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Seite Spezialverfahren R.1 Lehrstuhl für Grundbau, Bodenmechanik, Felsmechanik und Tunnelbau Vo 27.03.08 D:\Kh\Skript_Originale_einseitig_SS08\VorlG-R-Spezialverfahren.doc R Spezialverfahren R.1 Injektionen R.1.1 Injektionsverfahren Die Injektion von Boden oder Fels mit einem Bindemittel hat den Zweck, ihn entweder möglichst wasserundurchlässig zu machen oder ihn zu verfestigen, wobei entweder die Poren bzw. Klüfte oder Hohlräume mit einem Bindemittel (Injekti- onsmittel) gefüllt oder innerhalb des Bodenkörpers Schichten aus einem erstarrenden Mittel eingepresst werden. Auf IDEL (1991) wird ergänzend hingewiesen. Das in Abschnitt R.2 behandelte Düsenstrahlverfahren wird nicht als Injektionsverfahren angesehen, da bei diesem Ver- fahren gleichzeitig mit dem Einbringen von Suspension auch Material ausgetragen wird. Die maßgebenden Normen für Injektionen sind: DIN 4093 Einpressungen in Untergrund und Bauwerke DIN EN 12715 Injektionen DIN 18309 (VOB) Einpressarbeiten DIN 19700 Blatt 1, Stauanlagen. Das Injektionsmittel wird mit Injektionslanzen, Ventilrohren oder Manschettenrohren eingepresst. Die Lanze bzw. das Verpressrohr wird in ein vorgebohrtes Loch eingestellt, im Lockergestein ggfs. unter Verwendung von Spülhilfen einvib- riert. Soweit möglich wird bereits als Spülmittel Suspension verwendet, die nach ihrem Abbinden ein Injektionswiderlager im Bohrloch bildet. Injektionsbohrungen können in allen Richtungen geneigt sein. Auch horizontale Bohrungen sind bis zu 35 m, sogar 50 m Länge, mit gesteuerten Bohrköpfen auch noch länger, ausführbar. Die Bohrkosten steigen jedoch überproportional mit der Länge. Die hohen Kosten der Untergrundverfestigung durch Injektion haben zwei Ursachen: die Kosten für das Bohren und die für das Injektionsgut. Vergleicht man die Injektion im Fest- und im Lockergestein kostenmäßig, dann zeigt sich, dass im Festgestein die Bohrkosten groß, dafür aber der Aufwand für das Injektionsmittel, bezogen auf die Gesamtkubatur des zu verfestigenden Bodens, relativ klein sind, weil nur die Klüfte verpresst werden müssen. Dagegen ist der Aufwand für das Bohren im Lockergestein geringer, aber das Verpressvolumen größer und nur ungenau abzugrenzen. Im Festgestein setzt man folgende Verfahren zum Bohren ein: - Drehbohren mit Schürfbohrmaschinen für alle Tiefen und Bohrlochrichtungen. Diamant-Vollbohrkronen ø 44 mm an einem Bohrgestänge ø 42 mm geben dem Loch eine Richtungsgenauigkeit von typisch 3 %. An der Bohrspitze tritt ein Spülstrom aus, der in dem schmalen Ringspalt zwischen Bohrlochwand und Gestänge mit großer Geschwindigkeit nach oben schießt und das Bohrgut dabei mit hochtransportiert. Das mit dem Spülstrom aufsteigende Bohrgut lässt sich allenfalls grob klassifizieren. - Bohrhammer-Tiefbohrungen für Löcher (senkrecht) bis 60 m, u.U. auch noch 80 m Tiefe. Bohrkrone ø 45 mm bis 50 mm. Das Verfahren ist zwar billiger, aber ungenauer: Abweichungen der Richtung bis zu 5 % sind zu erwarten. Der Ringraum um das Gestänge ist größer als beim Drehbohren; demzufolge ist die Spülwirkung weniger intensiv. - Kernbohrungen mit Abweichungen von typischerweise 1 %; gleichzeitig Gewinnung von Material, welches einer diffe- renzierten Beurteilung zugänglich ist. Beim Bohren muss auf Spülverluste geachtet werden, die bei Durchfahren von Klüften auftreten können: der Spülstrom kann das zerkleinerte Bohrgut in die Klüfte spülen, so dass diese zugesetzt werden, ehe injiziert werden kann. Sobald der Bohrvorgang beendet ist, muss das Bohrloch klargespült werden. Statt mit Wasser kann auch mit Luft gespült werden. Bild R01.10 zeigt zwei Möglichkeiten der Injektion im Festgestein . Da das Bohrloch im Regelfall über mehrere Meter stabil ist, kann ein Bohrabschnitt von 3 m bis 5 m Länge in einem Arbeitsgang verpresst werden. Kürzere Längen sind wirtschaftlich nachteilig; bei größeren Längen besteht die Gefahr, dass das Injektionsmittel stellenweise sedimentiert, das Loch verstopft und dadurch der Anschluss der Klüfte an das Bohrloch unvollständig ist.

Vorl g r Spezialverfahren

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Lehrstuhl für Grundbau, Bodenmechanik, Felsmechanik und Tunnelbau

Vo 27.03.08 D:\Kh\Skript_Originale_einseitig_SS08\VorlG-R-Spezialverfahren.doc

R Spezialverfahren

R.1 Injektionen

R.1.1 Injektionsverfahren

Die Injektion von Boden oder Fels mit einem Bindemittel hat den Zweck, ihn entweder möglichst wasserundurchlässig zu machen oder ihn zu verfestigen, wobei entweder die Poren bzw. Klüfte oder Hohlräume mit einem Bindemittel (Injekti-onsmittel) gefüllt oder innerhalb des Bodenkörpers Schichten aus einem erstarrenden Mittel eingepresst werden. Auf IDEL (1991) wird ergänzend hingewiesen. Das in Abschnitt R.2 behandelte Düsenstrahlverfahren wird nicht als Injektionsverfahren angesehen, da bei diesem Ver-fahren gleichzeitig mit dem Einbringen von Suspension auch Material ausgetragen wird. Die maßgebenden Normen für Injektionen sind: DIN 4093 Einpressungen in Untergrund und Bauwerke DIN EN 12715 Injektionen DIN 18309 (VOB) Einpressarbeiten DIN 19700 Blatt 1, Stauanlagen. Das Injektionsmittel wird mit Injektionslanzen, Ventilrohren oder Manschettenrohren eingepresst. Die Lanze bzw. das Verpressrohr wird in ein vorgebohrtes Loch eingestellt, im Lockergestein ggfs. unter Verwendung von Spülhilfen einvib-riert. Soweit möglich wird bereits als Spülmittel Suspension verwendet, die nach ihrem Abbinden ein Injektionswiderlager im Bohrloch bildet. Injektionsbohrungen können in allen Richtungen geneigt sein. Auch horizontale Bohrungen sind bis zu 35 m, sogar 50 m Länge, mit gesteuerten Bohrköpfen auch noch länger, ausführbar. Die Bohrkosten steigen jedoch überproportional mit der Länge. Die hohen Kosten der Untergrundverfestigung durch Injektion haben zwei Ursachen: die Kosten für das Bohren und die für das Injektionsgut. Vergleicht man die Injektion im Fest- und im Lockergestein kostenmäßig, dann zeigt sich, dass im Festgestein die Bohrkosten groß, dafür aber der Aufwand für das Injektionsmittel, bezogen auf die Gesamtkubatur des zu verfestigenden Bodens, relativ klein sind, weil nur die Klüfte verpresst werden müssen. Dagegen ist der Aufwand für das Bohren im Lockergestein geringer, aber das Verpressvolumen größer und nur ungenau abzugrenzen. Im Festgestein setzt man folgende Verfahren zum Bohren ein: - Drehbohren mit Schürfbohrmaschinen für alle Tiefen und Bohrlochrichtungen. Diamant-Vollbohrkronen ø 44 mm an

einem Bohrgestänge ø 42 mm geben dem Loch eine Richtungsgenauigkeit von typisch 3 %. An der Bohrspitze tritt ein Spülstrom aus, der in dem schmalen Ringspalt zwischen Bohrlochwand und Gestänge mit großer Geschwindigkeit nach oben schießt und das Bohrgut dabei mit hochtransportiert. Das mit dem Spülstrom aufsteigende Bohrgut lässt sich allenfalls grob klassifizieren.

- Bohrhammer-Tiefbohrungen für Löcher (senkrecht) bis 60 m, u.U. auch noch 80 m Tiefe. Bohrkrone ø 45 mm bis 50 mm. Das Verfahren ist zwar billiger, aber ungenauer: Abweichungen der Richtung bis zu 5 % sind zu erwarten. Der Ringraum um das Gestänge ist größer als beim Drehbohren; demzufolge ist die Spülwirkung weniger intensiv.

- Kernbohrungen mit Abweichungen von typischerweise 1 %; gleichzeitig Gewinnung von Material, welches einer diffe-renzierten Beurteilung zugänglich ist.

Beim Bohren muss auf Spülverluste geachtet werden, die bei Durchfahren von Klüften auftreten können: der Spülstrom kann das zerkleinerte Bohrgut in die Klüfte spülen, so dass diese zugesetzt werden, ehe injiziert werden kann. Sobald der Bohrvorgang beendet ist, muss das Bohrloch klargespült werden. Statt mit Wasser kann auch mit Luft gespült werden. Bild R01.10 zeigt zwei Möglichkeiten der Injektion im Festgestein. Da das Bohrloch im Regelfall über mehrere Meter stabil ist, kann ein Bohrabschnitt von 3 m bis 5 m Länge in einem Arbeitsgang verpresst werden. Kürzere Längen sind wirtschaftlich nachteilig; bei größeren Längen besteht die Gefahr, dass das Injektionsmittel stellenweise sedimentiert, das Loch verstopft und dadurch der Anschluss der Klüfte an das Bohrloch unvollständig ist.

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- (a) Verpressen folgt dem Bohren unmittelbar und schreitet daher von oben nach unten fort. Nach jedem Verpressabschnitt muss das Loch, sobald das Anbinden begonnen hat, sorgfältig saubergespült oder nach dem Abbinden neu aufgebohrt werden. Durch Wahl kleiner Ab-schnitte lässt sich mit diesem Verfahren auch stark gebräches oder wasserführendes Gebirge beherrschen. Außerdem kann der (teure) Pa-cker stets in vergütetem Gebirge eingesetzt werden.

- (b) Bohren und Injizieren sind hier getrennte Arbeitsgänge: zuerst wird das Loch auf volle Tiefe gebohrt, dann wird, von unten beginnend, abschnittsweise injiziert. Bei sehr klüftigem Fels Gefahr der Umläufigkeit um den Packer, wobei das Bohrloch vollbetoniert wird. Dieses Verfah-ren ist billiger als (a).

Im Festgestein können auch Manschettenrohr-Injektionen vorgenommen werden, wie sie anschließend für das Lockergestein beschrieben sind. Im Lockergestein wird man zunächst überlegen, ob man die Lanze nicht rammen und nach der Injektion ziehen kann. Verpresst wird dann durch das Gestänge. Die Lanzen haben entweder eine feste oder eine verlorene Spitze mit Aus-trittsöffnungen für das Injektionsmittel. Ebenso ist es möglich, eine verrohrte Bohrung abzuteufen und beim Ziehen des Bohrrohres abschnittsweise zu verpressen. Gefahr dabei ist, dass das Injektionsmittel zwischen Boden und Bohrrohr nach oben durchbricht.

Das sicherere Vorgehen verwendet Ventilrohre. Für die Herstellung von Injektionssohlen, die bei einer seitlich wasser-dicht umschlossenen Baugrube das Einströmen von Wasser auch in der Sohle behindern, werden mit diesem Verfahren regelmäßig in großem Umfang Injektionen vorgenommen. Das Verfahren ist in Bild R01.20. dargestellt. Die verrohrte Bohrung wird mit stützender Suspension gefüllt, ein Ventilrohr oder ein Manschettenrohr mit kleinerem Durchmesser eingestellt und dann das Bohrrohr gezogen. Beim Spülbohren in Sanden wird der Sand aus dem Spülstrom separiert und die Spülsuspension weiterverwendet. Die Suspension bindet ab und bildet eine Mantelverfüllung. Da sie nicht zugfest ist, reißt sie beim späteren Injizieren unter der Einwirkung des Injektionsdruckes auf und lässt das Injektionsmittel durch. Bohren und Injizieren sind völlig getrennte Arbeitsvorgänge. Ein von der französischen Firma Solétanche entwickeltes Spezialverfahren verwendet statt des Injektionsrohres ein Manschettenrohr mit Bohrungen im Abstand von üblicherweise 33 cm, die jeweils mit einer Gummimanschette wie ein Fahrradventil verschlossen sind. Innerhalb des Manschettenrohres kann die Injektionslanze beliebig verschoben und an den gewünschten Punkten mittels Doppelpacker festgesetzt werden (Bild R01.30). Damit wird auch ein mehrfaches Nachverpressen möglich, wenn das Manschettenrohr immer wieder mit Wasser gespült wird. Üblicherweise beginnt man mit dem Injizieren dort, wo der Boden seine größte Durchlässigkeit zeigt. Es werden Injektionsmengen und Injektions-druck vorgegeben. Wird an einem Injektionspunkt die vorgegebene Menge erreicht, ohne dass der vorgegebene Druck

Bild R01.10: Injektion im Festgestein

Bild R01.20: Ventilinjektion im Lockergestein

(a) (b)

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entsteht, wird die Injektion hier zunächst beendet, damit das Injektionsgut nicht in sehr großen Mengen unkontrolliert abfließt. Nach Abbinden des Injektionsgutes wird der Injektionspunkt erneut angefahren, das Ventil mit hohem Wasser-druck aufgesprengt und an der Stelle erneut injiziert. Das Vorgehen wird sooft wiederholt, bis der vorgegebene Druck erreicht wird. Beim Einpressen in einen bindigen Boden reißt dieser auf. In die so entstehenden Spalten dringt das Injektionsmittel ein und verfestigt sich. Man spricht vom Soil Fracturing. So lässt sich auch bindiger Boden verfestigen. Der Injektionsdruck bewirkt dabei auch eine Konsolidierung.

Im Zusammenhang mit dem Einsatz von Manschettenrohren (aus Stahl, um der hohen Mehrfachbeanspruchung Rech-nung zu tragen) lassen sich mit einem Soil Fracturing auch gezielt Hebungen erreichen (Hebungsinjektionen). Dazu werden z.B. von Schächten ausgehend fächerförmig Horizontalbohrungen und Manschettenrohre gesetzt. Sie erlauben im überstrichenen Bereich einen gezielten und - gesteuert über systematische Messungen mit Feinnivellements oder Schlauchwaagen - präzisen Ausgleich von Setzungen, wie sie z.B. aus einem Tunnelvortrieb oder anderen Einflüssen resultieren (Bild R01.40).

