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Investors’ Insight Vontobel Asset Management Von der Finanz- zur Schuldenkrise: Auswirkungen auf Wirtschaft und Finanzmärkte

Von der Finanz- zur Schuldenkrise: Auswirkungen auf Wirtschaft und Finanzmärkte

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Investors' Insight zur Schuldenkrise. Eine aktuelle Studie der Vontobel-Gruppe beleuchtet die Auswirkungen der anhaltenden Staatsverschuldung in Europa, Asien und den USA auf die Wirtschaft und die Finanzmärkte. Die Autoren prognostizieren für die kommenden Jahre "tektonische Verschiebungen" im Bereich der Schuldenentwicklung sowie der Geld- und Fiskalpolitik.

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Von der Finanz- zur Schuldenkrise: Auswirkungen auf Wirtschaft

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DisclaimerObwohl die Bank Vontobel der Meinung ist, dass die hierin enthaltenen Angaben auf verlässlichen Quellen beruhen, kann die Bank keinerlei Gewährleistung für die Qualität, Richtigkeit, Aktualität oder Vollständigkeit der in dieser Studie ent haltenen Informationen übernehmen. Dieses Dokument dient nur zu Informationszwecken und ist weder eine Auf forderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren, noch zur Abgabe eines Kauf- oder Zeichnungsangebots.Diese Studie wurde vom Bereich Asset Management unseres Institutes erstellt und ist nicht das Ergebnis einer Finanz analyse. Die «Richtlinien zur Sicherstellung der Unabhängigkeit der Finanzanalyse» der Schweizerischen Bankiervereinigung finden auf der Studie keine Anwendung. Jede Verwendung, insbesondere der gesamte oder auszugsweise Nachdruck oder die Weitergabe an Dritte, ist nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung der Bank Vontobel AG gestattet.

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Die Staatsschulden der meisten entwickelten Länder wer-den über die kommenden 3 bis 5 Jahre weiter steigen. Dies ist eine direkte Folge des eben erst begonnenen Ent-schuldungsprozesses (Deleveraging) des privaten Sektors. Besonders gravierend ist die Lage in den USA, Gross-britannien und Spanien, wo die private Verschuldung – insbesondere im Immobilienbereich – besonders hoch und die Immobilienpreise besonders stark gefallen sind. In dieser Phase hätte ein Abseitsstehen des Staates aus kon-junktureller Sicht fatale Folgen.

«Solange der private Sektor nicht

selbständig genügend Nachfrage

generiert, muss der Staat diesen

Ausfall kompensieren.»

Solche Perioden sind von einem unterdurchschnittlichen Wirtschaftswachstum und tiefen Zinsen geprägt und wer-den einige Jahre in Anspruch nehmen. Erst anschliessend gilt es, den Staatshaushalt zu sanieren und die Schulden abzubauen. Erfolgreiche Beispiele auch aus der jüngeren Vergangenheit zeigen, unter welchen Bedingungen staat-licher Schuldenabbau möglich ist und unter welchen nicht. Schliesslich führen wir einen neuen Indikator zur Beur-teilung der Obligationenrisiken der Länder ein (Vontobel Fiscal Risk Index FRI). Dabei zeigt sich, dass Obligationen gewisser scheinbar riskanter Länder heute attraktiver sind als solche auf den ersten Blick sicherer Länder. Dies legt eine aktive Bewirtschaftung eines Bondportfolios nahe.

Vorwort

Die Studie folgt folgendem Aufbau:

Kapitel 1 zeigt in einem kurzen historischen Rückblick die Gründe zur Entstehung der Finanz- und Immobilienkrise und erläutert die besondere Bedeutung und Notwendig-keit fiskalischer Stimulierung während Immobilienkrisen.

Kapitel 2 erläutert, warum es zu einer Verschiebung der Schulden vom Privatsektor zum Staat kommt und wel-ches die Folgen auf Wirtschaft und Finanzmärkte sind.

Kapitel 3 zeigt die Probleme auf, welche sich durch hohe Staatsschulden ergeben.

Kapitel 4 geht der Frage nach, ob Schuldenabbau über-haupt möglich ist und wenn ja, unter welchen Bedingungen.

Kapitel 5 widmet sich der Überalterungsproblematik und deren Auswirkungen auf die Staatsschulden.

Kapitel 6 zeigt anhand des neuen Vontobel Fiscal Risk Index (FRI), welche Staatsobligationen vom Markt zu negativ bewertet werden und damit aus Investorensicht attraktiv erscheinen und welche nicht.

Kapitel 7 zeigt Konklusionen für den Investor auf.

Dr. Thomas Steinemann, Chefstratege Vontobel Gruppe

Dr. Walter Metzler, Senior Economist

Dr. Ralf Wiedenmann, Leiter Makroresearch

März 2010

Page 4: Von der Finanz- zur Schuldenkrise: Auswirkungen auf  Wirtschaft und Finanzmärkte

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Immobilien bilden in vielen Ländern einen wesentlichen Bestandteil des privaten Vermögens. In den USA schätzt man, dass Wertpapiere inklusive Pensionsgelder durch-schnittlich etwa 66% des Vermögens ausmachen, Im-mobilien immerhin bis zu 30%. Typischerweise werden Immobilien zu einem grossen Teil mit Hypotheken finan-ziert, welche oftmals auch noch staatlich subventioniert sind. In den USA wurde der Immobilienbesitz besonders gefördert, indem die Clinton-Administration Mitte der 90er Jahre den Erwerb von Wohneigentum stark förderte (siehe Grafik 1) und die Banken im Zuge steigender Im-mobilienpreise mit einer zu laschen Kreditvergabepolitik mitzogen: Die Saat der «Subprime-Krise» war gesät.

