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1031 9. Weitere Persuche iiber elektrische Wellem 4m Systemem von hoher Eapaxitat und Belbst4nduktio.n; vom L. Eermmmm umd H. Gildemeister. In der friiheren Arbeit des einen von unsl) uber elek- trische Wellen ist es als wunschenswert bezeichnet worden (p. 958 Anm.), die Versuche nochmals mit Glimmerkonden- satoren auszufuhren , weil die damals verwendeten Kapillar- elektrometer und Papierkondensatoren einen zu geringen Iso- lationswiderstand haben, und hierin moglicherweise die Ursache lag, weshalb die gefundenen Fortpflanzungszeiten zwar der GroBenordnung nach mit den von der Theorie verlangten iibereinstimmten, aber doch nicht unerheblich hinter den letz- teren zuriickblieben. Bei der Kostspieligkeit von Glimmerkondensatoren hoher Kapazitat, deren eine grogere Anzahl fur die Versuche er- forderlich ist, war es uns hochst willkommen, daB Hr. Ingenieur H. Boas in Berlin die groBe Liebenswurdigkeit hatte, uns einen Glimmerkondensator von 2 Mikrofarad und vier solche von j e 1 Mikrofarad leihweise zur Verfiigung zu stellen. Unter Hinzunahme eines dem Institut gehorigen Edelmannschen Glimmerkondensators von 1 Mikrofarad konnten wir also ein System von 6 Gliedern (statt der friiher verwendeten 15) auf seine Zeitverhaltnisse untersuchen. Die dnordnung war genau die friiher verwendete, nur wurden diesmal die Induktionsspulen in den Hauptversuchsreihen ohne Eisenkerne verwendet, um mit zuverlassigeren GroBen der Selbstinduktionskoeffizienten zu tun zu haben. Auger den kleinen Boasschen Spulen der fruheren Arbeit wurden diesmal auch grogere zu den Ver- suchen benutzt. Eine wesentliche Vervollkommnung der Versuche betraf die graphische Registrierung der Ablenkungen des Kapillar- 1) 1,. Hermann, Ann. d. Phys. 12. p. 932. 1903.

Weitere Versuche über elektrische Wellen in Systemen von hoher Kapazität und Selbstinduktion

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9. Weitere Persuche iiber elektrische Wellem 4m Systemem von hoher

Eapaxitat und Belbst4nduktio.n; vom L. E e r m m m m umd H. G i l d e m e i s t e r .

In der friiheren Arbeit des einen von unsl) uber elek- trische Wellen ist es als wunschenswert bezeichnet worden (p. 958 Anm.), die Versuche nochmals mit Glimmerkonden- satoren auszufuhren , weil die damals verwendeten Kapillar- elektrometer und Papierkondensatoren einen zu geringen Iso- lationswiderstand haben, und hierin moglicherweise die Ursache lag, weshalb die gefundenen Fortpflanzungszeiten zwar der GroBenordnung nach mit den von der Theorie verlangten iibereinstimmten, aber doch nicht unerheblich hinter den letz- teren zuriickblieben.

Bei der Kostspieligkeit von Glimmerkondensatoren hoher Kapazitat, deren eine grogere Anzahl fur die Versuche er- forderlich ist, war es uns hochst willkommen, daB Hr. Ingenieur H. Boas in Berlin die groBe Liebenswurdigkeit hatte, uns einen Glimmerkondensator von 2 Mikrofarad und vier solche von je 1 Mikrofarad leihweise zur Verfiigung zu stellen. Unter Hinzunahme eines dem Institut gehorigen Edelmannschen Glimmerkondensators von 1 Mikrofarad konnten wir also ein System von 6 Gliedern (statt der friiher verwendeten 15) auf seine Zeitverhaltnisse untersuchen. Die dnordnung war genau die friiher verwendete, nur wurden diesmal die Induktionsspulen in den Hauptversuchsreihen ohne Eisenkerne verwendet, um mit zuverlassigeren GroBen der Selbstinduktionskoeffizienten zu tun zu haben. Auger den kleinen Boasschen Spulen der fruheren Arbeit wurden diesmal auch grogere zu den Ver- suchen benutzt.