R.1.2 Injektionsmittel

Die Injektionstechnik hat eine lange Geschichte: 1802 reparierte der französische Ingenieur Bérigny in Dieppe ein Leck in einer Schleuse durch Einpressen einer Mischung von Kalkmörtel und Ton. 1864 wurde erstmals im niederrheinischen Bergbaugebiet eine Zementverpressung vorgenommen. Heute gibt es prinzipiell zahlreiche Möglichkeiten, ein Bodenvo-lumen zu verfestigen, aber nur ganz wenige genügen den Forderungen nach Wirtschaftlichkeit, Dauerhaftigkeit und Um-weltfreundlichkeit. Boden ist etwa in dem Maße injizierbar, wie sich bei ihm eine Grundwasserhaltung mittels Brunnen erzielen lässt. An-wendungsgrenzen verschiedener Injektionsmittel sind in Bild R01.50 angegeben. Bei zementösen Injektionsmitteln wird unterschieden in Mörtel (mit Füllstoffen), Pasten (w/b ≤ 0,6; w für Wasser, b für Bindemittel) und Pasten (w/b > 0,6). In Kiesen, Sanden und im klüftigen Gebirge wird eine Zementsuspension (w/z ty-pisch 1-2) eingepresst und filtert aus. Damit sinkt die Durchlässigkeit, und es entsteht ein dichter Zementstein durch den wachsenden Injektionsdruck. Bei großen Poren bzw. Klüften muss ein Füllmaterial beigemischt werden: Sand, Flugasche o.ä. Die Viskosität lässt sich durch Zugabe von 2 bis 8 % Bentonit nur wenig verbessern, wohl aber die Suspensionssta-bilität, weil die Suspension dadurch stabiler wird (Sedimentation wird behindert) und in gewissem Umfang thixotrope Eigenschaften bekommt. Unabhängig vom Einpressdruck geht die Suspension nach Ablauf der Gelationszeit in den fes-ten Zustand über und bildet einen undurchlässigen Filterkuchen. Weitere Zusatzmittel können die Erstarrungszeit be-schleunigen (Silikatgel) oder die Viskosität vermindern.

Vorinjektion: Boden wird bis zum hydrosta-tischen Spannungszustand komprimiert

Hebungsinjektion: mehrfach wiederholbar, Boden weicht nach oben aus

Ausbildung einer verästelten Injektionsstruktur: Konsolidation und Hebung

Bild R01.30: Manschet-tenrohr-Injektion

Bild R01.40: Vorstellung zur Hebungsinjektion; andere Bezeichnungen: Compaction-Grouting, cracking, Soilfrac, KSH-Injektion (Kompensation, Sichern, Heben)

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Eine reine Zementsuspension kann noch in Kleinklüfte mit 0,2 mm Spaltweite, mit Ultrafeinzement sogar in 0,1 mm breite Risse eindringen. Überhöhter Einpressdruck verbessert nichts, sondern verursacht nur ein Aufreißen des Bodens!

Tonzusatz ist bei sulfatbeständigen Zementen unzulässig (diese sind Ca3Al-frei, d.h. frei von Trikalzium-Aluminat), weil das im Ton enthaltene Aluminat die Sulfatbeständigkeit aufhebt ("Zementbazillus"). Grundsätzlich ist immer das gröbste anwendbare Injektionsmittel auch das wirtschaftlichste. Erst wenn Zementsuspensi-on nicht mehr injizierbar ist, kommen chemische Mittel in Frage und unter diesen wiederum vorzugsweise Wasserglas wegen seines niedrigen Stoffpreises (Silikatinjektion). 1887 erhielt Jeziorsky ein Patent auf ein Verfahren, einen Boden mittels Wasserglas zu verfestigen: er wollte 2 Löcher bohren und in eines Wasserglas, in das andere ein koagulierendes Mittel einfüllen. 1925 von Joosten zur Anwendungs-reife entwickelt: Na2O•(SiO2)n•(H2O)m + CaCl2 = CaO•(SiO2)n + 2•NaCl + m(H2O) Wasserglas in Kalzium- Kalzium- Kochsalz Wasser wässr. Lösung chlorid silikat Beim Zusammentreffen der beiden Komponenten entsteht durch Basenaustausch schlagartig festes Kalziumsilikat mit Würfelfestigkeiten von 3 - 6 MN/m² (Größtwerte in feinkörnigen Böden). Nachteilig ist, dass die Viskosität von Wasserglas 25 - 100 mal so groß ist wie die des Wassers, so dass die Reichweite klein ist. Außerdem ist eine gewisse Beeinträchtigung des Grundwassers nicht auszuschließen, da die beiden Kompo-nenten u.U. nicht vollständig abbinden und Kochsalz als Endprodukt im Boden bleibt. Vorteilhaft ist die Unempfindlichkeit gegen aggressives Wasser. Nach dem Erstarren setzt eine Wasserabgabe durch Verdunsten ein, die in grobklastischen Bodenarten zu sichtbaren Volumenverringerungen führen: Synärese (s.a. KOENZEN, 1975). Weichgel: Weiterentwicklung in Deutschland zum Einkomponentenverfahren Monodur bzw. Monosol (DBP): durch Zu-satz von Reagenzien wie Na-Aluminat entsteht ein Sol mit nur 2 - 5-facher Wasserviskosität, dessen Verfestigung zum Gel (Thixotropie-Effekt) zeitlich in weiten Grenzen (Minuten bis Stunden) gesteuert werden kann, wobei das Verhältnis SiO2:Al2O3 maßgebend ist. Das Monosol-Verfahren ist wegen seiner hohen Verdünnung nur für Dichtungszwecke, nicht zur Bodenverfestigung anzuwenden. Weichgel besteht aus: 14 – 22 Vol % Natron-Wasserglas 75 – 85 Vol % Wasser 1 – 3 Vol % Natrium-Aluminat-Lauge ( = Reaktiv / Härter )

Bild R01.50: Anwendungsgrenzen als Funktion der Sieblinie des injizierten Bodens (JESSBERGER, 1982)

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Der Härter wird im Verhältnis 1:10 mit Wasser vorverdünnt, bevor er mit dem Wasserglas und weiterem Wasser ver-mischt wird. Der pH-Wert von Weichgel liegt bei 12,5, die Partikelgröße bei < 10 nm und die Viskosität < 10 mPa·s. Durch den hohen pH-Wert hat Weichgel ähnlich wie eine Zementsuspension bis zum Erstarren eine reaktive Wirkung auf im Untergrund vorhandene Stoffe. So können z.B. Huminstoffe gelöst und Schwermetalle mobilisiert werden. Der Einsatz dieser (nach Wasserrecht genehmigungspflichtigen) Injektionen ist daher in der Regel mit Auflagen verbunden, die die Mengen be-grenzen und beweissichernde Grundwassermessungen erfordern.

R.1.3 Injektionsdruck und -mengen; Hinweis zur Abrechnung

Es ist zu unterscheiden zwischen dem Druck an der Pumpe und dem Injektionsdruck an der Austrittsstelle. Der Unter-schied ist durch die Reibungsverluste im Leitungssystem begründet, die bei etwa 7 - 15 bar (1 bar = 100 kN/m²) liegen. Die obere Grenze des Injektionsdrucks ist dadurch gegeben, dass im Boden durch den hydrostatischen Injektionsdruck die effektiven Spannungen maximal bis zum Grenzzustand verschoben werden können. Bei Anwendung der Bruchbedin-gung folgt aus Bild R01.60:

( ) ( ) ϕ′⋅′+⋅γ−⋅γ⋅ϕ′⋅

−−⋅γ−⋅γ⋅+⋅=Δ cotchh

sin2K1hh)K1(

21p ww

0ww0 (R01.10).

Wenn infolge zu hohen Drucks der Baugrund aufgesprengt wird und flüssiges Injektionsmaterial auf größeren zusam-menhängenden Flächen wirkt, können unkontrollierte Hebungen entstehen. Unabhängig davon muss auch bei großen Überlagerungsdrücken, die einen hohen Injektionsdruck ermöglichen würden, eine Begrenzung vorgenommen werden, da bei hohen Drücken das Injektionsgut schneller ausfiltriert. Beim Injizieren ist es häufig auch sinnvoll, die Injektions-mengen bei jedem einzelnen Einpressvorgang zu begrenzen um zu vermeiden, dass z.B. in größeren Klüften teures Injektionsmaterial unwirksam abfließt. Durch mehrfach übereinanderliegendes Aufbauen von erstarrenden Injektions-schichten lassen sich Fließwege oft absperren. Die für Einzelvorgänge zu begrenzenden Mengen- und Druckkriterien, das eventuell abschnittsweise Vorgehen bei Boh-ren und Einpressen und vor allem auch die nur grobe Vorhersehbarkeit erforderlicher Mengen bedingen im Interesse fairer Bauverträge eine sehr differenzierte Ausschreibung und Abrechnung von Einpressarbeiten (Zeiten für das Einpres-sen werden z.B. nicht in die Mengen eingerechnet!). Regelungen zur fach- und sachgerechten Abrechnung enthält die VOB-Norm DIN 18309.

Bild R01.60: maximaler Anstieg des Porendrucks bis zur Scherfestigkeitsgrenze des Bodens

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R.1.4 Kontrollen

In der Regel ist der Erfolg einer Injektion nicht unmittelbar im Zuge der Injektionsarbeiten feststellbar. Ob eine vollständi-ge Verfestigung oder Abdichtung erreicht wurde, lässt sich oft erst in wesentlich späteren Bau- und Nutzungszuständen erkennen, während derer eventuell nur noch mit sehr aufwendigen Maßnahmen Nachbesserungen möglich sind. Im Zu-sammenhang mit Injektionen muss daher zunächst das mit der Injektion zu erreichenden Ziel festgelegt werden. In den verschiedenen Phasen der Planung und Ausführung von Injektionen sind systematische Prüfungen und Kontrollen erfor-derlich. Oft ist ein Arbeiten in mehreren Phasen zweckmäßig; die Kontrollergebnisse aus einer Phase bestimmen dabei Maßnahmen der Folgephase, z.B. hinsichtlich des Abstandes von Injektionsbohrungen und Einpresspunkten. Eignung des Injektionsmittels: Nach DIN 4093 wird zwischen Grundsatzprüfung, Eignungsprüfung und Kontrollprüfung unterschieden; Grundsatzprü-fungen werden in dafür zugelassenen Labors ausgeführt, indem aus zwei verschiedenen Prüfsanden mit dem Injektions-mittel Prüfkörper hergestellt und diese nach 7 Tagen Lagerungszeit einer 40-tägigen Druckprobe ausgesetzt werden.

Die axiale Stauchung des Prüfkörpers wird über der Zeitachse aufgetragen, Bild R01.70. Dabei zeigt es sich, ob das Injektionsmittel zeitstabil ist (Kurven 1a,b) oder nicht (Kurven 2a,b). Die Grenzspannung ist dabei der größte Druck, unter dem sich in den letzten 7 der 40 Tage keine weitere Stauchung mehr ergibt. Eignungsprüfungen sind die Übertragung der Ergebnisse der Grundsatzprüfung auf die Baustellen-Situation, d.h. der Kriechversuch (einaxialer Druckversuch mit langer Standzeit) wird am Baustellen-Boden mit 7 Tagen Lastdauer ausge-führt; die axiale Stauchung darf dann in 24 h nur noch höchstens um 0,02 % zunehmen. Qualitätssicherung bei der Ausführung: Für das Beispiel der Erstellung einer Dichtungssohle sind folgende Kontrollen erforderlich, um den Erfolg sicherstellen zu können: - Bohransatzpunkte Maßband und Nivelliergerät - Länge der Injektionsrohre Maßband - Höhenlage der Ventilkörper Rundumlaser - Vertikalität der Bohrungen Neigungssonde - Mantelmischungskomponenten Eingangskontrolle - Frischsuspensionskontrolle Suspensionswaage - Erhärtungsverlauf der Mantelmischung Flügelsonde - Aufreißdruck Druckschreiber - Menge / Druck / Geschwindigkeit Druck- / Mengenschreiber während gesamter Injektion - Gelzeit Rückstellproben - Grundwasserbeeinflussung Probenahme aus Messstellen, chemische Untersuchungen

Bild R01.70: Einaxialer Druckversuch als Grundsatzprüfung (DIN 4093)

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Kontrollprüfungen werden am injizierten Boden durch Entnahme von 4 Proben aus je 500 m³ verfestigten Bodens mit 30 h Standzeit unter einer in DIN 4093 angegebenen Kriechspannung ausgeführt, wobei die Stauchung in den letzten 6 h bei 3 von 4 Proben um höchstens 0,02 % zunehmen darf. Kontrolle des Injektionserfolges: Wo es nur auf die zeitliche Gewährleistung der Festigkeit ankommt, genügen die vorstehend aufgeführten Versuche. Wo es hingegen auch oder insbesondere darauf ankommt, dass der injizierte Boden undurchlässig (bis auf ein definiertes Toleranzmaß) wird (z.B. im Untergrund von Talsperren), muss das durch einen Wasserdurchlässigkeits-Test (WD-Test) überprüft werden. Dabei wird in einem abgeschlossenen Bohrloch-Abschnitt Wasser mit verschiedenen Drücken einge-presst und die Verlustwassermenge gemessen. Als Maß wird die Lugeon-Einheit verwendet, das ist ein Wasserverlust von 1 Liter auf 1 steigenden Meter in 1 min bei einem Druck von 1 MN/m², siehe dazu auch IDEL (1991). Anmerkung: Die Definition ist nicht ganz eindeutig, denn eine so gemessene Wassermenge kann sowohl die Folge weni-ger großer Klüfte als auch einer Vielzahl kleinerer Klüfte sein. Auch das Erosions-Risiko muss beachtet werden: wenn nur ein Teil der Wasserwege geschlossen ist, kann die Sickerwasser-Strömungsgeschwindigkeit in den verbleibenden so anwachsen, dass der Boden erodiert wird. Man sollte daher den Prüfdruck nicht zu stark steigern.

