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Wichtige Hinweise - ciando.com · 10 Schädel-Hirn-Trauma (SHT) 100 11 Läsionen des Rückenmarks 121 12 Thorax 131 13 Abdomen 159 14 Verletzung des Urogenitaltrakts 178 15 Weichteilschaden

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Bühren_CL_Traumatologie_U2_ok.indd 1 05.02.2016 10:23:54

InhaltsübersichtGrauer Teil: Erstversorgung, diagnostische und therapeutische Grundlagen1 Grundlagen und präklinische Versorgung ▶ 162 Klinische Erstmaßnahmen bei Patienten ohne akute vitale Bedrohung ▶ 213 Management schwerer Verletzungsformen ▶ 254 Schock ▶ 395 Zugänge ▶ 556 Diagnostik ▶ 717 Adjuvante Verfahren und Therapien ▶ 748 Dokumentation ▶ 939 Versicherungsrechtliche Grundlagen ▶ 98

Grüner Teil: Organtrauma und spezielle Verletzungsformen10 Schädel-Hirn-Trauma (SHT) ▶ 10011 Läsionen des Rückenmarks ▶ 12112 Thorax ▶ 13113 Abdomen ▶ 15914 Verletzung des Urogenitaltrakts ▶ 17815 Weichteilschaden ▶ 19416 Verletzungen durch physikalische Einwirkungen ▶ 23517 Komplikationsbehandlungen ▶ 24518 Verletzungen bei Kindern ▶ 28119 Sportverletzungen ▶ 299

Blauer Teil: Traumatologie des Skelettsystems20 Wirbelsäule ▶ 30821 Becken ▶ 32222 Proximales Femur ▶ 34923 Oberschenkel ▶ 36524 Kniegelenk ▶ 38725 Unterschenkel ▶ 39926 Sprunggelenke und Fuß ▶ 41427 Schultergürtel und Oberarm ▶ 43428 Ellenbogen ▶ 46429 Unterarm und Handgelenk ▶ 47330 Hand ▶ 483

Roter Teil: Allgemeine Operationstechniken und Frakturbehandlung31 Wundversorgung ▶ 52732 Verbände und Schienen ▶ 53333 Nahttechniken ▶ 54134 Allgemeine handchirurgische Techniken ▶ 57335 Gewebetransfer und -ersatz ▶ 58136 Osteosynthesen ▶ 59437 Minimalinvasive Techniken ▶ 60438 Funktionelle Nachbehandlung und Rehabilitation ▶ 60739 Begutachtung ▶ 619

Anhang40 Anhang I – Messverfahren ▶ 62741 Anhang II – Zentrale Adressen ▶ 629

Erweiternde lebensrettende Maßnahmen (Advanced Life Support; © European Resuscitation Council www.erc.edu 2015)

keine Reaktion ?keine normale Atmung?

defibrillierbar(Kammerflimmern/pulslose

Kammertachykardie)

Reanimationsteam rufen

kardiopulmonale Reanimation (CPR)30 : 2

Defibrillator/EKG-Monitor anschließenUnterbrechungen minimieren

nicht defibrillierbar(PEA/Asystolie)

wiedereinsetzenderSpontankreislauf

1 SchockUnterbrechungen

minimieren

sofort weiterführen:CPR für 2 min

Unterbrechungen minimieren

sofort weiterführen:CPR für 2 min

Unterbrechungen minimieren

sofortige Behandlung– ABCDE-Methode anwenden– SaO2 von 94 – 98% anstreben– normalen PaCO2 anstreben– 12-Kanal-EKG– auslösende Faktoren behandeln– Temperaturkontrolle/ therapeutische Hypothermie

während CPR– hochqualifizierte CPR sicherstellen: Frequenz, Tiefe, Entlastung– Handlungen planen vor CPR-Unterbrechung– Sauerstoff geben– Waveform-Kapnografie– Herzdruckmassage ohne Unterbrechung, wenn Atemweg gesichert– Gefäßzugang: intravenös, intraossär– Adrenalin alle 3 – 5 min injizieren– Amiodaron nach 3 Schocks

reversible Ursachen behandeln– Hypoxie– Hypovolämie– Hypo-/Hyperkaliämie/metabolisch– Hypothermie/Hyperthermie– Herzbeuteltamponade– Intoxikation– Thrombose (akuter Myokardinfarkt, Lungenarterienembolie)– Spannungspneumothoraxin Erwägung ziehen– Sonografie– Mechanische Reanimationshilfe– Koronarangiografie und PTCA– Extrakorporale CPR

EKG-Rhythmus beurteilen

PEA = pulslose elektrische Aktivität, PTCA = perkutane transluminale Koronarangioplastie

Checkliste Traumatologie

Volker Bühren, Marius Keel, Ingo Marzi

unter Mitarbeit von:Peter Augat, Nils Baas, Ruprecht Beickert, AndreasBotzlar, Thierry Carrel, Ryan Esser, Johannes Frank, JanFriederichs, Johannes Gabel, Oliver Gonschorek, PeterGutsfeld, Stefan Hauck, Daniel Hensler, ChristianHierholzer, Martin Hofmeister, Christine Hungerer, SvenHungerer, Andreas B. Imhoff, Maren Janko, Thomas Kern,Thomas Klier, Heinz Kusche, Michael Lang, HelmutLaurer, Matthias Militz, Markus Öhlbauer, Anna Sander,Christian Schaller, Holger Schöppenthau, Klaus-ArnoSiebenrock, Stefan Simmel, Thomas von Stein, MartinStrowitzki, Andreas Thannheimer, Oliver Trapp, JanVastmans, Matthias Vogel, Frithjof Wagner, ThomasWeiß, Alexander Woltmann, Sebastian Wutzler

Mitarbeiter früherer Auflagen:Klaus Bräun †, Emanuel Geiger, Marc-Tell Krumrey,Dirk-Henner Leuth, Hans Pralle

8., vollständig überarbeitete Auflage

298 Abbildungen

Georg Thieme VerlagStuttgart • New York

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio-grafie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

1. Auflage 1981 1. japanische Auflage 19842. Auflage 1984 1. italienische Auflage 19853. Auflage 1989 1. spanische Auflage 19884. Auflage 1995 1. französische Auflage 19935. Auflage 2001 1. polnische Auflage 19956. Auflage 20057. Auflage 2012

Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterwor-fen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Be-handlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung odereine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeberund Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fer-tigstellung des Werkes entspricht.Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedochkeine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfungder Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spe-zialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtungvon Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung istbesonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt ge-bracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers.Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten demVerlag mitzuteilen.Geschützte Warennamen (Warenzeichen ®) werden nicht immer besonders kenntlich gemacht.Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich umeinen freien Warennamen handelt.Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung au-ßerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzu-lässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfil-mungen oder die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

© 2016 Georg Thieme Verlag KGRüdigerstr. 1470469 StuttgartDeutschlandwww.thieme.de

Printed in Italy

Zeichnungen: Christiane und Dr. Michael von Solodkoff, Neckargemünd; WEYOU, LeonbergUmschlagsgestaltung: Thieme VerlagsgruppeUmschlagsfoto: Studio Nordbahnhof, StuttgartSatz: Druckhaus Götz GmbH, LudwigsburgDruck: L.E.G.O. S.p.A., Vicenza

ISBN 978-3-13-598108-6 1 2 3 4 5 6

Auch erhältlich als E-Book:eISBN (PDF) 978-3-13-151848-4eISBN (epub) 978-3-13-202668-1

Vorwort

Die 8. Auflage präsentiert sich nach der umfassenden Bearbeitung der Vorauflage mitdem inzwischen bewährten Konzept zu Grundlagen der Diagnostik und Therapie,speziellen Verletzungsformen, der Behandlung nach anatomischen Regionen und derBeschreibung der wesentlichen Operationstechniken. Die Neuauflage wurde umfas-send durchgesehen und neue etablierte Erkenntnisse und Techniken eingearbeitet.Die inhaltliche Struktur orientiert sich an dem Zusammenwachsen der FachgebieteOrthopädie und Unfallchirurgie. Die Checklisten, jeweils eine für Orthopädie und einefür Traumatologie, bilden thematisch abgestimmt das gesamte Fachgebiet nach derWeiterbildungsordnung ab, unter Berücksichtigung der Zusatzbezeichnungen Speziel-le Unfallchirurgie und Spezielle orthopädische Chirurgie.Die umfassende inhaltliche Darstellung des Fachgebietes einschließlich der Speziali-sierungen wurde unter intensiver Absprache mit dem Herausgeber-Team der Check-liste Orthopädie unter Andreas Imhoff erarbeitet. Die neben den unstrittigen Kern-kompetenzen bestehenden erheblichen Schnittmengen zwischen der etablierten Un-fallchirurgie und der klassischen Orthopädie sind sinnvoll aufgeteilt: so beispielsweiseSehnen-, Muskel- und Gelenkverletzungen in der CL Orthopädie, Frakturen und Kom-plikationsbehandlung in der CL Traumatologie. Die nicht mit der Weiterbildungsord-nung konforme Titelbezeichnung „Traumatologie“ wurde sehr bewusst beibehalten,um der konsequent interdisziplinären Darstellung der Behandlung des Schwerst- undMehrfachverletzten auch weiterhin Nachdruck zu verleihen.Wissenschaft und klinische Entwicklung sind seit jeher stetig im Fluss, Patienten undRahmenbedingungen der Unfallversorgung ändern sich derzeit fast schon dramatisch,Darstellung von Wissen und Kommunikation von Prozessen gehen heute weit überdie traditionelle Buchform hinaus. Wir haben uns gemeinsam mit dem Thieme Verlagdiesen Herausforderungen sehr bewusst gestellt. Die durchgehende Einarbeitung derwinkelstabilen Osteosynthesen und der rechnergestützten Schnittbildverfahren, diesystematische tabellarische Darstellung und die zahlreichen Verweise auf das welt-weite Netz sind nur einige Beispiele. Bitte seien Sie als Nutzer und Leser dieser Check-liste kritisch und kommunizieren Sie Ihre Anmerkungen und Vorschläge über die an-gegebene Adresse.Dem Thieme Verlag danken wir für die anhaltende Unterstützung und gute Zusam-menarbeit. Auch diese Auflage möchten wir ganz besonders unserem Lehrer OtmarTrentz widmen.

Murnau, Frankfurt, Bern im März 2016

Volker Bühren Ingo Marzi Marius Keel

Kommunikation an:[email protected]

Vorwort

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Anschriften

Prof. Dr. biol. hum. Peter AugatBerufsgenossenschaftlicheUnfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

Dr. med. Nils BaasBerufsgenossenschaftlicheUnfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

Dr. med. Ruprecht BeickertBerufsgenossenschaftlicheUnfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

Dr. med. Andreas BotzlarBerufsgenossenschaftlicheUnfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

Prof. Dr. med. Volker BührenÄrztlicher Direktor der Berufsgenossen-schaftlichen Unfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

Prof. Dr. med. Thierry CarrelUniversitätsklinik für Herz- undGefäßchirurgieInselspital, Universität BernCH-3010 BernSchweiz

Dr. med. Ryan EsserBerufsgenossenschaftlicheUnfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

Prof. Dr. med. Johannes FrankKlinik für Unfall-, Hand- undWiederherstellungschirurgieUniversitätsklinikum FrankfurtTheodor-Stern-Kai 7D-60590 Frankfurt am Main

Prof. Dr. med. Jan FriederichsBerufsgenossenschaftlicheUnfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

Dr. med. Johannes GabelBerufsgenossenschaftlicheUnfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

Dr. med. Oliver GonschorekBerufsgenossenschaftlicheUnfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

Dr. med. Peter GutsfeldKlinikum Garmisch-PartenkirchenAuenstr. 6D-82467 Garmisch-Partenkirchen

Dr. med. Stefan HauckBerufsgenossenschaftlicheUnfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

Dr. med. Daniel HenslerBerufsgenossenschaftlicheUnfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

Prof. Dr. med. Christian HierholzerUniversitätsspital ZürichRämistr. 100CH-8091 ZürichSchweiz

Dr. med. Martin HofmeisterBerufsgenossenschaftlicheUnfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

Dr. med. Christine HungererZur Alten Baumschule 4D-82418 Seehausen

AnschriftenAnschriften

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PD (PMU Salzburg) Dr. med.Sven HungererBerufsgenossenschaftlicheUnfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

Prof. Dr. med. Andreas B. ImhoffKlinikum rechts der Isar derTU MünchenAbteilung für SportorthopädieIsmaninger Str. 22D-81675 München

Dr. med. Maren JankoKlinik für Unfall-, Hand- undWiederherstellungschirurgieUniversitätsklinikum FrankfurtTheodor-Stern-Kai 7D-60590 Frankfurt am Main

Prof. Dr. med. Marius Keel, FACSUniversitätsklinik für für OrthopädischeChirurgie und TraumatologieInselspital, Universität BernCH-3010 BernSchweiz

Dr. med. Thomas KernBerufsgenossenschaftlicheUnfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

Dr. med. Thomas KlierBerufsgenossenschaftlicheUnfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

Dr. med. Heinz KuscheKlinikum Garmisch-PartenkirchenAuenstr. 6D-82467 Garmisch-Partenkirchen

Dr. med. Michael LangBerufsgenossenschaftlicheUnfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

PD Dr. med. Helmut LaurerAgaplesion Evangelisches KrankenhausMittelhessenPaul-Zipp-Str. 171D-35398 Gießen

Prof. Dr. med. IngoMarziKlinik für Unfall-, Hand- undWiederherstellungschirurgieUniversitätsklinikum FrankfurtTheodor-Stern-Kai 7D-60590 Frankfurt am Main

Dr. med. MatthiasMilitzBerufsgenossenschaftlicheUnfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

Dr. med. Markus ÖhlbauerBerufsgenossenschaftlicheUnfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

PD Dr. med. Anna SanderKlinik für Unfall-, Hand- undWiederherstellungschirurgieUniversitätsklinikum FrankfurtTheodor-Stern-Kai 7D-60590 Frankfurt am Main

Dr. med. Christian SchallerKlinikum Garmisch-PartenkirchenAuenstr. 6D-82467 Garmisch-Partenkirchen

Dr. med. Holger SchöppenthauBerufsgenossenschaftlicheUnfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

Prof. Dr. med. Klaus-Arno SiebenrockUniversitätsklinik für OrthopädischeChirurgie und TraumatologieInselspital, Universität BernCH-3010 BernSchweiz

Dr. med. Stefan SimmelBerufsgenossenschaftlicheUnfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

Dr. med. Thomas von SteinBerufsgenossenschaftlicheUnfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

Anschriften

Anschriften

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PD Dr. med. Martin StrowitzkiBerufsgenossenschaftlicheUnfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

Dr. med. Andreas ThannheimerBerufsgenossenschaftlicheUnfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

Dr. med. Oliver TrappBerufsgenossenschaftlicheUnfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

Dr. med. Jan VastmansBerufsgenossenschaftlicheUnfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

Dr. med. Matthias VogelBerufsgenossenschaftlicheUnfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

Dr. med. Frithjof WagnerBerufsgenossenschaftlicheUnfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

Dr. med. ThomasWeißBerufsgenossenschaftlicheUnfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

Prof. Dr. med. AlexanderWoltmannBerufsgenossenschaftlicheUnfallklinik MurnauProfessor-Küntscher-Str. 8D-82418 Murnau

PD Dr. med. Sebastian WutzlerKlinik für Unfall-, Hand- undWiederherstellungschirurgieUniversitätsklinikum FrankfurtTheodor-Stern-Kai 7D-60590 Frankfurt am Main

AnschriftenAnschriften

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Inhaltsverzeichnis

Grauer Teil:Erstversorgung, diagnostische und therapeutische Grundlagen

1 Grundlagen und präklinische Versorgung ► 161.1 Grundlagen ► 161.2 Konzept der präklinischen Versorgung ► 18

2 Klinische Erstmaßnahmen bei Patienten ohne akutevitale Bedrohung ► 21

2.1 Anamnese ► 212.2 Untersuchung ► 23

3 Management schwerer Verletzungsformen ► 253.1 Allgemeines Vorgehen bei Schwerverletzten ► 253.2 Dringliche Erstmaßnahmen: „Primary Survey“ (Erstbeurteilung)

und Sicherung der Vitalfunktionen ► 253.3 Re-Evaluation („Secondary Survey“) ► 333.4 Operationsphasen ► 343.5 Frühe Sekundärverlegung ► 37

4 Schock ► 394.1 Definitionen, klinische Symptomatik und Komplikationen ► 394.2 Diagnostik und Therapie ► 404.3 Kardiopulmonale Reanimation ► 424.4 Tod und Organspende ► 52

5 Zugänge ► 555.1 Atemwege ► 555.2 Venöser Zugang ► 605.3 Arterieller Zugang ► 625.4 Blasenkatheter ► 645.5 Magensonde ► 665.6 Thoraxdrainage ► 675.7 Perikardpunktion ► 695.8 Intrakranielle Druckmessung ► 70

6 Diagnostik ► 716.1 Labor ► 716.2 Sonografie ► 716.3 Konventionelles Röntgen ► 726.4 Schnittbildverfahren ► 72

7 Adjuvante Verfahren und Therapien ► 747.1 Tetanusprophylaxe ► 747.2 Infusionstherapie ► 75

Inhaltsverzeichnis

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7.3 Transfusionstherapie ► 767.4 Regionalanästhesie ► 807.5 Peri- und postoperative Schmerztherapie ► 847.6 Prophylaxe venöser Thromboembolien ► 86

8 Dokumentation ► 938.1 Schweregradklassifikation – Scoring ► 938.2 Qualitätssicherung/Qualitätsmanagement ► 96

9 Versicherungsrechtliche Grundlagen ► 989.1 Gesetzliche Krankenversicherung ► 989.2 Gesetzliche Unfallversicherung ► 98

Grüner Teil: Organtrauma und spezielle Verletzungsformen

10 Schädel-Hirn-Trauma (SHT) ► 10010.1 SHT – Grundlagen ► 10010.2 Pathophysiologie ► 10110.3 SHT – Allgemeine Diagnostik ► 10110.4 Einteilung ► 10210.5 Leichte Schädel-Hirn-Verletzung ► 10310.6 Mittelschwere Schädel-Hirn-Verletzung ► 10410.7 Schwere Schädel-Hirn-Verletzung ► 10510.8 Einklemmungssyndrome ► 10710.9 SHT – Spezielle Manifestationsformen ► 10710.10 Akute intrakranielle Hämatome ► 10810.11 Chronisches Subduralhämatom ► 11610.12 Frontobasales Trauma ► 11710.13 Mögliche Spätfolgen und Prognose ► 119

11 Läsionen des Rückenmarks ► 12111.1 Diagnostik ► 12111.2 Klassifikation von Rückenmarkläsionen ► 12411.3 Spezielle Manifestationen ► 12411.4 Therapie und Prognose ► 128

12 Thorax ► 13112.1 Solitäre Rippenfraktur ► 13112.2 Rippenserienfrakturen ► 13212.3 Hämato-/Pneumothorax ► 13612.4 Chylothorax ► 13912.5 Lungenverletzung ► 14012.6 Tracheobronchialverletzung ► 14312.7 Myokardverletzung ► 14512.8 Verletzung großer intrathorakaler Gefäße ► 14812.9 Reanimationsthorakotomie ► 15112.10 Ösophagusverletzung ► 15412.11 Zwerchfellruptur ► 155

InhaltsverzeichnisInha

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13 Abdomen ► 15913.1 Stumpfes Bauchtrauma ► 15913.2 Penetrierendes Bauchtrauma ► 16413.3 Magenverletzung ► 16513.4 Verletzung von Pankreas und Duodenum ► 16613.5 Dünndarmverletzung ► 16813.6 Dickdarmverletzung ► 17013.7 Rektumverletzung ► 17113.8 Verletzung von Leber, Gallenblase, Gallengängen ► 17213.9 Milzverletzung ► 17313.10 Verletzung abdomineller Gefäße ► 175

14 Verletzung des Urogenitaltrakts ► 17814.1 Nierenverletzungen ► 17814.2 Verletzungen der Ureteren ► 18114.3 Verletzungen der Harnblase ► 18314.4 Verletzungen der Urethra ► 18614.5 Verletzungen von Genitale und Perineum ► 18914.6 Trauma und Schwangerschaft ► 191

15 Weichteilschaden ► 19415.1 Grundlagen ► 19415.2 Offene Frakturen ► 19815.3 Amputationsverletzungen ► 20215.4 Kompartmentsyndrom ► 20815.5 Biss- und Stichverletzungen ► 21415.6 Schussverletzungen ► 21815.7 Explosionsverletzungen ► 22315.8 Erfrierung ► 22415.9 Brandverletzungen ► 22615.10 Ingestion ätzender Substanzen ► 232

16 Verletzungen durch physikalische Einwirkungen ► 23516.1 Elektrounfall ► 23516.2 Blitztrauma, Verletzung durch Blitzschlag ► 23616.3 Strahlenunfall ► 23816.4 Tauchunfall, Dekompressionserkrankung, Barotrauma ► 23916.5 Verschüttung und traumatische Rhabdomyolyse ► 243

17 Komplikationsbehandlungen ► 24517.1 Verzögerte Knochenheilung und Pseudarthrosenbildung ► 24517.2 Stellungsabweichungen ► 24717.3 Posttraumatische Arthrose ► 25117.4 Chronic regional pain syndrom (CRPS) ► 25317.5 Bakterielle Infektionen ► 25317.6 Multiresistente Erreger ► 26517.7 Weichteilinfektionen ► 266

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17.8 Tetanus ► 27417.9 Akute Osteitis ► 27517.10 Chronische Osteitis ► 27617.11 Gelenkinfektionen (infektiöse Arthritis) ► 27717.12 Sepsis ► 279

