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N isha hat Muffins geba- cken, Karin deckt den Tisch. Dann rufen sie die Kinder. Leon* (5) und Brayden (7) kämpfen ne- benan mit Star Wars-Fi- guren und ein Zimmer weiter soll im Barbie-Haus gleich zu Abend gegessen werden. „I’m hungry“, lässt Amaya (10), dunkelhäutig und Amerikanerin, ihre Puppe sagen. „Ich hab Lust auf Pizza“, legt die blonde Emma* (5) der ihrigen in den Mund. „Irre, wie die Verständi- gung funktioniert, über Gesten, Bli- cke“, findet Karin. Dabei ist etwas an- deres viel erstaunlicher: Nisha, 28 Jah- re alt, ebenfalls dunkelhäutig und Amerikanerin, hat all die Kinder in ih- rem Bauch gehabt. Aber nur Amaya und Brayden sind ihre eigenen. Die Mutter von Emma und Leon ist Karin. Die beiden Frauen stehen in engem Kontakt. Telefonieren, mailen, skypen zwischen Deutschland und Kalifor- nien. Zweimal kam Nisha bereits zu Be- such, jetzt brachte sie erstmals die Fa- milie mit. Auch Tim, ihren Mann, der gerade mit Lars, Karins Mann, Bier kau- fen ist, für den Abend. Für Karin war die Zusammenführung Anlass, eine Entscheidung zu treffen. Sie will ihre Geschichte erzählen, öffentlich, sogar mit Fotos, nur die Kinder soll man auf den Bildern nicht erkennen. In der Ver- gangenheit hat sie bereits das ein oder andere Interview gegeben, allerdings anonym. „Warum eigentlich?“, fragt sich die attraktive 42Jährige mit dem ansteckenden Lachen. Mit Hilfe einer Leihmutter ein Kind zu bekommen, ist in Deutschland ver- boten. Karin kennt viele Frauen, die für diesen Schritt ins Ausland gegangen sind. Und viele Familien, die mit nie- mandem darüber sprechen. „Ich habe nichts moralisch Verwerfliches getan“ – so sieht sie es. Zwei Menschen habe sie das Leben geschenkt mit Hilfe einer wundervollen Frau. „Wieso sollte ich mich dafür schämen?“ Mit einer Lüge leben – das war für sie nie eine Option. Es gibt Frauen, die so tun, als seien sie schwanger, die sich falsche Bäuche umschnallen, den Ar- beitgeber belügen. „Wie anstrengend!“ Eine Herausforderung ist allerdings auch der offene Umgang, gerade jetzt, wo die Kinder größer werden. „Das ist Nisha. Bei ihr wart ihr im Bauch“, hat Karin den Zwillingen gesagt, wenn das Bild der Kalifornierin beim Skypen auf dem PC erschien. Aber das kindliche Bewusstsein entwickelt sich. Vor allem Leon fragt seit einiger Zeit sehr detail- liert. „Wie Kinder entstehen“, darum ging es kürzlich in der „Sendung mit der Maus“. Und dann kam Nisha mit ih- rer Familie – und das Thema wieder auf die Tagesordnung. „Es war mor- gens, wir kuschelten im Bett und ich erklärte: Wenn die befruchtete Zelle sich eingenistet hat, muss sie erst mal wachsen“, erzählt Karin. Genauso sei das bei Nisha im Bauch gewesen. Leon weinte plötzlich. „Da war ich bestimmt ganz traurig.“ Karin hatte Mühe, ihr Kind zu beruhigen. „Nein, Nisha hat gut auf euch beide aufgepasst.“ Auf euch beide – das sei ein Trost, sagt sie. „Die Kinder beruhigt es, dass sie einan- der hatten, von Anfang an.“ „Und warum konnte ich nicht bei dir im Bauch sein?“ Erstmals fragte Leon jetzt weiter. „Ich war früher ein- Nisha aus Kalifornien hat Karins Zwillinge ausgetragen. Jetzt, fünf Jahre später, ist die Leihmutter mit ihrer eigenen Familie zu Besuch nach Deutschland gekommen. Die Geschichte einer ungewöhnlichen Begegnung – und einer Freundschaft Warum war ich in deinem Bauch?

