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Vorlesung Modellierung und Simulation I Dr. Ivo Muha 28. Januar 2014

Vorlesung Modellierung und Simulation I · Dieses Skript basiert auf den Skripten “Modellierung und Simulation I“ von Prof. Dr. Gillian Queisser, “Gew¨ohnliche Di ↵erentialgleichungen“

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Vorlesung Modellierung und Simulation I

Dr. Ivo Muha

28. Januar 2014

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Allgemeine Hinweise

Dieses Skript basiert auf den Skripten “Modellierung und Simulation I“ von Prof. Dr. GillianQueisser, “Gewohnliche Di↵erentialgleichungen“ von Prof. Dr. Gabriel Wittum und“Partielle Di↵erentialgleichungen“ von Prof. Dr. Gabriel Wittum.

Sollten Ihnen Fehler im Skript au↵allen, konnen Sie diese an Dr. Ivo Muha,Email: [email protected], melden.

Weiterfuhrende Literatur

• Numerik gewohnlicher Di↵erentialgleichungen, Reinhardt, Walter de Gruyter.

• Numerische Mathematik: Eine algorithmisch orientierte Einfuhrung, Deuflhard und Hohmann,de Gruyter Lehrbuch.

• Solving Ordinary Di↵erential Equations I: Nonsti↵ Problems, Hairer et al., Springer.

• Theorie und Numerik elliptischer Di↵erentialgleichungen, Hackbusch, Teubner.

• Theorie und Numerik partieller Di↵erentialgleichungen, Gerhard Dziuk, de Gruyter Lehrbuch.

• Partielle Di↵erentialgleichungen und numerische Methoden, Stig Larsson, Springer.

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Abstrakt

Die Vorlesung beschaftigt sich mit Verfahren zur Diskretisierung von gewohnlichen und partiellenDi↵erentialgleichungen. Insbesondere werden das explizite Euler, das implizite Euler, das Di↵erenzenverfahren,das Finite-Elemente Verfahren und das Finite-Volumen erlautert.

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Inhaltsverzeichnis

1 Gewohnliche Di↵erentialgleichungen 61.1 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

1.1.1 Radioaktiver Zerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61.1.2 Exponentielles Wachstum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61.1.3 Lotka-Volterra-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

1.2 Anfangswertproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71.3 Einschrittverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

1.3.1 Explizites Eulerverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81.3.2 Implizites Eulerverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91.3.3 Radioaktiver Zerfall mit Eulerverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91.3.4 Exponentielles Wachstum mit Eulerverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 91.3.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

1.4 Konsistenz und Ordnung von Einschrittverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 91.4.1 Lokaler Diskretisierungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

1.5 Konvergenz von Einschrittverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101.5.1 Globaler Diskretisierungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111.5.2 Abschatzung des globalen Diskretisierungsfehlers (Konvergenz) . . . . . . 11

1.6 Stabilitat von Einschrittverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141.6.1 Stabilitat vom expliziten und impliziten Eulerverfahren . . . . . . . . . . 141.6.2 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161.6.3 Inharente Stabilitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

1.7 Verfahren hoherer Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171.7.1 Taylorreihenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181.7.2 Weitere Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

1.8 Modellierung der acetoklastischen Methanogenese in einer Biogasanlage . . . . . 19

2 Partielle Di↵erentialgleichungen 212.1 Gangige Operatoren in mehrdimensionaler Analysis . . . . . . . . . . . . . . . . 212.2 Beispiele partieller Di↵erentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

2.2.1 Die Di↵usionsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232.2.2 Die Wellengleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242.2.3 Poisson- und Potential-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242.2.4 Poisson-Nernst-Planck Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

2.3 Typeneinteilung von partiellen Di↵erentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . 26

3 Diskretisierung: Di↵erenzenverfahren fur das Poisson-Problem 283.1 Gebietsdiskretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283.2 Approximationseigenschaften im R1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293.3 Erstellen eines linearen Gleichungssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

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3.4 Poisson Gleichung in 2D . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323.4.1 Matrix-Vektor-Schreibweise in R2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333.4.2 Funfpunktstern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353.4.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

3.5 M-Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363.5.1 Wiederholung von speziellen Matrixeigenschaften . . . . . . . . . . . . . 363.5.2 Eigenschaften von M-Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373.5.3 Abschatzen der Eigenwertbereiche einer Matrix . . . . . . . . . . . . . . 383.5.4 Zusammenhang zwischen M-Matrix und Spektralradius . . . . . . . . . . 40

3.6 Eigenschaften der Systemmatrix der Poisson-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . 433.6.1 Gebrauchliche Matrixnormen und positiv definite Matrizen . . . . . . . . 443.6.2 Matrixeigenschaften von Kh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473.6.3 Stetige Abhangigkeit von den Randdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . 493.6.4 Konvergenz, Konsistenz und Stabilitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

3.7 Das Neumann-Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523.7.1 Diskretisierung des Neumann-Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533.7.2 Losen des Neumann-Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

4 Allgemeine Finite Di↵erenzen in R2 564.1 Sternoperatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

4.1.1 Weitere Sternoperatoren und Rechenvorschriften . . . . . . . . . . . . . 564.2 Diskretisierung einer allgemeinen elliptische PDE zweiter Ordnung . . . . . . . . 57

5 Diskretisierung: Finite Elemente 615.1 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615.2 Ausflug in die Funktionalanalysis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

5.2.1 Normierte Raume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625.2.2 Banach-Raume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635.2.3 Der Sobolev-Raum L2

() . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655.2.4 Schwache Di↵erenzierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655.2.5 Die Hilbert-Raume Hk

() und Hk0

() . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 665.2.6 Dualraume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

5.3 Variationsformulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 695.3.1 Untersuchung des elliptischen Di↵erentialoperators zweiter Ordnung . . . 705.3.2 Existenz und Eindeutigkeit fur das Variationsproblem . . . . . . . . . . . 725.3.3 Schwache Losung des Randwertproblems . . . . . . . . . . . . . . . . . . 755.3.4 Variationsproblem der Neumann-Randwertaufgabe . . . . . . . . . . . . . 76

5.4 Galerkin-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 765.5 Finite Elemente Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

5.5.1 Beispiel von Courant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 805.5.2 Triangulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 825.5.3 Finite Elemente im R1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 835.5.4 Finite Elemente im R2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 865.5.5 Konvergenzaussagen zu Finite Elemente Verfahren . . . . . . . . . . . . 89

6 Finite Volumen 90

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1 Gewohnliche Di↵erentialgleichungen

1.1 Motivation

Viele Prozesse konnen mit Hilfe von gewohnlichen (ODE) oder partiellen (PDE) Di↵erentialgleichungenbeschrieben werden. Oft ist es jedoch nicht moglich die Gleichungen analytisch zu losen. Umdennoch eine approximative Losung zu bestimmen, konnen die Di↵erentialgleichungen diskretisiertwerden und anschließend das entstandene lineare Gleichungssystem gelost werden. In diesemKapitel wird der Fokus auf gewohnliche Di↵erentialgleichungen gelegt. Es werden verschiedeneVerfahren zur Diskretisierung eingefuhrt und ausfuhrlich diskutiert.

Dazu definieren wir zunachst den Begri↵ gewohnliche Di↵erentialgleichung und betrachten anschließendein paar Beispiele.

Definition 1. Gewohnlichde Di↵erentialgleichung (ODE) Eine gewohnliche Di↵erentialgleichungzeichnet sich dadurch aus, dass Ableitungen nur nach einer Koordinate (z.B. t) auftauchen.

1.1.1 Radioaktiver Zerfall

Beim radioaktiven Zerfall ist eine zu Beginn vorhandene Masse m0

eines radioaktiven Sto↵esgegeben. Man ist daran interessiert wie viel radioaktive Masse m(t) nach einer bestimmten Zeit tnoch ubrig bleibt. Die Gleichung lautet wie folgt:

@m

@t= ↵m (1.1)

Hierbei ist ↵ die Zerfallskonstante. Die Anfangsbedingung lautet

m(0) = m0

(1.2)

Diese Gleichung ist o↵enbar analytisch losbar, die Losung lautet (nach Integration)

m(t) = m0

· e↵t (1.3)

Aufgabe 1. Zeichnen Sie fur ↵ = 1 und m0

= 1 die Funktion m(t).

1.1.2 Exponentielles Wachstum

Ein weiteres Beispiel ist das exponentielle Wachstum.Betrachtet man zum Beispiel angelegtes Kapital K

0

, welches mit einer festen Rendite verzinstwird, so wachst das Kapital exponentiell. Man mochte wissen wie viel Kapital K(t)nach einerbestimmten Zeit t als Ruckzahlung zu erwarten ist. Die Gleichung lautet wie folgt

@K

@t= ↵K (1.4)

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Hierbei ist ↵ eine ”Wachstumskonstante”. Die Anfangsbedingung lautet:

K(0) = K0

(1.5)

Auch diese Gleichung ist analytisch durch Integration losbar. Man erhalt:

K(t) = K0

· e↵t (1.6)

Aufgabe 2. Zeichnen Sie fur ↵ = 1 und K0

= 1 die Funktion K(t).

1.1.3 Lotka-Volterra-Modell

Das Lotka-Volterra-Modell ist ein Bekanntes Zwei-Spezies Modell aus der Populationsdynamik.Es beschreibt die Interaktion eines Raubers P mit einer Beute N .Sei die Population der Rauber am Anfang gegeben durch P

0

und die Population der Beute durchN

0

, dann lauten die Gleichungen wie folgt:

@N

@t= N(a bP ) (1.7)

@P

@t= P (cN d) (1.8)

Hierbei sind a, b, c, d positive Konstanten.

Aufgabe 3. Uberlegen Sie sich welche Bedeutung die Konstanten a, b, c, d haben konnten.

Aufgabe 4. Uberlegen Sie sich wie die Funktion N(t) und P (t) aussehen konnten.

Das Lotka-Volterra Modell ist lasst sich nicht mehr so einfach analytisch losen, wie das Beispiel1.1.1 und das Beispiel 1.1.2.

1.2 Anfangswertproblem

Wir haben bereits an den Beispielen gesehen, dass neben der Di↵erentialgleichung auch Anfangswertevorhanden sein mussen, damit ein Problem wohlgestellt sein kann.. Allgemein kann man folgendeDefinition aufstellen:

Definition 2. Anfangswertproblem (AWP) Sei A : D R RN ! RN undu : [T

0

, T ] R ! RN dann heißt

@u

@t= A(t, u(t)) t 2 [T

0

, T ] (1.9)

u(T0

) = u0

(1.10)

Anfangswertproblem.

Der Einfachhalt halber betrachten wir nur AWP mit N = 1 und T0

= 0.

7

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1.3 Einschrittverfahren

Zu den einfachsten numerischen Verfahren, welche ein AWP losen konnen gehoren die sogenanntenEinschrittverfahren. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine Losung im nachsten Zeitschrittberechnen, indem sie Losungen aus dem alten Zeitschritt verwenden. Genauer:

Definition 3. Einschrittverfahren Ein Einschrittverfahren berechnet iterativ eine diskrete Approximationut(t + t) fur u(t + t) und bekannten Anfangswerten u

0

nach folgender Vorschrift:

ut(0) = u

0

(1.11)

ut(t + t) = u

t(t) + t · (t, ut(t + t), u

t(t)) (1.12)

hierbei heißt (t, ut(t + t), u

t(t)) Verfahrensfunktion.

Definition 4. Bei expliziten Verfahren hangt die Verfahrensfunktion nicht von der Losung imnachsten Zeitschritt ab, d.h.

(t, ut(t + t), u

t(t)) = (t, ut(t)), (1.13)

somit kann ut(t + t) direkt berechnet werden.

Definition 5. Bei impliziten Verfahren hangt die Verfahrensfunktion nur von der Losung imnachsten Zeitschritt ab, d.h.

(t, ut(t + t), u

t(t)) = (t, ut(t + t)), (1.14)

In diesem Fall kann ut(t + t) nur durch Losen eines Gleichungssystems berechnet werden.

Die beiden einfachsten Einschrittverfahren sind das explizite und das implizite Eulerverfahren. Inbeiden Verfahren wird der Di↵erentialquotient durch einen Di↵erenzenquotienten approximiert:

@u

@t D

tu(t) :=

u(t + t) u(t)

t(1.15)

Der Unterschied zwischen dem expliziten und dem impliziten Eulerverfahren ist die Stelle, an derA ausgewertet wird.

1.3.1 Explizites Eulerverfahren

Beim expliziten Eulerverfahren wird A an der Stelle t ausgewertet und wir erhalten direkt u(t+t)durch folgende Gleichung:

ut(t + t) = A(t, u

t(t)) · t + ut(t) (1.16)

Mit Hilfe der Anfangsbedingungen und einem korrekt gewahlten t kann nun ut an jeder

beliebigen Stelle t iterativ bestimmt werden.

Bemerkung 1. Beim expliziten Eulerverfahren gilt

(t, ut(t + t), u

t(t)) = A(t, ut(t)). (1.17)

8

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Aufgabe 5. Implementieren Sie das Lotka-Volterra-Modell mit dem expliziten Euler-Verfahrenund untersuchen Sie das Ergebnis fur geeignete Konstanten.Hinweis: Sollten Sie Probleme mit der Berechnung haben, erniedrigen Sie den Zeitschritt t.

1.3.2 Implizites Eulerverfahren

Beim impliziten Eulerverfahren wird A an der Stelle t + t ausgewertet und man erhalt folgendeGleichung:

ut(t + t) A(t + t, u

t(t + t)) · t = ut(t) (1.18)

In diesem Fall, kann ut(t+t) nicht trivial berechnet werden. Stattdessen muss Gleichung (1.18)

nach ut(t + t) aufgelost werden.

Bemerkung 2. Bei impliziten Eulerverfahren gilt

(t, ut(t + t), u

t(t)) = A(t, ut(t + t)). (1.19)

1.3.3 Radioaktiver Zerfall mit Eulerverfahren

Aufgabe 6. Losen Sie fur ↵ = 1, m0

= 1 und t = 1 die ODE fur den radioaktiven Zerfall mitdem expliziten und mit dem impliziten Euler. Welches Verfahren ist geeigneter?

1.3.4 Exponentielles Wachstum mit Eulerverfahren

Aufgabe 7. Losen Sie fur ↵ = 1, K0

= 1 und t = 1 die ODE fur das exponentielle Wachstummit dem expliziten und mit dem impliziten Euler. Welches Verfahren ist geeigneter?

1.3.5 Zusammenfassung

Es wurde das explizite und das implizite Eulerverfahren eingefuhrt. Wir haben gesehen, dassobwohl beide Verfahren sehr ahnlich sind, manche Probleme mit dem einen und andere Problememit dem anderen Verfahren besser gelost werden konnen. Weiterhin berechnen wir mit denEinschrittverfahren eine approximierte Losung u

t(t) an die richtige Losung u(t), dabei wissenwir aber nicht was fur einen Fehler wir dabei machen. In den folgenden Abschnitten wollen wiruns genauer mit dem Fehler und der Stabilitat von Einschrittverfahren beschaftigen.

1.4 Konsistenz und Ordnung von Einschrittverfahren

Bevor wir mit diesem Abschnitt beginnen, wiederholen wir noch einmal die Definition einerTaylorentwicklung um t

0

:

Definition 6. Taylorentwicklung Die Taylorentwicklung einer unendlich oft di↵erenzierbarenFunktion f(t) : R ! R um t

0

lautet

f(t) = f(t0

) +

(t t0

)

1!

f 0(t0

) +

(t t0

)

2

2!

f 00(t0

) + . . . (1.20)

=

1X

i=0

(t t0

)

i

i!f (i)(t0) (1.21)

9

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Aufgabe 8. Bestimmen Sie die Taylorentwicklung der Funktionen f1

(t) = e2t und f2

(t) = sin(t)um t

0

= 0 bis zur vierten Ordnung. Werten Sie das berechnete Polynom an der Stelle t = 1 aus.Vergleichen Sie das Ergebniss mit f

1

(1) und f2

(1).

Nun wollen wir die Konsistenz und Ordnung von Einschrittverfahren genauer untersuchen. DieKonsistenz ist notwendig, damit die numerisch berechnete Losung u

t(t) eine Approximation andie exakte Losung u(t) des AWPs darstellen kann. Die Ordnung des Einschrittverfahrens ist einMaß fur die Gute der Approximation von D

tu(t).

1.4.1 Lokaler Diskretisierungsfehler

Zunachst definieren wir den lokalen Diskretisierungsfehler:

Definition 7. Lokaler Diskretisierungsfehler Der lokale Diskretisierungsfehler t berechnet

sich wie folgt:

t(t, u) :=

u(t + t) u(t)

t (t, u(t + t), u(t)) t 2 [0, T t] (1.22)

Der lokale Diskretisierungsfehler beschreibt den Fehler, der in jedem Interationsschritt durch dasverwendete Verfahren (z.B. explizites Eulerverfahren) entsteht.Nun konnen wir die Konsistenz und die Ordnung von Einschrittverfahren definieren

Definition 8. Einschrittverfahren der Ordnung p Das Einschrittverfahren hat die Ordnung p,wenn folgendes gilt:

t(t, u) = O(tp) 8t 2 [0, T t] (1.23)

Fur ein Verfahren der Ordnung p > 0 gilt somit t(t, u) ! 0 fur t ! 0. Solch ein Verfahren

heißt konsistent.

Aufgabe 9. Zeigen Sie, dass das explizite und das implizite Eulerverfahren Einschrittverfahrender Ordnung 1 sind.

Bemerkung 3. Damit sind sowohl das explizite als auch das implizite Eulerverfahren konsistent.

Mit Hilfe der Definitionen haben wir bereits eine notwendige Bedingung gefunden, welche geltenmuss damit u

t(t) eine vernunftige Approximation an u(t) ist, namlich:

Bemerkung 4. Damit ut(t) eine

”vernunftige“ Approximation an u(t) darstellen kann, muss

das zugehorige Verfahren konsistent sein.

Es stellt sich nun die Frage was genau eine”vernunftige“ Approximation sein soll. Man mochte

naturlich, dass der Fehler also |ut(t) u(t)| fur alle t klein wird. Um das zu untersuchen muss

man sich mit der Konvergenz von Einschrittverfahren beschaftigen.

1.5 Konvergenz von Einschrittverfahren

Wie wir in Abschnitt 1.4 gesehen haben, ist die Konsistenz notwendig, damit ut(t) die exakte

Losung u(t) des AWPs sinnvoll approximieren kann. In diesem Abschnitt beschaftigen wir uns mitder Konvergenz von Einschrittverfahren.Bei einem konvergenten Verfahren kann die exakte Losung u(t) durch die Wahl eines immer kleinerwerdenden t fur jedes t beliebig genau approximiert werden.

10

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1.5.1 Globaler Diskretisierungsfehler

Um die Konvergenz zu untersuchen definieren wir den globalen Diskretisierungsfehler.

Definition 9. Globaler Diskretisierungsfehler Sei ut(t) die aus einem Einschrittverfahren

hervorgegangene Losung und u(t) die exakte Losung des AWPs, dann ist der globale Diskretisierungsfehlerdefiniert durch:

et(t) := u

t(t) u(t) t 2

t :=

[

k2N mit ktTkt (1.24)

Aufgabe 10. Uberlegen Sie sich welche Bedeutung

t hat.

Schließlich konnen wir mit Hilfe des globalen Diskretisierungsfehlers die Konvergenz definieren:

Definition 10. Konvergenz Ein Einschrittverfahren heißt konvergent, wenn folgendes gilt

lim

t!0

et(t) = 0 8t 2

t. (1.25)

Aufgabe 11. Uberlegen Sie sich, wie

t fur t ! 0 aussieht?

1.5.2 Abschatzung des globalen Diskretisierungsfehlers (Konvergenz)

Bevor wir eine Aussage uber die Konvergenz tre↵en konnen, brauchen wir noch die Lipschitz-Stetigkeitdes Einschrittverfahrens:

Definition 11. Lipschitz-Stetigkeit Ein Einschrittverfahren heißt Lipschitz-stetig in einer Umgebungder Losung u, wenn und existieren, so dass

k(t, u1

) (t, u2

)k Lku1

u2

k (t, u1

), (t, u2

) 2 G (1.26)

gleichmaßig fur alle 0 t , wobei

G =

n

(t, u) 2

t RN|ku u(t)k , 0 t To

. (1.27)

Aufgabe 12. Uberlegen Sie sich eine Funktion, die auf einem Intervall stetig aber nicht lipschitz-stetigist.

Aufgabe 13. Gegeben ist eine di↵erenzierbare und Lipschitz-stetige Funktion f . Was konnen Sieuber |f 0(x)| aussagen?Nun konnen wir folgenden Satz zur Konvergenz formulieren:

Satz 1. Das Einschrittverfahren sei Lipschitz-stetig in einer Umgebung der Losung u des AWPs.Dann ist die Konsistenz des Einschrittverfahrens aquivalent zur Konvergenz von u

t(t) gegen u(t)und von D

tut(t) gegen u0(t), d.h.

max

t2t

kut(t) u(t)k ! 0, max

t2t

kDtut(t) u0(t)k ! 0 fur t ! 0. (1.28)

Weiterhin existiert fur ein konsistentes Verfahren ein > 0 so dass folgende Fehlerabschatzung

ket(t)k Ctp(1 + t)eLt fur t 2

t, 0 t (1.29)

11

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gilt, wobei p die Ordnung des Einschrittverfahrens ist und L die Lipschitz-Konstante.