18 Verletzungen bei Kindern ► 28118.1 Allgemeiner Teil ► 28118.2 Spezielle Aspekte ► 286

19 Sportverletzungen (Muskelverletzungen, Tendopathien,Sehnen- und Gelenkverletzungen) ► 299

19.1 Muskelverletzungen ► 29919.2 Tendopathien ► 29919.3 Sehnenruptur ► 30219.4 Gelenkverletzungen ► 303

Blauer Teil: Traumatologie des Skelettsystems

20 Wirbelsäule ► 30820.1 Halswirbelsäulenverletzungen ► 30820.2 Brust- und Lendenwirbelsäulenverletzung ► 315

21 Becken ► 32221.1 Beckenringverletzung ► 32221.2 Azetabulumfraktur ► 33521.3 Komplexe Beckenverletzungen ► 346

22 Proximales Femur ► 34922.1 Hüftgelenksluxation ► 34922.2 Femurkopffraktur ► 35522.3 Schenkelhalsfraktur (SHF) ► 359

23 Oberschenkel ► 36523.1 Pertrochantäre Fraktur ► 36523.2 Femurschaftfraktur ► 37223.3 Distale Femurfraktur ► 380

24 Kniegelenk ► 38724.1 Patellaluxation ► 38724.2 Patellafraktur ► 38724.3 Kapsel- und Bandverletzungen ► 39124.4 Verletzungen des Kniestreckapparats ► 39124.5 Meniskusläsion ► 39424.6 Knieluxation ► 396

InhaltsverzeichnisInha

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25 Unterschenkel ► 39925.1 Proximale Tibiafraktur ► 39925.2 Unterschenkelschaftfraktur ► 40425.3 Distale intraartikuläre Tibiafraktur (Pilonfraktur) ► 409

26 Sprunggelenke und Fuß ► 41426.1 Malleolarfraktur ► 41426.2 Talusfraktur ► 41826.3 Fersenbeinfraktur ► 42126.4 Verletzungen in der Chopart-/Lisfranc-Gelenklinie ► 42626.5 Frakturen der Metatarsalia ► 43026.6 Zehenfrakturen ► 432

27 Schultergürtel und Oberarm ► 43427.1 Klavikulafraktur ► 43427.2 Akromioklavikulargelenkluxation ► 43827.3 Sternoklavikulargelenkluxation ► 44027.4 Schulterluxation ► 44227.5 Rotatorenmanschettenruptur ► 44727.6 Skapulafraktur ► 45227.7 Bizepssehnenabriss ► 45327.8 Oberarmkopffraktur ► 45527.9 Humerusschaftfrakturen ► 459

28 Ellenbogen ► 46428.1 Grundlagen ► 46428.2 Distale Humerusfraktur ► 46428.3 Ellenbogengelenkluxation ► 46728.4 Proximale Unterarmfrakturen ► 469

29 Unterarm und Handgelenk ► 47329.1 Unterarmschaftfraktur ► 47329.2 Distale Radiusfraktur ► 477

30 Hand ► 48330.1 Management komplexer Handverletzungen ► 48330.2 Amputationen ► 48530.3 Nagelverletzungen ► 48730.4 Weichteilverletzungen ► 48930.5 Infektionen der Hand ► 49230.6 Bänderrisse und Luxationen an Langfingern und Daumen ► 49830.7 Bandverletzungen an Handgelenk und Handwurzel ► 50230.8 Handwurzelfrakturen ► 50630.9 Mittelhandfrakturen ► 51030.10 Fingerfrakturen ► 51330.11 Strecksehnenverletzungen ► 51530.12 Beugesehnenverletzungen ► 520

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Roter Teil: Allgemeine Operationstechniken und Frakturbehandlung

31 Wundversorgung ► 52731.1 Vorbereitung ► 52731.2 Primäre Wundversorgung ► 52731.3 Sekundäre Wundversorgung ► 52931.4 Kontamination mit HI- oder Hepatitis-Viren ► 530

32 Verbände und Schienen ► 53332.1 Verbandtechniken ► 53332.2 Reposition ► 53532.3 Schienungstechniken ► 53632.4 Extension ► 538

33 Nahttechniken ► 54133.1 Nahttechnik ► 54133.2 Sehnennaht ► 54433.3 Bandnaht ► 54533.4 Gefäßverletzungen – Gefäßnaht ► 54733.5 Nervennaht ► 55433.6 Intestinale Versorgung ► 55833.7 Unterdrucktherapie ► 570

34 Allgemeine handchirurgische Techniken ► 57334.1 Allgemeine handchirurgische Techniken ► 573

35 Gewebetransfer und -ersatz ► 58135.1 Spalthauttransplantation ► 58135.2 Vollhauttransplantation ► 58335.3 Z-Plastik ► 58435.4 Lappenplastiken ► 58435.5 Nerventransplantatentnahme ► 58735.6 Knochentransplantatentnahme ► 58835.7 Allogener und synthetischer Knochenersatz, Knochenwachstums-

faktoren ► 59035.8 Kallusdistraktion ► 591

36 Osteosynthesen ► 59436.1 Spickdrahtfixation und Zuggurtung ► 59436.2 Schrauben-Osteosynthese ► 59436.3 Platten-Osteosynthese ► 59636.4 Marknagel-Osteosynthese ► 59736.5 Externe Fixation ► 59936.6 Metallentfernung ► 601

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37 Minimalinvasive Techniken ► 60437.1 Thorakoskopische Eingriffe ► 60437.2 Laparoskopie ► 605

38 Funktionelle Nachbehandlung und Rehabilitation ► 60738.1 Physiotherapie und Sporttherapie ► 60738.2 Physikalische Therapie und Massagen ► 61138.3 Ergotherapie ► 61438.4 Unfallchirurgische Rehabilitation ► 615

39 Begutachtung ► 61939.1 Grundlagen ► 61939.2 Vorgehen ► 61939.3 Goniometrie ► 620

Anhang

40 Anhang I –Messverfahren ► 62740.1 Umfangsmessungen ► 62740.2 Längenmessungen ► 627

41 Anhang II ► 62941.1 Zentrale Adressen ► 629

Sachverzeichnis ► 635

Inhaltsverzeichnis

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1 Grundlagen und präklinische Versorgung

1.1 GrundlagenGrundlagen, Definitionen

▶ Trauma: Akut entstandener körperlicher Schaden mit Gewebezerstörung durch äu-ßere Einwirkung (mechanisch, thermisch, chemisch, aktinisch) und entsprechenderFunktionsstörung.

▶ Schweres Trauma:• Gewebezerstörung lebenswichtiger Organe.• Zu erwartende gravierende Defektheilung mit schwerer Funktionsstörung.• Systemische posttraumatische Schädigung von primär nicht traumatisierten Or-

ganen oder Defensivsystemen.▶ Polytrauma:

• Definition: Syndrom von Verletzungen mehrerer Körperregionen von definiertemSchweregrad, d. h. ISS > 16 (S.93), von denen eine Einzelverletzung oder die Ver-letzungskombination potenziell lebensbedrohlich ist. Die konsekutiven systemi-schen Reaktionen können zu Dysfunktion oder Versagen von primär nicht ver-letzten Organen oder Organsystemen mit vitaler Bedrohung führen.

• Beim Polytrauma werden chirurgisch gut beherrschbare Einzelverletzungendurch ihre kumulative Systembelastung lebensgefährlich. Die kumulativen Trau-mafolgen („trauma load“, „antigenic load“) führen zu einer posttraumatischenImmunreaktion („host defense response“) mit möglicher nachfolgender Immun-paralyse („host defense failure disease“), Sepsis und progressivem, sequenziellemMultiorganversagen.

▶ Schock (S.39), vgl. auch Schockbehandlung (S.28):• Inadäquate Organperfusion und gestörte Gewebeoxygenierung infolge einer Stö-

rung des Kreislaufsystems.• Ursachen:

– Hämorrhagisch: Hypovolämisch (häufigste Ursache eines Schocks beim Trau-mapatienten).

– Nichthämorrhagisch: Kardiogen, neurogen, septisch, anaphylaktisch.▶ Triage:

• Unter Triage versteht man die Einteilung von Patienten nach dem individuellenBehandlungsbedarf und den zur Verfügung stehenden Ressourcen beim Massen-anfall von Verletzten.

• Die Beurteilung der Behandlungsdringlichkeit erfolgt analog zur Individualmedi-zin nach den ABCDE-Regeln des ATLS®-Konzepts (S.26).

• Ziel der Triage ist die Rettung und Versorgung möglichst vieler Patienten durchoptimalen Einsatz der verfügbaren Mittel.

▶ Unfallbedingte Todesfälle ereignen sich nach einer typischen zeitlichen Verteilung:• 1. Peak: Sekunden bis wenige Minuten nach dem Unfall.

– Todesursachen: Zentrale Gefäßläsionen (z. B. Aortenruptur mit freier Blutung),Lazerationen von Myokard, Gehirn, Hirnstamm und zervikalem Rückenmark.

– Prognose: Diese Patienten können in der Regel nicht gerettet werden.• 2. Peak: Minuten bis Stunden nach dem Unfall.

– Todesursachen: Thoraxverletzungen (Hämato-/Spannungspneumothorax), in-trakranielle Hämatome (Epi-/Subduralhämatome), intraabdominelle Verlet-zungen der parenchymatösen Organe (Milzruptur, Leberlazeration), schwereBeckenverletzungen, mehrfache Verletzungen mit ausgedehntem Blutverlust.

– Prognose: Die Inzidenz der Todesfälle in dieser Gruppe kann durch eine rasche,adäquate initiale Beurteilung und Primärversorgung drastisch gesenkt werden.Ein systematisches Versorgungskonzept (z. B. nach den Richtlinien des Ad-

Grundlagen und präklinische VersorgungGrund

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vanced-Trauma-Life-Support-[ATLS®]-Protokolls des „Committee on Trauma ofthe American College of Surgeons“ [s. u.] ist deshalb von entscheidender Be-deutung zur Senkung der Mortalitätsrate in der „ersten“ Stunde oder „GoldenHour“ nach Trauma.

• 3. Peak: Mehrere Tage bis Wochen nach dem Unfall.– Ursachen: In der Regel traumainduzierte Sekundärschäden, v. a. Sepsis und Or-

ganversagen.– Prognose: Die Inzidenz der Todesfälle in dieser Gruppe wird maßgeblich durch

die Qualität der chirurgischen und intensivmedizinischen Therapie in den vo-rausgehenden Versorgungsphasen beeinflusst.

„Golden Hour“ nach Trauma:Unter „Golden Hour” versteht man die Zeitspanne von Minuten bis wenigen Stun-den nach dem Unfall, in der das Überleben schwer verletzter Patienten durch eineschnelle adäquate Versorgung gesichert werden kann.

▶ Rettungskette: Sie bezeichnet den definierten und organisierten Versorgungswegdes Verletzten von der Unfallstelle bis zur definitiv versorgenden Klinik. Wesentli-che Glieder der Kette bei schwereren Verletzungen sind die präklinische Notarzt-versorgung, der Transport mittels standardisiert ausgerüstetem Notarztwagen oderRettungshubschrauber, die primäre klinische Versorgung im nächstgelegenen, ge-eigneten Krankenhaus und ggf. die Sekundärverlegung in ein maximal versorgen-des Traumazentrum. Für die Rettungskette sind idealerweise Vorgaben und Stan-dards definiert:• Mittleres Zeitintervall für Alarmierung bis Eintreffen am Unfallort.• Anzahl und Qualifikation des Personals präklinisch und klinisch.• Ausstattung der Rettungsmittel (Rettungswagen, Notarztwagen, Rettungshub-

schrauber, Intensivhubschrauber).• Kompetenz und Kapazität der aufnehmenden Kliniken.

▶ Traumanetzwerk: Zur Einteilung klinischer Einrichtungen für die Unfallversorgunghat sich eine Dreiteilung bewährt (Weißbuch Schwerverletztenversorgung derDGU):• Lokale Traumazentren in Kliniken der Grund- und Regelversorgung:• Versorgung vorwiegend von Monoverletzungen, z. B. Frakturen der Alterstrauma-

tologie. Leitungsfunktion durch einen spezialisierten Unfallchirurgen und chirur-gische Behandlungsmöglichkeit rund um die Uhr.

• Regionales Traumazentrum in Schwerpunktkliniken: Versorgung von komplexenEinzelverletzungen, lebensbedrohlichen Verletzungsmustern und Polytraumen.Spezielle unfallchirurgische Bereitschaft rund um die Uhr wird vorgehalten.

• Überregionales Traumazentrum in Universitäten und maximalversorgenden Klini-ken: Es besteht Aufnahmepflicht für alle Schwerstverletzten sowie Vorhaltungs-pflicht für OP-Kapazität und Intensivbetten. Versorgung von– Komplexen und komplizierten Einzelverletzungen.– Speziellen Verletzungsformen wie schwere Verbrennungen.– Schwersten Schädel-Hirn-Traumen.– Wirbelsäulenverletzungen mit Lähmungen.– Polytraumen mit hohem ISS.– Amputationsverletzungen.– Speziell zu versorgenden Organverletzungen (z. B. von Leber, Herz und herz-

nahen Gefäßen, Niere).– Verlegungsfällen mit Komplikationen wie intensivpflichtiger Sepsis, nekroti-

sierender Fasziitis oder komplexen Verletzungsformen mit sekundär notwen-diger Rekonstruktion.

1.1 Grundlagen

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Traumanetzwerk der DGU:Unter www.dgu-traumanetzwerk.de sind alle Informationen zum Traumanetz-werk der DGU sowie die aktuellen regionalen Netzwerke und teilnehmenden Kli-niken einsehbar.

1.2 Konzept der präklinischen VersorgungTechnische Maßnahmen am Unfallort

▶ Sicherung der Unfallstelle (Feuerwehr, Polizei), Eigenschutz!▶ Ausreichende personelle und technische Ressourcen vorhanden? → ggf. zusätzliche

Rettungsmittel anfordern.▶ Bergung von Patienten in Koordination mit den Einsatzleitern von Polizei/Feuer-

wehr → klare Zuordnung der medizinischen und organisatorischen Kompetenzen!

Maßnahmen zur Versorgung des Unfallverletzten

1. Situationserfassung und Triage:• Erfassung des Unfallmechanismus, um auf häufige Verletzungsmuster schließen

zu können: Tab. 1.1.

Tab. 1.1 • Häufige Verletzungsmuster abhängig vom Unfallmechanismus.

Unfallmechanismus Verletzungsmuster

PKW-Frontalkollision:•deformiertes Lenkrad• Impression des Armatu-renbretts (→ „dashboardinjury“)

•zerschlagene Windschutz-scheibe

•HWS-Verletzung•Thoraxkontusion, Rippenfrakturen, Pneumo-/Hämatothorax,Myokardkontusion

•Aortenruptur•stumpfes Abdominaltrauma mit Milz-/Leberruptur•Kettenverletzung der unteren Extremität: Frakturen undLuxationen von Mittelfuß (Lisfranc), Talus, OSG, Kniegelenk,Femurschaft, proximalem Femur, Azetabulum

PKW, seitlicher Aufprall •HWS-Verletzung• laterale Thoraxkontusion, Rippenfrakturen, Pneumo-/Häma-tothorax

•Aortenruptur•Zwerchfellruptur•Milz-/Leberruptur, Nierenkontusion/-ruptur (abhängig von derSeite des Aufpralls)

• laterale Kompressionsfraktur des Beckens

PKW, Auffahrkollision vonhinten

•HWS Verletzung („cervical whiplash“)

Ejektion (Herausschleudern)aus PKW

•erhöhtes Risiko einer schwergradigen Verletzung!•erhöhte Mortalität!

PKW gegen Fußgänger Verletzungsmuster in 3 Phasen:•direkter Anprall gegen Unterschenkel/Becken: Tibiaschaftfrak-turen, Knieverletzungen, Beckenverletzungen (Kinder: Thorax-/Abdominaltrauma)

•Schlag gegen Motorhaube und Frontscheibe: Abdominal-/Thoraxtrauma, Schädel-Hirn-Trauma

•Sturz über Motorhaube auf den Boden: Verletzungen deroberen Extremität (distaler Radius, Ellenbogen), Schädel-Hirn-Trauma, Wirbelsäulenverletzungen

1.2 Konzept der präklinischen VersorgungGrund

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• Abhängig davon Wahl der Zielklinik: Tab. 1.2 (Merke: „Der Patient soll nicht in dasnächste Krankenhaus, sondern das nächste geeignete Krankenhaus eingeliefertwerden“).

2. Beurteilung der Vitalfunktionen und lebensrettende Sofortmaßnahmen:• Erstbeurteilung nach „ABCDE-Schema“, vgl. ATLS®-Konzept (S.26).• Atemwegsmanagement: Indikationen zur Intubation (S.28) .• Initiale Schockbehandlung: „Autotransfusion“ durch Hochlagern der Beine,

Schockhose, adäquate Volumenzufuhr (Cave: Gerinnung, ggf. permissive Hypo-tension), Druckverband bei äußeren Blutungen, Schienung von Frakturen,Schmerztherapie.

3. Erfassen der bedrohlichen und relevanten Verletzungen aller Körperregionen.4. Herstellen der Transportfähigkeit.5. Permanente Überwachung und Re-Evaluation (ABCDE) während des Transports.6. Vor-Alarmierung der Zielklinik.■▶Hinweise:

• Die Prognose des Unfallverletzten ist direkt abhängig von der Zeitspanne zwi-schen dem Unfall und der definitiven Versorgung in einer adäquaten Zielklinik(geschätzte Reduktion der Sterblichkeit bei Verkehrsunfällen durch Implementie-rung eines Traumanetzwerks 8%).

• „3-R“-Regel: „Get the right patient to the right hospital at the right time!“ (Ame-rican College of Surgeons Committee on Trauma).

• Bei lebensbedrohlichen Zuständen und/oder einer zu erwartenden Transportzeitvon über 30min zwischen Unfallort und regionalem/überregionalem Trauma-zentrum soll zunächst die nächstgelegene Versorgungseinheit angfahren werden.

• Im Zweifelsfall immer höhere Versorgungsstufe anfahren!

Tab. 1.2 • Kriterien zur Schockraumbehandlung nach S3-Leitlinie

Empfehlungsgrad A: •Störung der Vitalparameter– systolischer Blutdruck unter 90mmHg nach Trauma,– GCS unter 9 nach Trauma,– Atemstörungen/Intubationspflicht nach Trauma.

•Offensichtliche Verletzungen– penetrierende Verletzungen der Rumpf-/Hals-Region,– Schussverletzungen der Rumpf-/Hals-Region,– Frakturen von mehr als zwei proximalen Knochen,– instabiler Thorax,– instabile Beckenfraktur,– Amputationsverletzung proximal der Hände/Füße,– Verletzungen mit neurologischer Querschnittssymptomatik,– offene Schädelverletzung,– Verbrennung > 20% von Grad ≥2b.

Empfehlungsgrad B: •Unfallmechanismus bzw. -konstellation– Sturz aus über drei Metern Höhe,– Verkehrsunfall (VU),– Frontalaufprall mit Intrusion von mehr als 50–75 cm,– Geschwindigkeitsveränderung von delta > 30 km/h,– Fußgänger-/Zweirad-Kollision,– Tod eines Insassen,– Ejektion eines Insassen.

Bei Nichtzutreffen eines der Kriterien aus a) und/oder b) ist der Unfallmechanismus c) zielführend füreine Schockraumversorgung.

1.2 Konzept der präklinischen Versorgung

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Merke:Ein Verletzter ohne messbare Herz-Kreislauf-Funktion am Unfallort hat eine in-fauste Prognose und darf nur behandelt werden, wenn Patienten mit bessererPrognose nicht vernachlässigt werden!

-

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+

+

OrientierenderPrimärstatus

BilanzVitalfunktionen?

LebenserhaltendeSofortmaßnahmen

PermanenteÜberwachung

Herstellen derTransportfähigkeitScoringSekundärstatus

von Kopf bis Fuß

Transport ingeeignete Klinik

Sicherung von Perfusionund Oxygenierung

Abb. 1.1 • Versorgungsalgorithmus an der Unfallstelle: Vernetzung von Diagnostik, Beurteilungund Behandlungsmaßnahmen.

1.2 Konzept der präklinischen VersorgungGrund

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2 Klinische Erstmaßnahmen bei Patientenohne akute vitale Bedrohung

2.1 AnamneseGrundlagen

▶ Eigenanamnese: Aussagen des Patienten (→ Vergleich mit Fremdanamnese; Amne-sie? Orientierung örtlich, zeitlich, zur Person, zur Situation?).

▶ Fremdanamnese: Aussagen von Drittpersonen (Unfallzeugen, Begleitpersonen, Ret-tungsdienst).

Anamneseschema nach ATLS®: AMPLE-History

Tab. 2.1 • AMPLE-History (nach ATLS®). Folgende Punkte sollten bei traumatologischenPatienten abgefragt werden.

A Allergien

•Asthma, Medikamente (v. a. Antibiotika, NSAR!), Narkosemittel (frühere Operationen),Lokalanästhetika, Kontrastmittel

M Medikamente (inkl. Alkohol, Drogen)

•Antihypertonika (v. a. β-Blocker und Ca2+ -Antagonisten): Möglicherweise Verschleierung derphysiologischen Antwort auf eine Blutung; eine normale Herzfrequenz darf nicht falsch alsNormovolämie interpretiert werden!

•Antidiabetika: Die Möglichkeit einer Insulin-Überdosierung muss bei Diabetikern in Betrachtgezogen werden. Cave: Hypoglykämie könnte ursächlich das Unfallgeschehen mitbeeinflussthaben

•chronische Diuretika-Therapie: Mögliche Ursache einer Hypokaliämie

•nicht steroidale Antirheumatika (NSAR, v. a. Acetylsalicylsäure): Erhöhte Blutungstendenz durchHemmung der Thrombozytenfunktion

•orale Antikoagulanzien (Cumarine, Clopidogrel, ASS, NOAKs): Erhöhung des Risikos einer massivenBlutung, insbesondere auch nach Bagatelltrauma (insbesondere intrakraniell)

•Alkohol- und Drogen: Erschweren die neurologische Beurteilung von SHT-Patienten →großzügige Indikation zum Schädel-CT!