war ich in deinem Bauch?die sie umhaut, „auch, weil da plötz-lich dieses unerwartete Verlangen war, etwas Größeres entstehen zu lassen.“ „Wir versuchen so zu operieren, dass

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Page 1: war ich in deinem Bauch?die sie umhaut, „auch, weil da plötz-lich dieses unerwartete Verlangen war, etwas Größeres entstehen zu lassen.“ „Wir versuchen so zu operieren, dass

Nisha hat Muffins geba-cken, Karin deckt denTisch. Dann rufen sie dieKinder. Leon* (5) undBrayden (7) kämpfen ne-benan mit Star Wars-Fi-

guren und ein Zimmer weiter soll imBarbie-Haus gleich zu Abend gegessenwerden. „I’m hungry“, lässt Amaya (10),dunkelhäutig und Amerikanerin, ihrePuppe sagen. „Ich hab Lust auf Pizza“,legt die blonde Emma* (5) der ihrigenin den Mund. „Irre, wie die Verständi-gung funktioniert, über Gesten, Bli-cke“, findet Karin. Dabei ist etwas an-deres viel erstaunlicher: Nisha, 28 Jah-re alt, ebenfalls dunkelhäutig undAmerikanerin, hat all die Kinder in ih-rem Bauch gehabt. Aber nur Amayaund Brayden sind ihre eigenen. DieMutter von Emma und Leon ist Karin. Die beiden Frauen stehen in engem

Kontakt. Telefonieren, mailen, skypenzwischen Deutschland und Kalifor-nien. Zweimal kam Nisha bereits zu Be-such, jetzt brachte sie erstmals die Fa-milie mit. Auch Tim, ihren Mann, dergerade mit Lars, Karins Mann, Bier kau-

fen ist, für den Abend. Für Karin wardie Zusammenführung Anlass, eineEntscheidung zu treffen. Sie will ihreGeschichte erzählen, öffentlich, sogarmit Fotos, nur die Kinder soll man aufden Bildern nicht erkennen. In der Ver-gangenheit hat sie bereits das ein oderandere Interview gegeben, allerdingsanonym. „Warum eigentlich?“, fragtsich die attraktive 42Jährige mit demansteckenden Lachen. Mit Hilfe einer Leihmutter ein Kind

zu bekommen, ist in Deutschland ver-boten. Karin kennt viele Frauen, die fürdiesen Schritt ins Ausland gegangensind. Und viele Familien, die mit nie-mandem darüber sprechen. „Ich habenichts moralisch Verwerfliches getan“– so sieht sie es. Zwei Menschen habesie das Leben geschenkt mit Hilfe einerwundervollen Frau. „Wieso sollte ichmich dafür schämen?“ Mit einer Lüge leben – das war für

sie nie eine Option. Es gibt Frauen, dieso tun, als seien sie schwanger, die sichfalsche Bäuche umschnallen, den Ar-beitgeber belügen. „Wie anstrengend!“Eine Herausforderung ist allerdings

auch der offene Umgang, gerade jetzt,wo die Kinder größer werden. „Das istNisha. Bei ihr wart ihr im Bauch“, hatKarin den Zwillingen gesagt, wenn dasBild der Kalifornierin beim Skypen aufdem PC erschien. Aber das kindlicheBewusstsein entwickelt sich. Vor allemLeon fragt seit einiger Zeit sehr detail-liert. „Wie Kinder entstehen“, darumging es kürzlich in der „Sendung mitder Maus“. Und dann kam Nisha mit ih-rer Familie – und das Thema wiederauf die Tagesordnung. „Es war mor-gens, wir kuschelten im Bett und icherklärte: Wenn die befruchtete Zellesich eingenistet hat, muss sie erst malwachsen“, erzählt Karin. Genauso seidas bei Nisha im Bauch gewesen. Leonweinte plötzlich. „Da war ich bestimmtganz traurig.“ Karin hatte Mühe, ihrKind zu beruhigen. „Nein, Nisha hatgut auf euch beide aufgepasst.“ Aufeuch beide – das sei ein Trost, sagt sie.„Die Kinder beruhigt es, dass sie einan-der hatten, von Anfang an.“ „Und warum konnte ich nicht bei

dir im Bauch sein?“ Erstmals fragteLeon jetzt weiter. „Ich war früher ein-

Nisha aus Kalifornien hat Karins Zwillinge ausgetragen. Jetzt, fünf Jahre später, ist die Leihmutter mit ihrer eigenen Familiezu Besuch nach Deutschland gekommen. Die Geschichte einer ungewöhnlichen Begegnung – und einer Freundschaft

Warumwar ich indeinemBauch?

