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Schweine sollen sich wohl fühlen und be- schäftigt werden: Die gesetzlichen Vor- gaben der Tierschutznutztierhaltungsver- ordnung formulieren klare Anforderun- gen dafür. Im Bereich der Ferkelaufzucht und Schweinemast sind diese bereits in die Praxis umgesetzt. In der Sauenhal- tung, besonders im Deck- und Abferkel- bereich, ziehen die Bauern aktuell nach. Standen anfänglich Selbstbauvarianten hoch im Kurs, gibt es nun von unter- schiedlichen Anbietern auch fertige Ma- terialien zu kaufen. Dazu gehören bei- spielweise auch Beißrollen aus lebensmit- telechtem Kunststoff, wie die GFS sie ver- treibt. Die Erfahrung der Landwirte Im Rahmen einer Bachelorarbeit zum Ein- satz von „Beschäftigungsmaterial in der Sauenhaltung“ an der Fachhochschule Südwestfalen wurde jetzt geprüft, wie gut Sauen solche Beißrollen annehmen. Dazu wurde ein spezieller Fragebogen er- stellt, den die GFS an solche Ferkelerzeu- ger verschickte, die Kunststoff-Beißrollen gekauft hatten und als Beschäftigungs- material in ihrem Betrieb einsetzen. Die Rückmeldung war mit fast 200 beant- worteten Fragebögen sehr gut, das waren ca. die Hälfte der verschickten Bögen. Die hohe Rücklaufquote und die schnelle Rücksendung innerhalb von Die Einbauhöhe betrug durchschnitt- lich 65 cm; das entspricht durchaus den GFS-Empfehlungen, wonach diese Höhe gut von den Tieren erreicht wird. Doch der Schwankungsbereich lag in dieser Untersuchung, bedingt durch die jeweiligen baulichen Gegebenhei- ten, in einem relativ weiten Bereich zwi- schen 20 und 110 cm. Die befragten Landwirten bewerteten die Akzeptanz der Beißrollen durch die Sau mit fast 90 Prozent als ‚Gut‘ bis ‚Mittel‘. Die Erfahrungen der Ferkeler- zeuger zeigen aber auch, dass die Nut- zungsintensität sehr unterschiedlich ist. Die eigenen Verhaltensunter- suchungen bestätigten das. Für die meisten war es neu Mehr als die Hälfte der Betriebe hatten zuvor keine Beschäftigungsmaterialien für Sauen angeboten, die Beißrollen waren also gänzlich neu für die Tiere. Betriebe, die schon vorher Beschäfti- gungsmaterial installiert hatten, nutzten in erster Linie Eisenketten. Allerdings ak- zeptieren weder Veterinärbehörden noch QS Ketten als alleiniges Beschäftigungs- material. In Kombination mit angehäng- Was Sauen interessiert Praxiserfahrungen zum Einsatz vom Beißrollen in Deckzentrum und Abferkelbereich Prof. Dr. Martin Ziron und B Sc. Bernd Buffen, Fachhochschule Südwestfalen Soest Prof. Dr. Martin Ziron Bernd Buffen 52 TopGenetik 04/2014 14 Tagen zeigen das hohe Interesse der Praktiker am Material und an den Ver- besserungsmöglichkeiten. Die Umfrage bei den Landwirten ergab, dass die Beißrollen überwie- gend im Deckzentrum und im Abfer- kelbereich eingesetzt werden. Drei Viertel der Beißrollen waren vor Kopf angebracht worden, 13 Prozent jedoch an der seitlichen Aufstallung. In 10 Prozent der untersuchten Fälle waren die Beißrollen frontal und zu- sätzlich seitlich montiert. Seitenmontage der Beißrolle im Abferkelstall

Was Sauen interessiert - FH-SWF Home · tem Holz bzw. Kunststoffobjekten hinge-gen durchaus, was 10 Prozent der Be-triebe auch schon vor dem Einsatz von Beißrollen praktizierten

