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8/18/2019 Wenn Die Familie Im Traum Erscheint http://slidepdf.com/reader/full/wenn-die-familie-im-traum-erscheint 1/26 ! "#$%#$& '()(*#+,$-#$./$0 1234 _Thema im chnittpunkt Wenn die Familie im Traum erscheint – zur Aufarbeitung transgenerationeller Komplexe Das Fortwirken des familiären Unbewussten: Wir ringen im Leben nicht nur mit unseren persönlichen Komplexen sondern auch mit Komplexen die wir „geerbt“ haben. Die Entdeckung von transgenerationellen Symptomen und Symbolen in Träumen kann unsere Seele von Lasten befreien und helfen, diese Inhalte nicht unverändert an spätere Generationen weiterzugeben. „Nichtwissen um die Vergangenheit der Vorfahren kann die individuelle Psyche schädigen.“(Coles, p. 10) Kristina Schellinski Man sagt: “Die Zeit heilt alle Wunden“ – (Voltaire: Der ehrliche Hurone/Der Freimütige, Kapitel 20). Als analytische Psychologin muss ich hinzufügen: „aber langsamer als man denkt“. Nur träumen ist manchmal „schneller“. „Sie haben es mir nicht gesagt, aber ich hab’s dann im Traum erfahren,“ so eine Klientin, deren Träume nicht nur von Ihrem Unbewusstem ihr etwas mitzuteilen hatten, sondern auch vom Unbewussten ihrer Eltern und Grosseltern. Träume aus uralten Zeiten...wie von weit her, traumhaft, bisweilen albtraumhaft, aber wahr... Wie in diesem Bild von Goya: „Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer ....“ ungeheuerliche Wahrheiten. Jung spricht von der selbstheilenden Kraft der Seele, einer zentrierenden Kraft, die uns zur Ganzheit entwickeln lassen will, uns auf unseren Individuationsweg bringt und begleitet. Gilt dies auch wenn weitergegebene, transgenerationelle Traumata uns leiden machen? Seelisches Heilen ist Entwicklung; seelisches Heilen wandelt. Entwicklung, so denken wir, geht nicht zurück, sondern vorwärts. Und doch müssen wir

Wenn Die Familie Im Traum Erscheint

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_ T h e m a i m c h n i t t p u n k t

Wenn die Familie im Traum erscheint – zur Aufarbeitungtransgenerationeller Komplexe

Das Fortwirken des familiären Unbewussten: Wir ringen im Leben nicht nur mit unseren persönlichen Komplexen sondern auch mit Komplexen die wir „geerbt“ haben. Die

Entdeckung von transgenerationellen Symptomen und Symbolen in Träumen kann unsereSeele von Lasten befreien und helfen, diese Inhalte nicht unverändert an spätere

Generationenweiterzugeben.

„Nichtwissen umdie Vergangenheit

der Vorfahren kanndie individuelle

Psyche schädigen.“(Coles,

p. 10)

Kristina Schellinski

Man sagt: “Die Zeitheilt alle Wunden“ –(Voltaire: Derehrliche Hurone/DerFreimütige, Kapitel 20).Als analytische Psychologin muss ich hinzufügen:„aber langsamer als man denkt“. Nur träumen ist manchmal „schneller“. „Sie habenes mir nicht gesagt, aber ich hab’s dann im Traum erfahren,“ so eine Klientin, derenTräume nicht nur von Ihrem Unbewusstem ihr etwas mitzuteilen hatten, sondern auchvom Unbewussten ihrer Eltern und Grosseltern. Träume aus uralten Zeiten...wie vonweit her, traumhaft, bisweilen albtraumhaft, aber wahr... Wie in diesem Bild von Goya:„Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer....“ ungeheuerliche Wahrheiten.

Jung spricht von der selbstheilenden Kraft der Seele, einer zentrierenden Kraft, die unszur Ganzheit entwickeln lassen will, uns auf unseren Individuationsweg bringt und

begleitet. Gilt dies auch wenn weitergegebene, transgenerationelle Traumata unsleiden machen? Seelisches Heilen ist Entwicklung; seelisches Heilen wandelt.Entwicklung, so denken wir, geht nicht zurück, sondern vorwärts. Und doch müssen wir

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für dieses seelische Heilen, im Sinne von Ganzwerdung, und für das Fortschreiten imBewusstsein zurück schauen auf die Geschichte derer, die vor uns waren. Dann ist esanders nachher, als es vorher war, dann können wir anfangen unsere Geschichte zuleben, befreit von den seelischen Altlasten vorheriger Generationen. Es gibt Träume, indenen die Komplexe von Vorfahren, oft aufgrund von Folgeerscheinungen von Traumataoder Geheimnissen, die über Generationen vererbt wurden, bewusst werden. Jungdachte, dass Zurückphantasieren die Vergangenheit verändern kann (siehe auchFaimberg, p. 110).In der Jung’schen Analyse bemühen wir uns darum beim Analysand/in den Dialogzwischen dem Bewusstsein und dem Unbewussten herzustellen: wir schauen uns die

persönlichen Komplexe an, wie Vater und Mutterkomplexe, innere oder verinnerlichteBilder der Eltern Kind Beziehungen (1), sowie archetypische Inhalte, Bilder die auf denMutter und Vater Archetypus (2) verweisen. Jenseits dieser sehr wichtigen Ebenen,gibt es wesentliche Bereiche der Seele, in denen diese Art von Beleuchtung undBewusstmachung von (1) und (2), nicht ausreicht, um den Sinn des jeweiligen Leidenszu verstehen oder um das Leid zu lindern. Wir müssen unser Bemühen umBewusstwerdung auch auf die Weitergabe familiärer Komplexe richten. Komplexekönnen von A nach B, von B nach C und von C nach D weitergegeben werden, von denGross Eltern bis zu den Ur Enkeln.„Ein „gefühlsbetonter Komplex“ ... ist das Bild einer bestimmten psychischen Situation,die lebhaft emotional betont ist und sich zudem als inkompatibel mit der habituellenBewusstseinslage ...erweist ...(er)verfügt zudem über einen relativ hohen Grad vonAutonomie...(bis hin) zu einer Teilpersönlichkeit“ (CW 8, para 201f). Jung betonte den

Teilseelencharakter von Komplexen und sagte, dass Komplexe personifiziert auftreten, ja wie Geister erscheinen mögen, in Fällen von Psychosen gar als Stimmen erscheinen.(ibid, Para 203) In manchen Fällen sind dies nicht Geister oder Symptome vonPsychosen sondern Hinweise auf unbewusst weitergegebene, transgenerationelleTraumata.Mir ist es häufig in meiner psychoanalytischen Arbeit mit Menschen begegnet, dasswenn Traumata oder sehr schweres Leid, nicht durchgearbeitet worden ist, sondernvergessen, verdrängt oder abgespalten geblieben, dass es dann zu sehr starken,gefühlsbetonten, familiären Komplexen gekommen ist die weitergereicht wurden, vonGeneration zu Generation. Oft fiel es einem später geborenen Mitglied der Familie zu, dieseelische Arbeit zu leisten diese bewusst zu machen. Besonders wenn schwereindividuelle oder kollektive Traumata oder wohl gehütete Geheimnisse ihre Spuren imUnbewussten hinterlassen haben, werden wir die Träume, Symbole und seelischeFragestellungen unserer Analysand/innen besser verstehen, wenn wir in der Analysetransgenerationelle Gesichtspunkte miteinbeziehen.Jung war ein Pionier dessen, was wir heute die Erforschung der TransgenerationellenÜbertragung nennen. Schon sehr früh empfand er den Einfluss von Ahnen auf seineeigene Entwicklung; er schrieb dazu in seinen Memoiren:

„...mir ist die merkwürdige Schicksalsverbundenheit deutlich geworden, die mich mitden Vorfahren verknüpft. Ich habe sehr stark das Gefühl, dass ich unter dem Einflussvon Dingen oder Fragen stehe, die von meinen Eltern und Grosseltern und den weiteren

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Ahnen unvollendet und unbeantwortet gelassen wurden. „ (C.G. Jung, Erinnerungen,Träume, Gedanken, Patmos Verlag, 2011, p. 258Es kann sein dass „die familiäre Konstellation so stark (ist), dass dem Streben nach derIndividualität bloss der schmale Raum der Neurose bleibt.“ (CW 4, para 715)

Natürlich ist nicht alles traumatisch was uns von unseren Vorfahren weitergegeben oderübertragen worden ist; nicht alles bedarf der Analyse oder Behandlung; denn dieÜbertragung kann ja auch dazu dienen, dass wertvolle Erfahrungen und Entdeckungenübertragen werden; Bilder und Einsichten, Talente und Fähigkeiten, aber meistens gehtman deshalb nicht in Analyse.

