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1 © Verlag Pearson Studium 2006 Seite 1 Wirtschaftspolitik Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen Ziele, Instrumente, Institutionen Dieser Foliensatz kann zur Begleitung des Lehrbuches „Wirtschaftspolitik“ von Prof. Dr. Rainer Klump (Universität Frankfurt) eingesetzt werden. © Verlag Pearson Studium 2006 Seite 2 Gliederung der Vorlesung Teil 1: Theoretische Wirtschaftspolitik und wirtschaftspolitische Beratung Teil 2: Anwendungen der Mikroökonomik Teil 3: Anwendungen der Makroökonomik Teil 4: Anwendungen der Institutionenökonomik Teil 5: Anwendungen der Wohlfahrtsökonomik Teil 6: Anwendungen der Neuen Politischen Ökonomie © Verlag Pearson Studium 2006 Seite 3 Teil 1 - Überblick Theoretische Wirtschaftspolitik und wirtschaftspolitische Beratung Praktische und theoretische Wirtschaftspolitik Ökonomische Theorie und theoretische Wirtschaftspolitik Systematik der theoretischen Wirtschaftspolitik Wirtschaftspolitik, Finanzpolitik und Sozialpolitik Werturteile und wissenschaftliche Beratung Rationale Wirtschaftspolitik Beispiel: Was leisten die „5 Weisen“? © Verlag Pearson Studium 2006 Seite 4 Praktische und theoretische Wirtschaftspolitik (1) Praktische Wirtschaftspolitik Zielgerichtetes Eingreifen in das Wirtschaftsgeschehen Handeln besonders legitimierter Instanzen Teilgebiet der allgemeinen staatlichen Politik Theoretische Wirtschaftspolitik / Theorie der Wirtschaftspolitik Teilgebiet der Volkswirtschaftslehre Anwendung der ökonomischen Theorie Wissenschaftliche Beratung der praktischen Wirtschaftspolitik Staatliche und nicht- staatliche Träger der Wirtschafts- politik © Verlag Pearson Studium 2006 Seite 5 Praktische und theoretische Wirtschaftspolitik (2) Zentrale Elemente der Theorie der Wirtschaftspolitik Theoriebezug: Die Ansatzpunkte und Instrumente der Wirtschaftspolitik werden aus der ökonomischen Theorie abgeleitet. Zielbezug: Die Vorschläge müssen sich an expliziten oder impliziten Zielen orientieren. Trägerbezug: Die spezifischen Interessen der Träger der Wirtschaftspolitik sind zu berücksichtigen. © Verlag Pearson Studium 2006 Seite 6 Ökonomische Theorie und theoretische Wirtschaftspolitik (1) Formulierung ökonomischer Theorien als funktionale „Wenn-dann-Beziehungen“ mit gegebenem Strukturparameter z Wenn der Preis eines Gutes steigt, dann steigt die Angebotsmenge. Wenn die Geldmenge steigt, steigt das Preisniveau. Verwendung ökonomischer Theorien zur Erklärung ökonomischer Phänomene (positive Aussagen) Der Anstieg des Preises erklärt die Zunahme der Angebotsmenge. Die Zunahme der Geldmenge erklärt den Anstieg des Preisniveaus. y = f(x,z) _ x y

Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

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© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 1

Wirtschaftspolitik Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, InstitutionenZiele, Instrumente, Institutionen

Dieser Foliensatz kann zur Begleitung des Lehrbuches „Wirtschaftspolitik“ von Prof. Dr. Rainer Klump (Universität Frankfurt) eingesetzt werden.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 2

Gliederung der Vorlesung

Teil 1: Theoretische Wirtschaftspolitik und wirtschaftspolitische Beratung

Teil 2: Anwendungen der MikroökonomikTeil 3: Anwendungen der MakroökonomikTeil 4: Anwendungen der InstitutionenökonomikTeil 5: Anwendungen der WohlfahrtsökonomikTeil 6: Anwendungen der Neuen Politischen Ökonomie

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 3

Teil 1 - Überblick

Theoretische Wirtschaftspolitik und wirtschaftspolitische Beratung

Praktische und theoretische Wirtschaftspolitik

Ökonomische Theorie und theoretische Wirtschaftspolitik

Systematik der theoretischen Wirtschaftspolitik

Wirtschaftspolitik, Finanzpolitik und Sozialpolitik

Werturteile und wissenschaftliche Beratung

Rationale Wirtschaftspolitik

Beispiel: Was leisten die „5 Weisen“?

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 4

Praktische und theoretische Wirtschaftspolitik (1)

Praktische Wirtschaftspolitik• Zielgerichtetes Eingreifen in das Wirtschaftsgeschehen• Handeln besonders legitimierter Instanzen• Teilgebiet der allgemeinen staatlichen Politik

Theoretische Wirtschaftspolitik / Theorie der Wirtschaftspolitik• Teilgebiet der Volkswirtschaftslehre• Anwendung der ökonomischen Theorie • Wissenschaftliche Beratung der praktischen Wirtschaftspolitik

Staatliche und nicht-staatliche Träger der Wirtschafts-politik

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 5

Praktische und theoretische Wirtschaftspolitik (2)

Zentrale Elemente der Theorie der Wirtschaftspolitik

• Theoriebezug: Die Ansatzpunkte und Instrumente der Wirtschaftspolitik werden aus der ökonomischen Theorie abgeleitet.

• Zielbezug: Die Vorschläge müssen sich an expliziten oder impliziten Zielen orientieren.

• Trägerbezug: Die spezifischen Interessen der Träger der Wirtschaftspolitik sind zu berücksichtigen.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 6

Ökonomische Theorie und theoretische Wirtschaftspolitik (1)

Formulierung ökonomischer Theorien als funktionale „Wenn-dann-Beziehungen“ mit gegebenem Strukturparameter z

• Wenn der Preis eines Gutes steigt, dann steigt die Angebotsmenge.

• Wenn die Geldmenge steigt, steigt das Preisniveau.

Verwendung ökonomischer Theorien zur Erklärung ökonomischer Phänomene (positive Aussagen)

• Der Anstieg des Preises erklärt die Zunahme der Angebotsmenge.

• Die Zunahme der Geldmenge erklärt den Anstieg des Preisniveaus.

y = f(x,z)_

x → y

Page 2: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

2

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 7

Ökonomische Theorie undtheoretische Wirtschaftspolitik (2)

Verwendung ökonomischer Theorien zur Vorhersage zukünftiger Entwicklungen (prognostische Aussagen)

• Weil der Preis ansteigt, wird die Angebotsmenge zunehmen.

• Weil die Geldmenge wächst, wird das Preisniveau zunehmen.

Verwendung ökonomischer Theorien zur Konzeption wirtschaftspolitischer Empfehlungen (präskriptive Aussagen)

• Um die Angebotsmenge zu steigern, muss der Preis erhöht werden.

• Um das Preisniveau zu senken, muss die Geldmenge verringert werden.

x → y

y → x

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 8

Ökonomische Theorie und theoretische Wirtschaftspolitik (3)

Anforderungen an ökonomische Theorien

• Allgemeingültigkeit- Gefahr zu hoher Abstraktion - Bedeutung der institutionellen Rahmenbedingungen

• Falsifizierbarkeit in einem empirischen Test- Vermeidung von Tautologien- Niemals endgültige Verifikation

• Verständlichkeit für wirtschaftspolitische Entscheidungsträger

Popper-Kriterium

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 9

Ökonomische Theorie und theoretische Wirtschaftspolitik (4)

Unterschiedliche ökonomische Theorien als Grundlage der theoretischen Wirtschaftspolitik

• Mikroökonomik- Kernkonzept: Markt

S

D

q*

p*

q

p

1 2Güterstrom

Geldstrom

• Makroökonomik- Kernkonzept: Wirtschaftskreislauf

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 10

Ökonomische Theorie undtheoretische Wirtschaftspolitik (5)

• Institutionenökonomik- Kernkonzept: Entstehung und

Wirkung von Institutionen

• Wohlfahrtsökonomik- Kernkonzept: GesellschaftlicheWohlfahrtsfunktion

• Neue Politische Ökonomie- Kernkonzept: Heterogenität von Interessen

u1

u2

Effizienz

Verteilung

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 11

Systematik der theoretischen Wirtschaftspolitik (1)

Systematik nach Art der Instrumente• Systematik nach Walter Eucken:

- Prozesspolitik (Ablaufpolitik)- Ordnungspolitik (Rahmenpolitik)

• Systematik nach Jan Tinbergen:- Quantitative Wirtschaftspolitik- Qualitative Wirtschaftspolitik

1891-1950;

Führender Vertreter der „Freiburger Schule“

1903-1994;

Nobelpreis für Wirtschafts-wissenschaften1969

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 12

Systematik der theoretischen Wirtschaftspolitik (2)

Systematik nach Zielen• Konjunktur(stabilisierungs)politik

- Stabilitätspolitik - Beschäftigungspolitik- Zahlungsbilanzpolitik

• Allokationspolitik- Wachstumspolitik- Umweltschutzpolitik

• Verteilungspolitik

Magisches Viereck

Magisches Dreieck

Page 3: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

3

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 13

Systematik der theoretischen Wirtschaftspolitik (3)

Systematik nach dem Wirkungsbereich

• Globalpolitik

• Strukturpolitik - Sektorale Strukturpolitik- Regionale Strukturpolitik

wirkt auf die gesamte Wirtschaft

wirkt nur auf abgegrenzte Teilbereiche

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 14

Wirtschaftspolitik, Finanzpolitik und Sozialpolitik (1)

Finanzpolitik• Ziel: Sicherstellung der finanziellen Handlungsfähigkeit der

öffentlichen Haushalte im Rahmen der allgemeinen Wirtschaftspolitik

• Instrumente: Veränderung öffentlicher Einnahmen, Ausgaben und Schulden

• Idee der functional finance:Integration der Finanzpolitik in die allgemeine Wirtschaftspolitik durch Neugliederung der öffentlichen Haushalte in Allokations-, Stabilisierungs- und Verteilungsabteilungen, die jeweils unterschiedliche wirtschaftspolitische Ziele verfolgen. Diese Idee berücksichtigt nicht die massiven Eigeninteressen der öffentlichen Haushalte.

nach Robert Musgrave

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 15

Wirtschaftspolitik, Finanzpolitik und Sozialpolitik (2)

Sozialpolitik• Ziel: Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen durch

Absicherung gegen die Risiken von Krankheit, Alter und Erwerbslosigkeit

• Instrumente entstammen der Allokations- und Verteilungspolitik, der Ordnungs- und Prozesspolitik

• Sozialpolitische Entscheidungen müssen die Interessen zahlreicher (direkt und indirekt) betroffener Gruppen berücksichtigen.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 16

Wirtschaftspolitik, Finanzpolitik und Sozialpolitik (3)

Institutionelle Entwicklung in Deutschland

• Kaiserreich: Finanzpolitik im Reichsschatzamt, Wirtschafts- und Sozialpolitik im Reichswirtschaftsamt angesiedelt

• Weimarer Republik: Eigenständige Ministerien für Finanzen, Wirtschaft und Arbeit (einschließlich Sozialordnung)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 17

•Bundesrepublik:-Zunächst mächtige Stellung des Bundeswirtschaftsministeriums innerhalb der gesamten Wirtschaftspolitik, herausgehobene Rolle der Grundsatzabteilung-Mit wachsender Staatsquote steigt die Bedeutung der Finanzpolitik; mit dem Ausbau des Sozialstaats die Bedeutung der Sozialpolitik-1998 wandert die Grundsatzabteilung vom Wirtschafts- ins Finanzministerium; Fusion von Wirtschafts- und Arbeitsministerium 2002 soll stärkere Verzahnung von Wirtschafts- und Sozialpolitik ermöglichen-2005 erneute Umstrukturierung: Ministerium für Wirtschaft und Technologie und Ministerium für Arbeit und Soziales, Dominanz der Finanzpolitik und der Sozialpolitik

Wirtschaftspolitik, Finanzpolitik und Sozialpolitik (3)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 18

Kapitel 2: Werturteile und wirtschaftspolitische Beratung (1)

Klassischer Werturteilsstreit in den deutschen Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (1909)

• Sind ökonomische Theorien auch für die Vorgabe von Politikzielen (als normative Aussagen) verwendbar?

• Lassen sich insbesondere Verteilungsziele wissenschaftlich rechtfertigen?

Dimensionen des Werturteilsstreits• Urteile im Objektbereich:

Präferenzen und Ziele als Gegenstand der Forschung • Urteile im Subjektbereich:

Präferenzen der Forschenden (Wertbasisproblem)• Urteile im Inhalts- oder Tatsachenbereich:

(Kern des Werturteilsstreits)

Wie hoch ist ein gerechter Lohn?

Page 4: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

4

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 19

Modellkonzepte wissenschaftlicher Beratung

• Technokratisches Modell:Politiker lassen Zielvorgaben und Vorschläge für geeignete Instrumente von wissenschaftlichen Beratern entwickeln.

• Dezisionistisches Modell:Politiker geben Ziele vor, Berater suchen nach den geeigneten Instrumenten.

• Pragmatistisches Modell:Berater suchen zusammen mit Politikern nach wissenschaftlich und politisch vertretbaren Lösungen.

Werturteile und wirtschaftspolitische Beratung (2)

nach J. Habermas(1964)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 20

Kennzeichen rationaler Wirtschaftspolitik

• Gegebene wirtschaftspolitische Ziele sollen optimal mit den vorhandenen Instrumenten erreicht werden.

• Enge Verbindung zur quantitativen Wirtschaftspolitik nach Tinbergen.

• Aus einem ökonomischen Erklärungsmodell lässt sich ein wirtschaftspolitisches Entscheidungsmodell ableiten, wobei die Konstanz bestimmter Strukturparameter unterstellt wird.

• Beispiel: Wie lassen sich auf einem Markt bestimmte Zielwerte für Preis und Menge erreichen?

Rationale Wirtschaftspolitik (1)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 21

Rationale Wirtschaftspolitik (2)

Ökonomisches Erklärungsmodell

p1 = a1 + bq1

p1 = d1 – cq1

p

q

D

S

q1

p1

a1

d1

Das Marktmodell erklärt simultan Preis und Menge

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 22

Rationale Wirtschaftspolitik (3)

Korrespondierendes wirtschaftspolitisches Entscheidungsmodell

p*2 = a2 + bq*2

p*2 = d2 – cq*2

Regel von Tinbergen:Um zwei unabhängige Ziele zu erreichen, sind mindestens zwei unabhängige Instrumente notwendig.

p

q

D

S

q1

p1

d2

a1

q*2

p*2

a2

d1

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 23

Rationale Wirtschaftspolitik (4)

Verallgemeinerung durch Darstellung des (linearen) Erklärungsmodells in Matrixschreibweise

y = A x + B z• y ist Vektor der m wirtschaftspolitischen Ziele.• x ist Vektor der n wirtschaftspolitischen Instrumente.• z ist Vektor der l Strukturparameter.• A ist Matrix mit der Dimension (m, n), deren Elemente aij den

Effekt einer Änderung eines Instrumentes j auf ein Ziel i angeben.• B ist Matrix mit der Dimension (m, l), deren Elemente den

Zusammenhang zwischen Strukturparametern und Zielen messen.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 24

Rationale Wirtschaftspolitik (5)

Überführung des Erklärungsmodells in ein wirtschaftspolitisches Entscheidungsmodell

x* = A-1 (y* - B z)

• Vorgabe von Zielwerten für y*.• Annahme der Konstanz von B und z.• A-1 ist die Inverse der Koeffizientenmatrix A.

A ist nur dann invertierbar, wenn ihre Zeilen und Spalten linear unabhängig sind, d. h. wenn m = n ist.