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Schweine sollen sich wohl fühlen und be-schäftigt werden: Die gesetzlichen Vor-gaben der Tierschutznutztierhaltungsver-ordnung formulieren klare Anforderun-gen dafür. Im Bereich der Ferkelaufzuchtund Schweinemast sind diese bereits indie Praxis umgesetzt. In der Sauenhal-tung, besonders im Deck- und Abferkel-bereich, ziehen die Bauern aktuell nach.Standen anfänglich Selbstbauvariantenhoch im Kurs, gibt es nun von unter-schiedlichen Anbietern auch fertige Ma-terialien zu kaufen. Dazu gehören bei-spielweise auch Beißrollen aus lebensmit-telechtem Kunststoff, wie die GFS sie ver-treibt.

Die Erfahrung der Landwirte

Im Rahmen einer Bachelorarbeit zum Ein-satz von „Beschäftigungsmaterial in derSauenhaltung“ an der FachhochschuleSüdwestfalen wurde jetzt geprüft, wiegut Sauen solche Beißrollen annehmen.Dazu wurde ein spezieller Fragebogen er-stellt, den die GFS an solche Ferkelerzeu-ger verschickte, die Kunststoff-Beißrollengekauft hatten und als Beschäftigungs-material in ihrem Betrieb einsetzen. DieRückmeldung war mit fast 200 beant-worteten Fragebögen sehr gut, daswaren ca. die Hälfte der verschicktenBögen. Die hohe Rücklaufquote und dieschnelle Rücksendung innerhalb von

● Die Einbauhöhe betrug durchschnitt-lich 65 cm; das entspricht durchausden GFS-Empfehlungen, wonach dieseHöhe gut von den Tieren erreicht wird.Doch der Schwankungsbereich lag indieser Untersuchung, bedingt durchdie jeweiligen baulichen Gegebenhei-ten, in einem relativ weiten Bereich zwi-schen 20 und 110 cm.

● Die befragten Landwirten bewertetendie Akzeptanz der Beißrollen durch dieSau mit fast 90 Prozent als ‚Gut‘ bis‚Mittel‘. Die Erfahrungen der Ferkeler-zeuger zeigen aber auch, dass die Nut-zungsintensität sehr unterschiedlichist. Die eigenen Verhaltensunter-suchungen bestätigten das.

Für die meisten war es neu

Mehr als die Hälfte der Betriebe hattenzuvor keine Beschäftigungsmaterialien fürSauen angeboten, die Beißrollen warenalso gänzlich neu für die Tiere. Betriebe, die schon vorher Beschäfti-gungsmaterial installiert hatten, nutztenin erster Linie Eisenketten. Allerdings ak-zeptieren weder Veterinärbehörden nochQS Ketten als alleiniges Beschäftigungs-material. In Kombination mit angehäng-

Was Sauen interessiertPraxiserfahrungen zum Einsatz vom Beißrollenin Deckzentrum und AbferkelbereichProf. Dr. Martin Ziron und B Sc. Bernd Buffen, Fachhochschule Südwestfalen Soest

Prof. Dr. Martin Ziron Bernd Buffen

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14 Tagen zeigen das hohe Interesse derPraktiker am Material und an den Ver-besserungsmöglichkeiten.● Die Umfrage bei den Landwirten

ergab, dass die Beißrollen überwie-gend im Deckzentrum und im Abfer-kelbereich eingesetzt werden.

● Drei Viertel der Beißrollen waren vorKopf angebracht worden, 13 Prozentjedoch an der seitlichen Aufstallung. In10 Prozent der untersuchten Fällewaren die Beißrollen frontal und zu-sätzlich seitlich montiert.

Seitenmontage der Beißrolle im Abferkelstall

tem Holz bzw. Kunststoffobjekten hinge-gen durchaus, was 10 Prozent der Be-triebe auch schon vor dem Einsatz vonBeißrollen praktizierten (Übersicht 1). Nur wenigen der Befragten setzten Stroh,Säcke oder ähnliche „natürliche“ Be-schäftigungsmaterialien ein.