R.2 Düsenstrahlverfahren

R.2.1 Verfahren

Das Düsenstrahlverfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass der zu behandelnde Boden oder mäßig festes Gestein von einem Flüssigkeitsstrahl mit hoher Energie aufgeschnitten (in seine Bestandteile zerlegt), teilweise (bei sandigem Kies) bzw. in größerem Umfang (bei Schluff und Ton) erodiert und durch erhärtende Suspension ersetzt wird. Die Firmen, die das Verfahren ausführungsreif entwickelt haben und zum Einsatz brachten/bringen, haben das Verfahren unter den Na-men Soilcrete (Fa. Keller), HDI (Hochdruck-Injektion, Fa. Bauer), Hochdruckbodenvermörtelung (ist in Österreich ge-bräuchlich), Soil-Jet (Fa. Insond), Jet-Grouting, (in der Schweiz: Jetting), Rodinjet (Fa. Rodio) am Markt etabliert. DS-Verfahren ist der neutrale Begriff und mit der vorliegenden europäischen Norm etabliert. EN 12716 dokumentiert die technischen Regeln des Düsenstrahlverfahrens, DIN 18123 VOB stellt die in Deutschland gültige Abrechnungsnorm dazu dar.

Es wird eine Bohrung abgeteuft. Zwischen Bohrkrone und Gestänge ist ein Ventilträger (Bild R02.10) eingeschaltet, von dem aus der Flüssigkeitsstrahl in den Boden gelenkt wird. Die unter hohem Druck austretende Flüssigkeit kann die Sus-pension sein, die später erhärten und im Boden verbleiben soll. Zur Steigerung der Wirkung kann der Strahl mit Luft um-mantelt werden. Zum Schneiden kann auch ein Wasserstrahl verwendet werden, dann wird die Suspension unter gerin-gerem Druck über eine weitere Düse eingepumpt. Die verschiedenen Verfahren (Düsenstrahlsysteme) sind in Bild R02.30 dargestellt. Der Bohrkopf hat einen größeren Durchmesser als das Bohrgestänge, in dem bis zu drei Medien zur Tiefe geführt wer-den müssen. Im Ringraum zwischen Bohrlochwand und Gestänge wird vom Schneidstrahl erodiertes Material (Rücklauf) zur Geländeoberfläche transportiert.

Bild R02.10: Bohrkrone und Ventilträger

Bild R02.20: Herstellen von DS-Säulen

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Seite Spezialverfahren R.8

Zunächst wird das Bohrloch auf seine Endtiefe gebohrt, anschließend wird von unten nach oben bei langsamem Ziehen des Gestänges gedüst (Bild R02.20). Je nachdem, ob und wie das Gestänge beim Ziehen gedreht wird, können Säulen, Halb-säulen, Segmente oder Lamellen erzeugt werden (Bild R02.40). Aus Kombination dieser Elemente lassen sich verschiedene Körper zusammensetzen (Bild R02.50). Für die Anwendung des Verfahrens sind Pumpen mit hoher Leistungsfähigkeit erforderlich. Zum Schneiden werden Drücke von 100 bis 600 bar eingesetzt, für die Luftunterstützung etwa 5 bar, für eine Suspensionverfüllung 3 bis 10 bar. Es werden 1 oder 2 Düsen / Ringdüsen mit Durchmessern zwischen 2 und 6 mm benötigt, deren optimale Form erfolgsbestimmend ist. Der Durchsatz an Wasser / Suspension kann typisch 100 bis 250 l/min erreichen, für die Suspension werden Was-ser/Bindemittel-Werte w/b = 0,5 bis 2,0 verwendet. Das Ziehen zwischen 0,1 und 1 m/min geschieht bei Drehgeschwindigkeiten von 2 bis 15 U/min. Falls im Vergleich zum Drehen und zur Schneid-breite des Strahls zu schnell gezogen wird, würde eine Schraubenfläche entstehen. Bei langsamem Ziehen wirkt der erodierende Strahl länger an einer Stelle, was zu größeren Durchmessern führt. In Abhängigkeit von Böden und Düsparametern kön-nen Durchmesser von 0,6 m bis 2,5 m erreicht werden. Die Festigkeit der fertigen Säulen liegt in der Regel zwischen 2 und 5 MN/m2, kann aber (bei langsamem Düsen und möglichst intensivem Aus-tausch der Feinkornfraktion) bis zu 15 MN/m2 er-reichen. Als Durchlässigkeit lässt sich k = 1·10-8 m/s erreichen. An das Düsmaterial ist gegebenenfalls noch die Anforderung einer Sulfatbeständigkeit zu stellen, der fertige Düskörper muss bei den entstehenden Gradienten erosionsbeständig sein.

R.2.2 Anwendungen und Grenzen des Verfah-rens

Im Lauf der Jahre haben sich viele Anwendungen für das Verfahren entwickelt, wobei verschiedene Formen von Düsenstrahlkörpern zum Einsatz kommen, siehe auch Bild R02.60: - Unterfangungen: Unter bestehenden Funda-

menten können DS-Körper hergestellt werden, die beim Aushub einer benachbarten Baugrube als Schwergewichtsmauer oder verankerte Wand wirken. Sie können gleichzeitig wasserundurchlässig ausgebildet werden. Nachweise der Grenzzustände des Versagens wie für eine Mauer aus nicht zugfestem Material. Es kann ein von vornherein kraftschlüssiger Anschluss des DS-Körpers an das Fundament erreicht werden, eine Unterfangung im DS-Verfahren ist daher in der Regel sehr verformungsarm.

nur Bindemit-telsuspension, 100 - 600 bar

Bindemittel-suspension, 100 - 600 bar und Luftunter-stützung

Wasser, 100 - 600 bar, Verfüllen mit Bindemittel-suspension, 3 - 10 bar

Wasser, 100 - 600 bar, Luftunterstüt-zung, Verfüllen mit Bindemittel-suspension, 3 - 10 bar

Bild R02.30: verschiedene Verfahren (Düsenstrahlsysteme) der DS-Herstellung

Bild R02.40: verschiedene Formen von DS-Elementen

Bild R02.50: aus Einzelelementen zusammengesetzte DS-Körper

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Beim Düsen muss darauf geachtet werden, dass sich nicht auf größeren Flächen hohe Flüssigkeitsdrücke wirksam werden, die dann rasch zu großen Hebungen führen. Es dürfen immer nur kleine Bereiche unter ei-nem bestehenden Fundament verflüssigt wer-den, siehe untenstehende Beschreibung zur Unterfangung eines Einzelfundamentes. Für die Herstellung werden üblicherweise die vorhandenen Fundamente schräg durchbohrt (Kernbohrungen vorab), der Unterfangungs-körper besteht häufig aus mehreren über-schnittenen, leicht schräg gestellten Säulen-reihen. Es wird ein statisch erforderliches Mindestprofil des Unterfangungskörpers er-mittelt. Bei der Ausführung aus DS-Elementen entsteht dann oft unvermeidlich ein größerer Körper. Baugrubenseitige Über-stände müssen nachträglich beseitigt (abge-fräst) werden.

- Nachgründungen, Tiefgründungen: Im Fall späterer Zusatzlasten auf einem Bauwerk können mit dem DS-Verfahren Fundamente nachträglich vertieft und vergrößert werden. Auch zur Sanierung von Gründungen - selbst von Pfählen im Fußbereich - kann das DS-Verfahren eingesetzt werden.

- Dichtwände können aus überschnittenen Säulen bestehen, wenn sie gleichzeitig verti-kale oder Erddrucklasten zu tragen haben. Wenn sie allein dem Dichtungszweck dienen, können sie als DS-Lamellen ausgeführt wer-den. Dann wird das Gestänge nach dem Boh-ren ohne Drehen gezogen. Mit dem DS-Verfahren erstellte Dichtwände und Dichtsoh-len können nicht absolut dicht sein, kleine Restdurchlässigkeiten müssen in Kauf ge-nommen und so berücksichtigt werden, dass keine Schäden entstehen.

- Dichtsohlen sind geeignet, Baugruben, die auf allen Seiten wasserundurchlässig um-schlossen sind, auch im Sohlbereich abzu-dichten. Dazu werden in der geplanten Tiefe kurze Säulen im Dreiecksraster angeordnet. Bei Kombination mit Ankern oder Zugpfählen können sie als hoch liegende Sohlen ähnlich wie eine Unterwasserbetonsohle wirken. Auch Sohlgewölbe lassen sich herstellen und bei der Erstellung von Zugpfählen kann der Verbund zum Untergrund auch durch Düsen erhöht werden.

- Vortriebssicherung im Tunnelbau: Hier bilden Düsenstrahlsäulen vorab ein Gewölbe im Baugrund oberhalb der Tun-nelfirste aus. Die Herstellung der DS-Säulen in horizontaler oder ansteigender Orientierung ist sehr schwierig, da ei-nerseits stets ein Material-Rücklauf erforderlich ist - sonst verteilt sich die unter hohem Druck eingebrachte Suspensi-on nach Aufreißen des Untergrundes flächig, es baut sich großflächig Druck auf und es kommt zu unkontrollierten Ge-ländehebungen - andererseits darf die Suspension nicht aus dem Bohrloch ausfließen.

Bild R02.60: Anwendungsmöglichkeiten des Düsenstrahlverfahrens

Bild R02.70: Planung eines Unterfangungskörpers aus DS-Elementen

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Seite Spezialverfahren R.10

Die Unterfangung eines Einzelfundamentes mit einem DS-Körper ist in Bild R02.80 dargestellt. Mit Hilfe von Abgrenzungen, die aus gedüsten Lamellen bestehen, wird verhindert, dass unter mehr als einem Viertel der Fundamentfläche ein verflüssigter Bereich ent-steht. Die Anwendung des Verfahrens setzt voraus, dass der Boden erodierbar ist. In sehr grobklastischen Böden ist es daher technisch nicht geeignet. Tone sind von einem Hochdruck-Flüssigkeits-Strahl zwar meist noch ausreichend erodierbar, der dabei in großem Umfang entstehende Rücklauf mit hohem Tonanteil ist jedoch problematisch. Er bindet nur langsam ab, ist daher schlecht depo-nierbar und macht die Anwendung des Verfahrens in Tonen meist unwirtschaftlich. Der optimale Anwendungsbereich sind Sande und Kiese. Eingelagerte Steine bilden insofern ein Problem, als sie zu unverfestigten Düsschatten führen, die Wasserwege bilden, die bei Anwendungen mit Anforderungen an die Dichtigkeit unerwünscht oder auch gefährlich sind. In solchen Fällen muss die Dicke einer Sohle so groß gewählt werden, dass oberhalb und unterhalb der Düsschatten ausreichend feste und dichte Bereiche sichergestellt sind. Ein weiteres Problem stellen organische Einlagerungen, insbesondere Holzstückchen und Braunkohle dar. Sie schwim-men in der Suspension auf, können sich dabei zu "Nestern" ansammeln, wodurch wiederum unverfestigte und (unter hohem Wasserdruck) nicht dichte Bereiche gebildet werden.

R.2.3 Qualitätskontrolle

Düsenstrahlkörper sind unterirdisch hergestellte Körper, die nur im Fall eines späteren Freilegens direkt zugänglich und dann nicht mehr korrigierbar sind. Die Sicherstellung ihrer Geometrie, Dichtigkeit und Festigkeit an jeder Stelle muss daher bei der Herstellung durch weit reichende und möglichst vollständige Qualitätskontrollen erreicht werden. Folgende Kontrollen sind erforderlich: - Einmessen der Bohransatzpunkte nach Lage und Höhe mit geodätischer Vermessung. - Tiefe (über die Länge des Bohrgestänges) und Neigung mit Hilfe von Inclinometern. Es gibt Inclinometer, die fest in

das Bohrgestänge eingebaut werden können, automatisch registrieren und speichern, und nach dem Ziehen des Ge-stänges ihre Daten an einen Computer übertragen, der ein genaues Bohrlochprofil errechnet. Die Abweichung zwi-schen Ist-Achse und Soll-Achse muss in einem vorher definierten Toleranzbereich verbleiben, andernfalls werden Zu-satzmaßnahmen erforderlich.

- Alle Parameter des Verfahrens sind vollständig zu protokollieren; die zeitlich variablen Größen sind permanent zu erfassen: Düse, Drehzahl, Ziehgeschwindigkeit, Druck, Durchflüsse von Wasser und Suspension, Dosierung der Zu-schläge.

- Kontrolle des Rücklaufs: Farbänderungen können auf die Schichtung hinweisen. Ein fehlender Rücklauf ist ein Alarm-signal: eine Verstopfung im Rücklauf führt zum Aufbau hoher Drücke und einer akuten Gefahr unkontrollierter Hebun-gen.

- Die erreichten Durchmesser sind zu überprüfen: Probesäule, Hydrophon, Messschirm, Rückflussdichte, siehe unten. - Festigkeit und Dichtigkeit sind entsprechend der Aufgabenstellung zu überprüfen. Dazu sind Rückstellproben mit

zeitabhängiger Untersuchung sowie Gewinnen und Untersuchen von Bohrkernen zweckmäßig und üblich. Die Durch-lässigkeit kann am besten am Gesamtsystem (Probelenzen) überprüft werden.

- Verformungen der Nachbarschaft überwachen und beweissichern: geodätische Vermessung, in kritischen Fällen zum Ausschluss unzulässiger Hebungen: online-Dauer-Überwachung.

Die Vorhersage der erreichbaren Durchmesser ist bisher nur auf der Grundlage von Erfahrungen mit den Geräten, Düs-parametern und gedüsten Böden möglich. Eine Säule, die mit gleichen Herstellparametern durch mehrere Bodenschich-ten verläuft, wird in den verschiedenen Schichten verschiedene Durchmesser aufweisen. Theoretische Verfahren oder allgemein verfügbare empirische Daten zur Durchmesserbestimmung gibt es bisher nicht, die bisher weitestgehenden Ansätze in dieser Richtung finden sich bei BERGSCHNEIDER (2002). Bei oder nach der Herstellung von Säulen können die Durchmesser jedoch (aufwändig) bestimmt werden:

Bild R02.80: Unterfangung eines Einzelfunda-mentes im DS-Verfahren

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- Bei vielen Baustellen mit Randbedingungen, für die keine sicheren Erfahrungen vorliegen, werden Probesäulen hergestellt und anschließend freige-legt. Die Probesäulen sollten in Böden gleicher Zusammensetzung und etwa gleicher Dichte her-gestellt werden wie die später zu produzierenden Säulen. Oft ist es dennoch möglich, Probesäulen oberflächennah auszuführen.

- Wenn man vor dem Herstellen einer Säule Mess-rohre in den Untergrund einbaut, z.B. in Entfer-nungen von 0,7 m, 0,8 m und 0,9 m von der Bohr-achse, können Hydrophone in den Rohre detektie-ren, ob der Düsstrahl das Rohr erreicht oder nicht (Bild R02.90). So lassen sich auch in großen Tie-fen, die nicht mehr freigelegt werden können Durchmesserbestimmungen von Probesäulen vor-nehmen.

- Mit Tastgeräten verschiedener Art kann unmittel-bar nach dem Düsen in einer frischen Säule der Durchmesser ermittelt werden. Da der Übergang zwischen Suspension und Boden aber nicht im-mer "hart" ist, weisen die Verfahren nennenswerte Ungenauigkeiten auf.