Beweis. (Quelle: Numerik gewohnlicher Di↵erentialgleichungen, Reinhardt)(i) zu zeigen: Konvergenz ! KonsistenzWir betrachten den lokalen Diskretisierungsfehler:

t(t, u) = D

tu(t) (t, u(t + t), u(t)) (1.30)

= Dtu(t) D

tut(t) + (t, ut(t + t), u

t(t)) (t, u(t + t), u(t))

Mit der Dreiecksungleichung folgt:

kt(t, u)k kD

tu(t) Dtut(t)k + k(t, u

t(t + t), ut(t)) (t, u(t + t), u(t))k

Wir schatzen zuerst den zweiten Term ab:Unter Ausnutzung der Lipschitz-Stetigkeit folgt:

k(t, ut(t + t), u

t(t)) (t, u(t + t), u(t))kk Lku(t) ut(t)k (1.31)

Aus der Konvergenz folgt dann

k(t, ut(t + t), u

t(t)) (t, u(t + t), u(t))k ! 0 f

¨

ur t ! 0 (1.32)

Nun schatzen wir den ersten Term ab:Dazu halten wir zunachst fest:

Dtu(t) D

tut(t) = Dtu(t) u0(t) + u0(t) D

tut(t) (1.33)

Mit der Dreiecksungleichung folgt somit

kDtu(t) D

tut(t)k kDtu(t) u0(t)k + ku0(t) D

tut(t)k (1.34)

Aus der Vorraussetzung folgt, dass

ku0(t) Dtut(t)k ! 0 f

¨

ur t ! 0 (1.35)

Ist u hinreichend di↵erenzierbar gilt weiterhin

kDtu(t) u0(t)k ! 0 f

¨

ur t ! 0 (1.36)

Somit haben wir insgesamtk

t(t, u)k ! 0 f

¨

ur t ! 0 (1.37)

Damit ist die Konsistenz gezeigt.

(ii) Nun zeigen wir durch vollstandige Induktion, dass die Fehlerabschatzung 1.29 gilt.Die Abschatzung ist o↵enbar richtig fur t = 0 (Induktionsanfang).Wir nehmen an, dass die Abschatzung fur ein beliebiges t gilt (Induktionsannahme).

12

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Wir zeigen nun, dass die Abschatzung fut t0 = t + t gilt: Es gilt

1

t(e

t(t0) e

t(t)) =

1

t(u

t(t0) u(t0) u

t(t) + u(t))

= (t, ut(t + t), u

t(t))

(t, u(t + t), u(t)) + (t, u(t + t), u(t)) 1

t(u(t0) u(t))

Unter Ausnutzung der Lipschitz-Stetigkeit und der Dreiecksungleichung erhalten wir schließlich

ket(t

0)k ke

t(t)k + tk((t, ut(t + t), u

t(t)) (t, u(t + t), u(t)))k+tk

t(t, u)k (1 + Lt)ke

t(t)k + tkt(t, u)k

(1 + Lt)ket(t)k + teLt

0kt(t, u)k

Schließlich nutzen wir noch die Induktionsannahme und Konsistenz aus, es folgt

ket(t

0)k (1 + Lt)Ctp(1 + t)eLt + teLt

0Ctp

eLtCtp(1 + t)eLt + teLt0Ctp (1.38)

= Ctp(1 + t0)eLt0

(1.39)

(iii) Zum Schluss beweisen wir noch, dass aus Konsistenz Konvergenz folgt:Da wir die Fehlerabschatzung nur unter Ausnutzung der Konsistenz gezeigt haben, konnen wirdie Abschatzung verwenden. Es folgt:

ket(t)k ! 0 f

¨

ur t ! 0 (1.40)

Weiterhin folgt mit Hilfe der Dreiecksungleichung

kDtu(t) D

tut(t)k k(t, u(t + t), u(t)) (t, ut(t + t), u

t(t))k + kt(t, u)k

Unter Ausnutzung der Lipschitz-Stetigkeit erhalt man

kDtu(t) D

tut(t)k Lku(t)) ut(t)k + k

t(t, u)k

Aus Konsistenz und Gleichung 1.40 folgt schließlich

kDtu(t) D

tut(t)k ! 0 f

¨

ur t ! 0.

Nun konnen wir eine genauere Aussage uber die Konvergenz und die Großenordnung des globalenDiskretisierungsfehlers e

t fur die vorgestellten Einschrittverfahren tre↵en:

Bemerkung 5. Sei A aus dem AWP aus C(G) und genuge der Lipschitzbedingung

kA(t, u1

) A(t, u2

)k L0

ku1

u2

k fur (t, u1

), (t, u2

) 2 G, (1.41)

dann sind das explizite bzw. das implizite Eulerverfahren Lipschitz-stetig in einer Umgebung derLosung u des AWPs. Damit konvergieren diese Verfahren und es gilt die Fehlerabschatzung aus

13

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Gleichung (1.29). Die Ordnung der Konvergenz fur festes t entspricht der Ordnung des jeweiligenEinschrittverfahrens.

Aufgabe 14. Zeigen Sie, dass das Beispiel radioaktiver Zerfall mit alpha = 1 die Lipschitzbedingungim Intervall [0, T = 10] erfullt. Bestimmen Sie L

0

.

Wir haben nun die Konsitenz und die Konvergenz von Verfahren untersucht. Wir wissen alsobereits, wann ein Verfahren konvergiert, weiterhin wissen wir auch mit welcher Ordnung eskonvergiert. Zu untersuchen bleibt welche Verfahren fur welche Probleme optimal sind. Das hatetwas mit der Stabilitat von Einschrittverfahren zu tun und wird im folgenden Abschnitt diskutiert.

1.6 Stabilitat von Einschrittverfahren

Die Stabilitat eines Verfahrens ist ein Maß dafur wie stark kleine Storungen, z.B. in den Anfangswerten,die berechnete Losung beeinflussen. In der Praxis ist es entscheidend sicherzustellen, dass einVerfahren stabil ist (d.h. kleine Storungen beeinflussen die Losung nur gering), denn bei dernumerischen Losung treten zwangslaufig kleine Fehler in Form von Rundungsfehlern auf. Sorgteine kleine Storung fur eine große Anderung der Losung, ist das Verfahren instabil.Konkret definieren wir folgendes:

Definition 12. Stabilitat Ein Einschrittverfahren heißt stabil, wenn eine Zahl > 0 und zu jedem > 0 ein > 0 existiert, so dass fur jedes gestorte Einschrittverfahren der Gestalt:

vt(t + t) v

t(t)

t= (t, v

t(t+t), vt(t))+S

t(t) mit t 2

t, vt(0) = ut(0)+

t

(1.42)die zugehorigen Losungen v

t der Bedingung

ktk + max

t2t

kStk <

) max

t2t

kvt(t) u

t(t)k + max

t2t

kDtvt(t) D

tut(t)k <

gleichmaßig fur jedes t mit 0 < t < genugen.Sei

max

das Supremum aller moglichen , die die oben genannten Bedingungen erfullen. Dannnennt man das Intervall (0,

max

) Bereich der Stabilitat fur t.

1.6.1 Stabilitat vom expliziten und impliziten Eulerverfahren

Betrachten wir beispielhaft folgendes eindimensionales AWP:

u0(t) = u(t) 2 R \ 0 (1.43)

u(0) = u0

u0

> 0. (1.44)

Wenn wir dieses AWP mit dem expliziten Eulerverfahren losen, erhalten wir:

ut(t + t) = u

t(t) · t + ut(t) = (1 + · t) · u

t(t) (1.45)

ut(0) = u

0

(1.46)

und damitut(k · t) = (1 + · t)k · u

t(0). (1.47)

14

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Fur > 0 konvergiert das Verfahren problemlos. Ist < 0, gilt lim

t!1u(t) = 0. Deshalb erwarten

wir ebenfalls, dass lim

t!1ut(t) = 0 gilt. Dies ist allerdings nur dann erfullt, wenn

|(1 + · t)| < 1

, t <2

|| . (1.48)

Fur < 0 bekommt man also bei der Verwendung des expliziten Eulerverfahrens eine Bedingungan die Zeitschrittweite. Ist 0, muss der Zeitschritt sehr klein gewahlt werden. Dies fuhrtzu einer deutlichen Erhohung der Rechenzeit. Im Sinne der Definition 12 ist das Verfahren stabil(

max

< 2/||).Wenn wir nun um

0

mit variieren

:= 0

+ (1.49)

und t = 2/|0

| setzen, sehen wir, dass das Verfahren an dieser Stelle instabil ist. Bereits kleineVariationen von um 0 fuhren zu unterschiedlichen Ergebnissen fur u

t(t) (vgl. (1.45)). Abhangigvon der Variation ist die Bedingung t <

max

verletzt, damit ist t nicht mehr im Bereich derStabilitat.

Betrachten wir nun die Diskretisierung des AWPs (1.43, 1.44) mit dem impliziten Eulerverfahrenund erhalten

ut(t + t) = u

t(t + t) · t + ut(t) (1.50)

ut(0) = u

0

(1.51)

und damit

ut(t + t) u

t(t + t) · t = ut(t). (1.52)

Betrachten wir zunachst den Fall > 0. Fur die Losung des AWPs gilt

lim

t!1u(t) = 1. (1.53)

Fur t =

1

fallt in Gleichung (1.52) ut(t + t) weg und die Losung im darau↵olgenden

Zeitschritt kann somit nicht mehr berechnet werden.Fur t 6= 1/ betrachten wir

ut(t + t) =

1

1 · tut(t) (1.54)

) ut(k · t) =

1

1 · t

k

ut(t). (1.55)

15

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Die Konvergenz von ut(k · t) ! 1 fur k ! 1 ist nur gegeben, wenn

1

1 · t

> 1

, 1

> t (1.56)

Fur > 0 erhalten wir also beim impliziten Verfahren eine Einschrankung an die Zeitschrittweite.Fur 0 muss der Zeitschritt sehr klein gewahlt werden und auch in diesem Fall fuhrt die Auswahldes falschen Verfahrens zu einer deutlichen Erhohung der Rechenzeit. Im Sinne der Definition 12ist das Verfahren jedoch stabil (

max

< 1/).Analog zu dem bereits betrachteten expliziten Eulerverfahren variieren wir um

0

mit

:= 0

+ (1.57)

und setzen t = 1/0

. Auch in diesem Fall sehen wir, dass bereits kleine Variationen von um 0

zu stark unterschiedlichen Losungen von ut(t) fuhren (vgl. (1.55)). Das implizite Eulerverfahren

ist also fur t = 1/0

instabil. Abhangig von der Variation ist die Bedingung t < max

verletzt,damit ist t nicht mehr im Bereich der Stabilitat.

Fur < 0 gilt

1

1 · t

< 1. (1.58)

Aus Gleichung (1.55) folgern wir nun, dass das Verfahren immer konvergent ist.

Aufgabe 15. (Wiederholung) Diskretisieren Sie die Gleichung fur den Radioaktiver Zerfall (↵ = 1,m

0

= 1) einmal mit Hilfe des expliziten und einmal mit Hilfe des impliziten Eulerverfahrens(t = 1). Was stellen Sie fest? Welches Verfahren ist geeigneter?

Aufgabe 16. (Wiederholung) Diskretisieren Sie die Gleichung fur das exponentielle Wachstum(↵ = 1, K

0

= 1) einmal mit Hilfe des expliziten und einmal mit Hilfe des impliziten Eulerverfahrens(t = 1). Was stellen Sie fest? Welches Verfahren ist geeigneter?

1.6.2 Zusammenfassung

Wir haben in diesem Abschnitt die Stabilitat von Verfahren eingefuhrt. O↵enbar kann es zu großenFehlern in der berechneten Losung kommen, obwohl die Verfahren konsistent und konvergentsind. Der Grund liegt in der Wahl von t. Da es in der Praxis ist nicht moglich ist t beliebigklein zu wahlen, ist die Konsistent und Konvergenz von Verfahren nicht hinreichend damit einemit dem Verfahren berechnete Losung vernunftig ist. Erst durch zusatzlicher Betrachtung derStabilitat eines Verfahrens erhalt man Informationen fur die Wahl von t. Schließlich kann maneine vernunftige Losung berechnen. In den letzten beiden Aufgaben haben wir bereits einenTrend gesehen, welches Verfahren Optimalerweise eingesetzt wird. Genauer halten wir folgendeBemerkung fest:

Bemerkung 6. Um eine moglichst freie Wahl des Zeitschritts zu ermoglichen, sollten Quellterme( > 0) immer explizit diskretisiert werden, wahrend Senken ( < 0) immer implizit diskretisiertwerden sollten.

16

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Sowohl das implizite als auch das explizite Eulerverfahren sind fur beliebiges konvergent, wennauch der Bereich der Stabilitat von abhangt.

Abschließend halten wir noch folgende beiden wichtigen Satze fest:

Satz 2. Ein Einschrittverfahren sei konsistent und Lipschitz-stetig in einer Umgebung der Losungu des dazugehorigen AWPs. Dann ist das Einschrittverfahren stabil im Sinne der Definition 12.

Beweis. Siehe Numerik gewohnlicher Di↵erentialgleichungen, Reinhardt Kapitel 2.7

Satz 3. Ein Einschrittverfahren sei stabil und konsistent, dann ist es auch Konvergent.

Beweis. (Quelle: Numerik gewohnlicher Di↵erentialgleichungen, Reinhardt Kapitel 2.7)Es gelte Stabilitat und Konsistenz. Man setze v

t(t) = u(t). Dann gilt t = u(0) u

t(0)

und St =

t(t, u). Sei nun > 0 und , t0

aus der Stabilitatsbedingung. Es gilt (wegen derKonsistenz)

ktk + max

t2t

kStk < f

¨

ur alle 0 < t < t1

< t0

(1.59)

und somit wegen der Stabilitat

max

t2t

ku(t) ut(t)k + max

t2t

kDtu(t) D

tut(t)k < (1.60)

und damitmax

t2t

ku(t) ut(t)k = e

t(t) < (1.61)

fur alle t < t1

< t0

. Damit ist die Konvergenz gezeigt.

1.6.3 Inharente Stabilitat

Die Instabilitat muss nicht zwangslaufig vom verwendeten Verfahren kommen. Es kann durchauspassieren, dass die Instabilitat bereits in der vorgegebenen ODE steckt. Betrachte folgendesBeispiel:

u0(t) = u(t)u(0) = u0

= 0 (1.62)

Die Losung der Gleichung lautetu(t) = u

0

et. (1.63)

Bereits ein kleiner Rundungsfehler in den Anfangsbedingungen fuhrt zu einem komplett unterschiedlichenErgebnis!

1.7 Verfahren hoherer Ordnung

Bislang haben wir das explizite Eulerverfahren und das implizite Eulerverfahren betrachtet. BeideVerfahren sind von der Ordnung 1. In diesem Abschnitt konstruieren wir Verfahren hohererOrdnung. Bei Verfahren Hohererordnung geht der globale Diskretisierungsfehler schneller gegennull. Dafur haben Verfahren hoherer Ordnung im allgemeinen einen hoheren Rechenaufwand.

17

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1.7.1 Taylorreihenverfahren

Wir haben bereits gesehen, dass die Taylorentwicklung eine entscheidende Rolle bei der Berechnungder Ordnung eines Verfahrens spielt. Beim Taylorverfahren wird versucht durch hinzufugen weitererTerme aus der Taylorreihe die Ordnung zu erhohen: Die Taylorentwicklung lautete (Wiederholung):

f(x1

) = f(x0

) +

(x1

x0

)

1!

f 0(x0

) +

(

1

x0

)

2

2!

f 00(x0

) + . . . +(x

1

x0

)

p

p!

f (p)(x

0

) + Rp+1

. (1.64)

In der Taylorentwicklung konnen wir nun allgemein x0

mit xk und x1

mit xk+1

ersetzen. Wirerhalten mit t = xk+1

xk:

f(xk+1

) = f(xk) +

t

1!

f 0(xk) +

t2

2!

f 00(xk) +

t3

3!

f (3)

(xk) + . . . +tp

p!

f (p)(xk) + Rp+1

. (1.65)

Aufgabe 17. Uberlegen Sie sich, an welcher Stelle die Taylorentwicklung beim expliziten Eulerverfahrenabgebrochen wurde.

Nun konnen wir die Ordnung erhohen, indem wir die Taylorreihe an einer spateren Stelle abbrechen.Es ensteht jedoch sofort die Schwierigkeit die hoheren Ableitungen zu berechnen.

Beispiel 1. Betrachte die Funktion

f 0(x) = 2xf(x)

2 (1.66)

mit f(0) = 1. Die Taylorentwicklung von f um xk liefert

f(x) = f(xk) + c1

(x xk) + c2

(x xk)2

+ c3

(x xk)3

+ c4

(x xk)4

+ . . . (1.67)

mit unbekannten Koezienten ci. Setze in f 0(x) = 2xf(x)

2 ein, mit x = xk + t:

c1

+ 2c2

t + 3c3

t2 + 4c4

t3 + . . . = 2(xk + t)

f(xk) + c1

t + c2

t2 + c3

t3 + c4

t4 + . . .

2

=

= 2(xk + t)

f(xk)2

+ 2c1

f(xk)t + (c21

+ 2c2

f(xk))t2+

+ (2c1

c2

+ 2c3

f(xk))t3 + . . .

= 2xkf(xk)2

+ (2f(xk)2 4c

1

xkf(xk))t +

4c1

f(xk) 2xk(c2

1

+ 2c2

f(xk))

t2 +

+

2(c21

+ 2c2

f(xk)) 4xk(c1c2 + c3

f(xk))

t3 + . . .

Ein Koezientenvergleich in t liefert

c1

= 2xkf(xk)2 (1.68)

c2

= (f(xk) + 2c1

xk)f(xk) (1.69)

c3

=

(4c1

f(xk) + 2xk(c2

1

+ 2c2

f(xk)))

3

(1.70)

c4

=

1

2

c21

+ c2

f(xk) + xk(c1c2 + c3

f(xk))

(1.71)

Da in dem Verfahren die Taylorentwicklung an einer spateren Stelle abgebrochen wird (als bei denEulerverfahren), hat das Verfahren eine hohere Ordnung.

18

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Aufgabe 18. Bestimmen Sie zunachst die Verfahrensfunktion fur das gerade erklarte Beispiel.Bestimmen Sie weiterhin mit Hilfe von die Ordnung des Verfahrens.

1.7.2 Weitere Verfahren

Ein explizites Verfahren zweiter Ordnung ist das Verfahren von Heun. Die Verfahrensfunktionlautet:

(t, u(t)) =

1

2

[A (t, u(t)) + A(t + t, u(t) + t · A(t, u(t)))] (1.72)

Das Verfahren von Runge-Kutta ist ein explizites Verfahren vierter Ordnung. Die Verfahrensfunktionwird folgendermaßen bestimmt:

k1

= A(t, u(t)) (1.73)

k2

= A(t +

t

2

, u(t) +

t

2

· k1

) (1.74)

k3

= A(t +

t

2

, u(t) +

t

2

· k2

) (1.75)

k4

= A(t + t, u(t) + t · k3

) (1.76)

(t, u(t)) =

1

6

(k1

+ 2k2

+ 2k3

+ k4

) (1.77)

Die beiden Verfahren haben zwar eine hohere Ordnung aber auch einen hoheren Rechenaufwand.Der Operator A muss beim Verfahren von Heun zweimal ausgewertet werden, beim Verfahren vonRunge-Kutta sogar viermal.

Aufgabe 19. Zeigen Sie, dass das Verfahren von Heun die Ordnung zwei und das Verfahren vonRunge-Kutta die Ordnung vier hat.

1.8 Modellierung der acetoklastischen Methanogenese in einerBiogasanlage

In Biogasanlagen entsteht nach insgesamt 4 Prozessschritten (Hydrolyse, Acidogenese, Acetogeneseund Methanogenese) aus Biomasse der Energietrager Biogas. In diesem Abschnitt wollen wirden letzten Reaktionsschritt, in dem Mikroorganismen Essigsaure zu Methan und Kohlendioxidabbauen, modellieren. O↵enbar sind insgesamt vier Großen am Reaktionsschritt beteiligt. Entsprechendfuhren wir folgende Großen ein:

• mac Masse Essigsaure

• mCH4 Masse Methan

• mCO2 Masse Kohlendioxid

• macd Masse Essigsaure-verwertende Mikroorganismen

Nun mussen wir festlegen, welche Prozesse modelliert werden sollen:

• P1

Konsum von Essigsaure

• P2

Wachstum der Mikroorganismen

19

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• P3

Abbau von Essigsaure zu Methan

• P4

Abbau von Essigsaure zu Kohlendioxid

• P5

Tod von Mikroorganismen

Betrachten wir zunachst den Konsum von Essigsaure. Wir benutzen eine Menten-Kinetik underhalten:

P1

= ↵ mac

Kac + macmacd (1.78)

Aufgabe 20. Zeichnen Sie P1

in abhangigkeit von mac. Was stellen Sie fest?

Ein Teil Y der konsumierten Essigsaure nutzen die Mikroorganismen zum Wachstum:

P2

= Y · P1

(1.79)

Der andere Teil 1 Y wird zu einem Anteil zu Methan fCH4 und der andere Anteil (1 fCH4)

zu Kohlendioxid.