Kapitel 1: Was ist eigentlich das Problem bei Immobilienkrisen? Die private Verschuldung!

Solange die Häuserpreise weiter stiegen, war dies für alle Beteiligten eine «Win-Win-Situation»: Der steigende Wert der Immobilien führte dazu, dass man die Belehnung noch weiter erhöhen konnte (home equity extraction), was dem Konsum und auch dem Wirtschaftswachstum zugute kam. Die Bilanzen der Privaten blähten sich auf: Die Aktivseite durch den steigenden Wert der Immobi-lien und die Passivseite durch wachsende Schulden. Die Banken konnten weiter Kredite vergeben und die Invest-mentbanken begannen die Schulden zu verpacken und weiterzuverkaufen. Aber auch der Staat profitierte durch hohe Steuereinnahmen. Die hohen Staatsschulden vieler Länder Mitte der 90er Jahre konnten bis vor Ausbruch der Finanzkrise 2007 substantiell reduziert werden (siehe Gra-fik 5). Die Tiefzinspolitik des US Fed unter Alan Greenspan schliesslich goss – wenn auch unabsichtlich – Öl ins Feuer und beschleunigte nur noch das wilde Treiben.

Mit den rückläufigen US-Immobilienpreisen ab 2007 kam es zur Umkehrung des gesamten Prozesses. Die fallenden Immobilienpreise zwangen und zwingen weiterhin die Haushalte, Schulden abzubauen und den Konsum einzu-schränken. Es handelt sich somit um eine Bilanzschrump-fung bei den Privaten. Der Schuldenabbau und der damit einhergehende Konsumverzicht führen zur Rezession. In dieser Situation gibt es für den Staat nur zwei Möglichkei-ten: Entweder nichts zu tun und eine grosse Depression mit einer Arbeitslosigkeit von vielleicht 30% zu riskieren, oder die Staatsausgaben nach oben zu fahren und so einen Teil des privaten Konsum- und Investitionsausfalls zu kompen-sieren. Die schlimme Erfahrung der 30er Jahre zeigt aber, dass es wohl richtig ist, den zweiten Weg zu gehen und steigende Defizite und Staatsschulden – vorübergehend –

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Prozentsatz der Haushalte, die Wohneigentum besitzen

Quelle: Datastream, Vontobel

Grafik 1: USA, Anteil der Haushalte, die Wohneigentum

besitzen, in Prozent.

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Saldo des Privatsektors

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Gesamtstaatlicher Haushaltssaldo Kapitalbilanzsaldo

Quelle: Federal Reserve Flow of Funds, Vontobel

Grafik 2: Die fiskalischen Salden Privatsektor, Staat und Aussen­

wirtschaft müssen sich immer ausgleichen.

USA: Finanzsalden nach Sektor in % des BIP

Es ist somit kein Zufall, dass Mitte der 90er Jahre eine grosse Zunahme der privaten Verschuldung der amerika-nischen Haushalte erfolgte. In Grafik 2 sieht man, dass der private Sektor bis Mitte der 90er Jahre netto sparte (rote Balken im positiven Bereich), anschliessend aber die Ver-schuldung einsetzte (rote Balken im negativen Bereich). Zwar geht nicht der gesamte private Schuldenaufbau seit 1997 ausschliesslich auf Immobilienerwerb und somit Hy-potheken zurück. Aber die anziehenden Immobilienpreise seit 1997 (siehe Grafik 3) und die Clinton-Kampagne wa-ren ein Cocktail, der auch die Banken mitziehen liess und zu einer zu nachlässigen Kredit- und speziell Hypotheken-vergabepolitik führte.

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in Kauf zu nehmen. Dennoch kann sich der Staat nicht aus einer Mitverantwortung an der Finanz- und Schuldenkrise stehlen: Durch das in vielen Ländern staatlich geförderte und letztlich garantierte Wohneigentum auf Pump und die De-facto-Staatsgarantie grosser Banken, trägt er zweifels-frei eine Mitverantwortung an der aktuellen Krise.

Zu den «privaten Schulden» gehören neben den Haushal-ten auch die Unternehmen und die Finanzinstitutionen. Zusammen mit den Staatsschulden ergeben diese drei Bereiche die Gesamtverschuldung eines Landes. Die Gesamtverschuldung ausgewählter Staaten (Stand Ende 2008) präsentiert sich dabei wie folgt (siehe Grafik 4):

Auffallend ist, dass nicht alle Länder, die hohe Gesamt-schulden haben, auch eine hohe Staatsverschuldung haben. Spanien, Südkorea oder die Schweiz sind Beispiele dafür. Spanien etwa, das zurzeit als ein weiterer Krisen-kandidat im Euro-Raum bezeichnet wird, hat eine tiefere Staatsverschuldung als Deutschland. Hingegen weisen die USA, Kanada, Grossbritannien und Spanien eine sehr hohe Verschuldung der privaten Haushalte und des Unter-nehmenssektors auf, die in nächster Zeit abgebaut werden müssen. Obwohl die Schweiz im Quervergleich der auf-geführten Länder die höchste Verschuldung der privaten Haushalte aufweist (118% des BIP), ist der Druck zu Korrekturen geringer, weil die Qualität der Verschuldung höher ist (hohe Finanzvermögen der Haushalte, vorsichti-ge Kreditpolitik, längere Zinsbindungsfristen). In den USA,

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US S&P/Case-Shiller home price index10-City Composite NADJ

Quelle: Datastream, Vontobel

Grafik 3: Immobilienpreise in den USA und Landpreise in Japan.