P persönliche Anamnese

•aktuell bestehende Krankheiten

•Vorerkrankungen, Operationen

•bestehende Schwangerschaft? → veränderte Herz-Kreislauf-Parameter wegen physiologischerHypervolämie: cardiac output =Herzzeitvolumen ↑ (ca. 1 – 1,5 l/min), Herzfrequenz ↑ (ca.10 – 15/min), systemischer Blutdruck ↓ (ca. 5 – 15mmHg)– Eklampsie als DD zum hämorrhagischen Schock– Bei Schwangeren möglicherweise starker Blutverlust ohne klinische Schockzeichen durchphysiologisch erhöhtes intravaskuläres Volumen (Hypervolämie)! Die Plazentaperfusion kannjedoch bereits kompromittiert sein und der Fötus dadurch schockgefährdet!

– Keine Verabreichung von Vasopressiva bei Schwangeren (Plazenta)!– Die Kompression der V. cava inferior durch den Uterus kann das HZV bei Schwangeren akutverringern und einen Schockzustand verschlechtern. Therapie: Linksseitenlage (rechte Hüfteum 10 – 15 cm anheben, Uterus manuell nach links verlagern)

2.1 Anamnese

Erstmaß

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■▶Hinweis: Musterdokumentationsbögen für die Polytraumaversorgung stellt dasTraumaregister der DGU unter http://www.traumaregister.de zur Verfügung.

Tab. 2.1 • Fortsetzung.

•– Merke: Bei allen Schockraum-Patientinnen im gestationsfähigen Alter (10 – 50 Jahre) β-HCGim Urin bestimmen

– Indikation zum Röntgen bzw. CT-Traumascan bei Schwangeren nur bei kritischer Indikation

L letzte Mahlzeit (Zeitpunkt)

•vorgegebene zeitliche Nahrungskarenz für Elektiveingriffe: 6 h für feste Nahrung, 2 h für klareFlüssigkeiten

•bei Notfalleingriffen entfällt diese Vorgabe! (jeder Notfallpatient gilt als „operabel“) → „rapidsequence intubation“ (S.28)

E Ereignisse in Bezug auf das Unfallgeschehen

•Zeitpunkt des Unfalls

•Situation am Unfallort: Bewusstlosigkeit, Atemwege, (Be-)Atmung, Hämodynamik

•bisherige Therapie: Intubation, Volumensubstitution, Vasopressoren, Therapieerfolg? s. Schock(S.28)

•Unfallart:– Verkehrsunfall: PKW (□ Fahrer; □ Beifahrer: □ vorne / □ hinten; Sicherheitsgurt: □ ja /□ nein / □ unbekannt); LKW, Motorrad (Helm: □ ja / □ nein / □ unbekannt), Fahrrad,Mofa, Bus, Tram, Bahn, Fußgänger

– Arbeitsunfall– Sport/Freizeit– Haushalt– Suizidversuch– Überfall, Gewalttat– Anderes:

•Unfallmechanismus – stumpfes Trauma:– horizontales Dezelerationstrauma (z. B. Fahrzeugkollision)– vertikales Dezelerationstrauma: Sturz– Sturzhöhe: □ < 3m / □ ≥3m– direkter Anprall (z. B. PKW gegen Fußgänger)– Motorradunfall– Einklemmung, Kompression– Schlag (z. B. bei intentioneller Verletzung durch Gewalttat)– Verbrennung

•Cave: Erhöhtes Risiko einer schwergradigen Verletzung bei 1) anamnestisch am Unfallortverstorbener Person im selben Fahrzeug oder bei 2) Ejektion aus dem Fahrzeug. WichtigeInformationen betreffend Unfallmechanismus (Fremdanamnese) können auf spezifischeVerletzungsmuster hinweisen (Tab. 1.1)

•Unfallmechanismus – penetrierendes Trauma:– niedrige Energie: Messerstichverletzung– mittlere Energie: Handfeuerwaffen (S.218)– hohe Energie: Jagd-/Sturmgewehr (S.218)– weitere Ursachen: Schrotschussverletzungen, Pfählungsverletzungen nach Sturz, penetrie-rende Verletzungen bei Explosionen (S.223)

2.1 AnamneseErstmaß

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2.2 UntersuchungGrundlagen

▶ Die Untersuchung und Beurteilung erfasst den ganzen Menschen und seine Verlet-zungen einschließlich eventueller Vorschäden und Vorerkrankungen. Bei Leichtver-letzten beschränkt sich die Untersuchung auf das für Diagnosestellung und Thera-pie notwendige Maß (Lokalbefund).

▶ Auch bei lokalisierten Verletzungen muss unter Umständen mit Systembelastungengerechnet werden.

▶ Schutz-/Hygienemaßnahmen: Bei Kontakt mit Körperflüssigkeiten und Blut müssenzur Untersuchung Handschuhe getragen werden. Evtl. sind weitere Schutzmaßnah-men (z. B. Schutzbrille, Mundschutz, Schutzanzug) zu ergreifen.

▶ Dokumentation: Die durchgeführten Untersuchungsmaßnahmen und die patholo-gischen Befunde müssen schriftlich, ggf. auch fotografisch (z. B. schwere Weichteil-verletzungen, forensische Dokumentation bei Gewaltverbrechen) und radiologisch(ossäre Verletzungen) dokumentiert werden.

▶ Systematisches Vorgehen bei der Untersuchung:• Orientierende Prüfung von Bewusstseinslage, Kreislauf, Atmung, neurologischem

Status, Thorax, Abdomen, Becken, Wirbelsäule, Extremitäten.• Der Lokalbefund muss im Detail erhoben werden, bei Verletzungen der Extremi-

täten müssen insbesondere Motorik, Sensibilität und Durchblutung peripher derSchädigung überprüft werden.

Induktives Vorgehen:Zunächst Anamnese und klinische Untersuchung, dann erst ergänzende apparati-ve Untersuchung (zur Bestätigung oder zum Ausschluss einer vermuteten Verlet-zung).

▶ Spezielle Aspekte:• Unangenehme und schmerzhafte Untersuchungsabschnitte sollten am Schluss der

Untersuchung durchgeführt werden.• Präklinisch angelegte sterile Schutzverbände auf den Wunden sowie suffizient an-

gelegte Schienen an Frakturen belassen. Schnürende Verbände, Kleidungsresteund Schmuck entfernen, ebenso Brillen, Kontaktlinsen und Zahnprothesen.

• Offene Wunden nach Inspektion steril verbinden, bei starker Blutung mit einemDruckverband. Stark dislozierte Frakturen unter Zug und Gegenzug wenigstensso weit reponieren, dass die Weichteile entlastet sind. Anschließend die Extremi-tät schienen.

Untersuchungstechnik

▶ Inspektion:• Bewusstseinslage, Hautkolorit, Dyspnoe, Blutungen aus Körperöffnungen.• Wunden: Lokalisation, Größe, Form, Wundränder, Verschmutzung.• Am Rumpf auch Rücken, Damm und Flanken kontrollieren.• An den Extremitäten auf Verkürzungen, Achsenknickungen, Deformität und In-

stabilität achten. Periphere Funktionskontrollen an Händen und Füßen.▶ Auskultation: Herz, Lunge, Abdomen, Gefäße.▶ Perkussion: Thorax und Abdomen.▶ Palpation:

• Hauttemperatur, subkutanes Emphysem, Stabilität von Thorax und Becken.• Bimanuelle Tastuntersuchung des Abdomens, einschließlich rektaler Tastunter-

suchung.

2.2 Untersuchung

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• Stabilität von Gelenken und langen Röhrenknochen, aktive Bewegungen der peri-pheren Gelenke gegen Widerstand prüfen (Innervation, Sehnenverletzungen,Frakturen).

• Druck auf Muskellogen.▶ Messung von Puls, Blutdruck, Atemfrequenz, Länge/Umfang von Extremitäten, Be-

wegungsumfang von Gelenken.▶ Ergänzende apparative Untersuchungen:

• Röntgen:– Bei Frakturverdacht Aufnahme der suspekten Region in 2 zueinander senk-

rechten Ebenen. Abbildung benachbarter Gelenke. Im Einzelfall der dringlichenVersorgung ist bei eindeutigem Befund in einer Ebene ggf. die 2. verzichtbar.

– Kontralaterale Vergleichsaufnahmen in identischer Projektion sind nur noch inAusnahmefällen (z. B. Tossy-Verletzung) indiziert.

– Stressaufnahmen zum Nachweis von Kapselband-Instabilitäten.• EKG und Pulsoximetrie.• Sonografie: Abdomen, Thorax, Hämatome, Gelenkerguss.• Dopplersonografie: Periphere Gefäße.• Kompartmentdruckmessung (S.209): Bei Verdacht auf Kompartmentsyndrom.• CT, MRT, Angiografie: Zur gezielten weiterführenden Diagnostik bei spezieller In-

dikation.

Begleitende Maßnahmen

▶ Hochlagern und kühlen der verletzten Extremität.▶ Blutentnahme für diagnostische und präoperative Laboruntersuchungen.▶ Tetanus-Prophylaxe (S.216), abhängig vom Impfstatus.▶ Schmerzbekämpfung.

2.2 UntersuchungErstmaß

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3 Management schwerer Verletzungsformen

3.1 Allgemeines Vorgehen bei SchwerverletztenGrundlagen

▶ Beurteilung des Verletzten, Sicherstellung der Vitalfunktionen und operative Sofort-maßnahmen laufen parallel ab. Das zeitliche Vorgehen hängt stark von den jeweili-gen Verletzungen bzw. dem klinischen Zustand des Patienten ab. Das Vorgehen istim Folgenden deshalb nicht streng zeitlich, sondern thematisch dargestellt:• Erstbeurteilung (Primary Survey): s. u.• Re-Evaluation (Secondary Survey) (S.33).• Operationsphasen (S.34).• Frühe Sekundärverlegung (S.37).

Allgemeiner Versorgungsalgorithmus

Siehe Abb. 3.1.

3.2 Dringliche Erstmaßnahmen: „Primary Survey“(Erstbeurteilung) und Sicherung derVitalfunktionen

Grundlagen

▶ Diese erste Phase umfasst die kritischen ersten Minuten im Schockraum. Falls nötigwerden direkt im Anschluss bzw. parallel zum Primary Survey lebensrettende So-forteingriffe (S.35) durchgeführt.

▶ Zeitrahmen: Der „Primary Survey“ sollte nicht mehr als 20 – 30min in Anspruchnehmen → Stoppuhr im Schockraum!

▶ Durchschnittlicher Zeitbedarf nach Jahresbericht TR-DGU 2014 für ISS ≥ 16 alsBenchmark:• FAST-Sonografie: Innerhalb von 6min.• Röntgen Thorax: Innerhalb von 16min.• Röntgen Becken: Innerhalb von 16min.• CT Schädel bei bewusstseinsgetrübten Patienten: Innerhalb von 22min.• Ganzkörper-CT: Innerhalb von 23min.

„Primary survey“„Basic imaging“

„Secondary survey“

?

+ -

Sicherung:Oxygenierung, Perfusion

Bilanz:- Vitalfunktionen?

- Response?

LebensrettendeSofortoperationen

VerzögertePrimäreingriffe

Scoring

„Damage control“ ICU

Abb. 3.1 • Versorgungsalgorithmus zum klinischen Vorgehen. ICU= Intensive Care Unit.

3.2 Dringliche Erstmaßnahmen

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Beurteilung und Sicherung der Vitalfunktionen nach dem ATLS®-Protokoll

▶ Rasche Beurteilung der Vitalfunktionen nach definiertem Algorithmus: Tab. 3.1.■▶Hinweis: Zeitgleich muss ggf. eine Behandlung der erfassten lebensbedrohlichen

Verletzungen durch sofortige lebensrettende operative Versorgung (Laparotomie,Kraniotomie, externe Beckenstabilisation, Thoraxdrainage etc.) erfolgen!

Tab. 3.1 • „Primary Survey“ zur Beurteilung und Sicherung der Vitalfunktionen(entsprechend ATLS®-Protokoll).

klinische Beurteilung Therapie/Noteingriff Merke:

A – Airway maintenance with cervical spine protection

• Inspektion der oberen Atemwe-ge: Fremdkörper, Gesichtsfrak-turen, Verletzung von Larynx,Trachea?

•verbale Antwort des Patienten:Eupnoe und adäquate Antwort→ obere Atemwege frei

•Zeichen der Obstruktion: Stridor,Heiserkeit, Dyspnoe, Tachy-pnoe; bei Larynx-Fraktur: sub-kutanes Emphysem, Palpationder Fraktur

•Entfernung von Fremdkörpern•„Chin-lift“- oder „Jaw-thrust“-Manöver

•oro-/nasopharyngealer Tubus•„definitiver Atemweg“: endo-tracheale Intubation oderNotkoniotomie

•alle Manipulationen zurSicherung der Atemwe-ge müssen unter Protek-tion der HWS erfolgen!

•dringender V. a. HWS-Verletzung bei allenmehrfachverletzten Pa-tienten, bei GCS ≤8, pe-ripheren neurologischenAusfällen und beistumpfem Trauma kra-nial der Klavikula

B – Breathing and ventilation

• Inspektion: Tachypnoe? Zyano-se? Paradoxe Atmung? → in-stabile Thoraxwand beiRippenserienfraktur. GestauteHalsvenen? → Spannungs-pneumothorax

•Auskultation: unilateral abge-schwächtes/fehlendes Atem-geräusch? → Pneumothorax

•Perkussion: hyposonorer Klopf-schall → Hämato-/Pneumotho-rax

•Palpation: Hautemphysem(Spannungspneumothorax),Kompressionsschmerz (Rip-penfraktur)

•Pulsoxymeter

•ATLS®: „Every trauma patientgets supplemental oxygen!“ →O2-Maske, 4 – 10 l/min

•bei Spannungspneumothorax(S.136):– Sofortmaßnahme: Punk-tion des 2. ICR medioklavi-kulär mit großkalibrigerBraunüle zur akutenDruckentlastung

– definitive Versorgung:Bülau-Drainage (S.67)

•bei offenem Pneumothorax(S.136): 1. Abdichtung mitsteriler Kompresse, an dreiSeiten fixiert (Luft entweichtin Exspiration, abgedichtet inInspiration). 2. Bülaudrainage

•bei Hämatothorax (S.136):Bülaudrainage

•bei instabilem Thorax/Lungen-kontusionen (S.140): Endo-tracheale Intubation

•Spannungspneumotho-rax = klinische Diagnose!

•DD Spannungspneumot-horax: verlegte Atem-wege (Tachypnoe/Dyspnoe), Herztampo-nade (zentralvenöseStauung, kardiogenerSchock), andereSchockursachen (häm-orrhagischer Schock)

•Rippenserienfraktur/ in-stabile Thoraxwand: In-diz für massiveGewalteinwirkung →Lungenkontusion:schwergradige Verlet-zung!

•Kinder: Eine Lungen-kontusion ist auch ohnebegleitende Rippen-frakturen möglich

3.2 Dringliche ErstmaßnahmenMan

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A Airway maintenance with cervical spine protection

Cave:A priori immer von einer HWS-Verletzung ausgehen! Manipulationen an derHWS vermeiden!

▶ Fremdkörper entfernen.▶ Erbrochenes absaugen.▶ „Chin-lift“- oder „Jaw-thrust“-Manöver: Unterkiefer anheben, Kopf nackenwärts

möglichst weit überstrecken, Mund leicht öffnen. Zurückfallen der Zunge und da-mit Obstruktion des Hypopharynx werden behoben. Anschließend können die obe-ren Atemwege durch Platzieren eines oro- oder nasopharyngealen (Cave Schädel-fraktur) Tubus freigehalten werden.

Tab. 3.1 • Fortsetzung

klinische Beurteilung Therapie/Noteingriff Merke:

C – Circulation with hemorrhage control

•Schock: klinische Zeichen derinadäquaten Organperfusion!Verwirrtheit, Somnolenz; Hautblass und kaltschweißig; redu-zierte Ausscheidung bis zurAnurie; Puls: oberflächlich,tachykard (> 100/min);Blutdruckabfall erst bei schwe-rem Schock (Blutverlust> 30 – 40%). Labor: meta-bolische Azidose

• Inspektion: Externe Blutungen• Innere Blutungen: Unter-suchung von Thorax (s. o.),Abdomen (klinisch, Sonogra-fie) und Becken (klinisch: Sta-bilität, Kompressionsschmerz?Röntgen: Beckenübersicht!)

•ATLS®: zwei großlumige pe-riphere Zugänge und initialeadäquate Volumensubstituti-on mit Ringerlösung (37 –40 °C!)

•Volumensubstitution: CaveGerinnung! Ggf. temporärpermissive Hypotension

•bei äußerer Blutung: DirekteKompression, Druckverband(Cave: keine Tourniquets!)

•bei innerer Blutung (S.159)•bei Beckenverletzung (S.322)•bei Perikardtamponade (S.40),vgl. Myokardverletzung(S.146)

•bei Aortenruptur (S.148)

•Schock = klinische Diag-nose!

•Cave: Beckenfraktur →Blutverlust von mehre-ren Litern (intra-/retro-peritoneal)!

•bei β-Blocker-Therapieinadäquater Anstieg derHerzfrequenz bei Blu-tung

•Cave: Kinder, Sportler,Vormedikation, Vor-erkrankungen → ggf.Maskierung von Tachy-kardie und Hypotension

D – Disability: neurologic status

•grobe neurologische Beurtei-lung (S.30):

•GCS (oder AVPU), Pupillen•kursorisch: periphere Motorikund Sensibilität

•bei GCS ≤8 endotrachealeIntubation

•an eine eventuelleBewusstseinstrübungdurch Alkohol undDrogen denken!

E – Exposure/environmental control

•komplettes Entkleiden desPatienten unter Kontrolle derHypothermie: kursorischeOrientierung über Zusatz-verletzungen, Stichwunden,Weichteilverletzungen etc.

• Inspektion des Rückens durchDrehen „en bloc“ (4 Personen!)

•Vermeidung von Hypothermie:Wärmematte, warme Tücher,aufgewärmte Infusionslösun-gen (39 °C)

•Die Inspektion desRückens wird häufigvernachlässigt!

3.2 Dringliche Erstmaßnahmen

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▶ Definitiver Atemwegszugang (Tubus in der Trachea mit aufgeblähtem Cuff):• Indikationen:

– Sicherung der oberen Atemwege bei Bewusstlosigkeit (GCS ≤8), Gesichtsfrak-turen, Gefahr der Atemwegsobstruktion oder Aspiration.

– Notwendigkeit der mechanischen Ventilation bei Apnoe, insuffizienter Atmung(Tachypnoe, Hypoxämie, Hyperkapnie, Zyanose), kontrollierter Beatmung beimschweren Schädel-Hirn-Trauma.

• Technische Möglichkeiten: Orotracheal, nasotracheal, chirurgisch (Koniotomie/Tracheotomie).

• Die notfallmäßige endotracheale Intubation erfolgt in der Regel als rapid sequen-ce intubation:– Prä-Oxygenierung mit 100% O2.– Verabreichung eines Sedativums/Narkotikums (z. B. Midazolam 2 –5mg i. v.

und S-Ketanest 0,5 –1mg/kg KG i. v.), ggf. weitere Analgesie.– Relaxation mit Succinylcholin (1 – 2mg/kg KG i. v.).– Intubation unter HWS-Protektion! → 2-Personen-Manöver: Intubation durch

Arzt und Immobilisation der HWS unter vorsichtigem axialen Zug durch Helfer.Nach Intubation wieder Fixation im Schanz-Kragen.

• Überprüfen der korrekten Lage des endotrachealen Tubus (sowohl bei Eintreffen imSchockraum [bei bereits intubierten Patienten] als auch im Verlauf nach jedemUmlagern):– Auskultation der oberen Lungenfelder bds. (Atemgeräusch?) und des Epigastri-

ums (bei Fehllage im Ösophagus „Blubbern“).– Endtidal-Kapnometrie: Exspiratorisch gemessenes CO2 schließt ösophageale

Intubation aus!– Röntgen-Thorax: Überprüfung der Tiefe des Tubus; die ösophageale Intubation

kann im a. p.-Bild nicht ausgeschlossen werden.■▶Cave: Die mechanische Ventilation nach endotrachealer Intubation kann einen

zuvor nicht diagnostizierten einfachen Pneumothorax in kurzer Zeit in einenSpannungspneumothorax (S.136) verwandeln! →Maßnahmen:– Kontinuierliche Re-Evaluation!– Ggf. prophylaktische Bülau-Drainage bei intubierten Patienten mit Rippenfrak-

turen (z. B. bei Rotoresttherapie).

B Breathing and ventilation

Siehe Tab. 3.1.

C Circulation with hemorrhage control – Schockbehandlung

▶ Definition Schock (S.39).▶ O2-Zufuhr:

• Bedarf:– Normal im Ruhezustand ca. 250ml/min.– Nach Trauma ca. 1 000ml/min.

• Vorgehen:– „Every trauma patient gets supplemental oxygen“: O2-Maske, 4 – 10 l O2/min.– Ggf. Intubation und Beatmung (s. o.).

▶ Abschätzung eines Blutverlusts (intravasales Volumen normal bei Erwachsenen ca.7 % vom KG oder 70ml/kg KG [z. B. bei 70 kg ca. 5 l], bei Kindern 8 – 9% vom KG):• Klinische Abschätzung des Schweregrads und Therapieoptionen:

– Grad I (< 15% bzw. < 750ml): In der Regel nicht klinisch fassbar.– Grad II (15 – 30% bzw. 750 – 1 500ml): Tachykardie (> 100/min), Tachypnoe,

erregter Patient → Kristalloide.– Grad III (30 – 40% bzw. 1 500 – 2 000ml): Tachykardie > 120/min, Blutdruck-

abfall! Patient verwirrt, verminderte Ausscheidung → Kristalloide und Ery-throzyten-Konzentrate!