P3

= fCH4 · (1 Y ) · P1

(1.80)

P4

= (1 fCH4) · (1 Y ) · P1

(1.81)

Zum Schluss bleibt noch der Tod der Mikroorganismen zu modellieren. Wir nehmen eine lineareSterberate an:

P5

= macd (1.82)

Schließlich lauten die gewohnlichen Di↵erentialgleichungen fur dieses Problem wie folgt:

@mac

@t= P

1

P5

(1.83)

@macd

@t= P

2

+ P5

(1.84)

@mCH4

@t= P

3

(1.85)

@mCO2

@t= P

4

(1.86)

Aufgabe 21. Was muss gelten, damit die Masse des gesamten Systems erhalten ist?

Aufgabe 22. Losen Sie das vorgestellte Modell mit Hilfe des expliziten Euler-Verfahrens (mithinreichend kleinem t und geeigneten Konstanten).

20

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2 Partielle Di↵erentialgleichungen

In diesem Kapitel werden Herleitungen fur partielle Di↵erentialgleichungen (PDEs) unterschiedlicherphysikalischer Phanomene gezeigt. Die so motivierten PDEs werden in den spateren Kapitelnnumerisch behandelt.Zunachst definieren wir partielle Di↵erentialgleichungen

Definition 13. Partielle Di↵erentialgleichung Eine partielle Di↵erentialgleichung ist eine Di↵erentialgleichung,in der Ableitungen nach mind. zwei verschiedenen Variablen auftauchen.

Der entscheidende Unterschied zwischen PDEs und ODEs ist demnach das auftreten weitererAbleitungen nach anderen Variablen. In dem Kapitel uber ODEs haben wir bereits gesehen, dassein ziemlich großer Aufwand betrieben werden muss, um Gleichungen mit Ableitungen nach nureiner Variablen zu losen. Entsprechend kann man sich vorstellen, dass PDEs ungemein aufwandigerzu losen sind.Um den Einstieg zu erleichtern fuhren wir zunachst einige mathematische Grundlagen ein.

2.1 Gangige Operatoren in mehrdimensionaler Analysis

(Dieser Abschnitt ist weitestgehend aus “Modellierung und Simulation I“von Prof. Dr. GillianQueisser ubernommen.)

Im Folgenden werden einige grundlegenden Begri↵e und Operatoren definiert, die spater in denklassischen Anwendungsfallen, d.h. fur klassische partielle Di↵erentialgleichungen, benotigt werden.Dieser Abschnitt liefert also nur einen marginalen Einblick in die mehrdimensionale Analysis, dieohnehin eine Grundvoraussetzung fur die Analyse hoherdimensionaler Probleme ist.

Definition 14. Partiell Di↵erenzierbarSei U Rn eine o↵ene Menge und f : U ! R eine reelle Funktion. f heißt im Punkt x 2 Upartiell di↵erenzierbar bzgl. der i-ten Koordinatenrichtung, falls

Dif(x) := lim

h!0

f(x + hei) f(x)

h(2.1)

existiert. Dabei ist ei 2 Rn der i-te Einheitsvektor

ei = (0, . . . , 0, 1, 0, . . . , 0)

Definition 15. Gradient Sei U Rn o↵en und f : U ! R partiell di↵erenzierbar. Dann heißt

grad f(x) :=

@f

@x1

(x), . . . ,@f

@xn(x)

(2.2)

der Gradient von f im Punkt x 2 U .

21

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Satz 4. Produktregel Seien f, g : U ! R zwei partiell di↵erenzierbare Funktionen. Dann gilt

grad (f · g) = g · grad f + f · grad g (2.3)

Bemerkung 7. Statt grad(f) wird haufig auch rf geschrieben mit

r :=

@

@x1

, . . . ,@

@xn

als vektorwertiger Di↵erentialoperator.

Aufgabe 23. Bestimmen Sie rf fur f(x, y) = x2

+ 2xy + y2.

Definition 16. Divergenz Sei U Rn eine o↵ene Menge und

V = (v1

, . . . , vn) : U ! Rn

eine partiell di↵erenzierbares Vektorfeld (d.h. alle vi sind partiell di↵erenzierbar). Dann heißt dieFunktion

div v :=

nX

i=1

@vi@xi

(2.4)

die Divergenz des Vektorfeldes v.

Aufgabe 24. Bestimmen Sie div f fur f(x, y) = (x2

+ 2xy + y2, y2).

Definition 17. Rotation Sei U eine o↵ene Menge im R3. Fur ein partiell di↵erenzierbaresVektorfeld v : U ! R3 bezeichnet man

rot v :=

@v3

@x2

@v2

@x3

,@v

1

@x3

@v3

@x1

,@v

2

@x1

@v1

@x2

(2.5)

als Rotation von v.

Bemerkung 8. Die Rotation von v lasst sich auch als Vektorprodukt

rot v = r v

schreiben.

Aufgabe 25. Bestimmen Sie rf fur f(x, y, z) = (x2

+2xy+y2, y2+2yz +z2, z2+2zx+x2

).

Definition 18. Laplace Sei U ! Rn o↵en und f : U ! R zweimal stetig partiell di↵erenzierbar.Dann ist der Laplace-Operator definiert als

f := div · grad f = div ·rf =

@2f

@x2

1

+ . . . +

@2f

@x2

n(2.6)

:=

@2

@x2

1

+ . . . +

@2

@x2

n=

nX

i=1

@2

@x2

i

(2.7)

Aufgabe 26. Bestimmen Sie f fur f(x, y) = x2

+ 2xy + y2.

22

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2.2 Beispiele partieller Di↵erentialgleichungen

Im vorigen Kapitel wurden gewohnliche Di↵erentialgleichungen vom Typ

du

dt= f(t, u)

betrachtet. Die numerische Behandlung dieser Gleichung fuhrte zu unterschiedlichen Zeitschrittverfahren,d.h. der Operator d

dt wurde diskret behandelt, wobei f(t, u) eine kontinuierliche Funktion war. Imjetzigen Kontext sei f jedoch keine explizite Funktion, sondern nur uber ihre Ortsableitungendefiniert. Dies verlangt nach einer diskreten Beschreibung im Ort und fuhrt somit zu Gleichungenmit Di↵erentialoperatoren in Zeit und Ort, also partiellen Di↵erentialgleichungen.

2.2.1 Die Di↵usionsgleichung

Sei c(x, t) eine Funktion in Raum und Zeit, welche die Konzentrationsverteilung einer Spezies,z.B. Kalziumionen in einer Nervenzelle, oder die Warmeverteilung in einemWarmeleiter beschreibt.Dann ist der Fluss F von c(x, t)

F = D · grad c, (2.8)

mit Di↵usionskoezient D. Durch Forderung derMassenerhaltung und Anwendung des Gauss’schenIntegralsatzes erhalt man die Di↵usionsgleichung.

Massenerhaltung. Sei V ein beliebiges Volumenelement und c die Konzentration in V . DieAnderung von c in V ist beschrieben durch

Z

V

@c

@td~x.

Unter der Voraussetzung, dass keine Quellen oder Senken in V enthalten sind gilt:

Z

@VF · ~ndS =

Z

V

@u

@td~x. (2.9)

Satz 5. Gauss’scher Integralsatz Der Gauss’sche Integralsatz besagtZ

Vdiv F (~x)d~x =

Z

@VF (~x) · ~ndS (2.10)

Daraus folgt

Z

@VF · ~ndS =

Z

Vdiv F (~x)d~x =

Z

V

@c

@td~x (2.11)

=) div F =

@c

@t(2.12)

=) @c

@t= div (Drc) (Di↵usionsgleichung) (2.13)

23

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2.2.2 Die Wellengleichung

Wir betrachten fur die Wellengleichung die Großen Geschwindigkeit v, Dichte und Druck p.

1. Es gilt@

@t=

0

div v (2.14)

wobei 0

eine feste Dichte definiert. Die Herleitung obiger Gleichung geschieht analog zurDi↵usionsgleichung also uber die Annahme der Massenerhaltung, gefolgt von der Anwendungdes Gauss’schen Integralsatzes.

2. Newton’sches Gesetz: Es gilt

0

@v

@t= grad p (2.15)

und bedeutet, dass eine raumliche Anderung des Druckfeldes eine Beschleunigung bewirkt.

3. Zustandsgleichung: Der Druck p ist bei konstanter Temperatur proportional zur Dichte

) p = c2 · (2.16)

) @2

@t2 =

0

div

@v@t

= div

0

@v

@t

(2.17)

) 1

c2@2

@t2 = div (grad ) (2.18)

, @2

@t2 = c2 · div (grad p) = c2 (2.19)

Beispiel 2. Wellengleichung in R1 und R2.

1. Im R1 beschreibt die Wellengleichung eine schwingende Saite:

@2u

@t2= utt = uxx =

@2u

@x2

2. In R2 beschreibt die Wellengleichung eine schwingende Membran:

utt = c2u

2.2.3 Poisson- und Potential-Gleichung

Sei Rd, d = 2, 3 und f : ! R eine bekannte Ladungsdichteverteilung in . Fur dieSpannung u gilt

u = f(x) in (2.20)

Ein Spezialfall der Poissongleichung ist die Potentialgleichung

24

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u = 0 in R2 (2.21)

und beschreibt einen Ladungsfreien Raum.

Beispiel 3. Losung der Potentialgleichung auf einer Kreisscheibe mit Radius 1. Betrachte :=

(x, y) 2 R2

; x2

+ y2 < 1 und transformiere x und y in Polarkoordinaten um:

x := r · cos

y := r · sin

Transformiere die Potentialgleichung in Polarkoordinaten um:

) u =

@2u

@r2+

1

r

@u

@r+

1

r2@2u

@2(2.22)

Dann erfullen rk cos k und rk sin k die Potentialgleichung. Zu wahlen ist noch die Randbedingungfur Radius r = 1:

u|Rand = u(1,) = a0

+

1X

k=1

(ak cos k+ bk sin k) (2.23)

Dann lautet die Losung im Innern (r < 1):

u(r,) = a0

X

rk · (ak cos k+ bk sin k) (2.24)

Aufgabe 27. Zeigen Sie dass u(r,) tatsachlich eine Losung der Di↵erentialgleichung u = 0

ist.

2.2.4 Poisson-Nernst-Planck Gleichungen

Als ein Beispiel fur gekoppelte und nichtlineare PDEs konnen die Poisson-Nernst-Planck Gleichungenerwahnt werden. Diese Gleichungen beschreiben den Prozess der Elektrodi↵usion, also die Di↵usionvon Teilchen gekoppelt mit einem Konvektionsterm, der durch das zu berechnende elektrische Feldbestimmt ist:

@ci@t

= r

Dirci + DiziF

RTcir

(2.25)

r(r) =

f +

X

i

ciziF

!

(2.26)

Dabei sind die ci verschiedene Ionenspezies, Di die zugehorigen Di↵usionstensoren, zi die Teilchenladung,F die Faraday-Konstante, R die allg. Gaskonstante, T die Temperatur und das Potential mitspezifischer Konstante und statischer Ladungsverteilung f .

25

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2.3 Typeneinteilung von partiellen Di↵erentialgleichungen

Um verschiendene partielle Di↵erentialgleichungen auseinanderhalten zu konnen, werden in diesemAbschnitt die PDEs in verschiedene Typen eingeteilt. Wir betrachten allgemein folgende partielleDi↵erentialgleichung zweiter Ordnung:

Lu(x) = f(x) x 2

u(x) = g(x) x 2 @ (2.27)

mitL =

X

|↵|2

a↵(x)D↵. (2.28)

Hierbei ist ↵ ein Multiindex und D↵:= @↵/@x↵.

Wir nehmen stets an, dass Rn ein beschranktes Gebiet ist. Weiterhin nehmen wir an, dassa↵, g 2 C1() und a

1,1(x) > 0 8x 2 . Da beschrankt ist, folgt, dass a↵ und g auf

beschrankt sind.Zunachast betrachten wir den 2-dimensionalen Fall (n = 2):Um den Di↵erentialoperator L in Typen einzuteilen definieren wir folgende Matrix AL

AL(x) =

a1,1(x) a

1,2(x)

a2,1(x) a

2,2(x)

. (2.29)

Definition 19. L ist elliptisch auf , falls

det AL(x) > 0 8x 2 . (2.30)

Weiterhin ist L gleichmaßig elliptisch in , wenn sogar gilt

det AL(x) C 8x 2 mit C > 0. (2.31)

Aufgabe 28. Uberlegen Sie sich einen Operator L, welcher elliptisch, aber nicht gleichmaßigelliptisch ist.

Definition 20. L ist hyperbolisch in , falls

det AL(x) < 0 8x 2 . (2.32)

Definition 21. L ist parabolisch in , falls

det AL(x) = 0 8x 2 (2.33)

und

Rang

a1,1(x) a

1,2(x) a1

(x)

a2,1(x) a

2,2(x) a2

(x)

= 2 8x 2 . (2.34)

Fur ein allgemeines n werden folgende Definitionen verwendet:

Definition 22. L ist elliptisch auf , falls alle Eigenwerte von AL das gleiche Vorzeichen haben.Weiterhin ist L gleichmaßig elliptisch in , wenn die Eigenwerte von der 0 weg beschrankt sind.

26

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Definition 23. L ist hyperbolisch in , falls ein Eigenwert von AL ein anderes Vorzeichen hatwie die ubrigen.

Definition 24. L ist parabolisch in , falls genau ein Eigenwert von AL 0 ist, alle anderen dasselbe Vorzeichen haben und folgendes gilt:

Rang(AL, a↵) = n mit |↵| = 1 (2.35)

Die Typeneinteilung ist sehr wichtig, da die verschiedenen Typen unterschiedliche Eigenschaftenbesitzen und unterschiedliche Verfahren zur Losung erfordern. Ein Beispiel fur eine hyperbolischeGleichung ist die Wellengleichung, die Warmeleitungsgleichung ist parabolisch. Konvektions-Di↵usionsGleichungen fuhren typischerweise auf einen elliptischen Di↵erentialoperator.In diesem Abschnitt betrachten wir gleichmaßig elliptische Di↵erentialoperatoren. Bei Konvektions-Di↵usionsGleichungen beschreibt der Hauptteil von L

X

↵=|2|

a↵(x)D↵ (2.36)

die Di↵usion, der Teil mit Ableitungen erster Ordnung

X

↵=1

a↵(x)D↵ (2.37)

beschreibt die Konvektion und die linearen Terme in u beschreiben Reaktionsterme. Die rechteSeite f kann als Quelle bzw. Senke interpretiert werden.

Aufgabe 29. Bestimmen Sie den Operator L und die zugehorigen ai,j , sowie ai fur die Di↵usionsgleichung,die Wellengleichung und die Poissongleichung.

27

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3 Diskretisierung: Di↵erenzenverfahren furdas Poisson-Problem

In diesem Kapitel werden wir ein Approximationsverfahren fur das kontinuierliche PDE-Problemherleiten, welches auf der Approximation der Ortsableitungen fundiert. Das als Di↵erenzenverfahrenbezeichnete Diskretisierungsverfahren wird fur ein- und zweidimensionale Falle hergeleitet. Weiterwerden wir Eigenschaften der Systemmatrix des hergeleiteten Gleichungssystems analysieren, dieuns am Ende des Kapitels zu einem Konvergenzbeweis fur das Di↵erenzenverfahren fuhren. Diesichtbar werdenden Vor- und Nachteile dieses Verfahrens leiten uber in das folgende Kapitelalternativer und allgemeinerer Diskretisierungsverfahren.

Betrachte die Poissongleichung

u = f auf (3.1)

Ω

Abbildung 3.1: Kontinuierliches Rechengebiet

Die Poissongleichung ist zunachst auf einem kontinuierlichen Gebiet definiert, d.h. an unendlichvielen Punkten. Dies ist fur ein numerisches Verfahren nicht zuganglich, da in einem Computernur mit endlich viel Speicherplatz vorhanden ist. Die Idee ist nun endlich viele Punkte aus auszuwahlen, in denen u = f erfullt sein soll. Dies fuhrt zu einer Approximation deskontinuierlichen Gebiets, sowie der kontinuierlichen Gleichung.

3.1 Gebietsdiskretisierung

(Dieser Abschnitt ist weitestgehend aus “Modellierung und Simulation I“von Prof. Dr. GillianQueisser ubernommen.)

28

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Betrachte beispielsweise das Einheitsquadrat als kontinuierliches Gebiet

= (x, y) : 0 < x < 1, 0 < y < 1. (3.2)

Das Vorgehen zur Approximation des kontinuierlichen Gebiets, d.h. Diskretisierung von ist dasFolgende:

1. Uberziehe mit einem gleichmaßigen Gitter. Die Menge der Gitterknoten wird als h

bezeichnet. Eine feste Schrittweite h liefert

h =

n

(x, y) 2 :

x

h,y

h2 Z

o

.

2. Erfulle die Di↵erentialgleichung in jedem Punkt aus h.

• ersetze u(x) durch uh(x). Dabei ist u(x) die kontinuierliche und uh(x) die diskreteLosung.

• Approximiere die Ableitungen:

lim

h!0

u(x + h) u(x)

h u(x + h) u(x)

h

Ωh

Abbildung 3.2: Diskretisiertes Gebiet h. Dieses entsteht durch Uberziehen des kontinuierlichenGebiets mit einem Gitter. Die Gitterknoten definieren das endliche diskretisierteGebiet

3.2 Approximationseigenschaften im R1

(Dieser Abschnitt ist weitestgehend aus “Modellierung und Simulation I“von Prof. Dr. GillianQueisser ubernommen.)

Betrachte das eindimensionale Problem

29

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u00(x) = f(x) in = (0, 1)

u(0) = '0

u(1) = '1

Die Approximation der Ableitung kann auf verschiedene Arten geschehen:

1. rechtsseitig: +u(x) =

u(x+h)u(x)h

2. linksseitig: u(x) =

u(x)u(xh)h

3. symmetrisch: 0u(x) =

u(x+h)u(xh)2h

Fur die zweite Ableitung konnen links- und rechtsseitige Di↵erenzen + und kombiniert werden:

u00(x) = +u(x) =

u(x+h)u(x)h u(x)u(xh)

h

h=

u(x + h) 2u(x) + u(x h)

h2

(3.3)

Lemma 1. Sei [x h, x + h] ¯

. Es gilt

1. ±u(x) = u0(x) + hR mit |R| 1

2

ku00k12. 0u(x) = u0(x) + h2R mit |R| 1

6

ku000k13. +u(x) = u00(x) + h2R mit |R| 1

12

ku(4)k1

Beweis.zu 1.:

u(x ± h) = u(x) ± hu0(x) +

h2

2

u00(x) + . . .

= u(x) ± hu0(x) +

h2

2

u00(), mit x x + h

, u(x + h) u(x)

h= u0(x) +

h

2

u00()

u0(x) +

h

2

ku00k1) 1.

zu 2.: Es gelten die Taylorentwicklungen um x ± h:

u(x + h) = u(x) + hu0(x) +

h2

2

u00(x) +

h3

6

u000()

u(x h) = u(x) hu0(x) +

h2

2

u00(x) h3

6

u000(˜)

Subtraktion ergibt:

30

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0u(x) =

2hu0(x) +

h3

6

(u000() + u000(˜))

2h

= u0(x) +

h2

12

(u000() + u000(˜)

u0(x) +

h2

12

· 2ku000k1 = u0(x) +

h2

6

ku000k1) 2.

zu 3.: Betrachte die Entwicklung um x ± h bis zur Ordnung 4:

u(x + h) = u(x) + hu0(x) +

h2

2

u00(x) +

h3

6

u000(x) +

h4

24

u(4)

()

u(x h) = u(x) hu0(x) +

h2

2

u00(x) h3

6

u000(x) +

h4

24

u(4)

(

˜)

Addition der obigen Gleichungen, Subtraktion von 2u(x) und Division durch h2 liefert

+u(x) =

h2u00(x) +

h4

24

u(4)

() + u(4)

(

˜)

h2

) +u(x) = u00(x) +

h2

24

u(4)

() + u(4)

(

˜)

u00(x) +

h2

12

ku(4)k1) 3.

Aufgabe 30. Zeigen Sie, dass folgendes gilt:

00u(x) = u00(x) + h2C (3.4)

3.3 Erstellen eines linearen Gleichungssystems

(Dieser Abschnitt ist weitestgehend aus “Modellierung und Simulation I“von Prof. Dr. GillianQueisser ubernommen.)

Durch die Approximation der Ableitungen auf einem diskreten Gebiet entsteht ein endliches linearesGleichungssystem, dass es schlußendlich zu losen gilt. Wir betrachten weiter die Poisson-Gleichung

u00(x) = u(x) = f(x),

und approximieren h = +. Wir erhalten also eine diskretisierte Gleichung

+u(x) = f(x) + O(h2

)

31

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1

0

x3x2x1

Abbildung 3.3: Beispieldiskretierung eines eindimensionalen Gebiets mit drei inneren Knoten

In Matrix-Vektor-Schreibweise lasst sich obige Gleichung zu dem Beispiel darstellen als

+u(x) =

1

h2

0

@

2 1 0

1 2 1

0 1 2

1

A ·0

@

uh(x1

)

uh(x2

)

uh(x3

)

1

A

=

0

@

f(x1

) 1

h2 u(0)

f(x2

)

f(x3

) 1

h2 u(1)

1

A

Im allgemeinen Fall erhalten wir

1

h2

·

0

B

B

B

B

B

B

B

B

B

B

@

2 1 0 . . . 0 0 0

1 2 1 0 . . . 0 0

0 1 2 1 0 . . . 0

. . .. . .