Eine wesentliche Vervollkommnung der Versuche betraf die graphische Registrierung der Ablenkungen des Kapillar-

1) 1,. Hermann, Ann. d. Phys. 12. p. 932. 1903.

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elektrometers. l) Wir konnten namlich diesmal eine neue, vor- ziiglich funktionierende Schlittenvorrichtung benutzen, welche unterdessen in der Edelmannschen Werkstatt fur unser In- stitut ausgefuhrt worden ist und an anderer Stelle beschrieben und abgebildet werden wird; dieselbe wird, wie die friiher be- nutzte improvisierte, durch Fall mit Gegengewicht betrieben. Der Kontakt, welcher von dem sich bewegenden Trager der

1) Dies meines Wissens zuerst 1877 von Marey verwendete Ver- fahren (Travaux du laboratoire 3. p. 33. Paris 1877) ist gegenwiirtig durch zahllose Anwendungen allen Physikern und Physiologen so gellufig, da6 man bei seiner Erwiihnung die Erfindung ebensowenig zu besprechen Anla6 hat, wie man G a u s s zu nennen pflegt, wenn man von Beobach- tungen mit Spiegel und Skala spricht. Trotzdem imputiert mir Herr B e r n s t e i n (Ann. d. Phys. 13. p. 1073. 1904) das ungcheuerliche Unter- nehmen, dies Verfahren als von mir erfunden auszugeben, obwohl jeder unbefangene Leser aus der Beschriinkung auf eine ganz kurze Angabe fiber einige Details des Apparates m. E. erkennen mu6, da6 ich das Ver- fahren als bekannt voraussetze. Habe ich doch selbst auf die Arbeiten verwiesen, welche sich mit der Reduktion so gewonnener Elektrometer- kurven auf Potentialkurven beschaftigen. Dic abkiirzcnde Bezeichnung ,,Elektrograph" habe ich nur benutzt, um das schreibende Kapillarelektro- meter von den 15 im System befindlichen lzicht schreibenden zu unterscheiden.

Ebenso unbegriindet sind Hrn. B e r n s t e i n s sonstige Vorwurfe. Ich habe seine elektropliysiologischen Arbeiten nicht erwlhnt, weil ich eine rein physikalische Untersuchung mitgeteilt, und von pbysiologischen Dingen in gr66ter Kiirze nur soviel angefiihrt habe, wie nStig war, urn zu zeigen, wodurch ich auf diesen physikalischen Gegenstaod ge- fiihrt worden bin. Es ist weder n6tig noch iiblich, jedesmal bei der Anfiihrung Iaiigst bckannter Tatsachen deren Entdeckungsgeschichte beizufiigen. Ich hatte daher bci der Erwiihnung des Gesetzcs der Aktionsstrame ebensowenig AnlaB, Hrn. B e r n s t e i n und andere Autoren zii nennen, wie etwa d u B o i s - R e y m o n d und P f l i i g e r , als ich un- mittelbar daneben das Gesetz der elektrischen Nervenerregung heranzog. Die von Hrn. B e r n s t e i n getadelte, jetzt allgemein ubliche Bezeich- nung Aktionsstrarne habe ich 1868 eingefuhrt, nachdem ich die Strom- losiakeit unversehrter Organe erkannt hatte; sie war und ist uizent- behrlich, weil ein nicht vorhandener Strom keine ,,negative Schwankung" haben kann; wo es noch zulassig ist, gebrauche ich selbst stets die iiltere Bezeichnung. Ob wirklich alles, was wir iiber Aktionsstrame wissen, von Hrn. B e r n s t e i n herruhrt, bleibe hier uneriirtert. Ebensowenig scheint mir diese Zeitschrift der geeignete Ort, nachzumeisen, wie unrichtig, sogar in Tatsachen, seine Darstellung iiber das Verhlltnis meiner Arbeiten zu den seinigen ist; die Physiologen werden ihm meiner ifberzeugung nach nicht zustimmen; die Physiker diirfte aber eine solche rein persSnliche Diskussion nicht interessieren. Hermann.