Quelle: Mc Kinsey Global Institute

Grafik 4: Aufteilung der Schulden ausgewählter Länder in vier Sektoren.

Grossbritannien und Spanien steht zudem der kommer-zielle Immobiliensektor unter Druck, in Spanien zusätzlich auch Teile des Unternehmenssektors sowie der Banken. Auffällig ist zudem die tiefe Verschuldung aller Sektoren in den grossen Schwellenländern wie China oder Russland. Will man Schlüsse aus einem möglichen «Staatsbankrott», Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum oder die Zinsen ziehen, wird eine länderspezifische Differenzierung des Begriffs «Verschuldung» nötig. Das Thema wird in den Kapiteln 3 und 6 nochmals aufgenommen.

Page 6: Von der Finanz- zur Schuldenkrise: Auswirkungen auf  Wirtschaft und Finanzmärkte

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Die rückläufigen Immobilienpreise und der dadurch not-wendig gewordene Schuldenabbau führten dazu, dass der private Sektor in den USA zum ersten Mal seit Mitte der 90er Jahre von einem Nachfrager zu einem Anbieter von Kapital im Umfang von 6% des BIP wurde (siehe rote Balken in Grafik 2). Im Gegenzug konnte der Staat seine Ausgaben erhöhen und das Defizit erreichte 2009 rund 10% des BIP (blauer Balken in Grafik 2).

Die niedrigere Kapitalnachfrage von öffentlichem und privatem Sektor zusammen trägt wesentlich dazu bei, dass die Zinssätze am Kapitalmarkt trotz der hohen Mit-telaufnahme des Staates tiefer liegen als vor der Finanz-krise. Solange wir uns also in einem Entschuldungsprozess (Bilanzrezession) befinden, ist davon auszugehen, dass die Zinsen aufgrund des hohen Kapitalangebots tiefer bleiben werden als vielfach angenommen wird. Das Beispiel Japans zeigt dies auf eindrückliche Weise. Da in Japan die Landpreise seit dem Platzen der dortigen Immobili-enblase während der vergangen 20 Jahre kontinuierlich fielen (siehe Grafik 3), mussten die Unternehmen ihre Einkünfte zum laufenden Schuldenabbau verwenden1. So blieb wenig für Investitionen und Konsum übrig. Dies war ein Grund für das lang anhaltende schwache japanische Wirtschaftswachstum. Der Entschuldungseffekt führt dazu, dass das inländische Kapitalangebot stark steigt, die Zinsen tief bleiben und Ausländer mit 7% nur einen sehr geringen Anteil an den japanischen Schulden finanzieren.

Studien zeigen2, dass die Entschuldung der Staaten im Durchschnitt zwei Jahre nach Ausbruch einer Finanzkrise einsetzte und rund sechs bis acht Jahre dauerte. Dies dürfte bei der aktuellen Krise vermutlich länger dauern. Der Grund liegt darin, dass in der Vergangenheit die Exporte eine wichtige Rolle beim Wirtschaftswachstum spielten; auf Grund der globalen Dimension der Verschul-dung – ausgenommen sind die Schwellenländer – ist eine gleichzeitige Ausweitung der Exporte unwahrscheinlich. Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht davon aus, dass die Staatsschulden vieler entwickelter Länder noch bis 2014 ansteigen. Diese Annahme erscheint realistisch. Während eines privaten Entschuldungsprozesses muss der Staat durch eine Fiskalstimulierung in die Bresche springen und eine grosse Rezession verhindern, und erst anschliessend kann er die Sanierung des Staatshaushaltes in Angriff nehmen. Es wäre somit falsch, den Staatshaus-halt zu früh sanieren zu wollen. Dies sollte erst erfolgen, wenn der Privatsektor wieder in der Lage ist, genügend Nachfrage zu generieren. Die Phase der privaten Entschul-dung ist somit durch den Aufbau der Staatsverschuldung

geprägt. Es hat sich zudem gezeigt – so auch in Japan –, dass das Wirtschaftswachstum während des privaten Ent-schuldungsprozesses schwach ist und sich erst allmählich erholt.

Wir erwarten somit, dass der private Entschuldungs-prozess die kommenden drei bis fünf Jahre in Anspruch nimmt. In dieser Phase – nennen wir sie Phase 1 – nimmt die private Verschuldung ab, die staatliche hingegen als Folge der Nachfragekompensation zu. Das Wirtschafts-wachstum ist zwar dank fiskalischer Stimulierung positiv, aber deutlich unterdurchschnittlich und die Zinsen steigen aufgrund des Kapitalangebots nur geringfügig an. Erst anschliessend, in Phase 2, muss mit der eigentlichen Sa-nierung der Schulden begonnen werden. Phase 2 sollte dann beginnen, wenn die privaten Schulden auf ein ange-messenes Mass zurückgefahren wurden und – als Voraus-setzung dafür – sich die Asset- und vor allem die Immobi-lienpreise stabilisiert haben. Dies ist die Bedingung dafür, dass «japanische Verhältnisse» verhindert werden können. Wir gehen davon aus, dass die USA nicht dem Beispiel Ja-pans folgen werden, da die US-Immobilienpreise gemäss Robert Shiller, der den bekannten US-Immobilienindex erstellt und ein früher Warner der Immobilienblase war, nach der 30-prozentigen Korrektur in etwa ihrem fairen Wert entsprechen.