Nach dieser Einführung möchte ich Ihnen nun die Definition und Forschungen zum

transgenerationell weitergegebenen Trauma mitteilen und ein paar Modelle vorstellenwie es zu so einer transgenerationellen Übertragung kommen kann.

Transgenerationell weitergegebene Traumata – Definition und ForschungDer Begriff Trauma ist uns mit seinen psychologischen Folgen seit dem Ersten Weltkrieg

bekannt; Trauma kommt aus dem Griechischen: traumatikos heisst Wunde. Es gibt vieleDefinitionen von Trauma, gemeinsam ist diesen, dass Trauma die Folge eines denMenschen überwältigenden, schmerzhaften Erlebnisses ist. „Ein psychisches Trauma istein vitales Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren undindividuellen Bewältigungsmöglichkeiten, das mit Gefühlen von schutzloser Preisgabeeinhergeht und so eine dauerhafte Erschütterung von Selbst und Weltverständnis

bewirkt.“ (Fischer und Riedesser, in: Rauwald, S. 47) Es kann sich um die tatsächliche

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oder angedrohte Gefahr von Tod oder schwerer Verwundung handeln, akute Gefahr alsofür die Unversehrtheit der eigenen Person oder anderer, durch psychische, physischeoder sexuelle Gewalt, Krieg, Tortur, Geiselnahme, natürliche oder von Menschenverursachte Katastrophen, Unfälle, eine lebensgefährliche Krankheit.„Traumata sind überwältigende Ereignisse, sie überschwemmen und überfordern dieBetroffenen, so dass diese die bedrohlichen Situationen, Bilder und Gefühle nichtverarbeiten können.“ (Schmidt, p. 30) Diagnostisch kann es zu einer posttraumatischenBelastungsstörung (PTSD) kommen, bei sehr langzeitigen Belastungen zu einer complexPTSD (DESNOS, Disorders of Extreme Stress Not Otherwise Specified). (add criteria)Aber diese diagnostischen Hilfsmittel greifen zeitlich viel zu kurz; Traumata werfenSchatten auf die Seele, über Generationen, oftmals über Jahrhunderte.Ein traumatisches, also überwältigendes, oft schmerzhaftes Erlebnis, kann beim direktBetroffenen gegebenenfalls nicht im expliziten sondern nur im impliziten Gedächtnisgespeichert sein. In der Praxis stehen wir also vor der folgenden Frage: „Wie könnenzwei Menschen über etwas sprechen wovon eine Person, (Patient) nicht weiss, dass essie/ihn angeht und die andere Person (Analytiker/in) nicht weiss, worum es(überhaupt) geht. Wie kann ein Patient in einer Geschichte involviert sein die zu

jemandem anderen gehört?“ (Faimberg, p. 7) Wenn das Trauma einst nur im implizitenGedächtnis gespeichert war konnte es ja nicht angeschaut, emotional erfahren undverarbeitet werden!„Die Übertragung zwischen Generationen ist oft ein unsichtbares Objekt in derPsychoanalyse.“ (Faimberg, p. 2) Es geht also um eine analytische Haltung das NichtWissens. Im Wissen um dieses Nicht Wissen, lohnt es sich einen geschulten Blick auf

diese Ebene zu werfen, ein hellhöriges Ohr zu haben. In der Praxis erfahre ich, dass eintransgenerationell weitergegebenes Trauma Spuren in der Seele hinterlässt, die sichnoch Generationen später auswirken. Was immer einem Menschen traumatischwiderfahren ist und diesen seelisch überfordert, ja überwältigt hat, und von diesem auchspäter nicht angeschaut und aufgearbeitet hat werden können, das kann bei späterenGenerationen zu Symptomen führen.„Heute wird unter ‚transgenerationaler Weitergabe’ verstanden, dass dieElterngeneration an die Generation der Kinder und Enkel ihre Vorstellungen,Verhaltensweisen, Scham und Schuldgefühle, aber auch ihre Geheimnisse undunverarbeiteten Traumata weitergibt.“ (Rauwald, p. 50)

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Auf den ersten Blick mag transgenerationell weitergegebenes Trauma späterenGenerationen als eine mühsame, oftmals als ‘unverdient’ empfundene, äusserst

beschwerliche, wenn überhaupt zu bewältigende Bürde anmuten. Es mag sich aber alsWunder herausstellen, das transgenerationell weitergegebene Trauma zu entdecken.Wenn man sich dieser Bürde annimmt, kann es dem Einzelnen erlauben zur Heilung, imSinne von psychischer Ganzheit fortzuschreiten, bisweilen auch zur Erkenntnis desSinns des Lebens. Das Erkennen von transgenerationell weitergegebenen Traumataträgt zur Entlastung nachkommender Generationen bei, und, so meine spekulativeThese, es trägt möglicherwiese auch zur Erlösung der Seelen von diesen Altlasten jener

bei, die vor uns waren und nicht mehr sind. Wenn wir uns mit der transgenerationellenWeitergabe von T T T (Transgenerational Transmission of Trauma) beschäftigen, istdann ein Heilen vorwärts und rückwärts möglich? Jung dachte dass Zurückphantasierendie Vergangenheit verändern kann (zitiert in Faimberg, p. 110) und ich werde darauf inmeinem letzten Kapitel noch näher eingehen.Bei der Bearbeitung von transgenerationell weitergegebenen Traumata geht es alsonicht darum, dass ein einzelner Mensch sich mit den traumatisch erlebten Inhalten im

persönlichen Unbewussten auseinandersetzt, sondern mit Inhalten, die mehrereGenerationen zurückliegen können. Traumata können übertragen oder weitergegebenwerden, von A nach B, vom Ich zum Du, nicht nur zwischen den Generationen sondernauch zwischen zwei Partnern, Freunden, zwischen Eltern und Kindern. Sehr oft findetman in der Praxis, dass ein Trauma, oder auch ein Familiengeheimnis, nicht nur von Anach B weitergegeben wurde, und von B erkannt und aufgearbeitet wird, sondern oft istes C, dem diese Aufgabe zufällt, dem Enkel oder der Enkelin, in manchen Fällen Nichten

und Neffen, auch Ur enkel/innen. Das Spannende daran ist, dass sich diese Menschen –über Generationen getrennt, nie direkt begegnet sind; und doch „treffen“ sie sich imTraum oder über Symptome welche auf lang vergessene Traumata aufmerksammachen.Für die Betroffenen bedeutet ein transgenerationelles Trauma, das sie oft unbewusst insich tragen, eine tragische Einschränkung ihrer eigenen Entwicklungsmöglichkeiten(Rauwald, Faimberg, Coles). Es ist wie wenn die eigene Subjektivität zu mehr oderweniger grossen Anteilen verloren geht oder nicht zugänglich ist. Die Beziehung vomIch zum Selbst und vom Ich zum Du, sowie zum Anderen ist erschwert; Faimberg sprichtvon einer unerträglichen „Leere“ weil der Innenraum zu voll („overfull“). In Fällen von

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transgenerationell weitergegebenen Traumata gibt es nicht genug Platz! Weder für das

Ich, noch für das

Selbst, noch für denanderen wirklich, da„andere“ diesenPlatzeinnehmen. Ich binwie „n ich t“.„Vererbte Wunden“(Rauwald) „verschlucken“ wieTeile des Ich und des Selbst – und ich erachte es als eine sehr lohnende Aufgabe, diese

von dem „Schutt von Jahrhunderten“, so formulierte es eine Betroffene, zu befreien.Weitergegebenes Trauma kann dazu führen, dass Nachgeborene „ihre wahre Identitätnicht entfalten“ können, dass „die Identität tief beschnitten“ wird. (Schmidt, p. 71)Manche die von diesem Leid betroffen sind, beklagen ein Gefühl von Verwirrung, vonKonfusion (Zusammen Schmelzen), sprechen von „ich fremden“ Gefühlen, Bildern,

psychischen Inhalten. Manche beklagen auch ein Gefühl von Wurzellosigkeit oderextremer Ambivalenz (Coles).Die Arbeit mit transgenerationell weitergegebenen Traumata ist eine Arbeit auf demTrapez, über dem Familien-Abgrund, oftmals „ohne Netz“ (Allais)! Das FamiliäreUnbewusste kann uns, besonders wenn in früheren Generationen Bedrohliches gab, alsabgründig erscheinen und der Schritt es zu ergründen als waghalsig. Über diesemAbgrund hören wir oft nur wie von ferne ein Echo... Manche fühlen sich angesichts

