ganz abgeheilt; r6ntgenologisch (Aufnahme am 6. IV.), gute Heilungstendenz.

1. VI. Seit Anfang Mai zeigen beide Kinder, Anna in etwas sts Grade immer wieder subfebrfle Temperaturen. AuBer etwas Sehnupfen kein Infekt nach-

Anna Babette

Datum Gewicht L~nge Gewicht L~lnge Hgb, Hgb. g em g cm

14. XI. 1925 I. XII. 1925

15. XII. 1925 1. I. 1926

15. 1.1926 1. II. 1926

15. IL1926 1. III. 1926

15. III. 1926 1. IV. 1926

15. IV. 1926 1. V. 1926

15. V. 1926 1. VL1926

15. VI. 19261

1280 1570 1900 2290 2 5 8 0 2990 3230 3370 3650 3870 4140 4370 4580 4660 5020

38,5 40,0 42,0 44,0 46,5 47,5 48,0 50,0 52,0 54,0 . - - -

55,0

57,0

160% Sahli

53% 48% 49% 53%

58% 6O%

40%

1170 1390 1680 1930 2200 2570 2890 2940 3140 3370 3540 3830 4020 4300 448O

36,5 38,0 40,0 42,0 44,0 45,0 45,5 47,0 48,5 51,0

52

55

rot

76%

6o% 60%

62%

7o%

65%

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220 W. Schmitt:

zuweisen. Appetit bei beiden sehr weehselnd, meist sehleeht. Dabei sind die Kinder sehr taunter; sie werden abet sichtbar blasser. (Das sehleehte Wetter verbietet die Kinder ins Freie zu bringen.) Sei~ Mi~te-F, ndc Mai hat die le~zte Frauen- rnilchzufiitterung aufgehSrt.

16. VI. Temperaturen bei beiden Kindern seit ca. 14 Tagen wieder nokmal. Appetit etwas besser, ebenso die Gewiohtszunahme.

Epilcrise: 8 Woehen zu friihgeborene einiige Zwillinge mit 1170 g und 1280 g Aufnahmegewicht werden 7 ]YIonate ]ang, das eine mit das andere ohne B q- C-Vitamin beobachtet. Sie entwickeln sich ohne besondere Unterschiede. Bei dem etwas kleineren Vitaminkind tri t t rascher und frfiher Rachitis auf als wie bei dem anderen; bei beiden wird sie dutch HShensonne geheilt. Zur Berichtszeit (Mitte Juni) l~2t sich kein Vorteil des Vitaminkindes einerseits und keine Benach- teiligung des vitaminarm ern~hrten Kindes andererseits feststellen. Sie haben beide in den 7 Monaten ihr Anfangsgewicht ungefahr ver- vierfachtl).

1. Rachitis.

Inwieweit diese Versuehe zur Frage der Rachitis Bedeutung haben, ist sehon in den vorhergehenden )Iitteflungen dargestellt worden.

2. Wirkung der Vitamine B und C au/ Ansatz und Appetit.

Ein Ziel unserer Versuche war die Beobachtung einer etwaigen ansatzf/3rdernden Wirkung der Vitamine B und C, namentlich des Hevitans, in Anlehnung an gleichartige Versuche yon Reyher. Bei ttevitan ist es uns so gut wie niemals gelungen, uns yon einer solchen zu iiberzeugen. So ist bei unseren Zwillingsversuchen, bei denen doch -- wenigstens bei den 3 Friihgeburtenpaaren -- nach Reyhers An- schauungen ein B-Vitaminmangel mSglich war, dreimal (Wol/, Gerling, Aechtner) eine ~berlegenheit des Vitaminkindes sicher nicht vorhanden, der 4. Fall (Riess) is~, abgesehen davon, dab zu gleicher Zeit C-Vitamin gegeben wurde, verschiedener Deutung f~hig; doeh hat hier das Vitaminkind auch nur unbefriedigend zugenommen, und wenn wit glauben, uns die StSrung des vitaminarmen Kindes nicht mit dem Vitaminmange], sondern mit anderen Momenten erklEren zu miissen,

1) 18. VIII. Die Kinder, nunmehr im 10. Monat, haben sieh welter zu- friedenstellend entwiekelt: Die vitaminreich ern~hrte Babette (bis heute t~glieh 3 g Hevitan, his 31. VII. t~glich 30 g Citronensa~t, sei~ 20. V]L t~glieh 50 g Gemiise) wieg~ jetzt 5270 g; Lange 59,5 cm, Hgb. 80% Sahli (6. VI.--14. VIII. t~glich 3• 1 Messerspitze ferrum reduet.) Keine Rachitis. Seit 25. V. 2 Z~hnehen. Sitzt lind steht noeh nicht. Die vitaminarm em~hrte Anna bekam inzwisehen lediglieh vom 2. VII.--21. VII. wegen einer kolitischen StSrung 30--42 g Malz- extrakt t~glieh, weiter vom 20. VIL--5. VIII. 3--5 TeelSffel Gemtise taglieh. Sdnst bis heute keine Vitaminzulagen. Sie wiegt jetzt 5660 g, Lhnge 63 em, Hgb. 57% Sahli (kein Eisen). Sehr taunter. Jetzt bereits 5 Z~hnehen. Sitzt ]rei; steht am Bertrand. Appetit bei beiden Kindern sehr ma~ig.

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Vitaminprobleme. II. 221

SO sei auf die Besprechung der av i t amino t i schen Frf ihgebur t hinge- wiesen. Wei ter haben wir mehrmals in Fi~]lenl), in denen wirklich un- gef~hr mi t der Hevi tanzu lage ein neues Anste igen der Gewichtskurve erfolgte, nach 8 - -10 Tagen das Hev i t an weggelassen oder durch ein H e v i t a n ersetzt, das 4 - - 5 S t u n d e n im Au tok laven einer Hitze von 120--125 ~ C. ausgesetzt war2). Trotzdem zeigten die Gewichtskurven e inen weiteren ungehemmten Anstieg.

.Beispiele. 1. Konrad, Herrmann, am 4. IX. 1925 mit 2000g angeblich rechtzeitig

geboren. Mutter sehr zarte Frau, war auch Friihgeburt mit 4 Pfund, hatte in der

Schwangerschaft stark unter Hyperemesis zu leiden. Aufnahme am 25. IX. 1925 mit 2050 g Gewicht und 44,5 em L/s

Nahrung: 1/2 Frauenmilch, 1/2 Sauermileh, im ganzen 120--160 kal/kg. Nach anfi~nglichem Stillstand (bis 4. X.) in langsamer, ziemlich regelmM~iger

Kurve bis 14. X. 190 g Zunahme. Hevitanperiode vom 15. X. mit 1. XI. (1 g/kg) i~ndert am Tempo der Zunahme gar nichts: Zunahme in den 18 Tagen 280 g. Zu- nahme in den n~chsten 16 Tagen (bis 17. XI.) ohne Hevitan bei allm~hlieh ganz verflachender Gewichtskurve 130 g.

16. XI. 5 cem Blut intramuskular. Vom 17. mit 23. XI. 3 g Hevitan, 40 g Karottensaft: Zunahme in dieseu 7 Tagen 230 g. Nun wird beides, Hevitan und Karottensaft abgekocht gegeben: In sp/~ter wieder verflaehender Kurve Zu- nahme der n/ichsten 14 Tage wieder 230 g (mit 7. XIL) 8. XII. bis 9. I. 1926 Hevitanperiode (3---4g) und 40--70g Orangensaft: Sehr flache Kurve, 370 g Zunahme.

9. I. his 11. II. Kein Hevitan, davon 16 Tage auch kein Orangensaft: 540 g Zunahme.

Vom 12. II. ab dauernd 3 g' Hevitan und 100 g Orangensaft. Vom 3. IIL ab auch noch 35 g Malzzulage. Trotzdem trostlos flache Kurve: Ohne wesentliche StSrungen in den n~chsten 2 Monateu nur 250 g Zunahme (Bis 11. IV.)

2. Kopp, Johann, am 28. X. 1925 mit 2100 g 4 Wochen zu friih geboren, am 6. XI. 1925 mit 1650 g (Lange 44,5 em) als hoffnungslos im jKmmerlichstcn Zu- stand ins S~tuglingsheim yon der Frauenklinik eingewiesen.

Nahrung: 300g Frauenmilch, 50--100g Kuhmilch, sp/iter allm~hlicher Er- satz der Frauenmilch durch Buttermehlnahrung; 130---150 kal/kg.

Vom 18. XI. ab beginnt das Kind endlich zuzunehmen und hat am 13. XII. in schSner, gleichm/il3iger Kurve 2280g erreicht. Dann ohne nachweisbaren /nfekt oder sonstigen Anlal] vSllige Appetitlosigkeit, grolle Unruhe; das Kind wird in den n/~chsten Tagen ganz blab und grau, circumorale Cyanose, Puls kaum zu flihlen. Das Gewicht Schwankt, die Temperatur bleibt normal. Am 20. XII.

1) Wit haben bei der Versuchsanordnung unsere Falle m6gliehst nach den won Reyher (Zeitschr. f. Kinderheilk. 36, 144) angegebenen Richtlinien ausgewahlt.

3) Es muB allerdings dahingestellt bleiben, ob und inwieweit dieses gerSstete Hevitan der Aufspaltung im Darm zuganglich war. Nach Gra#s Diabetesstudien k6nnen caramelisierte Zucker und gertistete Mehle nur schlecht verdaut werden. Was unsere Versuehe anbelangt, so gab jedenfalls die Stationssehwester spontan an, dab der Stuhl dieser Kinder denselben aromatisehen Geruch aufwies, der bei fr/iheren Versuchen m it einem trocken auf der heil3en Pfanne ger6steten Weizen- mehl wahrgenommen wurde.

Zeitschrift fiir Kinderheilkunde. XLIL 15

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222 W. Schmitt �9

Hevitan 1 g/kg. Nach 7 Tagen iiberschreitet das Gewieht den Anfangswert der Itevitanperiode (20. XII. 2270 g) nach anf/~ngliehem Sinken wieder. Das Kind maeht wieder einen wesentlieh besseren Eindruck. Appetit erwaeh~ wieder, keine Zeiehen yon Herzsehw~ehe mehr. Das Gewicht steigt in gerader Linie aufw/~rts und hat am 3. I. 1926 2620 g erreieht. Nun wird das Hevitan 5 Stunden im Auto- klaven auf 120--125 ~ erhitz~;kein Einflul] attf die Gewlchtskurve; am 11. I. 2860 g. Auch das gerSstete Hevitan wird abgesetzt. Nach einem kurzen Schwanken yon 4 Tagen geht auch jetzt die Gewichtskurve. in gleichem AusmaB aufwarts und erreieht am 22. I. 3070 g. Nun erneute 6t/~gige StSrung, ganz/ihnlieh jener ersten, die diesmal auch ohne Hevitan voriibergeht. Seitdem ohne Vitaminzulage seit Monaten gl~nzendes Oedeihen.

3. Gold, Anny, am 5. VII. 1925 7 Wochen zu friih geboren. Aufnahme 15. VII. mi~ 1630 g, 41,5 em L/~ngeo Bei Zwiemilch nur langsames

Gedeihen. Mit 2 Monaten sehwere dyspeptische StSrung und Kr~mpfe, Gewiehts- verlust 330 g, nut langsame Erholung. Im 4. Mon~ naeh l/~ngerem Gewiehts- stillstand (urn $800 g) Hevitan {ab 1. XII.) 6 g pro die: Gewieht sinkt trotzdem langsam weiter.

7. XI t : 3760 g. Nach geringer Calorienvermehrung und ~olkenzulage so- fortiger starker gleiehm/~Biger Anstieg. 13. XII. Hevitan wird ohne Beeintr/~ehti- gung des Anstiegs abgesetzt. Ab 18. XII. erneuter Gewiehtsstillstand. Ab 22. XII. wieder ohne Erfolg" 4 g Hevitan pro die. Das Gewieht steigt erst wieder, Ms ab 1. I. 1926 100 g Karottensaft zugelegt werden. Am 8. wird das Hevitan ohne Ein- buBe abgesetzt. Aueh der Karottensaft l/~flt sich durch Calorienvermehrung ersetzen.

E i n solcher Mif]erfolg des Hev i t ans w a r immer wieder zu beobachten . Nur in e inem Falle k o n n t e m a n den E i n d r u c k haben , dab es an- satzfSrdernd wirkte, womit freilich in keiner Weise bewiesen war, dal3 es sieh auch wirklieh um eine B-Vi taminwi rkung gehandel t habe ; d e n n einen gleiehen, plStzlichen Anst ieg aus der Dystrophie heraus haben wir m i t anderen Auto ren h in m~d wieder auch auf andere therapeut ische Mal]nahmen beobachtet , die mi t Vi t amin sicher nichts zu t u n haben, namen t l i ch auf parentera le Eiwefl]therapie h in (Blur oder Se rumin jek t ionen usw.):

Walther, Felxlinand, geboren ~m 11. I. 1925, aufgenommen am 14. II. 1925 mit 2280 g, 51 em L/~nge. Nahrung: Sauermilch, ab 3. Monat Zwiemilch. l~aeh anf~nglieh guter Entwicklung Stillstand trotz Seruminjektionen. Wiederholte Infekte. Ab 2. VII. nur mehr Sauermfleh.

22. VII. 4100 g. 4 g ]=Ievitan t/~glich. Gewicht Weiterhin sehwankend. Ab 8. VIII. yon 4140 g starker Anstieg, dabei subfebrile Temperaturen, mehrmals BronchitiS. Die Nahrung-wird ab 18. VIII. yon 800 auf 1000 g Sauermileh er- h6ht. Ab 9. IX. werden noeh 100--150 g Tomatensaft t/~gllch zugegeben. 17. IX. 6000 g. Umstellung auf konzentrierte :Nahrung (4--500 g Morobrei) wird mit Gewiehtsstfllstand beantwortet. Am 13. X. bekomm$ das Kind einen schweren enteralen Infekt (Heiminfektion) und verliert in 2 Tagen 500 g. Hevitan abgesetzt. Langsame Reparation unter Sehleimdi~t, Sauermflch, sp/~ter Malzsuppe. 4. XI. Gewicht 6200 g. Nunmehr wieder gemischte Kost, dabei gute Weiterentwiekelung bis zur Entlassung am 6. IV. 1926 im 15. Monat mit 10 600 g Gewieht und 72 cm Lange.

