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VO Einführung in die Methoden der Kultur- und Sozialanthropologie 3.Einheit Boas, Malinowski & Ausgewählte wissenschaftstheoretische und methodische Grundlagen der empirischen Sozialforschung

Vo3 2010 neu

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  • 1. VO Einfhrung in die Methoden der Kultur- und Sozialanthropologie 3.Einheit Boas, Malinowski & Ausgewhlte wissenschaftstheoretische und methodische Grundlagen der empirischen Sozialforschung

2. Boas

  • Vergleichbarkeit wird extrem erschwert bis unmglich
  • Kulturen als eigenstndige Einheiten, die primr aus sich selbst herausverstandenwerden mssen
  • Der von Boas etablierte historische Partikularismus ist:
  • partikularistisch&relativistisch,nicht universalistisch
  • das Vorgehen induktiv,nicht deduktiv
  • und diachron,nicht synchron

3. NW-Coast Amerikas

  • Haida, Klingit, Kwakiutl
  • Sehaft
  • Drfer
  • Aneignende Wirtschaftsform

4. Aboriginies Australiens

  • Jger und Sammler
  • einfachste materielle Kultur
  • Komplexe Sozialorganisation
    • Kariera (4 Heiratsklassen, Heiratsbeziehungen bleibt ber Generationen gleich)
    • Aranda (8 Heiratsklassen, alternatierende Generationen)
    • Sprache

5. Torres Straits Expedition (1898 1899)

  • Forschergruppe bestehend aus Linguisten, Psychologen, Anthropologen, Musikwissenschafter, Pathologen, Zoologen
  • Expedition als Wendepunkt in der britischen Sozialanthropologie:
    • Verankerung von Feldforschung in anthropologischerAusbildung
    • Objekt d. Forschung nicht mehr Kultur generell, sondern spezielle lokale Gesellschaften
    • Neuerungen in der Methodologie: Rivers genealogische Methode; Kinship terms
    • Rivers u. Seligman (beide naturwissenschaftlich ausgebildet) als Schlsselfiguren in der Ausbildung der nchsten Generation brit. Sozialanthropologen

6. Bronislaw Malinowski (1884 - 1942)

  • zhlt gemeinsam mit A. R. Radcliffe-Brown zu den Begrndern der britischen Sozialanthropologie .
  • Sein Bekanntheitsgrad reicht weit ber das Fach hinaus, so greift u.a. S. Freud auf Malinowskis Arbeiten zurck.
  • Malinowski gilt als derInitiator der modernen ethnographischen Datenerhebungund desFunktionalismusals theoretische Strmung innerhalb der Sozialanthropologie.

7. B. Malinowski

  • In Krakau geboren
  • Studierte Mathematik, Physik und Philosophie
  • dann in Leipzig Psychologie bei W. Wundt
  • London Anthropologie bei E. Westermarck und C.G. Seligmann
  • Argonauten des westlichen Pazifiks (1922)
  • Trobriand Inseln (PNG) - Kula
  • Grundlage der modernen Feldforschung

8. DieGrundzgedes (strukturalen) Funktionalismus sind:

  • richtete sichgegendie spekulativen Rekonstruktionen derEvolutionistenund die vergleichende Methode derarmchair-anthropologists
  • Im Gegensatz zu Franz Boas ist der Funktionalismus ahistorisch(synchron) eingestellt, da die historische Perspektive nur bei Vorhandensein exakter schriftlicher Belege angestrebt werden kann
  • Organismusanalogie : die Gesellschaft wird mit einem biologischen Organismus verglichen, in dem die einzelnen Organe zusammenwirken mssen(Funktion ), um den Erhalt des gesamten Krpers(Struktur)sicherzustellen
  • Gesellschaften bzw. ihre Teile strebennach Ordnung (Equilibrium)und verlaufen nach bestimmten Mustern; der harmonische Zustand ist relativ stabil, Konflikte tendieren zu einem neuerlichen Equilibriumszustand

9. DieGrundzgedes (strukturalen) Funktionalismus sind:

  • Ziel ist das Herausfinden vonGesetz- bzw. Regelmigkeitendes sozialen Lebens im naturwissenschaftlichen Sinne
  • die Kulturtheorie von Bronislaw Malinowski leitet die wesentlichen Institutionen alsKulturreaktionen auf menschliche Grundbedrfnisseab (obsolet)
  • Im strukturellen Funktionalismus (Radcliffe-Brown) im Mittelpunkt der Forschungen stehen die sog.Institutionenals Kristallisationspunkte (nach Durkheim);