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dieser Aufgabe energielos, sie beklagen eine grosse Müdigkeit – vielleicht sogarLebensmüdigkeit. Wenn man über einem solchen Abgrund schwebt, dann kann esgefährlich sein, alleine mit den unbewussten Inhalten transgenerationellweitergegebener Traumata zu sein. Es ist wichtig dann eine Person zur Seite zu haben,die einem hilfreich zur Seite steht, beim schrittweisen Verstehen einer historischen Last,die man oft ohne es zu wissen, zu tragen bekommen hat. In Fällen wo es um das Bösegeht, ist es vital, nicht dem Bösen direkt in’s Auge zu schauen, sondern wie beim Kampfgegen die Medusa, über einen Spiegel reflektiert, die Schlangen zu bekämpfen.Wenn es innen „zu voll“ ist von „anderen“, kann es zu einem Gefühl von Leere, vonAbgrund kommen. Abgrund und Leere sind häufig gebrauchte Metaphern wennMenschen diesen Balance Akt beschreiben transgenerationell weitergegebene Traumatazu erkennen und diese zu aufzuarbeiten. Diese Vorstellung von einer Art Nichts, odereinem schwarzen Loch, oder einem „weissen Fleck“ oder einer „verbotenen Kammer“(Wieland Burston, München), drückt bildlich aus, dass die Vorfahren, die direkt vonLeid, Krieg, Grausamkeit überwältigt waren, das was sie überwältigte sich nichtanschauen konnten und so ein Bewusstseinsraum unausgefüllt oder unbesetzt bliebt.„Trauma zerstört die Fähigkeit zu erkennen, zu symbolisieren, zu erinnern und reisst einLoch in der Seele.“ (Fromm, meine Übersetzung).Margaret Wilkinson, Jungianerin und Vertreterin der neurowissenschafentlichenForschung (Shore, Fonagy et al), schreibt: „in der Konstitution unseres Wesens, dasdurch unsere frühesten Erfahrungen geformt wird, hören wir die Stimmen derVergangenheit, als Echo über Generationen hinweg.“ („Changing Minds in Therapy,Emotion, Attachment, Trauma and Neurobiology, Norton, 2010 p. 64).

Bei Trauma bleiben die erlebten und geschauten Ereignisse im impliziten Gedächtnis, inder rechten Gehirnhemisphäre, und sind wie durch eine undurchlässige Mauer –Jahrzehnte oder gar lebenslang – getrennt vom expliziten Gedächtnis (linkeHemisphäre). Das so im familiären Unbewussten als höchst emotionell aufgeladeneraber unbewusster Komplex gelagerte, kann als Abgrund, Loch oder als Leere gespürtwerden. In späteren Generationen kann es dann vielleicht nur erahnt werden, es istunbewusst bedrohlich.Die rechte Gehirnhemisphäre ist für Affekt und Selbstmodulation zuständig (Rauwald,

p. 50) und die rechte Gehirnhälfte reguliert den Körper (Coles, p. 90); so erkläre ich mirdass bei Betroffenen sich die Symptome nicht nur psychisch sondern auch körperlichäussern können, und dass es in manchen Fällen auch fehlende Affektmodulation

beobachten kann, wieunkontrollierbare Wutausbrüche oderauch Selbst oderFremdaggression. Eventuell sindauch Fälle von „hyperarousal“(Hyper Erregung) unterdiesem Gesichtspunkt zu verstehen,wenn man mit Coles (p. 91) bedenkt,dass erst der

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wieder „in one’s right mind“ ist, der gelernt hat die Hyper oder Übererregung zuverstehen und zu beruhigen.Wenn die solches auslösenden, übertragenen Inhalte ins Bewusstsein gehoben werdenkönnen, dann wird graduell der Abgrund weniger „tief“ erscheinen selbst wenn rechtAbgründiges darin erschaut wird. Der erkannte Abgrund kann gar zu einer Quellewerden, die neue Lebensbereiche, neue Äste im Stammbaum bewässern und wachsenlassen kann. Behutsam angegangen können transgenerationell weiter gegebeneTraumata erkannt, benannt und behandelt werden, so dass was einst gewesen istGeschichte wird und so der Betroffene frei wird seine eigene Geschichte zu leben.Erkannte Geschichte kann den Betroffenen dann ins eigene Leben, in die eigeneGeschichte hinein frei „entlassen“...Die Auf und Entdeckung in der Analyse von transgenerationellen Inhalten desfamiliären Unbewussten kann das Bewusstsein des Betroffenen erweitern und dazuführen, dass der Mensch sich wieder ganz, also heil, fühlt. Dies kann geschehen mit Hilfevon Symptomen, Symbolen oder Synchronizitäten, dank des Erkennens von Schicksalenoder psychischen Inhalten früherer Generationen zum Beispiel in unseren Träumen,aber auch mit Hilfe von Übertragung und Gegenübertragung.So wir diese Inhalte erkennen, und zwar als solche, die weit über unsere Zeithinausreichen, können wir auch unser Schicksal erfüllen: wenn wir uns diesen Inhaltenstellen, sie zu erkennen suchen. Denn angeschaut und vielleicht sogar bis zu einemgewissen Masse integriert, werden diese seelischen Inhalte an spätere Generationennicht mehr unbewusst weitergegeben; wenn sie denn weiter gegeben werden, sozumindest geläutert.

(läu|tern [V.1, hat geläutert; mit Akk.] 1 etwas l. klar machen, klären, vonunerwünschten Bestandteilen befreien; eine Flüssigkeit l. 2 jmdn. L. reifer machen, zumÜberwinden von Fehlern bringen; das Unglück, das Leid, seine schwere Krankheit hatihn geläutert).Falls wir uns nicht über die Schicht des familiären Unbewussten bewusst werden, oderfalls diese Ebene in der Analyse ausgespart bleibt, nicht behandelt wird, kann es zuunangenehmen, leidvollen oder gar gefährlichen Wiederholungen kommen. Wenn wiruns aber der transgenerationnell weitergereichten Traumata annehmen, und die sounbewusst übertragenen oder „ererbten“ Komplexe bewusst machen, dann leisten wirvielleicht nicht nur uns, sondern sogar jenen, die nicht mehr am Leben sind, mit dieserArt von innerer Arbeit, einen Dienst, posthum. Und wir schreiten auf demIndividuationsweg voran, wir werden mehr „ich“, mehr „ich selbst“, je mehr wirerkennen in wie weit wir von anderen Inhalten, von anderen Generationen in unserem

psychischen Leben wie „besetzt“ worden sind.Ein Beispiel aus der Praxis:Ein etwa 60jähriger Mann kam zu mir in die Praxis weil er an Angst litt, mit nächtlichenAlpträumen. Er war mir von seinem Arzt überwiesen worden, nach einem Panikanfall ineinem Einkaufszentrum; der Patient meinte einen Herzanfall zu erleiden und hielt sichan der Perlenkette einer ihn begleitenden Frau so sehr fest, dass er sie beinahe erwürgthätte. Diese Frau war seine Schwägerin, die Witwe seines Bruders, der mit knapp 50Jahren ein paar Jahre vorher verstorben war. In dieser ersten Stunde erzählte er mirauch, dass er fast jede Nacht mit einem herzerschütternden Schrei aufwache, der in

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seiner Brust wie gefangen war, wie festgeklemmt in seiner Gurgel.Ich versuchte das nachzufühlen, zu erspüren, wie es ihm erging. Das gelang mir nicht.Stattdessen roch ich etwas Seltsames; das „etwas“ roch wie Asche. Hatte er Todesängste,der Bruder war so früh gestorben? Warum? Wieso wollte er –wenn auch unbewusst –sich am Leben festklammernd dabei die Frau seiner Bruders erwürgen? Wozu dernächtliche Schrei, der wie er sagte einfach nicht raus kam, sondern in einem kläglichen

babyhaften Wimmern stecken blieb?

Ich folgte nach einigem Überlegen meiner Intuition die mich etwas Seltsames riechen

liess und fragte ihn: „Könnte es sein, dass ich Asche rieche?“ fragte ich meinen Klienten,und ob das eine Bedeutung für ihn habe. Er schaute mich mit grossen Augen an: „Ja“sagte er, „wir haben die Asche meiner Mutter auf einem Hügel verstreut, so wie sie eswollte, weit weg von ihrer Heimat.“ Nachdenklich fügte er hinzu: „Ich habe sehr langenicht mehr an sie gedacht; sie war aus Land X, sie hatte meinen Vater während desKrieges kennengelernt und geheiratet und war ihm gefolgt nach Land Y.“Es stellte sich heraus dass diese vor Jahren verstreute Asche seiner Mutter ganzwesentlich mit dem jetzigen Leiden meines Klienten zu tun hatte. Der Schrei, der in derKehle meines Klienten steckengeblieben war nicht der seinige. Es war der Schrei

seiner Mutter und seiner Grossmutter. Nach gut zwei Jahren kam dieser Schrei endlichraus, in meiner Praxis, so laut, dass ich dachte man werde mich raus schmeissen... (sic!)