Was wir demgemKB yon einer prompten Gewichtszunahme mit dem Tag der Hevitanzulage und einem ebenso prompten erneuten Gewichtsstfllstand naeh

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Vitaminprobleme. II. 223

einer 3--8tttgigen Hevitanperiode halten, m6ge in unserem Artikel im Archiv fiir Kinderheilkunde 77, H. 1/2 naehgelesen werden.

Wieht ig s ind in diesem Zusammenhange die Beobach tungen yon Land~ aus der l~inkelsteinsehen Klinik . Sie k o n n t e bei e inem Material vorr 66 genau ana lys ie r ten Dys t rophien nu r in e inem m~13igen Prozent- satz I) mi t Vi taminzuf i i t t e rung einen Erfolg erreiehen, in al ien i ibrigen Fa l l en liel~en sich die Vi tamint r~ger dureh ~iquikalorisehe Nahrungs- mengen ersetzen, oder aber es wurde der Ansatz dureh starke E rh6hung der Calorienmenge erzielt.

Freilieh setzt Reyher eine hinsiehtlieh der bekannten iibrigen Nahrstoffe suffiziente und zweekm~13ige Ernahrung voraus, wenn er bei Ern~hrungsst6rungen ex alimentatione an die ~tiologische Rolle der Vitamine denkt. Jedoeh miissen wir uns fragen, wie es im einzelnen Falle festgestellt werden soil, dab ein Kind auf weitere Calorienzulage nieht mehr reagiert; denn wir haben es wie Land~ sehon wiederholt erlebt, dab ein dystrophisehes Kind, das bei 110 Calorien pro Kilogramm immer noeh nieht reagierte, bei Zuckerzulage bis 150, 160, 180 und 200 Calorien doeh endlich und dann vortrefflieh gedieh. Und dabei waren wir je naeh Fall sehon bei 120 und 130 Calorien alle tiberzeugt, dal3 die Ern~hrung fiir das Kind denkbar zweekm~tBig und hinsiehtlieh der bekannten N~hrstoffe vollkommen suffizient sei, und eine weitere Kohlenhydratzulage wurde als zweeldoses, ja ge- Iiihrliehes Wagnis (Toleranziiberschreitung) angesehen. Umgekehrt l~Bt sieh aus Reyhers Kurven nieht ersehen, ob in dieser Riehtung alle M6gliehkeiten aus- geseh6pft wurden.

Bemerkenswer~ ist an Lotte Landds Versuehen ffir unsere Frage noeh vor allem, dal~ sie yon Vi t amin B-Pr~para ten (Rubio, Vitavis, Hev i t an ) mi t Ausnahme yon MMzsuppenextrakt keine ansatzfOrdernde W i r k u n g beobachten konnte . Auch Meyer-Freiburg konn te bei dys- t rophischen Zus t~nden mi t H e v i t a n ke inen Erfolg erzielen; allerdings ers treeken sich seine Un te r suchungen n u r auf 8 F~lle.

~brigens gelang es uns aueh mit C-Vitamin nicht, bei Kindern, die m6glieher- weise an einer C-avitaminotisehen Dystrophie litten, einen sofortigen Ansatz zu erzielen, bzw. lieB sich ein schlagartiger Ansatz, der mit beispielsweise 100 g Oran- gensaft erzielt wurde, mit einer &quikalorisehen Zuckerl6sung oder einer Calorien- vermela'ung fortfiihren. Ab und zu hatte man den sicheren Eindruek, d a b ein allm/~hlich einsetzender neuer Gewiehtsanstieg auf das C-Vitamin bezogen werdcn konnte.

]3ezeiehnender Weise boten nun alle l~'~lle Land~s, die schnell auf C-Vitamin- zulage mit Gewichtszunahme reagierten, die Zeichen eines .manifesten Skorbuts. Itier liegen vielle~cht aneh die Grtinde unseres MiBerfolges, denn in unserer Gegend ist manffester Skorbut etwas sehr seltenes, amd es kamen seit 1917 (Prof. Dr. l~iet- schel) iiberhaupt nur 3--4 ]~i~lle in der Klinik zur Beobaehtung. Ebenso selten beobachteten wir bei S/~uglingen die yon Meyer und Nassau als ftir den Pr'askorbut charakteristiSeh beschriebenen punktf~rmigen Hautblutungen und rote Blut-

1) In 11 sieheren, 2 wahrseheinlichen Fallen; davon wiesen 6F/tlle sichere ]3arlow-Symptome auf und wurden durch C-Vitamin geheilt (schon kleine Mengen Citronensaft gentigten), einer besserte sicl! aufLebertran, 4 aufMalzsuppenextrakt; yon Vitavis, Rubio, Hevitan dagegen sah Landd keinen Erfolg.

15"

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224 W. Sehmitt :

kSrperchen imUrin. NaehReyher kommt nun dieC-Avitaminose weitaus am h~tffig- sten als Dystrophie otme skorbutische Symptoiae vor; aber immerhin diirfte der SctfluB berechtig~ sein, dab bei der Seltenheit skorbutischer Symptome aueh dystrophische Zust~nde auf C-avitaminotischer Basis in unserer Gegend nicht allzu l~ufig sind.

Was nun die Frage betrifft, ob das Hevitan imstande ist, auf den Appetit in gfinstigem Sirme einzuwirken, so muB sie fiir unsere gesamten Versuche dahin beantwortet werden, da$ wir yon Hevitan hie eine appetitanregende Wirkung beobachtet haben, selbst bei monatelanger Darreichung niche. J a manchmal hatten wir eher den Eindruek einer Appetitverschlechterung. (Siehe auch hier die Krankengeschichten unserer Zwillingsversuche.)

3. Avitaminotische Friih- und Schwachgeburt.

Nach Reyher soll ein grol~er Teil, ja bei weitem die grtil3te Gruppe aller Frfihgeburten auf eine vitaminarme Ern~hrung der Mfitter wiih- rend der Schwangerschaft zurfickzuffihren sein. Er stiitzt sich hierbei auf Tierversuche yon Zuntz mit einseitiger und eigene Versuche mib vitaminfreier Ern~hrung. Die Versuchstiere konnten ihre Jungen nicht austragen. Wciter zieht er eine Arbeit yon Abels heran, der an seinem Neugeborenenmaterial ein ~Vintertal und einen Sommergipfel des durch- schnit~lichen Geburtsgewichtes feststellte und glaubte diese Erscheinung mit der A-Vitaminarmut der Winternahrung erkl~ren zu kSnnen.

Die Ansichtcn Abels haben inzwischen durch Peller und Bdlz (Zeitschr. f. Geburtsh. u. GyniikoL 88) wieder eine teilweise Stfitzung erfahren, nach unserer Ansicht freflich nich~ in dem Umfang, wie Abels annimmt. Demgegeniiber stehen die anderen Autoren, die bis jetzt zu dem Problem Stellung genommen haben. Hellmuth h~lt (nach pemtinlicher Auskunft) seinen ablehnenden Standpunkt voU- kommen aufrecht, und aus der Arbeit Katz und K6niffs miissen wit doch ungleich mehr Abiehnung herauslesen als Abels. Hier bedarf es also noch weiterer Arbcitcn, um eine Klhrung hcrbeizufiihrcn.

Tierversuche 1) mit rigoros einseitiger bzw. wirklich (!) vitamin- frcier Ern~hrung kSnnen zwar wertvolle Hinweise beim Studium der Frage geben, kSnnen aber nicht ohne weiteres mit der selbstgew~hlten, hSchstens einmal vitaminarmen, jeden/alls nicht kontrollierbaren Er- n~hrung schwangerer Frauen in Parallele gesetzt werden. Gelegent- liche anamnestische Angaben, wie sie Reyher erheben konnte (wirt- schaftliche Not, Hyperemesis gravidarum, Abneigung gegen bestimmte

1) Es wurde uns yon JReyher vorgeworfen (Arch. f. Kinderheilk. ~7, I~. 1]2), da[3 wit diese Tierversuche so~4e die k]inlschen Daten und anamnestischen Er- hebungen zur Frage der avitaminotischen l~riihgeburt verschwiegen h~tten. ~Vir haben ihrer bere~ts frtiher (l~Ied. Klinik 1925, tI. 16117) Erw~hnung getan. Was jedoeh unsere Stellungnahme zur Arbeit: ,,Zum Spasmophilieproblem" (Kiln. Wochenschr. 1923) betrifft, so konnten wit dabei tiberhaupt keine Tierversuche verschweigen, weft dort keirie einschl~gigen beigebracht werden.

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Vitaminprobleme. II. 225

Speisen usw.), s ind wie gesag t wohl hie e x a k t kon t ro l l i e rba r und h a b e n um so weniger Wer t , als es b e k a n n t ist , daf~ of t F r a u e n m i t s t a rken Sehwangersehaf t sbesehwerden ausget ragene , k ra f t ige , gesunde K i n d e r gebaren . Auffa l lend schlieBlieh is t es, d a b Reyher alas n~chs t l iegends te A r g u m e n t n i eh t be ibr ing t , n~mlieh, ob denn in Beriberil /~ndern ber iber i - k r a n k e M a t t e r zu F r i i h g e b u r t e n neigen. Na t i i r l i ch k a n n es sieh dabe i in Ana log ie zu unseren Verh~l tn issen n ieh t u m sehwerk ranke F rauen , sondern n u t u m le ichte oder l a t en t e FMle hande ln .

Wir haben die Literatur, soweit sie uns zur Verfiigung stand, daraufhin durch- gesehen, abet dadureh die Frage nieht klKren k6nnen; denn obwoM z.B. Bdlz und .Miura (Menses Handbuch der Tropenkrankheiten, 1912) darauf hinweisen, dab alas weibliehe Geschleeht vor allem in den letzten Schwangersehaftsmonaten und im Puerperium yon Beriberi betroffen werde, so ist doeh yon der Frage vor- zeitiger oder debiler Geburten nichts zu finden. Und Hirota und Takasu berichten bei ihren Fallen yon S/iuglingsberiberi nur entweder yon rechtzeitiger Geburt oder gar nichts. Ebenso beriehtet Maxwell fiber einen ~'all, bei dem eine Chinesin, die sich seit Monaten nut yon ldeinen Portionen polierten Reises genahrt hatte, im 8. Monat anseheinend mit Eklampsie erkrankte (ausgedehnte 0deme, Kopf- schmerz, SehstSrungen). Die Krankheit entpuppte sieh jedoeh dm'eh den sehnellen Riiekgang bei gemischter Kost als Beriberi. Totz der manifesten Erscheinungen kam es aueh hier nicht zur Friihgeburt, sondern es wurden zum normalen Termin normal grolle Zwillinge geboren.

SehlieBlich h a b e n wir uns zur K l a r u n g t ier F r a g e an H e r r n Prof. Nocht-Hamburg gewandt , de r uns mi t t e i l t e l ) , es sei ihm n ieh t bekann t , d a b be r ibe r ik ranke M a t t e r Neigung zu F r i i h g e b u r t e n h~ t ten , nat t i r - l ich abe r k~men debi le Sehwachgebur t en vor. J edoch in le ichten be- g innenden oder noch okku l t en Fa l l en entwickle sich der F e t u s auf K o s t e n der Mut t e r 2) in ganz n o r m a l e r Weise bis zum Ende , wie das ja aueh bei ande ren sehweren Ern~hrungss t6 rungen meis t der F a l l sei. Es wi rd uns dadu rch eine Vermutung , die wir schon fr i iher (Me- diz inisehe K l i n i k 1925, H e f t 16/17) ausspraehen, yon a u t o r i t a t i v e r Sei te bestKtigt .

Dal] es sich nun be i dieser av i t amino t i s chen Fr i ih- bzw. Sehwach- g e b u r t u m einen Mangel an B - V i t a m i n hande l t , d a f a r f inde t Reyher den Beweis in seinen Ern~hrungsversuchen , bei denen t he r apeu t i s ch im Gegensa tz zu A- und C-Vi tamin (Abels d e n k t an. A - V i t a m i n m a n g e l ) nu r das B - V i t a m i n Erfo lg geze i t ig t habe3).

1) Wir m6ehten aueh an dieser Stelle tferrn Prof. Dr. 2qovht fiir seine liebens. wiirdige Anskunft bestens danken.

2) Daher wohl auch die erh6hte Beriberimorbiditikt der Frauen in den letzten Schwangerschaftsmonaten und im Puerperium.

a) Ungekl/~rt ist es, dab .Reyher yon verschiedenen Lebertranarten bei seinen Friihgebnrten keine Wirknng beobachten konnte, wi~hrend er spiiter die Heft- wirkung des Lebertrans bei Rachitis wesentlich als B-Vitamin-Wirkung erklArt und das Vorkommen des B-Vitamins im Lebertran auch durch Tierversuehe belegt.

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226 W. Sehmitt:

t t ier nun zu unsercn Zwillingsparallelversuchen: 3 Paare, Kunigunde und Maria Gerling, Adolf und Otto Riess,

Babet te und Anna Aecbtncr sind 4 - -8 Wochen zu frfih geboren. :Da- yon waren vor allem die letzten beiden Paare, die kurz naeh der Ge- burr zu uns kamen, naeh Gewieht u n d L~nge sehr dfifftig und wiesen alle Zeichen der Friihgeburt auf. Die anamnestisehen Angaben lassen wenigstens bei Gerling auf eine v i taminarme bzw. einseitige Ern~hrung der Mutter w~hrend der Schwangerschaft im Sinne Reyhers sehlieBen; aber selbst wenn diese Vorbedingung nicht gegeben w~re, mull man bei diesen Kindern, die Zwillinge und Friihgeburten sind und yon denen namentlich das letzte Paar zusammen kaum soviel wog wie sonst ein 8-Monatskind, unbedingt einen Mangel im Vitamindepot annehmen, der sich um so rascher auswirken muBte, als die Kinder ein sehr ener- gisches Wachstum zeigten.