- Mit einer Bilanzierung der in das Bohrloch einge-brachten Massen an Wasser und Zement, des vor dem Düsen anstehenden Bodenmaterials im Be-reich des Düskörpers und des Rückflusses lässt sich der Durchmesser des DS-Körpers ermitteln. LESNIK (2003) hat dabei gute Erfolge vorweisen können, nachdem er dazu die Erodierbarkeit der im Untergrund anstehenden Böden in Abhängig-keit ihrer Kornverteilung berücksichtigte. Unter der weiteren Annahme, dass der w/z Gehalt in der rücklaufenden Suspension und im gedüsten Be-reich gleich ist, gelingt es, allein mit der Ermittlung der Dichte des Rücklaufes mit guter Genauigkeit auf den Durchmesser eines Düsenstrahlkörpers zu schließen. Wich-tige Grundlage dabei ist, dass - nachdem der Boden im Wirkungsbereich des energiereichen Düsenstrahls ganz in seine Einzelkomponenten zerlegt ist - feine Ton- und Schluffteilchen in größerem Umfang mit dem Rücklauf aus dem aufgeschnittenen Bohrloch ausgetragen werden als Sand- oder gar Kieskörner (Bodenaustauschgrad, siehe Tabelle R02.10). Betrachtet werden je Meter Säule die Massen und Volumina der beim Düsen eingebrachten Stoffe Wasser und Ze-ment, die Massen und Volumina von Wasser und Bodenpartikeln, die erodiert (in Einzelteile zerlegt) werden, sowie die Massen und Volumina von Wasser, Zement und Boden, die im Rücklauf ausgetragen werden. Daraus lassen sich Masse und Volumen der im Boden verbleibenden Säule und damit ihr Durchmesser bestimmen. Dichte und Kornver-teilung des Bodens müssen bekannt sein, man geht von wassergesättigtem Boden aus. Der Gesamt-Bodenaustauschgrad ergibt sich aus dem gewichteten Mittel aller Einzelkornfraktionen mit ihren jeweils eigenen Bo-denaustauschgraden, die empirisch aus vielen Versuchen und Rückrechnungen ermittelt wurden.

Bild R02.90: Reichweiten-Bestimmung mit Tastwerkzeug (KLUCKERT, 1996) sowie mit Messrohr und Hydrophon

Bild R02.100: Durchmesser-Bestimmung aus Dichtemessung des Rückflusses und Massenbilanz

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Seite Spezialverfahren R.12

Kornfraktion AB,min AB,max

Feinstes 80 90

Feinschluff 65 75

Mittelschluff 60 70

Grobschluff 50 60

Feinsand 45 55

Mittelsand 35 45

Grobsand 30 40

Feinkies 20 30

Mittelkies 10 20

Grobkies 0 5

Steine 0

Eingabe z.B.

Bodenkennwerte

Korndichte ρs g/cm3 2,70

Trockendichte ρd g/cm3 1,80

Bodenaustauschgrad AB - 0,50

Messwert

Rückflussdichte ρr g/cm3 1,75

Sonstige Werte

Bindemitteldichte ρz g/cm3 3,10

Dichte Wasser ρw g/cm3 1,00

Durchflussrate Suspension Qsus m3/min 0,30

Durchflussrate Wasser Qsw m3/min 0,00

Ziehgeschwindigkeit vz m/min 0,20

W/Z Suspension W/Zsus - 1,00

Tabelle R02.10: Bodenaustauschgrad AB [%] in Abhängigkeit von der Korngröße

Tabelle R02.20: Eingangswerte zur genauen Ermittlung der Bilanz der Stoffe im Düsenstrahlkörper

Bild R02.30: Beispiel für ermittelte Einzelkomponenten und Ergebnisse bei der Massenbilanz einer Säulenherstellung

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Seite Spezialverfahren R.13

R.3 Vereisung

Die Technik der Bodenvereisung stammt aus dem Schachtbau: 1862 wurde erstmals in einem Bergwerk in Südwales eine künstliche Bo-denvereisung angewendet. 1883 erhielt in Deutschland POETSCH (KOHLER, 1883) ein Patent auf ein Verfahren, das mit gewissen Modifizierungen bis heute angewendet wird: vertikale Bohrlöcher werden in regelmäßiger Folge, bei Bedarf in mehreren Reihen, rings um einen kreisförmigen Schacht angeordnet. In jede Bohrung wird ein doppelwandiges Rohr eingesetzt. In das innere Speiserohr wird ein Kälteträger eingepumpt, welches im Ringraum zwischen Innen- und Außenrohr zurückfließt und dabei den Boden abkühlt (Bild R03.10). Dabei gefriert das im Boden vorhandene Wasser und ver-festigt den Boden. Durch den gefrorenen Boden kann kein Wasser hindurchtreten. Die Anwendung des Gefrierverfahrens beschränkte sich bis zum zweiten Weltkrieg im Wesentlichen auf gewölbeartige Frostkörper, welche mit vergleichsweise einfachen Rechenmodellen und Stoffgesetzen zwar nicht besonders wirtschaftlich, aber doch hinreichend sicher bemessen werden konnten. Intensive Grundlagenforschungen etwa ab den 1970er-Jahren führten zu erweiterten Kenntnissen über gefrorene Böden, welche auch die Anwendung von ebenen und auf Biegung und Zug be-anspruchten Frostkörpern ermöglichte. Auf dieser Grundlage entwickelte sich die Bodenvereisung zu einem flexiblen und umweltfreundlichen Verfahren insbesondere auch für temporäre Stützbauwerke im Tiefbau. Das Gefrierverfahren ist für einfache Abstützungen und Abdichtungen in der Regel zu teuer. Für schwierige Tiefbaumaß-nahmen stellt es jedoch oftmals eine konkurrenzfähige Alternative zu anderen Bauverfahren dar, gelegentlich hat es sich auch schon als letzter Ausweg erwiesen. Gleichzeitig können mit dem Gefrierverfahren in der Regel auch strengste Um-weltauflagen erfüllt werden. Als wesentliche Merkmale und Vorteile des Gefrierverfahrens sind zu nennen: - Das Gefrierverfahren ist in praktisch allen Bodenarten und damit auch in stark geschichteten Böden anwendbar. - Gefrorener Boden ist:

• annähernd so fest wie Magerbeton • bildsam • absolut wasserdicht • chemisch neutral

- Frostkörper können beliebig nahe an oder unter bestehenden Bauwerken hergestellt werden, sofern dort die Gefrier-rohre eingebohrt werden können.

- Frostkörper können auch während ihrer Lebensdauer durch Nachvereisen verstärkt werden, was bei kaum einer an-deren Verfestigungsmaßnahme im Tiefbau möglich ist.

- Nach dem Auftauen bleiben außer einigen dünnen und weichen Rohren keine Rückstände im Boden, Behinderungen späterer Baumaßnahmen sind hierdurch ausgeschlossen.

- Es findet keine Belastung von Boden und Grundwasser statt.

R.3.1 Technologie

Das Verfahren setzt einen ausreichenden Wassergehalt des Bodens voraus, der in bindigen Böden in aller Regel vor-handen ist. In nichtbindigen Boden kann durch Versickerung bei Erfordernis der erforderliche Wassergehalt eingestellt werden. Die Vielzahl der entwickelten Geräte, Kühlmittel und Verfahren lässt sich auf 2 Typen zurückführen:

Zulauf

Rücklauf

Gefrierkörper

d

Speiserohr (d = 30 - 50 mm)

Steigrohr (d = 98 - 106 mm)

~ 45 cm

~ 0,4 d

Bild R03.10: Gefrierrohr im Boden (ORTH, 2002)

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Seite Spezialverfahren R.14

- Sole-Verfahren im Kühlkreislauf-System (Bild R03.20). Hier wird auf der Baustelle mit Hilfe einer Kältemaschine (wie Kühl-schrank) ein Kälteträger, meist eine Sole, gekühlt, die dann ü-ber ein geschlossenes Rohrleitungssystem zum Gefrieren des Bodens verwendet wird. Mit Hilfe eines Kompressors wird ein Kältemittel wie z.B. Ammoniak verdichtet. Das verdichtete und dabei erwärmte Gas wird - z.B. mit einer Luftkühlung - wieder auf etwa Umgebungstemperatur herabgekühlt. In einem Ver-dampfer wird das Gas entspannt. Dabei kühlt es ab. Mit dem abgekühlten Gas wird in einem zweiten Wärmetauscher der Kälteträger abgekühlt. Das Kältemittel wird wieder dem Kom-pressor zugeführt, es verbleibt im geschlossenen Kältemittel-kreislauf der Kältemaschine. Auf diese Art kann ein Kälteträger einstufig auf etwa -25 °C, zweistufig auf bis zu etwa -40 °C ab-gekühlt werden. Gebräuchliche Kälteträger sind MgCl2- oder CaCl2-Lösungen, auch Äthylenglykol. Während des Einfrierens entstehen zunächst um die Gefrierrohre radialsymmetrische Walzen aus Frostboden, welche zunehmend größer werden und schließlich zusammenwachsen (Bild R03.30). Typische Kühlaggregate für Gefrierverfahren haben 300 - 1000 kW Leistung und schaffen damit 200.000 bis 500.000 kcal/h. Sobald der Frostkörper seine planmäßige Ausdehnung erreicht hat, genügt eine stark reduzierte Kühlleistung zur Aufrechterhal-tung des Frostvolumens. Vorteil: kontrollierbarer Aufbau eines Frostkörpers. Vergleichs-weise niedrige spezifische Betriebskosten für die Abkühlung, so dass Solevereisungen vor allem für größere und langdauernde Vereisungen in Frage kommen. Zugeführt werden braucht nur die Betriebsenergie für die Kältemaschine. Nachteil: Hoher Aufwand bei der Baustelleneinrichtung. Lange Gefrierzeiten wegen des geringen Temperaturgradienten. Emp-findlich gegenüber strömendem Grundwasser. Hohe Stromkos-ten bei langer Bauzeit. Im Vergleich zur Stickstoffvereisung, siehe unten, sind wegen der höheren Viskosität des Kältemit-tels dickere Gefrierrohre erforderlich, die ebenso wie der ge-samte Kältekreislauf absolut dicht sein müssen, weil jeder Käl-temittelaustritt zum Auftauen in der Umgebung führt.

- Schockgefrieren (Stickstoffvereisung, seit 1962): flüssiger Stickstoff (LN2) wird mit Spezialfahrzeugen auf die Baustelle gebracht, strömt im Speiserohr ins Bohrloch ein, verdampft im Bohrlochtiefsten und tritt gasförmig über den Ringraum zum Außenrohr heraus. Dabei wird der umgebende Boden rasch abgekühlt. Abschließend tritt es frei in die Atmosphäre über. Die Menge des eingespritzten Stickstoffs wird so gesteuert, dass das ausströmende Abgas auf einer bestimmten Temperatur gehalten wird (Bild R03.40).

Alternativ zu Stickstoff kann auch CO2 als Kälteträger und Käl-temittel verwendet werden, welches auf der Baustelle in einer Kältemaschine als Gas gekühlt wird, aber längst nicht so tiefe Temperaturen erreicht wie flüssiger Stickstoff. Vorteil der Stickstoffvereisung ist eine vergleichsweise einfache Baustelleneinrichtung aus Vorratstank, Verteilerleitungen sowie einer Mess- und Steueranlage zur Dosierung des Stickstoffs. Durch die sehr niedrige Temperatur des verdampfenden Stick-

Bild R03.20: Schema eines Kühlaggregates (JESSBERGER, 1991); Kühlung mit Sole / Lauge

Bild R03.30: Frostausbreitung um eine Reihe von Gefrierrohren (ORTH, 2002)

Bild R03.40: Schockgefrieren mit flüssigem Stick-stoff LN2 (JESSBERGER, 1991)

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Seite Spezialverfahren R.15

stoffes von -196 °C lassen sich sehr hohe Temperaturgradienten und dementsprechend hohe Wärmeströme im Un-tergrund erzeugen. Die damit verbundenen kurzen Gefrierzeiten sind nicht nur in Notfällen, sondern auch bei strö-mendem Grundwasser von Vorteil. Weiterhin sind u.U. größere Gefrierrohrabstände möglich. Beim schnellen Gefrie-ren tritt außerdem keine Eislinsenbildung auf. Nachteil ist der hohe Verbrauch von Flüssiggas bei längerer Einsatzdauer.

Sobald der Frostkörper die erforderliche Dicke und Temperatur erreicht hat, kann er als Trag- und/oder Dichtelement genutzt werden. Um dies zu prüfen, sind Temperaturmessungen im Boden, in der Regel in eigens dafür vorhandenen Bohrungen zwischen den Lanzen, erforderlich. Ebenso geeignet ist die Crosshole-Seismik. Siehe im Übrigen die Hinweise bei JESSBERGER (1991).

R.3.2 Entwurfsregeln

Gefrierrohre (Stöße verschweißt) werden im Abstand von maximal 15 · Ø ringförmig um den zu sichernden Hohl-raum gesetzt. Wie die Bilder R03.50 und R03.60 zeigen, hängt von dem Abstand die Gefrierzeit entscheidend ab. Im Übrigen ist diese Zeit umso kürzer, je durchlässiger der Boden ist. Das Teure an der Bohrarbeit ist die erforderli-che Richtungsgenauigkeit (evtl. lieber enger setzen). Mit einem Ring Lanzen kann man ungefähr bis zu 3 m dicke Frostwände erzielen, wobei der Frostkörper nach innen etwas mehr wächst als nach außen. Lanzen sitzen daher bei 0,5 · d bis 0,55 · d (d=Dicke der Wand). Beim Betonieren gegen die Frostwand findet ein Wär-meaustausch statt, der durch Temperaturmessung über-wacht werden muss: einerseits soll die Frostwand nicht zu stark durch die Hydratationswärme des frischen Be-tons angetaut werden, andererseits muss der Beton genügend Zeit haben zum Erhärten, ehe ihn der Frost erreicht. Man erreicht das durch Steuern der Kühlleistung und durch Einhalten von 10° bis 20°C Ausgangstempera-tur des Betons. Auch das Zwischenschalten einer Wär-medämmschicht ist ein gebräuchlicher Lösungsweg.