10. B. Malinowski - Methode

  • Mit Leichtigkeit lieen sich hoch geachtete, wissenschaftlich ausgewiesene Arbeiten anfhren, in denen uns pauschale Verallgemeinerungen vorgelegt werden, aus denen wir aber nicht im geringsten erfahren, aufgrund welcher tatschlichen Beobachtungen die Verfasser ihre Schlsse gezogen haben. Kein besonderes Kapitel, kein Abschnitt ist dem Versuch gewidmet, die Bedingungen zu beschreiben, unter denen Beobachtungen gemacht und Informationen gesammelt wurden. Ich bin der Meinung, da nur solche ethnographischen Quellen von zweifelsfreiem wissenschaftlichen Wert sind, in denen klar die Grenze gezogen werden kannzwischen den Ergebnissen direkter Beobachtung ,Berichten und Interpretationen der Eingeborenenauf der einen Seite und denSchlufolgerungen des Autors , die sich auf dessen gesunden Menschenverstand und sein psychologisches Einfhlungsvermgen sttzen, auf der anderen Seite."(Malinowski 1979: 24f)
  • Trennung von Beobachtung und Interpretationen der Eingeborenen
  • Trennung von Daten und Analyse

11. Malinowski- Probleme des Felddeinstieges Schwierigkeit Beziehung mit dem Feldaufbauen.Das Ergebnis, das sich dabei einstellt, beschreibt Malinowski mit einem " Gefhl der Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung " und der Unmglichkeit, in " eine wirkliche Berhrung mit den Eingeborenen zu kommen oder mich mit irgendwelchem Material zu versorgen. Ich erlebte Perioden der Mutlosigkeit, whrend derer ich mich im Romanlesen vergrub, hnlich einem Mann, der im Anfall tropischer Depression und Langeweile zu trinken beginnt. " (Malinowski 1979: 26f)Weien vor Ort keine Hilfe fr die Feldforschung ,mangelnde Kenntnis der lokalen Sprache ,die daraus resultierende Unmglichkeit zu lokalen Interpretationen aus der Sicht der Eingeborenenzu kommen.Beobachtungen bleiben totes Material 12. Malinowski-Das Geheimnis der Feldforschung

  • Er fasst diemethodischen Prinzipienin drei Bereichen zusammen:
  • den wissenschaftlichen Zielen und Kriterien,
  • den Arbeitsbedingungen vor Ort und
  • den Methoden ds Sammelns, Aufbereitens und Sicherns der Daten .
  • " Zuerst mu der Forscher natrlich wirklich wissenschaftliche Ziele haben und die Kriterien und Wertmastbe moderner Ethnographie kennen. Zweitens sollte er sich gute Arbeitsbedingungen schaffen, das heit hauptschlich, er sollte ohne andere Weie direkt unter den Eingeborenen leben. Schlielich mu er eine Reihe besonderer Methoden des Sammelns, Aufbereitens und Sicherns seines Belegmaterials anwenden. " (Malinowski 1979: 28)

13. Malinowski-passive & aktive Methoden "Aber der Ethnograph mu nicht nur sein Netz am rechten Ort auswerfen und auf das warten, was sich darin fngt. Er mu aktiver Jger sein, das Wild in sein Netz hineintreiben und ihm in seine unzugnglichen Verstecke folgen. Dies fhrt uns zu den aktiveren Methoden, ethnographische Zeugnisse zu erlangen."(Malinowski 1979: 30) Feldforschung beschrnkt sich nicht nur auf passive Beobachtung im Sinne eines "deep hanging round". Es kommen vielmehr, im Sinne einerMethodentriangulation , unterschiedliche methodische Verfahren, wie z.B. Interviews und gezielte Befragungen zum Einsatz. Ethnographie beruht somit auf demflexiblen Einsatz verschiedener methodischer Strategien . 14. Malinowski-Die Suche nach Ordnung und Gesetzmigkeiten Das primre Ziel der Feldforschung ist, nach Malinowski,allgemeine Gesetz- und Regelmigkeiten des sozialen Zusammenlebens und der kulturellen Phnomenezu identifizieren. Auch hier kommt einepositivistische Grundorientierungzum Ausdruck, derenprimres Erkenntnisinteresse auf Erklrungenin Form allgemeiner Gesetzmigkeiten abstellt.Das starre Skelett des Stammeslebens mu zuerst ermittelt werden."(Malinowski 1979: 32f; eigene Hervorhebungen) 15. Positivismus