Wie ha t sieh nun bei ihnen die t tevi tanzufi i t terung ausgewirkt? Die Zwillinge Gerling zeigten bei ibrer Einlieferung Seh~den (Ke-

ratomalacie), die auf eine einseitige Ern~hrung zuriickgeffihrt wet- den muBten. Die anseheinend leichter gesch~digte Kunigunde bekam reichliehe Zulagen yon t tev i tan und Zitronensaft; der schwer gesch~- digten Maria wurden dagegen nach M6glichkeit in ihrer Nahrung die Vitamine B -k C 1) entzogen (Kondensmilch). Erfolg: naeh einem an- f~nglichen mehrw6chigen parallelen Anstieg geriet das vitaminreiche Kind allm~ihlich ohne erkennbare Ursache in ein Stadium der Bilanz- st6rung mit schwerster Appetitlosigkeit, die schliel~lich auch das Ab- setzen der Vitaminzulage erzwang. Die vi taminarme Zwillingssehwester dagegen setzte bei gutem Appet i t und bestem Wohlbefinden ihren gli~n- zenden Gewiehtsanstieg welter fort und- war schliel]lieh bei gleichem Aufnahmegewicht beim Absetzen der Kondensmilch dem Schwesterehen um 800 g voraus. Die Hornhautinfi l t rate besserten sieh dabei bei bei- den Kindern gleieh gut.

Auch bei den einefigen Zwillingen Riess wurden dem kr~ftigeren (Adolf) reichliche Hevitan- und Citronensaftzulagen gegeben, wahrend der sehw~ehere (Otto) keine Vitaminzulagen erhielt. Das Gedeihen war bei beiden Kindern die ersten Woehen zwar ganz gut, sp~ter aber nicht mehr befriedi~end, bei Otto allerdings noeh viel weniger als bei Adolf. Die Mehrzunahme des letzteren betrug bei der Entlassung 300 g.

Wir stehen nicht an, bei diesen Kindern gewisse Pflegesch~tden einzur/~umen, auf die ja Frfihgeburten am alleffeinsten reagieren. N~mentlich der an sich schwiichere Otto mul]te davon um so mehr beriihrt werden, als ibm noeh das Trauma einer intensiven, fast tiigliehen tt6hensonnenbestrahlung zugemutet wurde. Wir .denken dabei weniger an die Bestrahlung selbst als an den Transport zu und yore t{6hensonnenzimmer fiber ein zugiges. Stiegenhaus (September/Oktober) und

1) Vitamin A war dagegen in der Nahrung wohl genfigend enthalten.

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Vitaminprobleme. H. 227

dutch einen langen Gang, sowie an die dutch die Entkleiduhg no~wendig bedingte Abktitflung. Bedauerlioherweise wurde naeh dem Absetzen der H6hensonnen- bcstrahlung durch einen Irrtum dem Kinde Hevitan und Citronensaft gegeben, wodurch natiirlich der Wert der Kurve sehr beeintr~chtigt ist.

Wir verkennen nicht, da{~ man bei diesem Kinde mit Berechtigung einen Schaden dutch Vi taminarmut in Erw~gung ziehen kann, zumal auch die erschwerte Nahrungsaufnahme durch Schluekl~hmung yon japa- nischen Klinikern als ein wenn auch seltenes Symptom der Beriberi- krankheit angegeben wird.

Wenn wir t rotzdem den ungef~hr gleichzeitig wieder effo]genden, allerdings ziemlich staffelf0rmigen Gewichtsanstieg und die langsame Besserung des Allgemeinbefindens nicht dureh die Vitamingaben er- kli~ren wollen, so berechtigt uns dazu einmal der Umstand, dsl~ js auch der kr~ftigere Vitaminzwilling zur gleiehen Zeit, wenn aueh nieht so schwer, an einer ~hnlichen StOrung mit Hemmung des Gewichtsan- satzes litt, was die Kurve deutlieh zeigt, sodann aber neben unseren sonstigen Erfahrungen nsmentl ieh die Kurve des 3. Zwillingspaares.

I m allgemeinen l~Bt sich also bei diesem Zwillingspaare wohl so viel sagen, dab hinsichtlieh der pflegliehen Sehaden kein sicherer Vor- teil der Vitamingabe bzw. kein sieherer Nachteil der vi taminarmen Ern~hrung erkennbar wurde. (Siehe such Rschitis.)

Wenn schon ein Vitaminmangel bestand und demzufolge ein Ein- flul~ der t tevi tanzulage sieh kundgeben konnte, so waren bei dem Zwillingspaar Aechtner die besten Vorbedingungen dazu gegeben. Diesmal wurde die kleinere Babet te (1170 g Gewieht, 36,5 em L~nge!) mi t Hev i tan und spater auch mit Citronensaft (wegen l~achitis) bedaeht, whhrend die etwas kr~ftigere Anna (1280 g Gewicht, 38,5 em L~nge!) nu t - - wie im iibrigen such sein Sehwesterchen - - halb Frauenmilch, halt) niederpasteurisierte, des Versuches halber nochmaIs abgekoehte Kuhmilch 1) bekam.

Aber auch die Frauenmilch war mit ~roBer Wahrscheinlichkeit vitaminarm, denn unsere Ammen bekommen die iibliche Kost der Erwachsenen und diese war in den bier in Frage kommenden Monaten (November bis April) arm an Gemiise und so gut wie frei yon frischen Vitamintri~gern.

Beide Kinder gediehen anfangs gleich gut, machten dann sparer die gleichen St(irungen durch, wobei das Vitaminkind Last immer deutlieh sehwerer betroffen wurde. Jedenfa]ls kann hier einwandfrei festgestellt werden, dab die Hevi tanzulage (C-Vitamin kommt ja in den ersten 3--5 Monaten nach Reyher nicht in Betracht) bei dem vitaminreiehen Kind keinerlei Vorteil zeit!gte gegeniiber dem vi taminarmen Kind, und dab umgekehrt die Vi taminarmut keinerlei Nachteil mi t sieli braehte, wenn man die vitaminreiche Nahrung als Norm annimmt.

1) Meerschweinehenversuch siehe oben.

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Bemerkenswer t ist noch, dai~ dieser re la t iv gute Erfolg in der Aufzucht so klc iner Fr f ihgebur ten ausgerechnet im W i n t e r erzielt werden konnte .

Nun mOgcn allerdings Zwil]ingsfriihgeburten im Gegcnsatz zu anderen Gruppen, vor allem zu den Kindern, deren Eltern krank sind (Lues, Tuberkulose, Alkoholis- mus usw.) g(ins~igere Bedingungen der Aufzucht bieten. Jedoch, wie szhon gesag6, aueh wenn ftir sic nach der Anamnese kaum eine besondcrs vitaminarme Nahrung der Mutter in der Schwangerschaft naehzuweisen ist, so muff man trotzdem wenig- stens ein zu geringes Vitamindepot bei diesen Kindern annehmen, das bei der Aufzucht bald in Erscheinung treten mtiBte, wenn die fibliche Nahrung mit geyher an B-Vitamin zu arm ist.

Diese t~berlegung ~rifft fiir alle Friihgeburten zu (/s nimmt man auch beim Eisen- und Mineraldepot an). Bei unseren iibrigen Friihgeburten haben wir uns natiirlich bemtiht, durch Anamnese m6glichst eine etwaige mechanische bzw. traumatische Genese festzustellen - - Lues konnte durch klinische und sero- logische Untersuehung am ehesten ausgeschlossen werden - - aber wir sind uns dessert bewuBt, dab diesc Feststellungen nut huflerst unvollkommcn scin k6nnen, namentlich bei Krankenhausaufnahme in sp/~teren Lebensmonaten, und daft vor allem unerlaubte Eingriffc sich einer anamnestischcn Nachforschung meist ent- ziehen werden. Diese Fehlerquelle dtirfte aber nicht mrr unserem Material anhaften.

U n t e r diesen Vorbedingungen erstrecken sich unsere Un te r suchungen mi t B-Vi tamin auf insgesamt 22 Fr i ihgebur ten .

Beispiele: siehe S. 221 die Krankengeschichten Kopp, Gold und Konrad. Namentlich in letzterem Falle, in dem wir nach Reyhers Angaben am chesten eine avitaminotische Friihgeburt vor uns zu haben hofften, waren wit yon dem Ergebnis der Vitaminzuftitterung recht entt~uscht.

NatfirIich waren un t e r unserem Material auch gelegentlich F~lle, die sich bei Vi taminzuf f i t t e rung neben zweckm~Biger Nahrung u n d

Pflege ganz gut entwickel ten.

Beispiel: Barthclm~, Anton, geboren 19. VI. 1924, attfgenommen 7. III . 1925 wegen schwerer Rachitis, groBer, ohne Erfolg operierter Leistenhernic rechts, grippalen Infekts mit Fieber bis 40 ~ Ohne nachweisbaren Anlal] mit 1500 g an- geblich 8 Wochen zu friih geboren. 12 Wochen Brustmilch, dann bis zur Auf- nahme Drittel- bis Halbmilchmischungen, teflweisc Ziegenmilch. Noch hie Gemiise oder sonstige Vitamintri~ger.

Bei Aufnahme sehr blasses, atrophisehes Kind mit 3750 g Gewicht und 56 em L~nge. Sehr starke Rachitis, starke An/imie (30% Hb.). Cor. o. B., 1~eflexe leb- haft, keine elektrisehe l~bererregbarkeib. Urin o. B., keine Itaut- oder Schleim- hautblutungen; staxke Empfindlichkeit beim Anfassen, die aber nieht besonders auf die I)iaphysenenden besehr/i.nkt ist.

Nahrung: Allm/ihlich steigend 400--600--800 ecm Sauermilch mit 3% Mehl, 3~o Butter, 5~o Zucker. Vitamine: hb 9. III. 3, naeh einigen Tagen 5 EB15ffel Apfelsinensaft bis zur Entlassung, ab 6. IV. dazu 100, sparer 200 g Gemtise, Hevitan ab 9. III. I g pro die, ab 22. III . 2 g, ab 15. IV: 2,5 g.

Verlauf: Der Infekt klingt nach 6 Tagen ab, weiterhin aber immer wieder Zaeken bis 38 ~ vom 22. IV. bis 28. IV. Bronchitis mit t~gliehen Zacken bis 37,8r vom 5. V. his 9. V. wieder grippaler Infekt mit Zaeken bis 38,6 ~ Oas Allgemein- befinden bessert sich allm~hlich, das Kind, das anf~nglich (unter dem Infekt) appetitlos war und oft brach, bekommt guten Appetit, es wird allm/ihlich ganz

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munter, seine Empfindliehkeit schwindet. Die An~mie bessert sieh (bis 58% Hb.); die l~achitis dagegen bleibt klinisch und rSntgenologisch unbeeinflul~t. Zunahme in den ersten 5 u 6 Wochen stark schwankend, dann etwas 8tetiger, Entlassungs- gewicht 5050 g. L~ngenwaehstum War nur gering; in den ersten 5 Wochen keine Zunahme, dann his Ende 2 era.

Am 12. V. Verlegung auf ehirurgisehe Abteilung, wo der Leistenbruch er- folgreieh operiert wird. Dora abermals Infekt mit Fieber bis 40 ~ Baldige Ent- lassung. Ende Mai erlag das Kind zu Hause in wenigen Tagen einer Pneumonie.

Epikrise: Sehwere A t r o p h l e bei F r i i h g e b u r t besser t sich in 9wSchiger Behand lung wesent l ieh (Al lgemeinbef inden, Gewich tsansa tz , A n ~ m i e ) . Die bes tehende schwere Raeh i t i s wi rd n ich t beeinfluBt. Die Resis tenz- k r a f t des K i n d e s wird n i ch t m e r k b a r gehoben, wie i m m e r e rneu te In fek t e und der kurz nach de r En t l a s sung effolgende rasehe Pneumonie - rod des K i n d e s zeigen.

Es i s t na t i i r l i ch schwer zu sagen, wodurch im vor l iegenden l~alle die Besserung der A t roph ie bed ing t wurde . Neben der zweckm~Bigen PfIege u n d E rn~hrung is t e ine V i t aminwi rkung n ieh t yon der H a n d zu weisen. Anamnese und die auffa l lende Empf ind l i chke i t des K i n d e s (wenn m a n sie m i t Uzerny als n ich t zur Raeh i t i s gehOrig, sondern als skorbu t igene Knochenschmerzha f t i gke i t auffassen will) lassen eine C-Vi t aminwi rkung mSglich erscheinen. Ande re Zeichen eines skorbu- t i sehen N~hrschadens fehl ten abe r s te ts . Auch eine B - V i t a m i n w i r k u n g ist in d iesem Fa l l e n ich t auszuschliel~en.

Daf i i r sahen wir in ande ren F~l len n i e h t e inmal e inen solehen viel- deu t igen Erfolg.

Brunner, Margarete, am 29. XL 1923 mit 41/2 Pfund angeblieh 7 Wochen zu friih geboren. Mutter seit 1919 nierenleidend, wahrend der Schwangemehaft des- halb 1/4 Jahr im Spital.