R.3.3 Hinweise zur Theorie der Frostkörperbildung

Die Bildung eines Frostkörpers erfolgt nach SANGER / SAYLES (1978) in mehreren Stadien: Stadium I Um die Lanze herum bildet sich ein zylindrischer Frostkörper, auf den die FOURIERsche Differentialgleichung für den statio-nären Wärmefluss zu einem Zylinder anwendbar ist (r - Radial-Koordinate): 0 )dr/dT()r/1( dr/Td 22 =⋅+ (R03.10). Wenn man Gleichung R03.10 jeweils auf den gefrorenen ("g") und auf den ungefrorenen ("u") Bodenbereich anwendet, die bei r = R aneinander grenzen (R - halber Lanzenabstand), lautet die Lösung mit den Bezeichnungen nach Bild R03.70:

)Rr()Rlnr/(ln)Rlnr(lnTT

)Rrr()rlnR/(ln)rlnR(lnTT

u

auu

g

gg

−−=

≤≤

−−⋅Δ=

0

0

0

(R03.20).

Bild R03.50: Gefrierzeit und Lanzenabstand (KAKIMOW, 1957)

Bild R03.60: Gefrierzeit in Abhängigkeit vom Gefrierrohrab-stand, Laugentemperatur und Wassergehalt (STOSS, 1976)

Faktor 2

Faktor 10

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Die gesamte Energie E, die dem Boden entzogen werden muss, um einen Zylinder vom Radius R einzufrieren, besteht (je stgdm) aus der Summe von - Latenter Umwandlungswärme - Wärmemenge zum Abkühlen von T0 auf 0° - Wärmemenge zum Abkühlen von 0° auf - Δ T - Wärmemenge zum Abkühlen des Bodenvolu-

mens zwischen R und ra. Mit den in der Vorlesung C, "Elementare Bodenei-genschaften", Abschnitt C.6 erklärten Kennwerten ergibt sich nach SANGER / SAYLES (1982):

)]rlnR(ln2/TC )Rlnr(lnR2/)Rr(TC L[R E 0vfa222

a0vu2 −⋅Δ⋅+−⋅⋅−⋅⋅+⋅π=

(R03.30). Der 3.Summand in Gleichung R03.30, das ist der Energieanteil des ungefrorenen Bodens, macht etwa 30 % aus und darf keinesfalls vernachlässigt werden. Die erforderliche Gefrierzeit ergibt sich aus der Bedingung, dass der Wärmefluss durch die Rohrwand bei r = r0 groß genug sein muss, um nach der Gleichung für die Wärmemenge Q, siehe Vorlesung C, "Elementare Bodeneigenschaften", Ab-schnitt C.6.1, das Anwachsen des Frostkörpers bis zur Ausdehnung R sicherzustellen. Daraus folgt ]L/TC 1 )rlnR(ln2[ )TK4/LR( t 0vf00g

2g ′⋅+−−⋅⋅⋅⋅′⋅= (R03.40).

Die dazu erforderliche Kühlleistung (Wärmestrom) ist )rlnR/(lnTK2dt/dE 00g −⋅⋅π⋅= (R03.50). Stadium II Dieses Stadium beginnt, sobald sich die einzelnen Frostzylinder berühren und eine zusammenhängende Wand entsteht, die entweder als eine in der Dicke zunehmende ebene Wand oder als ein sich verdickender Ring angesehen werden kann. Bei der Berechnung geht man gewöhnlich vom ebenen Zustand aus und wandelt die Kette der Zylinder-Querschnittsflächen in einen flächengleichen Ring konstanter Dicke um. Von da an geht die Berechnung analog wie im Stadium I; dazu wird auf die Quelle (SANGER / SAYLES, 1978) verwiesen. Stadium III Falls der gewünschte Frostkörper mit nur einem Ring Lanzen nicht hergestellt werden kann, ergibt sich ein 3. Stadium, so-bald sich die Ringe berühren. Der so entstehende große Frostring kann dann noch weiter anwachsen, allerdings nur noch langsam. Auf Grund der Angaben in Abschnitt R.3.4 ist es möglich, die Festigkeitseigenschaften der Frostwand zu bestimmen und damit die Standsicherheitsnachweise wie für eine massive Konstruktion auszuführen. Der Frostkörper wird dabei nähe-rungsweise als elastischer Körper idealisiert, wobei die Zeitabhängigkeit und Temperaturabhängigkeit der Kennwerte nicht übersehen werden darf. Falls Berechnungen mittels finiter Elemente anzustellen sind, kann man in der von KLEIN / JESSBERGER (1978) beschrie-benen Weise vorgehen: dabei wird das Hookesche Gesetz um einen Kriechdehnungs-Anteil ε c erweitert:

)(G2 )G32K( c

ijeijij

ekkij ε−ε⋅⋅+δ⋅ε⋅⋅−=σ (R03.60).

Die Berechnung erfolgt in Zeitschritten Δ t, wobei die Kriechdehnungen jeweils beim nächsten Schritt als Anfangsdehnun-gen eingesetzt werden.

Bild R03.70: Räumliche Temperaturverteilung und Frostkörperbil-dung

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Seite Spezialverfahren R.17

R.3.4 Planung und Bemessung von Frostkörpern

Gefrorener Boden ist ein Vierphasengemisch aus Mineralkörnern, Eis, Wasser und Luft (Bild R03.80), das man als "Eisbeton" bezeichnen kann. Ein tragfähiger Frostkörper kann in praktisch allen mindestens erdfeuchten Böden (notfalls unter künstlicher Wasseranreicherung) hergestellt wer-den. Fließt das Grundwasser schneller als ca. 2 m/Tag, so können Maßnahmen gegen die Auf-wärmung durch das Grundwasser (z.B. stärkere Kühlung, zusätzliche Gefrierrohre) erforderlich werden. Salze im Boden bzw. im Grundwasser müssen besonders berücksichtigt werden (z.T. aus ORTH, 2002). Für die Bemessung sind Frostkörper zunächst normale Konstruktionselemente im Boden, die allerdings im Vergleich zu üblichen Materialien wie Beton oder ungefrorenem Boden ein besonderes Materialverhalten besitzen. Wesentlicher Unter-schied ist, dass die Festigkeit stark von der Tem-peratur abhängt und das Eis wie in der Folge ge-frorener Boden viskose Materialien sind, also bei Beanspruchung im Laufe der Zeit Kriechverfor-mungen erleiden.

R.3.4.1 Äußere Standsicherheit

Die äußere Standsicherheit wird wie bei anderen Konstruktionselementen mit den üblichen Berech-nungsverfahren nachgewiesen. Bei Baugruben-wänden sind meist die Kipp- und Gleitsicherheit, bei Unterfangungskörpern ist zusätzlich die Grundbruchsicherheit nachzuweisen. Der Einfluss von Grundwasser wird wie bei anderen Konstrukti-onselementen berücksichtigt. Ebenso sind die Setzungen im Hinblick auf die Gebrauchsfähigkeit zu prüfen.

R.3.4.2 Innere Standsicherheit

Die innere Standsicherheit ist für die jeweilige Bodenart und ihren Zustand in Abhängigkeit von der Temperatur und der geforderten Standzeit zu ermitteln. Da Frostkörper normalerweise eine un-gleichmäßige Temperaturverteilung haben, muss auch das Zusammenwirken der kälteren und der wärmeren Bereiche berücksichtigt werden. Unter Schubbeanspruchung (also auch bei einachsigem Druck) kriecht gefrorener Boden zunächst mit abnehmender, ab einem gewissem Zeitpunkt mit ansteigender Verformungsgeschwindigkeit und kommt schließlich zum Bruch (Bild R03.90). Der Frostkörper ist deshalb (unter Berücksichtigung des meist mehrachsigen Spannungszustands) so auszulegen, dass er innerhalb der geforderten Standzeit stets im Bereich abnehmender Kriechgeschwindigkeit bleibt (ORTH, 1986). Dabei sind weiterhin die zulässigen Verformungen im Hinblick auf die Gebrauchsfähigkeit zu beachten. Einen Ansatz dazu nennt SCHAD (1992) auf der Grundlage eines Elastizitätsmoduls, der mit der Dehnung linear abfällt. Man erhält dann eine kritische Last, von der an das Kriechen zum Versagen führt.

Bild R03.80: Bestandteile des gefrorenen Bodens: Feststoff - Eis - Wasser - Luft

Verhalten von gefrorenem Boden: Er wird unter Kurzzeitlast als linear elastischer Körper angesehen, der bei längerer Belastung (abhängig vom Spannungsniveau) kriecht. Bild R03.90: Kriechen gefrorenen Bodens unter einachsigem Druck

σ

σ

h 01 h

hln=ε

h0 = Anfangshöhe

ε1 [-]

t [min]

θ= -10° C

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Seite Spezialverfahren R.18

Bei der Bemessung von Frostkörpern auf Biegungen ist weiterhin zu berücksichtigen, dass gefrorener Boden unter Zug- und Druckspannung ein unterschiedliches Materialverhalten aufweist und deshalb die Nulllinie im Allgemeinen nicht wie bei einem linear-elastischen Material in der Querschnittsmitte liegt. Da sich weiterhin die zeitabhängigen Verformungen bei Zug und Druck unterschiedlich entwickeln, wandert die Nulllinie im Laufe der Zeit. Bisweilen sehr nützlich ist die bei kaum einem anderen Verfestigungsverfahren vorhandene Möglichkeit, die Verfestigung während des Betriebes erforderlichenfalls zu verstärken, d.h. den Frostkörper stärker abzukühlen und wachsen zu las-sen. Nachdem gefrorener Boden infolge seiner Viskosität zu erheblichen Spannungsumlagerungen fähig ist und anderer-seits im Betrieb ohnehin eine durchgehende Überwachung benötigt, kann auch das mechanische Verhalten eines Frost-körpers im Sinne der Beobachtungsmethode während der Nutzungszeit durch Temperaturmessungen einfach sowie zuverlässig kontrolliert und erforderlichenfalls beeinflusst werden.

R.3.4.3 Festigkeit des gefrorenen Bodens

Die Festigkeit des gefrorenen Bodens wird in ein-axialen und dreiaxialen Scherversuchen bei i.d.R. -10 °C Temperatur des Prüfkörpers bestimmt. Die axiale Vorschubgeschwindigkeit ist bei einaxialen Scherversuchen 1 %/min, bei dreiaxialen Versu-chen 0,1 %/min. Die Langzeitfestigkeit ist wegen des Kriechverhaltens von Eis niedriger und kann mit Hilfe von Kriechparametern recht gut abge-schätzt werden. Bild R03.100 zeigt Beispiele des Spannungs-Verformungsverhaltens verschiedener gefrorener Böden. Bei der Auftragung im Mohrschen Spannungsdia-gramm ergeben sich ausgeprägt nichtlineare Bruchgrenzen, Bild R03.110. Bei Dehnungen un-terhalb der Bruchdehnung ergeben sich nur unwe-sentlich kleinere Scherwinkel; der Zuwachs an Festigkeit bis zum Bruch äußert sich praktisch in Form einer Kohäsion. Bei dieser Belastungsge-schwindigkeit (Dreiaxialversuch) trägt also das Eis bei kleinen Dehnungen noch nichts bei; die gestri-chelte Linie "1 %" dürfte die Festigkeit des ungefro-renen Sandes kennzeichnen. Man geht - was an sich nur bei nichtbindigen Böden und Schluffen zutreffen kann - näherungsweise davon aus, dass der Scherwinkel temperatur- und zeit-unabhängig ist, so dass es für die Erfassung der mit der Zeit abnehmenden und mit abnehmender Temperatur zunehmenden Festigkeit genügt, die beiden Para-meter qg und cg zu berücksichtigen (Bild R03.110). Zur quantitativen Abschätzung des Kriechverhaltens wird gewöhnlich ein Potenzgesetz benutzt, z.B. nach KLEIN (1978):

CB11 tA ⋅σ⋅=ε

Für die in Bild R03.100 erläuterten Böden sind die aus Versuchen mit T = -10 °C ermittelten Werte A, B, C in der Tabelle R03.10 angegeben.

R.3.4.4 Thermische Bemessung

Bei der thermischen Bemessung ist zunächst ein mit den thermischen Bodeneigenschaften sowie den Randbedingungen kompatibles Temperaturfeld zu ermitteln. Für dieses wird dann die sowohl für das Einfrieren als auch für das Unterhalten des Frostkörpers erforderliche Kälteleistung berechnet. Anschließend ist unter Berücksichtigung der Temperatur des Kältemittels und der gewünschten Frostkörpergröße der Abstand der Gefrierrohre zu ermitteln. Hierbei ist sowohl die

Bild R03.100: Einaxiale Druckversuche an gefrorenen Bodenpro-

ben: (T = -10 °C; 1ε& = 1 %/min) bei verschiedenen Körnungs-

kurven (JESSBERGER, 1984)

Boden A [m2/(MN·h)]

B [-]

C [-]

A 1,2⋅10-3 1,70 0,16 B 3,4⋅10-3 2,10 0,25 C 4,2⋅10-3 2,20 0,072 D 8,2⋅10-3 2,25 0,24 E 5,0⋅10-3 2,15 0,095 F 2,0⋅10-2 2,14 0,20 G 5,8⋅10-2 3,40 0,48

Tabelle R03.10

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Bodenanfangstemperatur von in unseren Breiten meist ca. 8-11°C, gelegentlich aber (infolge andauernder Aufheizung durch menschliche Einwirkung) auch bis zu 15°C, zu berücksichtigen.

R.3.5 Verformungen infolge von Gefrieren und Auftauen

Die Ausdehnung des Wassers ist insbesondere bei Frostkörpern seitlich oder unter bestehenden Bau-werken zu beachten, weil hierdurch Zwängungs-spannungen und/oder Hebungen entstehen kön-nen. Die Größe der Hebungen hängt wesentlich von der Bodenart, dem Wassergehalt, der Grund-wassersituation sowie der Gefriergeschwindigkeit ab, kann jedoch bei Kenntnis bestimmter Bodenpa-rameter recht genau vorherberechnet werden. Insbesondere bei Stickstoffvereisungen können die Hebungen durch die Gefriergeschwindigkeit in gewissem Umfang beeinflusst werden. Aufgrund der Ausdehnung des Wassers im Porenraum bei der Eisbildung wäre eine spezifische Volumenaus-dehnung um den Faktor 0,045⋅n (n = Porenanteil) zu erwarten. Dies gilt jedoch nur, wenn das Wasser schneller gefriert, als es infolge einer Volumenaus-dehnung wegfließen kann. Daher ist bei langsamer Frostkörperbildung in Kiesen und Sanden anders als in bindigen Böden nicht mit Frosthebungen zu rechnen. Bei frostempfindlichen Böden ist über die Volu-menänderung des gefrierenden Bodens hinaus eine Eiskristallbildung zu beachten, siehe Vorle-sung F, "Boden als Baustoff", Abschnitt F.3, "Frost-empfindlichkeit". Zu berücksichtigen ist ferner, dass bei bestimmten Bodenarten Tausetzungen nach dem Vereisen auftreten können, welche den Betrag der Frosthe-bung oftmals überschreiten.

