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Nachrichten aus der Chemie| 59 | September 2011 | www.gdch.de/nachrichten 916 W Den Studenten vom ersten Tag an eine umfangreiche Betreuung bieten und Lehrkonzepte moderni- sieren – das haben sich die 111 Hochschulen vorgenommen, die der Qualitätspakt Lehre in den kommenden Jahren fördert. Für die verschiedenen Projekte stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bis zum Jahr 2016 etwa 600 Millionen Euro zur Verfügung. Davon profitiert auch der Fachbereich Chemie: An einigen Universitäten erhalten die Naturwissenschaften wegen der hohen Abbrecherquoten besondere Aufmerksamkeit. Den Einstieg erleichtern W Für einen erfolgreichen Ein- stieg ins Chemiestudium reicht das Abitur nur bedingt als Qualifi- kation. Denn bereits die Grund- vorlesungen verlangen Vorkennt- nisse, die den Abiturienten ohne Leistungskurs in Chemie oder Physik mitunter fehlen. Vorkurse mit mathematisch-naturwissen- schaftlichem Schwerpunkt glei- chen solche Defizite aus und schaffen eine fachliche Grundlage für das gesamte Studium. „Viele Hochschulen legen ihren Schwer- punkt … zu Recht auf einen gelun- genen Einstieg ins Studium“, sagte Bundesministerin Annette Scha- van, als die gemeinsame Wissen- schaftskonferenz die zu fördern- den Projekte bekannt gab. Für Abiturienten, die ein natur- wissenschaftliches Studium in München anstreben, entwickelt die TU dort ein zweisemestriges Vor- studium. Darin erfolgreich abge- schlossene Veranstaltungen rech- net die Universität auf das spätere Bachelorstudium an und entlastet die Studenten so zusätzlich. Das Konzept baut auf dem Studium na- turale auf, das bereits im Winterse- mester 2010 erstmals 25 Abiturien- ten am Wissenschaftszentrum Wei- henstephan antraten. Auch an der Ruhr-Universität Bochum können die Studenten Punkte aus Vorkursen in ihr Che- miestudium einbringen. Die Sum- mer University findet dort zwi- schen Abitur und Studieneintritt statt. Mehr Bezug zur Anwendung W Am Anfang eines Chemiestudi- ums verlangen die theoretischen Grundvorlesungen den angehen- den Naturwissenschaftlern viel Ge- duld und Motivation ab. Studien- anfänger an der TU Darmstadt ler- nen die Praxis und Methodik ihres Fachs daher in einer interdiszipli- nären Projektwoche kennen. Man entwickelt dort derzeit ein Projekt, in dem Chemiker, Bauingenieure, Geodäten und Gesellschafts- und Geschichtswissenschaftler eine Aufgabe zum Thema Wassermana- gement bearbeiten – der Arbeitsti- tel könnte lauten: Wasser, Politik und Frühkartoffeln. Maschinen- bauanwärter absolvieren die Pro- jektwochen in Darmstadt bisher seit dem Jahr 1998. Auch die TU Ilmenau führt in den kommenden Jahren Projektta- ge ein, die zunächst nur für Ma- schinenbaustudenten studienbe- gleitend in den ersten zwei Semes- tern stattfinden werden. Die Stu- denten sollen die wöchentlich neu erlernten Inhalte in den Projekten anwenden. Ob das Konzept auch für Chemiker angeboten wird, ent- scheidet die naturwissenschaftliche Fakultät nach einer einjährigen Testphase. Rückendeckung im Campusalltag W Die Hochschulen verstärken ihr Beratungsangebot, um den Studen- ten zu zeigen, wie sie ihr Studium den eigenen Stärken entsprechend organisieren. Denn ein erfolgrei- ches Chemiestudium baut nicht nur auf fachlichem Verständnis auf, sondern auch darauf, dass sich die Studenten in ihrer Umgebung am Campus gut zurecht finden. Unter dem Namen Academic Advisors richtet die Universität Sie- gen ein Beratersystem ein, das die Studenten von der ersten Kontakt- aufnahme mit der Universität bis in die Alumni-Phase begleitet. Neben wissenschaftlichen Mitar- beitern sollen an der Universität Leipzig auch Studenten höherer Se- mester als Tutoren den Studienfän- Dieter Sorsche Seine Ausbildung an einer Universität oder Fachhochschule beendet im Schnitt nur jeder dritte Chemiestudent – der Qualitätspakt Lehre fördert neue Konzepte, die dem abhelfen sollen. Wasser, Politik und Frühkartoffeln BBildung und KarriereV

Wasser, Politik und Frühkartoffeln

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Nachrichten aus der Chemie| 59 | September 2011 | www.gdch.de/nachrichten

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W Den Studenten vom ersten Tag an eine umfangreiche Betreuung bieten und Lehrkonzepte moderni-sieren – das haben sich die 111 Hochschulen vorgenommen, die der Qualitätspakt Lehre in den kommenden Jahren fördert. Für die verschiedenen Projekte stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bis zum Jahr 2016 etwa 600 Millionen Euro zur Verfügung. Davon profitiert auch der Fachbereich Chemie: An einigen Universitäten erhalten die Naturwissenschaften wegen der hohen Abbrecherquoten besondere Aufmerksamkeit.