Page 5: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

5

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 25

Rationale Wirtschaftspolitik (6)

• Allgemeine Regel von Tinbergen:Eine eindeutige Handlungsempfehlung für rationale Wirtschaftspolitik liefert ein Erklärungsmodell nur dann, wenn die Zahl der wirtschaftspolitischen Instrumente der Zahl der wirtschaftspolitischen Ziele entspricht, also m = n ist.

- Ist m > n, gibt es wegen Widersprüchen keine Lösung des Modells. Es bestehen negative wirtschaftspolitische Freiheitsgrade.

- Ist m < n, hat die Wirtschaftpolitik positive Freiheitsgrade. Das Modell hat beliebig viele Lösungen, da mindestens ein Instrument nicht zum Erreichen der Ziele benötigt wird.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 26

Rationale Wirtschaftspolitik (7)

Probleme rationaler Wirtschaftpolitik

• „Goodhart‘s Law“ (Charles Goodhart 1975):Eine ökonomische Beziehung wird dann instabil, wenn man sie wirtschaftspolitisch ausbeuten will.

• „Lucas‘ Critique“ (Robert Lucas 1976):Die Strukturparameter des Erklärungs-modells verändern sich, weil die wirtschaftspolitischenEingriffe antizipiert werden.

„Kobra-Effekt“

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 27

Rationale Wirtschaftspolitik (8)

Konsequenzen aus der Lucas-Kritik für die theoretische Wirtschaftspolitik

• Mikrofundierung der Erklärungsmodelle• Berücksichtigung von Informationsverteilung und

Erwartungsbildung • Berücksichtigung spieltheoretischer Zusammenhänge• Berücksichtigung institutioneller Rahmenbedingungen • Aufwertung der (qualitativen) Ordnungspolitik gegenüber

der (quantitativen) Prozesspolitik

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 28

Beispiel: Was leisten die „5 Weisen“? (1)

Wirtschaftspolitische Beratungsgremien der Bundesregierung

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 29

Beispiel: Was leisten die„5 Weisen“? (2)

Aufgaben des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Die „5 Weisen“)

• Regelmäßige Jahresgutachten, bei Bedarf Sondergutachten• Analyse des Erreichens von Konjunktur-, Wachstums- und

Verteilungszielen• Dokumentation von Fehlentwicklungen, Aufzeigen von

Gegenmaßnahmen, keine expliziten Empfehlungen• Adressaten sind alle wirtschaftspolitisch Tätigen und

Interessierten (Außenwirkung der Beratung)• Bundesregierung nimmt in ihren Jahreswirtschaftsberichten zu

den Jahresgutachten des Rates Stellung

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 30

Beispiel: Was leisten die „5 Weisen“? (3)

Erwartungen bei Einsetzung des Rates (1963/64)

• Versachlichung der wirtschaftspolitischen Diskussion durch besonderen wirtschaftswissenschaftlichen Sachverstand

• Dezisionistisches Verständnis der Politikberatung• Unterstützung rationaler Wirtschaftspolitik

Page 6: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

6

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 31

Beispiel: Was leisten die „5 Weisen“? (4)

Problemfelder bei der Arbeit der „5 Weisen“

• Unabhängigkeit der Mitglieder gegenüber organisierten Gruppeninteressen

• Interpretation der Ziele und Zielkonflikte• Genauigkeit von Prognosen• Tatsächlicher Einfluss der Gutachten auf Politik und

Öffentlichkeit

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 32

Beispiel: Was leisten die „5 Weisen“? (5)

Council of Economic Advisors (CEA):Vorbild oder Gegenmodell der „5 Weisen“?

• CEA ist ein Beratungsgremium des US-Präsidenten (seit 1946)• Auswahl der 3 Mitglieder erfolgt auch nach politischen

Präferenzen • CEA hat ein pragmatistisches Beratungsverständnis• CEA ist in alle wirtschaftspolitisch relevanten Entscheidungen

der Administration eingebunden (Innenwirkung der Beratung)

Aktueller Vorsitzender:Edward P. Lazear

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 33

Kontrollfragen

Gibt es wirtschaftspolitische Maßnahmen, die sowohl prozesspolitischer als auch ordnungspolitischer Natur sind? Wie bewerten Sie die folgende Aussage: „Wirtschaftspolitik ist immer auch Sozialpolitik.“?Was ist der Grundgedanke rationaler Wirtschaftspolitik?Welche Bedeutung haben Lucas-Kritik, Goodhart‘s Law und Kobra-Effekt für das Konzept der rationalen Wirtschaftspolitik?Worin liegt der Werturteilscharakter der Aussage: Mv = PY?In welchem Verhältnis stehen normative und positive Aussagen bei den verschiedenen Beratungskonzepten nach Habermas?

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 34

Teil 2 - Überblick

Anwendungen der Mikroökonomik

Marktallokation und Wirtschaftspolitik

Formen von Marktversagen

Regulierung von Märkten

Deregulierung

Marktmacht und Wettbewerbspolitik

Beispiel: Regulierung und Deregulierung im Telekomsektor

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 35

Marktallokation und Wirtschaftspolitik (1)

Determinanten der Nachfrage nach einem Gut

• Preis des Gutes („Gesetz der Nachfrage“)

• Einkommen (Inferiore oder normale Güter)• Preise anderer Güter (Substitutions-

oder Komplementärgüter)• Präferenzen der Nachfrager• Erwartungen

Wenn der Preis steigt, sinkt die nachgefragte Menge.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 36

Marktallokation und Wirtschaftspolitik (2)

Determinanten des Angebotes eines Gutes

• Preis des Gutes („Gesetz des Angebotes“)

• Preise anderer Güter• Preise der Produktionsfaktoren• Produktionstechnik• Erwartungen

Wenn der Preis steigt, steigt die angebotene Menge.

Page 7: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

7

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 37

Marktallokation und Wirtschaftspolitik (3)

Voraussetzungen für einen vollkommenen Markt• Homogenität des Gutes• Vollständige Information aller Marktteilnehmer• Keine Unteilbarkeiten in der Produktion• Übereinstimmung individueller und gesellschaftlicher

Nutzen und Kosten

Bedingungen für vollständige Konkurrenz• Vollkommener Markt• Große Zahl von Anbietern und Nachfragern (keine Marktmacht)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 38

Marktpreisbildung bei vollständiger Konkurrenz• Existenzanalyse: Ist ein Marktgleichgewicht theoretisch möglich?• Stabilitätsanalyse: Wird das Marktgleichgewicht auch tatsächlich

erreicht?

Marktallokation und Wirtschaftspolitik (4)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 39

Marktallokation und Wirtschaftspolitik (5)

• Wohlfahrtsanalyse: Im Konkurrenzgleichgewicht ist die Summe aus Konsumentenrente (KR) und Produzentenrente (PR) maximal

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 40

Marktallokation und Wirtschaftspolitik (6)

Das Marktgleichgewicht bei vollständiger Konkurrenz dient als Referenzmodell, um wirtschaftspolitische Eingriffe unter allokativenGesichtspunkten zu rechtfertigenSie werden relevant im Fall von Marktversagen, wenn die Effizienz der Marktallokation gestört ist

Dies ist der Fall:

• wenn das Marktgleichgewicht instabil ist• wenn das Marktgleichgewicht nicht existiert• wenn kein vollkommener Markt vorliegt• wenn Marktmacht auftritt

Mögliche Marktfehler

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 41

Instabilität des Marktgleichgewichts als Begründung für (allokative) wirtschaftspolitische Eingriffe

• Inverses Angebots- und/oder Nachfrageverhalten

Formen von Marktversagen (1)

Preisänderungen führen nicht zum Gleichgewicht hin, sondern von ihm weg.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 42

Formen von Marktversagen (2)

• Das Marktgleichgewicht wird instabil, wenn die Preisänderungen bei Angebots- oder Nachfrageüberschüssen nicht mehr zum Gleichgewicht, sondern weiter von ihm weg führen. Dies kann schon der Fall sein, wenn nur eine der beiden Kurven invers verläuft.

• Ein Beispiel für inverses Nachfrageverhalten geben die typischen Giffen-Güter: Grundnahrungsmittel mit negativer Einkommens-elastizität und hohem Anteil an den Gesamtausgaben (z.B. Kartoffeln oder Getreide).

• Ein Beispiel für inverses Angebotsverhalten kann das Arbeitsangebotsein, sofern Freizeit ein normales Gut ist und bei einer Reallohnänderung der Einkommenseffekt der Freizeitnachfrage den Substitutionseffekt (zwischen Arbeit und Freizeit) dominiert.

Page 8: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

8

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 43

• Verzögerte Anpassungsreaktionen (Cobweb-Prozesse) können ebenfalls zur Instabilität des Marktgleichgewichts führen

• Voraussetzungen:- Angebot reagiert

verzögert auf Preis-änderungen.

- Gut ist nicht lagerfähig.

- Angebots- und Nachfragekurven haben unterschied-liche Steigungen.

D2

S

D1

q

p

Formen von Marktversagen (3)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 44

Formen von Marktversagen (4)

• Es entstehen die typischen Schweinezyklen:

- Nach einer Störung schwanken Preise und Mengen längere Zeit um das Marktgleichgewicht

- Unter Umständen wird das Gleichgewicht gar nicht mehr erreicht

• Instabilität der Märkte ist eine klassische Begründung für staatliche Eingriffe in die freie Preisbildung

- Höchst- oder Mindestpreise auf Agrarmärkten- Mindestlöhne auf dem Arbeitsmarkt

nach A. Hanau: Die Prognose der Schweinepreise (1927)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 45

Formen von Marktversagen (5)

Fehlende Existenz des Marktgleichgewichts als Begründung für (allokative) wirtschaftspolitische Eingriffe

• Inhomogenität und Qualitätsunterschiede der gehandelten Güter führen zu asymmetrischer Informationsverteilung unter den Marktteilnehmern

- Markttausch bei asymmetrischen Informationen ähnelt Prinzipal-Agenten-Beziehungen

- Es entsteht opportunistisches Verhalteno ex ante (adverse Selektion)o ex post (moralisches Risiko)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 46

Formen von Marktversagen (6)

• Informationsdefizite auf der Nachfrageseite

- Beispiel Gebrauchtwagenmarkt- Die Verkäufer sind besser über die Qualitätseigenschaften

informiert als die Käufer von Gebrauchtwagen.- Die Nachfrager sehen im Preis einen Indikator für die - Durchschnittsqualität der Gebrauchtwagen .- Die Nachfrage nach Gebrauchtwagen hängt negativ vom

Preis und positiv von der Qualität ab: .

nach G. Akerlof (1970)

)(+

⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⎡ +−μ,pD

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 47

Formen von Marktversagen (7)

- Folge: Bei fallenden Marktpreisen kann die Nachfrage so drastisch zurückgehen, dass der Markt zusammenbricht, weil kein Gleichgewichtspreis mehr zustande kommt.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 48

Formen von Marktversagen (8)

• Informationsdefizite auf der Angebotsseite

- Beispiel Kredit- oder Versicherungsmärkte- Nachfrager sind besser über die Risiken informiert als die

Anbieter.- Die Anbieter sehen im Marktpreis einen Indikator für die

Durchschnittsqualität. Je höher der Preis, desto höher die Risiken, desto schlechter die Qualität .

- Das Angebot hängt positiv vom Preis und von der Qualität ab: .

( )pμ−

, ( )S p pμ+ +⎡ ⎤

⎢ ⎥⎣ ⎦

Page 9: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

9

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 49

Formen von Marktversagen (9)

- Folge: Bei steigendem Preis kann das Angebot so stark zurückgehen, dass der Markt zusammenbricht, weil es keinen Gleichgewichtspreis gibt.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 50

Formen von Marktversagen (10)

Abweichungen vom vollkommenen Markt als Begründung für (allokative) wirtschaftspolitische Eingriffe

• Aufgrund technologischer Externalitäten bestehen Interdependenzen zwischen den individuellen Nutzen- oder Kostenfunktionen, die nicht in der Marktpreisbildung berücksichtigt werden.

• Die privaten Grenznutzen und Grenzkosten stimmen im Gleichgewicht nicht mit den gesellschaftlichen (sozialen) Grenznutzen und Grenzkosten überein.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 51

Formen von Marktversagen (11)

- Beispiel: Negative Externalitäten in der Produktion durch Umweltschäden

Gesellschaftliche Grenzkosten

Private Grenzkosten

Ergebnis: Das private Angebot ist größer als gesellschaftlich sinnvoll

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 52

Formen von Marktversagen (12)

• Definition und Arten externer Effekte- Externe Effekte liegen dann vor, wenn die Wirtschaftstätigkeit

eines Individuums (Produktion oder Konsum) den Nutzen anderer Individuen vorteilhaft oder nachteilig beeinflusst.

- Pekuniäre Externalitäten entstehen als normale Folge von Marktbeziehungen:

• Durch Angebots- und Nachfrageentscheidungen ändern sich die Marktpreise und damit die Knappheitsrelationen für alle Marktteilnehmer.

• Es können verteilungspolitisch bedeutsame Effekte auftreten, aber kein Marktversagen

- Bei technologischen Externalitäten besteht ein direkter Zusammenhang zwischen den Produktions- oder Nutzenfunktionen mehrerer Akteure, der nicht in der Marktpreisbildung erfasst wird

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 53

Formen von Marktversagen (13)

• Technologische Externalitäten finden sich prinzipiell auf allen Märkten und bieten damit eine beliebte Rechtfertigung für wirtschaftspolitische Eingriffe zur Korrektur von Marktversagen

– Unklar bleibt oft, wie gesellschaftliche Nutzen und Kosten konkret zu messen sind

– Ökonomisch sinnvoll ist es in jedem Fall, bei einer angestrebten Korrektur externer Effekte die Grenzkosten der Korrektur mit denGrenzschäden bei Nicht-Korrektur zu vergleichen.

– Die optimale Schadenshöhe liegt dort, wo die Grenzkosten der Schadensvermeidung dem Grenzschaden entsprechen.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 54

Formen von Marktversagen (14)

Ausmaß der Schädigung

Ausmaß der Schadens-vermeidung

Geldeinheiten

*t •

*E

Grenzkosten der Schadensvermeidung

Grenzschaden

Page 10: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

10

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 55

Formen von Marktversagen (15)

• Ähnlich wie bei technologischen Externalitäten verläuft die Begründung meritorischer wirtschaftspolitischer Eingriffe

– Es wird unterstellt, dass Individuen die langfristigen Konsequenzen ihres Handelns nur unzureichend überblicken (können)

– Der Staat müsse deshalb dabei helfen, die Folgen individueller Irrationalität im Interesse der betroffenen Individuen und der Gesellschaft zu korrigieren

– Beispiele:• Investitionen in Bildung und Ausbildung• Drogenkonsum

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 56

Formen von Markversagen (16)

Entstehung von Marktmacht als Rechtfertigung für (allokative) wirtschaftspolitische Eingriffe

• Unteilbarkeiten und zunehmende Skalenerträge können zum Auftreten „natürlicher Monopole“ führen

- Bei Produktionsprozessen mit hohen Fixkosten sinken in der Regel die Durchschnittskosten der Produktion bei wachsender Angebotsmenge.

- Größere Anbieter können damit immer billiger anbieten als kleinere.- Da die Grenzkosten bei sinkenden Durchschnittskosten immer unter den

Durchschnittskosten liegen, führt eine Preisbildung nach Grenzkosten zu Defiziten.