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Trockenplatte umgeworfen wird, kann mit gleicher Sicherheit sowohl fur SchlieBungen wie fur Offnungen benutzt werden, so dab es nicht mehr erforderlich war , fur Schlieflungsversuche wie fruher (1. c. p. 945) eine Wheats tonesche Kombination zu Hilfe zu nehmen.

Der elektrische Vorgang, welcher auf den Anfang des sechsgliedrigen Systems einwirkte , wurde noch mannigfacher als in der fruheren Arbeit variiert. Er bestand in einfachen SchlieBungen, einfachen Offnungen konstanter Striime, oder in dem Ladungs- oder Entladungsstrome eines Kondensators. Indes waren die Ergebnisse bei all diesen Versuchsarten die- selben, also kein EinfluB der Natur des elektrischen Vor- ganges nachweisbar, was mit der Theorie im Einklang ist.

Da das Ziel der Untersuchung in einer moglichst genauen Feststellung der Punkte lag, in welchen sich die Elektrometer- kurven von der Abszissenachse ablosen, der Anstieg aber bei den B-Kurven (Aufzeichnung des Vorganges am Znde des Systems) stets S-formig erfolgt, schien es vorteilhaft., moglichst hohe Kurven zu gewinnen, also moglichst starke Einwirkungen zu wahlen, obwohl hierbei, besonders bei den A-Kurven (Auf- zeichnung am Anfang des Systems), die Gipfel der Kurven nicht mehr auf der (6 cm hohen) Platte Platz fanden. Trotz- dem war die Ablosung der B-Kurven so allmahlich, daB der eigentliche Anfangspunkt sich nur mit einer Unsicherheit von f 0,0005 sec bestimmen lie&

Wir geben nun eine kurze Zusammenstellung der wesent- lichen Ergebnisse.

Erste Persuchsreihe. Sechs kleine Induktionsspulen ohne Eisenkerne; jede hat einen Induktionskoeffizienten von nahezu 2 . los cm. Die erste ist mit 2, jede der fiinf anderen mit j e 1 Mikrofarad kombiniert. Es ist also p in jedem Gliede = 2 . lo8 cm, ferner c im ersten Gliede = 2.10-15 seca/cm, in jedem folgenden 10-16 seca/cm. Hieraus berechnet sich die zur Durchlaufung des Systems erforderliche Zeit :

Cl/cp = (I%+ 5) -fm sec = 0,00287 see. Die gefundenen Zeitdifferenzen zwischen Beginn der A- und der B-Kurven lagen zwischen

0,0024 und 0,0027 sec.

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Zweite J’ersuchsreihe. Sechs groBere Induktionsspulen (meist sekundare Spiralen gewohnlicher Schlitteninduktorien, jede von uber 10000 Windungen), ohne Eisenkerne. Die unten an- gegebenen Selbstinduktionskoeffizienten derselben wurden mittels der Schwingungen bestimmt, die sie rnit einem im Kreise be- findlichen Kondensator gaben; zur Messung der Schwingungs- dauer diente ein sorgfaltig gepruftes Kelmholtzsches Pendel Edelmannscher Konstruktion. Ein Teil dieser Messungen ist in dankenswerter Weise von Hrn. stud. med. W l o t z k a aus- gefuhrt worden. Wiederum wurde die erste Spule rnit 2, die folgenden rnit je 1 Mikrof. kombiniert.