Den Einstieg erleichtern

W Für einen erfolgreichen Ein-stieg ins Chemiestudium reicht das Abitur nur bedingt als Qualifi-kation. Denn bereits die Grund-vorlesungen verlangen Vorkennt-nisse, die den Abiturienten ohne Leistungskurs in Chemie oder Physik mitunter fehlen. Vorkurse mit mathematisch-naturwissen-schaftlichem Schwerpunkt glei-chen solche Defizite aus und schaffen eine fachliche Grundlage für das gesamte Studium. „Viele Hochschulen legen ihren Schwer-punkt … zu Recht auf einen gelun-genen Einstieg ins Studium“, sagte Bundesministerin Annette Scha-van, als die gemeinsame Wissen-schaftskonferenz die zu fördern-den Projekte bekannt gab.

Für Abiturienten, die ein natur-wissenschaftliches Studium in München anstreben, entwickelt die TU dort ein zweisemestriges Vor-studium. Darin erfolgreich abge-schlossene Veranstaltungen rech-net die Universität auf das spätere Bachelorstudium an und entlastet die Studenten so zusätzlich. Das Konzept baut auf dem Studium na-turale auf, das bereits im Winterse-mester 2010 erstmals 25 Abiturien-ten am Wissenschaftszentrum Wei-henstephan antraten.

Auch an der Ruhr-Universität Bochum können die Studenten Punkte aus Vorkursen in ihr Che-miestudium einbringen. Die Sum-mer University findet dort zwi-schen Abitur und Studieneintritt statt.

Mehr Bezug zur Anwendung

W Am Anfang eines Chemiestudi-ums verlangen die theoretischen Grundvorlesungen den angehen-den Naturwissenschaftlern viel Ge-duld und Motivation ab. Studien-anfänger an der TU Darmstadt ler-nen die Praxis und Methodik ihres Fachs daher in einer interdiszipli-nären Projektwoche kennen. Man entwickelt dort derzeit ein Projekt, in dem Chemiker, Bauingenieure, Geodäten und Gesellschafts- und Geschichtswissenschaftler eine Aufgabe zum Thema Wassermana-gement bearbeiten – der Arbeitsti-tel könnte lauten: Wasser, Politik

und Frühkartoffeln. Maschinen-bauanwärter absolvieren die Pro-jektwochen in Darmstadt bisher seit dem Jahr 1998.

Auch die TU Ilmenau führt in den kommenden Jahren Projektta-ge ein, die zunächst nur für Ma-schinenbaustudenten studienbe-gleitend in den ersten zwei Semes-tern stattfinden werden. Die Stu-denten sollen die wöchentlich neu erlernten Inhalte in den Projekten anwenden. Ob das Konzept auch für Chemiker angeboten wird, ent-scheidet die naturwissenschaftliche Fakultät nach einer einjährigen Testphase.

Rückendeckung im Campusalltag

W Die Hochschulen verstärken ihr Beratungsangebot, um den Studen-ten zu zeigen, wie sie ihr Studium den eigenen Stärken entsprechend organisieren. Denn ein erfolgrei-ches Chemiestudium baut nicht nur auf fachlichem Verständnis auf, sondern auch darauf, dass sich die Studenten in ihrer Umgebung am Campus gut zurecht finden.

Unter dem Namen Academic Advisors richtet die Universität Sie-gen ein Beratersystem ein, das die Studenten von der ersten Kontakt-aufnahme mit der Universität bis in die Alumni-Phase begleitet.

Neben wissenschaftlichen Mitar-beitern sollen an der Universität Leipzig auch Studenten höherer Se-mester als Tutoren den Studienfän-

Dieter Sorsche

Seine Ausbildung an einer Universität oder Fachhochschule beendet im Schnitt nur jeder dritte

Chemiestudent – der Qualitätspakt Lehre fördert neue Konzepte, die dem abhelfen sollen.

Wasser, Politik und Frühkartoffeln

BBildung und KarriereV

917BBildung und KarriereV

Nachrichten aus der Chemie| 59 | September 2011 | www.gdch.de/nachrichten

gern helfen, sich am Campus zu-recht zu finden. Die Universität will ihre „Studenten sozial besser integrieren“ und ihnen so Rückhalt im Studium geben.