- Damit besteht die Gefahr, dass große Anbieter ihre Marktmacht nutzen, um kleine Anbieter zu verdrängen und als natürliches Monopol zu agieren.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 57

Formen von Marktversagen (17)

Natürliches Monopol: Der

größte Anbieter hat die geringsten

Stückkosten

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 58

Regulierung von Märkten (1)

Marktversagen dient zur Rechtfertigung vielfältiger wirtschaftspolitischer Eingriffe zur Regulierung von Märkten• Beispiele:

- Regulierung von Preisen und Mengen- Einführung spezieller Steuern oder Subventionen- Verstaatlichung von Anbietern und/oder Angebot öffentlicher Güter- Veränderung rechtlicher Rahmenbedingungen auf privaten Märkten

• Probleme der Regulierung:- Regulierungen können neue allokative Verzerrungen und damit neue

wirtschaftspolitische Probleme verursachen- Die Kosten der Regulierung müssen mit ihren Nutzen verglichen

werden- Bei bestimmten Fällen von Marktversagen reicht es aus, wenn der

Staat die Aktivitäten der privaten Marktteilnehmer zur Verbesserung der allokativen Effizienz unterstützt. Damit bestehen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Deregulierung

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 59

Regulierung von Märkten (2)

Preisregulierung zur Marktstabilisierung• Staatliche festgesetzte Preise können als

Höchst- oder Mindestpreise wirken.

• Höchstpreise (Abb.1) können einen dauerhaften Nachfrageüberhang induzieren, Mindestpreise (Abb.2) können zu einem Angebotsüberhang führen.

• Häufig führt die Preisregulierung daherzu weiteren Maßnahmen, die Angebots-und Nachfrageüberhänge verhindern sollen, z.B.staatliche An- oder Verkäufe (Interventionen) oderMengenregulierungen (Rationierungen, Quotierungen)

S

S

D

D

Abb.1

Abb.2

q

p

q

p

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 60

Regulierung von Märkten (3)

• Beispiel: Mindestlöhne am Arbeitsmarkt– In welcher Form treten Mindestlöhne auf?

o Staatliche festgelegte Mindestlöhneo Vereinbarte Tariflöhneo Arbeitslosengeld / Sozialhilfe

– Wieso entstehen Mindestlöhne am Arbeitsmarkt?o Inverser Verlauf des Arbeitsangebots kann Instabilität des

Arbeitsmarktgleichgewichts verursacheno Ausgleich von räumlicher Inhomogenität des Arbeitsmarkteso Asymmetrische Informationen in verschiedenen Segmenten

des Arbeitsmarktes könnten dazu führen, dass ein Gleichgewicht (bei positivem Lohn) gar nicht existiert (Berufsanfänger mit unbekannter Qualifikation, Langzeitarbeitslose)

o Marktmacht der Gewerkschaften

Page 11: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

11

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 61

Regulierung von Märkten (4)

- Welche Konsequenzen haben Mindestlöhne?o Sofern der Reallohn über dem Gleichgewichtsniveau liegt,

kommt es zu klassischer Arbeitslosigkeit.o Der Angebotsüberhang muss durch ergänzende

Maßnahmen aus dem Markt genommen werden (Arbeitslosenunterstützung, staatliche Beschäftigungsprogramme ect.)

- Wie lässt sich die Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarktes verbessern? (Ansatz der Hartz-Reformen in Deutschland)

o Bessere Aus- und Weiterbildung der Arbeitsloseno Höhe Effizienz der Arbeitsvermittlungo Stärkere regionale Lohndifferenzierungo Zusammenfassung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfeo Beschränkung der Macht der Gewerkschafteno Absenkung der Arbeitslosenhilfe

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 62

Regulierung von Märkten (5)

Preisregulierung bei natürlichen Monopolen

• Wie lassen sich die Kostenvorteile zunehmender Skalenerträge für die Verbraucher nutzbar machen, ohne bei den Anbietern dauerhafte Defizite zu verursachen?

- Kostenorientierte Preisregulierung- Renditeorientierte Preisregulierung- Preisobergrenzen-Regulierung

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 63

Regulierung von Märkten (6)

Kostenorientierte Preisregulierung (cost-plus regulation)

• Zur Verhinderung von Monopolpreisen werden Preise vorgeschrieben, die sich an den Produktionskosten orientieren

• Probleme:- Fehlende Informationen der Regulierungsbehörde über die

tatstsächliche Kostenstruktur der privaten Anbieter- Fehlender Anreiz zur Kostensenkung durch Innovationen- Es entstehen neue allokative Verzerrungen, die weitere

staatliche Eingriffe notwendig machen

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 64

Regulierung von Märkten (7)

• Problematik der Regulierung mit Grenzkostenpreisen

- Die Ermittlung langfristiger Grenzkosten ist schwierig

- Die Preisregulierung muss durch Investitionsvorschriften und Qualitätsvorgaben ergänzt werden

- Defizite müssen durch staatliche Subventionen gedeckt werden.

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Regulierung von Märkten (8)

• Alternative: Preisregulierung mit zweistufigen Tarifen- Grundgebühr soll Fixkosten decken, verbrauchsabhängige

Komponente die variablen Kosten- Weiterverkauf zwischen den Abnehmern muss unterbunden

werden- Grundgebühr darf nicht höher sein als maximale

Zahlungsbereitschaft eines Nachfragers- Regulierungsbehörde muss Kosten- und Investitionskontrollen

durchführen.

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Regulierung von Märkten (9)

Renditeorientierte Preisregulierung (rate-of-return-regulation)

• Staatlich bewilligte Preise sollen dem Unternehmen Gewinne sichern, die eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals gewährleisten.

• Notwendig zur Berechnung der angemessenen Kapitalrendite sind verlässliche Informationen über das eingesetzte Kapital.

• Bei Renditeregulierung besteht ein klarer Anreiz zur Fehlallokation von Ressourcen: Da höherer Kapitaleinsatz die absoluten Erträge erhöht, wird die Produktion kapitalintensiver als eigentlich notwendig (Averch-Johnson-Effekt).

Page 12: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

12

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Regulierung von Märkten (10)

Preisobergrenzen-Regulierung (price-cap-regulation)

• Veränderungen der bewilligten Preise orientieren sich nicht nur an Kosten des regulierten Unternehmens, sondern auch anallgemeinen Entwicklungstrends (Inflationsrate, Produktivitätsentwicklung in vergleichbaren Unternehmen oder Branchen)

• Stärkerer Anreiz zur Kostensenkung durch Innovationen• Gegebenfalls besteht die Notwendigkeit zur staatlichen

Qualitätskontrolle bei den erbrachten Leistungen

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 68

Regulierung von Märkten (11)

Steuern oder Subventionen zur Korrektur von Marktversagen• Nach Artur Cecil Pigou sollten die privaten und sozialen Grenznutzen bzw.

Grenzkosten durch korrigierende Steuern und Subventionen angeglichen werden.

• Ansatzpunkt der Pigou-Lösung sind im Prinzip alle Determinanten von Angebot und Nachfrage (Bsp.: Öko-, Mineralöl-, Kfz-Steuer).

• Die Anpassung an die veränderten Preise bleibt den Marktteilnehmern selbst überlassen und erfolgt daher nach Effizienzgesichtspunkten.

• Die Pigou-Lösung fördert Innovationen zur Vermeidung von Übernutzung bzw. Unterversorgung

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 69

Regulierung von Märkten (12)

Wirkung einer Pigou-Steuer

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Regulierung von Märkten (13)

• Wirkung der Pigou-Steuer bei negativen Externalitäten in der Produktion

- Einführung einer Verbrauchsteuer wirkt wie die Preiserhöhung eines „normalen“ Produktionsfaktors: der Input „Umwelt“bekommt einen Preis!

- Unternehmen weichen auf umweltfreundlichere Produktion aus- Probleme:

o Zur genauen Berechung der Steuer- und Subventionssätze müssen die genaue Höhe der Externalität bekannt sein. Da dies nicht der Fall ist, bestehen erhebliche Bewertungsspielräume

o Der adminstrative Aufwand der Erhebung von Steuern und der Zahlung von Subventionen ist zu berücksichtigen.

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Regulierung von Märkten (14)

Staatliches Angebot und staatliches Ordnungsrecht (Nachfragezwang, Nachfrageverbot, Produktions- oder Nutzungsauflagen)

• Tätigkeit staatlicher Versicherungen und Banken soll die Versorgung auf Märkten mit asymmetrischen Informationen sicher stellen

• Verstaatlichung „natürlicher Monopole“ soll optimale Versorgung der Verbraucher sicher stellen. (Energieversorgung, Eisenbahn, Telekom)

• Staatlicher Nachfragezwang (z.B. Schulpflicht, Versicherungspflicht) oder staatliches Nachfrageverbot (bei Drogen) soll Verbraucher vor ihrem eigenen irrationalen Verhalten schützen

• Produktions- oder Nutzungsauflagen sollen die Über- oder Unterversorgung bei technologischen Externalitäten begrenzen.

• Problem: Hoher Verwaltungs- und Kontrollaufwand, keine Anreize für Innovationen

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 72

Regulierung von Märkten (15)

Bereitstellung öffentlicher Güter• Sind die technologischen Externalitäten auf der Nachfrageseite

hoch und ist der Ausschluss einzelner Nutzer von der Nachfrage nicht oder nur unter großen Kosten möglich, so ist ein kollektives Angebot der betreffenden Güter sinnvoll

• Beispiel Landesverteidigung: Es macht wenig Sinn, dass ein Bürger einen Panzer kauft, um sich zu schützen, da der Panzer auch für die Sicherheit anderer Bürger sorgt. Sinnvoll ist es daher, dass der Panzer durch ein öffentliches Kollektiv beschafft wird.

Page 13: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

13

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 73

Regulierung von Märkten (16)

• Die Finanzierung erfolgt dann durch eine allgemeine Steuer• Das optimale Angebot an kollektiv genutzten Gütern ist dann erreicht,

wenn die Grenzkosten der Bereitstellung des Gutes der Summe der individuellen Grenznutzen der Nutzer entspricht (Regel von Samuelson):

' '

1

n

ii

C u=

= ∑

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Deregulierung (1)

Grenzen staatlicher Regulierung• Theorie des Marktversagen bietet zu viele Rechtfertigungen für

staatliches Eingreifen • Unzureichende Informationen für Tätigkeit von Regulierungsbehörden• Unabsehbare Folgen und hohe Folgekosten bei Eingriffen in einzelne

Märkte (Gefahr kumulativer Interventionen)• Umfassende Marktregulierung gefährdet die Funktionsfähigkeit der

marktwirtschaftlichen Allokation • Daher intensive Diskussion über Möglichkeiten der Deregulierung:

Wie können private Märkte selbst mit möglichem Marktversagen umgehen, so dass die Effizienz der Marktallokation erhalten bleibt.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 75

Deregulierung (2)

Grundlegende Einsichten• Auf privaten Märkten wird nicht nur über Preise und Mengen,

sondern auch über Qualität, Vertragslänge ect. verhandelt• Außer den tatsächlich vorhandenen Marktteilnehmer ist das

Verhalten potenzieller Marktteilnehmer zu berücksichtigen• Der Staat kann die Effizienz der Marktallokation auch dadurch

stärken, dass er die rechtlichen Rahmenbedingungen des Markttauschs klar definiert

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Deregulierung (3)

Private Verhandlungen über die Vertragsdauer auf instabilen Märkten

• Der Abschluss langfristiger Lieferverträge und die Einrichtung von Terminmärkten hat entscheidend zur Dämpfung von Schweinezyklen beigetragen.

• Der Staat muss den Abschluss entsprechender Verträge und die Einrichtung entsprechender Märkte rechtlich regeln.

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Deregulierung (4)

Bessere Klärung der Qualitätseigenschaften auf Märkten mit asymmetrischer Information • Marktliche Reaktionen zur Beschränkung opportunistischen Verhaltens

- Bereitstellung zusätzlicher Informationen für die weniger informierte Marktseite (Screening) durch Selbstinformation oder durch die Einschaltung Dritter

- Verbesserung der Glaubwürdigkeit der besser informierten Marktseite (Signaling) durch Garantieversprechen, Standardisierung oder Risikoteilung

• Staatliche Unterstützung von Screening und Signaling- Bereitstellung von Produktinformationen durch den Staat- Verpflichtung von Anbietern bzw. Nachfragern zur genauen

Produktinformation und zur Übernahme von Garantien- Einführung von gesetzlichen Mindeststandards und

Marktzulassungsbeschränkungen

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Deregulierung (5)

Beschränkung natürlicher Monopole durch Bestreitbarkeit des Marktes

Sofern die fixen Kosten keine sunk cost sind,

können neue Anbieter in den Markt eintreten, bis

kein Gewinn mehr erzielt wird.

Page 14: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

14

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 79

Deregulierung (6)

• Staatliche Förderung der Bestreitbarkeit- Abgrenzung zwischen bestreitbaren und nicht-bestreitbaren

Märkten nach der Höhe der sunk costs (Beispiele: Luftverkehrs-und Eisenbahnsektor)

- Abbau von Marktzutrittsbeschränkungen auf den contestable markets

- Förderung von Substitutionskonkurrenz

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 80

Deregulierung (7)

Internalisierung externer Effekte durch das Haftungsrecht• Umfassende und jederzeit durchsetzbare Haftungsregeln, die auf dem

Verursacherprinzip aufbauen, würden die Externalitäten beseitigen.• Das Haftungsrecht soll wirkungsvolle Anreize zur frühzeitigen

Schadenverhinderung schaffen (Bsp.: Umwelthaftungsrecht von 1991).

• Größere Anreize schafft das Prinzip der Gefährdungshaftung mit einer generellen Ersatzpflicht für alle Schäden.

• Geringere Anreize schafft das Prinzip der Verschuldenshaftung, nach dem kein Ersatz anfällt, wenn der Schaden weder vorsätzlich noch fahrlässig herbeigeführt wurde.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 81

Deregulierung (8)

Internalisierung externer Effekte durch Verhandlungen• Nach Ronald Coase kann es eine effiziente Internalisierung auch

allein durch rein private Verhandlungen zwischen den Betroffenengeben.

• Die Coase-Lösung ist unabhängig von der Verteilung der Haftungsrechte, die Rechte müssen nur eindeutig zugeordnet sein.

- Wenn keine Schadenshaftung besteht, hat der Geschädigteeinen Anreiz, den Schädiger durch Zahlung eines Transferszu einer Verringerung der Schädigung zu bewegen.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 82

Deregulierung (10)

- Wenn eine vollständige Schadenshaftung existiert, hat der Schädiger einen Anreiz, dem Geschädigten durch die Zahlung eines Transfers das Recht der Schädigung abzukaufen.

- In beiden Varianten ist ein gesellschaftlicher Wohlfahrtsgewinn möglich, ohne dass der Staat auf den Verlauf der Verhandlungen direkten Einfluss nimmt.

- Innovations- und Gerechtigkeitsüberlegungen sprechen für den Vorrang der Schadenshaftung.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 83

Deregulierung (10)

Verhandlungen ohne Haftung des Schädigers

Verhandlungen mit Haftung des Schädigers

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 84

Deregulierung (11)

• Eine Konkretisierung der Coase-Lösung erfolgt durch die Zuteilung von handelbaren Schädigungsrechten (Zertifikaten) an die Verursacher:

- Die Schädiger erhalten handelbare Eigentumsrechte an dem Gut „Umweltverschmutzung“

- Durch die anfängliche Zuteilung der Schädigungsrechte können Verteilungsaspekte berücksichtigt werden.

- Die Preisentwicklung für die Zertifikate ist ein wirkungsvolles Instrument zur Förderung und Lenkung von Innovationen.

- Voraussetzung ist, dass der Markt für Zertifikate ein Konkurrenzmarkt ist.

- Beispiel: Handelbare Umweltzertifikate in den USA nach dem Clean Air Act von 1990.

Page 15: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

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© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 85

Deregulierung (12)

- Die Kurve der Grenzvermeidungskosten stellt die Nachfrage nach handelbaren Zertifikaten dar.