Wir erwarten insbesondere in jenen Ländern, die eine über-durchschnittliche private Verschuldung haben (siehe Grafik 4), schwächere Wirtschaftswachstumsraten. Dies trifft auf Spanien, Grossbritannien, die USA und Südkorea zu.

Kapitel 2: Auswirkungen der privaten Entschuldung auf Wirtschaft und Finanzmärkte: Zinsen bleiben tiefer als vermutet

1In Japan waren im Gegensatz zu den USA vor allem die Unternehmen verschuldet.2Mc Kinsey Global Institute, Debt and Deleveraging: The global credit bubble and its economic consequences, January 2010.

Page 7: Von der Finanz- zur Schuldenkrise: Auswirkungen auf  Wirtschaft und Finanzmärkte

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Es gibt keine eindeutige, wissenschaftlich fundierte Regel, wie hoch die Staatsverschuldung sein darf. Allgemein anerkannt ist der Grundsatz, dass volkswirtschaftlich produktive Investitionen wie zum Beispiel Strassen und Schulen durch Verschuldung finanziert werden dürfen. Denn Investitionen erhöhen in der Regel das Wachstum und finanzieren sich so gewissermassen selbst. Dagegen sollten konsumptive Ausgaben wie zum Beispiel Beamten-löhne, Subventionen oder soziale Transfers durch laufende Steuern finanziert werden. Dies entspricht auch dem Prin-zip der Fairness zwischen den Generationen.

Mehrere Gründe sprechen dafür, ein zu hohes Niveau der Verschuldung zu vermeiden. Je höher die Verschul-dung, desto grösser das Risiko, dass die Kapitalmärkte eine höhere Risikoprämie in den Zinssätzen verlangen, wie dies in Griechenland und anderen südeuropäischen Ländern derzeit geschieht. Mit steigenden Zinssätzen er-höht sich zugleich die Gefahr einer Schuldenspirale, weil die höheren Zinszahlungen das Defizit aufblähen. Eine Schuldenspirale ergibt sich dann, wenn der Zinssatz höher als das Wachstum des nominellen BIP ist. Um in dieser Situation eine Schuldenexplosion zu verhindern, muss im Primärbudget (Budget ohne Zinszahlungen) ein Überschuss erzielt werden.3

Kapitel 3:Müssen Staatsschulden überhaupt abgebaut werden?

Im Maastricht-Vertrag ist neben der Schuldenquote von 60% eine maximale Defizitquote von 3% vorgeschrieben. Dies ergibt sich daraus, dass die Architekten von Maas-tricht von einem Wachstum des nominellen BIP von 5% (beispielsweise 2,5% reales Wirtschaftswachstum und 2,5% Inflation) ausgingen. Bei diesem Potenzialwachstum stabilisiert sich die Schuldenquote bei 60%, wenn das Defizit im Durchschnitt 3% beträgt. Wenn das Wachstum bei 4% liegt, darf das Defizit nur 2,3% des BIP betragen, um die Schuld bei 60% zu halten. Umgekehrt würde ein Wachstum von beispielsweise 6% ein Defizit von 3,4% erlauben.4

Wie eine neue Studie von Reinhart & Rogoff5 ergeben hat, verschlechtert sich ab einem Verschuldungsniveau von 90% des BIP das Wirtschaftswachstum signifikant. In 20 Industrieländern im Zeitraum 1946-2009 war bei einer niedrigen Verschuldung kein negativer Einfluss derselben auf das Wachstum feststellbar. Bei einer Verschuldung von über 90% jedoch fiel das Wachstum um 4 Prozent-punkte niedriger aus. Das tiefere Wachstum erschwert die Rückführung der Schuld zusätzlich. Im Hinblick auf die In-flation zeigt sich interessanterweise kein Zusammenhang zwischen Verschuldung und Wirtschaftswachstum.

3 Vgl. dazu im Anhang die Erklärung zum Zusammenhang von Zinssatz, Primärbudget und Wirtschaftswachstum.4 In Grafik 10 im Anhang sind sämtliche Kombinationen von Budgetdefizit und Wirtschaftswachstum dargestellt, bei denen die Staatsschuld konstant bei 60% gehalten werden kann.

5 C. Reinhart und K. Rogoff, Growth in a Time of Debt, Working Paper for AER Papers and Proceedings, 2009.

Page 8: Von der Finanz- zur Schuldenkrise: Auswirkungen auf  Wirtschaft und Finanzmärkte

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Grundsätzlich lässt sich eine hohe Verschuldungsquote über hohes Wachstum, restriktive Finanzpolitik, eine gewisse Inflation oder im Extremfall über einen Zahlungs-ausfall reduzieren. Für die entwickelten Industrieländer, die seit dem 2. Weltkrieg nie mehr ihre Zahlungen einstell-ten, ist ein Konkurs heute kein gangbarer Weg, sich ihrer Schulden zu entledigen. Sie wären nämlich danach für lan-ge Zeit vom internationalen Kapitalmarkt abgeschnitten.