3.2 Dringliche ErstmaßnahmenMan

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– Grad IV (> 40% bzw. > 2 000ml): Patient lethargisch, anurisch, Tachykar-die > 140/min, massive Hypotonie! → lebensgefährlicher Schockzustand!→ Kristalloide, Erythrozyten-Konzentrate (sofern Austestung nicht möglich:0 Rh– [s. u.]), Gerinnungskonzentrate (Fresh Frozen Plasma) und chirurgischeBlutstillung.

• Blutungsausmaß bei Frakturen (abhängig von Frakturtyp und Zeitabstand seit Un-fall):– Tibia- oder Humerusschaft: ca. 750ml.– Femurschaft: ca. 1 500ml.– Beckenfraktur: Mehrere Liter (intra- oder retroperitoneal)!

• Abklärung möglicher innerer Blutungen:– Thorax: Klinische Untersuchung, Röntgen. Bei V. a. Aortenruptur transösopha-

geale Echokardiografie.■▶Aortenruptur loco classico (Aortenbogen, Lig. arteriosum): Die meisten Patienten

versterben bereits am Unfallort (Sudden Death)! Im Schockraum dringenderVerdacht bei 1) anamnestisch Dezelerationstrauma (Tab. 1.1), 2) typischen ra-diologischen Zeichen im Thoraxbild (S.149). Vorgehen: 1) kontrollierte Hypoto-nie, 2) Ausschluss SHT/intrakranielle Blutung (CCTwegen postoperativer Hepa-rinisierung), 3) herzchirurgische Versorgung.

– Schädel (S.100): Klinik (GCS), CCT.– Abdomen: Klinik (peritonitische Zeichen), Sonografie, CT mit KM.■▶Merke: FAST-Sonografie bei allen Schockraumpatienten als „Screening“ durch-

führen!▶ Therapie

• Volumenersatz (nach ATLS®):– Zwei großlumige periphere Zugänge und initiale Volumensubstitution mit

Ringerlösung (aufgewärmt!). Bei Kindern 20ml/kg KG i. v.– 3:1-Regel (= 300ml Volumen pro 100ml Blutverlust).– Hinweis: Bei hämorrhagischem Schock frühzeitige Transfusion von Fresh Fro-

zen Plasma (FFPs) und Thrombozytenkonzentraten (TKs) zusätzlich zu Ery-throzytenkonzentraten (EKs)! Derzeit empfohlenes Verhältnis EKs/FFPs 3 : 2;EKs/TKs 5 : 1. Eine eindeutige Empfehlung des idealen Transfusionsverhältnis-ses bleibt die Fachliteratur aufgrund der Studienlage bisher schuldig. Ggf.Point-of-Care Gerinnungsdiagnostik durchführen.

• Chirurgische Blutstillung bei äußerer Blutung: Direkte Kompression, Druckverband(Cave keine Tourniquets!). Chirurgische Versorgung.

• Chirurgische Blutstillung und Hämatomentlastung bei innerer Blutung und Kom-promittierung parenchymatöser Organsysteme:– Thorax: Bülau-Drainage (S.67).– Schädel: Hämatomevakuation (S.110).– Abdomen: Laparotomie (S.164).– Becken (S.328): Sofortmaßnahme bei massivem Beckentrauma (z. B. „Open-

book“-Verletzung): Grobreposition und Volumenreduktion durch Innenrotati-on der Hüften, „Pelvic Sling“, Tuchschlinge, Beckenzwinge, Laparotomie undPacking.

Wichtige Hinweise zur Schockdiagnostik:▶ Typische Schockzeichen können auch bei kritischem Blutverlust fehlen:

• In der Schwangerschaft besteht eine physiologische Hypervolämie, die einenBlutverlust initial kaschieren kann (Tab. 2.1).

• Junge Patienten/Sportler verfügen über ausgezeichnete kardiovaskuläreKompensationsmechanismen → Dekompensation erst bei kritischem Blut-verlust!

• β-Blocker maskieren eine Hypovolämie → fehlender Anstieg der Herzfre-quenz!

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▶ Immer Dauerkatheter zur Kontrolle der Ausscheidung und Volumenbilanzie-rung, aber erst nach Ausschluss einer Urethraruptur:• Klinische Hinweise: Beckenfraktur [klinisch, radiologisch]; Blut am Meatus

urethrae, Skrotalhämatom, perineale Ekchymose; hoch reitende oder nichtpalpable Prostata, hoch stehende Blase im Ultraschall.

• Diagnosesicherung: Urethro-/Zystografie (S.34), vgl. auch Therapieprinzipien(S.351).

D Disability: Neurological status

▶ Bewusstsein:• GCS (S.100).■▶Merke: Bei einem GCS ≤8 besteht die Indikation zur endotrachealen Intubation!• Pediatric GCS für Säuglinge und Kleinkinder bis 36 Monate: Tab. 3.2.

▶ Pupillen: Größe, Form, Symmetrie, Lichtreaktion.▶ Motorik und Sensibilität (S.121):

• Sensibilität und Motorik der oberen und unteren Extremitäten (spontane Bewe-gungen, Reaktion auf Schmerzreize, Reflexdifferenzen, Pyramidenbahnzeichen?).

• Perianale Sensibilität, Sphinktertonus (im Rahmen der digital-rektalen-Unter-suchung auch Beurteilung der Lage der Prostata); s. Beckenfraktur (S.322).

E Exposure/Environmental control

Siehe Tab. 3.1.

Begleitende Maßnahmen

▶ Basis-Monitoring:• 3-Kanal-EKG.• Pulsoximeter.• Manuelle oder invasive Blutdruckmessung.• Kapnometrie (bei beatmeten Patienten).• Blasenkatheter zur Kontrolle der Ausscheidung.

▶ Laborstatus:• Kreuzblut: Zur Substitution von Erythrozyten-Konzentraten (EKs), je nach Verlet-

zungsmuster für mind. 4 – 6 EKs.• Hämatologie: Hb, Hkt, Leukozyten, Thrombozyten; bei Hb-Erniedrigung nach Vo-

lumensubstitution mit Kristalloiden/Kolloidlösungen an Verdünnungseffekt den-ken!

• Gerinnungsparameter: Prothrombinzeit (Quick) bzw. INR, aPTT, D-Dimere, Fibri-nogen; ein initial niedriger Quick-/hoher INR-Wert beim Polytrauma ist ein Prä-diktor für ein schlechtes Outcome!

Tab. 3.2 • Pediatric Glasgow Coma Scale

Punkte Augen öffnen Beste verbale Kommunikation Beste motorische Reaktion

6 – – spontane Bewegung

5 – Plappern, Brabbeln auf Schmerzreiz, gezielt

4 Spontan Schreien, aber tröstbar auf Schmerzreiz, normale Beuge-abwehr

3 auf Schreien Schreien, untröstbar auf Schmerzreiz, abnorme Abwehr

2 auf Schmerz-reiz

Stöhnen oder unverständlicheLaute

auf Schmerzreiz, Strecksynergis-men

1 keine Reaktion keine verbale Reaktion keine Reation auf Schmerzreiz

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• Elektrolyte: Na+, K+, Ca2+ , Mg2+ , Cl–.• Nierenfunktion: Harnstoff, Kreatinin, Kalium.• Leberfunktion: Prothrombinzeit (Quick) bzw. INR, Transaminasen (GOT, GPT).• Cholestase-Parameter: Bilirubin, γ-GT, alkalische Phosphatase.• Herzenzyme:

– Myoglobin, CK: Bei Erhöhung Gefahr der Crush-Niere→ forcierte Diurese.– Troponin I, CKMB: Bei Erhöhung V. a. Myokardkontusion → EKG, Monitoring,

Verlaufskontrolle!• Toxikologisches Screening (insbesondere Ethanol).• Arterielle Blutgasanalyse:

– pO2, pCO2, pH, Basenüberschuss, O2-Sättigung.– Laktat (arteriell!).

• Urinstatus:– Mikrohämaturie (als Hinweis auf Nierenkontusion, Verletzung der ableitenden

Harnwege)?– Drogenscreening (Nachfragen: Opiate im Rahmen der präklinischen Versor-

gung?).– Frauen im gestationsfähigen Alter (10 – 50 Jahre): β-HCG im Urin!

• Bildgebung.

Hinweis:Eine vollständige Kreuzprobe dauert ca. 1 h und kann bei Patienten im schwerenSchockzustand nicht abgewartet werden. Alternativen sind unausgeteste Erythro-zyten-Konzentrate:▶ AB0 und Rh-kompatibel: t = 10min.▶ Konzentrate der Blutgruppe 0, Rh – (Universalspender).

Bildgebende Verfahren in der Basisdiagnostik

Bildgebung darf adäquate Versorgung des Patienten nicht verzögern!Bildgebende Verfahren dienen im Rahmen des „Primary Survey“ der Unterstüt-zung der Primärdiagnostik. Sie müssen gezielt eingesetzt werden und dürfen dieklinische Beurteilung und Sicherstellung der Vitalfunktionen zeitlich nicht behin-dern oder verzögern. Ebenso darf die bildgebende Diagnostik die Verlegung desUnfallverletzten in ein Traumazentrum nicht verzögern!

▶ Konventionelles Röntgen:• Screening-Aufnahmen bei Mehrfachverletzten und Patienten mit Bewusstseins-

trübung (z. B. nach SHT): Thorax a. p., Beckenübersicht.• Weitere Aufnahmen gezielt im Rahmen des „Secondary Survey“ (s. u.) entspre-

chend der erhobenen klinischen Befunde. In der überwiegenden Zahl der FälleRöntgen der Extremitäten (Körperstamm durch CT-Traumascan).

Typische radiologische Zeichen einer Aortenruptur:▶ Verbreitertes Mediastinum (Cave: nur in 3% der Fälle auf eine Aortenruptur zu-

rückzuführen → KM-CT oder Angiografie).▶ Hohe Rippenfrakturen (I und II).▶ Obliteration des Aortenbogens.▶ Deviation von Trachea, rechtem Hauptbronchus und Ösophagus (nur sichtbar

bei liegender Magensonde) nach rechts.▶ Verschmälerter Abstand zwischen Pulmonalarterie und Aorta.

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▶ FAST (Focused Assessment with Sonography for Trauma):• Screeningverfahren zum Nachweis von intraperitonealer freier Flüssigkeit sowie

von Pleura- und Perikardergüssen.• Wichtige Untersuchungsregionen (Abb. 3.2):

– Leber, rechte Niere → re. mittlere bis hintere Axillarlinie Höhe 11./12. Rippe(Morrison pouch).

– Milz, linke Niere → li. hintere Axillarlinie Höhe 10./11. Rippe (Koller pouch).– Harnblase, Douglas-Raum.– Ggf. Darstellung eines Pleuraergusses, 4-Kammer-Blick zur Darstellung eines

Perikardergusses.

• Vorteile: Nicht invasiv, zeitsparend, hohe Sensitivität bei intraperitonealer Blu-tung und Läsion der parenchymatösen Organe.

• Nachteile: Niedrige Sensitivität für retroperitoneale Verletzungen (z. B. Pankreas)und Hohlorganläsionen (z. B. Dünndarmruptur); Zuverlässigkeit abhängig vomUntersucher.

• Alternative zur Abdomen-Sonografie – CT-Abdomen (Abb. 3.3): Sensitiv für retro-peritoneale Verletzungen. Hohe Spezifität (Kontrastmittel!)!

a b

Abb. 3.2 • a Schnittebenen im FAST b perihepatische freie Flüssigkeit mit hochgradigem V. a.intraabdominelle Blutung.

Abb. 3.3 • Abdominelle CT-Schnittbilddiagnostik ohne (a) und mit (b) Kontrastmittelgabe beieiner 28-jährigen Patienten mit Z. n. Fahrradsturz über den Lenker und stumpfem Bauchtrauma.Die ausgedehnte horizontale Leberlazeration zeigt sich im Vergleich eindrücklich nachKontrastmittelgabe.

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▶ Spiral-CT:• Vorteile:

– In einem einzigen Untersuchungsgang mit einem Zeitbedarf von weniger als5min werden alle relevanten Verletzungen von Schädel, Wirbelsäule, Körper-höhlen, Becken und angrenzenden proximalen Gliedmaßenabschnitten dar-gestellt.

– Je nach Prognosemodell zeigt sich beim Polytrauma durch konsequente Diag-nostik mittels Ganzkörper-Spiral-CT ein Überlebensvorteil von 3% gegenüberder konventionellen Diagnostik („Number needed to scan“: 32 Patienten).

– Unter Kontrastmittelgabe sind alle relevanten Gefäßverletzungen auch distalvon Knie und Ellenbogen mit ausreichender Präzision erfassbar.

• Voraussetzung zur effektiven Anwendung:– Räumliche Nähe der Untersuchungseinheit zum Schockraum, idealerweise im

Nebenraum.– Interdisziplinär verbindliche Protokolle, orientiert an der Schwere der Verlet-

zung.– Durchgehende radiologische Betreuung zur raschen Bildaufbereitung des Da-

tenmaterials.■▶Hinweis: Bei kreislaufstabilen Patienten mit mindestens 2 großlumigen Zugängen

kann zugunsten einer zeitnahen Diagnostik mit Spiral-CT auf eine Basisdiagnostikmittels nativer Röntgenaufnahmen verzichtet werden. Die nachfolgende bildge-bende Diagnostik beschränkt sich in diesem Fall auf die distalen Extremitäten.

3.3 Re-Evaluation („Secondary Survey“)Grundlagen

▶ Prinzip: Der Secondary Survey erfolgt nach Stabilisierung der Vitalfunktionen. Zielist die Vervollständigung der Anamnese und der klinischen Untersuchung, um alleZusatzverletzungen zu erfassen. Zusätzlich kontinuierliche Re-Evaluation der Vital-funktionen!

In folgenden Fällen muss zunächst auf einen „Secondary Survey“ verzichtet werden:▶ Persistierende Instabilität der vitalen Systeme → unverzüglich lebensrettende

Sofortoperationen einleiten (s. Abb. 3.1).▶ Schwer verletzte Patienten, die sich auch nach der initialen Versorgung

(„Primary Survey“ und lebensrettende Sofortoperationen) noch in einem labi-len Zustand befinden → hier zunächst Damage control (S.35) und frühzeitigeVerlegung auf die Intensivstation zur Stabilisierung der vitalen Systeme.

▶ Zeitpunkt: Nach Sicherstellung der Vitalfunktionen und Durchführung des komplet-ten Check-ups im Rahmen des „Primary Survey“.

▶ Maßnahmen:• Erweiterte Anamnese: AMPLE-Schema (S.21).• Evaluation der verschiedenen Körperregionen und Organsysteme:

– Kopf und Gesicht (S.100).– Hals und HWS (S.308).– Thorax (S.131).– Abdomen (S.159).– Perineum, Rektum, Vagina (S.189).– Bewegungsapparat, inkl. Wirbelsäule.– Neurologischer Status (S.121).

3.3 Re-Evaluation („Secondary Survey“)

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Diagnostik

▶ CT-Traumascan (Dünnschicht-Spiral-CT):• Standard der Schockraumdiagnostik bei V. a. Mehrfachverletzung.• Vorteil: Geringer Zeitbedarf bei entsprechender Ausstattung (64-Zeiler, räumliche

Nähe).• Beinhaltet in der Regel:

– CCT mit HWS nativ.– CT Thorax/Abdomen bis Becken mit Kontrastmittel.

• Zeitnahe Diagnostik von Schädel und Körperstamm im Weichteil- und Knochen-fenster.

• Möglichkeit zur Gefäßdarstellung mittels Angio-CT.• Kritische Indikationsstellung bei Kindern/Jugendlichen und Schwangeren.

▶ Einzel-CT Schädel, Thorax, Abdomen:• Je nach Anamnese bei Monotrauma (isoliertem SHT etc.).• Im Zweifel ist die Ganzkörper-CT vorzuziehen (Korrelation mit Überlebensvorteil

beim Polytrauma, Reduktion von „Missed injuries“).▶ CT Wirbelsäule/Becken: Bei konventionell-radiologischem Frakturnachweis zur

exakten Bilanzierung und Operationsplanung.▶ Transösophageale Echokardiografie (TEE): Indiziert bei Herzkontusion mit V.a Peri-

kardtamponade oder Abriss von Herzklappen/Papillarmuskeln, hier im FAST zusätz-lich orientierende transthorakale Darstellung (4-Kammer-Blick).

▶ Angiografie: z. B. zur selektiven Gefäßembolisation bei Beckenfrakturen oder Ge-fäßdarstellung bei pulsloser Extremität. Nachteile: Zeitaufwendig, zumindest tem-poräre hämodynamische Stabilisierung notwendig!

▶ Urethrografie/Zystografie: Bei Becken-/abdominellen Verletzungen und V. a. Ure-thraruptur/Blasenruptur retrogrades Einspritzen von Kontrastmittel über Blasen-katheter. Simultan oder nachfolgend Bildwandler- oder Röntgenkontrolle.

Dokumentation

▶ Spätestens nach dem Secondary Survey erfolgt die umfassende Dokumentation al-ler zu diesem Zeitpunkt festlegbaren Diagnosen, üblicherweise anhand der Abbre-viated Injury Scale (AIS, Einzeldiagnosen) und dem daraus resultierenden Injury Se-verity Score (ISS), vgl. Schweregradklassifikation (S.93).

3.4 OperationsphasenÜbersicht über die Operationsphasen

Hyperinflammation

“Window of opportunity“

Immunsuppression

Erholung

Response:

Geplante Folgeeingriffe

Nur “Second looks“!

Lebensrettende Soforteingriffe“Damage control“

Vorzögerte Primäreingriffe

Timing

Tag 1

Tag 2 – 4

Tag 5 – 12

ab Woche 3Sekundäre rekonstruktive Eingriffe

keine Operationen!

Physiologischer Status

+

-?

Operative Eingriffe

Abb. 3.4 • Operationsphasen.

3.4 OperationsphasenMan

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Lebensrettende Sofortoperatione

▶ Zeitpunkt: Die lebensrettenden Sofortoperationen müssen ohne Verzögerung be-gonnen werden, wenn die Vitalfunktionen mit konservativen Mitteln nicht zu sta-bilisieren sind.

▶ Maßnahmen:• Sicherung der Atemwege: Falls konservativ nicht möglich, chirurgischer Zugang zu

den Atemwegen (Koniotomie/Tracheotomie).• Entlastung pathologischer intrathorakaler Druckverhältnisse: Pleuradrainage zur

Druckentlastung, z. B. bei Spannungspneumothorax, Hämatothorax.• Perikardtamponade: Perikardpunktion/-drainage (S.146).• Entlastung pathologischer intrakranieller Druckverhältnisse, z. B. Trepanation oder

Kraniotomie bei perakutem Epiduralhämatom (S.110).• Kontrolle von Massenblutungen:

– Innere Blutungen: Leber-/Milzruptur, große thorakale/abdominelle Gefäße.– Äußere Blutungen: Offene Beckenverletzungen, offene Verletzungen großer

Stammgefäße, offene Sinusblutungen.

Dringliche Primäreingriffe

▶ Definition: Eingriffe, die nach Sicherung der Vitalfunktionen akut durchgeführtwerden müssen (Day-1-Surgery).

▶ Maßnahmen:• Chirurgische Blutstillung.• Dekompression von unter Druck stehenden Kompartimenten.• Versorgung von Verletzungen, die primär unversorgt zu gravierenden Funktions-

ausfällen führen.▶ Indikationen:

• Operationspflichtige thorakale/abdominelle Blutungen und Hohlorganläsionen(Tab. 3.3).

▶ Evakuation intrakranieller Hämatome, Implantation von Hirndrucksonden (S.110).▶ Manifeste und progrediente Kompression des Myelons mit neurologischen Defizi-

ten.▶ Verletzungen großer Stammgefäße.▶ Offene Frakturen, offene Gelenke, Wunden mit freiliegenden Sehnen, Nerven und

Gefäßen.

Tab. 3.3 • Indikationen zur Laparotomie/-skopie und Thorakotomie.

Indikationen zurLaparotomie, vgl.stumpfes Bauch-trauma (S.159)

•stumpfes Abdominaltrauma mit Nachweis intraabdominaler Flüssig-keit im FAST und instabiler Hämodynamik trotz adäquater Schock-bekämpfung

•stumpfes Abdominaltrauma mit Nachweis einer Hohlorganverletzungin der Bildgebung

•penetrierende Verletzung mit Eintrittspunkt unterhalb der Mamille(Schuss-/Stich-/Pfählungsverletzung):– bei hämodynamisch stabilen Patienten ohne Nachweis freierFlüssigkeit (FAST) laparoskopische Exploration

– bei Nachweis einer Durchspießung des Peritoneums Laparotomie•Eviszeration•Blutung aus Magen, Rektum oder Urogenitaltrakt bei penetrierendenVerletzungen

Indikationen zurThorakotomie

•massiver Hämatothorax (S.138)•mediastinal penetrierende Wunden (z. B. Schussverletzung)•offene Herzmassage: Indiziert bei pulsloser elektrischer Aktivität (PEA)nach penetrierender Thoraxverletzung → linksseitige anteriore Thora-kotomie (Cave: ineffizient bei PEA nach stumpfem Thoraxtrauma!)

3.4 Operationsphasen

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▶ Frakturen der langen Röhrenknochen (insbesondere Femurschaft- und Unterschen-kelfrakturen), Luxationsfrakturen, instabile Beckenringverletzungen, instabile Wir-belsäulenverletzungen.

▶ Stark blutende Wunden (z. B. Gesichtsschädel).