- Die Angebotskurve wird durch die vom Staat festgelegte Schadstoffmenge bestimmt.

- Der Preis für ein Zertifikat bildet sich am Schnittpunkt von Grenzvermeidungskosten und Lizenzangebotskurve.

Ausmaß der Schadstoffreduktion

PreisLizenzangebot

Grenzvermeidungskosten

P*

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Deregulierung (13)

- Es werden dort Schadstoffe vermeiden werden, wo es am kostengünstigsten ist. Jedes Unternehmen wird solange Schadstoffe vermeiden, bis die zuletzt vermiedenen Einheit Schadstoff genauso viel kostet wie ein Zertifikat.

- Unternehmen, deren Grenzvermeidungskosten über dem Preis eines Zertifikates liegen, kaufen zum Marktpreis P* Zertifikate.

- Die Unternehmen haben immer einen Anreiz zu Innovationen, die ihre Grenzvermeidungskosten senken, da sie dann selbst Zertifikate verkaufen können.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 87

Deregulierung (14)

Zeitlich befristete Versteigerung natürlicher Monopole• Der Staat kann natürliche Monopole zur Versteigerung

ausschreiben und dabei Vorgaben zur zukünftigen Preisgestaltung und zum zukünftigen Lieferumfang machen.

• Auf eine nachfolgende Preisregulierung wird verzichtet.• Aus den Versteigerungserlösen kann der Staat gegebenfalls die

Nachfrager kompensieren.• Eine Disziplinierung der Monopolmacht des Anbieters erfolgt

durch die strikte zeitliche Befristung.• Das Problem der Versteigerung besteht darin, dass newcomer in

Sektoren mit hohen sunk costs Nachteile davon haben können.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 88

Wettbewerb aus Sicht der statischen Wettbewerbstheorie• Verglichen wird die

Konkurrenz- und die Monopolsituation aufeinem vollkommenen Markt.

• Ein Monopol führt zu höherenPreisen, geringer Markt-versorgung und Wohlfahrts-verlusten im Vergleich zurKonkurrenzsituation.

• Die Wettbewerbspolitik mussMonopole grundsätzlich verhindern.

Marktmacht und Wettbewerb (1)

Wohlfahrts-verlust

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 89

Marktmacht und Wettbewerb (2)

Wettbewerb aus Sicht der dynamischen Wettbewerbstheorie• Nach Joseph A. Schumpeter führen Produkt- und Verfahrensinnovationen

zu einer ständigen Veränderung der Marktbedingungen.• Monopolgewinne schaffen einen Anreiz für Innovatoren, neue Produkte

und Verfahren zu entwickeln.• Die Imitation von neuen Produkten und Verfahren dient sowohl

dem Abbau der Monopolgewinne als auch der Diffusion von Innovationen.

• Die Wettbewerbspolitik muss verhindern, dass dauerhafte Monopoleentstehen.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 90

Marktmacht und Wettbewerb (3)

Wettbewerb aus Sicht der evolutorischen Wettbewerbstheorie• Nach Friedrich August von Hayek ist Wettbewerb vor allem ein effizientes

Such- und Entdeckungsverfahren.• Über die Preisbildung und die Veränderung von Marktpreisen diffundiert

das Wissen über neue Wege zur Überwindung von Knappheiten.• Die Wettbewerbspolitik muss den Preisbildungsprozess funktionsfähig

halten.

Page 16: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

16

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 91

Vollständige Konkurrenz als Leitbild?• Zusammenhang zwischen Innovationen und temporären

Monopolen bleibt unberücksichtigt.• Atomistische Konkurrenz verhindert das Ausnutzen von Skalenerträgen in

Großbetrieben.Funktionsfähiger Wettbewerb (workable competition) als Leitbild

• Wettbewerb soll gleichzeitig Allokations- und Fortschrittsfunktionen erfüllen.

• Reale Wettbewerbssituationen werden anhand des Marktstruktur-Marktverhaltens-Marktergebnis-Ansatzes beurteilt.

Marktmacht und Wettbewerb (4)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 92

Marktmacht und Wettbewerb (5)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 93

Marktmacht und Wettbewerb (6)

• Nach Kantzenbach (1966) herrscht optimale Wettbewerbsintensität in „weiten Oligopolen“ mit „mäßiger Markttransparenz“ und „mäßiger Produktdifferenzierung“.

Wettbewerbsfreiheit als Leitbild • Nach Hoppmann (1968) ist Wettbewerb kein Mittel zum Erreichen

von Allokations- und Fortschrittszielen, sondern ist selbst ein Ziel.• Die Wettbewerbspolitik soll allgemeine Spielregeln für das

Verhalten von Marktteilnehmern festlegen und künstliche Wettbewerbshemmnisse beseitigen.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 94

Marktmacht und Wettbewerb (7)

Das wettbewerbspolitische Leitbild der Chicago School of Antitrust Analysis:

• Hohe Gewinne großer Unternehmen sind primär ein Zeichen von Effizienz, weniger ein Indikator für übergroße Marktmacht.

• Weitreichende Wettbewerbsfreiheit (ohne staatliche Eingriffe) begünstigt Innovationen.

• Staatliche Eingriffe behindern nur die notwendigen Anpassungsprozesse an den Märkten.

• Theorie der Bestreitbaren Märkt (mit starker Betonung der potenziellen Konkurrenz) liefert wichtige theoretische Grundlagen

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 95

Marktmacht und Wettbewerb (8)

Instrumente der Wettbewerbspolitik• Schaffung wettbewerbspolitischer Spielregeln

(Bsp.: Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb)• Abbau nicht-willkürlicher Wettbewerbsbeschränkungen

(Bsp.: Rabattgesetz)• Schaffung willkürlicher Wettbewerbsbeschränkungen

(Bsp.: Patentgesetz, Warenzeichengesetz)• Instrumente der Kartellpolitik

Instrumente der Missbrauchsaufsicht Instrumente der Fusionskontrolle (Bsp.: Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 96

Marktmacht und Wettbewerb (9)

Regelungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)• Wechselnde Leitbilder des GWB

- In der Entstehungsphase kollidierte bis 1957 das Leitbild der vollständigen Konkurrenz mit den Interessen der deutschen Industrie.

- Seit der 2. Novelle von 1973 dominiert das Leitbild der Funktionsfähigkeit.

• Kartellverbot- In der ersten Fassung von 1957 wird das allgemeine Kartellverbot

nach § 1 GWB noch durch zahlreiche Ausnahmebereiche und -tatbestände durchbrochen.

- Spätere Novellierung reduzieren die Ausnahmebereiche erheblich.

Page 17: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

17

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 97

Marktmacht und Wettbewerb (10)

• Missbrauchsaufsicht- Die Beurteilung einer möglichen Marktbeherrschung erfolgt

anhand von typischen Marktstrukturkriterien nach § 22 GWB (Monopolvermutung, Oligopolvermutung).

- Seit der 4. Novelle von 1980 wird Missbrauch präzisiert als Behinderungs- oder Ausbeutungsmissbrauch.

• Fusionskontrolle- Die ursprüngliche Fassung des GWB sah keine Fusionskontrolle vor.- Die 2. Novelle von 1973 führte die Anzeigepflicht von Großfusionen

ein und gab dem Kartellamt die Möglichkeit, Fusionen wegen der Gefahr der Marktbeherrschung zu untersagen.

- Bei Untersagung können die Unternehmen eine besondere Ministererlaubnis für die Fusion beantragen.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 98

Beispiel: Regulierung und Deregulierung im Telekomsektor (1)

Gründe für die Regulierung des Telekommunikationssektors• Netzexternalitäten in der Aufbauphase: Der Nutzen des Netzes nimmt für

sämtliche Teilnehmer zu, wenn ein weiterer Nutzer hinzukommt.• Unteilbarkeiten und sunk costs beim Aufbau der Netze: Es besteht die

Gefahr „monopolistischer Bottlenecks“.- Sie besteht vor allem in den Ortsnetzen.- Bei Fernnetzen ist die Bestreitbarkeit höher.

• Asymmetrische Information über die Qualität neuer Telekommunikationsdienste: Qualitätsunsicherheit könnte den Markt zusammenbrechen lassen.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 99

Beispiel: Regulierung und Deregulierung im Telekomsektor (2)

Marktregulierung in Deutschland bis 1989• Netzmonopol der Deutschen Bundespost• Abnahmemonopol der Bundespost für zentrale Bereiche des

Endgerätemarktes• Wenig entwickelte Märkte für Telekommunikationsdienste• Bundeseinheitliche Tarife der Bundespost mit Kontrahierungszwang• Interne Subventionierung innerhalb des Fernmeldewesens und zwischen

Fernmeldewesen und anderen Bereichen der BundespostGründe für Deregulierung

• Höhere Bestreitbarkeit durch internationale und Substitutionskonkurrenz• Besseres Screening und Signaling• Größeres Vertrauen in Verhandlungslösungen

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 100

Beispiel: Regulierung und Deregulierung im Telekomsektor (3)

Ablauf der Deregulierung in Deutschland• Postreform I (1989): Auflösung der Bundespost in Postdienst, Postbank

und Deutsche Telekom, Aufhebung des staatlichen Monopols für den Endgerätemarkt, Ausschreibung einer ersten Mobilfunklizenz.

• Postreform II (1994): Überführung der drei Postunternehmen in die Rechtsform der AG (formale Privatisierung), Beginn der materiellen Privatisierung der Telekom AG über die Börse, Verpflichtung zur umfassenden Liberalisierung des Telekomsektors durch Abbau hoheitlicher Monopolrechte.

• Postreform III (1996): Verabschiedung des Telekommunikationsgesetzes (TKG), Schaffung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (1998), Liberalisierung des Marktes für Ferngespräche und Festlegung der Instrumente sektoraler Regulierung.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 101

Beispiel: Regulierung und Deregulierung im Telekomsektor (4)

Regulierungsinstrumente des TKG• Die Ergänzung der allgemeinen Wettbewerbsnormen des GWB

durch sektorspezifische Eingriffsmöglichkeiten soll Wettbewerb möglichst rasch herstellen und nachhaltig sichern.

• Nach dem Ende des Monopols der Telekom im Sprachtelefondienst können neue Anbieter jederzeit Lizenzen für den Bau und den Betrieb von Netzen beantragen. Die Vergabe erfolgt nach Zuverlässigkeit, Kompetenz und Leistungsfähigkeit der Lizenznehmer. Bei begrenzten Lizenzen (insbesondere für nicht-leitungsgebundene Dienste) kommt ein Versteigerungs- und Ausschreibungsverfahren zur Anwendung.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 102

Beispiel: Regulierung und Deregulierung im Telekomsektor (5)

• Technische Regulierung: Sicherung eines diskriminierungsfreien Zugangs zu Nummern sowie Nummernportabilität, Sicherung der freien Wahl von Netzbetreibern (durch pre-selection oder durch call-by-call), Sicherung von niedrigen Wechselkosten.

• Universaldienst-Regulierung: Sicherung eines breiten Mindestangebotes an Telekomsdienstleistungen, marktbeherrschende Unternehmen können ggf. zu Universaldiensten verpflichtet werden, Defizite können dann aus einem Fonds gedeckt werden, der sich aus einer allgemeinen Universaldienstleistungsabgabe speist.

• Marktregulierung in Bereichen mit hohen sunk costs: Anwendung der Essential Facilities Doctrine, d. h. Wettbewerbern ist ein diskrimi-nierungsfreier Netzzugang zu kostenorientierten Preisen zu gestatten.

Page 18: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

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© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 103

Beispiel: Regulierung und Deregulierung im Telekomsektor (6)

Auswirkungen der regulierten Marktöffnung• Intensiver Wettbewerb auf dem Markt für Ferngespräche führte zu

deutlichen Preissenkungen bis 1999.• Die Übernahme der Rechnungserstellung durch die Telekom

erleichtert den call-by-call-Wettbewerb. • Hoher tatsächlicher und potenzieller Wettbewerb drängt auch den

früheren Monopolisten Telekom zu Kosteneffizienz, Innovationen und niedrigeren Preisen.

• Die neue sektorale Regulierungsbehörde (RegTP) konkurriert mit der allgemeinen Wettbewerbspolitik, die das Bundeskartellamt betreibt.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 104

Beispiel: Regulierung und Deregulierung im Telekomsektor (7)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 105

Kontrollfragen

Kennen Sie Beispiele für einen Markt, in dem zwar ein Gleichgewicht existiert, dieses aber nicht stabil ist?Worin liegt der wesentliche Unterschied zwischen der Coase-Lösung und der Pigou-Lösung bei der Internalisierung externer Effekte?Haben Anspruchsberechtigungen auf Leistungen aus der Rentenversicherung unmittelbar Einfluss auf den „Mindestpreis“ des Arbeitsangebotes?Legitimiert Marktversagen stets staatliche Eingriffe in den Markt?Hat die Deregulierung eines Marktes generell positive Wohlfahrtseffekte zur Folge?Unterscheiden Sie die Ihnen bekannten Leitbilder der Wettbewerbspolitik hinsichtlich ihrer Interventionsaffinität. Geben Sie ein Beispiel für einen in der Realität existierenden Markt mit vollständiger Konkurrenz.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 106

Anwendungen der Makroökonomik

Wirtschaftskreislauf und Stabilisierungspolitik

Geld und Inflation

Investition und Wachstum

Konjunktur und Beschäftigung

Zahlungsbilanz und Wechselkurs

Beispiel: Ökonomische Probleme der deutschen

Wiedervereinigung

Teil 3 - Überblick

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 107

Wirtschaftskreislauf und Stabilisierungspolitik (1)

In der makroökonomischen Analyse steht die Interdependenz zwischen den einzelnen Märkten im Vordergrund.

Die Verbindung zwischen allen Einzelmärkten erfolgt über Geld.

Damit kann Marktversagen auf dem Geldmarkt über den Kreislaufzusammenhang Störungen an allen anderen Märkten verursachen.

Über den Zins beeinflusst Geld die Kapitalbildung und damit das realeWirtschaftswachstum.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 108

Wirtschaftskreislauf und Stabilisierungspolitik (2)

Mögliche Ursachen für Marktversagen auf dem Geldmarkt

• Staatlicher Zwang zur ungebremsten Geldschöpfung verursacht Inflation

• Der Einfluss des Geldes auf den Kreditmarkt, und damit auf den Zins, bleibt gering wegen asymmetrischer Informationen. Steigende Zinsen werden als Indikatoren für steigende Marktrisiken interpretiert (Stichwort: Kreditrationierung).

Page 19: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

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© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 109

Wirtschaftskreislauf und Stabilisierungspolitik (3)

• Konsequenzen dieser Marktfehler sind die zentralen Felder dermakroökonomischen Stabilisierungspolitik: Inflation, Arbeitslosigkeit,Zahlungsbilanzungleichgewichte.

• Angesichts der Interdependenz der Märkte können auchstabilisierungspolitische Eingriffe an anderen Märkten ansetzten als andenen, deren Stabilisierung eigentlich angestrebt wird.

• In der Zahlungsbilanz schlägt sich die Interdependenz der Märkte(Verbindung zwischen monetären und realwirtschaftlichen Transaktionen) besonders deutlich nieder

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 110

Wirtschaftskreislauf und Stabilisierungspolitik (4)

Herausforderungen der Stabilisierungspolitik

• Bekämpfung von Inflation• Förderung von Wirtschaftswachstum durch ausreichende

Realkapitalbildung• Bekämpfung von konjunktureller Arbeitslosigkeit• Bekämpfung von Zahlungsbilanzungleichgewichten

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 111

Geldfunktionen

Was ist Geld überhaupt?