Page 2: war ich in deinem Bauch?die sie umhaut, „auch, weil da plötz-lich dieses unerwartete Verlangen war, etwas Größeres entstehen zu lassen.“ „Wir versuchen so zu operieren, dass

mal sehr krank, deswegen geht dasnicht mehr“. Gebärmutterhalskrebs –so was versteht kein Fünfjähriger. Karin ist 30, als sie die Diagnose be-

kommt. Sie lebt zu dieser Zeit in Ams-terdam, bastelt an ihrer Karriere im in-ternationalen Hotelgewerbe. „Es warwie bei einem Zug, der aus voller Fahrteine Vollbremsung macht.“ Zwei Mög-lichkeiten gebe es, sagen die Ärzte. DasRisiko eines wiederkehrenden Krebsesin Kauf nehmen, ganz schnell schwan-ger werden und dann die Total-OP.Oder, die sicherere Variante, gleich dieTotal-OP. Karin lächelt bitter. „Ganzschnell schwanger werden, ohne Mann– wie sollte das gehen?“ Ohne zu zö-gern entschied sie sich für die OP. Nurein Jahr später trifft sie Lars. Eine Liebe,die sie umhaut, „auch, weil da plötz-lich dieses unerwartete Verlangen war,etwas Größeres entstehen zu lassen.“ „Wir versuchen so zu operieren,

dass die Eierstöcke erhalten bleiben“,hatten die Ärzte gemeint. Und auf dieMöglichkeit verwiesen, mit Hilfe einerLeihmutter ein Kind zu bekommen. Infos, die sie erst wegschob und diejetzt an Bedeutung gewinnen. EineAdoption? „Klar spielten wir auch die-sen Gedanken durch.“ Doch zehn Be-werber, die auf ein Kind kamen – „daserschien uns aussichtslos.“Eines Tages kommt Karins Schwes-

ter, Mutter einer Tochter, mit einerIdee: Sie könne doch das Kind austra-

gen. Ein Lichtblick, doch nach reifli-cher Überlegung wird der Plan verwor-fen. „Sie gestand sich ein, dass ihre Fa-milienplanung noch nicht abgeschlos-sen war.“ Wie froh sie sei über dieseEhrlichkeit, sagt Karin. „Leihmutter-schaft ist ein heikles Thema.“ Sie kenntdie schrecklichen Berichte: indischeLeihmütter, die in Wohnheime ge-steckt werden. Und dort die totaleÜberwachung: Was wird gegessen, wieviel wird geschlafen? Aber die Bedin-gungen, unter denen die kalifornischeAgentur arbeitet, an die sie sich damalswendet, erscheinen Karin fair. Zwei An-wälte würden hinzugezogen, heißt es,jede Seite brauche Schutz. Die Leih-

mutter würde genau unter die Lupe ge-nommen. Besteht eine wirtschaftlicheNotlage? Gibt es den heimlichenWunsch nach einem weiteren Kind? Beim Blättern im Katalog sei Nisha

ihr auf Anhieb am sympathischsten ge-wesen, sagt Karin. Sie erinnert sich andie Aufgeregtheit, auf beiden Seiten,am Telefon. Sie machten belanglosenSmalltalk. Bis die Frage endlich raus

war: Warum willst du ein fremdes Kindaustragen? „Ich wusste, es würde mich glück-

lich machen, einer Familie zu helfen“,erklärt Nisha, während sie die nochdampfenden Muffins auf Teller verteilt.„Ich hatte zwei leichte Schwangerschaf-ten, einfache Geburten“, erklärt sie Ka-rin damals am Telefon. Und dass sievon einer Ausbildung als Kranken-schwester träume, diese in den USAaber sehr teuer sei. „Klar war auch das Geld ein Argu-

ment“, weiß Karin. Rund 100 000 Eurokommen zusammen, wenn man zumHonorar für die Leihmutter, das etwa20 Prozent der Gesamtsumme aus-

macht, die Gebühren für die Agentur,die Kosten für medizinische Behand-lungen, Psychologen, Anwälte und dieReisen hinzurechnet. „Wir konntenuns das leisten, weil wir lange ohneKinder gelebt und einiges gespart hat-ten“, sagt Karin.Schnell entsteht damals eine