Auch Hyperinflation als Ausweg scheidet aus ähnlichen Gründen praktisch aus. Fast alle Fälle von Hyperinflatio-nen in Industrieländern ereigneten sich nach der Aufgabe des Goldstandards. Heute würden die Kapitalmärkte sol-che Versuche mit sehr hohen Risikoprämien bestrafen. Zu-dem sind viele Zentralbanken unabhängig und auf Preis-stabilität verpflichtet. Um die Inflation massiv zu erhöhen, müssten zuerst die entsprechenden Gesetze geändert werden (ausser in Grossbritannien, wo der Finanzminister das Inflationsziel festlegt).

Ein massvoller Inflationsanstieg erscheint aber wahr-scheinlich und trägt ebenfalls zum Abbau der Schul-denquote bei. Eine Zielinflation von 2%, wie sie von der EZB anvisiert wird, ist auch im Hinblick auf die Schul-denproblematik ein sinnvoller Wert und würde zu einem Schuldenabbau beitragen. Möglicherweise sind vorüber-gehend Werte bis 3% tolerierbar. Allerdings darf mit der Preisstabilität keinesfalls leichtfertig umgegangen werden. Die Glaubwürdigkeit der Zentralbanken ist ein hohes Gut, welches schnell verspielt ist und ohne das die Geldpolitik unterlaufen und unwirksam werden würde. Aus diesem Grund ist auch der Vorschlag des IWF-Chefökonomen, ein Inflationsziel von 4% anzustreben, kontraproduktiv und nicht zu unterstützen.

Zweifellos ist ein ansprechendes Realwachstum der «Kö-nigsweg» des Schuldenabbaus, weil damit auch andere wirtschaftspolitische Ziele erreicht werden. Länder wie die USA der Nachkriegszeit, Irland und nordeuropäische Länder wie Dänemark oder Schweden in den 90er Jahren zeigten dies. Dieser Weg ist allerdings aufgrund des pri-vaten Schuldenabbaus und des erwarteten relativ tiefen Realwachstums erschwert.

Als realistischer Weg zur Schuldenreduktion bleibt damit der Sparkurs. Hier geht es darum, im Primärbudget Über-schüsse zu erzielen und diese über längere Zeit durchzu-halten. Wie Grafik 5 zeigt, brauchen erfolgreiche Konsoli-dierungsanstrengungen mehrere Jahre, sind aber möglich.

Kapitel 4:Können Staatsschulden überhaupt abgebaut werden?

Quelle: OECD, Vontobel

Grafik 5: Schuldenabbau ausgewählter Länder.

Als hilfreich haben sich dabei fiskalische Regeln wie die Schuldenbremse oder die Maastricht-Kriterien erwiesen. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung haben sich bei der Konsolidierung starke Einschnitte auf der Ausgaben-seite gar als besonders wirksam erwiesen, weil dadurch das Trendwachstum erhöht wird. Der Grund dafür liegt darin, dass die Reduktion der Ausgaben die Senkung verzerrender, wachstumshemmender Steuern erlaubt. Im Zeitraum von 1960 bis 2000 nahm in 22 Industrieländern, die diesen Weg einschlugen, das Trendwachstum pro 10%-Senkung der Ausgabenquote um 1,5% zu.

Bemerkenswert ist der Fall von Schweden, das mit ande-ren skandinavischen Ländern Anfang der 90er Jahre eben-falls eine Immobilienkrise durchmachte (siehe Box) und den Staatshaushalt nach Beendigung der Immobilienbaisse erfolgreich zu sanieren begann. In den skandinavischen Ländern bewährte es sich zudem, gleichzeitig Reformen am Arbeitsmarkt durchzuführen, die die Partizipationsrate und die Produktivität steigerten. Neben niedrigeren Aus-gaben erhöhten sich damit das wirtschaftliche Wachstum sowie die Steuereinnahmen.

Australien

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Schuldenquote in % des BIP

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in % des BIP

Quelle: Datastream, Vontobel

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Öffentliche Verschuldung(Skala rechts)

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Reales Bruttoinlandprodukt (% YoY, Skala rechts)

Schuldenkonsolidierung

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Gesamtstaatlicher Haushaltssaldo in % des BIP

– Starke Budgetkonsolidierung 1996 (volle 4%-Punkte des BIP) führen zu einmaligem Wachstumseinbruch (4.2% auf 1.5%)

– Steuererhöhungen und Kürzungen bei Transfers, kein automatischer Inflationsausgleich

– Danach erholt sich die Wirtschaft schnell (in der Phase der Konsolidierung wächst die Wirtschaft real um 2.8% p.a., während des Schuldenaufbaus 1976 – 1995 nur 1.6%)

– Massive Budgetdefizite 1992–94 zur Überwindung der Bankenkrise

– Ab 1994 Sparprogramm, Liberalisierung des Kündi-gungsrechts begleitet von aktiver Arbeitsmarktpolitik -> Arbeitslosigkeit sinkt parallel zum Schuldenabbau von 11.3 % 1994 auf 6.2% 2008

– Steuerquote sank während Konsolidierung von 60% des BIP auf 54%

– Produktivitätswachstum erhöht sich: 1996–2008 beträgt es 2.0% p.a. gegenüber 1.6% 1976–1995 (als Schulden von 26.1% auf 84.4% stiegen)

Erfolgreiche Schuldenkonsolidierung nach einer Finanzkrise. Das Beispiel Schweden 1996 – 2008.