Damage-Control-Prinzip und gestuftes Behandlungskonzept:Damage-Control-Prinzip (Indikationen s. Tab. 3.4):Das chirurgische Vorgehen bei der Versorgung schwer verletzter Patienten erfolgtnach dem Damage-Control-Prinzip, im deutschen Sprachraum auch als Prinzipder verletzungsadaptierten Behandlungsstrategie bezeichnet. Dies bedeutet, dasswährend der Primärversorgung (Day-1-Surgery) je nach Zustand des Patientenschadensbegrenzende Maßnahmen durchgeführt werden, nicht jedoch zeitauf-wendige, gewebetraumatisierende und mit erheblichem Blutverlust einhergehen-de definitive Versorgungen.Gestuftes Behandlungskonzept (Staged Surgery):1. Phase I: Initial Damage Control.2. Phase II: Transfer auf die Intensivstation zur Behandlung der kritischen Trias

„Hypothermie, Azidose, Koagulopathie“.3. Phase III: Reexploration zur definitiven Versorgung.

Geplante Folgeeingriffe

■▶Merke: Der Zeitraum zwischen dem 2. und 4. Tag nach Trauma stellt eine sehrvulnerable und labile Erholungsphase für die körpereigenen Defensivsysteme dar(Phase der „Hyperinflammation“). Ausgedehnte Operationen während dieser Zeitkönnen sich als „Second-Hit“-Phänomen deletär auswirken! Daher sollten in dieserPhase nur zwingende Folgeeingriffe nach dem Damage-Control-Konzept erfolgen.

▶ Folgende Interventionen sind während dieser Phase tolerabel:• „Second Look“ (z. B. Wiederholungsdébridements verschmutzter Wunden).• Epigard-Wechsel.• Tamponadenwechsel (z. B. Abdomen, Becken).• Verbandwechsel.

Tab. 3.4 • Definition des Risikopatienten und 6er-Regel zur initialen Entscheidung fürDamage control. Bei Zutreffen eines Parameters sollte ein operativesVorgehen im Sinne der Damage control geprüft werden.

Risiko-Polytraumapatient für Organversagen nachTrauma

Entscheidungskriterien für das Damage-Control-Konzept (6er-Regel)

ISS > 40 Hb< 6 g/dl

Hypothermie < 35 °C Quick < 60% oder INR > 1,6

ISS > 20 und AISThorax > 2 Base excess < –6mmol/l

Abdomen-/Beckenverletzung AIS > 2 und Schock(RRsyst. < 90mmHG)

Thrombozyten < 60 000/µl

bilaterale Lungenkontusion in der Bildgebung(Röntgen oder CT)

Alter > 60 Jahre

Pulmonalarteriendruck > 24mmHg Zeit von Unfall bis Operation > 6 h

erwartete initiale Operationsdauer zur definitivenVersorgung > 6 h

multiple Verletzungen der langen Röhrenknochenund Gefäßverletzungen

3.4 OperationsphasenMan

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▶ Der 5.– 12. Tag nach Trauma stellt für geplante Folgeeingriffe bei Mehrfachverletz-ten ein „window of opportunity“ dar, zumal die anschließende Phase der systemi-schen Immunsuppression für Operationen riskant ist (drohende Gefahr von Sepsisund Organversagen!). Folgende Eingriffe sollten in dieser Phase durchgeführt wer-den:• Verzögerter Wundverschluss (sog. Sekundärnaht).• Plastische Deckungen (z. B. Mesh Grafts).• Frühe operative Verfahrenswechsel (z. B. Fixateur externe → Marknagel/Plat-

tenosteosynthese).• Gelenkrekonstruktionen.• Periphere Osteosynthesen (z. B. Malleolarfrakturen).• Versorgung von Gesichtsschädelfrakturen.

Individualisierte Planung der Folgeeingriffe:Die vorstehenden Regeln bilden die Basis der Planung im Einzelfall. Abweichun-gen sind häufig unvermeidlich. Die Planung erfolgt in interdisziplinärer Abspra-che unter Nutzung der besten verfügbaren Kompetenz.

3.5 Frühe SekundärverlegungGrundlagen

▶ Bereits während der initialen Beurteilungsphase, dem sog. „Primary Survey“ (S.25),stehen dem behandelnden Arzt in der Regel genügend Informationen zur Ver-fügung, um über eine Verlegung des Unfallverletzten in ein höher spezialisiertesTraumazentrum zu entscheiden.

Vorgehen nach Entscheidung zur Verlegung

▶ Zielklinik informieren und deren Aufnahmekapazität erfragen.▶ „Primary Survey“ und lebensrettende Sofortmaßnahmen entsprechend den zur

Verfügung stehenden Mitteln weiterführen.■▶Cave: Auf keinen Fall dürfen erweiterte diagnostische oder therapeutische Maßnah-

men die Verlegung des Patienten verzögern!→ „Do not further harm!“▶ Eine zusätzlich durchgeführte Diagnostik ist sinnlos, wenn sie ohne therapeutische

Konsequenz bleibt (z. B. Zeitverlust durch CT-Abklärung bei fehlenden Ressourcenzur benötigten chirurgischen Therapie).

▶ Der Weitertransport darf nicht durch das Schreiben ausführlicher Verlegungs-berichte verzögert werden! → zunächst telefonisch die entscheidenden Informatio-nen für die aufnehmende Klinik weiterleiten und erst später den Verlegungsberichtfaxen.

■▶Hinweis: Re-Evaluation nach dem ABCDE-Schema (S.26) und Fortführen der lebens-rettenden Maßnahmen auch während des Transports!

Hinweis zum Intensivtransport:Der Intensivtransport zur Zielklinik muss stets arztbegleitet mittels Intensivtrans-portwagen oder Rettungshubschrauber (bei nicht vertretbarer bodengebundenerTransportzeit oder Spezialindikationen wie Wirbelsäulenverletzungen etc.) erfol-gen. Bei der Anmeldung über die Leitstelle muss vom verlegenden Arzt eine klareAussage über die Dringlichkeit des Transports gemacht werden, um eine optimaleAusnutzung der Ressourcen des öffentlichen Rettungsdiensts zu gewährleisten.

3.5 Frühe Sekundärverlegung

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Traumanetzwerk DGU

Auf der Grundlage des Weißbuchs zur Schwerstverletztenversorgung in Deutschland(2. erweiterte Auflage, 2012) hat sich das Traumanetzwerk der DGU gebildet. Zertifi-ziert sind 611 Kliniken unter Bildung von 50 regionalen Traumanetzwerken (Stand05/2015).▶ Basis der Zertifizierung sind gesicherte apparative, personelle und logistische Res-

sourcen auf 3 Ebenen:• Lokales Traumazentrum (Klinik der Basis- und Regelversorgung)• Regionales Traumazentrum (Klinik der Schwerpunktversorgung)• Überregionales Traumazentrum (in der Regel Maximalversorgungsklinik)

▶ Organisationsschwerpunkte innerhalb eines Traumanetzwerkes:• Vereinbarte Verlegungskriterien• Vereinbarte Kommunikationswege („Traumahandy“)• Einheitliche Behandlungsregeln (z. B. Schockraum)• Gemeinsamer Qualitätszirkel• Erfolgs- und Qualitätskontrolle• Teilnahme Traumaregister DGU.

3.5 Frühe SekundärverlegungMan

agem

entschw

erer

Verletzu

ngsformen

3

38

4 Schock

4.1 Definitionen, klinische Symptomatik undKomplikationen

Definition

▶ Inadäquate Organperfusion und gestörte Gewebeoxygenierung infolge einer Stö-rung des Kreislaufsystems mit akutem zellulärem Energiemangel aufgrund anhal-tender Diskrepanz zwischen O2-Bedarf und -Angebot.

Traumarelevante Schockformen

▶ Hypovolämischer Schock:• Hämorrhagisch: Hervorgerufen durch äußere/innere Blutungen, s. Schweregrad

des Blutverlusts (S.28).• Nicht hämorrhagisch: Hervorgerufen durch massive Flüssigkeitsverluste, z. B. gas-

trointestinal (Erbrechen, Diarrhö), renal (Diabetes mellitus/insipidus, Diuretika,Polyurie nach akutem Nierenversagen), oder durch massive Plasmaverluste (z. B.Verbrennungen, Peritonitis, Ileus).

▶ Kardiogener Schock: Akutes myokardiales Pumpversagen. Ursachen des kardioge-nen Schocks in der Traumatologie:• Perikardtamponade nach Verletzungen des Myokards.• Spannungspneumothorax.• Herzkontusion mit myokardialer Ischämie oder Abriss von Herzklappen/Papillar-

muskeln.• Kardiale Vorerkrankungen.

▶ Neurogener Schock: Eine traumatische Rückenmarkläsion kann durch Blockade dersympathischen Efferenzen zu einem Verlust der Vasomotorenfunktion und der β-adrenergen Innervation des Herzmuskels führen. Die periphere Vasodilatation führtzu einem venösen „pooling“ und zu einer Reduktion der Vorlast mit konsekutiverHypotonie. Der Verlust der kardialen sympathischen Innervation resultiert in einerBradykardie bzw. einem fehlenden Anstieg der Herzfrequenz trotz funktionellerHypovolämie.

▶ Septischer Schock: Durch bakterielle Endotoxine (Lipopolysaccharide) induziertesVersagen der Kreislaufregulation mit massiver Erniedrigung des peripheren Gefäß-widerstands. Der septische Schock stellt die schwerste Form einer Sepsis dar undhat eine Mortalität von 50 – 70%.

■▶Merke:• Für den schwer verletzten Patienten spielt der hypovolämische Schock in der

Frühphase und der septische Schock in der Spätphase die wichtigste Rolle.• Ein isoliertes Schädel-Hirn-Trauma (SHT) führt nicht zu einem (neurogenen)

Schock! Bei Patienten mit Schocksymptomatik und SHT muss nach einer anderenUrsache des Schocks gesucht werden!

Klinische Symptomatik

▶ Bei allen Schockformen Zeichen der inadäquaten Organperfusion:• Gehirn: Angst, Unruhe, Verwirrtheit bis zur Somnolenz/Lethargie.• Integument: Kühle Peripherie, Kaltschweißigkeit, verzögerte kapilläre Füllung

(> 5 s).• Niere: Reduzierte Urinproduktion und Ausscheidung (ab 15 – 30% Blutverlust)

bis zur Anurie im schweren Schockzustand (Blutverlust > 40%).• Hypovolämischer Schock: Tachykardie (> 100/min), verminderte Blutdruckampli-

tude, Tachypnoe (> 20/min), Hypotonie.

4.1 Definitionen, klinische Symptomatik und Komplikationen

Scho

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39

■▶Merke: Ein Blutdruckabfall durch Hypovolämie erfolgt in der Regel erst abeinem Blutverlust > 30% (> 1 500ml bei 70 kg KG). Bei jedem verletzten Patien-ten mit kühler Peripherie und Tachykardie muss bis zum Beweis des Gegen-teils von einem Schock ausgegangen werden!

• Kardiogener Schock: Tachykardie, obere Einfluss-Stauung (gestaute Halsvenen, er-höhter ZVD [ > 12 cmH2O]), Brady-/Tachyarrhythmien oder Extrasystolen (EKG),klinische Zeichen der Links-/Rechtsherzinsuffizienz, Angst, Unruhe.

„Schock“ ist eine rein klinische Diagnose!Objektivierbare Parameter oder Messgrößen (wie z. B. „Schockindex“ oder Laktat-wert im Serum) können lediglich Hinweise auf einen Schock geben, die Diagnoseaber nicht sichern. Die Diagnose „Schock“ erfolgt ausschließlich durch die kli-nische Präsentation des Patienten und dessen Ansprechen auf therapeutischeMaßnahmen wie z. B. Volumensubstitution.

DD des kardiogenen Schocks nach Trauma und wegweisende Diagnostik:▶ Spannungspneumothorax: Hyposonorer Klopfschall und abgeschwächtes

Atemgeräusch.▶ Perikardtamponade:

• Sonografie, TEE, CT.• Klinik: Beck-Trias (erhöhter ZVD, erniedrigter Blutdruck, abgeschwächte

Herztöne), „Pulsus paradoxus“ (inspiratorische Abnahme der RR-Amplitu-de > 10mmHg), Kussmaul-Zeichen (paradoxer inspiratorischer Druckanstiegin der Jugularvene), pulslose elektrische Aktivität (PEA).

• Hoher Verdacht bei Schockzustand nach penetrierendem Thoraxtrauma mitinadäquatem Ansprechen auf Volumentherapie.

• Hinweis: Die Perikardtamponade ist bei schwerverletzten Patienten selten,bei ihrem Auftreten jedoch akut lebensbedrohlich. Die klinische Diagnose istin der Realität oft schwierig, z. B. wegen erschwerter Herzauskultation (stö-rende Geräuschkulisse im Schockraum) oder fehlender Halsvenenstauungbei gleichzeitig bestehender Hypovolämie.

▶ Herzkontusion/Myokardinfarkt (evtl. ursächlich für Unfall/primär!): EKG, Labor(Troponin, Myoglobin, CK, CK-MB).

▶ Neurogener Schock: Arterielle Hypotonie bei Normo-/Bradykardie und warmer Peri-pherie (trockene warme Haut mit Hyperämie)!

Komplikationen

▶ Akutes Nierenversagen mit Oligo-/Anurie.▶ Verbrauchskoagulopathie (DIC).▶ Lungenversagen (ARDS).▶ Herzinsuffizienz durch verminderte Koronarperfusion.▶ Zerebrale Ischämie durch verminderte zerebrovaskuläre Perfusion.▶ Multiples Organversagen (MOF).

4.2 Diagnostik und TherapieDiagnostik

▶ Labor:• Hb/Hkt: Beim traumatisch-hämorrhagischen Schock initial nicht verändert, da

der Einstrom von interstitieller Flüssigkeit in die Gefäße langsam erfolgt. Wichtig

4.2 Diagnostik und TherapieScho

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40

sind wiederholte Messungen! „Verdünnungseffekt“ durch Kolloide/Kristalloidebeachten.

• Gerinnung: Quick, PTT, Thrombinzeit, Fibrinogen, Fibrinspaltprodukte, Thrombo-zytenzahl.

• Serumelektrolyte: Kontrolle der Serumelektrolyte aufgrund Flüssigkeitsverschie-bungen zwischen den Kompartimenten durch Flüssigkeitssubstitution undSchock per se.■▶Cave: Im protrahierten Schock Hyperkaliämie durch Zellnekrosen und Nie-

reninsuffizienz!• Laktat-Azidose!

▶ Blutkulturen/Sepsis-PCR: Blutkulturen bei Verdacht auf septischen Schock, additivSepsis-PCR zum direkten und zeitnahen Keimnachweis.

▶ Arterielle Blutdruckmessung.▶ Weitere Diagnostik zur Fokussuche: Lumbalpunktion, Röntgen-Thorax und -Abdo-

men, Sonografie-Abdomen, Urinstatus/-sediment/-kultur, Pan-CT (bei unklaremFokus).

Allgemeine Schock-Therapie

▶ Siehe Schockbehandlung (S.28).▶ O2-Gabe, ggf. endotracheale Intubation und Beatmung.▶ Lagerung: Oberkörper tief, Beine hochlagern („Autotransfusion“). Cave: Nicht beim

kardiogenen Schock!▶ Initialer Volumenersatz (nach ATLS®): Zwei großlumige periphere Zugänge und ini-

tiale Volumensubstitution mit Ringer-Lösung (aufgewärmt!). Zieldruck 80–90mmHg bei Abwesenheit SHT.

▶ Anlage eines zentralvenösen Katheters sobald wie möglich (→ ZVD Monitoring, Ka-techolamintherapie).

▶ Blutstillung:• Äußere Blutung: Direkte Kompression, Druckverband (Cave: Tourniquets drin-

gend vermeiden!). Chirurgische Revision.• Innere Blutung:

– Thorax: Bülau-Drainage (S.67).– Schädel: Hämatom-Evakuation (S.110).– Abdomen: Laparotomie (S.164).– Becken: Sofortmaßnahme bei massivem Beckentrauma (z. B. „Open-Book“-Ver-

letzung): Grobreposition zur Volumenreduktion des Beckens durch Innenrota-tion der Hüften; Beckenzwinge, Laparotomie (S.161).

▶ Bei Kreislaufstillstand kardiopulmonale Reanimation (CPR).

Hinweise zur Therapie des Kreislaufstillstands:▶ Die geschlossene Herzmassage ist beim hypovolämischen Patienten häufig inef-

fizient.▶ Eine lebensrettende Notthorakotomie nach Kreislaufstillstand ist nur Erfolg

versprechend bei penetrierenden Thoraxtraumen mit pulsloser elektrischerAktivität (PEA). Nach stumpfen Thoraxtraumen mit PEA wird sie wegen infaus-ter Prognose nicht empfohlen.

▶ Dauerkatheter zur Kontrolle der Ausscheidung und Volumenbilanzierung nach Aus-schluss einer Urethraruptur (S.186). Ziel: Diurese > 1ml/kg KG/h.

Therapie spezieller Schockformen

▶ Kardiogener Schock:• Perikardtamponade: Perikardiozentese (S.146), Thorakotomie.• Herzkontusion: Katecholamine, Antiarrhythmika, Nachlastsenkung.

4.2 Diagnostik und Therapie

Scho

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• Spannungspneumothorax:– Sofortige Dekompression durch Punktion des 2. ICR medioklavikulär mit groß-

kalibriger Braunüle.– Definitive Versorgung durch Bülau-Drainage.

▶ Neurogener Schock: Vasopressiva bei kritischer Hypotonie.■▶Hinweis: Die adäquate Volumensubstitution kann beim neurogenen Schock nicht

anhand der Herzfrequenz eingeschätzt werden und erfolgt deshalb mittels Moni-toring des ZVD!

▶ Septischer Schock:• Katecholamine über Perfusor bei einem systolischen RR< 80mmHg:

– Dopamin: 5ml =200mg (= 1 Amp.) + 45ml NaCl, 9 % mit Laufrate 2 – 12ml/h.– Oder Dobutamin: 25mg Trockensubstanz (= 1 Amp.) + 50ml Glukose 5% mit

Laufrate 2 – 12ml/h.– Frühzeitig Noradrenalin-Perfusor, v. a. bei weiter erniedrigtem ZVD trotz Volu-

mengabe: 1ml = 1mg (= 1 Amp.); 5 Amp. + 45ml NaCl 0,9 % mit Laufrate 3 –12ml/h.

• Herdsanierung: Entfernung und Wechsel aller Fremdmaterialien (Blasenkatheter,ZVK, arterieller Zugang etc.) bzw. chirurgische Herdsanierung, so weit möglich.

• Antibiotische Therapie: Primär kalkuliert, nach Antibiogramm gezielt.

4.3 Kardiopulmonale ReanimationGrundlagen

▶ Indikation: Kreislaufstillstand.▶ Kontraindikation: Sichere Todeszeichen, Finalstadium einer unheilbaren Erkran-

kung.■▶Achtung: Im Zweifelsfall initial immer Reanimationsmaßnahmen einleiten!▶ Prinzipien:

1. Erhaltung einer Minimalperfusion und -oxigenierung vitaler Organe durch Beat-mung und Thoraxkompressionen.

2. Elektrotherapie von Kammerflimmern und pulslosen tachykarden Rhythmusstö-rungen.

3. Medikamentöse Unterstützung von 1. und 2.▶ Ziele: Wiederherstellen eines Spontankreislaufs, Verhindern von Organschäden,

Verhindern von Sekundärkomplikationen.▶ Klinische Symptomatik des Kreislaufstillstands:

• Bewusstlosigkeit: Ansprechen/Schmerzreiz auslösen → fehlende Reaktion.• Atemstillstand: Keine sichtbaren Thoraxbewegungen, keine Atemgeräusche zu

Tab. 4.1 • Hämodynamische Parameter zur Differenzialdiagnose verschiedener Schock-formen (aus Leuwer et al., Checkliste Interdisziplinäre Intensivmedizin,Thieme, 2004).

HZV SVR PCWP O2-ER

hypovolämischer Schock ↓ ↑ ↓ ↑

traumatisch-hämorrhagischer Schock ↓ ↑ ↓ ↑

septischer Schock ↑ ↓↓ ↓ (↓)

anaphylaktischer Schock ↓ ↓ ↓ (↑)

kardiogener Schock ↓↓ ↑ ↑ ↑↑

neurogener Schock ↓ ↓ ↓ (↑)

HZV=Herzzeitvolumen; SVR = systemvaskulärer Widerstand; PCWP = pulmonalkapillärer Verschluss-druck; O2-ER = Sauerstoffextraktionsrate

4.3 Kardiopulmonale ReanimationScho

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hören, kein spürbarer Luftstrom, fehlende Atemexkursionen (Palpation im Be-reich des Epigastriums und der Rippenbögen).

• Pulslosigkeit: Kein tastbarer Karotispuls. Wenn bei Bewusstlosigkeit und Vorlie-gen eines Atemstillstands Unsicherheit über den Puls besteht, sollte im Zweifelohne Zeitverlust mit der Reanimation begonnen werden.