. . .. . .

0 0 . . . 0 1 2 1

0 0 . . . 0 0 1 2

1

C

C

C

C

C

C

C

C

C

C

A

0

B

B

B

B

B

B

B

B

B

@

u1

...

un

1

C

C

C

C

C

C

C

C

C

A

=

0

B

B

B

B

B

B

B

B

B

@

f1

u0h2

f2

...

fn1fn un

h2

1

C

C

C

C

C

C

C

C

C

A

(3.5)

Wir erhalten also ein Gleichungssystem von der Form

Kh · uh = fh

Aufgabe 31. Uberlegen Sie sich, warum die Diskretisierung von u00(x) mit +u(x) geeigneter istals mit 00u(x). Betrachten Sie dazu ein Intervall, welches mit fester Schrittweite h diskretisiertwurde. Zeichnen Sie anschließend die Kopplungen zwischen den Punkten ein.

3.4 Poisson Gleichung in 2D

(Dieser Abschnitt ist weitestgehend aus “Modellierung und Simulation I“von Prof. Dr. GillianQueisser ubernommen.)

Wir betrachten nun ein zweidimensionales Gebiet und zwar das kontinuierliche, wie auchdiskretisierte Einheitsquadrat

:= (x, y) : 0 < x < 1, 0 < y < 1h := (x, y) : (x, y) 2 ; x/h, y/h 2 Z

mit den Gebietsrandern

:= (x, y) : x 2 0, 1, y 2 0, 1h := (x, y) 2 : x/h, y/h 2 Z

Wir betrachten nun das Randwertproblem

32

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u = f in

u = ' auf

mit der diskreten Form huh := (x +x y

+

y )uh(x) (3.6)

Definition 25. Mit uh wird die Gitterfunktion von u bezeichnet, also die Reduktion von u aufdas Gitter h.

Wendet man den diskreten Laplace-Operator h auf die Gitterfunktion uh an, so erhalt man

huh = (x +x y +

y )uh(x)

= 1

h2

(u(x h, y) + u(x + h, y) + u(x, y h) + u(x, y + h) 4u(x, y))

Dies zeigt, dass u an 5 Gitterpunkten ausgewertet wird. Deshalb wird obige Darstellung auch alsFunfpunktformel bezeichnet.

3.4.1 Matrix-Vektor-Schreibweise in R2

Im eindimensionalen Fall existierte eine naturliche Nummerierung der Knoten, welche die Matrixstrukturfestlegte (die Ordnung der Knoten wurde stillschweigend verwendet). In R2 sind unterschiedlicheOrdnungen der Knoten denkbar.

1 2

4

3

5 6

7 8 9

Abbildung 3.4: Lexikographische Nummerierung der inneren Knoten

Lexikographische Knotennummerierung

Die lexikographische Knotennummerierung ist eine zeilenweise Nummerierung der Knoten unddefiniert eine Matrix der Form

33

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1

h2

0

B

B

B

B

B

B

B

B

B

B

B

B

@

4 1 0 1 0 0 0 0 0

1 4 1 0 1 0 0 0 0

0 1 4 1 0 1 0 0 0

1 0 0 4 1 0 1 0 0

0 1 0 1 4 1 0 1 0

0 0 1 0 1 4 0 0 1

0 0 0 1 0 0 4 1 0

0 0 0 0 1 0 1 4 1

0 0 0 0 0 1 0 1 4

1

C

C

C

C

C

C

C

C

C

C

C

C

A

· uh =

˜fh (3.7)

wobei mit ˜fh die rechte Seite f versehen mit den Eintragen die aus der Randbedingung entstehenbezeichnet wird.Obige Matrix hat eine Blocktridiagonalstruktur der Form

Kh =

1

h2

0

B

B

B

@

D I 0 0

I D I 0

. . .0 0 I D

1

C

C

C

A

(3.8)

mit

D =

0

B

B

B

B

B

B

@

4 1 0 · · · 0

1 4 1 0 · · ·. . .

. . .0 · · · 0 4 1

1

C

C

C

C

C

C

A

I =

0

B

B

B

B

B

B

@

1 0 0 · · · 0

0 1 0 · · · 0

. . .. . .

0 · · · 0 0 1

1

C

C

C

C

C

C

A

Schachbrettnummerierung

Die Schachbrettnummerierung nummeriert die Knoten in der Schwarz/Weiß-Abfolge eines Schachbretts.Daraus entsteht folgende Matrixstruktur

34

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1 2

4

3

5

6

7 8

9

Abbildung 3.5: Schachbrettnummerierung der inneren Knoten

1

h2

0

B

B

B

B

B

B

B

B

B

B

B

B

@

4 0 0 0 0 1 1 0 0

0 4 0 0 0 1 0 1 0

0 0 4 0 0 1 1 1 1

0 0 0 4 0 0 1 0 1

0 0 0 0 4 0 0 1 1

1 1 1 0 0 4 0 0 0

1 0 1 1 0 0 4 0 0

0 1 1 0 1 0 0 4 0

0 0 1 1 1 0 0 0 4

1

C

C

C

C

C

C

C

C

C

C

C

C

A

· uh =

˜fh (3.9)

Dies definiert eine Matrix mit der Struktur

Kh =

D1

LLT D

2

(3.10)

mit den aus Kh ersichtlichen Submatrizen Di, L und LT .

Bemerkung 9. Die Kontennummerierung andert nichts an den algebraischen Eigenschaften desSystems, kann aber technische Aspekte bei der Implementierung beeinflussen.

3.4.2 Funfpunktstern

Die Funfpunktformel definiert die Rechenvorschrift zur Approximation des Laplace-Operators in R2

uber finite Di↵erenzen. Eine vereinfachte Schreibweise hierfur ist die Definition eines Sternoperators.

Definition 26. Die Funfpunktformel wird uber einen Funfpunktstern folgendermaßen definiert

35

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huh =

1

h2

(u(x h, y) u(x + h, y) u(x, y h) u(x, y + h) + 4u(x, y))

=:

1

h2

2

4

1

1 4 1

1

3

5

= h

Bemerkung 10. Der Funfpunktstern ist keine Matrix, sondern lediglich eine Schablone die aufh aufgelegt die Rechenvorschrift der Funfpunktformel vorgibt und damit am Ende auch dieMatrixstruktur von Kh. Die Nummerierung der Knoten geht nicht in den Funfpunktstern ein, daer direkt auf das Gitter aufgelegt wird.

3.4.3 Zusammenfassung

Wir haben gesehen, dass die durch die Diskretisierung einer partiellen Di↵erentialgleichung einlineares Gleichungssystem entsteht. Will man ein sehr genaues Ergebnis berechnen, muss dieSchrittweite h sehr klein gewahlt werden. Dann wird aber das zugehorige lineare Gleichungssystemsehr groß, so dass es nicht mehr mit Hilfe der Gauß-Elemination in akzeptabler Rechenzeit gelostwerden kann. Stattdessen werden andere (iterative) Verfahren verwendet (siehe Modellierungund Simulation II). Damit solche Verfahren vernunftig funktionieren, ist es von entscheidenderBedeutung, dass die Systemmatrix Kh eine M-Matrix ist. Aus diesem Grund betrachten wir imfolgenden Abschnitt M-Matrizen, bevor wir uns dann wieder der Diskretisierung von partiellenDi↵erentialgleichungen widmen.

3.5 M-Matrizen

(Dieser Abschnitt ist weitestgehend aus “Modellierung und Simulation I“von Prof. Dr. GillianQueisser ubernommen.)

In diesem Abschnitt wird die Definition einer M-Matrix eingefuhrt.

3.5.1 Wiederholung von speziellen Matrixeigenschaften

Definition 27. invertierbare Matrix Eine Matrix A 2 M(n n, K) heißt invertierbar, wenn eseine Matrix ˜A 2 M(n n, k) gibt, mit

A · ˜A =

˜A · A = En

wobei En die Einheitsmatrix ist.

Definition 28. regulare Matrix Eine Matrix A 2 M(n n, K) heißt regular, wenn

nX

j=1

iAj = 0 , i = 0, 8i = 1 . . . n

wobei Aj die Spaltenvektoren von A sind.

36

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Lemma 2. Eine regulare, bzw. nicht-singulare Matrix A 2 M(nn, K) ist invertierbar und lasstsich als endliches Produkt von Elementarmatrizen darstellen.

Lemma 3. Fur A 2 M(n n, K) sind folgende Bedingungen aquivalent:

1. A ist invertierbar

2. AT ist invertierbar

3. Spaltenrang und Zeilenrang von A sind n

Insbesondere gilt: (AT)

1= (A1)T .

Definition 29. Dunnbesetzte Matrix Eine Matrix A heißt dunnbesetzt wenn folgendes gilt:

#Ai,j 6= 0; i, j = 1 . . . n = O(n)

Bemerkung 11. Kh aus 3.5 ist dunnbesetzt

3.5.2 Eigenschaften von M-Matrizen

Im Folgenden werden Matrizen A, B 2 M(nn, K) mit Eintragen (aij)i,j=1...n bzw. (bij)i,j=1...n

betrachtet.

Definition 30. A B wird komponentenweise definiert, d.h. es gilt aij bij , 8i, j = 1 . . . n.Analog lasst sich A B, A < B und A > B definieren.

Definition 31. M-Matrix Eine nn-Matrix heißt M-Matrix, wenn folgende Eigenschaften erfulltsind:

1. Vorzeichenbedingung: aii > 0, aij 0 8i, j = 1 . . . n, i 6= j

2. A ist regular und A1 0.

O↵enbar ist die Vorzeichenbedingung leicht zu prufen. Die zweite Eigenschaft lasst sich hingegennur schwer nachweisen. Deshalb suchen wir nun nach leichter nachzuweisenden Kriterien:

Definition 32. irreduzible Matrix Eine Matrix A heißt irreduzibel, falls jeder Index i 2 1, . . . , nmit jedem Index j 2 1, . . . , n verbunden ist.

1. i ist mit j direkt verbunden, wenn aij 6= 0.

2. i ist mit j verbunden, wenn eine Kette aus direkten Verbindungen ik, k = 1 . . . p existiert,sodass

i = i1

, i2

, . . . , ip = j

mit aik1ik 6= 0.

3. Eine alternative Definition ist

A irreduzibel , Es existiert keine Permutation

mit

TA =

A1

0

0 A2

37

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3.5.3 Abschatzen der Eigenwertbereiche einer Matrix

Wir werden das Kriterium von Gerschgorin in zwei Fassungen beweisen. Dieses Kriterium wird unsAuskunft uber die Eigenwertbereiche geben (und damit uber die Invertierbarkeit).

Kriterium von Gerschgorin

Gegeben sei eine Matrix A = (aij) 2 Cnn. Betrachte dazu

¯Ki := z 2 C : |z aii| nX

j = 1j 6= i

|aij |, i = 1 . . . n

Satz 6. Die n Eigenwerte von A liegen in der Vereinigung

n[

i=1

¯Ki.

Beweis.Sei Eigenwert von A und v Eigenvektor von A.oBdA. kann kvk1 := max

ni=1

|vi| = 1 = |vr| angenommen werden. Es gilt

(A En)v = 0

Fur die r-te Zeile folgt

(arr )vr = nX

i=1,i 6=r

arivi

Anwendung der Dreiecksungleichung ergibt

|(arr )vr| =

nX

i=1,i 6=j

arivi

nX

i=1,i 6=j

|ari||vi| nX

i=1,i 6=j

|ari|

) |arr | nX

i=1,i 6=j

|ari|

, 2 ¯Kr = z 2 C : |z arr| nX

i=1,i 6=r

|ari|

Damit ist gezeigt, dass jeder Eigenwert in der Vereinigung aller Kreisscheiben ¯Ki, i = 1 . . . n liegt.Wendet man das Kriterium von Gerschgorin auf die Systemmatrix Kh an, dann folgt:

1.Pn

i=1,i 6=j aij = 4, 8j ) Radius fur alle Kreise ist 4.

38

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2. ajj = 4

=) 2

0, 8h2

Im nachsten Schritt wollen wir zeigen, dass die Eigenwerte von Kh echt großer Null sind, d.h. wirwollen zeigen

2

0, 8h2

Dazu beweisen wir die

Verscharfung des Kriteriums von Gerschgorin

Unter der Voraussetzung, dass A irreduzibel ist, gilt:

2

n[

r=1

Kr

!

[

n\

r=1

@Kr

!

mit

Kr := z 2 C : |z arr| <nX

i=1,i 6=r

|ari|

@Kr := z 2 C : |z arr| =

nX

i=1,i 6=r

|ari|

(3.11)

Beweis. sei ein Eigenwert von A mit dem zugehorigen Eigenvektor v, mit kvk1 = 1. Falls 2 Sn

i=1

Ki ) Verscharfte Fassung von Gerschgorin bereits erfullt. Sei also /2 Sni=1

Ki sondernin der Vereinigung der Rander.

Lemma 4. Sei arj 6= 0 (also r direkt verbunden mit j). Dann folgt

|vr| = 1 und | arr| =

nX

i=1,i 6=r

|ari|

) |vj | = 1 und | ajj | =

nX

i=1,i 6=j

|aji|

Der Satz von Gerschgorin beweist die Existenz eines r 2 1, . . . , n mit |vr| = 1 und | arr| Pn

i=1,i 6=r |ari|. Da auf dem Rand liegt (siehe Annahme) lasst sich der Hilfssatz auf anwenden.Da A irreduzibel =) Fur jedes j 2 1, . . . , n existiert eine Verbindung

r = i0

, i1

, . . . , ik = j mit aip1ip 6= 0

Die Hilfsbehauptung liefert

39

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|vip | = 1 und | aipip | =

nX

i=1,i 6=ip

|aipipi| 8p = 0, . . . , k.

Insbesondere gilt |vj | = 1 und | ajj | 2 @Kj . j wurde dabei beliebig gewahlt.=) muss auf jedem Rand @Ki 8i = 1, . . . , n liegen.=) 2 Tn

i=1

@Ki.=) Behauptung

Beweis des Lemmas. Aus | arr| Pn

i=1,i 6=r |ari| folgt wegen der Annahme | arr| =

Pni=1,i 6=r |ari| und |vr| = 1. Aus der Dreiecksungleichung folgt

nX

i=1,i 6=r

|ari||vi| =

nX

i=1,i 6=r

|ari|

Dies gilt insbesondere fur i = j und da |vj | 1 muss summandenweise gelten:

|arj ||vj | = |arj | und |arj | 6= 0

) |vj | = 1

Aufgabe 32. Was folgt mit den Kriterien von Gerschgorin fur die Matrix aus Gleichgun 3.5.

3.5.4 Zusammenhang zwischen M-Matrix und Spektralradius

Zunachst definieren wir die Begri↵e Diagonaldominanz, Irreduzibilitat und den Spektralradius.Anschließend wird der Zusammenhang zwischen M-Matrix und Spektralradius analysiert.

Definition 33. Diagonaldominanz

1. A heißt diagonaldominant, falls

X

j,j 6=i

|aij | < |aii| 8i = 1, . . . , n (3.12)

2. A heißt irreduzibel diagonaldominant, falls A irreduzibel ist und

X

j,j 6=i

|aij | < |aii| fur ein i (3.13)

X

j,j 6=i

|aij | |aii| 8i = 1, . . . , n (3.14)

Bemerkung 12. Aus irreduzibel und diagonaldominant folgt irreduzibel diagonaldominant, dieRuckrichtung gilt jedoch nicht.

40

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Definition 34. SpektralradiusDer Spektralradius %(A) einer Matrix A ist definiert als

%(A) := max|| : ist Eigenwert von A. (3.15)

Satz 7. Folgende Aussagen gelten fur die Matrix D1B mit A = D B, D := diagaii : i =

1, . . . , n und B := D A:

1. A sei diagonaldominant oder irreduzibel diagonaldominant

) %(D1B) < 1.

2. A erfulle die Vorzeichenbedingung. Dann gilt

A ist M-Matrix , %(D1B) < 1.

Beweis von 1. Betrachte C := D1B mit

cij = aijaii

, (i 6= j)

cii = 0

1. Sei Diagonaldominanz vorausgesetzt. Dann gilt:

ri :=

nX

j=1,j 6=i

|cij | < 1 8i = 1, . . . , n.

Aus dem Kriterium von Gerschgorin folgt:

2n[

i=1

¯Kri(cii) =

n[

i=1

¯Kri(0)

) || max

i=1...nri < 1

) %(C) = %(D1B) < 1

2. Sei nun die irreduzible Diagonaldominanz vorausgesetzt:

A irreduzibel diagonaldominant ) rj 1 8j = 1, . . . , nrj < 1 fur mindestens ein i

Aus der scharfen Version von Gerschgorin folgt

2n[

j=1

Krj (0) [0

@

n\

j=1

@Krj (0)

1

A

41

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Zu zeigen ist nunSn

j=1

Krj (0) [

Tnj=1

@Krj (0)

K1

(0).

Fall 1: Alle rj = r sind gleich. Da es mindestens ein i gibt mit ri < 1, folgt

n\

j=1

@Krj (0) = @Kr(0) K1

(0)

p

Fall 2: Falls nicht alle rj gleich sind, dann istTn

j=1

@Krj (0) = ; (da alle Kreise den Ursprung0 haben).) Behauptung.

Beweis von 2. A ist genau dann eine M-Matrix, wenn %(D1B) < 1 und die Vorzeichenbedingunggilt. Zu zeigen ist also: A ist nicht-singular und A1 0 , %(D1B) < 1. Wir zeigen zunachst die

Ruckrichtung. Sei %(D1B) = %(C) < 1. Dann konvergiert die Neumann-Reihe

S :=

1X

=0

C= (I C)

1

) S(I C) = I

, SD1(D B) = SD1A = I

) A1 = SD1

Da D1 0, B 0 ) C 0, C 0 und S 0.) A1 0 ) 2. Bedingung fur M-Matrix.) A ist eine M-Matrix.

Hinrichtung. Wir definieren zunachst |u| als Vektor mit den Koezienten |u|i = |ui|. Fur zweiVektoren u, v kann man dann schreiben u v falls ui vi fur i 2 1, . . . , n.Dann gilt fur eine Matrix A 0 folgendes

Au |Au| A|u|. (3.16)

Aufgabe 33. Zeigen Sie dass die Gleichung 3.16 gilt.

Sei nun A eine M-Matrix. sei Eigenwert zu dem Eigenvektor u 6= 0 von D1B. Es gilt

|| · |u| = |u| = |D1Bu| D1B|u|

Ferner gilt: A1 0 und D 0 ) A1D 0.

) A1DD1B|u| A1D|||u|) |u| = A1(D B)|u| = A1D(I D1B)|u|

A1D|u| A1D|||u| = (1 ||)A1D|u|

Ware nun || 1 ) |u| (1 ||)A1D|u| 0. Da

1 (1 ||)A1D 0

42

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folgt |u| 0 ) u = 0. Dies ist ein Widerspruch zur Annahme.

Satz 8. Eine irreduzible M-Matrix A hat eine positive Inverse

A1 > 0.

Beweis. Seien ↵, 2 1, . . . , n. Da A irreduzibel ist, existiert eine Verbindung

↵ = ↵0

,↵1

, . . . ,↵k =

C := D1B und c↵i1↵i > 0

) (Ck)↵ =

X

1,...,k

c↵1c12 . . . ck1 c↵↵1c↵1↵2 · . . . · c↵k1 > 0

Wie oben bewiesen gilt %(C) < 1.) S :=

P1=0

C konvergiert. Da S↵ (Ck) > 0 ist S durch Ck > 0 beschrankt.

) S > 0. Mit A1 = SD1 > 0 folgt A1 > 0

Aufgabe 34. Zeigen Sie, dass die Matrix aus Gleichung 3.5 eine M-Matrix ist.

3.6 Eigenschaften der Systemmatrix der Poisson-Gleichung

(Dieser Abschnitt ist weitestgehend aus “Modellierung und Simulation I“von Prof. Dr. GillianQueisser ubernommen.)Nachdem verschiedene Matrixnormen eingefuhrt werden, wenden wir uns in diesem Abschnitt denEigenschaften der Matrix Kh aus der Poisson-Gleichung zu.

Definition 35. (Vektornorm)V sei ein Vektorraum uber K (= R oder C). k.k heißt Norm in V , falls gilt

kuk = 0 () u = 0 (3.17)

ku + vk kuk + kvk 8u, v 2 V (3.18)

kuk = ||kuk 2 K, u 2 V (3.19)

Definition 36. (Matrixnorm)V sei ein Vektorraum versehen mit einer Vektornorm k.k. Dann ist

kAkM := sup

u2V

kAukkuk : 0 6= u 2 V

(3.20)

die der Vektornorm k.k zugeordnete Matrixnorm.

Aufgabe 35. Uberlegen Sie sich verschiedene Matrix- und Vektornormen.

43

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Lemma 5. Es giltkAkM %(A) (3.21)

Beweis. Mit kAkM = supu2V

n

kAukkuk : 0 6= u 2 V

o

und einem Eigenvektor v von A gilt:

kAvkkvk =

kvkkvk = ||

) sup

kAukkuk

max

v2V

kAvkkvk = || = %(A)

3.6.1 Gebrauchliche Matrixnormen und positiv definite Matrizen

Zeilensummennorm

Die zur Maximumsnorm k.k1 zugehorige Matrixnorm

kAk1 := max

↵21,...,n

8

<

:

X

21,...,n

|a↵ |9

=

;

(3.22)

heißt Zeilensummennorm.