• Zahlungsmittel

• Wertaufbewahrungsmittel

• Recheneinheit

Geld und Inflation (1)

„Money is what money does.“

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 112

Geldformen

• Materielles Geld und immaterielles Geld

Münzen und Banknoten Buchgeld (Sichteinlagen von Nicht-Banken bei Banken)

Geldmonopol des Staates private Geldschöpfung über Kreditvergabe “Loans drive deposits“

Geld und Inflation (2)

Multiple Geldschöpfung

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 113

Geld und Inflation (3)

Private Geldschöpfung• Jede Geschäftsbank kann über Kreditvergabe Zahlungsmittel

erschaffen, die über die bestehenden Einlagen (loanable funds) hinaus gehen.

• Beispiel: Nicht-Bank A legt ein Konto bei einer Bank an und deponiert 1000 Euro. Mit diesem Betrag kann die Bank jetzt „arbeiten“: Sie vergibt davon einen Kredit an Nicht-Bank B. B wird also ein Betrag von 1000 Euro auf seinem Konto gutgeschrieben. Schon sind 1000 Euro geschaffen worden! Das neu geschaffene Geld ist Buchgeld, Geld das nur im Innenverhältnis von Bank zu Nicht-Bank existiert.

• Buchgeld ist eine Verbindlichkeit des privaten Bankensektors, Bargeld dagegen des öffentlichen Sektors.

• Buchgeld stellt ein Vielfaches der umlaufenden Bargeldmenge dar.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 114

Geld und Inflation (4)

Ursachen für Inflation

• Ausdehnung der Geldmenge: Erklärung von Inflation als einem rein monetären Phänomen, klassische Quantitätstheorie

• Demand-pull inflation – Nachfragesoginflation: Aufgrund eines Anstiegs der aggregierten Nachfrage steigen die Preise

• Cost-push inflation – Kostendruckinflation: Durch höhere Inputpreise steigen die Produktionskosten und somit die Preise der Güter

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© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 115

Geld und Inflation (5)

Negative Folgen von Inflation

• Inflation stört die Signal- und Lenkungsfunktion der Preise, wodurch es zu Fehlallokationen kommen kann.

• Schuhsohlen-Kosten: Aufgrund des Preisanstiegs muß man immer mehr Geld mit sich führen, man muß öfter zur Bank gehen.

• Menu-costs (Speisekarten-Kosten): Unternehmen müssen ihre Preislisten anpassen, was zu erhöhten Kosten führt.

• Vermögensumverteilungen: Bei unerwarteter Inflation gewinnen die Schuldner, da ihre Nettoschuld sinkt.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 116

Klassische Quantitätstheorie• Geld dient als Transaktionsmittel und Recheneinheit.• Geldnachfrage L hängt negativ vom Geldwert ab

(Geldwert = Kehrwert des Preisniveaus P).• Konstanz der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes:

v = P Y / L• Klassische Quantitätsgleichung (wenn M = L):

M v = P Y • Bei gegebenem Sozialprodukt Y und gegebener Umlaufge-

schwindigkeit v wird ein Anstieg der nominellen Geldmenge M zu einem proportionalen Anstieg des Preisniveaus führen.

Geld und Inflation (6)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 117

• Bestimmung des Preisniveaus durch die Geldmenge

Geldmenge

Geldwert (1/P)

L

M1

Geld und Inflation (7)

M2

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 118

Neo-Quantitätstheorie• Auseinandersetzung mit der Geldtheorie von John Maynard Keynes• Berücksichtigung der Rolle des Geldes als Wertaufbewahrungsmittel• Vorhersehbare Veränderungen der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes

wegen Stabilität der Geldnachfragefunktion: v = v ( r, Y, .. )- Zinsabhängigkeit der Umlaufgeschwindigkeit: Bei steigendem Zins

r nimmt die Geldnachfrage ab und die Umlaufgeschwindigkeit zu.- Luxusguthypothese des Geldes: Mit wachsenden Realeinkommen Y

nimmt die Geldnachfrage zu und die Umlaufgeschwindigkeit ab.

Geld und Inflation (8)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 119

• Geldpolitische Konsequenz aus der Neo-Quantitätstheorie:- Bei stabiler Geldnachfrage und gegebenen realen

Wachstumsraten besteht (mittel- und langfristig) ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Wachstumsrate des nominellen Geldangebots und der Wachstumsrate des Preisniveaus.

- Geldpolitik kann sich an der Potenzialformel orientieren:

Geld und Inflation (9)

33

TREND TRENDZIELNORM

ZIEL TREND TREND

Y VMM Y V

π Δ ΔΔ= + −

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 120

Geldpolitische Strategie• Zwischen den geldpolitischen Instrumenten und dem geld-

politischen Endziel bestehen komplexe Transmissionsprozesse, so dass die Zentralbank das Endziel nicht direkt steuern kann. Sie bedient sich daher einer zweistufigen geldpolitischen Strategie.

• Die geldpolitischen Instrumente wirken auf operative Ziele(operating targets) der Geldpolitik.

• Die operativen Ziele wirken auf Zwischenziele, die wiederum das Endziel beeinflussen.

Geld und Inflation (10)

Page 21: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

21

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 121

Geld und Inflation (11)

Geldpolitik und Transmissionsmechanismen• Unter Transmissionsmechanismen versteht man die

Wirkungszusammenhänge (Kanäle und Effekte), über die sich monetäre Impulse auf reale und nominale Größen und letztlich auch auf das Preisniveau auswirken.

• Transmissionsmechanismen sind in der Regel komplex und oft unzulänglich bekannt.

• Grobe Skizze eines Transmissionsmechanismus: Die Zentralbank beeinflusst Zinsen, zu denen sich Banken refinanzieren können, dies beeinflusst die Zinsen, zu denen sich Haushalte und Unternehmen Geld leihen können, dies wiederum beeinflusst Kauf-, und Investitionsentscheidungen, die die gesamtwirtschaftliche Nachfrage beeinflussen und dadurch letztlich auch das Preisniveau.

Black Box

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 122

Anforderungen an ein geldpolitisches Zwischenziel• Enger Zusammenhang mit dem Endziel

(z. B. Preisniveaustabilität)• Gute Steuerbarkeit durch Instrumente und operating targets• Gute Indikatoreigenschaften für den geldpolitischen Kurs

(Früh- und Wirkungsindikator)• Beispiele für geldpolitische Zwischenziele:

- Geldmenge (Deutsche Bundesbank seit 1975)- Inflationserwartungen (Neuseeland seit 1989,

Bank of England seit 1992)

Geld und Inflation (12)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 123

Geldmengenaggregate als Zwischenziele (Konzept der Geldmengensteuerung)

• Annahme einer stabilen Geldnachfrage• Herleitung eines quantitativen Geldmengenziels nach

der Potenzialformel• Diskussionspunkte bei Geldmengenzielen:

- Enges Aggregat (M1) oder weites Aggregat (M3) als Ziel?- Verlaufsziel oder Durchschnittsziel?- Öffentliche oder interne Festlegung des Zwischenziels?

(Transparenz der Geldpolitik)

Geld und Inflation (13)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 124

Inflationserwartungen als Zwischenziele (inflation targeting)• Bei Unsicherheit über die Stabilität der Geldnachfrage wird ein

konkretes Inflationsziel verfolgt. • Einfaches Konzept mit maximaler Transparenz• Die Festlegung eines quantitativen Inflationsziels soll die

Inflationserwartungen stabilisieren. • Die unmittelbare Kontrolle der Geldpolitik am Erreichen des Endziels

soll ermöglicht werden.

Geld und Inflation (14)

GeldpolitischeInstrumente

operatingtargets(Geldbasis,Geldmarktzins)

Inflationserwartungen Inflationsziel

Vergleich

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 125

Operative Ziele der Geldpolitik (operating targets)• Am Markt für Zentralbankgeld (Geldmarkt im engeren Sinne)

agieren die Zentralbank und Geschäftsbanken.• Die gehandelten Zentralbankguthaben sind Teil der Geldbasis B,

der relevante Preis ist der Geldmarktzins rG.• Geldbasis und Geldmarktzins sind

alternative operating targets, die durch geldpolitische Instrumente beeinflusst werden können.

Geld und Inflation (15)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 126

Geldbasis als operatives Ziel der Geldpolitik• Geldbasissteuerung korrespondiert zur Verwendung der

Geldmenge als Zwischenziel.• Über den Geldschöpfungsmultiplikator m besteht ein direkter

Zusammenhang zwischen der Geldbasis B und der Geldmenge M (bei gegebenem Reservesatz z und gegebenem Bargeld-Depositensatz b): m = M / B = (1+b) / (b+z)

• Die Geldbasissteuerung impliziert Volatilität der Geldmarktzinsen.

• Die Geldbasissteuerung erfordert Instrumente, mit denen sich dieZentralbankguthaben der Geschäftsbanken eng begrenzen lassen (z. B. Mindestreservevorschriften).

Geld und Inflation (16)

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22

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 127

Geldmarktzins als operatives Ziel der Geldpolitik• Die Zinssteuerung nimmt Volatilität der Geldbasis in Kauf.• Die Zinssteuerung ist nicht auf Stabilität der Geldnachfrage

angewiesen.• Eine Entscheidung über die Fristigkeit der gesteuerten Zinssätze

ist notwendig.• Die Festlegung eines Punktziels impliziert eine Steuerung über

unbegrenzte Refinanzierungsfazilitäten oder Mengentender.• Die Festlegung eines Zinsbandes impliziert eine Steuerung über

standing facilities (Bereitstellung von Spitzenliquidität und Anlagemöglichkeiten für Liquiditätsüberschüsse).

Geld und Inflation (17)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 128

Instrumente der Geldpolitik• Standing facilities (können von den Kreditinstituten jederzeit auf

eigene Initiative in Anspruch genommen werden)- Spitzenrefinanzierungsfazilität (dient zur Deckung von

kurzfristigen Liquiditätsengpässen „über Nacht“)- Einlagefazilität (kurzfristige Anlagemöglichkeiten für

überschüssige Liquidität der Geschäftsbanken „über Nacht“)• Offenmarktgeschäfte (Bezeichnung für alle geldpolitischen

Operationen, die von der Zentralbank initiiert werden)- Hauptrefinanzierungsinstrument (Haupttender): Laufzeit von

einer Woche, Ausschreibung wöchentlich, reverse transactionmit Rückkaufsvereinbarung, hauptsächliche Liquiditätsbereitstellung

Geld und Inflation (18)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 129

- Zinstender: Versteigerung einer gegebenen Menge an besicherten Refinanzierungskrediten zu variablem Zins.Holländisches Verfahren: einheitlicher ZinsAmerikanisches Verfahren: individuelle Zinsen

- Mengentender: Angebot der Zentralbank zu festem Zins.Sofern die Nachfrage größer ist als das Angebot der Zentralbank, erfolgt einen Zuteilung nach Quoten (Repartierung).

• Mindestreservepolitik- Mindestreserve-Soll wird durch Multiplikation der

reservepflichtigen Bilanzpositionen mit dem Reservesatz berechnet. Dies gilt dann jeweils für einen Monat.

- Die Reserve muss nur im Durchschnitt erfüllt sein.- Sie bindet die Kreditinstitute an die Zentralbank.- Liquiditätspufferfunktion, Glättung des Tagesgeldsatzes

Geld und Inflation (19)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 130

Geld und Inflation (20)

Monetäre Transmission und Geldmengenkonzepte im Bilanzzusammenhang

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 131

Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB)• Endziel: Preisniveaustabilität • Zwischenziele: Nach dem „Zwei-Säulen-Konzept“ gibt es sowohl eine

Zielvorgabe für das Wachstum von M3 als auch die Beurteilung eines breiten Bündels von Inflationsindikatoren. Die geldpolitische Strategie der EZB ist eine Mischform aus Geldmengensteuerung und inflation targetingauf der Basis einer breit angelegten Inflationsprognose: Seit 2003 ist die monetäre Säule zur 2.Säule „degradiert“ - Verschiebung der Wertigkeit

• Operating target der EZB: Tagesgeldsatz• Geldpolitische Instrumente der EZB:

- Offenmarktoperationen- Mindestreserve- Standing facilities

Geld und Inflation (21)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 132

Geld und Inflation (22)

• Geldmengenziel M3– Die Ableitung des Referenzwertes für M3 erfolgt aus der

Potenzialformel:

– Die daraus resultierende Wachstumsrate der Geldmenge M3 ist als Referenzwert zu verstehen. Keinesfalls verpflichtet sich die EZB, bei Abweichungen zu intervenieren.

– Überprüfung des Referenzwertes nur noch alle 2 Jahre.

4,5% = 2% + 2% - (-0,5%)

33

TREND TRENDZIELNORM

ZIEL TREND TREND

Y VMM Y V

π Δ ΔΔ= + −

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23

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 133

Geld und Inflation (23)

– Voraussetzung ist die Stabilität der Geldnachfrage. Da diese aber im Euro-Raum fraglich ist, existiert eine zweite Säule (nun die erste), die der breit angelegten Inflationsprogrnose.

• Inflation targeting durch Inflationsprognose- Begutachtung der Inflationsperspektiven anhand von

vielfältigen Indikatoren mit guten Vorlaufeigenschaften hinsichtlich der zukünftigen Preisentwicklung. Beispiel: Kapazitätsauslastung, Lohnstückkosten, Zinsstrukturkurve, Wechselkurse

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 134

Geld und Inflation (24)

Geldpolitisches Instrumentarium der EZB• Die EZB fordert einen Mindestreservesatz, die Mindestreserve selbst

wird verzinst, Überschüsse jedoch nicht.• Leitzinsfunktion hat der Hauptrefinanzierungssatz. • Zur Refinanzierung haben die Kreditinstitute zwei Möglichkeiten:

1.) Die Banken können sich untereinander am Interbankenmarkt Kredite zum Tagesgeldsatz gewähren. 2.) Sie refinanzieren sich über den Haupttender.Die Zinsen des Hauptrefinanzierungssatzes und der Tagesgeldsatz werden daher nicht weit auseinander liegen. Die EZB kann also über den Haupttender den Tagesgeldsatz beeinflussen.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 135

Geld und Inflation (25)

• Zinskorridor:- Durch die standing facilities bewegt sich der Tagesgeldsatz

innerhalb eines Zinsbandes.- Der Zinssatz der Spitzenrefinanzierungsfazilität bildet dabei die

Obergrenze. Höher kann der Zins für Tagesgeld nicht steigen, da ansonsten die EZB über die Spitzenrefinanzierungsfazilität einen günstigeren Zins anbieten würde.

- Die Einlagefazilität bildet die Untergrenze. Keine Bank wäre bereit zu einem geringeren Zins Geld zu verleihen als zu dem Zins, den sie bei der EZB für Überschussreserven ohnehin erhält.

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Geld und Inflation (26)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 137

Investition und Wachstum (1)

Rentabilität und gesamtwirtschaftliche Investitionsnachfrage• Investitionsnachfrage hängt negativ vom Marktzins r ab.• Investitionsnachfrage hängt positiv vom internen Zins i ab.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 138

Investition und Wachstum (2)

Nachfrageveränderung und Investitionsnachfrage• Nettoinvestitionen erhöhen den gesamtwirtschaftlichen

Kapitalstock:I = ΔK

• Akzeleratorhypothese: Zwischen Nachfragewachstum und notwendiger Kapazitätsausweitung besteht ein konstanter proportionaler Zusammenhang:ΔK = α * ΔY

• Die gesamtwirtschaftliche Investitionsnachfrage ist damit auch von der Veränderung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage abhängig:I = α * ΔY

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24

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Investition und Wachstum (3)

Konjunkturpolitische Interpretation der Akzeleratorbeziehung• Das Niveau der Investitionsnachfrage hängt von der

Veränderung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ab und unterliegt sehr viel stärkeren Schwankungen als die private Konsumnachfrage.