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Die Belastungen der öffentlichen Finanzen durch die Fi-nanz- und Wirtschaftskrise erscheinen im Vergleich zu den Risiken aus der demografischen Alterung beinahe bescheiden. Die demografischen Belastungen liegen zwar noch relativ weit in der Zukunft, aber sie sind mit grosser Sicherheit vorhersehbar. Die demografischen Belastungen ergeben sich zum einen daraus, dass die aktive Bevölke-rung von 2020 bis 2050 in Europa schrumpfen wird (siehe Grafik 6 am Beispiel Schweiz). Dies wird das Wachstum und die Steuereinnahmen vermindern.

Zum andern werden die Ausgaben für Renten, Gesundheit und Pflege steigen. Für die EWU wird diese Zunahme zwi-schen 2010 und 2060 rund 5% des BIP betragen. Ohne Gegenmassnahmen werden die demografischen Belastun-gen die Verschuldung in der EWU bis 2060 von derzeit etwa 80% auf 420% wachsen lassen. In der Schweiz ist die zu erwartende Zunahme der Verschuldung von derzeit etwa 40% des BIP auf 120% bis 2050 geringer, aber im-mer noch sehr hoch. Davon betroffen wäre vor allem die Verschuldung der Sozialwerke und weniger Bund, Kantone und Gemeinden.

In den USA sind die Belastungen der öffentlichen Finan-zen durch die demografische Alterung weniger ausgeprägt als in Europa, weil sich die Altersstruktur durch die Immi-gration junger Menschen weniger stark verschlechtert. Die Verschuldung würde zwischen 2010 und 2060 ohne Gegenmassnahmen aber dennoch um gut 100% des BIP ansteigen. Wichtig ist jedoch, dass sich die Auswirkungen der Demografie auf die Verschuldung – falls keine Gegen-massnahmen getroffen werden – erst in fernerer Zukunft bemerkbar machen und deshalb nicht mit der aktuellen Schuldenkrise vermischt werden sollten.

Kapitel 5:Demografie und die Auswirkungen auf die Schulden

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Grafik 6: Erwerbstätige Bevölkerung in der Schweiz:

ab 2020 rückläufig.

Quelle: Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV), April 2008

Quelle: Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV), April 2008

Grafik 7: Zunahme der Verschuldung aufgrund der demografi­

schen Entwicklung in der Schweiz ohne Gegenmassnahmen.

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In diesem Kapitel soll untersucht werden, ob im Bereich der Staatsobligationen unterschiedliche Attraktivitätsni-veaus auszumachen sind. Zu diesem Zweck sollen die Län-der im Hinblick auf ihre fundamentale fiskalische Situation mittels eines von uns proprietär entwickelten Indexes beurteilt werden. Dieser Index, Vontobel Fiscal Risk Index FRI genannt, beurteilt die Länder nicht nur nach ihrer Ver-schuldung oder ihrem Budgetdefizit wie vielfach üblich, sondern beurteilt insgesamt sieben Indikatoren, welche relevant sind, um sich ein umfassendes Bild des fiskali-

schen Risikos eines Landes zu machen. Anschliessend wird diese «wahre» Beurteilung mit dem im Markt eingepreis-ten Risiko, gemessen an den Credit Default Swaps (CDS), verglichen. So lassen sich Staatsobligationen ermitteln, bei denen zu viel Risiko im Verhältnis zum «wahren» fiskali-schen Risiko eingepreist ist. Dies sind aus Investorensicht attraktive Bonds. Umgekehrt werden die Risiken einiger Länder durch den Markt unterschätzt. Diese Bonds sollten eher gemieden werden und schliesslich gibt es in etwa durch den Markt «korrekt» bewertete Risiken.

Kapitel 6: Implikationen für den Investor im Obligationenbereich: Einführung des Vontobel Fiscal Risk Index (FRI)

Folgende Faktoren fliessen in den «Vontobel FRI» ein, sie sind unseres Erachtens die relevanten Faktoren zur gesamt haften Beurteilung des fiskalischen Risikos.

1. Aktuelle Verschuldung. Je höher die aktuelle Verschul-dung, desto schlechter die Beurteilung und umgekehrt.

2. Konjunkturbereinigter Primärhaushalt. Je höher das prognostizierte Primärdefizit, desto tiefer die Chance auf einen Abbau der Schulden und umgekehrt.

3. Das Verhältnis des Nominalzinses zum erwarteten no-minellen BIP-Wachstum. Je höher der Zins im Verhält-nis zum erwarteten nominellen Wirtschaftswachstum, desto grösser das Risiko einer Schuldenexplosion.

4. Ertragsbilanzdefizit. Je höher das Defizit, desto höher sind die Kapitalzuflüsse aus dem Ausland und desto anfälliger ist das Land auf Kapitalabzüge aus dem Aus-land und umgekehrt.

5. Produktivitätswachstum. Je tiefer das Produktivitäts-wachstum, desto schwieriger der Schuldenabbau und umgekehrt.

6. Gibt es frühere Konsolidierungserfolge? Je weniger Erfolge in der Vergangenheit bei der Generierung von Budgetüberschüssen erreicht wurden, desto geringer die Erfolgschancen, dass dies diesmal gelingt.