=) kAuk1 = kX

j

aijujik1 (3.23)

fur ein i so, dassP

j |aij | maximal.

Bemerkung 13. Aus A B folgt kAk1 kBk1, da A B komponentenweise definiert ist.

Fur einen spateren Beweis werden wir folgenden Satz benotigen:

Satz 9. Sei A eine M-Matrix. Existiert ein Vektor w mit Aw , dann gilt

kA1k1 kwk1 (3.24)

Beweis. Es gilt|u| kuk1 · kuk1 · Aw

fur

|u| :=

0

B

B

B

@

|u1

||u

2

|...

|ui|

1

C

C

C

A

Da A eine M-Matrix ist, gilt A1 0.

44

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|A1u| A1|u| A1kuk1Aw

= kuk1A1Aw = kuk1 · w) |A1u|

kuk1 w und speziellkA1uk1kuk1 kwk1

) kA1k1 kwk1

Satz 10. Seien A und B M-Matrizen mit B A. Dann gilt:

0 B1 A1 und kB1k1 kA1k1 (3.25)

Beweis. Es giltA1 B1 = A1(B A)B1.

Da A, B M-Matrizen sind, folgt A1 0 und B1 0 und mit B A folgt B A 0.

) A1 B1 = A1(B A)B1 0

, A1 B1 und kB1k1 kAk1

Spektralnorm

Zur euklidischen Vektornorm kuk2

=

p

Pni=1

|ui|2, lasst sich eine zugehorige Matrixnorm, dieSpektralnorm definieren.

Lemma 6. Die zur Vektornorm gehorige Matrixnorm k.k2

heißt Spektralnorm und lasst sichschreiben als

kAk2

=

p

%(AtA) (3.26)

Beweis.

kAk2

= sup

u2V

kAuk2

kuk2

: u 6= 0

= max

u2V,kuk2=1

kAuk2

) kAk22

= max

u2V,kuk2=1

kAuk22

= max

kuk2=1

hAu, Aui = max

kuk2=1

hAtAu, ui

Da AtA symmetrisch ist, liefert eine Hauptachsentransformation

P tAtAP = diag(i) = D

mit P = (v1

, . . . , vn), mit den Eigenvektoren vi von AtA. D enthalt die zugehorigen Eigenwerte

45

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auf der Diagonalen. Fur P gilt PP t= 1.

) kAk22

= max

kuk2=1

hAtAu, ui = max

kuk2=1

hAtAPP tu, PP tui

=

|z

u=P tu

max

kuk2=1

hAtAPu, P ui = max

kuk2=1

hP tAtAPu, ui = max

kuk2=1

hDu, ui

= max

kuk2=1

hnX

i=1

iui, uii = max

kuk2=1

nX

i=1

i|ui|2!

= max = %(AtA)

) kAk2

=

p

%(AtA)

Bemerkung 14. Falls A symmetrisch ist, kann man obiges Vorgehen direkt auf A anwenden.

) kAk2

= %(A), fur A symmetrisch

Positiv definite Matrizen

Bevor wir im folgenden Abschnitt die wichtigsten Eigenschaften der Systemmatrix zur diskretenPoisson-Gleichung zusammenstellen, benotigen wir noch den Begri↵ der positiven Definitheit.

Definition 37. Eine Matrix A heißt positiv definit, wenn A symmetrisch ist und

hAu, ui > 0 8u 6= 0. (3.27)

Lemma 7. A ist positiv definit, genau dann wenn alle Eigenwerte von A positiv sind.

Beweis. A symmetrisch ) 9P : P tAP = diag(i). Dabei sind i die Eigenwerte von A und Pdie Matrix zusammengesetzt aus den Eigenvektoren.

) hAu, ui = hAPu, Pui = hP tAPu, ui

= hnX

i=1

iu, ui =

nX

i=1

hiu, ui > 0, gdw i > 0

Daraus folgt folgendes

Lemma 8. Eine positiv definite Matrix ist regular und besitzt eine positiv definite Inverse.

Lemma 9. Fur A symmetrisch und diagonaldominant (oder irreduzibel diagonaldominant) mitaii > 0 ist A positiv definit.

Beweis.nX

j=1,j 6=i

|aij | < aii ) Gerschgorinkreise liegen in (0,1)

) i positiv.) A ist positiv definit.

46

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Lemma 10. min und max seien minimaler bzw. maximaler Eigenwert von A (positiv definit).Dann gilt:

kAk2

= max

kA1k2

=

1

min

Beweis. A ist positiv definit. ) A symmetrisch ) kAk2

= %(A)

) kAk2

= max

kA1k2

= %(A1) =

1

min

3.6.2 Matrixeigenschaften von Kh

Die Summe der in den vorigen Abschnitten zusammengefassten Satze und Matrixeigenschaftenermoglichen den Beweis folgender Aussagen:

Satz 11. Die Matrix Kh, definiert durch den Stern

2

4

1

1 4 1

1

3

5

besitzt folgende Eigenschaften:

1. Kh ist eine M-Matrix.

2. Kh ist positiv definit.

3. kKhk1 8

h2 und kK1h k1 1

8

.

4. kKhk2 8

h2 cos

2

h2

< 8

h2 und

5. kK1h k2

1

8

h2

sin

2 h2

=

1

22 + O(h2

) < 1

16

fur hinreichend kleines h

Beweis.

1. Kh erfullt die Vorzeichenbedingung und ist irreduzibel diagonaldominant. In Satz 7 habenwir gezeigt, dass Kh dann auch eine M-Matrix ist.

2. Kh ist symmetrisch und irreduzibel diagonaldominant ) Kh ist positiv definit (siehe Lemma9).

3. a) kKhk1 = maxi=1,...,n

Pnj=1

|Kij |

=

1

h2 max6, 7, 8 =

8

h2

b) Zu zeigen ist: kK1h k1 1

8

. Nutze dazu Satz 9 mit

w(x, y) =

x(1 x)

2

47

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und betrachte

Khwh = (x h)(1 (x h))

2h2

(x + h)(1 (x + h))

2h2

+

2 · x(1 x)

2h2

= 1

Khw . Fur kwk1 gilt:

d

dxw(x, y) = x +

1

2

) max

x,yw(x, y) =

1

2

Wegen Satz 9 gilt: kK1h k1 kwk1 =

1

8

.

4. Folgt aus folgendem

Lemma 11. Die Eigenvektoren und Eigenwerte von Kh sind

uµ(x, y) = sin(x) sin(µy), (x, y) 2 (3.28)

mit

µ =

4

h2

sin

2

h

2

+ sin

2

µh

2

, 1 , µ n 1 (3.29)

Beweis.

Khuµ

=

1

h2

( sin((x h)) sin(µy) + 4 sin(x) sin(µy)

sin((x + h)) sin(µy) sin(x) sin(µ(y h)) sin(x) sin(µ(y + h)))

Wende die folgenden Regeln

sin(x ± y) = sin x cos y ± sin y cos x (3.30)

cos(x ± y) = cos x cos y ± sin y sin x (3.31)

cos(2x) = cos

2 x sin

2 x (3.32)

auf obigen Ausdruck an.

) Khuµ

= µuµ (3.33)

) kKhk2 = %(A) = max 8

h2

sin

2

(n 1)h

2

=

8

h2

cos

2

h

2

<8

h2

(3.34)

Aufgabe 36. Bestimmen Sie mit Hilfe der angegebenen Regeln µ.

48

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5. Es gilt

kK1h k2

= %(K1h ) =

1

minmit

min = 11

=

8

h2

sin

2

h

2

=

8

h2

h

2

+ O(h3

)

2

=

8

h2

h

2

2

+ O(h4

)

!

= 22 + O(h2

)

) kK1h k2

=

1

22 + O(h2

)

<1

16

f

¨

ur hinreichend kleines h

Dass ein numerisches Approximationsverfahren mit zunehmender Gitterfeinheit gegen die kontinuierlicheLosung konvergiert, ist Grundvoraussetzung fur den ezienten Einsatz des Verfahrens. Wir werdenim Folgenden zeigen, dass das behandelte Di↵erenzenverfahren fur die Poissongleichung stabil undkonvergent ist.

3.6.3 Stetige Abhangigkeit von den Randdaten

Die stetige Abhangigkeit der Losung von den Randdaten ist notwendig, damit die Losung uberhauptsinnvoll sein kann. Ein kleine Anderung der Randdaten andert die Losung ebenfalls nur wenig.

Maximumsprizip

Lemma 12. Sei uh 6= 0 eine Losung von huh = fh mit fh = 0 und uh|@h= 'h. Dann

nimmt uh sein Maximum bzw. Minimum auf dem Rand @h an, oder uh ist konstant.

Beweis. Fur huh = 0 gilt

uh(x, y) =

1

4

(uh(x h, y) + uh(x + h, y) + uh(x, y h) + uh(x, y + h))

Angenommen uh ist nicht konstant und uh(x, y) sei Maximum in h.) uh(x±h, y) und uh(x, y±h) mussen maximal sein. Da Kh aber irreduzibel ist, setzt sich dieseBedingung auf ganz h fort.) uh ist konstant. Dies ist ein Widerspruch zu obiger Annahme.

Vergleichsprinzip

Lemma 13. Seien uh, vh Losungen von

huh = fh mit uh|@h= 'u

h

hvh = fh mit vh|@h= 'v

h

Dann gilt:

49

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1. kuh vhk1 maxx2@h|'u

(x) 'v(x)|

2. uh vh, falls 'u 'v auf @h.

Beweis. Betrachte wh := vhuh. wh ist Losung der Poisson-Gleichung hwh = 0 und wh 0

auf @h, falls'u 'v.

Aus dem Maximumsprinzip folgt wh ist konstant oder wh > 0 (da das Minimumg auf dem Randangenommen wird und dort > 0 gilt). ) Behauptung 2.Mit uh = 'u und vh = 'v auf @h gilt

max |'u 'v| wh + max |'u 'v| auf @h

Aufgrund des Maximumsprinzips gilt dies auf ganz h ) Behauptung 1.

3.6.4 Konvergenz, Konsistenz und Stabilitat

Wir wollen nun das kontinuierliche mit dem numerisch approximierten Problem vergleichen. Wirbetrachten dazu

u = f in

u|

= '

und

huh = fh in h

uh|h = 'h

Bemerkung 15. Das kontinuierliche und diskrete Problem existieren in unterschiedlichen Gebieten.Um beide Probleme vergleichen zu konnen, mussen sie in einem Raum definiert sein.

Aufgabe 37. Uberlegen Sie sich was mit der vorherigen Bemerkung gemeint ist!

Definition 38. (Restriktion)

Rh : C(

¯

) ! Uh

u 7! Rhu

mit (Rhu)(~x) = u(~x) fur alle ~x 2 ¯

h ist die Restriktion der Losung in ¯

auf ¯

h. Dabei seih 2 H R+ und H eine Menge ohne Haufungspunkt (in unserem Fall ist H =

1

n : n 2 N

).

Bemerkung 16. Durch die Restriktion der kontinuierlichen Losung auf das diskrete Gebiet konnendie Losungen u und uh nun verglichen werden.

Definition 39. Konvergenz Die diskrete Losung uh 2 Uh konvergiert bzgl. k.kh, h 2 H gegenu, falls

kuh Rhuhkh ! 0 (3.35)

Definition 40. Diskretisierungsfehler uhRhu heißt Diskretisierungsfehler des Diskretisierungsverfahrens.

50

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Definition 41. Stabilitat Die Diskretisierung Kh heißt stabil bzgl. k.k1 fur h 2 H R+, falls

sup

h2HkK1h k1 C < 1 (3.36)

Bemerkung 17. Betrachte die zwei Systeme

Kh(uh) = fh

Kh(uh) = fh +

Dann folgt

uh = K1h (fh)

uh = K1h (fh + )

) kuh uhk C · kk

Stabilitat bedeutet also, dass kleine Anderung auf der rechten Seite nur kleine Anderungen in derLosung bewirken.

Bemerkung 18. Der Funfpunktstern und somit die Diskretisierung Kh zur Poissongleichung hatdie Eigenschaft

kK1h k1 1

8

,

ist also stabil.

Konsistenz

Sei Khuh = fh die Diskretisierung von Ku = f . K sei ein Di↵erentialoperator der Ordnung m.Weiter seinen Rh und ˜Rh Restriktionsoperatoren fur u und f . Die Diskretisierung (Kh, Rh, ˜Rh)

des Di↵eretialoperators K hat die Konsistenzordnung k bzgl. k.k1, falls gilt

kKhRhu ˜RhKuk1 C · hk · kukCk+m(

¯

)

8u 2 Ck+m(

¯

) (3.37)

Beispiel 4. Sei Rh =

˜Rh gegeben durch die Injektion

(Rhu)(~x) = u(~x) 8~x 2 h.

Dann ist (Kh, Rh, ˜Rh) = (h, Rh, Rh) konsistent mit Ordnung 2 bzgl. k.k1.

Beweis. Wir erinnern uns an

(@@+u)(x) = u00(x) + h2R, |R| 1

12

kukC4(

¯

)

Im R2 wenden wir diesen Ansatz in x und y-Richtung an. Taylorentwicklung liefert

hRu(x, y) = u(x, y) + h2

(Rx + Ry)

mit |Rx| 1

12

ku(4)kC0(

¯

)

1

12

kukC4(

¯

)

Analog dazu folgert man: |Ry| 1

12

kukC4(

¯

)

.

51

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) C =

1

6

mit kKhRhu RhKuk C · h2kukC4(

¯

)

Satz 12. (Satz uber die Konvergenz)Sei die Diskretisierung (Kh, Rh, ˜Rh) konsistent von der Ordnung k. Sei die zu Kh gehorende Matrix˜Kh stabil bzgl. k.k1. Dann ist das Verfahren konvergent von der Ordnung k, falls u 2 Ck+m

(

¯

).Dabei bezeichne m die Ordnung des Di↵erentialoperators Kh.

Beweis. Betrachte wh = uh Rhu. Unser Ziel ist es zu zeigen, dass

wh ! 0 fur h ! 0 ) uh ! u fur h ! 0.

Es gilt:

Khwh = Khuh KhRhu = fh KhRhu =

˜Rhf KhRhu =

˜RhKu KhRhu

Da wh|h = 0 gilt Khwh =

˜Khwh.

) wh = K1h (

˜RhKu KhRhu)

) kwhk1 = kuh Rhuk1 kK1h k1 · k ˜RhKu KhRhu k1) kuh Rhuk1 ChkkukCk+m

(

¯

)

Was ergibt sich dann fur den 5-Punkt-Stern? Sei u 2 C4

(

¯

). Dann gilt:

kK1h k1 <1

8

, c =

1

6

) kuh Rhuk1 h2

48

· kukC4(

¯

)

u muss also vier mal stetig di↵erenzierbar sein!

3.7 Das Neumann-Problem

(Dieser Abschnitt ist weitestgehend aus “Modellierung und Simulation I“von Prof. Dr. GillianQueisser ubernommen.) Bisher wurden die Funktionswerte der gesuchten Funktion auf dem Randdes Gebietes vorgegeben mit u|

= '. Stattdessen konnen auch die Ableitungen von u inNormalenrichtung auf dem Rand vorgegeben werden, d.h. wir betrachten das Problem

u = f in = (0, 1) (0, 1)

@u

@n= ' auf

Aufgabe 38. Uberlegen Sie sich, welche anschauliche Bedeutung Neumann Randbedingungenhaben!

Bemerkung 19. Dadurch, dass @u@n vorgegeben wird, gibt es potentiell unendlich viele Losungen.

Denn falls u Losung des Problems ist, so erfullt auch u + c das Problem.

Eine eindeutige Losung erfordert also eine zusatzliche Bedingung um die Variable c eindeutigfestzulegen. Diese Zusatzbedingung nennt man Kompatibilitatsbedingung.

52

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Lemma 14. (Kompatibilitatsbedingung)Es muss gelten

Z

@'ds =

Z

fdx (3.38)

Beweis.

Z

fdx =

Z

udx =

Z

div(ru)dx

=

Z

@ru · ~nds =

Z

@

@u

@~nds =

Z

@'ds

Aufgabe 39. Was bedeutet die Kompatibilitatsbedingung anschaulich?s

3.7.1 Diskretisierung des Neumann-Problems

Wir betrachten das Neumann-Problem auf dem Gebiet ¯

= [0, 1] [0, 1]. Dabei treten drei Typenvon Knoten auf:

1. innere Knoten

2. Knoten auf Kanten

3. Knoten in den Eckpunkten von ¯

Die Diskretisierung des Laplace-Operators fuhrt in diesen drei Fallen zu:

Innere Punkte Fur Punkte im Innern, die keine Randknoten zum Nachbarn haben gilt:uh(x, y) =

1

h2 (4uh(x, y) uh(x h, y) uh(x + h, y) uh(x, y h) uh(x, y + h))

Randnahe Punkte Fur innere Knoten am rechten Rand von ¯

ergibt sich:uh(x, y) =

1

h2 (3uh(x, y) uh(x h, y) uh(x, y h) uh(x, y + h))

Ecknahe Punkte Fur den Knoten rechts unten ergibt sich:uh(x, y) =

1

h2 (2uh(x, y) uh(x h, y) uh(x, y + h))

Behandlung der Neumann Randbedingung

Die Ableitung von u in Normalenrichtung ~n kann uber einseitige Di↵erenzenquotienten approximiertwerden. Im eindimensionalen Fall lasst sich der rechte Rand folgendermaßen darstellen:

@uh

@~n(x) (@n uh)(x) =

1

h(uh(x) u(x h~n)) = '(x) (3.39)

Fur unser Modellbeispiel folgt damit:

1

h(uh(x, 0) uh(x, h)) = '(x, 0) (unten)

1

h(uh(x, 1) uh(x, 1 h)) = '(x, 1) (oben)

1

h(uh(0, y) uh(h, y)) = '(0, y) (links)

1

h(uh(1, y) uh(1 h, y)) = '(1, y) (rechts)

53

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Das resultierende diskrete Problem

Khuh =

˜fh = fh 1

h'h

'h =

'(x, y) (x, y) 2

0 sonst

ist nicht notwendigerweise regular. Deshalb muss zusatzlich die diskrete Kompatibilitatsbedingungerfullt sein.

Diskrete Kompatibilitatsbedingung

Die diskrete Kompatibilitatsbedingung lautet

h2

X

x2h

f(x) = hX

x2'(x). (3.40)

Satz 13. Ist neben Khuh =

˜fh auch die diskrete Kompatibiltatsbedingung erfullt, dann ist dasProblem losbar und zwei Losungen unterscheiden sich nur in einer Konstante c.

Beweis. Es gilt: Khuh =

˜fh losbar ) ˜fh 2 Bild(Kh) und

Bild(Kh) = ker(Kh)?

= span( )

?

) ˜fh 2? , ˜fh · = 0 ()X

x2h

˜fh(x) = 0

)X

x2h

˜fh(x) =

X

h

fh 1

h'h ()

X

h

fh =

1

h

X

@h

'h

3.7.2 Losen des Neumann-Problems

Die Losbarkeit des Neumann-Problems setzt, wie oben gezeigt, die Erfullung der Kompatibilitatsbedingungvoraus. Wir werden zur Vereinfachung der Notation im Folgenden mit fh die rechte Seite mit denBeitragen auf dem Rand bezeichnen, d.h. fh 1

h fh.

Lemma 15. Man wahle x0

2 h beliebig und normiere uh durch

uh(x0

) = 0.

Dann ist das um eine Zeile und eine Spalte reduzierte System

ˆKhuh =

ˆfh

losbar.

Beweis.

1. ˆKh ist symmetrisch (da Kh symmetrisch)

2. ˆKh ist eine M-Matrix, da ˆKh irreduzibel diagonaldominant ist

54

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Daraus folgt, dass ˆKh regular und somit das reduzierte System losbar ist.

Zur Losung des Problems wird also eine Korrektur vorgenommen. In obigem Fall durch Eliminationeines Eintrags aus uh und fh.) Die Korrektur ist konzentriert in fh(x0

). Eine Alternative dazu ist, die Korrektur durch Erweiterungdes Systems zu verteilen.

Verteilung der Korrektur

Betrachte¯Khuh =

¯fh

mit¯Kh =

KhT

0

, uh =

uh

, ¯fh =

fh

mit beliebigem .

Lemma 16. ¯Khuh =

¯fh ist eindeutig losbar.

Beweis. Rang(Kh, ) = Rang(Kh) + 1 ) ¯Kh ist regular ) Losbarkeit.

Lemma 17. Ist uh Losung von ¯Khuh =

¯fh, so impliziert dies uh ist Losung von Khuh = fh.

Beweis.

1. = 0 impliziert eine Normierungsbedingung fur uh mit

T · uh =

X

x2h

uh(x) = .

2. Sei nun 6= 0. uh ist Losung von Khuh =

ˆfh mit ˆfh := fh · .

Dadurch wird eine Verteilung der Korrektur auf alle Vektoreintrage erreicht.

55

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4 Allgemeine Finite Di↵erenzen in R2

4.1 Sternoperatoren

Die Funfpunktformel definiert die Rechenvorschrift zur Approximation des Laplace-Operators in R2

uber finite Di↵erenzen. Eine vereinfachte Schreibweise hierfur ist die Definition eines Sternoperators.