R.4 Einsatz von Tonsuspensionen, Bentonit

Zur Stützung und Stabilisierung offener Hohlräume werden erfolgreich Tonsuspensionen eingesetzt. Dies gilt bei den in der Vorlesung Q, "Stützbauwerke und Verbau" behandelten Schlitzwände ebenso wie für Bohrungen für Pfähle oder Anker. Dabei wird die in der Vorlesung B, "Entstehung und Zusammensetzung von Boden und Fels" bereits erwähnte große Thixotropie der Montmorillonit-Tone ausgenutzt. Das größte Wasserbindevermögen haben Na-Montmorillonite, die z.B. nach einem amerikanischen Fundort benannt als Bentonit im Handel sind.

Bild R03.110: Scherdiagramm für gefrorenen Sand (T = -10°C,

1ε& = 0,1 %/min) (JESSBERGER, 1984) sowie Näherungswerte für

die Zeit- und Temperatur-Abhängigkeit von qg und cg (JESSBERGER / NUSSBAUMER, 1973); Steigerung der Kohäsion cg und einaxialen Druckfestigkeit qg mit der Frosttemperatur; Abfall mit der Belastungszeit

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Seite Spezialverfahren R.20

In Deutschland findet man bei Landshut Tone mit 40 - 60 % Ca-Montmorillonit, die durch künstlichen Basenaustausch in Na-Montmorillonit umgewandelt und als Tixoton verkauft werden. Tonsuspensionen werden nach einer Erfindung von 1845 beim Tiefbohren als Bohrspülung eingesetzt, ab 1893 auch im Bergbau für das Abteufen von Schächten. Die erste Patentschrift auf geotechni-schem Gebiet datiert von 1912 (WEISS, 1967); die Praxis griff das Verfahren aber erst nach dem 2. Weltkrieg auf Grund der Arbeiten von LORENZ (1950) in Deutschland und VEDER (1950) in Italien auf. Schon Mischungen von nur 3,5 - 6 % (Gew.) Ben-tonit mit Wasser ergeben eine Suspension, die im beruhigten Zustand geliert und eine gewisse Scherfestigkeit hat. Man spricht daher von einer plastischen Flüssigkeit, die eine statische und eine dynamische Fließgrenze hat, Bild R04.10. Die Quali-tätsanforderungen an geotechnische Tonsuspensi-onen sind in DIN 4127 genormt.

R.4.1 Stützwirkung

Bild R04.20 zeigt ein Volumenelement, in dem ein Boden (B) durch eine Stützflüssigkeit (F) stabilisiert wird. Der Druck der Stützflüssigkeit ist FFF h⋅γ=σ ,

wenn hF die Druckhöhe von F ist. Im Boden steht

Grundwasser mit der Höhe wh an. Die nutzbare

Druckdifferenz zwischen F und GW ist also

WWFF hhp ⋅γ−⋅γ=Δ

Die Stützflüssigkeit dringt über eine gewisse Länge s in die Poren des Bodens ein, fließt aber (Ausnah-me in enggestuftem grobem Kies) nicht weg. Die Viskosität der Suspension bewirkt, dass der gegenüber dem Porenwasser oder der Porenluft im Boden bestehende Überdruck der Suspension, der an der Grenzfläche Hohlraum / Boden vorhanden ist, im Boden dadurch abgebaut wird, dass stützen-de Kräfte aus der Suspension an das Bodengerüst abgegeben werden. Nach einem gewissen Fließweg kommt daher die Suspension zum Stillstand. Das Fließen "stagniert", wenn pΔ auf die statische

Fließspannung Fτ abgebaut ist. Damit wird ein

Druckgefälle s/pΔ definiert (DIN 4126).

Bild R03.120: Beispiele von Frostkörper-Ausbildungen

Bild R04.10: Festigkeitsverhalten einer thixotropen Tonsuspension (LORENZ, 1950)

Bild R04.20: Stützung eines Bodens B durch eine stützende Flüs-sigkeit F

SchlitzwandKleinbohr-pfahlwand

Platte aus gefrorenem Boden auf Kleinbohrpfahl-, Schlitz-, oder Frostwänden

umgekehrte Gewölbe mit lotrechten und geneigten Gefrierrohren

Unterfangungen, Verbauwände

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Seite Spezialverfahren R.21

Es muss so groß sein, dass die unter der Auftriebswichte γ′ des Bodens stehende Erdwand nicht versagt. Aus dem Gleich-gewicht der auf einer vertikalen Gleitfläche potentiell abrutschenden Bodenscheibe (DIN 4126, s.a. dazu STOCKER / WALZ, 1991) ergibt sich als erforderliches Druckgefälle:

d0s cots/pf ϕ′⋅γ′=Δ= ,

wo s die (unbekannte) "Stagnationslänge" (WEISS, 1967 und MÜLLER-KIRCHENBAUER, 1977) und dϕ′ der Bemessungs-

wert des Winkels der inneren Reibung von B sind. Damit lautet die Grenzzustandsgleichung:

0fcot 0sd =−ϕ′⋅γ′ (R04.10). Das vorhandene Druckgefälle fs0 (bei RUPPERT (1980) f0d) ist nach experimentellen Untersuchungen von RUPPERT

(1980) von der Fließgrenze der Suspension und dem wirksamen Korndurchmesser d10, auf den die Suspension einwirkt, abhängig:

10F0s d/af τ⋅= (R04.20). a ist der Anstieg der Geraden in Bild R04.30. Wegen der thixotropen

Eigenschaft von F definiert DIN 4126 Fτ als die Fließgrenze nach

einer Ruhezeit von 1 min. Für eine konstante Druckhöhe ist fs0 der Reziprokwert der Filter-länge s, die somit bei Tonböden so klein wird, dass man entweder überhaupt keine Suspension zur Stabilisierung benötigt oder die Suspension sich wie ein dünner Film auf die Erdwand legt. Umge-kehrt besteht in grobklastischen Haufwerken das Risiko, dass sich keine endliche Filterlänge einstellt; die Suspension also wegläuft. Man muss dann versuchen, durch Füllmittel die Filterwirkung zu verbessern (Feinsand, Asche, Häcksel u.a.m.). Da die Suspension in der Regel mehrfach eingesetzt werden soll und daher wieder-aufbereitungsfähig bleiben muss, darf das Füllmittel nicht so be-schaffen sein, dass es sich nicht wieder separieren lässt.

R.4.2 Bestimmung der Fließspannung

Die statische und die dynamische Fließspannung werden in einem Rotationsviskosimeter gemessen, das ist, Bild R04.40, eine Labor-Flügelsonde mit einer Einrichtung zur Messung des Drehmoments bei eingeprägter Drehgeschwindigkeit. Da die Viskosität der Suspension temperaturabhängig ist, muss die Versuchstemperatur festgelegt (üblich: 20°C) und konstant gehalten wer-den. Bild R04.50 zeigt Versuchsergebnisse für eine 5 %-ige Tonsuspension. Die Rührzeit zwischen den Messungen von Fτ

(statische Fließgrenze) und Frτ (dynamische Fließgrenze) war 30 min (KÄRCHER, 1968). Die Fließspannung hängt vom Tongehalt der Suspension ab, wie Bild R04.60 zeigt: etwa 1 % mehr Ton führen zu einer Verdopplung der Fließspannung.

Bild R04.30: Druckgefälle in Abhängigkeit von

Fließgrenze τF und wirksamem Korndurchmesser

d10 (RUPPERT, 1980)

fs0 = f0d [kN/m³]

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Seite Spezialverfahren R.22

R.4.3 Experimentelle Bestimmung des Stagnationsgefälles fs0

Das Stagnationsgefälle fs0 = Δp/s = γf·hf / l kann auch direkt im Labor für einen nichtbindigen Boden und eine gewählte Suspension in einem Durchlaufzylinder (Permeameter nach MÜLLER-KIRCHENBAUER, 1969) bestimmt werden, Bild R04.70. Dabei wird für Fh eingesetzt:

)/(hlhh FwF γγ⋅′′++′= .

R.4.4 Bestimmung der Quellzeit

Wegen der aus Bild R04.50 ersichtlichen großen Abhängigkeit der Fließspannung von der Temperatur, die im Labor gewöhnlich höher ist als auf der Baustelle, muss der Baustelle auf Grund eines Vorver-suchs auch die Quellzeit bekannt gegeben werden, das ist die Zeit,

die bis zum Erreichen des Endwertes von Fτ erforderlich ist. Sie

beträgt in der Regel 36 h und lässt sich nicht nur durch erhöhte Mischtemperatur, sondern auch durch Steigern der Mischzeit verkür-zen, z.B. bei Verdopplung der Mischzeit auf 12 h.

R.4.5 Bestimmung der Suspensions-Stabilität

Die Tonsuspension zerfällt entweder durch Sedimentation in ihre einzelnen Phasen oder sie gibt unter Druck an einer durchlässigen Grenzfläche Wasser ab: Filtration. Die Stabilität der Suspension wird deswegen im Labor überprüft und durch die bei einer Spannung von 1 bar und bei 20 °C aus 1 l Suspension ausgepresste Wassermenge

FQ [cm³] gemessen, Bild R04.80. Die Suspensions-Stabilität ist auch sehr stark vom pH-Wert des Grundwassers abhängig, d.h. von der Ionen-Konzentration. Der Wert soll zwischen 7,0 und 9,5 liegen. Bei Arbeiten an der Meeres-küste ist das nicht einzuhalten, und es besteht die Gefahr, dass die Suspension ausflockt. Um das zu verhindern, muss ein chemisches Zusatzmittel wie Antisol, eine organische Verbindung, beigegeben werden.

R.4.6 Wahl der Suspension Bei der Festlegung der Rezeptur für eine Tonsuspension sind fol-gende Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen:

- Aus statischen Gründen soll die Wichte Fγ hoch sein. Da die

Wichte normalerweise wenig variabel ist, wird in Sonderfällen versucht, sie durch Zugabe von Füllstoffen hoher Wichte zu er-höhen, Bild R04.90 (g - Füllstoffzuschlag je Volumeneinheit).

- Mit Rücksicht auf die Verarbeitbarkeit in der Mischanlage darf

Fγ nicht zu groß werden.

- Um zu große Sickerverluste zu vermeiden, sind kleine Eindring-längen s erwünscht. Das erfordert für grobkörnige Böden hohe statische Fließspannungen.

- Um Suspensionsverluste beim Aushub zu begrenzen, soll beim

Baggern des Schlitzes die dynamische Fließspannung Frγ klein

sein. Bei hoher statischer und geringer dynamischer Fließspan-

Bild R04.40: Messgerät zur Bestimmung der Fließ-spannung und Fließgrenze

Bild R04.50: statische und dynamische Fließgren-ze in Abhängigkeit von Temperatur und Quellzeit (KÄRCHER, 1968)

Bild R04.60: Fließgrenze in Abhängigkeit des Tongehalts (KÄRCHER, 1968)

Bild R04.70: Permeameter (MÜLLER-KIRCHENBAUER, 1977)

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Seite Spezialverfahren R.23

nung muss die Thixotropiezahl (das Verhältnis FrF / γγ ) also

groß sein. Bild R04.100 zeigt ein Diagramm von KÄRCHER (1968) mit den erforderlichen Grenzwerten als Funktion des Korndurchmessers d25 des zu stützenden Bodens. Da der Greifer des Baggers gewöhnlich im freien Fall durch die Suspension den anstehenden Boden lösen

muss, darf Fγ vor allem bei größeren Grabtiefen nicht zu groß

werden. Das spielt besonders eine Rolle, wenn Dichtungswände im Einphasenverfahren aus Ton-Zement-Suspension hergestellt wer-den sollen.

R.5 Dichtungswände und -sohlen

Sowohl zur Herstellung von Baugruben, die das Grundwasser aussperren, als auch im Zusammenhang mit Staubecken im Tal-sperrenbau oder Kanälen für Schifffahrtswege und Wassertrans-port werden unterirdisch zu erstellende Dichtungswände und -sohlen benötigt. Auch bei der Einkapselung / Sicherung bestehen-der Deponien kommen Dichtungswände zum Einsatz. Mit ihnen wird der Strömungsweg des Grundwassers versperrt bzw. bis auf ein zu definierendes Maß verringert. Zu diesem Thema siehe auch Vorlesungseinheit S, "Bauen im Grundwasser". Dichtungswände müssen entweder in eine natürliche Sperrschicht einbinden oder an eine künstlich hergestellte Dichtungssohle ange-schlossen werden. Als natürliche Sperrschicht sind wassergesättig-ter Tonböden optimal. Vor allem bei Baugruben begnügt man sich aber oft mit Schichten, deren Durchlässigkeit um z.B. 2 Zehnerpo-tenzen geringer ist als die der abzusperrenden Schicht, z.B. tertiäre Sande unter quartären Kiesen. In derartigen Fällen muss mit nen-nenswerten Umströmungen und Restwasserhaltungen bzw. bei Kanälen mit Wasserverlusten gerechnet werden. Bei Dichtungs-wänden z.B. im Talsperrenbau, die in Deckschichten bis auf anste-henden Fels hergestellt werden, ist das Erreichen eines hinrei-chend wasserdichten Anschlusses an den Fels und das Ausschlie-ßen einer Umströmung über Klüfte oft problematisch, Zur Herstellung von Dichtungswänden kommen einige Verfahren in Frage, die in der Vorlesungseinheit Q, "Stützbauwerke und Verbau" behandelt wurden, darüber hinaus Verfahren, die hier in den Ab-schnitten R.1, R.2 und R.3 dargestellt sind: - Spundwände, vor allem wenn sie gleichzeitig als Verbauwände

dienen. Schlossundichtigkeiten sind nicht zu vermeiden, obwohl in entsprechenden Fällen Schlossdichtungen (z.B. bituminöses Material) üblich sind.

- Schlitzwände können auch bei großen Tiefen sicher und gut kontrollierbar hergestellt werden. Die Stützflüssigkeit kann gleichzeitig auch Dichtungsmasse sein (Einmassenverfah-ren) oder die Tonsuspension wird durch eine Ton-Zement-Suspension bzw. Stahlbeton verdrängt (Zweimassenver-fahren). Mit speziellen Abschalelementen lassen sich bei Betonwänden Dichtungsprobleme in den Fugen minimieren. Schlitzwände lassen sich durch eingestellte Spundwände (bei statischen Anforderungen) oder Kunststoffdichtungs-bahnen (bei Deponieumschließungen, mit Hilfe von Stahlrahmen eingebracht, über Schlossverbindungen miteinander dicht verbunden) wirksam ergänzen.