• Zyanose bzw. gräuliche Hautfarbe (häufig).▶ Vorgehen bei V. a. Kreislaufstillstand siehe Abb. 4.1.■▶Hinweis: Die aktuellen Richtlinien zur kardiopulmonalen Reanimation des Euro-

pean Resuscitation Council sind unter www.erc.edu einsehbar.■▶Hinweis: Frühzeitige Korrektur potenziell reversibler Ursachen (Tab. 4.2), z. B. durch

Thoraxdrainage bei Spannungspneumothorax.

keine Reaktion ?keine normale Atmung?

defibrillierbar(Kammerflimmern/pulslose

Kammertachykardie)

Reanimationsteam rufen

kardiopulmonale Reanimation (CPR)30 : 2

Defibrillator/EKG-Monitor anschließenUnterbrechungen minimieren

nicht defibrillierbar(PEA/Asystolie)

wiedereinsetzenderSpontankreislauf

1 SchockUnterbrechungen

minimieren

sofort weiterführen:CPR für 2 min

Unterbrechungen minimieren

sofort weiterführen:CPR für 2 min

Unterbrechungen minimieren

sofortige Behandlung– ABCDE-Methode anwenden– SaO2 von 94 – 98% anstreben– normalen PaCO2 anstreben– 12-Kanal-EKG– auslösende Faktoren behandeln– Temperaturkontrolle/ therapeutische Hypothermie

während CPR– hochqualifizierte CPR sicherstellen: Frequenz, Tiefe, Entlastung– Handlungen planen vor CPR-Unterbrechung– Sauerstoff geben– Waveform-Kapnografie– Herzdruckmassage ohne Unterbrechung, wenn Atemweg gesichert– Gefäßzugang: intravenös, intraossär– Adrenalin alle 3 – 5 min injizieren– Amiodaron nach 3 Schocks

reversible Ursachen behandeln– Hypoxie– Hypovolämie– Hypo-/Hyperkaliämie/metabolisch– Hypothermie/Hyperthermie– Herzbeuteltamponade– Intoxikation– Thrombose (akuter Myokardinfarkt, Lungenarterienembolie)– Spannungspneumothoraxin Erwägung ziehen– Sonografie– Mechanische Reanimationshilfe– Koronarangiografie und PTCA– Extrakorporale CPR

EKG-Rhythmus beurteilen

PEA = pulslose elektrische Aktivität, PTCA = perkutane transluminale Koronarangioplastie

Abb. 4.1 • Algorithmus der kardiopulmonalen Reanimation (advanced life support; © EuropeanResuscitation Council, www.erc.edu, 2015).

4.3 Kardiopulmonale Reanimation

Scho

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4

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A – Atemwege frei machen und frei halten

▶ Erstmaßnahmen: Ggf. zuerst den Mund-Rachen-Raum manuell ausräumen (grobeSpeisereste, Fremdkörper, Prothesen) und Sekret absaugen!

▶ Intubation: So früh wie möglich endotracheal intubieren, s. Technik (S.55) → Opti-mierung von Ventilation und Oxigenierung, Aspirationsschutz, Zugangsweg zur en-dobronchialen Applikation elementarer Medikamente.

▶ Atemspende oder Beatmungsbeutel und -maske: Zur Beatmung muss der Kopfüberstreckt und das Kinn angehoben werden (Esmarch-Handgriff). Bei problemati-scher Maskenbeatmung (S.57) kann ein Guedel- oder Wendl-Tubus hilfreich sein.

B – Beatmung

▶ Varianten:• Mund-zu-Mund- oder Mund-zu-Nase-Beatmung: Kommt in der Klinik nur aus-

nahmsweise zum Einsatz (Muss aber von jedem beherrscht werden!).• Beatmungsmaske und Beatmungsbeutel: In medizinischen Einrichtungen bei Re-

animationen die übliche Beatmungsform bis zur Intubation. Diese Technik (S.57)erfordert ebenso viel Übung wie die endotracheale Intubation.

• Endotracheale Intubation: Beatmung entweder weiter mit dem Beatmungsbeuteloder mit einem Respirator (bei der Beutelbeatmung ist eine Koordination mit denThorax-Kompressionen möglich).

▶ Vorgehen:• Kontrollparameter sind sichtbare Thoraxbewegungen. Cave: Beim nicht intubier-

ten Patienten müssen große Atemzugvolumina und hohe Beatmungsdrückewegen der Möglichkeit der Magenüberblähung und der damit verbundenenAspirationsgefahr vermieden werden (bei einem Drittel der reanimierten Patien-ten finden sich Zeichen einer Aspiration!).

• O2-Zufuhr (S.58): Idealerweise wird während der Reanimation mit 100% Sauer-stoff beatmet. Hierzu ist bei der Beutelbeatmung die Zufuhr eines hohen Sauer-stoffflusses (8 – 10 l/min) in den Beutel notwendig (über einen Sauerstoff-Reser-voirbeutel oder sog. „100%-Beutel“ mit Demand-Ventil).

Wichtige Hinweise zur Beatmung:▶ Bei Verwendung eines Beatmungsgeräts während der Reanimation immer auf

eine ausreichende Ventilation des Patienten achten!▶ Bei einzelnen Patienten kann es bei der Beatmung im Rahmen der Reanimation

durch Air Trapping zu einer dynamischen Überblähung der Lungen kommen,die die Reanimationsmaßnahmen erfolglos werden lässt → keine zu hohenAtemfrequenzen, ggf. Beatmungspause für eine komplette Exspiration ein-legen.

▶ Atemfrequenz: 10/min.▶ Atemzugvolumen: 10ml/kg KG. Bei Beatmung mit Raumluft (21 % O2) ca. 700 –

1000ml; bei Beatmung mit höheren Sauerstoffkonzentrationen Reduktion auf400 – 600ml möglich.

Tab. 4.2 • Potenziell reversible Ursache des Kreislaufstillstands (4 H’s und 4 HITS).

4 H’s 4 HITS

Hypoxie Herzbeuteltamponade

Hypovolämie Intoxikation

Hypo-/Hyperkaliämie Thrombose/Lungenembolie

Hypothermie Spannungspneumothorax

4.3 Kardiopulmonale ReanimationScho

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C – Circulation (Thorax-Kompression)

▶ Prinzip: Durch externe Kompression des Thorax wird über die direkte Herzkom-pression und einen thorakalen Pumpeffekt ein gewisses Herzzeitvolumen aufrecht-erhalten.

▶ Druckpunkt: Beim Erwachsenen 2 Querfinger oberhalb des Xiphoid-Fortsatzes bzw.am Übergang vom unteren zum mittleren Sternumdrittel (Abb. 4.2); bei kleinerenKindern in der Sternummitte bzw. zwischen den Mamillen.

▶ Drucktechnik (Abb. 4.3):• Harte Unterlage, z. B. Boden (im Bett „Reanimationsbrett“ unter den Oberkörper

des Patienten legen)!• Die Hände werden so übereinandergelegt, dass die obere Hand Druck auf den

Handrücken der unteren ausüben kann; um das Risiko von Rippenfrakturenmöglichst kleinzuhalten, streng in der Mittellinie (tastbare Rinne) und nicht mitder ganzen Handfläche komprimieren.

• Die Arme sind gestreckt, die Thoraxkompression entsteht durch Bewegungen desOberkörpers.

• Druck- und Entlastungsphase sind in etwa gleich lang (ruckartige kurze Kom-pressionen sind hämodynamisch weniger effektiv).

• Effektivitätskontrolle = Tasten des Femoralispulses in der Leiste (Cave: Mecha-nische Erschütterungen können als Puls fehlinterpretiert werden!).

Abb. 4.2 • Druckpunkt bei Herzdruck-massage. (aus Hahn, Checkliste InnereMedizin, Thieme, 2013)

Druckpunkt

Processusxiphoideus

Abb. 4.3 • Herzdruckmassage. (aus Hahn,Checkliste Innere Medizin, Thieme, 2013)

4.3 Kardiopulmonale Reanimation

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▶ Komplikationen der kardiopulmonalen Reanimation: Sternumfraktur, Rippenfraktu-ren, Pneumothorax, Lungenkontusion, Herzkontusion, Leber- und Milzverletzun-gen.

▶ Kompressionsfrequenz: Beim Erwachsenen 100/min, nicht langsamer.▶ Koordination von Kompression und Ventilation:

• Intubierte Patienten: Hier ist die Koordination der Beatmung mit den Kompres-sionen nicht zwingend notwendig. Die Kompressionen erfolgen durchgehend ineinem festen Rhythmus und werden für die Beatmung möglichst nicht unterbro-chen.

• Nicht intubierte Patienten: Hier müssen die Kompressionen für die Beatmungkurzzeitig unterbrochen werden. Nach 30 Kompressionen 2 Beatmungszüge(30:2).

Basis-CPR vs. sofortige Defibrillation bei Kammerflimmern:Beim nichtbeobachteten Kreislaufstillstand des Erwachsenen muss initial 2minBasis-CPR im Verhältnis 30:2 durchgeführt werden. Dabei wird mit der Thorax-kompression begonnen. Wird der Eintritt eines Kammerflimmerns dagegen aneinem Monitor beobachtet und steht ein Defibrillator zur Verfügung, so wird so-fort defibrilliert.

▶ Präkordialer Faustschlag:• Indikation: Kammerflimmern, pulslose Kammertachykardie, wenn ein Defibrilla-

tor nicht zeitnah zur Verfügung steht, Asystolie (nicht erfolgversprechend, aberweitgehend ungefährlich).

• Technik, Prinzip:Mit der flachen Hand kräftig auf das Sternum schlagen.

D – Defibrillation

▶ Allgemeine Vorbemerkungen:• Die Defibrillation ist das Mittel der Wahl bei Kammerflimmern oder pulsloser

Kammertachykardie.• Derzeit geht man davon aus, dass bei längeren Kreislaufstillstandzeiten (> 5min)

eine kurze CPR-Phase vor der ersten Defibrillation einen positiven Effekt auf diemetabolische Situation der Myokardzellen und den anschließenden Defibrillati-onserfolg hat. Daher bei außerklinischem Kreislaufstillstand unbestimmter Dauerprimär 2min Basis-CPR und dann Defibrillation.

• Je länger das Intervall bis zur Defibrillation, desto geringer ist die Überlebensrate(diese sinkt um 7 – 10% pro Minute ohne Defibrillation).

„Never meet your defibrillator the first time at a cardiac arrest!“Die Bedienung des vorhandenen Geräts muss bekannt sein → regelmäßig üben!

▶ Technik und Ablauf der Defibrillation:1. Kurzzeitige Unterbrechung der Thoraxkompressionen.2. Elektroden mit Gel bestreichen bzw. Aufbringen der neuerdings meist verwen-

deten Klebeelektroden (Apex-Elektrode lateral der Herzspitze in der vorderenAxillarlinie, Sternum-Elektrode rechts unterhalb der Klavikula in der Mediokla-vikularlinie).

3. Schnellstmögliche Rhythmusanalyse (über Oberflächen-EKG oder Defibrillator-Elektroden).

4. Energievorwahl einstellen (biphasisch mind. 150 J).■▶Achtung: Nach einiger Zeit entladen sich die Defi-Kondensatoren intern →

dann nachladen, sonst wird keine Energie abgegeben!5. Laden.6. Defibrillationselektroden aufsetzen (s. o.).

4.3 Kardiopulmonale ReanimationScho

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7. Sicherstellen, dass niemand Kontakt zum Patienten hat (laut rufen!).8. Entladen.9. Nach erfolgtem Schock keine Erfolgskontrolle und keine sofortige weitere Defi-

brillation, sondern direkt mit den Thoraxkompressionen fortfahren („one shockonly“). EKG-Analyse erst nach 2min (im Vorfeld einer möglicherweise nötigenweiteren Defibrillation).

Merke:Im Gegensatz zu früheren Richtlinien nur 1 Schock mit mindestens 150 J bipha-sisch und sofortige Wiederaufnahme der Basisreanimation!

▶ Energiewahl bei Kammerflimmern und pulsloser Kammertachykardie:• Erwachsene:mind. 150 J• Kinder: 4 J/kg KG.■▶Cave: Bei einigen Defibrillatoren (z. B. Corpuls) können aufgesetzte Kinder-

paddles (= Elektroden) zu einer Reduktion der Energie führen!▶ EKG-synchronisierte Entladung:

• Indikation: Kardioversion tachykarder Herzrhythmusstörungen, die nicht miteinem reanimationspflichtigen Zustand einhergehen.

• Prinzip: R-Zacken-getriggerte Auslösung des Defibrillators. Der Defibrillator gibtdann innerhalb von 40ms nach registrierter R-Zacke die Energie ab, um die In-duktion von Kammerflimmern durch den Elektroschock zu vermeiden.

Cave: Synchronmodus blockiert bei Kammerflimmern die Defibrillation!Bei versehentlicher Aktivierung des Synchronmodus wird bei Kammerflimmernund schnellen oder unregelmäßigen Tachykardien keine R-Zacke registriert undfolglich die Entladung verweigert. Das ist keine Gerätefehlfunktion!

Möglichkeiten der Medikamentenapplikation für die Reanimation

▶ Periphervenös: Ein periphervenöser Zugang reicht für die Applikation der Medika-mente aus, sofern ausreichendes Nachinjizieren von Flüssigkeit erfolgt (mind. 20mlKochsalzlösung).

▶ Intraossär: Hat die endobronchiale Applikation als Sekundärmethode der Wahl ver-drängt.• Dosierung 1:1 wie bei i. v.-Gabe.• Komplikationen: Osteomyelitis (Rate mit 0,6 % gering: Die Infektionsrate steigt je-

doch nach 24 h deutlich an → schnellstmögliche Entfernung), Abszesse, Nekrosen,selten Kompartmentsyndrom oder Punktion der Wachstumsfuge bei Kindern.

• Goldstandard ist die Punktion der proximalen Tibia (Abb. 4.4) oder alternativ desHumeruskopfs oder des Malleolus medialis.

• Verschiedene Systeme, z. B. Cook-Nadel, Bone Injection Gun (B.I.G.) etc.▶ Endobronchial:

• Für die initial wichtigen Medikamente (Adrenalin, Amiodaron, Atropin) ist ein ve-nöser Zugang nicht zwingend erforderlich. Diese Medikamente sind bei Applika-tion über einen Endotrachealtubus ebenfalls wirksam.

• Dosierung: i. v.-Dosis × Faktor 2 – 3; zur besseren Verteilung mit physiologischerKochsalzlösung (10ml) verdünnen!

• Nachteil: In unzureichend perfundierten Lungenarealen schlechte Resorption,ggf. nachfolgend Einschwemmung bei Wiederherstellung eines Spontankreis-laufs.

▶ Zentralvenös: Sofern bereits ein zentralvenöser Zugang vorhanden ist, bevorzugterApplikationsweg. Eine Anlage unter CPR-Bedingungen wird nicht empfohlen!

4.3 Kardiopulmonale Reanimation

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Medikamente für die Reanimation

▶ Adrenalin: Bei nahezu jeder Reanimationssituation indiziert. KI: Sofort erfolgreichdefibrilliertes Kammerflimmern/-flattern mit stabiler Hämodynamik; Reanimationbei tiefer Hypothermie (< 30 °C) → dann wirkungslos. Dosierung:• Bei Erwachsenen: 1mg i. v. alle 3 – 5min.• Bei Kindern: 0,01mg/kg KG i. v. als Initialbolus, dann 0,01 – 0,1mg/kg KG i. v. alle

3min.

Wichtige Hinweise zur Adrenalingabe bei Reanimation:▶ Adrenalin hat eine kurze Wirkdauer, deshalb muss die Gabe alle 3 – 5min wie-

derholt werden!▶ Die adäquate Dosierung ist von Patient zu Patient unterschiedlich (abhängig

u. a. von Hypoxiezeit, Säure-Basen-Status etc.).▶ Die bei hohen Dosierungen auftretende Mydriasis durch β-adrenerge Wirkung

auf den M. dilatator pupillae kann als erfolglose Reanimation fehlinterpretiertwerden.

▶ Adrenalin wird durch Natriumbikarbonat inaktiviert → nicht mit Natriumbikar-bonat mischen, nicht parallel dazu infundieren!

▶ Amiodaron: Indiziert bei Kammerflimmern oder pulsloser Kammertachykardie,wenn die ersten drei Defibrillationen erfolglos geblieben sind. Dosierung:• 300mg in 20ml Glukose 5% als i. v.-Bolus (kann in dieser Situation periphervenös

gegeben werden→ NW starke Venenreizung).• Ggf. weitere 150mg i. v. bei Fortbestehen bzw. Wiederauftreten von Kammer-

flimmern/pulsloser Kammertachykardie.▶ Atropin: Indiziert bei hochgradigen Bradykardien mit hämodynamischer Instabili-

tät sowie bei Asystolie. KI: Tachykardien. Dosierung:• Bei Bradykardie 0,5mg (= 1ml =1 Amp.) i. v. alle 3 – 5min bis maximal 3mg.• Bei Asystolie einmalige Applikation eines Bolus von 3mg i. v.

▶ Magnesium: Kann bei defibrillationsrefraktärem Kammerflimmern vorteilhaft sein,kein Vorteil bei der rountinemäßigen Anwendung. Dosierung: 2 g (8mmol; z. B. alsMagnesiumsulfatlösung) über 1 –2min, ggf. Wiederholung nach 10 – 15min.

Abb. 4.4 • Punktionsort bei intraössarem Zugang der proximalen Tibia. (aus Secchi, ChecklisteNotfallmedizin, Thieme, 2009)

4.3 Kardiopulmonale ReanimationScho

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■▶Hinweis: Lidocain hat bei defibrillationsrefraktärem Kammerflimmern keinen er-wiesenen Effekt und sollte nicht mehr verwendet werden.

▶ Natriumbikarbonat (NaHCO3 8,4%): Da verschiedene Studien keinen Überlebens-vorteil durch die Applikation von Natriumbikarbonat zeigen, wird es für die gene-relle CPR nicht mehr empfohlen. Eine Verwendung sollte im Rahmen einer Reani-mation nur bei exzessiver Hyperkaliämie, vorbestehender metabolischer Azidoseoder Intoxikation mit trizyklischen Antidepressiva erwogen werden.• Dosierung:

– Blindpufferung (bei fehlender Blutgasdiagnostik): 1mmol/kg KG i. v.– Nach Blutgasanalyse: Negativer Base Excess (BE) × 0,3 ×Körpergewicht =mmol

NaHCO3. Von der so berechneten Dosis zunächst nur die Hälfte infundieren, da-nach erneut BE kontrollieren (Ziel-BE: + 3 bis – 3mmol/l).

• Probleme: Schnelle CO2-Freisetzung → paradoxe intrazelluläre Azidose, negativinotrope Wirkung; Hypernatriämie und Hyperosmolalität; Linksverschiebungder Sauerstoffbindungskurve → verschlechterte O2-Abgabe im Gewebe.

Kammerflimmern und pulslose Kammertachykardie

▶ Elementar ist die schnelle elektrische Defibrillation: Bei beobachtetem Kammer-flimmern sofortige Defibrillation, sonst zunächst 2min CPR.

▶ Je länger die Zeit von Beginn des Kreislaufstillstands bis zur Defibrillation, destoschlechter die Prognose des Patienten.

▶ Nach Defibrillation sofortige Wiederaufnahme der CPR, Rhythmusanalyse erst nach2min.

Refraktäres Kammerflimmern

▶ Unzureichende Basismaßnahmen? → Intubation, effektive Ventilation und Oxige-nierung mit 100% O2, effektive Thorax-Kompression, Adrenalin (koronarer Perfusi-onsdruck↑).

▶ Unzureichende Defibrillation?1. Elektroden-Position verändern (beide Elektroden in der mittleren Axillarlinie

rechts und links platzieren).2. In der Exspiration defibrillieren.3. Wenn möglich, anderen Defibrillator ausprobieren.4. Falls erfolglos, den Patienten auf eine Seite drehen und Defibrillationselektroden

anterior-posterior platzieren (vorne auf dem Sternum, hinten zwischen denSchulterblättern).

▶ Hypothermie? → Spontanes Kammerflimmern, das elektrisch und medikamentösnicht zu durchbrechen ist. Einzig effektive Maßnahme ist das schnelle und aggressi-ve Aufwärmen des Patienten, möglichst mit extrakorporalen Verfahren (S.224).

▶ Hypokaliämie?→ Kaliumchlorid 20mmol i. v.▶ Intoxikation? (u. a. trizyklische Antidepressiva [TZA], Antiarrhythmika) → u.U.

schwerste Herzrhythmusstörungen bis zum refraktären Kammerflimmern → beiTZA-Intoxikation wirkt die Alkalisierung des Blutes mittels Hyperventilation undNatriumbikarbonat lebensrettend (Eiweißbindung des TZA↑).

▶ Großer Myokardinfarkt?→ Thrombolysetherapie erwägen (s. u.).

Ultima-ratio-Maßnahmen bei refraktärem Kammerflimmern:▶ Amiodaron: 300mg i. v. nach 3. erfolgloser Reanimation.▶ Magnesiumsulfat: 2 g i. v., ggf. Repetitionsdosen bis zur Gesamtdosis von 5 –

10 g i. v.▶ Thrombolyse: Unter Reanimation eine Rarität und nur in Einzelfällen zu recht-

fertigen (evtl. als Ultima Ratio bei entsprechendem Anhalt für einen Myokard-infarkt oder eine fulminante Lungenembolie, besonders bei beobachtetem Kol-laps des Patienten [„Witnessed Collapse“] mit raschem Reanimationsbeginn).

4.3 Kardiopulmonale Reanimation

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49

Asystolie

▶ Maßnahmen mit gesicherter Wirkung: Intubation/Beatmung. Thoraxkompressio-nen, Adrenalinzufuhr.

■▶Hinweis: Feinschlägiges Kammerflimmern evtl. mit Asystolie verwechselbar → Kon-trolle durch Umschalten des EKG-Monitors auf andere Ableitung. Kann Kammer-flimmern nicht sicher ausgeschlossen werden, ohne Zeitverzögerung defibrillieren.

▶ Unter den Reanimationsmaßnahmen (Adrenalinzufuhr) bei Asystolie entwickeltsich häufig Kammerflimmern → dann entsprechend dieser Diagnose handeln(S.146)! Oft führt erst dieser Umweg über Kammerflimmern und Defibrillationwieder zu einem Spontankreislauf.

■▶Hinweis: Reanimationen bei Asystolie haben geringere Erfolgsaussichten als beiKammerflimmern.

▶ Treten elektrische Aktivitäten (P-Wellen oder vereinzelte QRS-Komplexe) im EKGauf, muss die Implantation eines Herzschrittmachers in Erwägung gezogen werden.Aufgrund des geringeren Zeitaufwands sind die transkutanen Schrittmacher denösophagealen vorzuziehen. Dabei wird das Herz von extern über Klebeelektrodenauf der Haut stimuliert.