  • Die vier zentralen Grundannahmen des Positivismus knnen wie folgt zusammengefasst werden:
  • Auguste Comte (1798-1857)
  • 1) Es existiert eine einzige Art von Wirklichkeit;
  • 2) Die einzige Erkenntnisquelle ist die sinnliche Erfahrung;
  • 3) Der Positivismus geht von der Einheit der Wissenschaft aus (Methodenmonismus) und
  • 4) lehnt alle nicht-deskriptiven, d.h. metaphysischen Aussagen ab.

16. Neopositivismus

  • Wiener Kreis (1922-1936), einer Gruppe von WissenschaftstheoretikerInnen (Rudolf Carnap, Otto Neurath, Kurt Gdel, Moritz Schlick, u.a.), geprgt.
  • Er fgt den Grundannahmen des klassischen Positivismus die mathematische Logik, sowie - in Anlehnung an Ludwig Wittgenstein - die Sprachkritik, hinzu.
  • Sinnkriterium. Diesem zufolge wurden nur solche Aussagen als sinnvoll akzeptiert, die sich empirisch verifizieren lassen. Empirisch nicht verifizierbare Aussagen, z.B. ber Gott, Engel oder Geister, waren demnach empirisch sinnlos, metaphysisch und nicht wissenschaftlich angesehen

17. Sir Karl Popper (1902- 1994) Kritischer Rationalismus

  • Kritisiert Theorem der Verifikation von AussagenHauptwerk "Logik der Forschung" (1935)
  • "alleAussageneiner empirischen Wissenschaft" - sofern sie unzutreffend sind - "prinzipiell an der Erfahrung scheitern knnen" (Popper 1971: 15).
  • D.h. siemssen auch falsifizierbar sein
  • "Morgen wird es regnen oder nicht regnen." wahr und empirisch berprfbar aber nicht falsifizierbar und deshalb wissenschafltich unbrauchbar.
  • Positivismus und Kritischer Rationalismus vertreten einen Methodenmonismus , d.h. egal ob Naturwissenschaften oder Sozial- und Geisteswissenschaften, die methodischen Zugnge zur Wirklichkeit sind im Grunde die gleichen, auch in den Sozialwissenschaften besteht der Fortschritt der Erkennntis in einer zunehmenden Annherung an eine objektiv existierende Welt.
  • steht im Gegensatz zumMethodendualismus , der davon ausgeht, dass sich die methodischen Zugnge zur Wirklichkeit in den Sozial- und Geisteswissenschaften von jenen der Naturwissenschaften unterscheiden.

18. Malinowski-Das Skelett: die Dokumentation objektiver Daten Malinowski geht davon aus, dass " das starre Skelett des Stammeslebens (...) zuerst ermittelt werden (muss). Dieses Ideal bringt an erster Stelle die Verpflichtung mit sich, eine vollstndige bersicht ber die Phnomene zu geben und nicht das Sensationelle und Einzigartige, schon gar nicht das Lustige und Wunderliche herauszulesen. " (Malinowski 1979: 33) Es geht hierbei um einesystematische und umfassende Dokumentation einzelner Flle , die dazu dienen,Ordnungsprinzipien, Regeln und Regelmigkeitendie diesen Fllen zugrunde liegen, zuidentifizieren . Es geht also um das Sammeln von konkreten Belegmaterialien aus demgeneralisierende Schlssegezogen werden knnen. 19. Malinowski-Das Fleisch: Teilnahme und Deskription des sozialen Lebens