• Über Multiplikatoreffekte beeinflusst die Investitionsnachfrage wiederum die Veränderung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage.

• Eine Stabilisierung der Konjunktur muss bei einer Stabilisierungder Investitionsnachfrage ansetzen.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 140

Investition und Wachstum (4)

EU, Bruttoinlandsprodukt, Gesamtinvestitionen und Investitionen des Industriesektors

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 141

Investition und Wachstum (5)

• Wachstumspolitische Interpretation der Akzeleratorbeziehung

– Bei gegebenem Akzelerator α bestimmt die Höhe der Spar- und Investitionsquote die Höhe der gesamtwirtschaftlichen Wachstumsrate.

– Hypothese der „neuen“ Wachstumstheorie: Eine Zunahme der Wachstumsrate kann durch eine Zunahme der Spar- und Investitionsquote erreicht werden.

1 *Y IY YαΔ

=

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Investition und Wachstum (6)

• Ansatzpunkte der Förderung privater Investitionen– Investitionszulagen– Investitionszuschüsse– Sonderabschreibungen– Steuervergünstigungen– Veränderung des Marktzinses (durch Geldpolitik) – Beeinflussung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrageentwicklung– Staatliche Infrastrukturinvestitionen– Veränderung ordnungspolitischer Rahmenbedingungen

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 143

Investition und Wachstum (7)

Investitionen und Sparen: Das Feldstein-Horioka-Paradoxon• Empirischer Befund: In vielen Entwicklungsländern sind die

Spar- und Investitionsquoten hoch korreliert.• Implikation: Da keine dauerhaften Leistungsbilanzsalden (NX)

entstehen, bleibt die Finanzierung von Investitionen letztlich auf den heimischen Konsumverzicht beschränkt:NX = S – I = Y – C – I = 0 ⇒ I = Y – C

• Mögliche Erklärung: Investitionen in den Kapitalstock von Entwicklungsländern sind an komplementäre Investitionen in das Humankapital (Bildung und Ausbildung) gekoppelt. Die Humankapitalinvestitionen können aber in der Regel nur aus dem inländischen Konsumverzicht finanziert werden.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 144

Konjunktur und Beschäftigung (1)

Konjunkturerklärung im Modell des aggregierten Angebots und deraggregierten Nachfrage

• Erklärt werden Veränderungen von Preisniveau P und realem Sozialprodukt Y bei ge-gebenem Produktionspotenzial Y0.

• Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage YD enthält privatenKonsum C, private InvestitionenI, Staatsverbrauch B und Netto-exporte NX.

• Das gesamtwirtschaftliche Angebot YS entspricht langfristig dem Pro-duktionspotenzial Y0, kurzfristig kann es auch davon abweichen.

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© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 145

Konjunktur und Beschäftigung (2)

• Determinanten des Produktionspotenzials („natürliches“ Produktionsniveau):

- Niveau des gesamtwirtschaftlichen Kapitalstocks- Niveau des Humankapitals und des technischen Wissens- Ausmaß der „natürlichen“ Arbeitslosigkeit

• Gründe für den fallenden Verlauf der aggregierten Nachfrage:• Pigou-Vermögenseffekt: Bei sinkendem P steigt der Realwert

des Vermögens und damit die private Konsumnachfrage.• Keynes-Zinseffekt: Bei sinkendem P erhöht sich der Wert der

realen Kassenhaltung; bei gegebenem Geldangebot sinkt damit der Zins und die privaten Investitionen steigen.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 146

Konjunktur und Beschäftigung (3)

• Gründe für den steigenden Verlauf der kurzfristigen aggregiertenAngebotskurve

- Informationsfehler: Die Anbieter verwechseln einen Anstieg von P mit einem Anstieg relativer Preise und dehnen ihr Angebot aus.

- Lohnrigiditäten: Bei starren Nominallöhnen senkt ein Anstieg von P den Reallohn, damit steigt die Arbeitsnachfrage und das Güterangebot.

- Preisrigidität: Angesichts von Menükosten können nicht alle Preise an einen Anstieg von P angepasst werden; die relativ billigen Anbieter werden somit ihr Angebot ausdehnen.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 147

Konjunktur und Beschäftigung (4)

• Erklärung einer Rezession durch Nachfrageausfall- Der Nachfrageausfall führt kurzfristig zum Rückgang von

Preisniveau und Produktion; bei weiter sinkendem P wird schließlich wieder das Potenzial erreicht.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 148

Konjunktur und Beschäftigung (5)

• Erklärung einer Stagflation durch Angebotsschock- Der Angebotsschock (z. B. Ölkrise) führt zum Rückgang von Y

und zum Anstieg von P.- Durch eine Deflation

könnte eine Rückkehrnach A erreicht werden.

- Wird eine Deflation durch Ausweitung der Nachfrage vermieden,liegt das langfristige Gleichgewicht bei E.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 149

Konjunktur und Beschäftigung (6)

Fiskalpolitik und gesamtwirtschaftliche Nachfrage• Ansatzpunkte für die Fiskalpolitik

- Steuereinnahmen (Einnahmenpolitik)- Staatsnachfrage (Ausgabenpolitik)- Öffentliche Kreditaufnahme (Schuldenpolitik)

• Auswirkungen der Fiskalpolitik über Multiplikatoreffekte- Staatsausgabenmultiplikator- Steuermultiplikator- Haavelmo-Effekt

• Beispiel: Stabilitäts- und Wachstumsgesetz von 1967

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 150

Konjunktur und Beschäftigung (7)

Page 26: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

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© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 151

Konjunktur und Beschäftigung (8)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 152

Konjunktur und Beschäftigung (9)

• Crowding out-Effekte der Staatsverschuldung- Zins-Crowding out- Vermögens-Crowding out

• Fiskalpolitik und gesamtwirtschaftliches Angebot (supply side economics)

- Förderung privater Investitionen- Steuersenkungen- Verringerung öffentlicher (konsumtiver) Ausgaben- Verringerung öffentlicher Verschuldung

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 153

Konjunktur und Beschäftigung (10)

Geldpolitik und gesamtwirtschaftliche Nachfrage• Ein höheres Geldangebot senkt den Marktzins und erhöht damit die

Investitionen.• Ausnahmen: Liquiditätsfalle oder Investitionsfalle• Geldpolitik und gesamtwirtschaftliches Angebot

• Inflationsbekämpfung verbessert die Rahmenbedingungen für Investitionen.

• Inflationsbekämpfung verhindert Lohn-Preis-Spiralen am Arbeitsmarkt und erhöht das Beschäftigungsniveau.

• Koordination von Fiskal- und Geldpolitik kann deren jeweilige Wirksamkeit verbessern

- Verhinderung von crowding out bei der Bekämpfung einer Rezession

- Unterstützung von supply side economics.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 154

Konjunktur und Beschäftigung (11)

Produktionsniveau und Beschäftigung• Herleitung der Arbeitsnachfrage aus Gewinn-

maximierungskalkülen der Unternehmen.• Herleitung des Arbeitsangebots aus

Nutzenmaximierungskalkülen der Haushalte.

• Im Arbeitsmarktgleichgewicht werden der gleichgewichtige Reallohn (W/P)* und das natürliche“ Beschäftigungs-niveau N* festgelegt, das wiederum das Produktionspotenzial bestimmt.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 155

Konjunktur und Beschäftigung (12)

• Erklärung von Arbeitslosigkeit durch überhöhte Reallöhne („klassische“ Arbeitslosigkeit)

– Rigidität der Nominallöhne führt bei gegebenem Preisniveau zu einem Angebotsüberhang auf dem Arbeitsmarkt.

– Rigidität des Preisniveaus verhindert eine Senkung des Reallohns bei Rückgang des Produktionspotenzials.

N0 N

ND

NS

Wp

Wp 1

N2N1

Wp 0

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Konjunktur und Beschäftigung (13)

• Bekämpfung „klassischer“Arbeitslosigkeit

– Nominallohnsenkung– Preisniveauanstieg durch

Nachfragepolitik– Erhöhung der Arbeits-

produktivität durch Angebots-politik (Erhöhung des Kapital-stocks durch Investitions-förderung)

Page 27: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

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© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 157

Konjunktur und Beschäftigung (14)

• Erklärung von Arbeitslosigkeit durch Nachfrageausfall („keynesianische“ Arbeitslosigkeit)

– Nachfragerückgang am Gütermarkt senkt das Produktionsniveau.

– Rückgang des Preisniveaus erhöhtbei gegebenem Nominallohn den Reallohn.

• Ursachenadäquate Bekämpfung „keynesianischer“ Arbeitslosigkeit setzt nicht am Arbeitsmarkt, sondern am Gütermarkt an.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 158

Konjunktur und Beschäftigung (15)

• Erklärung von Arbeitslosigkeit in einem makroökonomischen Synthesemodell

– Erklärung von Arbeitslosigkeit durch das Zusammenspiel von Lohnsetzungsverhalten und Nachfrageentwicklung

– Aus der Quantitätsgleichung ergibt sich, bei Erweiterung mit dem Nominallohn W und unter Berücksichtigung einer gesamtwirtschaftlichen Produktionsfunktion Y = F (N) die Beschäftigungsfunktion, die bei konstanter Umlaufgeschwindigkeit v* einen positiven Zusammenhangzwischen dem Reallohn W/P und der Höhe der Beschäftigung N beschreibt

– Unter der Annahme monopolistischen Wettbewerbs schlägt sich Marktmacht in einem Gewinnzuschlag μ auf die Nominallöhne nieder. Daraus folgt eine Preissetzungsfunktion, die einen negativen Zusammenhang zwischen Reallohn und Beschäftigungshöhe beschreibt.

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Konjunktur und Beschäftigung (16)

- Beschäftigungsfunktion:

- Preissetzungsfunktion

- Arbeitsangebotsfunktion NS und Arbeitslosigkeit:

Zum jeweils herrschenden Reallohn wird das maximal bereitgestellte Arbeitsangebot der Haushalte abgetragen. Der Zusammenhang ist typischerweise positiv. Arbeitslosigkeit entsteht, wenn der Schnittpunkt von Beschäftigungs- und Preissetzungsfunktion links von NS liegt.

*)(

vMWNF

PW

⋅⋅=

μ)(' NF

PW

=

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Konjunktur und Beschäftigung (17)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 161

Konjunktur und Beschäftigung (18)

Im Synthesemodell entsteht Arbeitslosigkeit entweder durch fehlenden Wettbewerb am Gütermarkt, durch einen Ausfall monetärer Gesamtnachfrage, durch überhöhte Nominallöhne oder durch eine Kombination dieser FaktorenEine Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist möglich durch:

- intensiveren Wettbewerb auf den Gütermärkten (geringeres μ)- Expansion der monetären Gesamtnachfrage (höheres M)- Senkung der Nominallöhne (geringeres W)

Nicht eindeutig sind die Effekte höherer Investitionen in Real- und Humankapital, denn:

- sie erhöhen die Produktivität der eingesetzten Arbeit- sie erhöhen die Gesamtnachfrage- sie fördern aber auch die Substitution von Arbeit durch Kapital

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 162

Zahlungsbilanz und Wechselkurs (1)

Zahlungsbilanz• erfasst den Wert aller ökonomischen Transaktionen zwischen Inland

und Ausland innerhalb einer bestimmten Periode (z.B. in einem Jahr)• ist nach dem Prinzip der doppelten Buchführung aufgebaut und daher

rechnerisch immer ausgeglichen• verbucht auf der Aktivseite alle Transaktionen, die zu

Deviseneingängen führen und auf der Passivseite alle Transaktionen, die zu Devisenabflüssen führen

• lässt sich grob gliedern in den Bereich der Leistungs- und Finanztransaktionen, der Vermögensübertragungen, der Devisentransaktionen sowie Ausgleichs- und Restposten

Page 28: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

28

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 163

Zahlungsbilanz und Wechselkurs (2)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 164

Zahlungsbilanz und Wechselkurs (3)

Wechselkurs• Preis einer Währung, ausgedrückt in Einheiten einer anderen Währung,

der sich an Devisenmärkten bildet• Preisnotierung: Preis, der für eine Einheit der ausländischen Währung

in Einheiten der Inlandswährung zu zahlen ist• Mengennotierung: Einheiten der inländischen Währung, die man für

eine Einheit der Inlandswährung erhält• In einem einfachen Modell des Devisenmarkts bildet sich der

Wechselkurs durch Devisenangebot und Devisennachfrage, hinter denen entsprechende Zahlungsbilanztransaktionen stehen

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 165

Zahlungsbilanz und Wechselkurs (4)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 166

Zahlungsbilanz und Wechselkurs (5)

Über- und Unterbewertung bei festen Wechselkursen

• Wird ein Wechselkurs in Höhe von e1 über dem Gleichgewichtswechselkurs e* staatlich festgesetzt, so kommt es wie bei einem Mindestpreis zu einem Angebotsüberhang. Die Auslandswährung ist in diesem Fall überbewertet. Entweder die Auslandswährung wird abgewertet oder die inländische Zentralbank muss am Devisenmarkt intervenieren und Devisen aufkaufen, so dass ein Devisenbilanzüberschuss entsteht.

• Wird ein Wechselkurs in Höhe von e2 unter dem Gleichgewichtskurs e* festgesetzt, so kommt es wie bei einem Höchstpreis zu einem Nachfrageüberhang. Die Auslandswährung ist in diesem Fall unterbewertet. Entweder kommt es zu einer Aufwertung der Auslandswährung oder die inländische Zentralbank muss den Nachfrageüberhang durch eine Verringerung der Devisenreserven decken, so dass ein Devisenbilanzdefizit entsteht.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 167

Zahlungsbilanz und Wechselkurs (6)

Ansatzpunkte der Zahlungsbilanz- und Wechselkurspolitik

• Feste Wechselkurse / Flexible Wechselkurse

• Internationale Handelspolitik (Veränderung von Zöllen und nicht-tarifären Handelshemmnisse)

• Geld- und Finanzpolitik (Veränderung von Zinsen, Preisniveau und Einkommen im In- und Ausland)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 168

Beispiel: Ökonomische Probleme derdeutschen Wiedervereinigung (1)

Geldpolitische Probleme• Währungsunion zwischen Bundesrepublik und DDR am 1. Juli 1990.• Berechnung des Umtauschverhältnisses von Ostmark in D-Mark nach

der Potenzialformel:

• Wenn das Preisniveau und die Umlaufgeschwindigkeit in West und Ost gleich gewesen wären, hätte sich die Erstausstattung der DDR alleine nach dem Unterschied im Produktionspotenzial bestimmt.

• Die Bundesbank schätzte das ostdeutsche Produktionspotenzial auf 10% des westdeutschen Wertes und damit die notwendige ostdeutsche Geldmenge auf 10% des Westniveaus (120 Mrd. DM).

Ost West Ost Ost

West Ost West West

M3 v P YM3 v P Y

= ⋅ ⋅

Page 29: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

29

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 169

Beispiel: Ökonomische Probleme der deutschen Wiedervereinigung (2)

• Bei einem Ostmark-Bestand von 240 Mrd. hätte sich damit ein Umtauschkurs von 2:1 ergeben.

• Politisch beschlossen wurde aber ein geringerer Umtauschkurs; insgesamt wurde die DM-Ausstattung in Ostdeutschland auf 180 Mrd. DM festgesetzt.

• Aus Furcht vor einem gesamtdeutschen Inflationsschub betrieb dieBundesbank in der Folgezeit eine deutlich restriktive Geldpolitik, die das deutsche Zinsniveau ansteigen ließ.