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Die Geschichte, die mein Patient Zeit seines Lebens in seiner Brust unbewusstherumgetragen hatte, war eine vielschichtige; die folgende Ebene davon kann ich Ihnen,mit Einwilligung des Patienten, mitteilen: seine Grossmutter war nämlich nicht seineGrossmutter. Seine Mutter war die Tochter des Dienstmädchens, die schwanger, nachder Entdeckung einer Affäre mit dem Herrn des Hauses, davongejagt geworden war. Alsdas Kind der Hausherrin kurze Zeit danach vorzeitig verstarb, wurde das Kind demHausmädchen weggenommen und als quasi eigenes adoptiert und aufgezogen.

Dieses Kind war die Mutter meines Klienten, die nichts davon wusste: nicht dass ihreMutter nicht in Wahrheit ihre Mutter war, und nicht dass ihre eigene Mutter irgendwoweit weg nach ihrem Kinde schrie, und nichts davon wusste, dass etwas in ihr nach ihrerwahren Mutter schrie ... kurz vor ihrem Tod soll die Mutter es dann doch noch erfahrenhabe, aber sie hatte es keinem erzählt, so sagte mir mein Patient.Er wollte ja schon meinem Riecher folgen, aber zögerte und zögerte – bis ihm ein Traumschliesslich sagte: „Du musst ein Flugticket lösen, Du bist schon viel zu spät dran, Dumusst da und da hin und nachschauen, was da war. Und dort fand er in den Archivenvon Land X die Wahrheit, und dazu noch einige Halbgeschwister und Cousins sowie dasGrab der echten Grossmutter.Eigentlich war er der Dynamik des Schreis gefolgt des Schreis der Ungerechtigkeit, derVerzweiflung, der unendlichen Trauer und des nicht wieder gut zumachenden Verlustesder ihm das Herz hätte zerreißen wollte. Was der Mutter widerfahren war, einGeheimnis, das sie gar nicht hüten musste, da es ihr selbst nicht bis kurz vor ihrem Todoffenbart worden war, hatte seelische, vielleicht auch körperliche Folgen für sie und ihre

Kinder.Was die Grossmutter an traumatischen Ereignissen erlebt hatte, blieb dem Enkel zuentdecken. Dass diese Erfahrungen des Weiblichen, über drei Generationen, nicht ohneFolgen für meinen Patientin und seine Beziehung zur Anima und den Beziehungen zuFrauen in seinem Leben blieb, ist eine seelische Tatsache, ebenso wie die unterdrückteWut gegen das Männliche. Aus der Asche seiner Beziehungen, so blieb zu hoffen, konnteauf dem Boden der neu entdeckten seelischen Realität, ein Phönix sich erheben – einMann, wieder verbunden mit seiner Seele, der Seele seiner Mutter und der Seele seinerGrossmutter.Jahre nach der Analyse, teilte mir der Analysand mit, dass er im Heimatland seinerMutter eine Familienzusammenführung plante. Er nahm Steine mit von dem Hügel, woeinst die Asche seiner Mutter, weit weg von ihrer Heimat und ihrer Mutter, verstreutworden war, und legte sie am Grab seiner Großmutter nieder.An einer Stelle vergleicht Jung das Unbewusste, ich würde sagen, das familiäreUnbewusste, mit dem Land der Toten. Jung schrieb“…denn das Unbewusste entsprichtdem mythischen Totenland, dem Lande der Ahnen.” (C.G. Jung, Erinnerungen, Träume,Gedanken, p. 213)

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Modelle zum Verständnis der transgenerationellen ÜbertragungWie kann man das erklären? Es gibt verschiedene Modelle, aus psychodynamischer,soziologischer, entwicklungs- und familientherapeutischer Sicht, sowieneurobiologische, genetische und epigenetische Forschungsbeiträge.

Die transgenerationelle Übertragung wurde von systemischer undfamilientherapeutischer Sicht ab den 1950er, 1960er Jahren erforscht; insbesondere dieHolocaust Forschung (Epstein, Kogan, Wardi) hat wertvolle Pionierarbeit geleistet; siefand bei der zweiten und dritten Generation von Überlebenden der Shoah, Symptome,

die auf die von ihren Vorfahren erlebten, schweren Traumata hinwiesen.Auch die Schicksalsanalyse (nach Leopold Szondi) mass ab 1950 dem familiärenUnbewussten grosse Bedeutung für das Schicksal des einzelnen bei, das familiäreUnbewusste als „Sitz und Wartesaal der Ahnen“ von wo aus die „Ahnenfiguren“... „dieWahlhandlungen eines Menschen (lenken) ...mit dem Ziel, im Leben eines Abkömmlings... zurückzukehren“. (damals war noch die Annahme, dass diese Existenzformen

psychische Korrelate genetischer Strukturen sind, umstritten). (siehe www.szondi.ch)Es gibt inzwischen viele Beiträge zu dem Thema der transgenerationellen Weitergabe,dankenswerterweise auch jungianische Perspektiven.

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Christian Roesler schreibt über “Das gemeinsame Unbewußte unbewußteAustausch und Synchronisierungsprozesse in der Psychotherapie und in nahenBeziehungen, in der Zeitschrift der Analytischen Psychologie (2013).

p. 5 “Einen aktuellen und fundierten Überblick über das Forschungsfeld gibt Rauwald(2013). So wird insbesondere in Israel in den Familien der überlebenden Opfer derShoah beobachtet, dass die zweite und mittlerweile auch die dritte Generation, das heißtdie Kinder und Enkel der Opfer, massive Symptomatiken aufweisen, die demErscheinungsbild von Traumafolgestörungen hochgradig ähneln, wobei die Betroffenennachweislich keine eigene Traumatisierung erfahren haben. Das Phänomen ist umsostärker ausgeprägt, je stärker die erste Generation traumatisiert wurde undinsbesondere je weniger sie darüber mit den Nachkommen gesprochen hat.“

Auf die Arbeiten der folgenden jungianischenKolleginnen möchte ich besondershinweisen:Dafnea Sorgedrager hat sich in „Familienwahrheiten.Spurensuche in uns“, (VerlagSchmidt, 2007), mit dem Fortwirken vonFamiliengeheimnissen und mythen befasst; inihrer Praxis hat sie oft erlebt, wie unverarbeiteteKonflikte der Eltern sich bei denKindern in psychischen und physischen Blockadenäußern. Bekanntlich arbeitete auch

Jung mit Träumen der Kinder, falls der Erwachsene(Elternteil) sich nicht an seineTräume erinnern konnte.Erika Prümm hat in einem poetischen Buch Zeugnisvon der transgenerationellenTraumata Übertragung abgelegt, in “Elas unfertigesErinnern”(Ingrid Lessing Verlag,2009) das sich mit den tiefen Wunden beschäftigt, dieKinder in sich tragen, derenEltern von den Erfahrungen des 2. Weltkrieges geprägt

waren.Helga Thomas hat in einem Gedichtband sowie in autobiographischer Prosa sich denexistentiellen Fragen dieses transgenerationellen Dialoges zugewandt. (Helga Thomas,Als das Mondkind im Wasser ertrank, Möllmann, 2012, Kriegskindheit, Möllmann, 2012)

Wenn ein Mensch Hilfe sucht, weil er tief in der Seele, am Körper, oder am Geist leidet,wird dieser Mensch beim Jung’schen Analytiker auf Verständnis und Begleitung hoffendürfen, bei der Gratwanderung, der es bedarf Bewusstes von Unbewusstem zuunterscheiden, und letzteres dem ersteren zuzuführen. Als Analytiker sollten wirdeshalb sorgsam darauf achten, ob die seelischen Konflikte und Inhalte von weit herkommen, von früheren Generationen.Sigmund Freud hat uns mit seiner Pionierarbeit, die Zugänge zum persönlichen

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Unbewussten eröffnet; Freud sprach aber auch von „Erinnerungsspuren an das Erlebenfrüherer Generationen“ (Der Mann Moses und die monotheistische Religion. In. S.Freud: Fragen der Gesellschaft, Ursprünge der Religion. Studienausgabe. Bd. IX, S. 455481);Carl Gustav Jung entdeckte im persönlichen Unbewussten jene Kräfte die unbewussteseelische Komplexe auf uns ausüben können, und postulierte die Existenz vonuniversalgültigen Archetypen und Symbolen im kollektiven Unbewussten, deren Bildereinen grossen Einfluss auf unser Leben und in unserer Seele ausüben können.Zwischen diesen zwei, an sich schon enorm anmutenden Schichten des Unbewussten,dürfen wir uns dazu noch das familiäre und das kulturelle Unbewusste vorstellen.Mit dem folgenden Diagramm möchte ich diese Schichten veranschaulichen:

Schichten des Unbewussten

EgoPersönlichesUnbewusstesDasFamilienunbewussteDas kulturelle UnbewussteDas kollektive UnbewussteSelbst