Wie praktikabel sind die Beißrollen,wie gut lassen sie sich installieren?

Über 78 Prozent der Ferkelerzeugerwaren mit der Installationsdauer vondurchschnittlich 3,5 bis 4 Minuten zufrie-den und beurteilten die Installationsdauerals schnell. Sind mehrere Rollen auf ein-mal zu montieren, kann die Montage-dauer mithilfe eines Akkuschraubers mitpassendem Bit stark verkürzt werden. In den Fragebögen und auch in einigenergänzenden Telefonaten monierten dieFerkelerzeuger bei einigen Beißrollen eineschlechte Passgenauigkeit. Dies lag of-fenbar am Produktionsprozess, während-dessen sich das Kunststoffmaterial an-fänglich zu langsam abkühlte.

In der Praxis zeigten sich dann noch wei-tere Verbesserungsmöglichkeiten, um dieHalbschalen passgenauer anzubringenund die Muttern sicher zu fixieren.

Optimierungsmöglichkeiten derPraktiker umgesetzt

Die an der Untersuchung beteiligtenLandwirte hatten gute Vorschläge zurVerbesserung der Beißrollen parat. Siewurden umgehend ausprobiert und fürgut befunden. Angeregt wurde, die Kanten mit hartemMaterial zu verstärken, die Beißrolle sta-biler und widerstandsfähiger zu machen,sie in anderen Farben anzubieten, dieSchrauben mittiger anzubringen und dieMuttern in den Kunststoff einzulassen.

04/2014 TopGenetik 53

Frontmontage im Deckzentrum

Übers. 1: Eingesetzte Beschäftigungsmaterialien vor dem Einsatz von Beißrollen

70

60

50

40

30

20

10

0kein Material Ketten PVC Rohr Ketten mit Holz

oder KunststoffSäcke Stroh

59

1610

4,5 2 2

Übers. 2: Beschäftigungshäufigkeit der Sauen mit den angebotenen Materialien im Deckbereich

50

45

40

35

30

25

20

15

10

5

0Tag 1

Sau 1 Sau 2 Sau 3

2224

4

14

1 1

Tag 2Sau 1 Sau 2 Sau 3

44

38

10

18

6 6

Tag 3Sau 1 Sau 2 Sau 3

1416

0 0 1 1

gezeichnet und im Anschluss ausgewer-tet. Angeboten wurden den Sauen dabeijeweils eine GFS-Beißrolle und eine Selbst-bauvariante (längs aufgeschnittenes PVC-Rohr) per Frontmontage.Die Übersicht 2 zeigt, wie unterschiedlichdie Sauen die Beschäftigungsmöglichkeitim Zeitraum von jeweils 24 Stunden nut-zen. Die Nutzung liegt zwischen 44mali-gem Kontakt und gar keiner Nutzung. At-traktiv sind dabei beide Materialien: So-wohl die GFS-Beißrolle als auch dieSelbstbauvariante werden ähnlich häufiggenutzt. Die Frage, wann die Tiere das angeboteneBeschäftigungsmaterial nutzen, konntedurch die kontinuierliche Aufzeichnung gutbeobachtet werden. Die Tiere wurden zweiMal täglich (morgens und mittags) über Volumendosierer gefüttert.

● Erwartungsgemäß zeigte sich einehohe Nutzung morgens vor der erstenFütterung. In Erwartung der bevorste-henden Fütterung konnten die Tiereihre Ungeduld an den Beißrollen vollauslassen. Auf den Videos war hiersehr aktives bis sogar äußerst aggressi-ves Beißen zu beobachten.