Definition 42. Die Funfpunktformel wird uber einen Funfpunktstern folgendermaßen definiert

huh =

1

h2

(u(x h, y) u(x + h, y) u(x, y h) u(x, y + h) + 4u(x, y))

=:

1

h2

2

4

1

1 4 1

1

3

5

= h

Bemerkung 20. Der Funfpunktstern ist keine Matrix, sondern lediglich eine Schablone die aufh aufgelegt die Rechenvorschrift der Funfpunktformel vorgibt und damit am Ende auch dieMatrixstruktur von Kh. Die Nummerierung der Knoten geht nicht in den Funfpunktstern ein, daer direkt auf das Gitter aufgelegt wird.

4.1.1 Weitere Sternoperatoren und Rechenvorschriften

1. in R1

a) + =

1

h · 0 1 1

b) =

1

h · 1 1 0

c) 0 =

1

2h · 1 0 1

2. Allgemeiner Di↵erenzenstern:

1

hk

2

6

6

6

6

6

6

4

...c1,1(x, y) c

0,1(x, y) c1,1(x, y)

· · · c1,0(x, y) c0,0(x, y) c

1,0(x, y) · · ·c1,1(x, y) c

0,1(x, y) c1,1(x, y)

...

3

7

7

7

7

7

7

5

=

1

hk·X

i,j

cijuh(x + ih, y + jh)

3. Multiplikation von Sternen: Am Beispiel von zwei eindimensionalen Sternen wird dieMultiplikation von Sternen demonstriert.

56

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a b c

d e f

uh =

a b c · (d · uh(x h) + e · uh(x) + f · uh(x + h))

= a(duh(x 2h) + euh(x h) + fuh(x))

+b(duh(x h) + euh(x) + fuh(x + h))

+c(duh(x) + euh(x + h) + fuh(x + 2h))

=

ad ae + bd af + be + cd bf + ce cf

4.2 Diskretisierung einer allgemeinen elliptische PDE zweiterOrdnung

Beim Di↵erenzenverfahren wird eine Losung uN,FD gesucht, bei der die Losung u des Problems(2.27) punktweise angenahert wird. Das Di↵erenzenverfahren zahlt damit zu den klassischenVerfahren. In diesem Abschnitt betrachten wir eine Di↵erentialgleichung zweiter Ordnung aufdem Einheitsquadrat

Lu(x) = f(x) x 2

u(x) = g(x) x 2 @. (4.1)

mit = [0, 1]

2, u : R2 ! R,

L = a11

(x)

@2

@x2

1

+ a12

(x)

@2

@x2

@x1

+ a21

(x)

@2

@x1

@x2

+ a22

(x)

@2

@x2

2

+ b1

(x)

@

@x1

+ b2

(x)

@

@x2

+ c(x) (4.2)

und

A(x) =

a11

(x) a12

(x)

a21

(x) a22

(x)

. (4.3)

Wir nehmen stets an, dass A symmetrisch und positiv definit ist, d.h. a12

= a21

, a11

> 0 unda22

> a212

/a11

> 0 sowie |a12

| < mina11

, a22

.Bemerkung 21. Da A symmetrisch und positiv definit ist, ist der Di↵erentialoperator L elliptisch.

Bemerkung 22. Da L ein Di↵erentialoperator zweiter Ordnung ist, muss fur die Losung u desProblems (4.1) u 2 C2

() gelten.

Um den Di↵erenzenstern zu bestimmen, muss die Di↵erentialgleichung in jedem Gitterpunktdiskretisiert werden. Dazu wird der Di↵erentialquotient durch einen Di↵erenzenquotient approximiert.Dabei wird unterschieden zwischen dem zentralen o, dem linksseitigen und dem rechtsseitigenDi↵erenzenquotienten +. Die unterschiedlichen Di↵erenzenquotienten unterscheiden sich in der

57

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Auswertungsstelle der abzuleitenden Funktion. Genauer lauten die Formeln:

ox1u(x

1

, x2

) =

u(x1

+ h, x2

) u(x1

h, x2

)

2h(4.4)

+x1u(x

1

, x2

) =

u(x1

+ h, x2

) u(x1

, x2

)

h(4.5)

x1u(x

1

, x2

) =

u(x1

, x2

) u(x1

h, x2

)

h(4.6)

Die Diskretisierungsfehler verhalten sich dabei wie folgt:

@u

@x1

= ox1u + O(h2

)

= +x1u + O(h)

= x1u + O(h) (4.7)

Betrachten wir zunachst den Term zweiter Ordnung des Di↵erentialoperators L. Die zweiteAbleitung wird entsprechend durch zwei Di↵erenzenquotienten approximiert.

@2u

@x2

1

@

@x1

+x1u =

@

@x1

u(x1

+ h, x2

) u(x1

, x2

)

h

x1

u(x1

+ h, x2

) u(x1

, x2

)

h

=

u(x1

+ h, x2

) 2 · u(x1

, x2

) + u(x1

h, x2

)

h2

(4.8)

Fur den Diskretisierungsfehler gilt

@2u

@x2

1

= x1+x1

u + O(h2

). (4.9)

Die zweimalige Anwendung des zentralen Di↵erenzenquotienten ist an dieser Stelle ungeeignet,da es zu einer Entkopplung von Gitterknoten kommen kann.Analog wird die zweite Ableitung in x

2

-Richtung diskretisiert:

@2u

@x2

2

= x2+x2

u + O(h2

) (4.10)

Die gemischten Ableitungen konnen prinzipiell auf zwei verschiedene Arten diskretisiert werden.Betrachten wir zunachst die Diskretisierung mit zentralen Di↵erenzen:

@2u

@x1

@x2

=

@2u

@x2

@x1

= (ox1ox2

)u(x1

, x2

) + O(h2

) (4.11)

Dann bekommen wir insgesamt fur den Term zweiter Ordnung des Operators L folgenden Stern

1

h2

2

4

a12

/2 a22

a12

/2

a11

2(a11

+ a22

) a11

a12

/2 a22

a12

/2

3

5 . (4.12)

58

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Fur a12

6= 0 kann die Vorzeichenbedingung mit dieser Diskretisierung nicht erfullt werden.Die gemischten zweiten Ableitungen sollten stattdessen fur a

12

0 auf folgende Art diskretisiertwerden:

@2u

@x1

@x2

=

@2u

@x2

@x1

=

1

2

(+x1+x2

+ x1x2

)u(x1

, x2

) + O(h2

) (4.13)

Mit dieser Diskretisierung bekommt man fur a12

0

1

h2

2

4

0 a22

a12

a12

a11

a12

2(a12

a11

a22

) a11

a12

a12

a22

a12

0

3

5 (4.14)

als Stern und die Vorzeichenbedingungen sind wegen A symmetrisch und positiv definit erfullt.Fur a

12

< 0 verwendet man entsprechend:

@2u

@x1

@x2

=

@2u

@x2

@x1

=

1

2

(x1+x2

+ x2+x1

)u(x1

, x2

) + O(h2

) (4.15)

und erhalt als Stern

1

h2

2

4

a12

a22

+ a12

0

a11

+ a12

2(a12

a11

a22

) a11

+ a12

0 a22

+ a12

a12

3

5 . (4.16)

Dieser Stern erfullt wegen A symmetrisch und positiv definit ebenfalls die Vorzeichenbedingungen.

Betrachten wir nun den Term erster Ordnung des Di↵erentialoperators L. Ohne Einschrankungkonnen wir nur den Term mit der Ableitung in x

1

-Richtung betrachten. Der Term kann prinzipiellmit den drei verschiedenen Di↵erenzenquotienten diskretisiert werden. Dabei erhalten wir folgendeSterne

ox1:

b1

(x1

, x2

)

2h

1 0 1

(4.17)

+x1:

b1

(x1

, x2

)

h

0 1 1

(4.18)

x1:

b1

(x1

, x2

)

h

1 1 0

. (4.19)

Wie bereits erwahnt, ist es sinnvoll, dass der diskrete Di↵erentialoperator LN,FD eine M-Matrixist. Bei der Wahl des Di↵erenzenquotienten sollte also versucht werden die Vorzeichenbedingungzu erfullen. Dies wird erreicht, indem die Diagonale verstarkt wird und die Nebendiagonalengeschwacht. Konkret bedeutet dies, dass die Wahl des Di↵erenzenquotienten vom Vorzeichenvon b

1

(x) abhangt. Ist b1

(x) > 0 muss +x1verwendet werden, damit die Vorzeichenbedingung

erfullt ist. Ist b1

(x) < 0 muss entsprechend x1verwendet werden. Solch eine Wahl fur den

Di↵erenzenquotienten heißt Upwind Verfahren. Die Richtung des Vektors b kann als Stromrichtunginterpretiert werden. Beim Upwind Verfahren wird immer stromaufwarts, d.h. entgegen der Stromrichtung,diskretisiert. Unabhangig vom Vorzeichen von b

1

ist die Wahl des zentralen Di↵erenzenquotientennicht sinnvoll, weil die Vorzeichenbedingung verletzt werden kann.

59

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Der Stern fur den kompletten diskreten Di↵erentialoperator sieht schließlich folgendermaßen aus:

1

h2

2

4

a12

a22

|a12

| a+12

a11

|a12

| 2(|a12

| a11

a22

) a11

|a12

|a+12

a22

|a12

| a12

3

5

+

1

h

2

4

0 b+2

0

b1

|b1

| |b2

| b+1

0 b2

0

3

5

+

2

4

0 0 0

0 c 0

0 0 0

3

5

(4.20)wobei a+

12

= maxa12

, 0, a12

= mina12

, 0 und b+i bzw. bi entsprechend.Der Diskretisierungsfehler ist nur O(h) da rechts- bzw. linksseitige Di↵erenzenquotienten bei derDiskretisierung des Terms erster Ordnung verwendet wurden.

Da u(x) auf @ aufgrund der Dirichlet-Randbedingungen bereits bekannt ist, wird der Sternals Schablone nur fur innere Punkte verwendet. Bei randnahen Punkten greift die Schablone aufdie bereits bekannten Randwerte von u zu. Dies wird realisiert, indem entsprechende Terme zurrechten Seite in Gleichung (4.1) hinzuaddiert werden. Durch das Verschieben auf die rechte Seiteentsteht fur die randnahen Punkte in der Matrix LN,FD eine Zeile i, fur die gilt

X

j2Ji

|Li,jN,FD| < |Li,i

N,FD| mit Ji = [0, ..., i 1, i + 1, ...N 1]. (4.21)

Das ist notwendig, damit der diskrete Operator LN,FD die Kriterien fur eine M-Matrix erfullt.

Bemerkung 23. Der diskrete Di↵erentialoperator LN,FD, der mit Hilfe des Sterns (vgl. Gleichung(4.20)) entsteht, ist eine M-Matrix, falls c < 0.

Beweis. Die Vorzeichenbedingungen sind erfullt, LN,FD ist irreduzibel und wegen der Randpunkteschwach diagonaldominant. Daraus folgt die Behauptung.

Insgesamt erhalt man folgendes diskretes Gleichungssystem

LN,FDuN,FD = fN,FD + gN,FD, (4.22)

wobei fN,FD aus der Diskretisierung von f hervorgegangen ist und gN,FD die Dirichletrandbedingungenbeinhaltet, d.h. gN,FD ist nur fur randnahe Punkte ungleich null.

60

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5 Diskretisierung: Finite Elemente

5.1 Motivation

Klassische Verfahren losen die Gleichung Lu = f punktweise. Das kann schon bei einfachenProblemen dazu fuhren, dass eine klassische Losung nicht existiert. Betrachten wir beispielsweiseein Gebiet (vgl. Abbildung 5.1) mit einer einspringenden Ecke. Der Eckpunkt von hat dieKoordinaten (0, 0) und der 3/4 Kreis hat einen Radius von 1. Wir suchen eine Losung derPoisson-Gleichung (in Polarkoordinaten)

u = 0 (5.1)

mit den Randbedingungen

u(r,) = 0 8(r,) 2 @

2

@u(r,)

@r=

2

3

sin(2/3 · ) 8(r,) 2 @

1

. (5.2)

Mit dem Ansatzu(r,) = ra · sin(b) (5.3)

folgt sofort, dass a = b = 2/3 gelten muss. Die Losung lautet schließlich

u(r,) = r2/3 sin((2/3 · ). (5.4)

Der Gradient von u hat demnach eine Singularitat im Ursprung. Deshalb ist u keine zulassigeklassische Losung des Problems. Das Beispiel zeigt, dass es schon einfache Probleme gibt, indenen eine klassische Losung nicht existiert. Um dieses Problem zu losen, sucht man stattdessennach der sogenannten schwachen Losung. Die schwache Losung lost die Di↵erentialgleichung nichtin der Maximumsnorm (punktweise) sondern in der W 0,2-Norm.

Aufgabe 40. Rechnen Sie das Beispiel nach, indem Sie zunachst den Laplace Operator inPolarkoordinaten herleiten und anschließend uberprufen, dass die Losung gultig ist.

61

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Abbildung 5.1: Gebiet mit einspringender Ecke.

5.2 Ausflug in die Funktionalanalysis

(Dieser Abschnitt ist weitestgehend aus “Modellierung und Simulation I“von Prof. Dr. GillianQueisser ubernommen.)

Wie oben schon erwahnt, werden wir uber die Funktionalanalysis eine neue Kategorie der Diskretisierungherleiten. Dazu sind einige funktionalanalytische Grundlagen notwendig, die in diesem Abschnittzusammengestellt werden.

5.2.1 Normierte Raume

Definition 43. Sei X ein Vektorraum uber R oder C und k.k : X ! [0,1) eine Norm. Dannwird

(X, k.kX)

normierter Raum genannt.

Beispiel 5. Die stetigen Funktionen auf ¯

bilden den normierten Raum C0

(

¯

) mit der Supremumsnormk.k1.

Definition 44. Zwei Normen k.k(1) und k.k(2) auf X heißten aquivalent, wenn 0 < C < 1existiert, mit

1

Ckxk(1) kxk(2) Ckxk(1) 8x 2 X (5.5)

Operatoren

Definition 45. (Operatornorm)Seien X und Y normierte Raume mit Normen k.kX und k.kY . Die Operatornorm eines Operators

62

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T : X ! Y ist definiert als

kTkY X := sup

x2X

kTxkYkxkX : 0 6= x 2 X

(5.6)

Bemerkung 24. Ist kTkY X endlich, dann ist T beschrankt.

Bemerkung 25. Die beschrankten Operatoren bilden einen linearen Raum L(X, Y ) mit (T1

+

T2

)x = T1

x + T2

x.

O↵ene Raume

Definition 46. (X, k.k) sein ein normierter Raum. A X heißt o↵en, falls fur alle x 2 A ein > 0 existiert, sodass

K(x) := y 2 X : kx yk < in A enthalten ist.

5.2.2 Banach-Raume

Sei (X, k.k) ein normierter Raum. X heißt vollstandig, wenn jede Cauchy-Folge konvergiert. Einnormierter und vollstandiger Raum heißt Banach-Raum

Aufgabe 41. Uberlegen Sie sich einen Raum, welcher nicht vollstandig ist. Wie kann der Raumerweitert werden, damit er vollstandig wird?

Definition 47. (Cauchy-Folge)Eine Folge xh 2 X : n 1 heißt Cauchy-Folge, wenn gilt

supkxn xmkX : n, m k ! 0, fur k ! 1 (5.7)

oder alternativ8 > 0 9n

0

2 N : 8n, m n0

: kxn xmk < (5.8)

Der Raum

L1(D), k.kL1(D)

L1(D) bezeichnet den Raum der auf D beschrankten lokal integrierbaren Funktionen. L1(D)

besteht aus Aquivalenzklassen, wobei

f = g, falls f = g fast uberall

kukL1(D)

:= inf

A

(

sup

x2D\A|u(x)| : x 2 D \ A : µ(A) = 0

)

Aufgabe 42. Machen Sie sich klar, was die oben definierte Norm anschaulich bedeutet.

Wir werden im Folgenden erklaren, was mit obiger Terminologie gemeint ist.

Definition 48. (fast uberall)Zwei Funktionen f und g heißen fast uberall gleich, falls

f = g bis auf Nullmenge A gilt

f = g auf \ A

63

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gilt.

Definition 49. (Nullmenge)Eine Nullmenge besitzt das Maß µ(A) = 0.

Definition 50. (Maß)Sei J n die Menge der beschrankten Intervalle des Rn. Eine Intervallfunktion ist eine Abbildung

' : J n ! R

1. ' ist monoton, wenn gilt

I1

, I2

2 J n und I1

I2

) '(I1

) '(I2

).

2. ' heißt additiv, wenn gilt

I1

, I2

, I 2 J n mit I1

\ I2

= ;, I1

[ I2

= I

) '(I) = '(I1

) + '(I2

)

() ' monoton und additiv ) '(;) = 0 und '(I) 0, 8I 2 J n).

3. ' heißt regular, falls gilt: Fur jedes > 0 gibt es zu jedem I 2 J n ein o↵enes Intervall I

mit I I, sodass gilt:'(I) '(I) < '(I) +

Eine monotone, additive, regulare Intervall-Funktion heißt Maß.

Beispiel 6. Folgende gangige Maße konnen definiert werden:

1. Sei I = [a1

, b1

] . . . [an, bn] 2 J n. Dann ist

v : J n ! R mit v(I) =

nj=1

(bj aj)

ein Maß (Volumenmaß).

2. Fur treppenfunktion-approximierbare Funktionen f ist

Z

fd' =

Z

Rnfd' =

mX

i=1

'(Ij)f(Ij)

auf den Intervallen I1

, . . . , Im das Lebegue-Maß.

Aufgabe 43. Machen Sie sich anschaulich klar, was eine Nullmenge in Rn ist.

Definition 51. meßbarf : Rn ! R heißt meßbar, wenn eine Folge von Treppenfunktionen snn=1,2,... existiert, mit

f = lim sn.

64

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5.2.3 Der Sobolev-Raum L2()

Definition 52. (Skalarprodukt)Die Abbildung (., .) : X X ! K heißt Skalarprodukt auf X, falls gilt

(x, x) > 0 8x 2 X, x 6= 0 (5.9)

(x + y, z) =

¯(x, z) + (y, z) 8 2 K, x, y, z 2 X (5.10)

(x, y) = (y, x) (5.11)

Das Skalarprodukt definiert eine Norm durch

kxk :=

p

(x, x).

Definition 53. (Hilbertraum)Ein Banach-Raum X heißt Hilbert-Raum, wenn ein Skalarprodukt (., .)X auf X existiert.

Der Sobolev-Raum L2

()

Sei eine o↵ene Teilmenge von Rn. L2

() definiert den Raum der Aquivalenzklassen meßbarerund quadrat-integrabler Funktionen:

L2

() := f : ! R : f meßbar, |f |2 integrierbar (5.12)

Zwei Funktionen f und g sind gleich, wenn sie bis auf in A mit µ(A) = 0 gleich sind. Mit demSkalarprodukt

(u, v)

0

= (u, v)L2()

:=

Z

u(x)v(x)dx 8u, v 2 L2

() (5.13)

und Norm

kuk0

= kukL2()

:=

s

Z

|u(x)|2 (5.14)

ist L2

() ein Hilbertraum.

Aufgabe 44. Uberlegen Sie sich eine Funktion welche in L2

() ist, aber nicht in C0

5.2.4 Schwache Di↵erenzierbarkeit

In L2

() konnen keine Aussagen uber die Di↵erenzierbarkeit von f 2 L2

() im klassischen Sinnegemacht werden. Aus der partiellen Integration folgernd gilt jedoch:

Z

f 0(x)'(x)dx = Z

f(x)'0(x)dx

fur Funktionen ' mit '|@ = 0.

Definition 54. Falls fur f 2 L2

() eine Funktion g 2 L2

() existiert, sodass gilt

Z

f 0(x)'(x)dx = Z

g(x)'(x)dx =

Z

f(x)'0(x)dx (5.15)

dann heißt g die schwache Ableitung von f .

65

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Bemerkung 26. Folgende Zusammenhange bestehen zwischen klassischer und schwacher Di↵erenzierbarkeit:

1. Klassisch di↵erenzierbare Funktionen sind auch schwach di↵erenzierbar.

2. Die schwache Ableitung ist durch die integrale Definition nicht punktweise definiert.

3. Hinreichend oft schwach di↵erenzierbar impliziert klassische Di↵erenzierbarkeit (siehe SobolevscherEinbettungssatz).

Hohere schwache Di↵erenzierbarkeit

Sei ↵ ein Multiindex ↵ = (↵1

, . . . ,↵n) mit

|↵| =

nX

i=1

↵i

D↵:=

@|↵|

@↵1x1

. . . @↵nxn

und f 2 L2

(). Dann heißt g ↵-fache schwache Ableitung von f , wenn gilt

Z

g(x)'(x)dx = (1)

|↵|Z

f(x)D↵'(x)dx (5.16)

(g,')

0

= (1)

|↵|(f, D↵') 8' 2 C1(),'|@ = 0 (5.17)

5.2.5 Die Hilbert-Raume Hk() und Hk0

()

Die Menge aller Funktionen u aus L2

(), die schwache Ableitungen D↵u 2 L2

() besitzen, bildenden Sobolev-Raum

Hk() := u 2 L2

() : D↵u 2 L2

() fur |↵| k (5.18)

mit k 2 N0

. Hk() wird in der Literatur auch als W k

2

() bzw. W k,2() bezeichnet. Hk

() istein Hilbert-Raum mit dem Skalarprodukt

(u, v)k := (u, v)Hk()

:=

s

X

|↵|k

kD↵uk2L2()

(5.19)

Definition 55. Homogener Hilbertraum Hk0

() Der homogene Hilbertraum Hk0

() ist folgendermaßendefiniert:

Hk0

() := u 2 Hk() : D↵u(x) = 0 fur x 2 @ und |↵| k (5.20)

Satz 14. (Sobolevscher Einbettungssatz)Es gilt

Hs(Rn

) Ck(Rn

) falls s > k +

n

2

, k 2 N0

(5.21)

66

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5.2.6 Dualraume

Sei X ein normierter, linearer Raum uber R. Mit X 0 wird der Dualraum bezeichnet, bestehendaus allen beschrankten, linearen Abbildungen von X nach R:

X 0 = L(X,R)

Bemerkung 27. Mit der Norm

kx0k := kx0kR X := sup

|x0(x)|kxkX : 0 6= x 2 X

ist X 0 ein Banachraum. x0 2 X 0 heißen lineare Funktionale auf X:

x0(x) = hx, x0iXX0

Lemma 18. Seien X und Y normiert und T 2 L(X, Y ). Fur jedes y0 2 Y 0 definiert

hTx, y0iYY 0= hx, x0iXX0 8x 2 X (5.22)

ein eindeutiges x0 2 X 0. Der zugehorige Dualoperator ist durch

T 0 : Y 0 ! X 0

y0 7! x0

definiert. D.h. hTx, y0iYY 0= hx, T 0y0iXX0

= hx, x0iXX0 .