(Man könnte es sich in auch konzentrischen Kreisen vorstellen.) Text: K. SchellinskiZwischen dem individuellen und dem kollektiven Unbewussten, gibt es die Schichtendes kulturellen und des familiären Unbewussten. In Fällen von schweren individuellenoder kollektiven Traumata, aber auch von Geheimnissen, können diese auf spätereGenerationen übertragen werden. Das familiäre Unbewusste definiert mein belgischerKollege Michel Cautaerts wie folgt: „das familiäre Unbewusste sind all jeneVerhaltensweisen, die aus der Zugehörigkeit zu einer Familie stammen, denen sich einSubject anpasst ohne es zu wissen.“ (Cautaerts : Je tu ! il – Psychanalyse etmythanalysedes perversions (De Boeck 2010)Verschiedene Modelle geben Erklärungen wie solche Übertragungen zustande kommen,entweder als Inhalte oder über Prozesse, die solche Inhalte übertragen.Psychodynamische Modelle benennen die unbewusst übertragenen Emotionen ininterpersonellen Beziehungen, familiensystemische Theorien schauen auf Verhalten,Kommunikation oder das Ausbleiben von Kommunikation, soziokulturelle Erklärungenauf Erziehungsmethoden und Modelle, biologische Theorien erforschen dieneurobiologische und epi /genetischen Weitergabe. (siehe: Integratives Modell vonKellermann)

Hochtraumatische Erlebnisse, wie Erlebnisse im Krieg, alle Arten von Gewalterfahrungoder Missbrauch werden oft von einer Mauer von Schweigen umgeben; so schützt sichzunächst der betroffene Mensch und „überlebt“, oder versucht auf diese Weise auch die

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Nachgeborenen zu schützen. Doch nichts spricht lauter als das Schweigen um einensehr schmerzhaften oder peinlichen Komplex herum.Es kann zu einer Übertragung von Arten der Selbstrepräsentation kommen (HeikeGlaesmer et al. “Transgenerationale Übertragung traumatischer Erfahrungen,” in Trauma& Gewalt, 5. Jahrgang, Heft 4/2011): angeschlagenes Selbstwertgefühl, veränderteIdentitätsgefühle, Schuldgefühle.

Wenn ein Kind versucht, den Elternteil psychisch zu tragen, spricht man von parentifizierten Kindern, das Kind wird dann auch die seelische Last des Elternteils mittragen. Gerade der Sohn der Autorin die diese Parentifizierung aufdeckte kann es ersterHand bezeugen. Im Buch von Martin Miller, dem Sohn von Alice Miller lesen wir ineinem späten Brief an ihn: „Ich habe mich in viele Menschen einfühlen können, nur inmeinen Sohn konnte ich es nicht... Gerade bei ihm fehlte mir die Empathie. Trotzmeiner Ausbildung ist es mir nicht gelungen, diesem Schicksal zu entgehen.“ In MartinMiller: Das wahre „Drama des begabten Kindes“. Die Tragödie Alice Millers, Kreuz,Freiburg, 2013) Er hatte es nicht gewusst dass seine Mutter 1940 aus dem WarschauerGhetto entflohen war, und auch sie schrieb dass sie erst mit über 60 erkannte dass siemit einer Mutter aufgewachsen war, die sie als „grausam, zerstörerisch, ausbeuterisch,durch und durch verlogen und lieblos“ beschrieb.Je mehr ein Eltern oder Grosselternteil psychische Verteidigungsmechanismengebraucht, wie Vergesssen, Verleugnung, Verdrängung von zum Beispiel negativenGefühlen, oder projektive Identifikation oder Identifizierung mit dem Angreifer oderdem Opfer, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Inhalte übertragen werden

können: Bilder, die gesehen und erlebt wurden, aber auch seelische Bilder, könnenübertragen werden. Wenn es kein übertragenes Bild gibt, kann es Bilder vom Nichtsgeben, die werden auch übertragen: der schwarze Fleck (da sieht man ja noch was) odergar ein weisser Fleck oder die verbotene Kammer (Wieland Burston), die Leere, derAbgrund... Die aussergewöhnliche Anstrengung und Leistung sich den Abgrund oder das

Nichts dann anzuschauen, und dabei nicht hinein zu fallen, fällt oft einemFamilienmitglied, ein, zwei, drei oder gar mehr Generationen später zu.Systemisch orientierte Therapien wie auch Familienaufstellungen nach Bert Hellinger(siehe auch Daan van Kampenhout: Tränen der Ahnen, Carl Auer Verlag, Heidelberg,2010,) werden versuchen jene mit einbeziehen, die abwesend sind, denn ohne das, wasausgeschlossen ist, wird die wichtige Arbeit der Integration nicht gelingen.Von der Jung’schen Analytischen Psychologie her können wir die Übertragung mit Hilfeder Komplextheorie verstehen: Komplexe formen sich im Unbewussten um die Kernevon emotional aufgeladenen Erlebnissen und Ereignissen; vom Unbewussten her wirkensie dann um so stärker. Diese Komplexe oder Spuren von Komplexen können vonGeneration zu Generation weitergereicht werden. Nicht dass der Komplex bewusstweitergereicht wird, im Gegenteil, je unbewusster ein Komplex, desto grösser ist dieWahrscheinlichkeit, dass ein anderer, oft ein später geborenes Familienmitglied es mitdiesem Komplex zu schaffen bekommen wird.

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Roesler schreibt dazu (p.13): „Unter bestimmten Umständen...findet eine Interaktionzwischen zwei Personen, die im Bereich der erfahrbaren Welt körperlich getrennt sind,über den gemeinsamen potentiellen unbewussten Raum statt, in dem diese physischeGetrenntheit nicht vorliegt (vgl. auch Fach, 2011). Voraussetzung ist .... dass eineGegensatzspannung vorliegt, hier in der Psyche der Person 1, wobei ein Pol unbewusst,verdrängt oder abgespalten ist. Bilden die beiden Personen ein verschränktes System,indem sie ein gemeinsames Unbewusstes/interaktives Feld gebildet haben, dann lässtsich vorhersagen, dass der unbewusste Pol des archetypischen Gegensatzpaares ausdem potentiellen Raum in die Person 2 transferiert wird und sich dort manifestiert (z.B.in einem Traum oder Synchronizitätsphänomen).“Mit Hilfe des Übertragungsdiagramms von Jung können wir uns auch veranschaulichenwie Komplexe transgenerationell übertragen werden können. Wann immer sich zwei

Menschen begegnen, werden beide Unbewusste und Bewusstseine miteinander inKommunikation stehen und die jeweils mit Emotion aufgeladenen Komplexe können„zueinander“ in Beziehung treten.

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Über die manchmal recht subtilen und weitgehend unbewussten „Übertragungen“, dieaber schwerwiegende Konsequenzen über Generationen hinweg haben können, solltenwir uns bewusst werden. Ab der ersten Stunde, sollte der transgenerationelle Kontext

bewusst mit einbezogen werden. Ansonsten laufen wir Gefahr, dass wir eine wichtigeEbene in der Analyse übersehen. Wir sollten also schon während der Anamnese, zuBeginn der Analyse, nach den Groß Eltern und Ur Groß Eltern fragen, nach derenLebensumständen und Beziehungen zum Analysanden; später mögen wir uns einenStammbaum anschauen um nach Wiederholungsmustern Ausschau zu halten und einGenosoziogramm (Schützenberger) entwerfen.

Wenn wir es mit transgenerationell weitergegebenen Traumata zu tun haben, könnenTräume und Symptome die auf den ersten Blick nichts mit dem Träumer oder Analysandenselbst zu tun haben scheinen, uns einen Hinweis geben; die Inhalte wirkenunter Umständen

„Ich-fremd“ oder kommen wie „von weit her“.Ein Beispiel aus der PraxisVor kurzem kam eine junge Mutter mit ihrem Erstgeborenen, drei Monate alten Baby indie Praxis. Die Mutter sagte, sie habe die Geburt als Überraschung erlebt. Immer wiederwenn sie mir die Geburt beschrieb, fiel das Wort Überraschung, gemischt mit der Sorge,dass es einige Tage gebraucht hätte, bevor sie ein Gefühl der Verbindung mit ihrem Kindhatte entwickeln können.Dann erzählte sie mir einen Traum, wo sie nicht nur ein Baby zur Welt bringt sondernzwei und das zweite ist ein winzig kleiner Fötus. Sie vergisst dieses winzig kleine Wesenzu füttern und fühlt sich furchtbar schuldig dabei. „Ob sie oder ihre Mutter denn einKind verloren hätten?“ frage ich. Nein, nicht dass sie wüsste. Ich frage: „und ihreGrossmutter?“ „Ach, herrje!“ Nun erinnert sie sich, dass die Grossmutter der Mutter