● Die zweite Hauptaktivitätsphase zeigtesich am Mittag nach der zweiten Füt-terung der Tiere. Die Tiere waren zudieser Zeit sehr wach und aktiv undstanden sehr häufig. Interessant undauffällig: Die Sauen nutzten die ange-botenen Beschäftigungsmaterialienfast ausschließlich, nachdem sie Was-ser aufgenommen hatten.

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PVC-Rohr oder Beißrolle: Was gefällt den Sauen besser?

Beißrolle GFS

Selbstbau PVC Rohr

Für Eber sollten nach Meinung der Land-wirte wegen der hohen Nutzungsintensi-tät separate Rollen entwickelt und instal-liert werden. Einige Praktiker legenzudem Wert auf geräuschdämmendeMaterialien und veränderbare, lose An-bauteile.

● Der Wartungsaufwand für die Beißrol-len ist gering, wenn nicht sogar über-flüssig. Darin sind sich die befragtenFerkelerzeuger fast durchgängig einig.Selbst ein Mehraufwand bei der Stall-reinigung wird nur von 4 Prozent derBefragten angegeben.

● Auch wenn die Beißrollen erst seitetwa einem Jahr im Praxiseinsatz sind,zeigt sich schon jetzt, dass die Halt-barkeit deutlich besser ist als die bis-her eingesetzten Varianten der MarkeEigenbau.

● Alles in allem sind die Landwirte mitden Beißrollen sehr zufrieden: 82 Pro-zent empfehlen dieses Beschäfti-gungsmaterial weiter.

Tierverhalten beobachtet

Mit dem Einsatz der Beißrollen kann denSauen im Deckbereich und Abferkelstalleine gute Beschäftigungsvariante ange-boten werden. Doch wird sie auch tatsächlich angenom-men? Zusätzlich zur Auswertung der Fra-gebögen fanden deshalb in einem Praxis-betrieb Verhaltensbeobachtungen zumBeschäftigungsmaterial bei Sauen imDeckzentrum statt.Die Tiere nutzten das neue Beschäfti-gungsmaterial sehr individuell: An dreiaufeinanderfolgenden Tagen wurde dasVerhalten der Sauen im Deckzentrum auf-

Nutzung und Haltbarkeit unterschiedlich

Der Versuchszeitraum umfasste insgesamt drei Monate, in denen die GFS-Beißrol-len getestet wurden. Die hier abgebildeten Beißrollen wurden zeitgleich im Deck-bereich eingebaut. Sie zeigten erwartungsgemäß leichte, aber durchaus unter-schiedliche Abnutzungserscheinungen. Manche Sauen beschäftigen sich starkdamit, andere deutlich weniger.

a) wenig genutzt

b) mittelstark genutzt

c) sehr intensiv genutzt

Parallel standen PVC-Rohre Marke Eigenbau im Test. Auch wenn die Beanspru-chung der Beißrollen teilweise sehr hoch war, sind sie trotzdem erheblich langlebi-ger als die PVC-Rohre. Viele dieser Selbstbauvarianten waren zum Teil schon vorAblauf der drei Monate zerstört, nach vier Monaten waren nahezu alle von denSauen komplett demontiert. Selbst wenn auf den ersten Blick die günstige Selbstbauvariante verlockend ist, er-gibt sich aus der geringen Haltbarkeit ein sehr hoher Arbeitsaufwand. Bei einerVollkostenrechnung mit finanzieller Entlohnung der Arbeitszeit wäre nach wenigerals zwei Jahren die Beißrolle deutlich günstiger als die Selbstbauvariante.

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Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dassdie Beißrolle der GFS eine gute Praxislö-sung zur Beschäftigung der Sauen imDeck- und Abferkelbereich ist. Die starkeVerbreitung belegt, dass die Ferkelerzeu-

ger davon ebenfalls überzeugt sind. DieMontage ist schnell und unkompliziert,die Haltbarkeit sehr gut. Die Sauen nut-zen diese Möglichkeit zur Beschäftigungjedoch sehr tierindividuell.