Glied Nr. 1 2 3 4 5 6 Kapazitat c 2 1 1 1 1 1 Mikrof.(10-16secP/cm) Koeffizient p 1,83 1,70 0,81 1,97 1,45 1,39. lo8 cm

Hieraus herechnet sich als Zeityerbrauch

= (m +1’13ij + l/C@i + lj1,97 + lj1,45 + 1/1,39). 10-3sec = 0,00790 see.

Die gefundenen Zeiten lagen zwischen 0,0052 und 0,0073 sec.

Also auch in den neuen Versuchen blieben die gefundenen Zeiten hinter den berechneten zuriick, und zwar bei den kleinen Spulen weit weniger als bei den grogen. Auf Versuchs- oder Messungsfehlern beruht dies Zuriickbleiben sicher nicht, obwohl es erheblich geringer ist, als bei den Versuchen mit Papierkonden- satoren. Vielmehr ist der Grund hochstwahrscheinlich darin zu suchen, daB die Theorie von einer infinitesimalen gleichmaBigen Verteilung der Kapazitiit und Selbstinduktion in einem homo- genen Leiter ausgeht, also nur mit einer gewissen Annaherung auf ein System anwendbar ist, welches aus einer Anzahl von Gliedern besteht. Betrachtungen uber den spezielleren Grund, warum der Versuch niedrigere Zeitwerte ergibt als die Theorie, unterlassen wir anzustellen.

AuBerdem haben wir auch Versuchsreihen mit Eisenkernen ausgefuhrt, uber welche jedoch eine ganz kurze summarische Angabe geniigen wird.

Britte Versuc/isreihe. Die sechs kleinen Spulen mit Eisen- kernel). Induktionskoeffizienten annahernd 2 .1 O9 cm. Kapa-

c VG

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zitaten wie in der ersten Reibe. Berechnete Zeit 0,00907 SCC,

Gefundene Zeiten zwischen 0,0050 und 0,0073 sec. Piertc versuchsreihe. Sechs grobe, zum Teil sehr groBe

Spulen mit Eisenkernen (darunter zwei sekundare Spiralen von Funkeninduktorien). Kapazitaten wie bisher. Berechnete Zeit. 0,0404 see.

Wie schon in den friiheren Versuchen ist also die Ab- weicbung von der Theorie beim Vorhandensein von Eisen- kernen von hoherer Grobenordnung, als bei Versuchen ohne Kerne.

Endlich haben wir unsere Aufmerksamkeit auf einen schon bei der fruheren Untersuchung bemerkten Umstand gerichtet, namlich auf die Verkurzung der Fortpflanzungszeit bei Ver- wendung sehr holier Spannungcn. Zuerst wurde dies bemerkt in den Versuchen mit Kapillsrelektrometern (1. c. p. 958f.), und darauf bezogen, daI3 die Einwirkung das Polarisations- maximum derselbcn uberschritt. Indes zeigte sich eine Ver- kiirzung der Zeit auch bei Verwendung von Papierkonden- satoren statt der Elektrometer (p. 960).

In den neuen Versuchen mit Glimmerkondensatoren stellte sich nun dieselbe Erscheinung heraus. Zur deutlicheren Fest- stellung derselben wurden in vielen Versuchen zwei B-Kurven, eine bei einer Spannung von < 1 Volt, die andere bei einer Spannung von 52 oder 110 Volt auf dieselbe Abszissenachse geschrieben. Stets lost sich die Kurve bei hoher Spannung erheblich fruher von der Achse ab, als bei niedriger. Uber die dabei eintretenden Erscheinungen durch die Oasentwickelung im Kapillarelektrometer siehe die fruhere Mitteilung.

Nach der Theorie haben auf die Fortpflanzungsgescliwindig- keit der Welle ausschlieblich die Kapazitaten und die Induktions- konstanten Einflub. Den Grund dieser Abweichung von der Theorie festzustellen, reichen unsere Versuche nicht aus.

Gefundene Zeiten 0,0159 bis 0,0172 sec.

Kon igsbe rg i. Pr., Physiolog. Inst., 7. Juli 1904.

(Eingegangen 9. Juli 1904.)