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drittes Kind mit dem Vorwurf begrüsste: „Was? Noch ein drittes Baby? Hast Du Dirüberlegt, was das heisst!“ Nun so war es denn schon einmal so geschehen: schon dieMutter meiner Klienten war eine „Überraschung“ gewesen, ein ungewolltes Kind, das dieGrossmutter versucht haben soll abzutreiben. Die Mutter war wohlauf geboren worden,aber das Bild des abzutreibenden Fötus war im Unbewussten lebendig geblieben – überzwei Generationen hinweg. Wenn jetzt diese junge Mutter (3. Generation) sich nichtdessen bewusst geworden wäre, hätte ihr kleines Baby diese Last – unbewusst – in sichweiter tragen müssen. Die Konsequenzen einer potentiellen zukünftigenBindungsstörung waren absehbar in der Sorge der Mutter nach der Geburt keinerichtige Verbindung zu ihrem Baby empfunden zu haben.Wenn ich diesen Traum oder diese analytische Szene subjektstufig, als zu meinerAnalysandin gehörend angesehen hätte, im Sinne von „verhungerndem innerem Kind“wäre Wesentliches übersehen worden, wenn nicht sogar ein Unrecht geschehen, ihrgegenüber und ihrem Baby gegenüber. Auch wenn wir auf die archetypische Ebene„gesprungen“ wären, und uns den Mutter Archetypus, mit den zwei gegenseitigen Polen,die nährende Mutter und ihr Gegenteil, Kali, die zerstörende, nicht nährende Mutter,angeschaut hätten, hätten wir eine Chance zur Heilung und Versöhnung verpasst, für dieKlientin und ihr Kind, und auch für die Mutter und Großmutter. Erst wenn wir dietransgenerationelle Ebene mit einbeziehen, kann die innere Arbeit des Erkennens

beginnen, dessen, was vor langer Zeit geschehen ist, und was unter Umständen wie einHindernis den Weg zum Selbst für spätere Generationen versperren mag. Das Ich kannnur schwer zum Selbst oder auch zum Anderen eine Beziehung haben, wenn es voll„Leere“ ist, oder aber über voll mit Inhalten aus vorhergehenden Generationen.

Wenn wir aber den Weg gehen um zu erkennen was unerkannt geblieben war, ist dasSelbst konstelliert, der Archetyp der Ganzheit. Als Analytiker haben wir die Fähigkeitund damit die Verantwortung dem Menschen der zu uns kommt zu helfen, auf dem Wegzur Bewusstseinsfindung, auch über die Vergangenheit und die Vorfahren zureflektieren und sei es um nicht dem Wiederholungszwang, der Projektion oder anderenleidlichen Verteidigungsmechanismen anheim zu fallen. Wir wissen zu gut, dass der Poldes Komplexes der unbewusst geblieben ist, nur zu gerne auf den anderen projiziertwird. Dies ist menschlich, kann aber eine wahre Gefahr für den anderen, den Nächsten

bedeuten.Ein Beispiel aus der PraxisIch habe über viele Jahre hinweg mit einer älteren Frau gearbeitet; sie kam in die Praxisweil sie sich um ihre beiden Kinder, die an einer Immunkrankheit erkrankt waren, fastzu Tode sorgte. Sie selbst litt an einer chronischen Krankheit und während ihrerKindheit hatte sie mehrere, schwere Brandwunden erlitten. Als sie die Analyse anfing,gab es mehrere Träume, in denen sie versuchte, dem Feuer zu entrinnen; in einemTraum sprang sie aus dem 8. Stock, von einem Balkon. Ich folgte einer Intuition undfragte, was denn vor acht Generationen geschehen war? Jahrelang fanden wir keineAntwort darauf. Als ihre Schwester starb, die an psychotischen Schüben gelitten hatte,kam Licht in die Finsternis. Die Schwester hatte Dokumente gesammelt und Liederregistriert, die dokumentierten, dass Mitglieder der Familie im 15. Jahrhundert währendder Inquisition und Vertreibung der Juden aus Spanien, verbrannt worden waren.In einem anderen Fall, arbeitete ich mit einem Nachfahren einer Hugenottischen

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Familie, die in Genf Refugium gefunden hatten, nach dem Edikt von Nantes. Es dauerteJahre bis auch nur ein Anflug von Selbstfindung möglich war; bis dahin zeigten Träume

die Träumerin immer wieder unter Betondecken verirrt, und nach Luft und Raum

suchend.Oft sind dies sehr lange Analysen. Die Entdeckung eines solchen ererbten Komplexes,eines transgenerationell weitergegebenen Traumas als der tiefere Grund des

persönlichen Leidens, kann so paradox es klingt, entlasten. Es kann dann ein längererProzess anfangen, manchmal unterstützt von einem Ritual für längst Verstorbene, die, sosieht man es manchmal in Träumen, Seelenfrieden suchen und eine Erlösung durchAnerkennung ihrer in Vergessenheit geratenen Leiden. Manchmal kann eintransgenerationell weitergegebenes Trauma geheilt werden, wenn das was abgespaltenund verschollen war, integriert wird. Manchmal können Täter und Opfer, auf dersymbolischen Ebene, über Generationen hinweg, einen Dialog aufnehmen und den Weg,nicht des Vergessens, sondern der Versöhnung einschlagen.Wenn wir in den Prozess unserer Bewusstseinserweiterung auch einen Blick werfen aufdie unbewusst gebliebenen Komplexe der Vorfahren, dann führen wir vielleicht nichtnur den Analysanden in die Freiheit und eine neue Verantwortung, sondern auch die

Nachfahren.4. Erlösung vom transgenerationell weitergegebenen Trauma

Gemäss einer Studie von Professor Perroud der Psychiatrischen Fakultät an der GenferUniversität kann man die Spuren von weitergegebenen Traumata auf der DANNnachweisen, bis zur 3. Generation. In Fällen von Kindesmisshandlung und Missbrauch,wurden Spuren von Methylisierung (methylation) am Glucocorticoid Rezeptor Gen

NR3C1 gefunden, die noch nach drei Generationen messbar waren, danach scheint es,

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dass die Transmission des Traumas nicht mehr nachgewiesen werden kann.(N. Perroud “Increassed methylation of glucocorticoid receptor gene (NR4C1) in

adults with a history of childhood maltreatment: a link with the severity and type oftrauma”, inTranslational Psychiatry (2011) 1, e59; doi:10.1038/tp.2011.60Published online 13 December 2011.)Im Alten Testament steht geschrieben:Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifriger Gott, der da heimsucht der Väter Missetatan den Kindern bis in das dritte und vierte Glied… (Luther Bibel 1912/2. Mose 20,5)In manchen meiner Fälle schien mir das weitergegebene Trauma noch deutlich spätersichtbar – nicht auf der DANN aber in Träumen.Sich selbst und andere, die Vorfahren und die Nachfahren, von der bisweilen sehrschweren Last unverarbeiteter Traumata zu befreien, die ihre Bilder und Spuren, tief imUnbewussten, aber vielleicht dennoch für uns erkennbar in der Seele gelassen haben,kann einer Erlösung gleichkommen. Dann ist der einzelne Mensch frei, oder sagen wirfreier, sein eigenes Leben zu leben, sein Wesen zu entdecken, das Potential auszuleben,das in ihr oder ihm angelegt war, aber überschattet von den unbewussten Komplexenfrüherer Generationen.

Die nachfolgenden Generationen mögen so unbelasteter in die Zukunft gehen. Und wasmag diese Art von innerer Arbeit für die Seelen der Verstorbenen bedeuten? Oderzumindest unserer Erinnerung, des Bildes unserer Vorfahren in unserer Seele?Es scheint mir manchmal als ob Inhalte des Unbewussten vorwärts und rückwärts

„reisen“, dass wir hoch und runter auf dem Stammbaum klettern können und Dinge zuwissen oder zu sehen bekommen, oft in unseren Träumen, die von verschiedenenSchichten des Unbewussten stammen. Daher müssen wir diese unterscheiden: das

persönliche, das familiäre, das kulturelle und das kollektive Unbewusste.Ist Heilen unsere Aufgabe oder eine Chance, gar Gnade? Auf einer Ebene erfolgtHeilung transgenerationell – über weite Zeit-Räume.Wir verpassen, unter Umständen, das Ziel, wenn wir denken es gehe um eineMenschenszeit oder 10 Sitzungen in Kurzzeittherapie. (Hamartia – gk, to miss the mark,Jean Yves Leloup : „Hamartia ist Sünde“)Heilt die Zeit? Oder heilen wir, in der Zeit? Ist das Unbewusste nicht zeitlos?Doch der Mensch lebt in einer chronologischen Zeitenfolge und wir sind konditioniertAbläufe in einer Zeitdimension zu sehen. Quantumphysiker sprechen von parallelenWelten (parallel universes) und statt von drei oder 4 Dimension von (fast un )vorstellbaren 9 oder 11 Dimension. Leben wir auf 3, 4 Generationen gleichzeitig,nebeneinander, im Unbewussten?Jung schrieb in seinen Erinnerungen: „Bin ich eine Kombination von Ahnenleben undverkörpere deren Leben wieder?“ (p. 346)Dies sind Fragen, auf die ich keine Antwort habe, aber es ist mir als ob ich in der Praxisden Prozess des Heilens „vorwärts“ wie „rückwärts“ beobachten und begleiten darf.Zwei Beispiele aus der PraxisIch arbeite mit zwei jungen Frauen, Anfang Dreissig; beide beklagten „ein Problem mitMännern“. In dem einen Fall, konnte sich meine Klientin erst nach dem Tod der