Aufnahme am 7. I. 1924 mit 2440 g Gewicht und 49 em Lange. Bei Sauer- milch und etwas Frauenmileh gute Entwicklung bis zu einem Vierteljahr (3500 g, 53 cm). Dann allmahlich Dystrophie; schwankende Gewichtskurve, gelegentliche, sieh allmahlich haufende Infekte und Dyspepsien. Mit 6 Monaten erst 4100 g, 58 em. Gemiise (50 g) seit 5. Monat; Lebertran regelmaBig seit 6. Monat. Eine B-Vitaminperiode yon 14 Tagen (2--6 g steigend pro die) in der ersten H~lfte des 7. BIonats bleibt, ohne den geringsten EinfluD auf die Gewichtskurve und das sonstige Befinden des Kindes, Appetit so schlecht, dad Sondenfiitterung not- wendig ist. Ebensowenig Erfolg zeitigt eine 15tagige B-Vitaminperiode 14 Tage spater in der 2. H~Ifte des 8. Mortars. Auch 84---96 g Malzextrakt pro Tag im AnsehluD daran gegeben (4 Woehen lang) andern nichts an dem Zustand des Kindes. Mit 4900 g tr i t t es in den 10. Lebensmonat ein. Nun ohne erkennbare Ursache gute Zunahme in den n~ehsten 5 Woehen (800 g), davon treffen auf eine zwisehen- gesehaltete B-Vitaminperiode (3 g pro die) yon 2 Wochen 300 g; also auch hier kein merkbarer Einflul]. Die nun endlich erzielte anhaltende Besserung geht mit dem Eintri t t in den 12. Monat leider dutch Keuchhusten wieder verloren, der das Kind yon 6100g (mit i i Monaten) wieder auf 5400g (12 Monate) zuriiekwirft. Das folgende Auf und Nieder mit gehauften sehweren Fieberperioden und Durch- fallen bringt das Kind allmahlieh im Laufe der naehsten Monate in den Zustand

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des Heubner-Herterschen Infantflismus. Typische Stiihle usw. Bis zum 18. Monat pendelt das Gewieht zwischen 5000 und 6000 g in starken Schwankungen hin und her. Monatelange Zuftitterung yon 50 g Orangensaft zum Gemiise bleibt ohne jeden Er- folg, ebenso aber aueh eine erneute Hevitanperiode (3--6 g pro die) yon 5 Wochen im 16. Monat und eine Malzperiode (50--80 g pro die) yon 25 Tagen im 17. Monat. Zu diesem Zeitpunkt steht das Kind abermals naeh groBem Sturz ohne besondere Stbrung auf 5460 g, Linge 70 em (seit 2 Monaten nicht mehr gewachsen). Nun beginnt es bei Sauermilch, Brei, Gemiise und Lebertran ohne besondere B-Vitamin- zulage ziemlieh gleiehm~i3ig zu steigen. Besserung auch des Allgemeinzustandes, der statischen Funktionen usw. Mit li/~ Jahren 6400 g, 72 cm L~tnge. Jetzt wird auch gemisehte Kost nieht mehr verweigert. Mit 21 Monaten 7450 g. Mit 23 Mo- narch Entlassung (27. X. 1925) 8100 g.

HShn, Theodor, am 29. XI. 1923 mit 2250 g angeblich normal geboren, ent- wiekelt sich ebenfalls in den ersten Monaten sehr gut, wog mit 4 Monaten 4700 g, dann aber immer hiufigere und sehwerere Infekte. Dystrophie. Ebenso wie bei Brunner Margarete, wiederholte l~ingere B-Vitaminperioden und Malzperioden, ohne den mindesten EinfluB. Daneben dauernd C-Vitamin (frisches Gemiise, roher Tomatensaft usw.). Erst im 12. Monat bei 70---90g ~Ialzextrakt in der Nahrung (nach anfanglicher Abnahme) stetige Zunahme. l~ach 2 Monaten jedoch wieder ztarke Abnahme und darauf mehrw0chentlicher Stillstand, trotzdem Malz weiter gegeben wurde. Die Gewichtskurve wird stark hych'olabil. Vielfach sub- febrile Temperaturen, immer wieder grippale Infekte, dyspeptische StSrungen. Nur langsame Erholung. Mit 18 Monaten hat das Kind endlich 8600 g erreicht und wird in stark zurtiekgebliebenem Zustande entlassen, und dabei hat es in den kritischen 6 3~onat~n, in denen sich allmihlich ebenfalls ein leichter Herterscher Infantilismus z) entwiekelte, dauernd 50--80g Malzsuppenextrakt pro die he- kommen, und wurden wiederholt l~ngere Hevitanperioden eingesehaltet.

I n diesen 2 FMlen sahen wir also bei Fr i ihgebur ten , die i n den ers ten

~Vochen bzw. Mona ten ihres Lebens in unsere Beobachtung kamen , t ro tz reichlicher B-Vi taminzuf i i t t e rung in den kr i t ischen Monaten all- ma.hlich einen, wenn aueh leichten Hertersehen Infant f l i smus ent- s tehen, der naeh Reyher die sehwerste F o r m des B-av i t amino t i schen Nih r schadens darstell t . Aueh die Resistenz sank bei beiden K i n d e r n tro~z ]3-Vitamin, aber aueh trotz C-Vitaminzufuhr . Die ]3esserung erfolgte wen igs t ens in dcm einen Fal le sehlieBlieh ohne besondere ]3-Vitaminzufuhr.

Diese ]3eisplele mbgen genfigen. ]3ei genauer objekt iver Analyse der Krankengeseh ieh ten unserer 22 :Fri ihgeburten mul~ten wi t jeden-

1) Ein ausgepr~gter tterterscher Infantilismus kam tibrigens am 23. VI. 1925 in unsere Behandlung: Wilhelm, Johanna, 21/2 Jahre alt. Gewicht bei Aufnahme 6920 g, L~nge 70 cm. Gemischte Kost, ab 4. VII. t~iglich 5 g Hevitan und 6 El3- 15ffel Citronensaft (Rachitis). St~rkste Wassersehwankungen (einmal in 4Tagen 800 g Zunahme, noch am Tage vor der Entlassung unter geringem Infekt 500 g Abnahme!). Entlassung am 8. VIII. aus iul3eren Grtinden mit 5 g Hevitan pro die und gleicher Kost (8060 g). Nach Bericht des Vaters zu Hause in den nitchsten Wochen trotz dauernder Hevitanzufuhr wenig gediehen. Tod am 10. IX. 1925 durch Pneumonie in 2 Tagen.

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falls zu dem Ergebnis kommen, dal3 ein Einflul3 des Hevi tans gelegent- lich wohl mi)glieh, niemals aber mit Sicherheit anzunehmen war. Ein- deutig dagegen spraehen die in den meisten FMlen zu beobaehtenden Migerfolge, mochte auch in dem einen oder anderen Fall vielleicht zu wenig oder zu kurz Hev i t an gegeben worden sein.

Dieses negat ive Resul ta t unserer Versuche wird aber noeh unter- strichen, wenn wir unser iibriges Friih- und Schwaehgebur tenmater ia l der letzten 5 Jahre , dem kein B-Vi tamin zugefiit tert wurde, zum Ver- gleich heranziehen.

Urn ein Bild iiber unsere Erfolge in der A~fzueht yon Friihgeburten zu be- kommen, haben wir Mle jene F/~lle zusammengestellt, die wenigstens ein Quartal ihres ersten Lebensjahres in unserer Beobaehtung waren. Dadurch fallen natiir- lieh alle F/~lle weg, die in mehr oder weniger hoffnungslosem Zustand eingeliefert, nach einigen Tagen oder Wochen starben. Es fallen aber aueh die ziemlieh zahl- reiehen F/~lle weg, in denen Friihgeburten gerade wegen ihrer ausgezeiehneten Reparation nach mehreren Woehen bzw. Monaten in bestem Zustande wieder entlassen werden konnten. Einbezogen wurden Kinder, bei denen yon B-Vitamin sieher kein Erfolg zu sehen war, und bei denen deshalb bald wieder darauf ver- zichtet wnrde.

Un te r diesen Voraussetzungen verfiigen wir fiber ein Material yon 43 F/~llen, deren Gewichtszunahmen sieh im Durehschni t t folgender- mal3en gestal te ten (Tab. 1):

Tabelle 1. TabeUe 2.

Lebens- Zahl der Friih- Durchschnittl. Lebens- Durchschnittl. quartal geburten Gewlchts- quartal Gewichts-

zunahme in g zunahme in g

I. 37 1489 I. 1675 II. 28 1579 IL 1666

I I I . 20 1297 I I I . 1231 IV. 14 907 IV. 1029

Davon waren 8 Kinder wahrend ihres ganzen ersten Lebensjahres m unserer Beobachtung, deren Zunahmen gesondert bet rachte t , folgen- den Durchsehni t t ergeben (s. Tab. 2).

Wi t betonen ausdriicklich, dab es sich nur um den rohen Versuch handelt , unsere Aufzuchtserfolge bei Fr i ihgeburten ohne Hev i t an ge- dr~ngt zur Darstel lung zu bringen, dab wir uns aber dessen wohl be- wul3t sind, dab e ine solche Zusammenstel lung eines so h e t e r o g e n e n Materiales, wie es Fr f ihgebur ten darstellen, seine Bedenken hat . ( P/aundler. )

Unte r d iesen Einschr~nkungen kann m an unsere Erfolge wohl als befriedigend bezeichnen, und unsere Er fahrungen mi t Hev i t an haben uns wirklieh n icht davon iiberzeugen k fnnen , dab durch Hevi tanzu- f i i t terung hier noch ein besseres Resul ta t zu erreichen gewesen w~re.

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4. Vitamine und Immunit~it.

Die l~rage der Res i s tenzs te igerung durch V i t amine 1) is t wohl a m sehwers ten zu bean twor t en , und wir k6nnen h ier n u r fiber unsere Be- obach tungen ber ieh ten , ohne unsere Sehliisse da r aus als b i n d e n d ansehen zu wollen. Daffir i s t unser Mater ia l noch zu k le in und d ie Zei t unserer Versuche zu kurz. Andere r se i t s mfissen wir frei l ich auch anderwei t ige Jkul3erungen zu dieser F r a g e besprechen.

Frfihere Arbeiten steIlten stets bei sicheren Mangelkrankheiten eine Senkung der Resistenz lest und eine Hebung durch Zufiitterung des fehlenden Vitamins (Bloch: Vitamin A; Frb'lich, Abel8 usw.: Vitamin C). Hierzu ist welter niehts zu bemerken; die Dystrophic auf avitaminotischcr Grundlage und eine dadurch be- dingte Dysergie werden wohl kaum mehr bestritten werden. ~eyher aber seheint nach seinen letzten Arbeiten fiberall da, wo die Resistenz gesenkg isr als Ursache einen Vitaminmangel anzunehmen, so dab gewisserma/3en die Vitamine die Triiger der Resistenz des KSrpers sind. Sie spielen infolgedessen nach ihm bei der Hebung der Abwehrkr~fte bei allen mOglichen Infekten die gr61]te Rolle. Als Beweis fiir die Richtigkeit dieser Auffassung liel3 er durch Conti seine Erfolge in der Vitamin- therapie der Pyurie ver6ffentliehen und schreibt, dab er ~hnliches bei Masern, Keuchhusten, Erysipel, Tuberkulose, Furunkulose, Pneumonie, Abscessen, Phleg- mone, Otitis usw. berichten k6nne, schliefllich, dab es ihm gelungen sei, bei tuber- kul6sen Meerschweinchen durch gleichzeitige Vitaminzufuhr einen chronisehen Verlauf der Tuberkulose zu erzeugen. Da Ver6ffentlichungen fiber die Erfoige bei den erwi~hnten Krankheiten noeh nieht vorliegen, interessiert uns hier vor- l~ufig nur die Pyuriestatistik.

Vorab sei bemerk t , daf~ wir d ie R i c h t i g k e i t de r Diagnosens te l lung Reyhers ~ nie in Zweifel gezogen haben . W e n n wi r j edoch f ragten , ob sich n i ch t die Diagnosens te l lung gegenfiber der de r Vorg~nger ge~nder t habe, so h ie l ten und h a l t e n wir auch heu te noeh diese F r a g e fi ir be- rech t ig t . Auch S~runz h a t in K a r l s b a d die Meinung ausgesprochen, dal~ in den b e k a n n t e n S t a t i s t i k e n n ich t i m m e r das gleiche Mate r i a l b e h a n d e l t worden sein d i i r f te und dal3 wohl 6f ter die , ,Pyur ie a]s Neben- be fund" n i ch t m i t v e r a r b e i t e t worden ist , sondern nu r die Fa l le , be i denen die P y u r i e das Bi ld beher rsch te . U n d wenn wir unsere e igenen a l ten Krankengeseh i ch t en durchsehen, so t r agen nur die die Diagnose , ,Pyur ie" , die dieser Bed ingung en~spreehen. Se lbs tvers t~ndl ieh abe r kennen wir neben dieser Pyu r i e im engeren Sinne noch F~l le yon L e u k o -

1) In diesem Zusammenhang sei uns die Erkl~rung gestattet, dab wit nie- mals behauptet haben, ,,dab die Heilung der Toxikose nut auf dem Umwege tiber die Hebung der Immunit/~t erfolgen k6nne und dab in einem akuten Temperaturabfall eine schlagartige 1-Iebung dcr Immunitat zu erblicken sei." (Arch. f. Kinderheilk. 77. S. 177). Der Sinr/ unserer kaum mil3verst/~ndlichen Zeilen (Arch. f. Kinderheilk. TT. S. 108) ist vielmehr folgender: Die Toxikose entsteht nach R. auf dem Boden der durch C-Vitaminarmut gesenkten Resistenz- kraft. Wenn also bei Citronensaftgaben wirklich yon einer kausalen Wirkung des C-Vitamins gesproche n werden kann, so kann man sie sich nur auf dem Umwege tiber die Hebung der Resistenz denken.

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cyten im Urin als Komplikat ion oder als Symptom anderer Erkran- kungen.

Nun kommen schon diese Pyurien im engeren Sinne des Wortes auf ganz verschiedenc Wcise dutch ganz verschiedene Erreger zustande [ascendierende Colipyurie, h~matogene (septische) Streptokokken- pyurie usw.] und sind dadurch in ihrem Verlauf und in ihrer Prognose ganz verschieden zu bewerten. (Man denkc nur an die hohe Mortali tat der Knabenpyurien, die meist h~matogene Metastasen eines septischen Prozesses darstcllen.) Wciter kommen zu diesen meist schweren Formen noch anderc, deren Verlauf ganz yon dem verursachenden Infekt abhangt und die mi t ihm ohne besondere Therapie bft in wenigen Tagen abklingen. J a manche Kata r rhe der Harnwege, die gleichzeitig oder in direktem Anschlul3 an katarrhalische Erkrankungen der Luft- wege anscheinend dutch den gleichen Erreger auftreten, kOnnte man geradezu als , ,Blasenschnupfen" bezcichnen, ebenso wie wir manchmal bei entsprechenden kolitischen Erkrankungen yon Dickdarmschnupfen sprechen.