Freundschaft zwischen den Frauen. Siereden über ihre Hobbys, den Alltag, die

Ich wusste, dass es mich sehr glücklich machen würde,einer Familie zu helfen

Buntes FamilienlebenBei Karin und Nisha gibt eskeine Geheimnistuerei: An der Wand hängt ein Bild vonNisha mit dem kleinen Leon –so bleibt sie präsent, wenn sie wieder in den USA ist. Mitte: Nisha und Karin sindFreundinnen geworden. So oftes geht, besuchen sie einan-der. Rechts: Die kleine Emmatollt mit dem Hund herum

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Ehemänner. „Ich vertraute ihr, setztealles auf eine Karte“, so Karin. „Fingmit den Hormonbehandlungen an,noch bevor ich Nisha überhaupt gese-hen hatte.“ Es war verrückt: So vieletausend Kilometer voneinander ent-fernt zu sein und doch ein Stück weitzu funktionieren wie eine Einheit.Während Karin ihre Eizellen stimu-liert, nimmt Nisha Medikamente fürden Aufbau der Gebärmutterschleim-haut. Wenige Tage vor dem Transfertreffen die Frauen erstmals nahe derkalifornischen Küste aufeinander.„Dein Baby kommt in Mamas Bauch“,sagt Amaya, damals vier. Karin weiß noch, wie sie in Nishas

Küche stand. Kein Obst gab es hier, da-für stapelweise Soft-Drinks, eine Mikro-welle und einen Fernseher. „Man mussloslassen können“, sagt sie. Fragen, dieals Kritik rüberkommen könnten, ver-bietet sie sich. Lieber hat sie im Blick,was sie für sich machen kann, zum Bei-spiel milchbildungsfördernde Medika-mente einnehmen und die Brust abMitte der Schwangerschaft mit einerPumpe stimulieren – ein Verfahren,das kanadische Mediziner für Frauenentwickelt haben, die keine eigenenKinder kriegen können.Die Entnahme der Eizellen erfolgt

in einer Klinik unter Vollnarkose. Larsgibt währenddessen sein Sperma ab. Und sie haben Glück: Drei befruch-

tete Eizellen entwickeln sich im Rea-

genzglas weiter. „We are pregnant“ –nie wird Karin vergessen, wie sie dannam Telefon gejubelt haben, Nisha undsie, als die Blutuntersuchungen da wa-ren. „Wir. Genauso hat es sich ange-fühlt.“ Aber im Skiurlaub mit denFreunden bleibt es zunächst beim„ich“. Bis einige sich wundern: „Unddann flitzt du hier so die Piste runter?“Spontan erzählt Karin von der Leih-mutterschaft. Und macht die gute Er-fahrung: „Im direkten Kontakt gab esbis heute keine einzige komische Reak-tion.“ Irgendwie paradox, findet Karin,bei aller Skepsis der Gesellschaft die-sem Thema gegenüber. In der 20. Schwangerschaftswoche

fliegen die werdenden Eltern nach Ka-lifornien. Bis dahin meldet Nisha sich

täglich mit ausführlichen E-Mails. Sieschreibt, was sie den Tag über macht,wie es ihr geht, sie scannt Ultraschall-bilder ein, ruft sofort an, als klar ist,dass es Zwillinge werden. Nisha danngegenüberzustehen, den wachsendenBauch zu sehen, das sei surreal gewe-

sen, erzählt Karin. Sie weiß: MancheLeihmütter reagieren empfindlich,wenn die Wunscheltern besitzergrei-fend ihren Bauch berühren. Sie hatsich damals vorgenommen, zurückhal-tend zu sein. Aber Nisha ist es nicht.Reißt sich das T-Shirt hoch, sogar Larsdarf seine Hände immer wieder aufden mit zahllosen Schwangerschafts-streifen überzogenen Bauch legen.„Leon war der Aktivere“, erinnert sichNisha. Liebevoll klingt ihre Stimme,wenn sie von den Kindern spricht, dieihr neun Monate lang so nah waren.Und es noch immer sind. „Ich mussteweinen, als ich sie letzte Woche bei un-serer Ankunft in Deutschland sah,“ er-zählt sie. Emma habe sich zunächsthinter Karin versteckt. „Verständlich“,