7. Durchschnittliche Laufzeit der Staatsschulden. Je tiefer die Laufzeit der Staatsschulden, desto rascher schlagen sich höhere Zinsen auf die Zinsaufwendungen durch und umgekehrt.

Page 12: Von der Finanz- zur Schuldenkrise: Auswirkungen auf  Wirtschaft und Finanzmärkte

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Diese sieben Faktoren werden für jedes Land ermittelt (Datenquelle OECD, IMF, Bloomberg) und mit Gewich-ten versehen.6 So entsteht für jedes Land ein Risikowert, den wir dem Marktpreis für das Risiko (CDS Spread) ver-gleichen (siehe Grafik 8). Im Anhang in Tabelle 1 ist die detaillierte Auswertung für jedes Land ersichtlich.

Auffallend sind folgende Ergebnisse: Griechenland weist in der Tat ein hohes fiskalisches Risiko (FRI von 5,7) auf, das nur noch von Portugal und Japan übertroffen wird (FRI von 6,9). Interessant ist allerdings, dass die negative Einschätzung Griechenlands gemäss FRI nicht nur bereits in den Preisen enthalten ist, sondern dass Griechenland sogar zu negativ eingeschätzt wird. Denn die anstei-gende Linie in der Grafik 8 zeigt den Bereich der fairen Bewertung an. Hier liegt Griechenland weit entfernt von dieser Linie, was das Land als interessantes Investment erscheinen lässt. Ähnliches, wenn auch in abgeschwäch-ter Form, gilt für Irland, Portugal und Schweden (Länder im grün eingefärbten Bereich). Länder, die wir als korrekt bewertet ansehen, sind z. B. die Schweiz, Grossbritanien, Spanien und knapp der Euro-Raum (EMU) insgesamt.

120

300

100

80

60

40

2 3 4 5 6 7

20

0

Schweden

Dänemark Finnland

Schweiz Australien

Holland

Vontobel Fiscal Risk Index

CD

S Sp

read

DeutschlandUSA

Belgien

GrossbritannienEMU

ItalienSpanien

Irland

Griechenland

Portugal

Japan

Grafik 8: CDS Spreads und Vontobel Fiscal Risk Index:

Griechenland wird vom Markt zu negativ eingeschätzt.

Quelle: Bloomberg, CMA, IMF, OECD, Vontobel

Sie alle befinden sich in der Nähe der fairen Wert Linie (weisser Bereich in Grafik 8). Bei Deutschland, den Nie-derlanden, Japan oder den USA hingegen sind die CDS Spreads nach unserer Analyse zu tief angesichts des tatsächlich vorhandenen Risikos (roter Bereich in Grafik 8). Die Staatsanleihen dieser Länder erscheinen somit als weniger attraktive Investitionen, da sie riskanter sind, als dies die Marktpreise suggerieren. Dies mag damit zusammenhängen, dass diese Länder (mit Ausnahme von Japan) alle ein AAA-Rating haben, wodurch die tatsächlichen fiskalischen Risiken unterschätzt und somit verzerrt werden. Gemäss dieser Analyse zeigt sich, dass der Markt zurzeit die «wahren Risiken» vorübergehend falsch beurteilt, so dass sich die Möglichkeit aktiver Investmententscheidungen anbietet. Staatsanleihen Grie-chenlands, Irlands, Schwedens und Portugals erscheinen als attraktive Kaufgelegenheiten. Marktverzerrungen er-geben sich unserer Ansicht nach auch durch die Rating-Agenturen, die zu einer Verzerrung des Marktpreises führen; die «wahren» Risiken sind insbesondere für die USA, Japan und Deutschland höher, als dies die CDS Spreads suggerieren.

6 Im Anhang in Tabelle 1 ist für jedes Land die Zusammensetzung seines FRI Indexes ersichtlich.

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1. Das Wirtschaftswachstum bleibt während der kom-menden 3 bis 5 Jahre (Phase 1) positiv, aber klar unter dem Potenzialwachstum. Denn diese Zeit ist gekennzeich-net durch privaten Schuldenabbau der Unternehmen, Haushalte und Finanzinstitutionen, je nach Land. Als Nachfragekompensation baut der Staat seine Schulden aus. In einer zweiten Phase – ca. ab 2014 – kann mit der Sanierung der Staatshaushalte begonnen werden. Diese Phase 2 könnte rund 10 Jahre oder mehr in Anspruch nehmen.

«Aktives Mangement ist gefragter denn je.»

2. Aufgrund des «Deleveraging» des privaten Sektors in den entwickelten Ländern bietet dieses netto Kapital an. Dies hält die Zinsen tiefer als vielfach angenommen. Ein Zinsanstiegs- und Inflationsrisiko besteht vor allem im Übergang in Phase 2. Dies wäre dann der Fall, wenn die Nachfrage wieder steigt und die geschaffene Liquidität nicht angemessen durch die Zentralbanken abgeschöpft würde, so dass das Risiko eines stärkeren Inflationsanstie-ges besteht. Die Aktienrenditen dürften in Phase 1 positiv, aber tiefer als die historischen Durchschnitte sein. Obliga-tionen dürften nur tiefe Renditen zwischen 0% und 2% abwerfen, in Phase 2 dann gar negative Renditen.