Als Beispiel sei erw~hnt: Elli Lang, sefiwerste Atrophie, 3x/~ Jahre alt, jedoch mit 7300 g Gewieht und 75 cm L~nge noch einem 1 j~hrigen S~ugling entsprechend, mit schwer geseh~digter Resistenz, die immer wieder schwere Infekte auikommen l~13t. Mitre September 1925 grippaler Infekt mit starkem I-Iusten, Fieber usw. I)er Urin, der vorher frei yon pathologisehen Beimengungen war, zeigt im Katheter- sediment reiehlieh weii3e BlutkSrperehen und Epithelien; Bakterien sind mikro- skopiseh nicht nachweisbar. Andere morphologisehe Beimengungen fehlen.

Naeh 2 Woehen ist der Urin wieder ganz normal und bleibt es auch. Und das bei schwer darnieder liegender Resistenzkraft! Im iibrigen blieb auch bei diesem Kind wiederholte monatelange reichlichste B -F C-Vitaminzufuhr ohne jeden Er~olg.

Es gibt also Pyurien verschicdenster Genese, Pyurien als selb- st~ndige Krankheitcn, als Hauptlokalisationsherd einer Krankhei t und schlieBlich auch als leichte Komplikation, eventuell auch als harmloses Symptom einer Krankhei t (yon Pyelit iden auf Grund anatomischer Veranderungen des Urogenital trakts ganz abgesehen). Und wenn endlich ein S~ugling mi t schwerer kachektisierender Erkrankung kurz ante mor tem noch Leukocyten im Urin hat, so ist eine solche , ,Pyurie" wieder anders zu werten, namentlich in Bezug auf. die Mortalithts- statistik.

Soviel in aller Kfirze. Es ist daher bedenklich, alle Pyurien ohne Unterschied zu einer Statist ik zu verwerten, wenigstens zu Statistiken mit 29 und 24 Fallen. Handelte es sich in der einen Gruppe zu- ~allig mchr um HauptfMlc, in der anderen mehr um Begleitpyurien, so wird dadurch schon das Bild ganz griindlich verschobcn. Diesen Punkt zu kl~iren, war der Zweck unserer Zeilen. (Arch. f. Kinder- heilk. 77, 1/2.)

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2 3 4 W. Sehmitt :

N u n zu d e n y o n Conti a n g c z o g e n e n P y u r i e s t a t i s t i k e n de r L i t e r a t u r .

Conti und Reyher glauben, dab die 37,5~/o Sterblichkeit ihrer Sta t is t ik (ohne Vi taminbehandlung) ann/~hernd mi t den Zahlen der vergleiehbaren Stat is t iken i ibereinstimmen. Dem kann man durehaus n icht beist immen. Die Teilstatistik Wielands umfaBt ganze 12 F/file, im iibrigen nur der ersten 12 Monate. Das Ma- terial un te r s t eh t also noch schi~rferen Bedingungen als das Contis. Von 4 Todes- fitllen dare man den einen (Tod 4 ~Vochen nach , ,Entlassung in geheiltem Zus tand" an Grippe mi t Streptokokkenempyem) im Vergleich mi t Contis Material nieht berticksichtigen, so dab man die Sta t is t ik nicht mi t 33%, sondern mi t 25~o Sterb- lichkeit in Rechnung stellen muB, sofern es i iberhaupt Sinn hat , hier Prozente zu berechnen. Auch Lasch und Dingmanns Material umfal]t nu r S/~uglinge bis zum 12. Monat. Ihre Sterblichkeit mi t 32~/o ist i iberraschend hoch. Fdrber und Latzky unterscheiden ausdriicklich eine leichte und eine schwere Form der Pyurie und sahen bei ihren 33 vol~ugsweise schweren stat ioniiren FMlen 6 sterben, w/~hrend sie gleichzeitig ambu lan t 13 weitere leichtere F/tile ohne Todesfall heilen konnten. Ihr Gesamtmater ia l umfaflt daher 46 F~lle mi t 13,3~o Sterblichkeit . Rhonheimer erw/thnt ausdriieklieh, dab yon seinen 122 Fallen 106 im ersten Lebensjahre, 13 im zweiten Lebensjahre nnd nu t 3 in einem hSheren Lebensjahr standen. Sein Material is t also auch ausgesprocheneres S/~uglingsmaterial als das Contis. DaB er bei 6,5~o Sterblichkeit nu r die Todesfiille gez/thlt habe, die naeh seiner An- sieht an der Cystopyelitis gestorben sind, ist aus seinen Angaben n icht zu sehlieBen, allerdings auch n icht mit Sicherhelt auszuschlieBen. Gd'ppert bereeh- ne t bei 84 Kindern un te r 1 ]/2 J a h r e n nn te r Zurechnung yon 3 F/illen, bei denen neben Pyurie noch andere Ursachen am tSdlichen Ausgang Anteil ha t t en , und yon 3 im bSsen Zustand weggebliebenen Kindern 20~o Sterblichkeit. Auch hier also S~nglingsmaterial in engerem Sinne als bei Conti nnd aul3erdem die An- gabe, daI] es sich fast durehwegs u m schwere F~lle, selten um einen Nebenbefund handelte. Und wenn wir schliel]lich bei v. Mettenheim yon 19 Todesf/illen 17 (wenigstens 2 erfolgten naeh den Angaben im Text sieher bei /ilteren Kindern) auf seine 63 S/~uglinge (wieder bis zu 12 Monaten) beziehen, so lassen sich un te r ungiinst igsten Umst/~nden Stir sein Sauglingsmaterial 27~/o Todesfi~lle berechnen. Aueh hier wieder die Angabe, da0 es sich nur u m schwere F/ille handelte, dab alle leiehten ausgeschieden wurden; und die Sektionsprotokolle beweisen, dal] alle Todesf/ille withrend der Pyurie gez/ihlt wurden. Die jiingste Sta t is t ik yon Strunz (Kar lsbad 1925) ist die gr6Bte; sie l~l]t gar auf 141 schwere und leichte F/~lle nur 2~o Sterblichkeib berechnen, davon allein auf 23 sehwere F/ille 13%. Und dies wieder ausschlieBlich im ersten Lebensjahr.

Z u m b e s s e r e n V e r g l e i c h s e i e n d ie S t a t i s t i k e n n o c h e i n m a l u n t e r -

e i n a n d e r ge s t e l l t .

Conti I . . . . . . . . . . . . . . 24 F~lle Lasch und Dingmann . . . . . . . 90 ,, v. Mettenheim . . . . . . . . . . . 63 ,, Wieland . . . . . . . . . . . . . . 12 ,, Gspper t . . . . . . . . . . . . . . 84 ,, Fiirber und Latzky . . . . . . . . . 46 ;, (Fi~rber und La tzky ohne ambulan te

Falle . . . . . . . . . . . . . 33 ,, Rtmnheimer . . . . . . . . . . . . 122 ,, Strunz . . . . . . . : . . . . . . . 141 ,, (Strunz, schwere Fiille allein . . . . . 23 ,,

Ohne Vitaminbehandlung:

9 t 37,5~o Sterblichkeit 29 t 32% ,, 17 t 27% ,, 3 T 25% ,,

16 ? " 20% , ,

6 t 13,3% ,,

6 ? l s % ,, ) s ? 6,5% ,, 3 t 2,1% ,, 3 ? 13% ,, )

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Vitaminprobleme. II. 235

Mit Vitaminbehaudlunff: Conti I I . . . . . . . . . . . . . . 29 Falle 1 t 3,4% Sterblichkei6

Zieht man nun den Mittelwert aus alien iibrigen Statistiken, so finden wlr: Conti I . . . . . . . . . . . . . . 24 F~tlie 9 i" 37,5~o Sterblichkeit Sammelstatistlk . . . . . . . . . . 558 ,, 82 t 14,7~o ,, Coati I I . . . . . . . . . . . . . . 29 ,, 1 ~ 3,4% ,,

Die Sterbl iehkei t in Contis Stat is t ik I i s t also 21/2 real so groB als der Durchschn i t t der anderen Sta t is t iken, was logischerweise n u r dami t e rk l i r t werden kann , daB es sich zufMlig u m ganz besonders schwere F i l l e handel te .

Es entbehrt nun nicht des Reizes bei diesen Statistiken den mittleren Fehler l) festzustellen. Nach der iiblichen Methode ~) bereehnet, betriigt er bei

Conti I :J:: 29,6~o Sammelstatistik =[= 4,4~/o Conti I I ~ 10,0%

Selbst also angenommen, daz Ausgangsmaterial w~tre immer genau dasselbe gewesen, so kann der niedere Prozentsatz der Statistik Conti I I immer noeh rein zufiillig bedingt sein.

~ b e r Krankhe i t sdaue r u n d Prozentsa tz d e r Gehei l ten liegt ke in entsprechendes Vergleichsmaterial vor. Doch di i rf ten hier Ceteris

par ibus dieselben Verh~ltnisse bestehen. W e n n m a n n u n die groBe Verschiedenheit in der Mor t a l i t i t der

Pyur ies ta t i s t iken sieht, so mul~ m a n zu dem SehluB kommen, dab es in erster Linie anf die Ar t der Pyur i e i i l l e a n k o m m t ; die jeweilige Re- s is tenzkraft der betroffenen K i n d e r ist nat i i r l ich wesentl ich mitbe- s t immend ffir Mor ta l i t i t , Dauer und Hei lungsm6gl ichkei t der Krank -

heir, aber doch wohl erst in zweiter Linie. Wi r k 6 n n e n der S ta t i s t ik Contis schon aus diesen kl inischen u n d

s ta t is t ischen Gr i inden vor l iu f ig keine allzugrol~e Bedeu tung beimessen.

Einen weiteren statistischen Versueh macht G6tzky: ,,Am sinnfi~lligsten kommt der Effolg der Vitaminbehandlung in der Sta~istik der Sterblichkeit zum Aus- druck". Er vergleicht deshalb die Letalitit des Jahres 1922/1923 (Oktober bis Oktober) mlt der des Jahres 1923/1924, in dem yon 179 Kindern 57 mit Hevitan behandelt wurden. Er findet dabei:

Zahl der Gesamt. Todesfltlle nach Abzug Jahr S~iuglinge todesf~tlle d. hoffnungslos elngelief.

1922/1923 . . . . . . . . 155 28 ~ 18% 20 = 12,9% (----~- 8%) 1923/1924 . . . . . . . . 179 21 --~ 11,7% 14 = 7,8% (~__ 6%)

Er vergleieht also bei ldeinem Material die Letalitgt zweier Jahrgiinge mit- �9 einander, bei dem der eine zu einem knappen Drittel Hevitan bekommen hatte.

a) Fiir Beratung und Unterstii~zung bei der Bereehnung der mittleren Fehler- quellen sind wir Herrn Dr. de Rudder yon unserer Klinik zu grol]em Dank verpfliehtet.

| /Prozent �9 Gegenprozent ~) Naeh Gauss: MRtlere FehIerbreite = :~ 3 - ~ A----nzzal~l-~ F-~-e "

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236 W. Schmitt:

Zum Vergleich sei lediglich eine gleiche Statistik unserer Klinik gebraeht, um die selbstverst~tndlich zuf/~lligen j~thrlichen Schwankungen der Letalit&$ zu zeigen.

Jahr Zahl der Gesamt- S~tuglinge todesf~lle

1. VII. 1921 bis 31. III . 1922 206 56 ---- 27,2~o 1. IV. 1922 bis 31. III . 1923 326 40 = 12,3~o 1. IV. 1923 bis 31. III . 1924 310 43 = 13,9~o 1. IV. 1924 bis 31. III . 1925 383 43 = 11,2~o 1. IV. 1925 bis 1. XII. 1926 377 60 ~ 15,9~/o

Todesf/ille nach Abzug d. hoffnungslos eingelief.

44 = 21,4% ( ~ 8,5%) 1) 35 = lO,7% ( • 5,1%) 34 = 10,9% (-~ 5,3%) 32 = 8,4% (-4- 4,2~o) 45 = 11,9% (!-5,0%)

Bei unserem Material wurden nur die Kinder bis zur Vollendung des 2. Lebens- jahres beriicksichtigt. Ebenso blieben alle eigentlichen Infektionskrankheiten (Keuchhusten, Masern, Diphtherie usw.) ausgeschlossem Diese an ungef/~hr doppelt so grollem Materiale fiber 5 Jahre bin festgestellten Daten zeigen wohl deutlich genug, dab die yon G6tzky gefundenen Zahlen im Bereieh der natfirlichen Sehwan- kungen (Genius epidemieus, mittlere Fehlergrenze) liegen.

Nun noch einige Wor te zu einer sehr interessanten Arbei t yon Nassau, die sieh in dieser R ich tung bewegt (Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 109). U m es gleich vorweg zu nehmen: wir sind mi t 2Vassau in den meisten Punk t e n einer Meinung. Wir mSchten nur nach unseren Er fahrungen auf einige Punk te einen noch hOheren Wert, auch fiir den Aufzuchtseffolg im zweiten Lebenshalbjahr , legen als Nassau, und zwar erstens auf die Mitgift, die die Kinder aus dem ersten Halb jahr mi tbr ingen und zweitens auf die Rolle, die Infekt ionen jeglicher Ar t ausl6send oder fOrdernd bei der En t s t ehung und Erha l tung dystro- phiseher ZustKnde spielen. Gerade in den Infekt ionsat tacken, z. B. denen in Kinderkrankenhgusern die Insassen immer erneut dureh den Zugang schwerkranker N e u a n k 6 m m l i n g e ausgesetzt sind, mul3ten wir mi t einen Haup t fe ind unseres Aufzuehtserfolges sehen, der immer yon neuem an der Resis tenzkraf t der Kinder zehrt und sie so allm~hlich in die Dystrophie und Dysergie hineinbringen kann. Dadurch wird leider manchmal aueh der Erfolg der zweckmal3igsten Ern~hrung (selbst. der natfirlichen Ernahrung) zusehanden gemaeht . Anders sind demgegen- fiber die Effolge unseres Sauglingsheimes, bei dem die M6gliehkeib besteht, wenigstens Infekt ionen, die yon auSen dureh Neuaufnahmen herein- kommen kSnnten, fast vo l lkommen fernzuhalten. Hier sehen wir bei den gleiehen Ernahrungspr inzip ien bessere Effolge, welehe den Erfolgen der infektionsgeschfitzten Farhilienpflege nur wenig nachgeben. Sie sind um so eindrueksvoller, als sie aueh hier im Heim erst aufgetreten sind, naehdem 1922 d a s Krankenmate r ia l ins neu er6ffnete Krankenhaus ab- wander te und das Sauglingsheim, das ~on 1919--1922 nebenbei als

1) Nur bei diesem Jahrgang ist die besonders hohe Letallt~ wohl dadurch mit. beeinflul~t, dab vor allem die sehwerkranken Kinder aufgenommen wurden, w/~hrend die leichter Kranken vielfach noch im Sauglingsheim. Aufnahme fanden. Siehe aueh Seite 237.