Lemma 19. Es giltkT 0kX0 Y 0

= kTkY X (5.23)

Beweis.

kT 0kX0 Y 0= sup

y0 6=0

kT 0y0kX0

ky0kY 0

= sup

x,y 6=0

hx, T 0y0iXX0

kxkXky0kY 0

= sup

x,y 6=0

hTx, y0iYY 0

kxkXky0kY 0

= sup

x0 6=0

kTxkYkxkX

= kTkY X

Adjungierte Operatoren

Sei X ein Hilbert-Raum uber R. Jedes y 2 X definiert durch

fy(x) := (x, y)X (5.24)

ein lineares Funktional fy 2 X 0 mit kfykX0= kykX . Umgekehrt definiert jedes Funktional fy ein

y 2 X, wie folgender Satz zeigt:

Satz 15. (Darstellungssatz von Riesz)X sei ein Hilbert-Raum und f 2 X 0 ein Funktional. Dann existiert genau ein yf 2 X, sodass

f(x) = (x, y)X 8x 2 X, kfkX0= kyfkX0 (5.25)

Beweis. X ist abgeschlossen. Sei N = x 2 X : f(x) = 0 der Kern von f .

67

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1. N = X: Wahle y = 0 ) Behauptung.

2. Sei N ein abgeschlossener Teilraum von X. Urbilder abgeschlossener Mengen unter stetigenFunktionen sind abgeschlossen und auf abgeschlossenen Mengen existiert ein z 2 X mit

z /2 N und hz, ni = 0 8n 2 N.

Ferner gilt:

f

x f(x)z

f(z)

= f(x) f

f(x)z

f(z)

= f(x) f(x)

f(z)

f(z) = 0

) x f(x)z

f(z)

2 N

Eingesetzt liefert

hx f(x)

f(z)

z, zi = 0 , hx, zi f(x)

f(z)

hz, zi = 0

) f(x) =

hx, zikzk2 f(z) = hx,

f(z)z

kzk2 i

Mit y :=

f(z)kzk2 z folgt die Behauptung, bis auf die Eindeutigkeit.

Eindeutigkeit: Sei y ein weiteres Element mit

f(x) = hx, yi = hx, yi) hx, y yi = 0 8x 2 X

) y y = 0 ) Eindeutigkeit

Bilinearformen

Definition 56. Sei V ein Hilbertraum. Die Abbildung a(., .) : V V ! R heißt Bilinearform,falls

a(x + y, z) = a(x, z) + a(y, z) (5.26)

a(x, y + z) = a(x, y) + a(x, z) 8 2 R, x, y, z 2 V (5.27)

Definition 57. a(., .) heißt stetig, falls ein Cs existiert, sodass

|a(x, y)| CskxkV kykV 8x, y 2 V (5.28)

Lemma 20. Zu einer stetigen Bilinearform existiert ein eindeutiger Operator A 2 L(V, V 0) mit

a(x, y) = hAx, yiV 0V 8x, y 2 V (5.29)

kAkV 0 V Cs (5.30)

68

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Beweis. Man halte x 2 V fest.'x(y) := a(x, y)

ist ein Funktional 'x 2 V 0 mit k'xkV 0 CskxkV . Da 'x uber die Bilinearform definiert ist, ist'x linear.

Ax := 'x

fur x 2 V und es gilt mit

kAxkV 0 CskxkV , kAxkV 0

kxkV Cs

auch

kAkV 0 V := sup

kAxkV 0

kxkV

Cs

Analog dazu: Halte y 2 V fest.

Definition 58. (V-Elliptizitat)Eine Bilinearform heißt V-elliptisch, falls sie auf V V stetig ist und CE > 0 existiert, sodass

a(x, x) CEkxk2V 8x 2 V (5.31)

5.3 Variationsformulierung

(Dieser Abschnitt ist weitestgehend aus “Modellierung und Simulation I“von Prof. Dr. GillianQueisser ubernommen.)

Das Ziel in diesem Abschnitt ist es, uber die Funktionalanalysis einen neuen Zugang zumModellproblemzu finden. Ein aquivalentes Problem zum klassischen Problem definieren wir uber eine Variationsformulierung.Diese wird Losungen des Modellproblems in Hilbertraumen angeben, die bis auf Nullmengen auchklassische Losungen sein werden.

Satz 16. (Charakterisierungssatz)Sei V ein linearer Raum und

a : V V ! R

symmetrisch und positiv. f : V ! R sei ein lineares Funktional. Die Abbildung

J(v) :=

1

2

a(v, v) f(v)

nimmt in V ihr Minimum genau dann bei u an, wenn gilt:

a(u, v) = f(v) 8v 2 V

Die Losung u ist eindeutig.

69

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Beweis. Seien u, v 2 V, t 2 R. Betrachte

J(u + tv) =

1

2

a(u + tv, u + tv) f(u + tv) =

=

1

2

a(u, u) + 2ta(u, v) + t2a(v, v)

f(u) tf(v)

= J(u) + t(a(u, v) f(v)) +

1

2

t2a(v, v)

1. Gelte fur u 2 V : a(u, v) = f(v)

t=1) J(u + v) = J(u) + (f(v) f(v)) +

1

2

a(v, v)

= J(u) +

1

2

a(v, v) > J(u)

) u ist Minimalpunkt.

2. Sei u 2 V Minimalpunkt.

J(u + tv) = J(u) + t(a(u, v) f(v)) +

1

2

t2a(v, v)

) 0 =

dJ(u + tv)

dt= a(u, v) f(v) + ta(v, v)

) J 0(u + tv)|t=0

= a(u, v) f(v)

, a(u, v) = f(v)

) a(u, v) = f(v) () u ist Minimalpunkt.

5.3.1 Untersuchung des elliptischen Di↵erentialoperators zweiter Ordnung

Wir betrachten den elliptischen Di↵erentialoperator

Lu := nX

i,k=1

@i(aik@ku) + a0

u

mit a0

(x) 0 (x 2 ). Das zugehorige Problem

Lu = f in

u = g auf @

kann ohne Beschrankung der Allgemeinheit als homogenes Problem aufgefasst werden:

w := u g

) Lw = f1

in

w = 0 auf @

Folgender Satz stellt den Zusammenhang zwischen Randwertaufgabe und Variationsproblem her:

70

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Satz 17. (Minimaleigenschaft)Jede klassische Losung der Randwertaufgabe

X

i,k

@i(aik@ku) + a0

u = f in (5.32)

u = 0 auf @ (5.33)

ist Losung des Minimierungsproblems

J(v) :=

Z

0

@

1

2

X

i,k

aik@iv@kv +

1

2

a0

v2 fv

1

A dx ! min (5.34)

unter allen Funktionen aus C2

() \ C0

(

¯

) mit Nullrandwerten.

Beweis. Die Greensche Formel besagtZ

vu + rvrudx =

Z

@v@u

@~nds

Angewandt aufR

v@iwdx mit w := aik@ku liefert

Z

v@iw + @ivwdx =

Z

@v@w

@~nds

Mit v|@ = 0 folgtZ

v@iw = Z

@ivw

und mit w = aik@kuZ

v@i(aik@ku)dx = Z

aik@iv@kudx.

Jetzt setzen wir:

a(u, v) := Z

X

i,k

aik@iv@ku + a0

uvdx

f(v) :=

Z

fvdx

und summiere uber i und j:

)Z

X

i,j

v@i(aik@ku)dx = Z

X

i,j

aik@iv@kudx

| z

=a(u,v)a0uv

71

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Eine Erweiterung umR

fvdx liefert schließlich

a(u, v) f(v) =

Z

v

X

@i(aik@ku) + a0

u f

dx

=

Z

v(Lu f)dx =

falls Lu=f0

Der Charakterisierungssatz besagt also

u ist Losung des Variationsproblems und

u 2 C2

() \ C0

(

¯

)

+u ist klassische Losung

Wir klaren nun die Frage nach der Existenz einer Losung.

5.3.2 Existenz und Eindeutigkeit fur das Variationsproblem

Betrachte das Dirichlet-Integral (Energiefunktional)

J(u) :=

Z

|ru|2dx =

Z

nX

i=1

u2

xi(x)dx (5.35)

Aus der Minimaleigenschaft folgt

J(u) ! min () u = 0 in

u = ' auf

Dirichlet-Prinzip

Dirichlet argumentierte, da J(u) 0 muss fur ein u das Minimum angenommen werden.) Es existiert eine Losung zu

u = 0 in

u = ' auf

Einen Widerspruch zu dieser Aussage demonstrierte Weierstraß (1870):Betrachte dazu

J(u) =

Z

1

0

u2

(x)dx ! min fur u 2 C0

([0, 1])

und u(0) = 1, u(1) = 0.Wir definieren nun die Funktionenfolge

un(x) =

1 nx 0 x 1

n0 x > 1

n(5.36)

72

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1

1

u1(x)

1

n

Abbildung 5.2: Folgenfunktionen un(x)

Es gilt limn!0

un = 0, d.h. das Infimum von J(u) ist

inf J(u) = 0,

wird aber fur stetige Funktionen nicht angenommen. Dies ist ein Widerspruch zum Dirichlet-Prinzip.Dieses Beispiel zeigt, um eine eindeutige Losung des Variationsproblems zu garantieren, muss derFunktionenraum richtig gewahlt werden. Dies besagt der folgende Satz:

Existenz und Eindeutigkeit

Satz 18. (Lax-Milgram)Sei V eine abgeschlossene, konvexe Menge in dem Hilbertraum H und a : H H ! R eineelliptische Bilinearform. Fur jedes l aus H 0 hat das Minimierungsproblem

J(v) :=

1

2

a(v, v) hl, vi ! min (5.37)

genau eine Losung in V .

Beweis. J ist nach unten beschrankt:

J(v) 1

2

CEkvk2 klkkvk

=

1

2

CEkvk2 klkkvk + klk2 klk2

=

1

2CE(C2

Ekvk2 2CEklkkvk + klk2) 1

2CEklk2

=

1

2CE(CEkvk klk)2 1

2CEklk2 klk2

2CE

Wir setzen nun c1

:= infJ(v) : v 2 V . Sei (vn) eine Minimalfolge, d.h.

lim

n!1J(vn) = c

1

.

73

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Es gilt: CEkvnvmk2 a(vnvm, vnvm), da a(., .) elliptisch ist. Mit Hilfe der Parallelogramgleichung

kvn + vmk2 + kvn vmk2 = 2(kvnk2 + kvmk2) (5.38)

folgt

a(vn + vm, vn + vm) + a(vn vm, vn vm) = 2(a(vn, vn) + a(vm, vm))

, a(vn vm, vn vm) = 2a(vn, vn) + 2a(vm, vm) a(vn + vm, vn + vm)

Angewandt auf

CEkvn vmk2 a(vn vm, vn vm)

= 2a(vn, vn) + 2a(vm, vm) a(vn + vm, vn + vm)

Mit J(v) =

1

2

a(v, v) hl, vi erhalten wir

4J(vn) = 2a(vn, vn) 4hl, vni= 4J(vn) 4hl, vni + 4J(vm) 4hl, vmi

8 · J

vn + vm2

4hl, vn + vmi

= 4J(vn) + 4J(vm) 8J

vn + vm2

4J(vn) + 4J(vm) 8c1

Die Forderung, dass V konvex ist, liefert

vn + vm2

2 V

(vn) ist eine Minimalfolge ) limn!1 4J(vn,m) = 4c1

.

) CEkvn vmk2 ! 0 fur n, m ! 1,

also kvn vmk2 ! 0.) (vn) ist eine Cauchy-Folge in H. H ist ein Hilbertraum, deshalb existiert ein u 2 H und mitV abgeschlossen auch u 2 V mit limn!1 vn = u und J(u) = limn!1 J(vn) = infv2V J(v).) J(v) =

1

2

a(v, v) hl, vi ! min hat eine Losung u 2 V .

Eindeutigkeit: Seien u1

und u2

Losungen, also Grenzwerte von Minimalfolgen. Dann ist auchu1

, u2

, u1

, u2

, . . . eine Minimalfolge.) u

1

, u2

, u1

, u2

, . . . ist Cauchy-Folge. Dies ist aber nur der Fall wenn u1

= u2

) Eindeutigkeit.

Bemerkung 28. Folgende Schlussfolgerung konnen gemacht werden:

1. Mit V = H folgt: Zu jedem l 2 H 0 gibt es ein u 2 H mit

a(u, v) = hl, vi 8v 2 H

2. Sei a(u, v) := (u, v). Der Rieszsche Darstellungssatz liefert: Zu jedem l 2 H 0 gibt es einu 2 H mit

(u, v) = hl, vi 8v 2 H

74

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Damit erhalt man eine Einbettung

H 0 ! H

l 7! v

5.3.3 Schwache Losung des Randwertproblems

Bei Finite Di↵erenzenverfahren zeigte sich in den Konvergenzbeweisen die Forderung nach starkerRegularitat der Losungsfunktionen. Di↵erenzierbarkeit der Losung wurde im klassischen Sinneaufgefasst. Um die funktionalanalytischen Eigenschaften von Hilbert-Raumen mit Integrabilitatsbedingungen(statt klassische Di↵erenzierbarkeit) zu nutzen fuhren wir hier den Begri↵ der schwachen Di↵erenzierbarkeitein. Wir werden sehen, dass dieser Begri↵ in großen Teilen von mit der klassischen Di↵erenzierbarkeitubereinstimmen kann, Ausnahmemengen jedoch erlaubt sind, in denen Losungsfunktionen nichtdi↵erenzierbar sein mussen. Dies ermoglich es uns spater numerisch einfach handhabbare Funktionenraumezu definieren.

Definition 59. Eine Funktion u 2 H1

0

() heißt schwache Losung der Randwertaufgabe 2.Ordnung

Lu = f in

u = 0 auf

wenn gilt:

a(u, v) = (f, v)

0

8v 2 H1

0

() (5.39)

a(u, v) :=

Z

X

i,k

aik@iu@kv + a0

uvdx (5.40)

mitL =

X

i,k2(1)

|k|@kaik@i (5.41)

Satz 19. Sei L ein elliptischer Di↵erentialoperator 2. Ordnung. Dann hat das Randwertproblem

Lu = f in

u = 0 auf

stets eine schwache Losung in H1

0

() und ist Minimum des Problems

1

2

a(v, v) (f, v)

0

! min in H1

0

()

Beispiel 7. Fur das Modellproblem

u = f in

u = 0 auf

ist die zugehorige Bilinearform

a(u, v) =

Z

rurvdx.

75

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Das Variationsproblem lasst sich dann folgendermaßen stellen:Finde u 2 H1

0

(), sodass(ru,rv)

0

= (f, v)

0

8v 2 H1

0

()

Dieses u findet man als Losung des Minimierungsproblems

1

2

Z

rurvdx (f, v)

0

! min

5.3.4 Variationsproblem der Neumann-Randwertaufgabe

Wir betrachten das Problem

Lu = f in

X

i,k

niaik@ku = g auf

wobei ni der i-te Anteil des lokalen Normalenvektors ist. Mit f 2 L2

() und g 2 L2

() ist daslineare Funktional

hl, vi :=

Z

fvdx +

Z

gvdx

definiert. Das Variationsproblem hat dann die Gestalt:Finde u 2 H1

(), sodass

a(u, v) = (f, v)

0, + (g, v)

0, 8v 2 H1

()

gilt.

Satz 20. Die Variationsaufgabe auf mit stuckweise glattem Rand und erfullter Kegelbedingung

J(v) :=

1

2

a(v, v) (f, v)

0, (g, v)

0, ! min

ist aquivalent zu

Lu = f in

X

i,k

niaik@ku = g auf

falls u 2 C2

() \ C1

(

¯

).

Beachte: Die Variationsaufgabe hat in H1

() eine eindeutige Losung (nicht notwendigerweise inC2

() \ C1

(

¯

)).

5.4 Galerkin-Verfahren

(Dieser Abschnitt ist weitestgehend aus “Modellierung und Simulation I“von Prof. Dr. GillianQueisser ubernommen.)

Um die schwache Losung der Randwertaufgabe zu finden muss ein Minimierungsproblem gelost

76

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werden, und zwar uber einen unendlich dimensionalen Hilbertraum. Um einen numerischen Ansatzfur dieses Problem zu finden, ist die Idee der Galerkin-Verfahren, den Funktionenraum endlich-dimensionalzu approximieren. Wir werden also z.B. H1

() durch einen approximierten Raum Vh ersetzen.Wir betrachten dazu die VariationsaufgabeFinde u 2 H1

() mita(u, v) = (f, v).

Beispiel 8. Sei die Randwertaufgabe

u = f in

u = u0

auf

gegeben. Die schwache Formulierung lautet:Suche u 2 H1

0

() mitZ

rurvdx =

Z

fvdx 8v 2 H1

0

()

mit

a(u, v) :=

Z

rurvdx

(f, v) :=

Z

fvdx

Problem. Hier muss ein Minimierungsproblem in einem unendlich-dimensionalen Raum Hm()

bzw. Hm0

() gelost werden. Fur die numerische Behandlung des Minimierungsproblems benotigenwir einen endlich-dimensionalen Raum.Wir ersetzen also den Losungsraum V durch Vh, wobei Vh endlich-dimensional ist, also durch eineendliche Basis darstellbar ist. Damit wird das obige Minimierungsproblem zu

J(v) :=

1

2

a(v, v) hl, vi ! min

Vh

(5.42)

uh 2 Vh ist Losung des Minimierungsproblems, wenn gilt

a(uh, v) = hl, vi 8v 2 Vh.

Das endliche Problem

Sei 1

, 2

, . . . , n eine Basis von Vh. Dann ist

a(uh, v) = hl, vi 8v 2 Vh

aquivalent zua(uh, i) = hl, ii i = 1, 2, . . . , N.

uh 2 Vh lasst sich als Linearkombination der i darstellen:

uh =

NX

k=1

zk k (5.43)

77

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mit zu berechnenden Koezienten zk. Man nennt uh Ritz-Galerkin-Losung.

Dies fuhrt zu einem Gleichungssystem

NX

k=1

a( k, i)zk = hl, ii i = 1, 2, . . . N

durch Einsetzen von uh =

PNk=1

zk k in a(uh, i) = hl, ii 8i = 1, . . . , N . Mit Aik := a( k, i)

und bi := h, ii lasst sich das Gleichungssystem schreiben als

Az = b

Bemerkung 29. Falls a(., .) V -elliptisch ist, so ist die Matrix A positiv definit:

ztAz =

X

i,k

ziAikzk = a

X

k

zk k,X

i

zi i

!

= a(uh, uh) CEkuhk2VFrage 1. Wie gut approximiert uh 2 Vh die Losung u 2 V ?

Lemma 21. (Cea-Lemma)Die Bilinearform a sei V -elliptisch und Vh Hm

0

() V = Hm(). Dann gilt:

ku uhkm CS

CEinf

vh2Vh

ku vhkm, (5.44)

wobei u die schwache Losung der Randwertaufgabe ist und uh die Losung des Variationsproblemsin Vh.

Beweis. Es gilt:

a(u, v) = hl, vi 8v 2 V

a(uh, v) = hl, vi 8v 2 Vh

Da Vh V konnen wir schreiben

a(u, v) a(uh, v) = a(u uh, v) = 0 fur v 2 Vh.

Mit vh 2 Vh konnen wir schreibenv = uh vh 2 Vh.

) a(u uh, uh vh) = 0. Ferner ist a(., .) elliptisch, d.h.

CEku uhk2m a(u uh, u uh) = a(u uh, u uh) + a(u uh, uh vh)

CSku uhkmku vhkm

78

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Daraus schließen wir

ku uhkm CS

CEku vhkm 8vh 2 Vh

) ku uhkm CS

CEinf

vh2Vh

ku vhkm

Bemerkung 30. Aufgrund von a(u uh, v) = 0 ist der Approximationsfehler u uh orthogonalzu V .

Folgerung aus dem Cea-Lemma

Je besser Vh den Raum V approximiert, desto kleiner wird der Abstand zwischen u und uh

ku uhkm.