  • . Dem "Skelett der Stammesorganisation fehlt allerdings"Fleisch und Blut",welche die Wirklichkeit des menschlichen Lebens veranschaulichen.
  • die Regeln und Ordnungen sind ihrer "Exaktheit dem wirklichen Leben fremd, das niemals starr irgendwelche Regeln befolgt". (Malinowski 1979: 41)
  • Diese Regeln mssen durchteilnehmende Beobachtungergnzt werden, welche veranschaulicht,wie etwas durchgefhrt wirdaber auch ermglicht, immer auftretende Ausnahmen darzustellen.
  • Dabei handelt es sich um Phnomene, die " in ihrer vollen Wirklichkeit beobachtet werdenmssen". (Malinowski 1979: 42f) Diese nennt Malinowski die Imponderabilien des wirklichen Lebens und typischen Verhaltens, welche dokumentiert und aufgezeichnet werden mssen.
  • Dabei ist es notwendig " da dies nicht in Form der Registrierung oberflchlicher Einzelheiten geschieht, wie ungebte Beobachter dies gewhnlich anstellen, sondern in dem Bemhen, in die Geisteshaltung einzudringen, die in ihnen ihren Ausdruck findet. " (Malinowski 1979: 43)

20. Malinowski-Der Geist: die Sammlung charakteristischer Erzhlungen Neben dem Skelett und dem Fleisch sollte auch noch der Geist, d.h. "die Anschauungen, Meinungen und uerungen der Eingeborenen" (Malinowski 1979: 46) festgehalten werden. Das dritte Gebot der Feldarbeit lautet also: Ermittle die typischen Formen des Denkens und Fhlens, die den Institutionen und der Kultur einer bestimmten Gemeinschaft zugehren und formuliere die Ergebnisse in der berzeugendsten Weise. (Malinowski 1979: 47) Um die Anschauungen, Meinungen und uerungen der Untersuchten berzeugend zu dokumentieren, ist es notwendig, deren Aussagen wortwrtlich zu zitieren sowie Begriffe aus der Klassifikation der Eingeborenen zu verwenden. Hier stellen sich wieder die Notwendigkeit der Sprachkenntnisse und Probleme der bersetzung. Malinowski bezeichnet dieses linguistische Material auch alsCorpus Inscriptionum , welcher die Grundlage fr unterschiedliche Interpretationen ist. 21. Nicht-positivistische Wissenschaftstheoretische Paradigmen

  • Wilhelm Dilthey(1833-1911)Natur/Geisteswissenschaften
        • nomothetisch/ ideographisch
        • erklren / verstehen
  • Hermeneutik : die "Kunst" des Verstehens und der deutenden Auslegung von Texten, Verhaltensweisen und Kulturmustern.
  • Gadamer, Habermas (Sinnkritik), Geertz
  • Pragmatismus:Charles S. Peirce, William James, John Dewey, George Herbert Mead.
  • die Bedeutung einer Sache liegt in den Konsequenzen, die sich aus dem praktischen Handeln ergeben. Diese Konsequenzen mssen erfahren werden und diese Erfahrung sei immer perspektivisch geprgt. Die handlungspraktischen Konsequenzen, d.h die Bedeutung welche Phnomene fr die Handelnden haben, werden somit zum Wahrheitskriterium innerhalb des Pragmatismus.
  • Phnomenologie(griech.phainomenonSichtbares, Erscheinung;logosRede, Lehre) ist die Lehre bzw. Untersuchung der Erscheinungen, des Phnomens als Gegebenes im Gegensatz zum Logos, der Zugangsart.
  • Edmund Husserl (1859-1938)

22. Literatur

  • Barth, F. et al (2005) One Discipline, Four Ways: British, German, French, and American Anthropology. Chicago und London: University of Chicago Press
  • Boas, Franz. 1896. "The limitations of the comparative method in anthropology."Science4(November):901-8.
  • Gingrich, Andre; Richard Fox (eds.) (2002) Anthropology, by comparison. London. Routledge
  • Malinowski Bronislaw (1979) Argonauten des westlichen Pazifiks. Frankfurt/Main: Syndikat. p.11-48(Pflicht!)
  • Urry, J. (1984) A history of field methods. In: Ellen, R.F. (ed.) Ethnographic Research. A Guide to General Conduct. London [u.a.]: Academic Press. p. 35-61.(Pflicht!)
  • Tylor, Edward B. 1994. On a Method of Investigating the Development of Institutions; Applied to Laws of Marriage and Descent. InThe Collected Works of Edward Burnett Tylor. Journal Articles 1863-1900 . London: Routledge. [1889]