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Vitaminprobleme. II.

S~uglingskrankenhaus gedient hatte, seinem zuriiokgegeben wurde (s. Tab. 3).

TabeUe 3.

237

urspriinglichen Zweek

3ahrgang

1918/1919 1920 1921 1922 1923 1924 1925

Zug~nge

120 160 148 109 69 76 67

Verpflegstage . Todesf[ille

gesamt

38 10 212 41 10 099 17 12 176 4 13 213 8 ~) 14 244 4 14 588 3 14 909

Zur Feststellung dieser Zahlen

pro Kind

85 ,55,7 68 92,3

145,3 126,8 141,9

Belegung pro Tag

2 4 27,4 33,4 36,6 39,1 40,4 41,2

Durchschnittliche Gewichtszunahme im 1: Lebensjahr

3952 g (33) 1)

4931 g (43) z)

(1923/1926) 5907 g (102) 1)

(Tab. 3) wurden aUe Kinder heran- gezogen, die als P]legekinder wenigstens ihr erstes halbes Lebensjahr im S~uglingsheim verbrachten. Nur wenige F~lle der Statistik kamen erst gegen Ende des ersten Lebensvierteljahres in Heimpflege. Aber aueh dabei handelte es sieh immer nach Angabe der Krankengesehiehten, naeh Gewieht und L~nge um gesunde, nur aus sozialen Griinden einge- wiesene Kinder. Auf diese Weise war es wohl am ehesten m0glich, den pflegerischen Effolg des Heims in den einzelnen Etappen festzustellen. Um mSgliehst die Fehler des kleinen Mate- riales zu verringern, wurden 3 Perioden gebildet: die erste yon Mitre 1918 his 31. Dezember 1920 umfaBt die Zeit, in der das S~uglingsheim zugleich als ein- ziges S~uglingskrankenhaus am Platze zu dienen hatte (hohe Zahl der Todes- fi~lle !). 1921 und 1922 wurden allmi~h-

60009

5uoog

8ooo~ Abb. 4.

lich in steigendem Mal3e die schwerkranken Kinder in das neuerSffnete Luitpold-Krankenhaus aufgenommen, und es trat dadurch elne ffihlbare und dauernd zunehmende Entlastung des Sauglingsheims ein. Aber erst mit dem Einzug der Kinderklinik in die eigene neuer(iffnete Klinik im Ja- nuar 1923 wurde das S~uglingsheim seinem eigenen Zweck vollst~ndig zu- riickgegeben. Die durchschnittliehe Gewichtszunahme des ersten Lebens- jahres steigt yon Etappe zu Etappe um ca. 1000 g (s. auch Abb. 4). Es f~Ilt uns natiirlieh nieht ein, den Grund dieser deutlichen Besserung ledig- lich in den oben gesehilderten Verh~ltnissen suchen zu wollen. Immerhin

1) Die in Klammern beigefiigte Zahl bedeutet die Anzahl der zur Berechnung der durchschnittliehen Gewichtszunahme verwendeten Falle.

~) Die Toten dieses Jahres se~zen sich folgendermaBen zusammen- 2 an- geborene HerzfeMer, davon der eine schon nach 8 Stunden gestorben; 2 Luesf/ille, davon der eine nach 5 Tagen gestorben; 1 Pylorospasmus; 2 Pertussispneumonien.

Zeitschrlft ftir Ydnderhellkunde. XLIL 16

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238 W. Sehmitt:

k a n n ' aber gesag t werden, d a b die Em~hrungsve rh~ l tn i s se inzwischen keine e inschneidende A n d e r u n g e r fahren hahen. A m a l le rwenigs ten Teil a n dieser Besserung k( innen d ie V i t amine haben ; denn gerade ~on 1918 bis e twa 22/23 wurde v i e lmehr und teiLveise viel f r i iher Leber - t r a n ve r f i i t t e r t als in den l e t z t en J ah ren . U n d unsere B- und C-Vi tamin- ve r suchsk inde r , sowei t sie f i be rhaup t in de r S t a t l s t i k m i t v e r w e n d e t sind, z e i g e n , ffir sich al lein genommen, eine viel ger ingere Jah res - zunahme als de r a l lgemeine Durchschn i t t . E ine genaue A na ly se dieser Verh~ltnisse wi rd an andere r Stel le erfolgen.

Nun k a n n m a n s i c h n i c h t des E ind rucks erwehren, daft eine i ihnliche E n t - wicklung wie in unserem Siiuglingsheim auch be im Wai senhaus und K i n d e r - asy l d e r S t a d t B e r l i n erfolgt , wenn man bei Tab. 4, S. 309 der z i t i e r t e n A r b e i t v0n Nassau die s t~ndig (urn c~. 50 ~/o) a b n e h m e n d e Zah] der N e u a u f n a h m e n ml t d e r s t~ndig wachsenden A u f e n t h a l t s d a u e r des e inzelnen K i n d e s (bei g le ichble ibender Belegungszah]) verg le ich t : das Mate r ia l wlrd s te t iger , de r Wechse l geringer , d ie Neuzufuhr yon In fek t ionen d a d u r c h e ingeschr~nkt . Viel leicht m a g also auch d a d u r c h die Besserung m i t b e d i n g t sein.

AuBerdem scheint uns die Bereehnung der Sterblicl~keit nach der Gefahr- dungsziffer yon Schlossmann den Verh~ltnissen nicht ganz gerecht zu werden. Ein Beispiel dfirfte dies am besten erl~utern: Wenn von 1000 Kindern mit 100 000 Verpflegstagen 100 Kinder sterben, so ist die Gef~hrdungsziffer 10, ganz gleich, ob die Gestorbenen durchschnittlich nur 5 Tage oder 20 Tage krank, d .h . gefahrdend fiir die anderen Kinder waren. Bei gleieher Gef~hrdungsziffer ist also in diesem Beispiel die wesentlichste Komponente der Gefahrdung, die Exposi- tionszeit vervierfacht.

Auch der Aufs~ellung eines Index infectiosus in der angegebenen Form konnten wir nieht ohne weiteres fotgen. Einmal ist die Dauer eines Infektes in vielen F/illen nur sehr schwierig festzustellen: manchmal berichtet uns eine aufmerksame Schwester sehon tagelang, bevor auf der Kurve ein Infekt in Erscheinung tri t t , yon vermehrter Unruhe, geringerer EBlust, verschleehterter Stimmung, Bl~tsse usw., Zeichen,. die oft so gering sind, dab sie einer weniger geschulten Pflegekraft leicht entgehen, namentlieh wenn sie iiberlastet ist. Auch das Ende eines In- fektes ist oft nut sehr schwer zu bestimmen. Andererseits ist die Berechnung der Fiehertage fiber 38 ~ als Ausdruck der Schwere eines Infektes aueh eine willktirliche und trifft oft nicht den Kernpunkt des Problems, wenn wir sehen, dal3 bei ein und demselben~Stubeninfekt ein dystrophiseher S~ugling 8--10 Tage deutlich gestSrt ist, dyspeptisch wird, mehrere 100 g abnimmt und dabei doch nicht fiber 37,5 bis 37,8 ~ hinauskommt, wahrend daneben ein Brustkind in der ftir den Eutro- phiker typischemWeise den Infekt in 2~4t~gigcm, hohem Fieber abreagiert, ohne sich welter im Befinden, Gewicht usw. beeinflussen zu lassen~).

W e n n wir nach a t ledem dazu k o m m e n , unsere eigenen Beobach tungen , z u denen wir, wie schon erwahn~, sei t e twa 11/~ J a h r e n (Ende Jun i ) das gesamte S~ugl ingsmater ia l der K i n d e r a b t e i l u n g des K r a n k e n h a u s e s

1) Auch Virulenzsteigerungen, wie sie amerikanisehe Autoren (vg]. Klin. Wochensehr. 1924, S . 1345) an ihren ,,M~used6rfern" bei Einbringung gesunder Individuen in berei~s durehseuchtes Material beobachtet haben, komplizieren die VerhMtnisse (siehe auch Husler, Monatsschr. f. Kinderheilk. 29, 612).

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Vitaminprobleme. II. 239

und des Sis herangezogen haben, in keine irgendwle gear tete Stat is t ik zu pressen, so werden unsere Griinde wohl verst~ndlich ge- worden sein. Wi t sehen uns daher zu mehr aUgemeinen Bet raehtungen gezwungen, die wit mi t m6gliehst vielen Beispielen zu belegen haben.

Aus der Klinik Reyhers wurde vorlKufig als Material fiir unsere Frage nur die Pyur ies ta t is t ik verSffentlicht, der wit, wie oben ausge- fiihrt, in ihrer jetzigen Fassung keine allzugroBe Bedeutung beimessen k~nnen. Eine l~eihe yon klinisehen Beobaehtungen Ms Bei~rag zur Frage br ingt au/]erdem G6tzky. Unsere Bedenken gegen seine Mortali- ta tss ta t i s t ik haben wir sehon oben gebracht. Noeh angreifbarer ist die Angabe, dal~ im , ,systematisehen Vi tamin jahr" 1923/24 (yon 67 Aufnahmen bekamen 19 Kinder Hevi tan) nur 4 Kinder ( = 5,9%) gegen 8 (yon 51 = 15,7%) im Jahre 1922/23 aus der Krippe ins Kranken- haus verlegt werden mul3ten, was als Hevi tanwirkung zu deuten sei.

Auf welch verschiedenem Boden G6tzky nnd wir uns nun yon vorn- herein bewegen, wird deutlich durch den Ums tand dargetan, dal3 er eine gute ]~ntwicklung gesunder oder wenig gestSrter Neugeborener bei Hevi tanzuff i t te rung bereits als Hevi tanerfolg ansieht und meint, eine so gute Entwicklung sei i bm frilher f remd gewesen. Zum Beweise bring~ er die Gewichtszunahme yon 4 Kindern : a) in 2 Monaten 1970 g, b) und e) in 4 Monaten 2880 g, d) in 4 Monaten 3370 g.

Auch wir veffiigen fiber ahnliche K u r v e n :

Hartlieb, Erhard, geboren 2. XI. 1925, aufgenommen 10. II. 1926 mit 4100 g. Dystrophie mit Dyspepsie B (in den letzten Wochen dauernd Abnahme). Nahrtmg: Sauermfleh. Sehnelle Reparation. Am 21. II. bereits 4530g in gerader Kurve erreieht. Nun t~tglieh 3 g Hevitan trod 50 g Orangensaft (21. II. bis 8. IV.). Zu- nahme in unverandertem Tempo. Gewieht am 8. IV. 6100 g. Vitaminzulage ab- gesetzt, Zunahme geht unver~ndert fort. Entlassung am 12. V. 1926 mit 6800 g, also im ganzen in 3 Monaten eine Zunahme yon 2700 g (bei Aufnahme bestehende Rachitis wird ers~ dureh HShensonne geheflt).

Hofmann, Ingeborg, geboren 13. XI., aufgenommen am 15. XI. mit 3060 g. Mehrfache bier nieht interessierende Versuehe lieBen das gesunde Kind in den ersten ]Rona~en nur wenig zunehmen. Ab 2. II. (4140 g) bekommt es bei gutem Befinden und guter Zunahmetendenz 3 g Itevitan pro Tag, bis 8. IV. (6050 g), dann Pause bis 24. IV. (6450 g). Welter 4 g Hevitan pro Tag, bis 19. VII. (8000 g). Zunahme veto 2. II. ab bis 8. VIII., also in 61/~ Monaten 4500 g.

Kratz, Rudolf, geboren am 20. XII. 1925, mffgenommen am 4. I. 1926 mit 3470 g. Bei Sauermileh bis zum 25. I. Zunahme bis 4050 g; ab 25. I. 2 g Hevitan, ab 8. II. 3 g. Am 6. IV. mit 5940 g im besten Zustand entlassen; bekommt welter- lain 3 g tIevitan pro Tag. 29. IV. 6660 g, also Zunahme in etwa 4 Monaten 3200 g.

Wie wenig Wit aber berechtigt sind, hier eine spezifische B-Vitamin- wirkung anzunehmen, mt~gen folgende, lediglich aus dem letzten Winte r s t ammende Beobachtungenl ) beweisen:

1) Wohlgemerkt handelt es sieh dabei niehb um eine besondere Auswahl, sondern um alle F~]le, die als Kontrollen ohne u in diesem Winter auf l~ngere Zei~ im S~uglingsheim in Beobachtung s~anden.

16"

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240 W. Schmitt:

1. Bauermeister, Rudolf, geboren 18. XII. 1925; aufgenommen 7. I. 1926 mit 2700g. Zunahme in den n&chsten 71/8 5Ionaten bis 18. VIII. (7700 g), ohne Vitaminzulage 5000 g.

2. Kraus, Konrad, geboren 10. IX. 1925, aufgenommen 19. IX. 1925 mit 3090 g., ~ immt bls 19. III . 1926, also in 6 Monaten 4030 g ohne Vitaminzulage zu (dann auf anderer Station Lebertranzufuhr).

3. Linker, Rosa, geboren 19. XI. 1925, aufgenommen 30. XI. mit 2780g, Zunahme ohne Vitaminzulage bis zur Entlassung am 13. III. 1926, also in 31/2 Mo- naten 2080 g.