▶ Atropin: Indiziert bei brady-/asystolischem Kreislaufstillstand, wenn die ersten dreiZyklen Adrenalin erfolglos geblieben sind. Dosierung: Einmalige Gabe von 3mgAtropin i. v.

▶ Pufferung (z. B. mit Natriumbikarbonat): Indiziert bei spezifischen Ursachen wiez. B. Hyperkaliämie, schwerste Azidose, Vergiftung mit trizyklischen Antidepressiva.

▶ Abbruch der Reanimation: Erwägen bei persistierender Asystolie ohne jede elektri-sche Aktivität des Herzens trotz suffizienter Reanimation und hoher Adrenalindo-sen, wenn behandelbare Ursachen einer persistierenden Asystolie nicht erkennbarsind (Tab. 4.2).

Pulslose elektrische Aktivität (PEA, elektromechanische Entkopplung)

▶ Kennzeichen: Im EKG-Monitor sind mehr oder weniger geordnete elektrische Akti-vitäten zu sehen, der Patient zeigt jedoch die Symptome eines Kreislaufstillstands(Bewusstlosigkeit, Atemstillstand, Pulslosigkeit).

Achtung:Bei bewusstlosen Patienten mit Atemstillstand ohne tastbare Karotispulse musssofort mit Reanimationsmaßnahmen begonnen werden, auch wenn im EKG nochein Rhythmus zu erkennen ist.

▶ Entscheidend bei pulsloser elektrischer Aktivität ist das Fahnden nach möglichenUrsachen und deren Behandlung.

▶ Da Hypoventilation und Hypoxämie häufige Ursachen der PEA sind, sind adäquatesAtemwegsmanagement (endotracheale Intubation) und suffiziente Beatmung so-wie die Adrenalinzufuhr (in der oben genannten Dosierung) Grundelemente derVersorgung einer PEA.

Probleme und Maßnahmen nach erfolgreicher Reanimation

▶ Allgemeine Maßnahmen: Magensonde, Urinkatheter, Bilanzierung und Ausgleichvon Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt, Stressulkusprophylaxe, pflegerische undphysiotherapeutische Prophylaxemaßnahmen.

▶ Bei instabiler Hämodynamik:• Invasives hämodynamisches Monitoring: Invasive arterielle Blutdruckmessung,

zentraler Venenkatheter, Pulmonalarterienkatheter.• Katecholamintherapie (S.229).• Ggf. intraaortale Ballongegenpulsation (IABP).

4.3 Kardiopulmonale ReanimationScho

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50

• Bei großem Myokardinfarkt ggf. Akut-PTCA, (intrakoronare) Thrombolysethera-pie.

▶ Bei persistierender Arrhythmieneigung:• Basismaßnahmen: Großzügige O2-Zufuhr, Analgesie bei Schmerzen, Sedierung

(S.85).• Wenn kein Hinweis auf Herzinsuffizienz, Beginn einer β-Blocker-Therapie.• Kalium- und Magnesiumplasmakonzentration hochnormal halten.• Bei Myokardinfarkt Thrombolyse bzw. Akut-PTCA erwägen.

▶ Hirnprotektive Therapie nach Reanimation:• Arteriellen Mitteldruck hochnormal halten (> 90mmHg; → Aufrechterhaltung

eines ausreichenden zerebralen Perfusionsdrucks in ischämischen Penumbra-gebieten sowie bei postischämischer Hirnschwellung mit Erhöhung des intrakra-niellen Drucks).

• Ausreichender Volumenersatz mit isotonen kristalloiden und kolloidalen Volu-menersatzmitteln (S.75) zur Vermeidung einer Hämokonzentration.

• Beatmung: Milde Hyperoxie (pO2 100 – 150mmHg) +Normoventilation; extremeHyperventilation (pCO2 <32mmHg) nur bei Einklemmungssymptomatik (S.107).

• Zerebral vasodilatierende Substanzen vermeiden, z. B. Nitroglycerin, Nitroprussid-Natrium.

• Bei Hirnschwellung/Hirndruck– Zerebralen Perfusionsdruck aufrechterhalten (MAP>90mmHg hoch, MAP –

ICP >60 – 90mmHg).– 30°-Oberkörperhochlagerung (wenn hämodynamisch tolerabel).– Neurochirurgie hinzuziehen, ggf. Hirndruckmessung (S.70).– Engmaschige klinische Überwachung (Pupillenstatus, Vigilanz).– Ausreichende Analgosedierung (S.85), d. h. Senkung des zerebralen Sauerstoff-

verbrauchs, Vermeiden von Husten und Pressen.– Hyperthermie/Fieber und Hyperglykämie aggressiv behandeln (verstärken

Hirnschädigung). Ziel: Normothermie, Normoglykämie.– Osmotherapie, z. B. mit Mannitol 20 % 3 × 125ml i. v., weitere Boli bei Hirn-

druckkrisen, vgl. Prognose (S.106).– Die Steroidgabe zur Behandlung des postischämischen Hirnödems ist obsolet.

Merke:CCT bei Hinweis auf zerebrale Ursache innerhalb von 12 – 24 h nach Reanimationzur Erkennung von Hirnschwellung/Hirndruck bzw. Einschätzung der zerebralenIschämiefolgen.

Abbruch von Reanimationsmaßnahmen

Hinweis:Es gibt keine feststehenden Abbruchkriterien → immer Einzelfallentscheidung, indie verschiedene Kriterien eingehen müssen: Erfolg der bisherigen Maßnahmen,Grunderkrankung, Vorerkrankungen, etc.

▶ Der Reanimationsabbruch kann erwogen werden bei:• Asystolie und/oder Zeichen des zerebralen Kreislaufstillstands trotz suffizienter

Reanimation >15 – 30min (weite, lichtstarre Pupillen, fehlende Spontanatmung).• Kreislaufstillstand im Endstadium unheilbarer Krankheiten.• Eindeutiger Erkenntnis, dass der Patient die Reanimationsmaßnahmen strikt ab-

lehnt.

4.3 Kardiopulmonale Reanimation

Scho

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51

Befolgung des mutmaßlichen Patientenwillens:Bei einem Kreislaufstillstand mit Bewusstlosigkeit muss der Arzt den mutmaß-lichen Willen des Patienten berücksichtigen. Andere Interessen als die des Patien-ten dürfen nicht berücksichtigt werden. Primär wird davon ausgegangen, dassder Patient weiterleben will, er also die Reanimationsmaßnahmen wünscht.Schwierig ist die Entscheidung, wenn der Patient zu einem früheren Zeitpunktdie Ablehnung von Reanimationsmaßnahmen geäußert hat (z. B. in einem Patien-tentestament). Dies setzt zum einen voraus, dass der Patient zum Zeitpunkt derÄußerung umfassend aufgeklärt und voll entscheidungsfähig war, was im Akutfallschwer zu prüfen ist. Zum anderen bleibt unklar, ob der Patient zum aktuellenZeitpunkt die Maßnahmen immer noch ablehnen würde. Deshalb muss man imZweifel „pro vita“ entscheiden und Wiederbelebungsmaßnahmen einleiten.

▶ Ein Reanimationsabbruch ist nicht gerechtfertigt:• Bei Kammerflimmern, Schnappatmung, intermittierendem Einsetzen eines

Spontankreislaufs, Hypothermie.• Solange es Anhalt für spezifisch behandelbare Ursachen des Kreislaufstillstands

wie z. B. Spannungspneumothorax, Elektrolytentgleisung, Intoxikation, etc. gibt.• Nur aufgrund hohen Lebensalters.

4.4 Tod und OrganspendeTod eines Patienten

▶ Feststellung des Todes:• Unsichere Todeszeichen: Bewusstlosigkeit, Pulslosigkeit, Atemstillstand, weite re-

aktionslose Pupillen, Blässe, Abkühlung.• Sichere Todeszeichen:

– Totenflecke (Livores): Rotviolette Flecken durch Absinken des Blutes in die tie-fer liegenden Körperabschnitte; meist 1/2 – 1 h nach Todeseintritt.

– Totenstarre: 4 – 12 h nach Todeseintritt beginnende Muskelstarre aufgrundeines ATP-Mangels (Unterkiefer → Hals→ Nacken →weitere Peripherie).

– Fäulnis– Verletzungen, die nicht mit dem Leben vereinbar sind (z. B. Dekapitation)

▶ Hirntodbestimmung:■▶Beachte: Wenn 1., 2. und 3. durchgeführt und bestätigt sind, wird der Patient für

hirntot erklärt.1. Voraussetzungen:

– Akute schwere primäre oder sekundäre Hirnschädigung.– Ausschluss und Korrektur potenziell reversibler Ursachen wie Intoxikationen,

primäre Unterkühlung, Kreislaufschock, endokrines oder metabolisches Koma.2. Fehlen von Hirn- und Hirnstammfunktionen:■▶Beachte: Das Vorliegen aller dieser Befunde muss übereinstimmend von zwei

Ärzten festgestellt werden und zwar in zwei Untersuchungen mit Zeitintervall.– Bewusstlosigkeit (Koma).– Lichtstarre beider wenigstens mittel-, meistens maximal weiten Pupillen (4 –

9mm). Cave:Weite Pupillen können auch durch Mydriatika bedingt sein.– Fehlen folgender Reflexe: Okulozephaler Reflex, Kornealreflex, Pharyngeal-/

Trachealreflex.– Fehlen von Reaktionen auf Schmerzreize im Trigeminusbereich.

3. Ausfall der Spontanatmung (positiver Apnoe-Test).4. Bestätigungstest erwägen, falls 1., 2. und/oder 3. nicht vollständig ausgeführt

oder interpretiert werden können.

4.4 Tod und OrganspendeScho

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52

• Bestätigungstests: EEG-Untersuchung, akustisch evozierte Potenziale, Angiografieder zerebralen Gefäße, transkranielle Dopplersonografie oder zerebrale Perfusi-onsszintigrafie mit 99mTc-HMPAO.– EEG-Untersuchung: Bei kontinuierlicher Registrierung eines Nulllinien-EEGs

über mindestens 30min kann der Hirntod ohne weitere Beobachtungszeit fest-gestellt werden (außer bei Säuglingen und Kleinkindern). Bei Säuglingen undKleinkindern bis zum 2. Lebensjahr muss die EEG-Registrierung wegen derphysiologischen Unreife des Gehirns nach 24 Stunden wiederholt werden.

– Akustisch evozierte Potenziale (AEP): Schrittweise bilaterales Erlöschen derfrühen akustisch evozierten Potenziale (FAEP).

– Angiografie der zerebralen Gefäße: Nachweis eines zerebralen Zirkulations-stillstandes bei einem ausreichenden Systemblutdruck.

– Transkranielle Dopplersonografie (TCD) der intrakraniellen Gefäße erfasst dieDurchblutung der basalen Hirnarterien sowie von Hauptästen der A. cerebrimedia und der A. basilaris.

– Zerebrale Perfusionsszintigrafie mit 99mTc-HMPAO. Eine fehlende zerebraleAnreicherung belegt den vollständigen Ausfall von Hirnperfusion und Hirn-funktion.

• Zeitdauer der Beobachtung:– Nach primärer Hirnschädigung mindestens 12 Stunden bzw. bei Säuglingen

und Kleinkindern bis zum 2. Lebensjahr 24 Stunden.– Nach sekundärer Hirnschädigung 3 Tage.

Protokolle zur Feststellung des Hirntodes:▶ Deutschland: Gemeinsame Stellungnahme der Arbeitsgruppe des Wissen-

schaftlichen Beirates der Bundesärztekammer und der Arbeitsgemeinschaft derWissenschaftlichen Fachgesellschaften (www.bundesaerztekammer.de).

▶ Schweiz: Protokoll in den „Richtlinien zur Definition und Feststellung des Todesim Hinblick auf Organtransplantationen“ der Schweizerischen Akademie dermedizinischen Wissenschaften (Schweiz. Ärztezeitung 77, 1996, 1773 – 1779).

▶ Todesbescheinigung (Leichenschauschein):• Leichenschau (unbekleidete Leiche): Der Arzt muss mindestens ein sicheres To-

deszeichen feststellen.• Übliches Schema: Personalien, Todesfeststellung, Todeszeitpunkt, Todesart/To-

desursache.– Beispiel für die Angabe der Todesursache: Kardiogener Schock – Folge von:

Myokardinfarkt – ursächliche Grunderkrankung: Koronare Herzkrankheit.– Auch bei unklarer unmittelbarer Todesursache dieses Schema verwenden und

die wahrscheinliche Todesursache mit möglichem pathophysiologischem Zu-sammenhang nennen.

• Bei völlig unklarer Todesursache bzw. bei Verdacht auf unnatürliche Todesursa-che polizeiliche Anzeige erstatten bzw. Staatsanwaltschaft informieren.

• Bei übertragbarer Krankheit (nach Bundesseuchengesetz) Amtsarzt/örtliches Ge-sundheitsamt informieren.

Organspende

▶ Untersuchungen beim Spender:• Zustimmung zur Organspende?• Infektionsscreening (Serologie): Lues, HIV, Hepatitis, CMV.• Blutgruppe, Rh-Faktor, HLA-Typisierung.• Komplettes Routinelabor.• Sonografie (Abdomen, Nieren): Organgröße, Auffälligkeiten?

4.4 Tod und Organspende

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53

• Ausschlusskriterien:– Allgemein: Sepsis/generalisierte Infektion (HIV; HBV-/HCV-Infektion), Malig-

nom (außer Haut- und Hirntumoren), prolongierter Schock, Drogenmissbrauchin der Vorgeschichte.

– Speziell: siehe Tab. 4.3.▶ Organerhaltende Maßnahmen beim Spender:

• Beatmung: Normoxämie anstreben. Cave: Hohe Fi O2-(> 0,5) und PEEP-Werte.• Volumentherapie:

– Isotone oder halbisotone NaCl-Lösung, HAES, Albumin; Monitoring des arte-riellen Mitteldrucks (Ziel: 70 – 80mmHg) und des ZVDs (Ziel: > 10 cmH2O).

– Bei Polyurie mit erheblichem Volumenbedarf Desmopressin 2 – 4μg s. c./i. v.(Ziel ist die Vermeidung von schweren Elektrolytstörungen).

• Katecholamine:– Immer Dopamin niedrig dosiert (2μg/kg KG/min) als „Nierendosis“.– Zusätzlich Dobutamin, wenn Dopamin und Volumengabe nicht ausreichen.■▶Cave: Katecholamine mit vorwiegend α-adrenerger Wirkung (Noradrenalin,

Adrenalin) senken die Nieren- und Leberdurchblutung mit konsekutiver Or-ganschädigung.

• Azidoseausgleich (meist metabolische Azidose).• Hypothermiebehandlung (bei < 35 °C): Heizmatten, vorgewärmte Infusionslösun-

gen.• Hyperthermiebehandlung (bei > 38,5 °C): Physikalische Maßnahmen (evtl. Metami-

zol).

▶ Wichtige Adressen:■▶Regionaler Transplantationsbeauftragter: Tel. _____________________________ .• Deutsche Stiftung Organtransplantation. Internet: www.dso.de.• Eurotransplant (für Organaustausch innerhalb Belgien, Deutschland, Luxemburg,

Niederlande, Österreich). Internet: www.eurotransplant.org• Weitere Internetadressen: www.akos.de (Arbeitskreis Organspende – Deutsch-

land), www.swisstransplant.org (Swisstransplant – Schweiz).

Tab. 4.3 • Organspende – mögliche Ausschlusskriterien.

Organ (Altersgrenze) Ausschlusskriterien

Niere (keine) rezidivierende Harnwegsinfekte, renaler Hypertonus, generalisierteArteriosklerose, Oligo-/Anurie, Anstieg der harnpflichtigen Substan-zen unter Kreislaufunterstützung und Infusionstherapie

Leber (keine) Alkoholanamnese, Hepatitis, Medikamentenintoxikation, schweresLebertrauma, Fettleber, protrahierter Schock, Oligo-/Anurie, Azidose,Transaminasen > 100U/l ohne Rückbildungstendenz

Herz (< 65 Jahre) (intraoperativ tastbare) Koronarsklerose, Kammerflimmern vor Kar-dioplegie, schlechte myokardiale Funktion, Klappenvitium

Lunge (< 55 Jahre) pulmonale Vorerkrankungen, Thoraxtrauma, Raucheranamnese,pulmonales Infiltrat, Aspiration

Pankreas (< 50 Jahre) Amylasämie, Diabetes mellitus, Trauma, Operationen im Oberbauch,Reanimation, weitere Ausschlusskriterien s. Leber

Dünndarm (< 40 Jahre) prolongierter Intensivaufenthalt, BMI > 25, Ischämiezeit > 6 Stunden

4.4 Tod und OrganspendeScho

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54

5 Zugänge

5.1 AtemwegeOrotracheale Intubation

Siehe Abb. 5.1.

Merke:Die Notfallintubation erfolgt immer orotracheal!

▶ Indikationen:• Akute Notfallsituationen (Notfallintubation): Atemstillstand, respiratorische Insuf-

fizienz, Herz-Kreislauf-Stillstand, Bewusstlosigkeit und Aspirationsgefahr, aus-geprägter Schock, schwere Verletzungen.

• Notwendigkeit zur Respiratortherapie (S.133).▶ Kontraindikationen: Mundöffnung aus anatomischen Gründen nicht möglich.▶ Instrumentarium:

• Laryngoskop:– Standardspatel =Macintosh-Spatel: Damit ist bei fast allen Patienten die beste

Einstellung des Kehlkopfeingangs möglich.

Abb. 5.1 • Orotracheale Intubation. (ausHahn, Checkliste Innere Medizin,Thieme, 2013)

Tab. 5.1 • Spatelgrößen

Nummer Indikation

1 Säuglinge

2 Kleinkinder

3 Standardgröße für die meisten Erwachsenen, Jugendlichen und älteren Kinder

4 nur für sehr große Patienten bzw. bei Patienten mit sehr langem Hals

5.1 Atemwege

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• Geeigneter Endotrachealtubus mit sog. Niederdruck-Blockungsballon (High Volu-me/Low Pressure Cuff), der seltener zu Schädigungen der Trachealwand führt.Für die orale Intubation stehen Magill-Tuben und Oxford-Tuben zur Verfügung.Zur Tubusgröße s. Tab. 5.2.

• Führungsstab, 10-ml-Blockungsspritze, Absauggerät, Magill-Zange, Mullbindebzw. Pflaster zur Fixation, Stethoskop, Gleitmittel, Cuffdruckmesser.

▶ Durchführung:• Funktionsfähigkeit von Laryngoskop und Absauggerät überprüfen.• Tubus vorbereiten: Blockung prüfen, gleitfähig machen; Führungsstab gleitfähig

machen und in den Tubus einführen (Cave: Führungsstab darf nicht über das dis-tale Ende des Tubus hinausragen!).

• Venösen Zugang legen, Präoxygenierung mit 100% O2, Narkoseeinleitung/Mus-kelrelaxation (S.80).

• Zahnprothesen entfernen.• Lagerung: Kopf des Patienten etwa 10 cm über der Unterlage erhöht lagern (durch

Unterpolsterung) und leicht überstrecken = sog. „Schnüffelstellung“. Cave: Modi-fiziertes Vorgehen bei Anhalt für HWS-Verletzung (S.308)! → fiberoptische Intu-bation (S.59).

• Mund des Patienten mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand weit öffnenund geöffnet halten. Bei Kiefersperre fiberoptische Intubation.

• Laryngoskop mit der linken Hand am rechten Rand der Zunge vorsichtig einfüh-ren und am Zungenrand entlang bis in den Hypopharynx vorschieben. Zunge da-bei nach links schieben.

• Spatel dann in die Mittellinie bringen und vorsichtigen Zug in Griffrichtung desLaryngoskops ausüben.■▶Achtung: Auf keinen Fall darf mit dem Laryngoskopgriff eine hebelnde Bewe-

gung ausgeübt werden! Cave: Schäden an den Oberkieferfrontzähnen!• Im Idealfall wird jetzt die Epiglottis und bei weiterem Zug der Kehlkopfeingang

sichtbar. Gegebenenfalls muss die Position der Spatelspitze korrigiert werden. Siesollte in der Vallecula epiglottica zwischen Kehldeckel und Zungengrund liegen.

■▶Hinweis: Bei schlechter Sicht auf den Kehlkopfeingang kann eine Hilfsperson sanftvon außen auf den Kehlkopf drücken, um die Sichtbedingungen zu verbessern.

Tab. 5.2 • Tubusgrößen für die orale Intubation.

Gewicht (kg) Alter ID (mm) Charrière Einführtiefe abZahnreihe (cm)

< 2,5 Frühgeborene 2,5 12 10

2,5 – 5 Neugeborene 3,0 14 11

5 – 8 ca. 1/2 Jahr 3,5 16 11

8 – 10 ca. 1 Jahr 4,0 18 12

10 – 15 ca. 2 – 3 Jahre 4,5 20 13

15 – 20 ca. 4 – 5 Jahre 5,0 22 14

20 – 25 ca. 6 Jahre 5,5 24 15 – 16

25 – 30 ca. 8 Jahre 6,0 26 16 – 17

30 – 45 ca. 10 Jahre 6,5 28 17 – 18

45 – 60 ca. 12 Jahre 7,0 30 18 – 22

Frauen > 14 Jahre 7,0 – 8,0 30 – 34 20 – 24

Männer > 14 Jahre 8,0 – 9,0 34 – 38 20 – 24

ID = Innendurchmesser; 1 Charrière =⅓mm

5.1 AtemwegeZu

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• Wenn der Kehlkopfeingang eingestellt ist, den Tubus mit der rechten Hand vonder rechten Seite aus durch den Kehlkopfeingang in die Trachea einführen. DerCuff sollte 2 – 3 cm unterhalb der Stimmbänder liegen.