• Kritiker bezweifelten die Annahme einer gleichen Umlaufgeschwindig-keit in West und Ost; wegen fehlender Alternativen habe Geld in der DDR eine wesentlich größerer Rolle als Vermögensanlage gespielt.Folge: Durch die Annahme einer zu hohen Umlaufgeschwindigkeit habe die Währungsunion de facto zu massiven Vermögensverlustenin Ostdeutschland geführt.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 170

Beispiel: Ökonomische Probleme der deutschen Wiedervereinigung (3)

Wachstumsprobleme in Ostdeutschland• Anfang der 90er Jahre schätzte man den jährlichen Bedarf an

Nettoinvestitionen in Ostdeutschland auf 100 Mrd. DM über 10 Jahre, um die Kapital- und Produktivitätslücke gegenüber Westdeutschland aufzuholen.

• Das tatsächliche Niveau der Nettoinvestitionen lag aber nur bei 10 Mrd. DM pro Jahr.

• Gründe für die private Investitionsschwäche:- Rechtsunsicherheit- Schlechte Nachfrageerwartungen- Hohes Zinsniveau

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 171

Beispiel: Ökonomische Probleme der deutschen Wiedervereinigung (4)

Private Bruttoanlageinvestitionen in Ostdeutschland

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 172

Beispiel: Ökonomische Probleme der deutschen Wiedervereinigung (5)

• Maßnahmen der staatlichen Investitionsförderung:- Investitionszulagen nach dem Investitionszulagengesetz von

1990- Sonderabschreibungen nach dem Steueränderungsgesetzes

von 1991- Investitionszuschüsse nach dem Zonenrandförderungsgesetz

und nach dem Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“

- Zinssubventionen aus ERP-Mitteln der KfW- Verzicht auf Gewerbekapital- und Vermögenssteuer bis Ende

1994- Zusätzliche staatliche Investitionen, vor allem in den Ausbau

der Infrastruktur

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 173

Beispiel: Ökonomische Probleme der deutschen Wiedervereinigung (6)

• Effekte der staatlichen Investitionsförderung:- Deutlicher Anstieg der privaten Investitionen.- Investitionsniveau reicht immer noch nicht aus, um den

westdeutschen Wachstumspfad zu erreichen.- Hohe staatliche und private Kapitalnachfrage führt zwischen

1990 und 1992 zu einem stark steigenden Zinsniveau in Gesamtdeutschland.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 174

Beispiel: Ökonomische Probleme der deutschen Wiedervereinigung (7)

Umlaufrendite öffentlicher Anleihen in Deutschland

Page 30: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

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© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 175

Beispiel: Ökonomische Probleme der deutschen Wiedervereinigung (8)

Zahlungsbilanz- und Wechselkursprobleme• Der hohe Investitionsbedarf in Ostdeutschland führte in den 90er Jahren

zu anhaltenden deutschen Leistungsbilanzdefiziten• Das hohe deutsche Zinsniveau machte ausländische Kapitalanlagen in

Deutschland attraktiv• Durch wachsende Kapitalzuflüsse gering die D-Mark sehr schnell unter

Aufwertungsdruck gegenüber den europäischen Währungen, die im Rahmen des Europäischen Währungssystems (EWS) durch feste Wechselkurse miteinander verbunden waren

• 1992/93 kam es zu einer schweren Krise des EWS: einige Währungen mussten stark abwerten; das britische Pfund verließ das Festkurssystem; zur Rettung des Systems wurde eine massive Verbreiterung der maximal zulässigen Wechselkursschwankungen beschlossen

• Die im Maastricht-Vertrag von 1992 vereinbarte Europäische Währungsunion sollte eine Wiederholung dieser Krise verhindern

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 176

Beispiel: Ökonomische Probleme der deutschen Wiedervereinigung (9)

Arbeitsmarktprobleme• Wegen niedriger Arbeitsproduktivität lag der gleichgewichtige

Reallohn in Ostdeutschland 1990 deutlich unter dem Westniveau.• Dennoch wurde 1991 tarifvertraglich vereinbart, dass die Löhne in

Ostdeutschland bis 1994 dem Westniveau angepasst werden sollten.• Die Verschlechterung der Beschäftigungssituation in Ostdeutschland

verzögert die vollständige Tarifangleichung allerdings bis heute.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 177

Beispiel: Ökonomische Probleme der deutschen Wiedervereinigung (10)

Ostdeutsche Arbeitskosten in der Industrie

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 178

Beispiel: Ökonomische Probleme der deutschen Wiedervereinigung (11)

• Gründe für die Hochlohn-Strategie- Furcht vor hoher Binnenwanderung- Ausgleich der Vermögensverluste der Währungsumstellung- Kartell von Gewerkschaften und Management der noch nicht-

privatisierten Treuhand-Betriebe- Bequeme Sozialisierung der negativen Effekte durch das

deutsche Sozialsystem• Effekte der Hochlohn-Strategie

- Hohe „klassische“ Arbeitslosigkeit- Dauerhafter Bedarf an Sozialtransfers für Arbeitslose und

Subventionen für den Aufbau des Kapitalstocks

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 179

Beispiel: Ökonomische Probleme der deutschen Wiedervereinigung (12)

• Alternativen zur Hochlohn-Strategie- Arbeitszeitverkürzung- Lohnsubventionen- Investivlöhne- Vorschlag für einen Sozialpakt in Ostdeutschland:

o Niedrige Nominallöhneo Zuweisung von Beteiligungsrechten am Verkauf der

Treuhandunternehmeno Vorrang der Sanierung vor dem Verkauf von

Treuhandunternehmen

G. und H.-W. Sinn: Kaltstart

(1991)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 180

Kontrollfragen

Was versteht man unter klassischer Dichotomie?Warum richtet die EZB ihre Zwischenziele anhand der „Zwei Säulen-Strategie“ aus?Inwiefern unterscheiden sich Offenmarktoperationen und Standing Facilities? Unter welchen Umständen kann eine expansive Geldpolitik zur Stabilisierung von Konjunkturschwankungen wirkungslos sein?Warum kann es in Folge einer restriktiven Geldpolitik unter gewissen Umständen zu Marktversagen auf dem Kreditmarkt kommen?Aus welchem Grund könnte Fiskalpolitik nicht zu den erwünschten Multiplikatoreffekten führen?Wie erklärt das AD-AS-Modell die Entstehung von Konjunkturzyklen?

Page 31: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

31

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 181

Teil 4 - Überblick

Anwendungen der Institutionenökonomik

Transaktionen und Institutionen

Property Rights und Eigentumsordnung

Institutionelle Regelung der Arbeitsteilung

Analyse von Wirtschaftsordnungen

Transformation von Wirtschaftsordnungen

Integration von Wirtschaftsordnungen

Beispiel: Wirtschaftsordnung der EU

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 182

Transaktionen und Institutionen (1)

Mikroökonomie (Marktanalyse) und Makroökonomie (Kreislaufanalyse) unterstellen implizit eine vorhandene institutionelle Struktur (Haushalte,Unternehmen, Markt, Staat, Geld, Zentralbank).

Institutionen sind Systeme von Regeln, die den Rahmen ökonomischerHandlungen festlegen mit dem Ziel, das individuelle Handeln in einerbestimmten Richtung zu steuern.

Institutionenökonomik untersucht die Entstehung und Veränderung solcherRegelsysteme unter dem Gesichtspunkt ökonomische Rationalität.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 183

Transaktionen und Institutionen (2)

Ökonomisches Handeln aus Sicht der Institutionenökonomik• Ökonomische Handlungen sind Transaktionen. Sie sind nicht nur technische

Vorgänge (Übertragung eines Gutes über eine technisch trennbare Schnittstelle hinweg im Zusammenhang mit Produktion oder Konsum) sondern auch Übertragungen von Verfügungsrechten (property rights) an Gütern.

• Die gesamte Ökonomie besteht aus den wirtschaftlich handelnden Individuen sowie aus einer Menge elementarer Regeln, die

- jedem Individuum bestimmte Verfügungsrechte zuteilen (an Sachen, Leistungen und geistigen Werten, auf Basis von Verträgen oder Gesetzen

- die Transaktion dieser Rechte bzw. Verpflichtungen regeln (durch Vertrag, Gesetz, Anordnung, ethische Regeln, Gewohnheit)

J. R. Commons (1934):

From exchange to transactions

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 184

Transaktionen und Institutionen (3)

Formen von Institutionen• Informelle Institutionen (Gebräuche, Traditionen, Moral)• Formelle Regeln (Verfassung und Gesetze)• Formelle Kontrollstrukturen (exekutive und judikative

Staatsorgane, private Institutionen)

Das Sozialkapital einer Gesellschaft entspricht dem Wert des Vertrauen in die informellen und formellen Institutionen.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 185

Transaktionen und Institutionen (4)

Ökonomische Relevanz bekommen Institutionen dann, wenn dieZuteilung und Übertragung von Verfügungsrechten verbunden istmit spezifischen Transaktionskosten.

• Fixe Transaktionskosten (in der Regel auch sunk costs): Kosten für die Errichtung und Bereitstellung einer Institution

• Variable Transaktionskosten: Kosten, die von der Anzahl oder dem Wert der Transaktionen abhängen.

• Hohe sunk costs begründen eine hohe Pfadabhängigkeit von Institutionen, d.h. Institutionen verändern sich nur relativlangsam.

R. Coase(1937):

The nature of the firm

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 186

Transaktionen und Institutionen (5)

Arten von Transaktionskosten (bezogen auf die besonders relevanten Institution)• Markttransaktionskosten: Such- und

Informationskosten, Verhandlungs- und Entscheidungskosten, Kosten der Überwachung und Durchsetzung vertraglicher Leistung

• Unternehmenstransaktionskosten: Kosten der Leitung und Informationsverarbeitung, der Kommunikation und Überwachung innerhalb einer Unternehmung

• Politische Transaktionskosten: Kosten der Einrichtung, Erhaltung und Veränderung der politischen Ordnung

Nach Schätzung belaufen sich in modernenMarktwirtschaften die Transaktionskosten auf über50% des Sozialprodukts.

Relevanz für Make or Buy-Entscheidungen

in Unternehmen

Page 32: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

32

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 187

Transaktionen und Institutionen (6)

Teilgebiete der Neuen Institutionenökonomik• Transaktionenökonomik• Property-Rights-Analyse• Ökonomische Vertragstheorie• Ordnungsökonomik• Verfassungsökonomik• Ökonomische Analyse des Rechts (Law and

Economics)• Institutioneller Ansatz der

Wirtschaftsgeschichte (New Economic History)

R. Coase (geb. 1910);

Nobelpreis 1991

J. Buchanan (geb. 1919); Nobelpreis 1986

R. Fogel (geb. 1926) und D. North (geb. 1920);

Nobelpreis 1993

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 188

Property Rights und Eigentumsordnung (1)

Eigentums- und Verfügungsrechte an Gütern umfassen:• Das Recht an der Nutzung des Gutes (usus)• Das Recht, ein Gut zu verändern (abusus)• Das Recht an den Erträgen, die sich aus der Nutzung des Gutes ergeben

(usus fructus)• Das Recht, die Nutzungsrechte an andere zu transferieren (venditio)

Je detaillierter diese Rechte ausgestaltet sind, desto höher sind c. p. dieTransaktionskosten.Hohe Transaktionskosten können daher die Ausgestaltung einer effizienten Eigentumsordnung verhindern.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 189

Property Rights und Eigentumsordnung (2)

Das „Trauerspiel der Allmende“:Die Problematik gemeinschaftlich ge-nutzter Gütern (Allmendegüter, common pool goods)• Wenn keine klare Festlegung von property rights an Gütern

erfolgt, weil dies technisch nicht möglich oder ökonomisch nicht sinnvoll ist, besteht die Gefahr, dass Güter ineffizient verwendet werden .

• Insbesondere droht eine Übernutzung aufgrund negativer externer Effekte

• Beispiele: Almen, Sahelzone, sozialistisches Gemeinschaftseigentum, Kühlschränke in WGs

G. Hardin (1968): Thetragedy of the commons

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 190

Property Rights und Eigentumsordnung (3)

• Beispiel Almenwirtschaft:- Die Kühe eines Dorfes können auf einer gemeinsamen Weide

weiden. Entweder gibt es einen Weidebesitzer, der entscheidet, wie viele Kühe auf der Weide grasen dürfen, oder die Weide ist Gemeinschaftseigentum, d.h. der Zugang ist für die Kühe aller Dorfbewohner kostenlos.

- Eine Kuh kostet a Euro. Die Milchleistung, die bei einer Zahl c weidender Kühe erzeugt wird, beträgt f (c). Die Durchschnitts- und Grenzerträge sind abnehmend, weil zusätzliche Kühe auf eine gegebenen Weide das Futter für die vorhandenen Kühe reduzieren.

- Wie viele Kühe würde ein einzelner Eigentümer der Wiese weiden lassen?

acfaccf =′→− ∗)()(max

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 191

Property Rights und Eigentumsordnung (4)

- Wie viele Kühe weiden bei Gemeinschaftseigentum? Es ist für jeden Dorfbewohner so lange vorteilhaft, eine zusätzliche Kuh weiden zu lassen, als die Milchleistung der Kuh größer ist als deren Kosten. Erst wenn der Gewinn Null ist, werden keine Kühe mehr auf die Weide getrieben

- Wegen unzureichender Internalisierung der negativen Externalitäten zusätzlicher Kühe kommt es zur Überweidung und damit zur Fehlallokation vorhandener Ressourcen.

ccfaccf ˆ/)ˆ(0)( →=−

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Property Rights und Eigentumsordnung (5)

Eine Orientierung am Durchschnittsertrag statt am Grenzertrag führt immer zur ineffizienten Nutzung von

Ressourcen

Page 33: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

33

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 193

Property Rights und Eigentumsordnung (6)

• Die Wirtschaftsgeschichte zeigt zahlreiche Beispiele, wie das Trauerspiel der Allmende überwunden werden kann:

- Gesellschaftliche Traditionen und Bräuche mit sozialen Sanktionen verhindern Übernutzung

- Gesetzliche Regelungen und strikte staatliche Kontrollen verhindern Übernutzung

- Einführung von Privateigentum und Mechanismen zu seiner Durchsetzung verhindern Übernutzung

• Die Einführung von Privateigentum mit relativ hohen Transaktionskosten wird umso lohnender, je größer dieEffizienzverluste durch Externalitäten sind.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 194

Institutionelle Regelung der Arbeitsteilung (1)

Wohlstand beruht nicht nur auf individueller Produktion, sondernauch auf Tausch zwischen Individuen, der Arbeitsteilung undSpezialisierung ermöglicht.Im Tausch werden Verfügungsrecht an Gütern zwischen Individuen übertragen; die Ausgestaltung dieser Übertragung beeinflusst dasAusmaß der Arbeitsteilung und damit die Höhe des Wohlstands.Drei denkbare Fälle zur institutionellen Regelung:• Anarchie (Übertragung durch Raub)• Zentraler Plan (Übertragung durch Anordnung) • Markttausch (Übertragung durch bilaterale Vereinbarung)

A. Smith(1776)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 195

Institutionelle Regelung der Arbeitsteilung (2)

Ausgangssituation: Individuelle Produktion (Robinson-Modell)

• Mit einem Produktionsfaktor (Arbeit) können zwei Güter mit zwei unterschiedlichen Produktionsprozessen hergestellt werden:

• Der Bestand des Produktionsfaktors sei konstant.• Die Produktionsfunktionen seien linear mit gegebenen

Produktivitätskoeffizienten und .• Die möglichen effizienten Output-Kombinationen liegen auf der

(linearen) Transformationskurve. • Die Steigung der Transformationskurve ist die Grenzrate der

Transformation; sie gibt die Opportunitätskosten der Produktion eines Gutes (in Einheiten des anderen Gutes) an.