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geliebten Großmutter in einen heiratsfähigen Mann zu verlieben. Die Großmutter warunglücklich verheiratet gewesen war, sie war eigentlich die 2. Wahl gewesen, und ihrEhemann hatte in den späten Ehejahren ein Dreiecksverhältnis geführt, das dieGrossmutter des lieben Frieden willens geduldet hatte. Was war hier dieunausgesprochene, aber wirksam weitergegebene Nachricht der meine Klientin sehrliebenden Großmutter gewesen? Trau nicht dem Mann, heirate nicht!Im zweiten Fall war es auch die mütterliche Großmutter die schrecklich unglücklichverheiratet gewesen war. Sie hatte sich scheiden lassen und zog zu ihrer verheiratetenTochter, wo sie meine Klientin, ihre Enkelin, mehr oder weniger aufzog. „Sie hat sichnichts aus ihrem Leben gemacht!“ meinte die Analysandin, „aber sie wollte immer, dasses mir gut gehe und hoffte auch, dass ich den Beruf ergreife, den ich jetzt ausübe.“

Meiner Analysandin wurde es in der Analyse langsam klar, wiesehr ihr Geschick mit dem der Großmutter verstrickt war: derenhochaufgeladener, gefühlsbetonter Komplex war gewesen: blosskeinen Mann! Erst auf diese Erkenntnis hin, gelang es meinerKlientin aus ihrer Abhängigkeit und spürbaren Lethargie herauskommen und aktiv in ihr eigenes Leben zu treten. Sie träumte nundass sie jetzt in einem Haus wohne wo jedes Zimmer sein eigenesBadezimmer (also Intim Bereich) hatte! Die Zimmer warenso angelegt, dass die Badezimmer innen waren, und dieWohnzimmer aussen, wie in einem Atrium, mit Mauern, alsoAbtrennungen, von einem zum anderen. Erst nach dieser

Differenzierung, dieses Bildes der Abgrenzung, begann meineKlientin sich vor vorstellen zu können, wie sie aus der sichnahezu selbst auferlegten Einsamkeit heraus komme könnte.Früher hatte sie gemeint, dass sie entweder mit einem„schrecklichen“ Mann ausgehen müsse, was sie schon ein paarMal getan hatte, oder aber alleine bleiben müsste. Nach diesemgeträumten Umbau in ihrem inneren Zuhause, konnte sie sichlangsam auf die Vorstellung zu bewegen “wie wäre es wenn ichmich – glücklich –verlieben könnte?“Es geht also darum, nicht nur den Zugang zum anderen, iminnerseelischen, oder iminterpersonalen zu finden, sondern auch zum anderen im transgenerationellen, und diesum zu sich zu kommen. Wir sind, so scheint es, nicht ganz so frei, wie wir es uns a prioriwünschen würden; der Individuationsweg kann in manchen Fällen vontransgenerationellen Komplexen, wie von Hindernissen, versperrt erscheinen. Solangewir auf dieser Ebene unbewusst sind, bleibt Individuation leider eine nur theoretischeMöglichkeit.Wenn diese Bewusstwerdung nicht geschieht, dann kann es sein, dass der konstruktiveund kreative (statt destruktive ) Zugang zu sich selbst, zu den anderen in derGesellschaft, sowie zum ganz Anderen, zum Selbst, zum Transzendentalen erheblicherschwert ist.

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Wenn wir uns aber dieser Arbeit stellen, dann gehe ich davon aus, dass der Archetyp desSelbst konstelliert ist und uns dabei hilft, transgenerationell weitergegebene Traumata

bewusst zu machen und „heile“ oder ganz zu machen, was einst abgespalten war. Dieskann positive Auswirkungen haben, nicht nur für das Individuum, sondern die Familie,die Gesellschaft.Das Nichts des (familiären) Abgrundes ist dann nicht mehr eine gähnende Leere, wennwir die Kräfte von Seele und Geist spüren und bei der Arbeit das was im Dunklen liegterkennen und es ans Licht der Erkenntnis zu bringen.Licht, das physikalisch entweder ein Partikel oder eine Welle ist, erkennen wirMenschen nur wenn es reflektiert ist...5. Die transzendentale Komponente der Heilung transgenerationellweitergegebener TraumataWir ringen im Leben also nicht nur mit unseren persönlichen Komplexen sondern auchmit Komplexen die wir von früheren Generationen „geerbt“ haben. Außer dem Heilenvon Familien Traumata und unserer Ganzwerdung und Individuation, könnte dies auchnoch einem anderen Zweck dienen.

Anne Ancelin Schützenberger hat mit Rückgriff auf Freud, Jung, Moreno, Dolto,Boszorenyi Nagy und andere psychoanalytische Vorfahren ausgeführt „Wie das Lebenunserer Vorfahren in uns wiederkehrt“ (Carl Auer Verlag, Heidelberg, 2007), erschienenim französischen Original schon 1993.Schützenberger nimmt Bezug auf Jungs Archetypentheorie und schreibt: „Nach Jung

macht uns das kollektive Unbewusste zu dem was wir sind. Es wird von Generation zuGeneration... weitergegeben und lässt die menschliche Erfahrung anwachsen.“ (p. 22)Ich könnte mir vorstellen, dass dies eine zweiseitige Beziehung ist: die Archetypenwirken auf uns und geben uns Erfahrung weiter und wir – wenn wir erkennen was dieverschiedenen Schichten des Unbewussten sind, die in uns weiter wirken, wie weitergegebene Traumata. Dann könnten wir die archetypischen Kräfte, die in uns wirken,„neu informieren“, sozusagen an deren Entwicklung teilhaben. (Vgl. dazu auch dieneueren Forschungen von Jean Knox und Christian Roesler, dass Archetypen nichtgenetisch weitergegeben werden sondern über menschliche Interaktionen. (JAP, 2012).Oder wir könnten es uns auch noch anders vorstellen: dass wir alle uns aus demUnbewussten heraus entwickeln, und zu dem Unbewussten gehört eben auch dasfamiliäre Unbewusste. Insofern könnte die bewusste Auseinandersetzung mit allenSchichten des Unbewussten, insbesondere auch mit dem was unsere Vorfahren erlebthaben und uns unbewusst weitergegeben worden ist, eine Art co-kreatives Schaffensein, ein dialektischer Prozess des Werdens zwischen dem entstehenden Bewusstseinund den verschiedenen Schichten des Unbewussten.Schützenberger ging bei psychoanalytischen Behandlungen mindestens 200 Jahrezurück, wenn es irgendwie möglich war gar tausend Jahre.Jung hatte einen Traum, wo er viele Stockwerke in “seinem Haus” nach unten ging, erentdeckte Fussböden aus dem 15. Jahrhundert, dann Mauern aus römischer Zeit, undeinen prähistorische Höhle, worin er zwei “sehr alte und halb zerfalleneMenschenschädel entdeckte. (C.G. Jung, Erinnerungen, Träume und Gedanken, S. 180)

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Freud argwöhnte, dass einer der beiden Schädel seiner sei, und interpretierte denTraum dahingehend, dass Jung seinen Tod wünsche – der Rest ist psychoanalytischeGeschichte...Aber wir wollen ja nicht wie lethargisch belastet von Familien Altlasten in diesenverharren.Die französische Autorin Allais schreibt (Juliette Allais: La psycho généalogie Commentguérir de sa famille. Eyrolles, Paris, 2013 p. 229 Collection Comprendre&Agir p. 229)dass man sich von der Familie heilt (guérir de sa famille), wenn man sich mit demauseinandersetzt, was übertragen wurde und man im Begriff ist zu wiederholen. Indiesem Prozess des sich von den Familien Altlasten Heilens, wird man (nach Allais) indie eigene Identität mit jedem Erkenntnisschritt neu hineingeboren.