Frage 2. Wie wahlen wir Vh, bzw. die Basis von Vh?

5.5 Finite Elemente Verfahren

(Dieser Abschnitt ist weitestgehend aus “Modellierung und Simulation I“von Prof. Dr. GillianQueisser ubernommen.)

Die Frage nach einer geeigneten Basis fur Vh beantwortet das Finite Elemente Verfahren durch

1. Basisfunktionen niedriger Ordnung

2. lokale Funktionen, d.h. Funktionen mit kompaktem Trager

Dabei ist der Trager einer Funktion wie folgt definiert:

Definition 60. Trager Sei u 2 H0

(). Der Trager Tr(u) wird gegeben durch

Tr(u) = x 2 | u(x) 6= 0. (5.45)

Die Approximationsgute von Funktionen mit niedriger Ordnung ist zwar nur in kleinen Bereichenvertretbar, durch die Einfachheit der Funktionen kann eine bessere Approximation jedoch durchGitterverfeinerung, auch in Kombination mit Erhohung der Polynomordnung, erreicht werden.Durch Funktionen mit kompaktem Trager lassen sich die Eintrage der Steifigkeitsmatrix undder rechten Seite durch lokale Integralapproximation einfach losen und so das finale lineareGleichungssystem aufstellen.Dieses kann mitunter sehr groß werden, da die Gitterfeinheit aufgrund der obigen Grundannahmenfur die Basisfunktionen hoch werden kann. Courant demonstrierte 1943 folgendes grundlegendeBeispiel fur das Vorgehen bei der Finite Elemente Methode.

79

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5.5.1 Beispiel von Courant

Betrachte das Poisson-Problem

u = f in = (0, 1) (0, 1)

u = 0 auf

wird dabei in 8 Dreiecke I-VIII zerlegt, mit den Knoten L, R, O, U, LO, RU und Z.

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

L R

O

U

LO

RU

Z

Abbildung 5.3: Unterteilung des Gebiets in Dreiecke

Wir wahlen Vh folgendermaßen

Vh = v 2 C(

¯

) : v linear und v|

= 0.

v lasst sich also in jedem Gitterdreieck darstellen als

v(x, y) = a + bx + cy.

Da wir die Werte in den Gitterknoten kennen, lassen sich a, b und c eindeutig bestimmen. BeiN inneren Gitterknoten ist dim Vh = N . Wir benotigen also N Basisfunktionen fur Vh. DieBasisfunktionen iNi=1

seien definiert durch

i(Kj) = ij mit Kj = Knoten(j), j = 1, . . . , N.

Die Basisfunktion uber dem inneren Knoten Z ist damit

1. linear in jedem Dreieck

2. Null auf den umliegenden Knoten

erfullt also die Finite Elemente Richtlinien niedrige Ordnung und lokal. Wir konnen nun dieAbleitungen der Basisfunktion Z in den Dreiecken I-VIII berechnen (siehe Tabelle 5.5.1)Zu losen ist das Gleichungssystem

Au = b

mitAij = a( i, j).

80

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I II III IV V VI VII VIII

@1

Z1h 0 1

h 0 0 1

h 0 1h

@2

Z1h 0 0 1

h 0 1

h1

h 0

Tabelle 5.1: Ableitungen von Z in die erste und zweite Raumrichtung

In unserem Beispiel benotigen wir also a( Z , Z), a( Z , O), a( Z , U ), a( Z , L), a( Z , R),a( Z , LO) und a( Z , RU ).

Fur a( Z , Z) gilt:

a( Z , Z) =

Z

(r Z)

2dxdy =

Z

IV III(r Z)

2dxdy

= 2 ·Z

I+III+IV

(@1

Z)

2

+ (@2

Z)

2

= 2 ·Z

I+III(@

1

Z)

2dxdy + 2 ·Z

I+IV(@

2

Z)

2dxdy

=

2

h2

Z

I+IIIdxdy +

2

h2

Z

I+IVdxdy

) a( Z , Z) = 4

Fur a( Z , O) gilt:

a( Z , O) =

Z

IV IIIr Zr Odxdy

=

Z

I+IVr Zr Odxdy =

Z

I+IV@1

Z@1 O + @2

Z@2 Odxdy

=

Z

I+IV@2

Z@2 Odxdy =

Z

I+IV1

h· 1

hdxdy

= 1

h2

·Z

I+IVdxdy = 1

Aus Symmetriegrunden folgt:

a( Z , O) = a( Z , U ) = a( Z , L) = a( Z , R) = 1

Durch Nachrechnen erhalt man zudem:

a( Z , RU ) = a( Z , LO) = 0

81

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Abbildung 5.4: Triangulierung eines Gebiets

Damit erhalten wir einen Matrix-Stern der Form2

4

0 1 0

1 4 1

0 1 0

3

5

Bemerkung 31. Die Identitat der Sterne und damit der Systemmatrizen zwischen Finite Di↵erenzenund Finite Elemente gilt im Allgemeinen nicht.

Das Beispiel von Courant zeigt uns:

1. Wir benotigen eine Triangulierung mit bestimmten Eigenschaften

2. Wir benotigen Ansatzfunktionen uber dem diskreten Gittergebiet

5.5.2 Triangulierung

Ein Gebiet mit gekrummten Randern kann lokal linear approximiert werden.

Definition 61. (Zulassige Triangulierung in 2D)Eine Zerlegung T = T

1

, T2

, . . . , TM von in Dreiecks- bzw. Viereckselemente heißt zulassig,wenn folgende Eigenschaften erfullt sind:

1. ¯

=

SMi=1

Ti

2. Ti \ Tj besteht aus genau einem Punkt, dann ist dieser ein Eckpunkt von Ti und Tj

3. Ti \ Tj mehr als ein Punkt, dann ist Ti \ Tj eine Kante von Ti und Tj

Die Punkte 2 und 3 definieren konforme Gitter.In drei Raumdimensionen kommen verschiedene Gitterelemente zum Einsatz (siehe Abb. 5.5.2).

Definition 62. (Finite Elemente Raum)Fur ein Gitter h uber Rd ist

V ph (T ) = u 2 H1

: fur alle T 2 T : u|T 2 Pp

der konforme Finite Elemente Raum der Ordnung p.

Aus dem Beispiel von Courant konnen wir ein allgemeines Verfahren im Rd, d = 1, 2, 3, ableiten.

82

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A B

Abbildung 5.5: A: konformes Gitter, B: nicht konformes Gitter

A DCB

Abbildung 5.6: A: Tetraeder, B: Quader, C: Prisma, D: Pyramide

5.5.3 Finite Elemente im R1

Wir betrachten als Modellproblem die Helmholtz-Gleichung

u + u = f mit a(u, v) =

Z

(rurv + uv)dx (5.46)

Sei N = a = x0

, x1

, x2

, . . . , xN+1

= b die Diskretisierung des Gebiets [a, b] mit Gitterweitenhi = xi+1

xi und lokalen Ansatzfunktionen 'i fur die gilt

'i(xj) = ij

Damit hat die Losung uh die Gestalt

uh =

NX

i=1

ai'i.

Berechnung von uh auf Referenzintervallen

Die Ansatzfunktionen 'i konnen durch Formfunktionen i dargestellt werden.Durch eine bijektive ane Transformation wird das Intervall [xi, xi+1

] auf ein Referenzintervall[0, 1] abgebildet. Die Losung ui kann auf diese Weise immer auf dem Intervall [0, 1] uber dieFormfunktionen gelost und dann zurucktransformiert werden. Dies hat technische Vorteile gegenuberder Berechnung auf dem Originalelement.

83

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1

1

1

xi xi+1xi1

A B

Abbildung 5.7: A: Formfunktionen uber Referenzintervall, B: Ansatzfunktionen uber Gitter

Transformationsabbildung

Sei Ii = [xi, xi+1

] und 2 [0, 1]. Dann definieren

xIi : [0, 1] ! Ii

7! xi + hi

Ii : Ii ! [0, 1]

x 7! (x xi)

hi

eine Bijektion zwischen [0, 1] und [xi, xi+1

]. Auf dem Referenzintervall konnen wir unsere Losungdarstellen als

uh() = ↵1

+ ↵2

.

Dabei gilt ui = uh(0) = ↵1

und ui+1

= uh(1) = ↵1

+ ↵2

.

) uh() = ↵1

+ ↵2

= ui + (ui+1

ui)

= (1 )ui + ui+1

= ui1

() + ui+1

2

()

Bemerkung 32. Fur die Formfunktionen gilt:

8 2 [0, 1] :

1

() +

2

() = 1

Fur die Ansatzfunktionen gilt

'i(x) =

8

<

:

2

((x)) x 2 Ii1

1

((x)) x 2 Ii0 sonst

Wir konnen nun auf dem Referenzintervall und abhangig von den Formfunktionen die Matrixeintrageder Systemmatrix berechnen.

84

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Berechnung der Systemmatrix-Eintrage

Zu berechnen sind die Eintrage a('i,'j) der Systemmatrix A (in unserem Fall fur das Helmholtz-Problem)

a('i,'j) =

NX

k=1

Z

Ik

r'i(x)r'j(x) + 'i(x)'j(x) dx.

Die 'i,'j konnen durch n und m (n, m 2 1, 2) ersetzt werden.

) (AIk)nm =

Z

Ik

rxn((x))rxm((x)) + n((x))m((x))dx

= (xk+1

xk)

Z

1

0

rn()0(x())0(x())rm() + nmd

= hk

Z

1

0

1

h2

k

rnrm + nmd

Man sieht, die Systemmatrix ist zusammengesetzt aus 2 2 Submatrizen AIk .Die Matrixeintrage von AIk lauten:

(AIk)11 =

Z

1

0

1

hkr

1

r

1

+

1

1

· hkd

=

Z

1

0

1

hk+ hk(1 )2d =

1

hk+

1

3

hk

(AIk)12 =

Z

1

0

1

hkr

1

r

2

+

1

2

· hkd

=

Z

1

0

1

hk+ (1 ) · hkd

= 1

hk+

1

6

hk

(AIk)21 = 1

hk+

1

6

hk

(AIk)22 =

1

hk+

1

3

hk

) AIk =

1

hk

1 1

1 1

+ hk

1/3 1/6

1/6 1/3

Quadratische Elemente

Statt einer linearen Approximation konnen wir auch einen quadratischen Ansatz wahlen. Dieserhoht die lokale Approximationsgute. Wir stellen die Losung uh() deshalb dar als

uh() = ↵1

+ ↵2

+ ↵3

2 auf I = [0, 1].

85

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Um dieses Polynom eindeutig zu bestimmen, benotigen wir 3 Stutzstellen, zusatzlich zu ui undui+1

konnen wir z.B.

ui+ 12

= uh

xi + xi+1

2

.

An den Stutzstellen gilt:

ui = uh(0) = ↵1

ui+1

= uh(1) = ↵1

+ ↵2

+ ↵3

ui+ 12

= uh

1

2

= ↵1

+

1

2

↵2

+

1

4

↵3

Berechnung der ↵i, i = 1, . . . , 3 liefert

uh() = ui1

() + ui+1

2

() + ui+ 12

3

()

mit

i() = 2

1

2

( 1)

2

() = 2

1

2

3

() = 4 (1 )

1

1

3()

2()1()

Abbildung 5.8: Ansatzfunktionen fur quadratische Elemente

Die Submatrizen AIk sind jetzt 33-Matrizen und lassen sich analog zum linearen Fall ausrechnen.

Bemerkung 33. Die Gradienten ri() sind nun keine Konstanten uber dem Referenzintervall.Man benotigt also noch ein numerischen Verfahren zur Approximation der Integrale.

5.5.4 Finite Elemente im R2

Wir ubertragen nun die Vorgehensweise der Finiten Elemente im R1 auf den zweidimensionalenFall. Gitterelemente, die im Eindimensionalen Intervalle waren, sind nun Dreiecke oder Vierecke.

86

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y

x

1

1

Abbildung 5.9: Ane Transformation von Dreiecken zwischen diskretisiertem Raum undReferenzelement

Die ane Transformation auf ein Referenzdreieck (bzw. Referenzviereck) ist deshalb eine bilinear,bijektive Abbildung mit der Eigenschaft (im Fall des Dreieckselements):

x = x1

+ (x2

x1

) + (x3

x1

)

y = y1

+ (y2

y1

) + (y3

y1

)

,

xy

=

x1

y1

+

x2

x1

x3

x1

y2

y1

y3

y1

Die Rucktransformation hat damit die Gestalt:

=

x2

x1

x3

x1

y2

y1

y3

y1

1

| z

A1

x x1

y y1

=

1

det A

y3

y1

x1

x3

y1

y2

x2

x1

x x1

y y1

mit det A = (x2

x1

)(y3

y1

) (x3

x1

)(y2

y1

). Fur die partiellen Ableitungen gilt:

ux = ux + ux

uy = uy + uy

und

x =

y3

y1

det A

x =

y2

y1

det A

y =

x3

x1

det A

y =

x2

x1

det A

Bemerkung 34. det A beschreibt dabei die Volumenanderung des Dreiecks unter der vorgegebenen

87

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Transformation:dxdy = det Add

Mitri, i = 1, 2, 3 und x, y, x, y sind die Komponenten der Matrix AIk vollstandig bestimmbar.Dazu ist ein numerisches Integrationsverfahren notwendig.

Wahl der i: Lineare Elemente

Wir stellen die Losung dar als

uh(, ) = ↵1

+ ↵2

+ ↵3

uj := uh(Pj), j = 1, 2, 3

Pj sind die Eckpunkte des Referenzdreiecks. Es gilt

u1

= uh(0, 0) = ↵1

u2

= uh(1, 0) = ↵1

+ ↵2

u3

= uh(0, 1) = ↵1

+ ↵3

Eingesetzt liefert dies

uh(, ) = u1

+ (u2

u1

) + (u3

u1

) = (1 )u1

+ u2

+ u3

.

Mit

1

= 1 ,

2

= ,

3

= folgt

uh(, ) = u1

1

+ u2

2

+ u3

3

.

mit

i(Pj) = ij i, j = 1, 2, 33

X

i=1

i(, ) = 1 , 2 ¯T

Wahl der i: Quadratische Elemente

Wir benotigen fur den Fall quadratischer Ansatzfunktionen 3 weitere Stutzstellen, da wir dieLosung uh nun schreiben als

uh(, ) = ↵1

+ ↵2

+ ↵3

+ ↵4

2 + ↵5

+ ↵6

2

Die Formfunktionen dazu lauten

1

= (1 )(1 2 + 2)

2

= (2 1)

3

= (2 1)

4

= 4(1 + )

5

= 4

6

= 4(1 )

88

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Bemerkung 35. Im R3 geht man analog vor. Der lineare Fall definiert

uh(, , ) = ↵1

+ ↵2

+ ↵3

+ ↵4

.

Das Tetraederelement im dreidimensionalen Fall liefert die notigen 4 Knoten fur die Bestimmungvon ↵

1

, . . . ,↵4

.

5.5.5 Konvergenzaussagen zu Finite Elemente Verfahren

Abschatzung des Energiefehlers

Die Energienorm war definiert alskuka :=

p

a(u, u)

Wir wissen aus der Minimaleigenschaft

a(u uh, u uh) = min

vh2Vh

a(u vh, u vh)

) ku uhka = min

vh2Vh

ku vhka

Satz 21. Sei Rd, d 3 konvex und u 2 H2

() die schwache Losung der Poisson-Gleichung.Sei uh 2 Vh die Finite Elemente Losung von

a(uh, vh) = hf, vhi, vh 2 Vh H1

0

()

mit linearen, konformen finiten Elementen. Dann gilt fur den Diskretisierungsfehler

ku uhka c · h · kfkL2()

, f 2 L2

() (5.47)

Bemerkung 36. Falls fur alle f 2 L2

() gilt

kukH2()

ckfkL2()

dann heißt das Problem H2-regular.

Abschatzung des L2-Fehlers

Satz 22. Sei Rd, d 3 und u 2 H2

() schwache H2-regulare Losung der Poisson-Gleichung.Dann gilt

ku uhkL2()

c · hku uhka (5.48)

ku uhkL2()

c · h2kfkL2()

(5.49)

89

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6 Finite Volumen

Das Finite-Volumen Verfahren (oder auch Box Verfahren) kann als ein Petrov-Galerkin-Verfahrenverstanden werden. Im Gegensatz zum Ritz-Galerkin-Verfahren unterscheidet sich beimPetrov-Galerkin-Verfahren der Vektorraum fur die Ansatzfunktionen VN von dem Vektorraum furdie Testfunktionen WN . Es ergibt sich folgende Problemstellung:

Suche uN 2 VN mit l(uN , v) = f(v) 8v 2 WN . (6.1)

Hierbei gilt VN H1

0

() und WN H1

0

(). Beim Finite-Volumen Verfahren hat der VektorraumVN die Dimension N und wird ausgehend von einer Triangulierung T von , analog zum Finite-ElementeVerfahren, durch die Hutfunktionen

1

, . . . , N aufgespannt, d.h. es gilt

uh =

NX

i=1

zi i. (6.2)

Fur die Konstruktion des Testraums WN mussen wir zunachst das Duale Gitter definieren.

Definition 63. Duales Gitter Das Gitter B heißt Dual zu einer Triangulierung T von , wenngilt

• In jeder Box Bp 2 B ist nur ein Knoten des Gitters enthalten.

• Fur jede Box Bp 2 B ist der zur Box gehorende Knoten Ecke eines Dreiecks Ti 2 T .

• Fur p 6= q sind Bp 2 B und Bq 2 B entweder disjunkt oder schneiden sich hochstens anihren Randern.

•S

1pNBp =

• Sei Ti 2 T dann gilt fur jede Box Bp 2 B entweder

1. |Bp \ Ti| = 1/3|Ti| oder2. |Bp \ Ti| = 0.

Zu jedem Knoten p muss demnach eine Box Bp bestimmt werden, dabei sind die Boxen Bp

Polygone.Bp wird folgendermaßen eindeutig festgelegt:Ausgehend von dem p-ten Knoten, betrachten wir die Menge aller Dreiecke T p, welche p alsEckpunkt haben und in der Triangulierung enthalten sind. Es gilt o↵enbar T p T . Die Eckpunktedes Polygons Bp bestehen nun aus:

1. Schwerpunkt jedes Dreiecks Ti 2 T p und

2. Mittelpunkte aller gemeinsamer Kanten von je zwei Dreiecken Ti und Tj 2 T p.

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Page 91: Vorlesung Modellierung und Simulation I · Dieses Skript basiert auf den Skripten “Modellierung und Simulation I“ von Prof. Dr. Gillian Queisser, “Gew¨ohnliche Di ↵erentialgleichungen“

Schließlich werden die Eckpunkte so verbunden, dass die Box Bp ein Polygon ist. Die Basis desTestraums WN,FV lautet schließlich

b1,FV , . . . , bN,FV (6.3)

wobei

bp,FV (x) =

1, falls x 2 Bp

0, sonst

f

¨

ur 1 p N. (6.4)

Abbildung 6.1: Illustration des Dualen Gitters.

Schließlich lautet die Variationsformulierung fur die Finite-Volumen Methode:

Suche uN 2 VN mit a(uN , bp,FV ) = f(bp,FV ) 1 p N (6.5)

Um die Bilinearform l zu bestimmen betrachten wir hLuh, bp,FV i fur bp,FV 2 WN,FV undintegrieren partiell. Dabei nehmen wir an, dass der Di↵erentialoperator L folgendermaßen aussieht

L = div a(x)r (6.6)Z

div a(x)ruh · bp,FV dx =

Z

Bp

div a(x)ruh · bp,FV dx

=

Z

@Bp

a(x)r(uhbp,FV ) · n d. (6.7)

Hierbei fallt das Integral uber Bp weg, da rbp,FV = 0 fast uberall gilt. Damit ergibt sich dieBilinearform l zu

a(uh, bp,FV ) =

Z

@Bp

a(x)r(uhbp,FV ) · n d, (6.8)

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wobei n der außere Normalenvektor ist.Nun betrachten wir die Bilinearform fur die Basisvektoren und erhalten die Matrix LN,FV

Api= a( i, bp,FV ) =

Z

@Bp

a(x)r( ibp,FV ) · n d, (6.9)

hierbei wurde ausgenutzt das Tr(bp,FV ) = Bp gilt. Fur die rechte Seite ergibt sich

fpN,FV = F (bp,FV ) =

Z

f(x)bp(x) dx =

Z

Bp

f(x) dx. (6.10)

Insgesamt erhalt man schließlich folgendes lineares Gleichungssystem

Az = fN,FV . (6.11)

Das Randintegral uber eine Box Bp, kann als lokale Massenerhaltung verstanden werden. Ist dierechte Seite fp

N,FV null, so muss die Menge der in die Box geflossenen Masse der Menge derhinausgeflossenen Masse entsprechen. Solche Verfahren nennt man konservativ.Folgender Satz liefert eine Fehlerabschatzung fur das Finite Volumen Verfahren.

Satz 23. Der Di↵erentialoperator L sei elliptisch, weiterhin sei f 2 H1

(). Dann gilt

kuG uhkH1 C1

h2kfkH1 , (6.12)

wobei uG eine Ritz-Galerkin Losung ist. Damit gilt wegen dem Lemma von Cea und der Fehlerabschatzungfur die Finite-Elemente Methode

kuh ukHk = C2

h2k fur k = 0, 1. (6.13)

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