- überschnittene Bohrpfahlwände, vor allem wenn sie gleichzeitig als Verbauwände dienen. Die Vielzahl der Fugen lässt stets eine Restdurchlässigkeit erwarten.

Bild R04.80: ausgepresste Wassermenge QF (KÄRCHER, 1968)

Bild R04.90: Erhöhung der Wichte durch Zugabe von Füllstoffen (KÄRCHER, 1968)

Bild R04.100: Grenzwerte bei Suspensionswahl (KÄRCHER, 1968)

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Seite Spezialverfahren R.24

- Injektionskörper; vor allem bei nachträglichen Abdichtungen erkannter Schwachstellen können Injektionen sehr flexi-bel eingesetzt werden, z.B. aus Stollen / Kontrollgängen im Fuß von Staumauern heraus.

- Düsenstrahlkörper, vor allem, wenn sie in Baugrubenwänden gleichzeitig als Unterfangungen dienen. - Frostkörper. Sie schließen das Durchströmen von Wasser vollständig aus, können aber nur temporär eingesetzt wer-

den. Einsatz dann, wenn nach Beendigung der Maßnahme z.B. auf einem Nachbargrundstück keine Einbauten verbleiben dürfen. Sicheres Dichtungselement z.B. im Tunnelbau beim Herstellen von Quer-verbindungen.

- Schmaldichtwände vor allem bei Baugruben mit ausreichenden Platzverhältnissen zum Her-stellen freier Böschungen. Die Schmaldicht-wände dienen hinter der Böschungskrone dem Absperren des Grundwasserzuflusses zur Baugrube. Spezielle Stahlprofile werden in den Boden eingerüttelt und gleich anschließend wieder gezogen. In den entstandenen Schlitz wird beim Ziehen eine geeignete Suspension eingebracht. (zur erforderlichen Qualitätssiche-rung siehe STOCKER / WALZ, 1992). Die Schmalwände sind, wo sie herstellbar und zuverlässig sind, billiger als die anderen ge-nannten Verfahren, weil sie schneller herge-stellt werden können. Sie sind aber nur mit Tie-fen zwischen etwa 8 m und 20 m machbar und können wegen ihrer geringen Dicke von 5 cm bis 8 cm auch keine allzu großen Wasserüber-drücke verkraften. Ferner muss der Boden rammfähig sein, und die Wand muss sich in die als Abschluss dienende Sperrschicht sicher einbinden lassen. Ihr bevorzugtes Anwen-dungsgebiet sind daher nicht- oder schwach bindige Deckschichten über Tonschichten, die sich durch Rammen oder Rütteln noch aufschlitzen lassen (LORENZ, 1976, KIRSCH / RÜGER, 1976, STOCKER / WALZ 1992).

Alle Dichtungswände werden durch Wasserdruckkräfte belastet, die aus der Wasserspiegeldifferenz zwischen Oberwas-ser und Unterwasser resultieren. Die statische Beanspruchung muss über Biegung und geeignete Auflagerung im Boden oder durch Anker aufgenommen werden. Die dabei unvermeidlich auftretenden Verformungen dürfen die Dichtwirkung nicht stören. Zusätzlich zur statischen Beanspruchung ist die hydraulische Beanspruchung zu beachten. In der Wand (vor allem bei Einphasen-Schlitzwänden und Schmaldichtwänden) ist die Erosionsstabilität sicherzustellen, im Umfeld einer Wand, in der zusätzliche Strömungen entstehen können, sind Suffosionserscheinungen auszuschließen (s. Vorlesung G, "Wasser im Baugrund"). Dichtungssohlen werden zusätzlich zu Dichtungswänden dort erforderlich, wo die Wände nicht in natürliche Stauer einbinden können. Zu diesem Thema siehe vor allem auch Kapitel S, "Bauen im Grundwasser". Injektionssohlen werden durch rasterförmig angeordnete Injektionen mit in der Regel vertikalen Bohrungen hergestellt. Anstelle von Injektionen können auch Düsenstrahlkörper hergestellt werden. In großem Umfang sind vor allem in Berlin für eine Vielzahl tiefer Baugruben in den dort anstehenden Sanden Dichtungs-sohlen erforderlich geworden, da häufig in erreichbaren Tiefen keine natürlichen Stauer genutzt werden können. In die-sen Böden sind Weichgelsohlen geeignet und wurden zunächst als wirtschaftlichste Lösung regelmäßig ausgeführt. Da die Grundwasserqualität bei allen Injektionssohlen, bei Weichgel aber in besonderer Art, vor allem auf Grund starker pH-Wert-Änderungen und der dadurch bedingten Mobilisierung von Inhaltsstoffen im Boden negativ beeinflusst wird, wurde der großflächige Einsatz von Weichgel in Berlin nicht mehr genehmigt. Als Alternative sind Feinstzement- und Düsen-strahlsohlen ausgeführt worden.

Profil der Schmaldichtwand

Bild R05.10: Herstellen von Schmaldichtwänden

8 cm d

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Seite Spezialverfahren R.25

Da schon kleinste Fehlstellen oft dramatische Auswirkungen haben und Kontrollen auf Vollständigkeit nicht möglich sind, haben Bauherren und die Bauindustrie im Zusammenhang mit der Erstellung von Dichtungssohlen (und auch Dichtwän-den) große Schäden und Misserfolge erleiden müssen. Dichtungssohlen werden nach dem Abpumpen des Wassers im abgedichteten Baugrubenbereich erheblich durch Auf-triebskräfte belastet. Sie müssen daher entweder so tief liegen, dass ein ausreichendes Bodenvolumen oberhalb der Dichtungssohle verbleibt, um das Gleichgewicht der vertikalen Kräfte sicherstellen zu können (tiefliegende Sohlen). Alter-nativ sind hochliegende Sohlen möglich, die mit Hilfe von Zugpfählen (Rüttelinjektionspfähle: großer Stahlquerschnitt, hohe Steifigkeit, oder weichere Kleinbohr-Verpresspfähle mit Gewi-Stahlkern, die in seltenen Fällen auch vorgespannt wurden) zur Tiefe verankert werden. Hochliegende Dichtungssohlen sind nur mit Düsenstrahlkörpern ausführbar, da die konzentrierten Verankerungskräfte mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand (Dicke) nicht ausreichend sicher in Injektions-körper eingeleitet werden können. Als Alternative zu Dichtungssohlen wird auf verankerte Unterwasserbetonsohlen hingewiesen.

R.6 Unterfangungen

R.6.1 Allgemeines

§ 909 des BGB lautet: "Ein Grundstück darf nicht in der Weise vertieft werden, dass der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze verliert, es sei denn, dass für eine genügende anderweitige Befestigung gesorgt ist." Wenn Baugruben dicht neben bestehenden und zu erhaltenden Bauwerken zu erstellen sind, deren Gründungslasten oberhalb der Sohle der zu erstellenden Baugrube in den Untergrund eingeleitet werden, dann ist anhand des verfügbaren Platzes zu prüfen, ob noch ein Verbau hergestellt werden kann. Für klassische Verbausysteme sollte man mindestens 1,5 m bis 1 m Platz vor einem Nachbargebäude haben. Mit Hilfe von "Vor-der-Wand-Pfählen" oder geneigten Bohrpfäh-len, die unter den Bestand reichen, lassen sich auch Baugrubenwände erstellen, deren Innenkanten weniger als 1 m vor bestehenden Gebäudeaußenwänden liegen. Mit Absenkverfahren oder dem "Heidelberger Verbau", siehe Vorlesung Q, "Stützbauwerke und Verbau", sind auch wenig eingeführte Verbausysteme verfügbar, die unmittelbar an bestehende Bauwerke heranreichen und in das neu zu bauende Gebäude integriert werden. Andernfalls werden Unterfangungen der bestehenden Bauwerke erforderlich. Dabei wird der Gründungshorizont eines bestehenden Bauwerks an einzelnen Stellen oder insgesamt tiefer gelegt. Die Unterfangungskonstruktion muss nicht nur die vorhandenen Gebäudelasten in größerer Tiefe erneut in den Untergrund einleiten, vielmehr müssen auch Erddruckkräfte aus dem entstehenden oder vergrößerten Geländesprung aufgenommen werden. Da die Lasten des bestehenden Bau-werks, die zuvor den Baugrund unter den zu unterfangenden Fundamenten beanspruchten, in einer neuen Gründungstiefe eingeleitet werden müssen, führt dies dort zu einer Komprimierung des Baugrunds, was zwingend Setzungen zur Folge hat. Weitere Verformungen entstehen unvermeidbar, wenn die Bauwerkslasten in die neue Unterfangungskonstruktion eingelei-tet werden (Kraftschlussverformungen, Stauchung der neuen Bauteile). Unterfangungen sind daher stets mit Verformungen verbunden, die abgeschätzt und entweder kompensiert oder in Kauf genommen werden müssen. Unterfangungen sind auch im Zusammenhang mit Unterfahrungen, nachträglichem Einbau oder Tieferlegung von Unter-geschossen oder Gründungssanierungen erforderlich. Von Unterfahrung wird gesprochen, wenn unter einem bestehenden Bauwerk, dicht unter den Fundamenten, ein Stollen oder Tunnel gebaut wird. Da derartige Maßnahmen teuer sind, wird im Einzelfall zu prüfen sein, ob stattdessen das zu sichernde Bauwerk entweder zerlegt und nach Abschluss der Arbeiten wie-dererrichtet oder ob es abgerissen werden kann. Beim Bauen unmittelbar neben oder unterhalb bestehender Bauwerke ist eine sorgfältige und vollständig dokumentierte Gebäude-Aufnahme (Art und Zustand des Tragwerks, vorhandene Risse und Setzungshinweise, Versorgungs- und Entsor-gungsleitungen etc.) dringend geboten. Derartige Beweissicherungen erlauben die Regelung entstandener Schäden und vermeiden Konflikte aufgrund unberechtigt gestellter Schadensersatzansprüche. Kein bestehendes Bauwerk darf entsprechend dem o.g. Nachbarschaftsgesetz und auch aus Unfallschutzgründen und nach DIN 4123 ohne ausreichende Sicherungsmaßnahme bzw. ohne Nachweis der Zulässigkeit bis zu seiner Fundamentunter-kante oder tiefer freigeschachtet werden, auch nicht vorübergehend. Auch bei Abgrabungen in gewissem Abstand neben einem Bauwerk ist zu prüfen, ob ausreichende Grundbruch- und Geländebruchsicherheit verbleibt. Ist ein Gebäude gar auf horizontal stützende Erddruckkräfte angewiesen (Gewölbekeller, allseits eingeschüttete und durch gegenseitig wirkende Erddruckkräfte im Gleichgewicht gehaltene Bauteile), kann schon weit oberhalb der Gründungssohle ein Abgraben ohne Zusatzmaßnahmen die Standsicherheit gefährden.

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Seite Spezialverfahren R.26

R.6.2 handwerkliche abschnittsweise Unterfangung

Bild R06.10 zeigt das klassische handwerkliche Unterfangungsverfahren, welches bei Höhendiffe-renzen von wenigen Metern (maximal 5 m) möglich ist. Es ist in DIN 4123 geregelt. Geht man nach diesen Regeln vor, dann müssen Zwischenbauzu-stände nicht statisch nachgewiesen werden. Der statische Nachweis für den Endzustand ist jedoch nicht entbehrlich: Grundbruchsicherheit, Gleitsicher-heit, klaffende Fuge je unter Berücksichtigung des Erddrucks, Geländebruchsicherheit. Das Verfahren kann nur unter Wänden (die als Scheiben Lasten überbrücken können) mit ordnungsgemäßen Strei-fenfundamenten zur Anwendung gelangen. Einzel-fundamente lassen sich so nicht unterfangen. Bruchsteinfundamente müssen vorab injiziert oder anders gesichert werden. Bei größeren Höhen (über 3 m) hat man Unterfan-gungen auch schon in zwei Höhenabschnitten hergestellt, also eine Unterfangung einer Unterfangung vorgenommen. We-gen der zweifachen Lastumlagerung mit ihren einhergehenden Setzungen ist dies aber als nachteilig anzusehen. Ablauf der Unterfangung: - zunächst Aushub der Baugrube unter Belassung einer Berme, die eine ausreichende Grundbruchsicherheit gewähr-

leisten soll. Die eingetragenen Mindestmaße sind Richtwerte für den Regelfall: nicht- oder schwach bindige Böden; keine wesentlichen Horizontalkräfte; Grundwasserstand unterhalb der Baugrubensohle.

- In die Berme hinein werden Schlitze von höchstens 1,25 m Breite bis unter das bestehende Fundament ausgehoben und gegebenenfalls durch einen Grabenverbau gesichert. Die vorhandenen Fundamente müssen in ihrer vollen Tiefe unterfangen werden. Unter dem Bestandsfundament wird ein Pfeiler hochgemauert bzw. betoniert. Bei gemauerten Pfeilern wird die Fuge zwischen Pfeiler und Fundament durch großflächige Stahlkeile kraftschlüssig geschlossen. Bei betonierten Pfeilern genügt meist das satte Anschließen des frischen Betons (geringes Schwindmaß). Auch hier kön-nen aber Zusatzmaßnahmen für einen verformungsarmen Kraftschluss erforderlich sein (Injektion, Pressennischen und Flachpressen, Keile). Der lichte Abstand zwischen den ersten bzw. gleichzeitig offenen Schlitzen muss mindes-tens die 3-fache Schlitzbreite sein.

- Die ersten Festpunkte schafft man zweckmäßig unter den Gebäudeecken, um eine Sattellagerung des Altbaus zu vermeiden. Die nächste Priorität haben die Bereiche von Querwänden. Sobald alle hauptbelasteten Wandpunkte ge-sichert sind, werden die Zwischenbereiche abschnittsweise abgearbeitet.

- Bei Wandanschlüssen (Querwände an Längswände) muss für einen allmählichen Übergang von der vertieften zur bestehenden Fundamentierung gesorgt werden, wie das in Bild R06.20 (als Beispiel mit Grabenverbau aus Holzdie-len) dargestellt ist.

Bild R06.10: abschnittsweise Unterfangung (nach DIN 4123)

Bild R06.20: Unterfangung im Anschlussbereich einer Querwand (SMOLTCZYK, 1991)

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Seite Spezialverfahren R.27

- Das Neubau-Fundament ist gleichzeitig mit der Unterfangung abschnittweise herzustellen; die Unterkanten müssen auf gleicher Höhe liegen.

- Falls die Abtragung der Erddrucklasten dies erfordert, können in Unterfangungskörper auch Nägel oder Anker integ-riert werden. Sie sollten dann als erstes hergestellt werden, durch die Berme hindurch.