4. Gold, Anni (siehe auch oben), Friihgeburt im 7. Monat, geboren am 5. VII. 1925, aufgenommen am 15. VII. mig 1630 g. 31/2 Monate mittlere Zunahme bei Zwiemilchern~hrung. Hevitan in kiirzeren Perioden wiederholt ohne Einflull. Ab 29. X. 1925 nurmehr Sauermileh. Gewieh$ 3300 g. Zunahme der naehsten 6 Monate 4300 g, ohne weitere B-Vitaminzulage (ab Anfang Februar 1926 bis 10. V. mit Pause yore 8. IV.--22. IV. 50 g Orangensaft pro die, dann Beikost}. Mit 12 Monaten 8200 g Gewieht = 5faches Aufnahmegewicht und 67 em L~ngc.

5. Kopp, Johann Georg (siehe aueh oben), 1%iihgeburt i/a 8. Monat, geboren 28. X. 1925. Aufnahme am 6. XI. 1925 mit 1650 g in moribundem Zustand. Zwiemilch bis 31. I IL 1926 (die letzten beiden )Ionate nur 200 g taglieh). Vom 6. XI. bls 14. VI. 1926 (Entlassung), also in etwas fiber 7 Monaten 5400 g Zu- nahme, davon allein in den letzten 41/~ Monaten 4000 g.

6. Jordan, Ludwig, geboren 16. I. 1926. Aufgenommen 1. II. mit sehwerster dyspeptischer StBrung mit deutlicher toxiseher Reaktion, Otitis, 0deme. In wenigen Tagen unter Frauenmileh und Sauermfleh ,,akute Wendung zum Besseren". Vom 7. II. ab bei Sauermfleh yon 2640 g ununterbroehener Aufstieg. Zunahme bis 30. IV. (Entlassung), also in noch nicht 3 Monaten 2700 g.

7. Biittner, Alois, geboren 19. IX. 1925. Aufgenommen 19. X. 1925 mib 3090 g. Sehr blasses, elend aussehendes Kind; leichte eircumorale Cyanose; 0deme; dyspeptisehe StBrung. Anfanglich sehr hydrolabfl, woran eine 17t~gige Hevitan- periode (3,5 g pro die) nichts /~ndert, dann ohne Vitaminzulage in den n/~chsten 6 Monaten gleiehm/~Bige Zunahme yon 4120 g.

8. K1Bhr, Erika, geboren 1. IX. 1925, aufgenommen 2. XI. 1925 mit 4090 g. Leichte Littlesche Krankheit, starke Dyspepsie bei Aufnahme. Eine Anfangs- zunahme yon 400 g geht durch Pyurie mit nephritisehem EinscMag und erneuter Dyspepsie wieder verloren. Am 25. XI. wieder 4100 g. Von da ab stetige Zunahme ohne Vitaminzulage; die Pyurie heilt ab (am 7. I. 1926 wird der letzte sehwaehe Befund erhoben). In den nachsten 5 Monaten eine Zunahme yon 4000 g (25. IV. 8100 g). Eine sehwere Furunkulose mit Kopfphlegmone und intermittierendem l~ieber bis 38--38,5 ~ beginnend am 27. III. wird immerhin ohne Appetitver- minderung und bei gleichbleibender Zunahmef~ndenz in 4 Wochen iiberwunden. Weiter gules Gedeihen; Beikost erst mit 10 Monaten. 18. VIII., also mit 111/2 Monaten 9200 g.

9. Hillenbrand, Margot, geboren 16. X. 1925, aufgenommen 24. X. mit 2870 g wegen sehwerer Stfrung (starke Dyspepsie, Otitis purulenta). Abnahme bis 2540 g (3. XI. 1925). Von da ab ununterbroehener Anstieg, Zunahme in den na6hsten 7 Monaten 5700 g ohne jede Vitaminzulage. Eine nut rBntgenologiseh wahrnehmbare Rachitis wird durch HShensonne geheilt. Auch weiterhin gl/~n- zende Entwicklung. Am 19, VIII., also mit 10 Monaten steht das Kind schon 1/ingst im Bettchen, wiegt 9900 g, L~nge 74 em. Und dabei erst seit 1 Monat Beikost !

10. Biiehel, Lothar, geboren am 16. X, 1925, aufgenommen am 24. X. mit akuter Dyspepsie, Gewicht 3360 g. Zwiemflch. In den n/~ehsten Woehen schwer

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Vitaminprobleme. II. 241

gestSrt: 0titis, Erysipel, Streptokokkenabseefl unter der tiefen Halsfaseie, wieder- holte Dyspepsieriiekfalle, zweimal Bronchitis. Gewichtskurve sehr schwankend. Am 2. I. Riickverlegung ins Sauglingsheim mit 3380 g in noch recht elendem Zu- stand (war zur chirurgisehen Behandlung des Abscesses am 14. XI. fast moribund ins Krankenhaus verlegt worden). Nun unter Sauermflch ohne Vitaminzulage rasehe Reparation, Anstieg in linearer Kurve, Zunahme der n~chsten 5 Mo- nate 4820 g. Keine Raehitis. Entlassung am 10. VI. 1926 mit 8250 g in bestem Zustand.

Wieweit die Kinder Zwiemilch bekamen, geht aus den Krankengeschichten selbst hervor. Meist handelt es sich dabei nur um eine Zugabe von 100--20(}---300 g Frauenmilch. Dal] unsere Ammenmilch in diesem Winter kaum einen hohen Vitamingehalt besessen haben kann, haben wir schon oben erwahnt. Auch die verwendete Kuhmfleh war wenigstens C-vitaminarm wie die eingangs erwiihntcn Meerschweinchenversuche bewiesen. Bei einigen Kindern wurde aueh dauernd Troekenmilch verwendet (z. B. bei Ho/mann, J., Baumeister, tL), yon der wir durch l~eyhers Untersuchungen wissen, dab sie in ihrem Vitamingehalt mit an letzter Stelle steht.

Die Kinder bekamen meist Sauermilch, die mit Kohlenhydraten, eventuell aueh mit •ett (Schmelzmargarine, Pflanzeniett) angereichert wurde. Caloriengehalt ca. 100--130 Calorien pro kg KSrpergewicht, bei Friihgeburben entsprechend hSher. Die Ausnutzung der Nahrung war demnach auch bei unseren Kindern eine ausgezeichnete, die An- nahme einer Hevitanwirkung bei so guter Ausniitzung der Nahrung (G6tzlcy) war fiir ufis also ganz fiberfliissig. Selbst Friihgeburten machen hier keine Ausnahmen; auch sie sind ohne Hevitan zu guter Entwick- lung zu bringen (Kopp, Georg; Gold, Anni).

Damit mfissen wir dem Hevitan yon vornherein kritischer gegen- fiber stehen als G6tz]cy, der solche Erfolge nur bei Hevitan sah und deshalb nur bei Hevitan ftir m0glich halt. Das wichtigste aber an den Krankengeschichten ist der Umstand, dab zwei der Kinder Friih- geburten sind und 6 anfi~nglieh sehwere bis schwerste St6rungen durch- zumaehen batten, ihre Resistenz also teilweise sehr herabgemindert war. Und doch haben sie ohne Vitaminzufuhr bei den gewShnlichen Nahrungsgemischen ihre St6rungen fiberwunden, haben unter HShen- sonnenbehandlung entweder keine Rachitis bekommen oder eine schon vorhandene ausgeheilt und zeichnen sich zur Beriehtszeit (Ende April) schon seit Wochen bis ~Ionaten dutch einen guten Zustand aus: Monothermie, bester Turgor und Tonus, keine motorisehe ~berregbar- keit, guter Appetit, lebhaftes, munteres Wesen, normaler Blutbefund, eutrophische l~eaktion auf wiederholte Zimmerinfekte. Auch die guten Gewiehtszunahmen sind mit Seltener Stetigkeit erfolgt und be- deuten alles andere als pastOsen Habitus. Ebenso war das L~ingen- wachstum der Kinder ausgezeiehnet, und dabei sind sie zum Teil schon erheblich fiber die Halbjahreswende hinweg.

Den besten Prtifstein fiir den Grad der Resistenz bildet wohl das Verhalten der Kinder auf einen gleichartigen Infekt. Als Beispieh Ende April wurde eine

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242 W. Schmitt:

starke grippale Infektion yon der Nachbarstation eingeschleppt und ergriff, wie deft, alle Kinder ohne Ausnahme in 4 Raumen unserer Station, ein 5. Raum (Neu- geburtenzimmer), 6rtlich und pflegerisch vollkommen getrennt, blieb frei. Der Infekt war aullergew6hnlich stark. 6 yon 18 Kindern zeigten als Komplikation Bronchopneumonien; davon starb eines, sine luetische Friihgeburt, die bereits recht guts Fortschritte gemach~ hatte. Ein 2. junges Kind (eben aufgenommen) war 5--6 Tage so krank, dal] mit seinem Ableben wiederholt gerechnet werden mu~te. Von ~4nseren monatelang vitaminreich gef/itter~en Kindern und ihren Kontrollen wurden folgende betroffen:

TabeUe d.

Nr. Name Vitaminzulage Kliniseher Verlauf; Komplikat ionen

10

11

B~i., Lothar, geb. 2. XI. 1925

Ba., l~udolf, geb. 18. XH.1925

:Hi., Margot , geb. 16. X. 1925

BiL, Alois, geb. 19. IX. 1928

Ko . , Johann Gg.,: geb. 28. X. 19Z5

Go., Army, geb. 5. VII. 19"25

Ko,, Hermann, geb. 4. IX. 1925

Ku., Auguste, eb. 2, VIII. 199.2

Se,, Rosmarie~ geb. 19. IX. 199-3

Ha.) Erhard , geb. 2. XI. 1925

HO., Ingeborg, geb. 1~. XI, 1925

Kei.n JB-VitaminI Ab 4. II. 1926. 50 g Orangensa# pro Tag. (Panse: 8. IV. bis 22. IV.)

Ab 15. X. 2,5 bis 3--4 g Hevitan pro Tag. (Fause: 2.--16. XL; 24. XL bis 7. XIL; 9. I. 1925 bis 11, II.; :i0. :IV. bis 10. V.)

Ab 2~. II. (15--25)--80 g Malzextrakt. Ab 17. XI. 1925. 40 g KaroitensaIt, ab

6. L 1926 ersetzt dureh (50~70--) 100 g Orangensaft . (Pause: 28. I. bis 4, LI.; 10. IV. bis 10. u

Ab 8. XL 1925. 4 g llevitan pro Tag. (Pause: 18. XII. 1925 bis 14. L 1926; 10. :IV. bis 27. IV.)

Ab 23~ IX. 1926. 85 g Malzextrakt. A b 27. L 1926. 50 g Orangen'saft pro Tag.

(Pause: 10. :IV. bis 23, :IV.)

Ab 23. I. 1926. 4--4x/2 g ltevitan pro Tag. (Pause: 10.--25. IV.)

Ab 2.11. 1926. 100 g Orangensa/t pro Tag. (Pause : 10.--25. :IV.)

Ab 14. L 19"26. 2 TeeL Ph..Lebertran pro Tag. (Pause : 10.--25. :IV.)

21. H. bis 9.1V. 8 g ltevitan, 50 g Orangen. sa/t pro Tag.

Ab 2. II. 1926: 8 g Hevitan pro Tag. (I 'ause: 9.--22. IV.)

!Starker , pfeifender Hus ten ; fib. beiden Lunge, grebe bronebitisehe R . - G . Appet i t und Allgemeinbeflnden kaum beeintr~ehtigt. l~asche Besserung.

Starker Hus ten ; Bronchitis, Nasenfliigeln. Un- ruhe und Mattigkeit. Hppet i t vermtndert.

Starker, keuchender Hus ten ; diffuse, bron- ehltisehe R.-G. Unruhe, schlechte I~uns. Appeti t verschleehtert . Rasehe ~esserung.

Starker Hus ten ; fiber beide Lungen grebe bronchit . P~.-G. Hllgemeinbeflnden kaum gestSrt. Rasebe Besserung.

Fri2hgebu~t! Starker Husten. Bronchitis. Am 3. Tag0 bronehopneumonisehe Herds beiderseits nachweisbar. Am 7. Tag naeh Besserung RiiekfaU mit neuen broncho- pneumonisehen Herden. Starke Umruhe. Allgemeinbeflnden wesentlieh beeintrich- tigt. Appet i t wenig vermindert .

Fr~thgeburtl Starker Husten, asthmatische Bronchit is ; Unruhe; Appeti t vermindert.

Frghgeburt/ Starker Hus ten ; fiber beiden Lungen bronehitische R,-G.; l~asenflfigelm Der an sich geringe Appeti t ist ganz ver- schwunden. Kind ist sehr blal~ und mit~ genommen.

Starker Hus ten ; Nasenfltigeln, inspiratorisehe Einziehungen am Thorax; am 2. Tag wer- den bronehopneumonisehe I~erde beiders. nachweisbar. Schwerkranker Eindmck. Rasche Besserung. l~ahrung auf l~ngere

�9 Zeit kaum belzubringen.

Starke as thmatlseh klingende Bronchitis. Appet i t vermindert . Allgemeinbeflnden kaum gestSrt.

Starker Hus ten ; grebe bronchitisehe R.-6. fiber beiden Lungen. Appet i t vermindert. Geringere Munterkeit.

Starker Hus ten ; Nasenfltlgeln. Bronehitisehe R.-G. beiders. Sehr weinerlich; appetitlos.

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Vitaminprobleme. II. 243

Wie die Tabelle 4 zeigt, haben also unsere ohne Vitaminzulage auf- gezogenen Kinder (1--6) fast durehweg einen relativ hohen Resistenz- grad erreicht. Anni Gold kann insofern den Kindern ohne Vitamin- zulage zugerechnet werden, als es so gut wie kein B-Vitamin bekam, obwohl es sich um eine sehr kleine Friihgeburt handelte. Bei Kind Kopp, das am sehwersten betroffen wurde, ist zu bedenken, da6 es sich um eine im elendesten Zustande aufgenommene Friihgeburt handelte

Tabdle 4.

Gewiehts- und Fieberkurve

,2./r. ~. r 18. 20. 'Y. 1.1~ a. s. 7. a. ff.

38 ~ ~ . . . . 38" Abb. 5--15,

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6600

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244 W. Schmitt:

und sieh neuerd ings R a c h i t i s b e m e r k b a r mach te . Diesen Effo lgen gegent iber k a n n jedenfal ls yon e inem Vor te i l de r v i t a min re i c h e rn~hr t en K i n d e r (Fa l l 7 - -11 ) n i e h t gesproehen werden l ) .