Mit der Lehre ins Web 2.0

W Durch E-Learningangebote er-höhen die Hochschulen die Flexi-bilität ihres Lehr- und Beratungsan-gebots. In dem Gemeinschaftspro-jekt E-Competence and Utilities for Learners and Teachers entwickeln die niedersächsischen Universitä-ten eine Internetplattform, auf der sie den Studenten unter anderem Unterrichtsmaterialien bereitstel-len und bei der Organisation des Lehrplans helfen. Das Projekt Mint-Kolleg Baden-Württemberg bietet den Studenten in Karlsruhe und Stuttgart nicht nur neue On-line-Lehrveranstaltungen an, die Universitäten betreuen ihre Stu-denten dort in Zukunft auch per E-Mail und Skype.

Unterstützung für Dozenten

W Die Mehrheit der Hochschulen bildet im Rahmen des Qualitäts-pakts Lehre ihre Dozenten fachdi-daktisch fort oder verschafft ih-nen zeitliche Freiräume. An der TU München haben Professoren die Möglichkeit, ein Freisemester zu beantragen, in dem sie veralte-te Lehrkonzepte neu ausarbeiten. Außerdem schreibt die Universi-tät den mit 4000 Euro dotierten Otto-Fischer-Preis für Nach-wuchswissenschaftler aus, die he-rausragende neue Lehrkonzepte entwickeln.

Die geplanten Projekte werden an den jeweiligen Universitäten und Fachhochschulen ab dem Wintersemester 2011/2012 anlau-fen. Eine Liste aller geförderten Hochschulen steht im Internet un-ter www.bmbf.de. Weitere Informa-tionen zu einzelnen Projekten fin-det man auf den Webseiten der je-weiligen Hochschulen.

Dieter Sorsche ist freier Mitarbeiter der

Nachrichten aus der Chemie.

Bronze aus der Mikrowelle

W Im laufenden Jahr hat der Fonds der Chemischen Industrie (FCI) das Förderprogramm Schul-partnerschaft Chemie um 200 000 Euro auf 2,4 Mio. Euro aufgestockt. Gemeinsam mit der Gesellschaft Deutscher Chemiker hat der FCI die Schulpartnerschaft im Jahr 2001 gegründet und seit-dem insgesamt 19,2 Mio. Euro in-vestiert.

Für den Schulunterricht entwi-ckelt der FCI mit dem Geld bei-spielsweise Experimentiersets, Lernsoftware, Spiele und Magazi-ne. Aktuell ist in Zusammenarbeit mit dem Industrieverband Agrar die Broschüre „Die Pflanzen schüt-zen, den Menschen nützen“ er-schienen.

Über Stipendien unterstützt die Schulpartnerschaft angehende Leh-rer bereits im Studium. An sieben Universitäten bundesweit, darun-ter Rostock, Frankfurt und Stutt-gart, betreibt der FCI zusammen mit der GDCh Fortbildungszen-tren. Dort lernen und erproben die Lehrkräfte Versuche. Ihre Schüler erfahren dann im Chemieunter-

richt, wie sie Bronze in der Mikro-welle schmieden oder mit Sekun-denkleber Fingerabdrücke neh-men. Zudem unterstützt die Schul-partnerschaft Wettbewerbe wie „Jugend forscht“ und Mentoring-Programme zwischen Schulen und Universitäten. [Siehe auch diese Nachr. S. 834].

Die Schulpartnerschaft läuft noch bis Ende des Jahres 2012. FCI-Geschäftsführer Gerd Roma-nowski geht davon aus, dass der FCI „dieses erfolgreiche Förderpro-gramm dann wieder verlängern kann“.

Career Day auf der Biotechnica

W Im Rahmen der Messe Biotech-nica in Hannover veranstaltet job-vector am 13. Oktober einen Ca-reer Day. Bewerber haben die Mög-lichkeit, direkt mit Vertretern der Biotechnologie- und Biochemie-In-dustrie in Kontakt zu treten. Die Stellenplattform jobvector vermit-telt Arbeitgeber und -nehmer in na-turwissenschaftlichen und techni-schen Bereichen.

Dieter Sorsche, Frankfurt

Industriechemie als berufsbegleitender Studiengang

W An der Hochschule Fresenius in Idstein können junge Berufstäti-ge ab dem kommenden Winterse-mester Industriechemie studieren. Voraussetzung ist, dass sie eine chemiespezifische Ausbildung, zum Beispiel zum Chemielaboran-ten, absolviert und zwei Jahr Be-rufserfahrung darin haben sowie über die Fachhochschulreife verfü-gen. Während des Studiums blei-ben die Studenten 40 bis 80 Pro-zent einer Vollzeitstelle berufstä-tig. Ziel ist nach fünf Präsenzse-mestern und einer Bachelorarbeit der Bachelor in Science in Indus-triechemie.Reinhard Wagener, wagener@

hs-fresenius.de; www.hs-fresenius.de

Kurz notiert

„Das Experiment ist unverzichtbarer Be-

standteil des Unterrichts“. Hans Joachim

Bader vom Lehrerfortbildungszentrum Che-

mie in Frankfurt erklärt, wie Lehramtsstu-

dentin Silvia Rübsamen Bronze in der Mi-

krowelle herstellt. (Foto: Dieter Sorsche)