3. In den kommenden Jahren stehen geradezu «tektoni-sche Verschiebungen» im Bereich der Schuldenentwick-lung, der Geld- und Fiskalpolitik, der Machtverschiebun-gen West – Ost, oder der Demografie bevor. Deshalb sind statische Anlagekonzepte weder für Private noch institutionelle Anleger sinnvoll, ja beinahe fahrlässig. Beide Anlegertypen kommen nicht umhin, ihre strategische As-set Allocation regelmässig zu überprüfen. Auch im Bereich der taktischen Anlagepolitik bieten sich vermehrt Chancen – wie das Beispiel des Vontobel Fiscal Risk Index zeigt – zur aktiven Bewirtschaftung der Portfolios. Angesichts der enormen Herausforderungen in den kommenden Jahren können wir nicht mehr davon ausgehen, dass die Finanz-märkte hohe Renditen abwerfen und dass es sinnvoll ist, einfach nur investiert zu sein.

Um beim Beispiel der Obligationenmärkte zu blei-ben: Will ein passiver Investor wirklich immer noch mehr Obligationen von jenen Ländern kaufen, die immer mehr Obligationen emittieren müssen, weil sie ihr eigenes Haus nicht in Ordnung halten können?

Kapitel 7: Konklusionen für den Investor

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Zinssatz, Primärbudget und BIP­Wachstum Vielfach stellt sich die Frage, warum es bei der Beurteilung der Fiskalpolitik auf das Primärbudget (das Budget ohne Zinszahlungen) und nicht auf das gesamte Budgetdefizit

ankommt. Da Zinszahlungen durch die Fiskalpolitik nicht verändert werden können, müssen Massnahmen zur Budgetsanierung beim Primärbudget (dem Budget ohne Zinszahlungen) ansetzen.

Bei ausgeglichenem Primärhaushalt entsprechen die Zinszahlungen gerade dem Budgetdefizit. Bei einer Schul-denquote von 100% des BIP ergibt ein Zinssatz von 5% ein Defizit von 5% des BIP. Die Schuld wächst damit auch gerade um 5%. Wenn das Wachstum des BIP auch 5% beträgt, verändert sich die Schuldenquote somit nicht. Wächst das BIP dagegen um weniger als 5%, erhöht sich die Schuldenquote.

Wenn der Staat die Schuldenquote dennoch konstant halten will, muss er im Primärhaushalt einen Überschuss erzielen. Wenn das Wachstum nur 2% erreicht und der Zinssatz bei 5% liegt, muss der Primärüberschuss 3% des BIP betragen, um die Schuldenquote stabil zu halten.

Anhang

Verschul-dung/BIP 2010

Zyklisch berei-nigter Primär-haushalt 2010

Jährliches Produktivi-tätswachstum 2000–2010

Zinssätze – nominales BIP-Wachs-tum 2010/2011

Starke Ver-besserungen beim Staats-haushalt in der Vergan-genheit*

Leistungs-bilanzdefizit 1998–2008

Durch-schnittliche Laufzeit von Schuld-papieren

Vontobel Fiscal Risk Index

Gewichtung 0.30 0.15 0.10 0.15 0.05 0.10 0.15

Schweden 2 3 2 0 0 2 4 2.1

Dänemark 2 5 6 0 3 4 0 2.5

Finnland 2 4 4 1 5 2 10 3.7

Schweiz 2 3 6 9 8 0 3 3.9

Australien 1 3 4 7 8 7 8 4.5

Kanada 4 6 7 0 6 4 7 4.6

Holland 3 4 6 6 8 2 7 4.7

Grossbritannien 4 10 4 6 7 6 0 5.0

Belgien 5 2 6 7 6 3 6 5.0

Deutschland 4 4 6 8 6 3 6 5.1

USA 4 10 1 0 8 7 8 5.1

Euro Zone (EMU) 4 5 7 8 7 5 5 5.5

Italien 6 1 10 9 7 5 2 5.5

Irland 4 10 2 10 2 5 3 5.5

Spanien 3 7 6 9 8 7 3 5.5

Griechenland 6 10 0 7 5 9 1 5.7

Portugal 4 6 6 8 7 9 4 5.8

Japan 9 9 5 4 7 3 7 6.9

5.0%

4.5%

3.5%

2.5%

1.5%

4.0%

3.0%

2.0%

1.0%

0% 1% 2% 3% 4% 5% 6% 7% 8%

0.5%

0.0%

Nominales BIP-Wachstum

Vorgabe Maastrichter Vertrag

Hau

shal

tsde

fizit

im V

erhä

ltnis

zum

BIP

Grafik 9: Budgetdefizit in % des BIP zur Erreichung eines Schul­

denstandes von 60% des BIP in Abhängigkeit des nominellen

Wirtschaftswachstums.

Die Tabelle zeigt den Vontobel Fiscal Risk Index und die Subindices. Ein höherer Wert bedeutet ein höheres Risiko. Der Index kann

Werte zwischen 0 (sehr tiefes Risiko) und 10 annehmen (sehr hohes Risiko). Die Werte der CDS sind vom 15. März 2010.

Quelle: OECD, IMF, Bloomberg, Vontobel

*Konjunkturbereinigter Saldo Primärhaushalt gemäss IWF seit 1985.

Quelle: Vontobel

Tabelle 1: Vontobel Fiscal Risk Index (FRI)

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