A b e r aueh sonst wurde uns be i H e i m i n f e k t e n sowohl was H e b u n g de r t~esistenz als was Anf~l l igke i t anbe lang t , hie ein besonderer Vor te i l de r m i t V i t a m i n z u l a g e n aufgezogenen K i n d e r deut l ieh .

Wenn es Reyher also bei eiwei/3- und /ettreichen _Nahrungsgemischen ohne Beri2clcsichtlgung der Vitamin]rage niemals gelungen ist, die be- stehende verminderte Resistenz naehweisbar zu heben, 8o ist es bei unseren Kindern unter gleiehen JBedingungen sehr wohl gelungen.

Jedenfa l l s h a t andere r se i t s eine monatelange reichliche Zu]iitterung yon B. und C-Vitamin kein besseres Ergebnis gezeitigt. U n d umgelcehrt sahen wir in einer Reihe yon Fallen auch nach monatelangen Vitamin. gaben noch keine Hebung der Resistenz. W i t verweisen h ier auf d ie K r a n k e n g e s c h i c h t e n Brunner, H6hn, Wilhelm, Barthelmd u n d Lang.

W a s n u n die An/dilligkeit be t r i f f t , so h a b e n schon Wertheimer u n d Wol] (s. Nassau) zeigen kSnnen, dal3 die H~uf igke i t , m i t de r e in S~ug- l ing e r k r a n k t , ledig l ich yon de r E x p o s i t i o n abh~ngt , de r E rn~hrungs - z u s t a n d abe r f a s t gleiehgfi l t ig is t (z i t ier t nach Nassau). L . F . Meyer u n d ~Vassau h a b e n in U b e r e i n s t i m m u n g d a m i t be i v i t a m i n r e i c h e r Er- n~hrung nur e inen ger ingen Rf ickgang der Zah l de r I n f e k t i o n e n fest- s te l len kSnnen ; u n d auch wir sahen s te t s al le oder fas t al le K i n d e r e ines In fek t ionsz immers e rk ranken , ganz gleichgfi l t ig ob m i t oder ob ohne V i t a m i n e ern~hr t . Wir k6nnen also nicht, wie G6tzky, der in e inem Z i m m e r von 12 K i n d e r n 3 ohne H e v i t a n z u l a g e an e inem I n f e k t e rk ranken , 9 m i t H e v i t a n z u l a g e f re ib le iben sah, eine geringere An/dllig- keit gegeniiber In]elcten bei vitaminreicher Erndhrung ]eststellen.

Eine weitere wiehtige Frage ist es, wie weir es under einem Infekt gelingt, die Resistenz dutch Zufiitterung yon Vitaminen so energisch zu heben, dab der Infekt leiehter verlituft und wesentlich abgekiirzt wird. Wie sehon eingangs er- w~hnt, erkl/irt t~eyher bier b~i den versehiedenartigsten Erkrankungen die besten Erfolge zu haben, und Contis Aufgabe war es ja, dies an dem Beispiel der Pyurie zu erweisen. Hier kann nattirlich nach unserer t~berzeugung nut ein nach hunderten yon F/illen z~hlendes Material mit ebensoviel m6gliehst gleiehartigen Kontrollen ein Entscheidung bringen. Man denke nur, wie lange es gedauert hat, bis die anti- raehitisehe Wirkung des Lebertrans bzw. die spezifisehe Wirkung des Diphtherie- heilserums anerkannt war, und wie z. B. heute noch tiber den Wert des Friedmann- schen Tuberkulosemittels die Meinungen schroff sieh gegenfiber stehen. Unsere Beobaehtungen sind hier viel zu gering, um ein Urteil zu/Mien. Wit wollen nur berichten, dab wit in einer Reihe yon F/tllen siehere Millerfolge (Tod trotz manch-

u) Dazu kommen weiter die Ergebnisse unserer Zwillingsparallelversuche; 3 Paare wenigstens zeigen, dab die in ihrer Resistenz bei der Aufnahme deutlich geseh/idigten Kinder sich allm~hlieh bessern, ganz gleieh, ob sie fiber viele Woehen zur Nahrung reichlieh Vitamin zugelegt bekamen oder ob ihnen auf lange Zeit die Vitamine noeh daraus naeh M6gliehkeitentzogen wurden.

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Vitaminprobleme. II. 245

mal wochenlanger Vitaminzufiitterung) konstatieren muBten, und umgekehrt hie den Eindruek einer sieher auf die Vitamine zu beziehenden Besserung gehabt haben. In dieser Frage wfirde am ehesten IOarheit zu schaffen sein, wenn Kliniken mit groBem Krankenmaterial fiber l~ngere Zeit im selben Saal, z. B. bei Pertussis jede 1. Aufnahme mit, jede 2. ohne Vitaminzulage behandeln wiirden, und evtl. daneben noeh Zimmer mit nur vitaminreich ern~hrten neben Zimmer mit nut vitaminarm ern~itLrten Keuchhustenkindern beobachten wtirden.

5. Der spasmoffene Ndhrschaden.

l~eyher hat in Anlehnung an die im Orient bekannte Beriberi-Krankheit beim S~ugling ein Krankheitsbild aufgestellt, das er spasmogenen N~hrschaden nennt und das dutch Mangel an B-Vitamin bedingt sein soU. Was ihre Symptomatologie betrffft, so sei auf Reyhers Referat, Arch. f. Kinderheilk. ~6, H. 3/4 ~erwiesen. I)azu gehSren aueh die B-avitaminotische Frfihgeburt, der Hertersche Infantilismus, der Pylorospasmus.

Einmal sei darauf hingewiesen, dab auch im Heimatlande der Beriberi (oder japaniseh Kakke) noeh durehaus keine absolute Klarheit fiber das Wesen der Krankhe~t herrseht und ihr Charakter als reine B-Avitaminose bestritten wird. Zum zwelten miissen wit feststellen, dab es uns in den letzten 11/2 Jahren nieht gelungen ist ein Kind zu beobachten, das die yon Reyher so anschaulich gesehilder- ten Symptome in einer Mehrzahl auf sich vereinigt h~tte. Das trifft auch ffir unsere Friihgeburten sowohl wie fiir unsere 3 Falle yon Herterschem Infantilismus (Brunner, HShn, Wilhelm) zu. "Hier sei lediglich nochmals konstatiert, dab bei diesen beiden fraglichen B-Avitaminosen eine Wirkung des Hevitans nieht be- obaehtet werden konnte. Was den Pylorospasmus betrifft, so ver(iffentlicht G6tzky 2 F~ille, bei denen er betont, daft sofort auf ttevitanzufiitterung das Er- breehen sistiert babe. Auch bier seien vorti~ufig nut kasuistiseh 3 F~ille erw~hnt, won denen namentlich der 1. bedeutsam ist, weft er trotz 6wfehiger reicher Hevitangaben nieht den mindesten Erfolg beobaehten lieI3.

1. Englert, Franz, geboren 12. III. 1926, erstes eheliehes Kind, normale Geburt, Gebm'tsgewicht 3700 g. Schwangevschaft normal, ohne Besehwerden. Mutter aB u.a . auch viel Gemiise, Obst w~hrend der Schwangerschaft. Brust- ern~hrung bis 3 Tage vor Einlieferung (28. IV. 1926). Das Kind begann bereits 8 Tage nach der Geburt kurz nach den Mahlzeiten hoch inl Bogen zu erbrechen, Verschlimmerung und Gewichtsabnahme trotz Atropin, das vom Hausarzt ver- sehrieben wurde. Aufnahmegewieht 3260g; deutliehe Magenperistaltik, sp~tter bildet sich eine deutlich ffihlbare Pyloruswalze herans. Trotz konzentrierter Er- nahrung, Atropin, Magenspiilungen, RectalinstiUationen, intraperitonealer In- fusionen keine Besserung des Breehens und langsame Gewiehtsabnahme. Auch Hevitan (ab 2. V. 3 g, ab 9. V. 4 g, ab 18. V. 5 g pro Tag) beeinfluBt die Breeh- neigung rdcht im geringsten. Das Kind sinkt bis 2800 g. Am 17. VL wird die schon frfiher erwogene Operation naeh Weber-.Ramstedt doch noch ausgeffihrt und verl~uft, gut. 22. VI. Wunde gut verheilt, Kind bricht kaum mehr,.nimmt langsam zu.

Epikrise: Sehwerer Pylorospastiker, der bereits seit 5 Wochen bricht, trotzt in 7wtiehigem Hehnaufenthalt jeder internen Behandlung. Vor allem wird 6 Wochen lang reiehlieh $Ievitan gegeben, wovon sicher 1 g pro Kilogramm Kfrpergewieht behalten wird. Trotzdem keine Abnahme der Brechreizung und zunehmende Atrophie.

2. Weber, ttermann, geboren 5. V. 1925; 6 Tage nach der Geburt tritt Er- brechen auf. Aufnahme 6. VI. 1925 mit 3700 g. Deutliehe peristaltisehe Magen- wellen, Pylorus nieht zu ffihlen. Interne Therapie ohne jeden EinfluB, ebenso

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ttevitan, yon dem ab 11. VI. 4 g pro die gegeben werden. Das Kind sinkb rasch bis aid 3100 g; am 16. VI. auf Wunsch der Eltern nach Hause entlasscn (Ted am 16. VL abends).

3. Birkstein, Ella, geboren 19. IV. 1925, aufgenommen 3. VI. 1925 mit 2960 g. Seit 8 Tagen Erbreehen. Deutliche Magenperistaltik. Pylorus nicht ftihlbar. Nachdem jede interne Therapie vergeblich war, wird ab 11. VI. auch Hevitan gegeben (4 g pro die). Nicht der geringste Erfolg zu beobaehten, Kind sinkt bei starkem Erbrechen welter auf 2640 g. 21. VL pl6tzlicher Kollaps, Exitus. Sektion zeig~ starken Pylorospasmus, beginnende Pylorushypertrophie.

III. Zusammenfassung. Fassen wir nun zum SehluS die wesentlichsten Ergebnisse unserer

gesamten Untersuchungen zusammen, so ergibt sich folgendes: 1. Wit sahen Raehitis trotz reiehlicher und konsequenter Fiitterung

yon B- und C-Vitamin entstehen; sie heilte unter B- und C-Vitamin nur, wenn schon Heilungstendenz vorhanden war. H6hensonne'dagegen vermochte Rachitis fast mit Sicherheit aueh bei vitaminarmer Er- ni~hrung zu verhtiten bzw. zu heilen.

2. Wit haben uns yon einer ansatzfSrdernden Wirkung des Hevitans nicht iiberzeugen kSnnen. Eine appetitanregende Wirkung wurde nie beobachtet.

3. Vergleichende Fiitterungsversuche an 3 friihgeborenen Zwillings- paaren, sowie therapeutische B-Vitaminversuche an weiteren 18 Frfih- geburten konnten im Vergleieh zu unserem fibrigen Frtihgeburten- material nie yon einem erhbhten Bedarf der Friihgeburten an B-Vita- min iiberzeugen, vielmehr sprach der therapeutisehe MiSerfolg meist dagegen. DaB die meisten Frfihgeburten auf B-avitaminotischer Grundlage zustande kommen, ist schon deshalb nnwahrseheinlieh, weil in Beriberil~ndern bei Beriberimfittern eine I~eigung zu Frfih- geburten unbekannt zu sein scheint.

4. Es ist uns im Gegensatz Z u Reyher gehmgen, im letzten Winter in allen fiber mehrere Monate fortgeffihrten Kontrollf~llen bei den gewShnlichen Milchmischungen yon einer nach dem Tierexperiment wenigstens C-armen Milch ohne weitere Vitaminzufuhr die Resistenz naehweislich zu heben oder fiber viele Monate auf der Hbhe zu halten. Mit konsequenter monatelanger B- und C-Vitaminbeifiitterung lies sich kein.besseres Resultat erzielen. In einer Reihe yon F~llen konnte andererseits die Resistenz auch durch monatelange reichliche B + C- Vitaminbeiffitterung nieht merkbar gehoben werden.

Auch di e Anfi~lligkeit liel~ sich durch B A-C-Vitaminbeiffitterung nicht verringern.

5. In 3 F~llen yon Hertersehem Infantilismus, der den schwersten Grad des B-avitaminotischen spasm0genen N~hrschadens darsteUen sell, blieb B-Vitamin fiber Monate wirkungslos. Ebenso lies sich in 3 F~llen

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Vitaminprobleme. II. 247

yon Pylorospasmus, der ebenfalls hier eingereehnet werden sell, yon B-Vitamin nicht die geringste Wirkung feststellen.

Schlu[J/olgerungen. 1. Die Auffassung der I~achitis als gemischten B-[-C-avitamino-

tisehen Nhhrschaden lehnen wir ab. Die sichere therapeutischo Wirkung der Quarzlampe stellen wir erneut lest.

2. Das Vorkommen einer B-avitaminotischen Fr/ih- oder Schwach- geburt in Deutschland ist unbewiesen und erseheint uns zweifelhaft. DaB gar die gr6Bte Gruppe yon Friihgeburten avitaminotisch bedingt sein sell, lehnen wir ab.

3. Ebenso miissen w i r e s ablehnen die Dysergie als spezifisches Symptom infolge Vitaminmangels aufzufassen und anzunehmen, dab die resistenzerhShende Wirkung eine ausschlieBliche spezifische Eigen- schaft der Vitamine darstellt.

4. Wir mfissen naeh unseren Versuchen annehmen, dab wenigstens in unserer Gegend die /ibliehe S~uglingskost auch im Winter immer noch geniigend Vitamine enthi~lt, um den sicher minimalen Bedarf des Si~uglings zu befriedigen. Erst besondere Sehadigungen einerseits und besondere Bedingungen beim Kinde (Konstitution, sehwere Er- krankungen usw.) andererseits scheinen den Boden fiir das Manifest- werden avitaminotischer Schi~den zu bereiten. Dabei konnten wit uns jedoch in unseren Versuchen yon einem Vorkommen B-avitaminotiseher Ni~hrsch~den bei uns nicht iiberzeugen.

Wfirzburg, Univ.-Kinderklinik.