• Cuff mit Luft (5 – 10ml) blocken, bis der Tubus bei der Beatmung gegenüber derLuftröhre abgedichtet ist. Nebengeräusche durch aus der Trachea ausweichendesAtemgas bei normalen Beatmungsspitzendrücken (20 – 30 cmH2O) sprechen füreine unzureichende Abdichtung durch den Cuff. Cuffdruckmessung wünschens-wert – Druck sollte nicht über 20 – 30 cmH2O betragen.

• Beatmungsbeutel aufsetzen.• Kontrolle der Tubuslage: Symmetrische Thoraxexkursionen bei der Beatmung,

auskultatorisch keine Strömungsgeräusche über dem Epigastrium („Blubbern“bei Ösophagusintubation), seitengleiche Strömungsgeräusche über der lateralenThoraxwand. Falls einseitig kein Atemgeräusch → einseitige Intubation (meistrechter Hauptbronchus): Tubus entblocken und etwas zurückziehen!

■▶Achtung: Eine einseitige Intubation muss unbedingt vermieden werden! Sie kannrasch zu einer kompletten Atelektase einer Lunge führen, die oft schwer zu be-handeln ist. Im atelektatischen, unbelüfteten Gebiet kann sich leicht eine Infek-tion entwickeln, die bis zu einem schweren generalisierten Erkrankungsbild mitSepsis und ARDS führen kann.

• Beißschutz einführen und Tubus sicher mit Pflaster fixieren. Nach dem Fixierenerneut Tubuslage kontrollieren (s. o.).

■▶Achtung: Dauer eines Intubationsversuchs nicht länger als 30 s!▶ Bei Fehlintubation:

1. Ruhe bewahren!2. Hilfe rufen (Erfahrenen).3. Tubus ziehen.4. Maskenbeatmung.5. Erneuter Versuch.

▶ Komplikationen:• Frühe Komplikationen: Erfolglose Intubation, Fehlintubation des Ösophagus (→

Hypoxie, Aspiration), einseitige Intubation eines Stammbronchus (→ Atelektase),Tubusobstruktion, Zahnschäden, Kehlkopfschäden, Schäden der Luftröhre.

• Spätkomplikationen: Trachealstenose, Tracheomalazie, Ringknorpelstenose,Stimmbandgranulome.

Maskenbeatmung

Siehe Abb. 5.2.

▶ Indikation: Notfallbeatmung in Akutsituationen zur Überbrückung bis zur Intuba-tion bzw. bei komplizierter oder unmöglicher Intubation.

Abb. 5.2 • Maskenbeatmung. (ausHahn, Checkliste Innere Medizin,Thieme, 2013)

5.1 Atemwege

Zugä

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▶ Kontraindikationen: Nicht nüchterner Patient bzw. hohes Aspirationsrisiko, Verlet-zungen im Gesichtsbereich, Verletzungen der Halswirbelsäule, Schwellungen,Raumforderungen oder Fremdkörper im Bereich der Atemwege (Mund, Pharynx,Hypopharynx, Larynx).

Maskenbeatmung muss beherrscht werden!Die Maskenbeatmung ist in der Intensiv- und Notfallmedizin als Notfallmaßnah-me zu verstehen. Gerade deshalb ist es wichtig, dass jeder intensivmedizinischTätige eine Maskenbeatmung durchführen kann. Die Maskenbeatmung ist tech-nisch nicht einfach und muss geübt werden!

▶ Durchführung:• Geeignete Gesichtsmaske wählen: Die Maske sollte von der Nasenwurzel bis unter

die Unterlippe reichen. Evtl. verschiedene Maskengrößen ausprobieren.• Auf freie Atemwege achten: Vor Beginn kurz Mund und Rachen inspizieren,

Fremdkörper entfernen, Sekret absaugen.• Kopf leicht überstrecken (Cave: Kontraindikationen!), mit einer Hand den Unter-

kiefer fassen, kinnwärts ziehen und in dieser Stellung halten.• Maske auf das Gesicht aufsetzen, sodass Nasenwurzel, Unterlippe und Mundwin-

kel vom Maskenwulst umschlossen werden.• Maske mit der Hand, die noch den Unterkiefer in Position hält, fassen und fest

gegen das Gesicht drücken; Unterkiefer dabei nicht loslassen.• Mit der anderen Hand den Beatmungsbeutel komprimieren (ca. 400 – 600ml pro

Atemzug über 2 Sekunden, Druckspitzen vermeiden, keine stoßartige Beatmung,Cave: Gefahr der Magenaufblähung). Den Beatmungserfolg anhand der Thorax-exkursionen kontrollieren.

▶ Sauerstoffzufuhr: In Notfallsituationen sollten dem Beatmungsbeutel möglichsthohe Sauerstoffkonzentration über einen Schlauch zugeführt werden. Damit ist je-doch nur eine maximale Sauerstoffkonzentration von 40 – 50% möglich, da der Be-atmungsbeutel zusätzlich noch Raumluft ansaugt. Um Sauerstoffkonzentrati-on > 90% applizieren zu können, muss dem Beatmungsbeutel ein ausreichend hoherSauerstofffluss (größer als das Atemminutenvolumen des Patienten [meist > 10 l/min]) über ein sog. Reservoir zugeführt werden.

Tipps zur Maskenbeatmung:▶ Bei schwieriger Maskenbeatmung kann das Einlegen eines oropharyngealen

Tubus (Guedel-Tubus) und/oder eines nasopharyngealen Tubus (Wendl-Tubus)die Bedingungen entscheidend verbessern.

▶ Wenn es nicht gelingt, die Maske ausreichend abzudichten, empfiehlt es sich,Maske und Unterkiefer mit beiden Händen zu fassen und den Beatmungsbeutelvon einer Hilfsperson komprimieren zu lassen.

Alternative Techniken zur Notfallbeatmung

▶ Combitubus: Ösophagotrachealer Doppellumentubus mit zwei Cuffs (pharyngealund ösophageal bzw. tracheal). Er wird blind (ohne Laryngoskop) durch den Mundeingeführt. Nach dem Blocken beider Cuffs kann der Patient in der Regel über einesder beiden Lumen beatmet werden:• Lage in der Trachea→ Ventilation wie bei einem Trachealtubus.• Lage im Ösophagus → über das zweite Lumen beatmen, dessen seitliche Öffnun-

gen jetzt im Hypopharynx liegen (das Entweichen von Luft durch Mund oderNase wird durch den zweiten großen Cuff verhindert).

▶ Larynxmaske: Weitlumiger Tubus mit einer Maske mit aufblasbarem zirkuläremWulst. Wird unter digitaler Führung in den Hypopharynx bis vor den Kehlkopfein-

5.1 AtemwegeZu

gäng

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58

gang geschoben. Nach Aufblasen des Blockungswulstes dichtet sich die Maske ge-gen Ösophagus und Hypopharynx weitgehend ab.

▶ Koniotomie:• Indikationen: Atemstillstand, Maskenbeatmung/Intubation nicht durchführbar.• Technik: Kopf lagern (Reklination, Nackenrolle); Hautdesinfektion; streng media-

ner Längsschnitt durch die Haut über Schild- und Ringknorpel; Blutstillung durchDruck mit steriler Kompresse; quere Stichinzision des Lig. cricothyroideum; Inzi-sion mit einem sterilen Nasenspekulum oder mit dem sterilen Skalpellgriff sprei-zen und sterilen Endotrachealtubus (5 – 6mm Innendurchmesser) einführen;blocken und Tubuslage kontrollieren (S.57).

• Komplikationen: Asphyxie/Hypoxie, Aspiration (Blut), Bahnen einer Via falsa insGewebe, Trachealverletzungen, Kehlkopfschäden, Verletzung großer Gefäße (A.carotis, V. jugularis interna), Ösophagusperforation, Mediastinalemphysem.

■▶Achtung: Zur Vermeidung von Kehlkopfschäden muss eine erfolgreiche Konioto-mie möglichst bald HNO-ärztlich versorgt und ggf. in eine Tracheotomie umge-wandelt werden!

▶ Tracheotomie:• Indikationen: Verengung von Kehlkopf oder Hypopharynx durch Schwellung,

Trauma, Verbrennung, Verätzung, Tumor; Notwendigkeit einer länger dauerndenBeatmung (länger als 1 –2 Wochen).

• Vorteile: Bessere Toleranz durch den Patienten, erleichterte Bronchialtoilette, ein-facherer Tubuswechsel, Entlastung von Kehlkopf und Nasenrachenraum.

• Nachteile: Operativer Eingriff (Invasivität); mögliche Komplikationen (s. u.).• Technik (Prinzip): Kopf überstreckt lagern; Hautdesinfektion, steril abdecken; Lo-

kalanästhesie mit Vasokonstriktorzusatz: streng medianer Hautschnitt vom Un-terrand des Schildknorpels bis zum Jugulum; alternativ horizontaler Hautschnitt1 – 3 cm unterhalb des Ringknorpels; Trachea bis mindestens zur vierten Trache-alspange freilegen: Trachea eröffnen; Trachealkanüle einführen.

• Komplikationen: Kanülenfehllage, Kanülenobstruktion, Blutung bzw. Nachblu-tung aus dem Tracheostoma, Wundinfektion, subkutanes Emphysem, Mediasti-nalemphysem, Pneumothorax.

• Spätkomplikationen: Arrosionsblutung, Trachealstenose, tracheoösophageale Fis-tel.

Probleme im Rahmen des Atemwegsmanagements

▶ Schwierige Intubationsbedingungen: Eingeschränkte Mundöffnung, kurzer dickerHals, große Zunge, prominente Schneidezähne, Retro- oder Prognathie, einge-schränkte HWS-Beweglichkeit, Verletzung, Schwellung, Raumforderung im Bereichvon Gesichtsschädel, Kiefer, Hypopharynx, Larynx.

▶ Vorgehen bei Komplikationen nach Intubation:• Einseitige Intubation: Tubus entblocken und zurückziehen, intensives endobron-

chiales Absaugen und ggf. Bronchoskopie bei Aspiration in die nicht beatmeteLunge, Lagerung und Thoraxvibration zur Atelektasenprophylaxe.

• Atelektase: Tubuslage überprüfen (S.57), intensive Tracheobronchialtoilette, Ab-saugen in Kombination mit Lagerungsdrainage und Thoraxvibration, intermittie-rendes Beatmen und Blähen mit dem Beatmungsbeutel, Fiberbronchoskopie mitFreisaugung verlegter Bronchialpartien.

• Blockade der Luftwege bei liegendem Tubus: Bei totaler Verlegung sofortiger Tu-buswechsel, alternativ Durchgängigkeit des Tubus mittels Absaugkatheter über-prüfen (Tubus und Trachea absaugen), Cuff entblocken (möglicherweise Cuff-Her-nie mit Blockungsballon vor der Tubusöffnung), bei anhaltender Verlegung Umin-tubation.

• Aspiration: Rachenraum und tracheobronchial absaugen (fiberbronchoskopischbei Aspiration von soliden Elementen), engmaschige Überwachung (Blutgase,Röntgen-Thorax, Mikrobiologie etc.).

5.1 Atemwege

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■▶Achtung: Keine routinemäßige Bronchiallavage (flüssiges Aspirat kann nichtmehr herausgespült werden), keine Kortikoide, keine routinemäßige antibioti-sche Prophylaxe; Antibiose nur bei Aspiration hochinfektiösen Materials (z. B.Stuhl bei Ileus) oder nach Antibiogramm bei Anhalt für eine Infektion.

5.2 Venöser ZugangPeripherer Venenkatheter

▶ Punktionsstellen: Handrücken, Unterarm- und Ellenbeuge, Fußrücken (in Ausnah-mefällen).

▶ Indikationen:• Blutentnahme, Infusion und Injektion.• Volumensubstitution durch Anlage mehrerer Verweilkanülen 14G (Erstversor-

gung).▶ Kontraindikationen:

• Lokale Zeichen der Infektion oder Thrombophlebitis.• Lymphabflussstörung (z. B. nach Lymphknotendissektion).• Bestehender oder geplanter AV-Shunt (terminale Niereninsuffizienz).

▶ Vorgehen:• Venöse Stauung anlegen (Staubinde, Blutdruckmanschette). Der angelegte Druck

sollte dabei knapp unterhalb des diastolischen Blutdrucks liegen. Bei Kleinkin-dern genügt die zirkulär am Oberarm anliegende und komprimierende Handeines Helfers.

• Desinfektion der Haut (Cave: bei Blutentnahme im Rahmen des Drogen- und Al-koholscreenings alkoholfreie Tupfer verwenden!).

Zentraler Venenkatheter

▶ Punktionsstellen:• V. jugularis: Komplikationsarm; schwieriger bei Hypovolämie.• V. subclavia: Punktionsort der Wahl bei Hypovolämie (wegen bindegewebiger Fi-

xierung kein Gefäßkollaps!); jedoch hohes Pneumothoraxrisiko!• V. basilica: Komplikationsarm; jedoch relativ schwierige Katheteranlage (häufige

Dislokationen).• In Ausnahmefällen V. femoralis.

▶ Indikationen:• Ausgleich größerer Volumen- und Blutverluste.• Messung des zentralvenösen Drucks (ZVD) und Pulmonalarteriendrucks.• Parenterale Ernährung.

▶ Kontraindikationen:• Erhöhte Blutungsneigung (Thrombozytopenie, Quick < 40%).• Schädel-Hirn-Trauma, Karotisstenose (bei Punktion der V. jugularis interna).• Kontralaterales Thoraxtrauma bei Punktion der V. subclavia.

▶ Allgemeines Vorgehen:■▶Cave: Wegen der Luftemboliegefahr nur unter Verwendung einer Sicherheits-

schleuse punktieren! Außerdem muss der Patient bei Punktion der Vv. jugularisund subclavia in Kopftieflage gebracht werden, um die Gefahr der Luftemboliebei ZVK-Anlage zu verringern.

• Material: Punktionsset; sterile Abdecktücher, Handschuhe, Mundschutz; 10-ml-Spritze mit NaCl 0,9 %, 5 – 10ml Lokalanästhesie (z. B. Scandicain 1%).

• Seldinger-Technik: Methode der Wahl für die Anlage zentralvenöser Verweil-katheter in der Klinik, aufgrund des Zeitaufwands und der hohen Anforderungenan die Sterilität jedoch ungeeignet für die Notfallversorgung am Unfallort,s. Abb. 5.3.

5.2 Venöser ZugangZu

gäng

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60

• Lagekontrolle: Röntgen-Thorax nach Katheteranlage – die Katheterspitze sollteunmittelbar vor der Einmündung der V. cava sup. in den rechten Vorhof liegen.

▶ Spezielle Aspekte:• A. Vena jugularis interna (posteriorer Zugang, Abb. 5.4):

– Drehung des Kopfes zur Gegenseite, Kopftieflage.– Tasten der A. carotis.– Einstich an der Kreuzungsstelle von V. jugularis externa und Hinterrand des

M. sternocleidomastoideus.– Punktionsnadel unter Aspiration im flachen Winkel hinter den M. sternoclei-

domastoideus in Richtung auf den Ansatz des Muskels an der Klavikula vor-schieben.

• B. Vena subclavia (inferiorer Zugang, Abb. 5.5):– Drehung des Kopfes zur Gegenseite, Kopftieflage.– Identifikation wichtiger Landmarken: Klavikula, erste Rippe, Sternoklavikular-

gelenk.– Einstich unmittelbar unterhalb der Klavikula in der Medioklavikularlinie.– Infiltration des Periosts mit z. B. 1 – 2ml Lidocain 1%.

Abb. 5.3 • Seldinger-Technik.1 Gefäßpunktion mit Punktionskanüle.2 Führungsdraht über die liegendePunktionskanüle in das Gefäß einführen.3 Entfernen der Punktionskanüle, Belas-sen des Führungsdrahtes. 4 Gefäßkath-eter über den liegenden Führungsdrahtin das Gefäß einführen, vorherige Erwei-terung der Einstichstelle mit dem Skalpellund Drehbewegungen des Katheterserleichtern die Passage. Dann Führungs-draht entfernen, dabei den Gefäßka-theter fixieren. (aus Hahn, ChecklisteInnere Medizin, Thieme, 2013)

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A. carotiscommunis

V. jugularisinterna

Caput claviculare desM. sternocleidomastoideus

V. jugularis externa

M. sternocleidomastoideus

Abb. 5.4 • Punktion der V. jugularis interna. (aus Hahn, Checkliste Innere Medizin, Thieme, 2013)

5.2 Venöser Zugang

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– Vorschieben der Punktionsnadel unter Aspiration und ständigem Kontakt mitder Klavikula in Richtung des Oberrandes des Sternoklavikulargelenks.

– Die Vene wird in etwa 4 – 6 cm Tiefe erreicht. Weiter siehe Seldinger-Technik(S.60).

– Lagekontrolle und Ausschluss eines Hämato-/Infusothorax durch Röntgen-Tho-rax.

▶ Komplikationen:• Punktion der benachbarten Arterie: Punktionsnadel zurückziehen und Kompres-

sion des Gefäßes für ca. 10min. Cave: Bei Druck auf den Karotissinus Blutdruck-und Pulskontrolle. Bei anhaltender Blutung oder zunehmender Schwellung(Atemnot) ist eine operative Revision erforderlich. Bei versehentlicher Punktionder A. subclavia Röntgenaufnahme des Thorax zum Ausschluss eines Hämato-oder Pneumothorax→ in diesem Fall Anlage einer Thoraxdrainage (S.67).

• Luftembolie → Sofortige Einleitung einer Beatmung mit PEEP, wenn möglich Sau-erstoffüberdrucktherapie (S.242).

• Plexusschädigung oder Herzrhythmusstörungen → Entfernung des Katheters bzw.Korrektur der Katheterfehllage.

• Pneumo-/Chylothorax: Bei sichelartig ausgeprägtem Mantel-Pneumothorax kanndie Resorption der Luftsichel abgewartet werden, sonst Anlage einer Thoraxdrai-nage (S.67).

• Infektion: Katheter entfernen, die Katheterspitze zur bakteriologischen Unter-suchung in die Mikrobiologie schicken, systemische Antibiose mit Cephalosporinder 3. Generation (z. B. Ceftriaxon) bei Sepsiszeichen.

• Thrombose der V. subclavia:– Katheter entfernen unter laufender Vollheparinisierung.– Bakteriologische Untersuchung der Katheterspitze.– Bettruhe, Arm hochlagern und elastisch wickeln.– Bei Fieber Antibiose mit Cephalosporin der 3. Generation.

5.3 Arterieller ZugangGrundlagen

▶ Punktionsstellen: A. radialis, A. femoralis, alternativ A. brachialis.▶ Indikationen:

• Invasive Blutdruckmessung (Intensivpatienten, größere operative Eingriffe, Risi-kopatienten).

• Gewinnung arterieller Blutproben für Blutgasanalysen.• Angiografie.

▶ Kontraindikationen:• Erhöhte Blutungsneigung (Quick < 60%, PTT > 60 s).• Infektion im Bereich der Punktionsstelle.• Pathologischer Allen-Test (bei Punktion der A. radialis).

Sternoklavi-kulargelenk

Einstichstelle

A. subclavia

V. subclavia

Abb. 5.5 • Punktion der V. subcla-via. (aus Hahn, Checkliste InnereMedizin, Thieme, 2013)

5.3 Arterieller ZugangZu

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A. Arteria radialis

▶ Vorbereitungen:• Allen-Test:

– Prinzip: Überprüfung des Kollateralkreislaufs der Hand.– Durchführung: A. radialis und A. ulnaris bei hochgehaltener Hand so lange ab-

drücken bis die Hand abgeblasst ist. Dann A. ulnaris freigeben, die A. radialisbleibt komprimiert.

– Beurteilung: Bei rascher (≤ 15 s) Reperfusion der Hand (Rötung) ist eine ausrei-chende Versorgung über die A. ulnaris gewährleistet.

• Lagerung: Unterarm fixieren, Handgelenk leicht überstrecken (bei RechtshändernPunktion der linken A. radialis bevorzugen – und umgekehrt).

• Hautdesinfektion, steriles Abdecken.• Beim wachen Patienten Lokalanästhesie (Hautquaddel), auch zur Protektion von

Gefäßspasmen.• A. radialis mit Zeige- und Mittelfinger der nicht punktierenden Hand palpieren.• Möglichst weit distal punktieren, um bei Fehlversuch nochmals weiter proximal

punktieren zu können.▶ Punktion (Abb. 5.6):

• Kanüle (20G) nahe dem Lig. carpale in einem Winkel von 30 – 40° langsam aufdie Arterie vorschieben. Sobald arterielles Blut zurückfließt (pulsatiler Fluss), Ka-nüle senken (Einstichwinkel verkleinern).

▶ Weiteres Vorgehen = Seldinger-Technik (S.60).

B. A. femoralis

▶ Bein in der Hüfte strecken, Oberschenkel leicht abduzieren und außenrotieren, ggf.Rasur.

▶ Desinfektion.▶ A. femoralis mit Zeige- und Mittelfinger der nicht punktierenden Hand unterhalb

des Lig. inguinale in ihrem Verlauf palpieren (IVAN = Innen Vene → Arterie → Nerv).▶ Kanüle (20G, 18G) im 45°-Winkel auf die A. femoralis vorschieben (liegt meist in

3 – 5 cm Tiefe).▶ Weiteres Vorgehen = Seldinger-Technik (S.60).

C. A. brachialis

■▶Beachte: Die A. brachialis ist eine Transportarterie ohne Kollateralisierung! Ihre Ka-nülierung ist nur indiziert, wenn die Punktion anderer Arterien nicht möglich ist!

▶ Nichtdominanten Arm bevorzugen, Arm abduzieren und leicht überstrecken.

Abb. 5.6 • Punktion der A. radialis. (ausHahn, Checkliste Innere Medizin,Thieme, 2013)

A. radialis

5.3 Arterieller Zugang

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