Für den Prozess der Individuation ist es wesentlich, dass wir erkennen, was vor uns war,dass wir erkennen, wer wir sind, und wir uns damit auseinandersetzen, wer wir werdenkönnen. Dafür gilt es zwischen persönlichen und transgenerationell weitergegebenenTraumata zu unterscheiden. Wenn dies gelingt, auch nur zu einem geringen oderrelativem Masse, leistet der einzelne wiederum einen Beitrag zur eigenen Heilung, zurHeilung der Familie, der Kontinuität des Wachstums des Stammbaumes, dem manentstammt, herauswächst, und weiterwachsen lässt, sowie der Entwicklung derArchetypen.Allais betont das „sich von der Familie heilen“. Sie sagt diese Art von Arbeit ist„Pionierarbeit“.Aus jungianischer Perspektive würde ich hinzufügen, dass ich nicht zur

Individuation und zur Erkenntnis des Selbst in mir gelangen kann solange unerkannte,familiäre Komplexe den Blick für die Erkenntnis eben dieses Selbst verstellen. Darüberhinaus scheint es mir wichtig, dass neben oder nach “sich von der Familie heilen“ manzur Erkenntnis gelangen kann, dass man mit dieser inneren Arbeit einen Beitrag zurHeilung von Vor und Nachfahren leistet.Werfen wir einen anekdotischen Blick auf Jungs Großmutter.Andreas Jung, Jungs Enkel, hat vor zwei Jahren einen Artikel im Journal of AnalyticalPsychology veröffentlicht, in dem er beschreibt wie Jungs mütterliche GroßmutterAugusta, im Alter von 18 Jahren, sehr schwer erkrankt war und für tot erklärt wurde.Als sie nach 36 Stunden in den Sarg gelegt werden sollte, nahm Augustas Mutter, alsoJungs Ur Großmutter, ein heißes Bügeleisen und brachte mit diesem ihre Tochterzurück zum Leben. (Andreas Jung (2011) JAP, para 16)Dieser Artikel hat mich angeregt nochmals darüber nachzudenken inwieweit Tod undAuferstehung für Jung und die Jung’sche Psychologie sehr wichtige Themen sind, undwas dies für uns bedeuten könnte, wenn wir mit dem leiblichem Tod oder Momentendes seelischen Todes konfrontiert sind. Ich glaube, die analytische Psychologie kann indiesen „letzten“ Fragen einzigartige Beiträge leisten. Selbst wenn es keine schlüssigenAntworten gibt oder geben kann, ruht oft den Fragestellungen schon eine dasBewusstsein transzendierende Qualität inne.Jung hat sich in seinem Lebenswerk zentral mit dem was ich Auferstehung nennenkönnte, beschäftigt, mit dem in das „wahre Leben“ Fortschreiten, einerSelbstverwirklichung, in dem Sinne, dass das Ich im Dienste der Verwirklichung des

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Selbst steht, sich zu seinem Wesen hin fortentwickelt. Jung hatte mit 69 Jahren eine Nahe Tod Erfahrung hatte und er schreibt in seinen Memoiren, dass er eigentlich rechtungern „zurück“ ins Leben gekommen sei. Dennoch schrieb er in den Jahren danacheinen wesentlichen Teil seines Werkes, darunter Aion (1950), seineumfassende Monographie über den Archetypus des Selbst, sowie MysteriumConiunctionis (1955/1956).Jahrzehnte vorher schon brachte Jung einen visionären Text zu Papier unter demPseudonym „Basilides“. 1916, nur 41 Jahre alt, schrieb Jung: „Die sieben Belehrungen

der Toten. Geschrieben von Basilides in Alexandria, der Stadt wo der Osten den Westen berührt.“ (oder dieser schrieb sich aus ihm heraus).In den „Erinnerungen, Träumen und Gedanken“, beschreibt Jung wie es dazu kam. Eineshellen Sonntages klingelte es an der Eingangstüre seines Hauses, wo drüber gemeisseltsteht : « Vocatus atque non vocatus deus aderit. »Gerufen und ungerufen wird Gott da sein.(Spruch des Orakels von Delphi.)„Ich hörte ...(die Glocke) und sah, wie der Klöppel sich bewegte. Alle liefen an die Türum nachzusehen, wer da sei, aber es war niemand da! ... Das ganze Haus war angefülltwie von einer Volksmenge, dicht voll von Geistern. Natürlich brannte in mir die Frage:„Um Gottes willen, was ist denn das?“Jung schreibt es waren die Seelen von Toten, die bei ihm anklingelten, um Antworten aufFragen zu bekommen, die sie in Jerusalem vergeblich zu beantworten gesucht hatten.Jung schreibt einleitend in den „Sieben Belehrungen der Toten“:

„Die Toten kamen zurück von Jerusalem, wo sie nicht fanden, was sie suchten. Sie begehrten bei mir Einlass und verlangten bei mir Lehre und so lehrte ich sie:“Sermo I (Septem Sermones ad Mortuos, (1916),Um sich zu seinem Wesen hin entwickeln zu können, ist es nach Jung wichtig auf dieUnterschiedenheit zu achten, er sagt die Unterschiedenheit ist das Wesen der Creatur.(Im Gegensatz zum Pleroma, das Unterschiedenheit und Ununterschiedenheitgleichzeitig ist, Fülle und Nichts.)(„It seemed to me that the dead pressed hard on me, forcing me finally to give ananswer.... Everything matters, that a living person, a conscious man gives an answer.They cannot get out of their timelessness, their eternity. That obviously only a human

being can do, who has been pushed into the world. „ (Protocols, C.G. Jung/A. Jaffé:Gespräche mit C.G. Jung 1956 58, Typescript quoted in Andreas Jung, The Grandfather,JAP, 2011)Er schreibt: “Unser Wesen ist Unterschiedenheit. Wenn wir diesem Wesen nicht getreusind, so unterscheiden wir uns ungenügend. Wir müssen darum Unterscheidungen derEigenschaften machen.“ (Sermo I)Wenn ich an die Menschen denke, die an transgenerationell übertragenen Traumatalitten, dann scheint es mir wesentlich, dass wir unterscheiden was von woher kommt, anBildern in Träumen, Symbolen, Symptomen. Wenn Jung vom Wesen spricht, das sichdurch Unterschiedenheit auszeichnet, wissen wir es geht ihm um Individuation, er nennt

denn auch den „Kampf gegen uranfängliche, gefährliche Gleichheit das ‚Principium

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Individuationis’“ und sagt: „Also sterben wir in dem Masse, als wir nicht unterscheiden.““(Sermo I).Im Zusammenhang mit meinem heutigen Thema, lese ich diese Textstellen aus Sermo Iaus Septem Sermones ad Mortuos, so dass ein Stück von uns stirbt, wennweitergegebene Traumata oder hochaktive Komplexe in uns sind, unseren seelischenPlatz beanspruchen und unerkannt und unerlöst bleiben.Sie sind bei den Vorfahren unter Umständen unerkannt geblieben und wirken in den

Nachfahren ununterschieden weiter.Wenn wir nicht die psychologisch anspruchsvolle Arbeit leisten, diese vomUnbewussten ins Bewusstsein zu befördern, zu unterscheiden was mein und Dein ist, indiesem Falle was von den ererbten Komplexen oder Traumata der Eltern, Gross Elternoder Ur Gross Eltern erkannt sein will, „sterben“ wir ein wenig, schon hier und jetzt undunsere toten Vorfahren bleiben „tot“.Jung schreibt: „Unterscheidung (von den Eigenschaften) erlöst.“Ich glaube, unsere Vorfahren können zu neuem Leben finden und uns auf unseremStammbaumast sitzend, mit belebendem Geiste erfüllen, wenn wir das bisher Unerlöstezu erkennen, zu benennen, und es zu erlösen in der Lage sind. Dann ist das Heilen vontransgenerationell weitergegebenen Traumata nicht Herstellung eines ursprünglich,vielleicht illusorisch angenommenen heilen Zustandes, sondern Evolution, Entwicklung:aufgrund von etwas das einmal gewesen ist einFortschreiten, hin zum wahren Wesen.Im Neuen Testament 2.Korinther 5:17 (Luther Bibel 1912) steht:

Darum, ist jemand in Christo, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, esist alles neu geworden!Transgenerationell weitergegebene Traumata können so zu animierenden Erlebnissenunserer Vorfahren gewandelt werden. Was einst wie eine unbewusste seelische Lastanmutete, wird zum Fundament unseres Seins von dem wir, befreit, fortschreitenkönnen.Und in jenen Fällen wo wir es nicht erkennen können, finden wir vielleicht Trost ineinem Zitat von Rilke:„Die Zeit heilt nicht alle Wunden, sie lehrt nur, mit dem Unbegreiflichen zu leben.“(Rainer Maria Rilke)

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Kristina Schellinski, [email protected]:ISAP Märztagung 30. März 2014, Zürich

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Autorin. Die weitere Verbreitung des Textesin anderen Medien ist untersagt.

Copyright©Kristina Schellinski

Was steht geschrieben? Was taucht aus dem Unbewussten auf?

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