findet Nisha. Genauso verständlich fin-det es Karin, dass Nisha die Zwillingenach einer Zeit der Annäherung auchmal in den Arm nehmen will. Respekt und Fingerspitzengefühl

für die Bedürfnisse der jeweils anderen– das scheint die besondere Beziehung

Bis heute gab es keine einzige komische Reaktion aufdie Leihmutterschaft

„Wir halten zusammen“Auch Tim und Lars, die Ehe-männer von Nisha und Karin,verstehen sich blendend. Bei ihren seltenen Zusammen-treffen unternehmen die viergemeinsame Ausflüge oderkochen mit der ganzen Fami-lie. Rechts: Die Frauen ge-nießen es, wenn sie sich nichtnur per Telefon oder Email austauschen können

Page 4: war ich in deinem Bauch?die sie umhaut, „auch, weil da plötz-lich dieses unerwartete Verlangen war, etwas Größeres entstehen zu lassen.“ „Wir versuchen so zu operieren, dass

der beiden Frauen auszumachen. Dieletzten acht Wochen vor der Entbin-dung kann Nisha sich kaum noch be-wegen. Spontan fliegt Karin rüber,kocht, bringt Nishas Kinder in den Kin-dergarten. Keine Klausel im Vertragschreibt das vor. Mit der Geburt, einKaiserschnitt, hätte es nicht besser lau-fen können, erzählt sie. Eine Persondürfe mit in den OP, sagen die Ärzte. Ka-rin kann es kaum noch aushalten, willendlich ihre Kinder im Arm haltenNimmt aber Tim und schiebt ihn zuNisha hin. Lässt innerlich los – und be-kommt vielleicht auch deswegen soviel. Nishas Mann winkt dankend ab.Er könne kein Blut sehen. Und so ist Karin dabei, als zwei

schneeweiße Babys kurz darauf ausNishas dunklem Körper gehoben wer-den. Zuerst sieht sie den kleinen Leon,eine Mini-Kopie von Lars. „Man will zuden Kindern, sie streicheln, sie lieben,sofort. Aber der Kopf zieht die Bremse,

denn da war ja Nisha und die wurdegerade zugenäht.“ Du bist das Wich-tigste – Nisha sagt, dieses Signal hättesie überwältigt. Und Karin sagt, siehätte sofort gewusst, wie die Tränenbei Nisha zu deuten gewesen waren,nämlich als Zeichen von Stolz. „I’mokay. Go!“ Diesmal ist sie es, die amArm gepackt und weggeschoben wird.In den Nebenraum, wo sie sofort zustillen beginnt. Wir haben alles richtiggemacht – sie erinnert sich genau,dass ihr dieser Gedanke dabei durchden Kopf geht.

Eine Woche wohnt die Familiebei Nisha, man lebt wie eineGroßfamilie. Der Abschied istschwer. „Man weiß ja nie,

wann man sich wieder sieht“, sagtNisha. Sie kennt Leihmütter, die inden Biografien deutscher Familiennicht existieren. Sie weiß, wie schweres ihr fiele, diese Phase ihres Lebens

als Job abzuhaken. Sie hat neun Mo-nate lang alles gegeben. Und genausohat sie es zu Leon gesagt, als sie vonseiner Traurigkeit neulich erfuhr. „Ichwar so was wie eine Nanny für dich.Hab dich beschützt, dich gewärmt, dirzu essen gegeben. Aber deine Mamawar ich nicht.“ Karin ahnt: „Die Ge-spräche, die Leon regelmäßig mitwildfremden Schwangeren im Parkführt, werden jetzt wohl ausgedehnt.“Ist das dein Baby? So fragt er für ge-wöhnlich. Und: Wo war es vorherdrin? Karin weiß immer schon, wie dieLeute reagieren, wenn Leon seine Ge-schichte erzählt. Och? So was geht? In-teressant! So wünsche sie sich denUmgang mit diesem Thema, sagt sie.Niemand, auch kein Hollywood-Star,mache so was, um schlank zu bleibenoder flexibel im Job. „Das ist kein Spa-ziergang“, stellt sie klar, „das nimmtman nicht einfach so auf sich.“

ELISABETH HUSSENDÖRFER