Das Verfahren der abschnittsweisen Unterfangung kann auch mit größeren Abschnittsbreiten als 1,25 m ausgeführt wer-den. In diesem Fall sind jedoch erdstatische Nachweise für alle Zwischenbauzustände zu führen. Dazu müssen die Las-ten, Materialeigenschaften und Dimensionen der zu unterfangenden Altbauteile ausreichend genau bekannt sein. Beson-dere Schwierigkeiten macht der Nachweis einer offenen Grube im Untergrund (aktiver räumlicher Erddruck, siehe Vorle-sung P, "Erddruck") unter Ansatz der Fundamentlasten des Altbaus am Rand der Grube.

R.6.3 Unterfangung mit Düsenstrahl-, Injektions- oder Frostkörpern

Vor allem mit Hilfe des Düsenstrahlverfahrens, siehe Abschnitt R.2, können Unterfangungskörper herge-stellt werden, bevor ein Aushub neben dem zu un-terfangenden Fundament stattfindet. Das Verfahren eignet sich auch im Grundwasserbereich und - durch Ausbildung großer Querschnitte (Schwerge-wichtsmauer) bzw. im Zusammenhang mit Veranke-rungen - für große Unterfangungstiefen. Bild R06.30 zeigt ein Beispiel. Da bei diesem Verfahren der Baugrund weit weniger entspannt wird als bei der klassischen Unterfangung, entstehen auch kleinere Verformungen infolge der Neueinleitung von Lasten in den Baugrund; Dennoch sind bei Unterfangungs-arbeiten mit dem Düsenstrahlverfahren Verfor-mungskontrollen äußerst wichtig, da durch das Einbringen von Suspension unter hohem Druck in den Untergrund die Gefahr von Fundamenthebun-gen besteht, wenn der Druckabbau über das offene Bohrloch (Verstopfer) temporär behindert ist. Auch das Düsenstrahlverfahren muss bei Unterfan-gungen in Abschnitten zur Ausführung gebracht werden, da ein DS-Körper erst nach seinem Abbin-den Lasten übertragen kann. Daher lassen sich auch mit dem Düsenstrahlverfahren Einzelfunda-mente nicht problemlos unterfangen, da es schwie-rig ist, planmäßig ausreichend kleine DS-Körper herzustellen, die den Unterfangungskörper in Ab-schnitte gliedern. Klassische Unterfangungen sind wegen ihres hohen Anteils manueller Arbeiten teuer. Unterfangungen im DS-Verfahren, bei denen der Aufwand mehr in der Verfahrenstechnologie als in der Handarbeit steckt, stellen auch aus wirtschaftlicher Sicht eine Alternative dar, wenn die Böden für das DS-Verfahren gut geeignet sind. In nichtbindigen Böden haben daher Unter-fangungen mit dieser neuen Technik klassische Unterfangungen - zumindest bei größeren Bauvorhaben - verdrängt. Dies gilt nicht in bindigen Böden, die bei klassischer Unterfangung unverbaute Gruben erlauben und in denen das DS-Verfahren wegen kleiner Säulendurchmesser und großer Rücklauf-Suspensionsmengen aufwendiger ist. Auch mit Hilfe von Injektionen, siehe Abschnitt R.1 und Bilder R06.40 und R06.50, sowie mit Frostkörpern, siehe Ab-schnitt R.3, lassen sich Unterfangungen herstellen. Sie sind jedoch Sonderfällen vorbehalten.

Bild R06.30: Im Düsenstrahlverfahren hergestellter Unterfangungs-körper (BORCHERT, 2002)

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Seite Spezialverfahren R.28

R.6.4 Unterfangung mit Pfählen

Die bisher behandelten Unterfangungen konnten zwei Aufgaben wahrnehmen: die Lasten eines vor-handenen Bauwerks in neuer Gründungstiefe abtra-gen sowie eine Verbauwand für die Baugrube eines Neubaus bilden, welche Erddruckkräfte aufnehmen kann. Unterfangungskörper in Düsenstrahl-, Injekti-ons- oder Gefriertechnik können darüber hinaus sogar wasserundurchlässig ausgebildet werden. Wenn nur die Aufgabe einer Tieferführung von Las-ten zu erfüllen ist, z.B. beim nachträglichen Einbau von Untergeschossen oder bei der Sanierung von Gründungen (z.B. auf verrotteten Holzpfählen), können Unterfangungen auch mit Hilfe von Pfählen hergestellt werden. Dazu werden die Lasten eines bestehenden Bauwerks nachträglich in Pfähle ein-geleitet. Anschließend kann der Boden um die Pfäh-le herum entfernt und die zuvor bestehende unterste Bauwerksebene vertieft werden. Da die für diese Art der Unterfangung erforderlichen Pfähle oft in sehr beengten Platzverhältnissen herzustellen sind, werden in der Regel Pfähle kleinen Durchmessers: bezeichnet als Wurzelpfähle, Gewipfähle, Verpress-pfähle, Mikropfähle, eingesetzt. Sie sind nicht in der Lage, nennenswerte Horizontallasten, also auch nicht Erddrucklasten, abzutragen. Ihre Schlankheit erfordert zudem in vergleichsweise engen vertikalen Abständen Knick-verbände. Für den Anschluss der Pfähle an die bestehenden Bauteile sind die in Bild R06.60 dargestellten Lösungen geeignet. Sie setzen voraus, dass die vorhandene Bausubstanz geeignet ist, die damit verbundenen Lastkonzentrationen ertragen zu können. Andernfalls geht der Unterfangung eine Verstärkung der Bauwerkssubstanz voraus, z.B. durch Mauerwerksinjek-tionen. Manchmal ist es auch notwendig oder zweckmäßig, die Lasten schon in höheren Ebenen und nicht erst oberhalb der Gründung in Hilfskonstruktionen einzuleiten. Auch bei Unterfangungen mit Pfählen ist zu beachten, dass das Umsetzen der Lasten in die neuen Konstruktionen zu Ver-formungen führt. Bild R06.70 zeigt daher die Unterfangungsvariante mit dem Jochbalken in Verbindung mit hydraulischen Pressen zum Verformungsausgleich. Die Pressen dienen nur temporär dem Vorgang des Anhebens und sind in einzelnen Pressenkammern angeordnet. Danach werden Stahlbleche und Spezialmörtel verwendet, um die Bauteile zu fixieren.

Bild R06.40: Mit Injektionen hergestellter Unterfan-gungskörper (SCHMIDT, 1996)

Bild R06.50: Unterfangung mit Injektion des Baugrundes: Statik des Injektionskörpers (HOLFELDER, 2002)

Bild R06.60: nachträgliche Übertragung von Gebäudelasten in Mikropfähle (SCHÜRMANN, 2002)

Bild R06.70: Umsetzen einer Wandlast über einen Jochbalken auf Mikropfähle; Verformungsausgleich mit Hydraulikpresse

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Bild R06.80 zeigt eine weitere Art, Pfähle gegen einen Unterfangungskörper vorzuspannen, um Setzungen beim Umsetzen der Gebäudelast auf den zur Unterfangung genutzten Pfahl zu vermei-den. Wenn Gebäudelasten auf schlanke Pfähle umge-setzt werden und die Pfähle beim Aushub auf größerer Höhe freigelegt werden, ist der Lastfall Knicken zu beachten und erfordert in der Regel Knickverbände.

R.6.5 Unterfahrungen

Wenn die Trasse eines Verkehrstunnels den Grundriss eines Bauwerks anschneidet, müssen dessen Wand- oder Stützenlasten entweder auf das Tunnelbauwerk umgesetzt oder seitlich ver-setzt in eine neue Gründung übertragen werden. SCHMIDT (1996) berichtet über eine dementspre-chende Teilunterfahrung in Stuttgart-Heslach, die nicht untypisch für komplizierte Bauabläufe bei innerörtlichen Verkehrsprojekten ist (Bild R06.90). Die Lösung wurde in folgenden Schritten erreicht: - Herstellen von Verpresspfählen und Jochträ-

gern zur Tieferführung der Lasten des beste-henden Gebäudes

- Bohrpfahlwand, nach oben mit Hilfe von Steck-trägern in einen Berliner Verbau fortgeführt, als Verbauwand auf der linken Tunnelseite

- Aushub, um Platz für die spätere Herstellung des Deckels zu schaffen. Dabei werden die Pfähle unter der Außenwand des bestehenden Gebäudes freigelegt. Die Pfähle unter der In-nenwand, rechts, wurden nicht freigelegt. Hier wurde zur Aufnahme von Erddruckkräften eine Spritzbetonschale hergestellt und diese mit An-kern gehalten.

- Schaffung eines Auflagers für den Deckel auf der rechten Seite mit Hilfe von Mikropfählen, die unterhalb des unter-fangenen Gebäudes hergestellt werden.

- Herstellen des Deckels als schwere Stahlbeton-Konstruktion. Die Verpresspfähle unter der Außenwand werden in den Deckel eingebunden.

- Aushub unter dem Deckel, dabei Entfernen der jetzt nicht mehr benötigten Verpresspfähle unterhalb des Deckels. Da die Mikropfähle auf der rechten Seite des Tunnelquerschnitts nur Vertikalkräfte zur Tiefe leiten können, aber nicht durch Erddruckkräfte belastet werden dürfen, wird hier in kleinen Tiefenabschnitten eine vernagelte Spritzbetonschale zur Aufnahme des Erddrucks hergestellt.

- Herstellen des Tunnels in der teilweise unter das bestehende Gebäude reichenden Baugrube. Bei der Vollunterfahrung eines Altbaus muss zwischen Tunnel und Bauwerk eine tragende Deckenplatte eingezogen wer-den, mit der die Bauwerkslasten zur Seite weitergeleitet werden. Diese Schirmdecke muss aus einzelnen Balken ab-schnittsweise hergestellt werden und trägt deswegen nur in Balkenrichtung. Als Balken werden gerne Rohre verwendet, die im Vortriebsverfahren eingebracht werden (Rohrschirmdecke).

Bild R06.80: Druckvorspannung eines Pfahls gegen ein Bankett (Werkbild, Fa. STUMP)

Bild R06.90: Teilunterfahrung mit Unterfangung und Deckelbau-weise (LHS Stuttgart, Tiefbauamt; SCHMIDT, 1996)

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Hierzu gibt Bild R06.100 ein Beispiel: Die Hausfun-damente wurden zunächst durch eine Injektion (chemische Bodenverfestigung) unterfangen. Dann wurden beiderseits des Hauses Baugruben ausge-hoben, von denen aus Stahlrohre von 1,2 m ø auf etwa 10 m Länge hydraulisch durchgepresst wur-den. Dazu ist ein Pressenwiderlager erforderlich, das die Reaktionskraft als Erdwiderstand mobilisie-ren kann. Die Stahlrohre erhalten am Kopf eine Druckplatte, die symmetrisch von vier Pressen ge-drückt wird. Durch die Anordnung mehrerer Pressen und zusätzlich durch eine gezielte Bodenentnahme an der Ortsbrust ist ein gewisses Steuern des Rohr-vortriebs möglich. Tatsächlich lässt sich eine er-staunliche Richtungstreue erreichen. In die Rohre wurden Profilstahlträger IPB 1000 als Tragglieder eingeschoben und die Rohre dann ausbetoniert. Anschließend wurden die Streichbal-ken neben dem Altbau betoniert, durch die die Rohrschirmdecke zu einer Platte zusammengefasst wurde. In der letzten Phase wurden die Tunnel-Längswände gebaut. Dazu wurde zunächst ein Kanalverbau abgeteuft, dessen eine Seite als verlorene Schalung für die Längswand benutzt wurde. Nach dem Erhärten der Längswände und dem Einbau der Lager für die Streichbalken auf den Tunnellängswänden konnte der Erdkern ausgehoben werden. Damit setzte sich der Altbau endgültig auf den Tunnel ab. Setzungen in cm-Größe sind fast unvermeidlich, wobei vor allem die Rückbauzustände zu beachten sind.

R.6.6 Verschieben bestehender Bauwerke

Wenn diese Aufgabenstellung auch selten ist, so kommt sie doch gelegentlich vor und ist beherrschbar: Bauwerke lassen sich in jeder räumlichen Richtung in eine andere Lage versetzen. Beispiele sind bereits aus dem 19. Jahrhundert bekannt. Dazu muss jeder einzelne Lagerpunkt des Bauwerks unterfangen und auf einen gemeinsamen Trägerrost umgesetzt wer-den, der seinerseits wiederum auf einer Verschiebebahn mit Pressenhilfe bewegt werden kann. Das kann ein einfaches Gleiten sein. Bei größeren Wegen muss aber vorgesorgt werden, dass nicht einzelne Punkte während des Verschiebevor-gangs größere Setzungen erleiden als die benachbarten. Deswegen setzt man in solchen Fällen den Trägerrost auf Rollwa-gen ab, die konstruktiv den Fahrwerken großer Portalkrane ähneln. Jeder Lagerpunkt wird durch eine hydraulische Presse höhenverschieblich gehalten. Sobald eine Relativsetzung an einem Lager beginnt, fällt der Pressendruck ab und löst eine Gegensteuerung aus. Beim Verschieben eines sehr empfindlichen gotischen Kirchenschiffs um 800 m konnte die Höhenla-ge-Differenz zwischen den Lagerpunkten bis auf 0,4 mm begrenzt werden. Die Verschiebekräfte sind nicht groß und bleiben bei etwa 1 % der Vertikallast, zuzüglich 0,5 % für das Anfahren. Die Vorschubpressen arbeiten stets gegen rückwärts gerich-tete Pressen auf der anderen Seite des Baukörpers, damit die Bewegung immer kontrolliert und mit annähernd gleichförmi-ger Geschwindigkeit erfolgt. Das Verschieben von Neubauten gelangt recht häufig zur Anwendung, wenn der Betrieb von Verkehrswegen nur in sehr kurzen Sperrpausen oder gar nicht beeinträchtigt werden darf. Dann werden Brückenüberbauten oder Tunnelrahmen gerne neben ihrer endgültigen Lage hergestellt und in einer kurz dauernden Phase an die endgültige Stelle verschoben. Auch hier kommen Verschubbahnen zum Einsatz. Beim Vorpressen von Tunnelrahmen unter Eisenbahntrassen durch Dämme hindurch wurde aber auch schon mehrfach direkt auf dem anstehenden Untergrund geschoben. Bei glatter Bau-werksunterseite (Stahlbleche) sind die anfallenden Reibungskräfte von hydraulischen Pressen gut zu überwinden. Rohrvortriebe im Vorpressverfahren werden an anderer Stelle behandelt.

Bild R06.100: Gebäudeunterfahrung mit Hilfe einer Rohrschirmde-cke (STRUMPF / GRÄNERT / SCHMIDT, 1967)

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R.7 Schrifttum

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