) ,( 21 qq

1 2L L L= +

1a 2a

1 1 1,q a L= 2 2 2q a L=

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Institutionelle Regelung der Arbeitsteilung (3)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 197

Institutionelle Regelung der Arbeitsteilung (4)

Austauschmöglichkeiten bei Auftauchen eines zweiten Individuums (Robinson-Freitag-Modell)• Das zweite Individuum produziert mit einem anderen Arbeitsbestand,

anderen Arbeitskoeffizienten und damit einer anderen Transformationskurve.

• Wegen unterschiedlicher Opportunitätskosten der Güterproduktion lohnt sich Arbeitsteilung.

• Jedes Individuum spezialisiert sich auf die Produktion des Gutes, bei dem die geringsten Opportunitätskosten anfallen (Ausnutzen der komparativen Vorteile)

• Die (beidseitigen) Wohlfahrtsgewinne der Spezialisierung treten aber nur dann ein, wenn jedes Individuum auch damit rechnen kann, dasselbst nicht mehr produzierte Gut vom anderen Individuum zu erhalten.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 198

Institutionelle Regelung der Arbeitsteilung (5)

• Beide Individuen produzieren die gleichen Mengen der beiden Güter wie in Autarkie.

• Ein Individuum vergrößert gewaltsam seine Konsummöglich-keiten auf Kosten des anderen Individuums.

Zuteilung durch Raub Robinson raubt Freitag aus

Page 34: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

34

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 199

Institutionelle Regelung der Arbeitsteilung (6)

• Jedes Individuum spezialisiert sich auf die Produktion des Gutes, dass es mit den relativ geringsten Opportunitätskosten herstellen kann.

• Ein zentraler Planer erfasst die Produktionsmengen und ordnet ihre Aufteilung so an, dass beide Individuuen ihre Konsum-möglichkeiten gegenüber der Autarkie erhöhen.

Zuteilung durch zentrale Planung

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Institutionelle Regelung der Arbeitsteilung (7)

Zuteilung durch Markttausch

• Die Individuen spezialisieren sich auf die Produktion eines Gutes

• Sie tauschen Güter zu einem Preisverhältnis, das zwischen den individuellen Opportunitätskosten liegt.

• Damit erweitern sich ebenfalls die individuellen Konsummöglichkeiten gegenüber der Autarkie.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 201

Institutionelle Regelung der Arbeitsteilung (8)

Die hohen Effizienzverluste der Anarchielösung rechtfertigen eine Plan-oder Marktlösung selbst dann, denn diese mit hohen Transaktionskosten verbunden sind.

Die Planlösung erfordert hohen Aufwand bei der zentralen Erfassung dervorhandenen Ressourcen und Konsumpräferenzen sowie bei der Kontrolle der Güterzuteilungen.

Die Marktlösung erfordert ein funktionsfähiges Preissystem, das alleInformationen über Ressourcen und Präferenzen dezentral verarbeitet.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 202

Analyse von Wirtschaftsordnungen (1)

Wirtschaftsordnung bezeichnet die Gesamtheit der (formellen und informellen, externen und internen) institutionellen Regelsysteme in einer Wirtschaft.

Teilordnungen umfassen:• Wirtschaftssystem (Verhaltensregeln privater Akteure)• Wirtschaftsverfassung (Staatliche Rahmenbedingung der

Verhaltensregeln)• Wirtschaftskultur (Gesellschaftliche Rahmenbedingungen der

Verhaltensregeln)

Vor allem bei exogenen Veränderungen einzelner Teilordnungen (z.B.Reform der Wirtschaftsverfassung) ist die Interdependenz der Teilordnungen zu beachten.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 203

Analyse von Wirtschaftsordnungen (2)

Die Institutionenökonomik liefert Kriterien zur Analyse vonWirtschaftsordnungen

• Institutionelle Regelung der Arbeitsteilung- Marktwirtschaft (Verkehrswirtschaft)- Planwirtschaft (Zentralverwaltungswirtschaft)

• Institutionelle Regelung der Eigentumsverhältnisse- Kapitalismus- Sozialismus

W. Eucken (1940): Grundlagen der Nationalökonomie

K. Marx ( 1867, 1885, 1894 ): Das Kapital

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 204

Analyse von Wirtschaftsordnungen (3)

• Die Verbindung der beiden Kriterien liefert ein Raster zur Analyse real existierender Wirtschaftsordnungen

Page 35: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

35

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 205

Analyse von Wirtschaftsordnungen (4)

Privateigentum und Marktkoordinierung: Kapitalistische Marktwirtschaft• Zentrale Rolle von Märkten• Funktion von Marktpreisen: Ausgleich, Signal und Lenkung• Zentrale Funktionsbedingungen:

- Wettbewerb- Preisniveaustabilität

• Häufige Probleme:- Konjunkturkrisen- Armut- Umweltzerstörung

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 206

Analyse von Wirtschaftsordnungen (5)

Privateigentum und Plankoordinierung: Kapitalistische Planwirtschaft• Märkte, aber auch zentrale Produktions- und Investitionspläne• Besondere Mechanismen der Koordinierung zwischen Zentralplan und

individuellen Plänen sind notwendig• Beispiele: Planification in Frankreich, Kriegswirtschaft• Häufige Probleme:

- Fehlprognosen und Fehlinvestitionen- Wettbewerbsverzerrungen- Hoher Subventionsbedarf

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 207

Analyse von Wirtschaftsordnungen (6)

Kollektiveigentum und Plankoordinierung: Sozialistische Planwirtschaft• Zentrale Abstimmung von verfügbaren Ressourcen und

erwartetem Bedarf• Verzicht auf die Funktionen von Marktpreisen (und prinzipiell

auch auf Geld)• Planerfüllung als zentrales Steuerungselement• Häufige Probleme:

- Informationsdefizite- Motivationsmängel- Innovationsschwäche- Wachsende Bürokratie- Zahlungsbilanzprobleme

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 208

Analyse von Wirtschaftsordnungen (7)

Kollektiveigentum und Marktkoordinierung: Sozialistische Marktwirtschaft• Abbau oder Flexibilisierung der zentralen Planung• Orientierung der Produktion an Marktpreisen und Gewinnen• Stärkung der Position der Unternehmensleitung gegenüber den

Unternehmenseigentümern• Häufige Probleme:

- Fehlende Preisreform- Fehlender Wettbewerb wegen Schwierigkeiten bei der Gründung

und Schließung von Unternehmen- Politische Einflussnahme auf Unternehmensentscheidungen

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 209

Analyse von Wirtschaftsordnungen (8)

Soziale Marktwirtschaft als Wirtschaftsordnung in Deutschland• Theoretische Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft

- Neoliberalismus / Ordoliberalismus / Freiburger Schule (W. Eucken, F. Böhm)

- Christliche Soziallehren- Freiheitlicher Sozialismus- Theorie der Sozialen Marktwirtschaft

(A. Müller-Armack)

Wirtschaftslenkung und Marktwirtschaft (1946)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 210

Analyse von Wirtschaftsordnungen (9)

• Programm der Sozialen Marktwirtschaft- Koordinierung individueller Pläne über den Markt

mit staatlicher Gestaltung zentraler Rahmendingungen- Besondere Bedeutung der Wettbewerbsordnung, der Geldordnung

und der Sozialordnung- Betonung der Markt- und Ordnungskonformität staatlicher

Eingriffe in den Wirtschaftsprozess• Programmatische Erweiterung:

Zweite Phase der Sozialen Marktwirtschaft - Gesellschaftspolitik- Umweltgestaltung

A. Müller-Armack (1960)

Page 36: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

36

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 211

Analyse von Wirtschaftsordnungen (10)

• Realisierung der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland

- Verbindung von Währungsreform und Marktliberalisierung (1948)

- Ausbau der Wettbewerbsordnung durch das GWB (1957) und eine liberale Außenhandelsordnung

- Stärkung der Geldordnung durch eine unabhängige Zentralbank (1948/1957), Schwächung durch die Einbindung der D-Mark in das Bretton Woods-System fester Wechselkurse (bis 1973)

- Ausbau des Sozialstaats, aber fehlende Markt- und Ordnungskonformität vieler Eingriffe

- Übertragung der westdeutschen Sozialen Marktwirtschaft auf die DDR (1990)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 212

Transformation von Wirtschaftsordnungen (1)

Transformation ist die Überführung einer Wirtschaftsordnung (oder Teilordnungen) in eine andere.• Typisches Beispiel: Überführung einer sozialistischen

Planwirtschaft in eine kapitalistische Marktwirtschaft• Teilbereiche der Transformation von Wirtschaftssystem und

Wirtschaftsverfassung- Reform des realen Sektors- Reform des monetären Sektors- Reform des Rechts- und Verwaltungssystems

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 213

Transformation von Wirtschaftsordnungen (2)

Reform des realen Sektors• Liberalisierung der Märkte• Sicherung der Gewerbefreiheit• Privatisierung staatlicher Unternehmen

- Privatisierung durch Versteigerung (Modell Treuhandanstalt)- Privatisierung durch Ausgabe oder Verkauf von Aktien (Modell

Vietnam)- Privatisierung durch Ausgabe von Berechtigungsscheinen

(Vouchers) zum Kauf von Aktien (Modell Tschechien)• Entflechtung von Grossunternehmen

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 214

Transformation von Wirtschaftsordnungen (3)

Reform des monetären Sektors• Aufhebung administrativer Preis- und Lohnbildung• Abbau von Preissubventionen• Schaffung eines zweistufigen Bankensystems

(unabhängige Notenbank und Geschäftsbanken)• Verbot staatlicher Defizitfinanzierung durch die Notenbank• Herstellung von Währungskonvertibilität

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 215

Transformation von Wirtschaftsordnungen (4)

Reform des Rechts- und Verwaltungssystems• Schaffung eines geeigneten Wirtschaftsrechts• Aufbau eines funktionsfähigen Steuersystems• Durchführung einer umfassenden Verwaltungsreform

Probleme der Transformation• Sind die einzelnen Reformen inhaltlich konsistent?• Inwieweit sind die einzelnen Reformschritte inhaltlich und zeitlich

koordiniert?• Wie kann eine Veränderung der Wirtschaftskultur erzielt werden?

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 216

Transformation von Wirtschaftsordnungen (5)

Strategien der Transformation• Schocktherapie: Rasche und umfassende Transformation

- Einheitliches Reformkonzept- Geringe Ansatzpunkte für Reformgegner- Kurze, meist heftige Anpassungskrise

• Gradualismus: Langsame und abgestufte Transformation- Mehr Zeit für den institutionellen Neuaufbau- Mehr Zeit für ein geeignetes Sequencing der Reformschritte- Längere Anpassungskrise möglich

Page 37: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

37

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 217

Transformation von Wirtschaftsordnungen (6)

Ein Modell des effizienten institutionellen Wandels

• Entlang der Kurve K liegen alternative Modelle von Wirtschaftsordnungen, unterschieden nach der Kombinationprivater und staatlicherTransaktionskosten.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 218

Transformation von Wirtschaftsordnungen (7)

• Effizient ist derinstitutionelle Wandel dann, wenn es zur Minimierung dergesamten Transaktionskostenkommt.

• Das Transaktionskosten-niveau wird durch das vorhandene Sozialkapitalbestimmt.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 219

Integration von Wirtschaftsordnungen (1)

Internationale Arbeitsteilung (auf regionaler oder globaler Ebene) verspricht hohe Effizienzgewinne• Voraussetzung für deren Realisierung sind aber Institutionen,

deren Transaktionskosten nicht zu hoch ausfallen.• Wirtschaftliche Integration bedeutet daher:

- Intensivierung internationaler Arbeitsteilung- Verbesserung der institutionellen Rahmenbedingungen für

internationalen Handel und für international verteilte Produktion

Aufgabe der WTO:

GATT, GATS, TRIPS

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 220

Integration von Wirtschaftsordnungen (2)

Vorteilhaftigkeit von Freihandel

1

1

Mögliches Tauschverhältnis bei Freihandel

Portugal

England

Tauschverhältnis Tuch/Wein in Autarkie

Arbeit / 1 ME Wein

Arbeit / 1 ME Tuch

1100 1/ Ea= 2120 1/ Ea=

190 1/ Pa= 280 1/ Pa=

1 26 / 5 /E Ea a=

1 28 / 9 /P Pa a=

D. Ricardo(1817)

In England ist Wein relativ teuer, in Portugal Tuch.

Durch Freihandel steigen die Konsum-möglichkeiten in beiden Ländern.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 221

Integration von Wirtschaftsordnungen (3)

Formen wirtschaftlicher Integration• Präferenzzone: Differenzierung der Handelsbedingungen gegenüber

einzelnen Handelspartnern• Freihandelszone: Abbau aller Handelsbeschränkungen im bilateralen

Güterverkehr; unterschiedliche Regelungen gegenüber Drittländern• Zollunion: Einheitliche Regelungen gegenüber Drittländern• Gemeinsamer Markt: Freizügigkeit von Kapital und Arbeit• Wirtschaftsunion: Harmonisierung wichtiger Teilbereiche der

Wirtschaftspolitik• Wirtschafts- und Währungsunion: Einführung einer einheitlichen

Währung

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 222

Integration von Wirtschaftsordnungen (4)

Strategien zur Schaffung eines Gemeinsamen Marktes

• Integrationsbereiche- Integration der Wirtschaftsverfassung: Grundlegende rechtliche

Regelungen für den freien Verkehr von Gütern und Produktionsfaktoren

- Integration mikroökonomisch relevanter Bereiche der Wirtschaftspolitik (Steuern, Marktregulierung, Sozialsysteme)

- Integration makroökonomisch relevanter Bereiche der Wirtschaftspolitik (Finanz- und Geldpolitik)

Page 38: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

38

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 223

Integration von Wirtschaftsordnungen (5)

• Transaktionskostenersparnisse durch Integration - Kosten der Marktfragmentierung sinken - Kosten der Wirtschaftsverfassung und der Marktregulierung sinken- Kosten der makroökonomischen Steuerung sinken

• Transaktionskosten der Integration- Zusätzliche Kosten durch Integration unterschiedlicher

Wirtschaftskulturen - Zusätzliche Kosten durch neue Regulierungen, die nach Integration

notwendig werden

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 224

Beispiel: Wirtschaftsordnung der EU (1)

Entwicklung der Integration in Europa• Pariser Vertrag (1951)

- Schaffung einer Zollunion für den Montanbereich (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, EGKS, Montanunion)

- 6 Mitgliedsländer- Hohe Behörde als neue Institution mit der Aufgabe, das

Gemeinschaftsinteresse gegenüber den Interessen der nationalen Regierungen durchzusetzen.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 225

Beispiel: Wirtschaftsordnung der EU (2)

• Römische Verträge (1957)

- Erweiterung der Zollunion auf alle Sektoren (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, EWG): Abschaffung aller Zölle und mengenmäßigen Beschränkungen bei der Ein- und Ausfuhr von Waren; Einführung eines gemeinsamen Zolltarifs und einer gemeinsamen Handelspolitik gegenüber Drittländern (Art. 3 a und b EWGV)

- Einführung eines Gemeinsamen Marktes: Beseitigung der Hindernisse für den freien Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedsländern (Art. 3 c EWGV)

- Europäische Kommission als Hüterin der Verträge und Motor der Integration

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 226

Beispiel: Wirtschaftsordnung der EU (3)

• Entwicklung bis zum Vertrag von Maastricht (1991)- Cassis de Dijon-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (1979):

Gegenseitige Anerkennung nationaler Regulierungen statt Zwang zur supranationalen Harmonisierung

- Europäisches Währungssystem (1979)- Weißbuch der Kommission zur Vollendung des Gemeinsamen

Binnenmarktes bis 1992 (1985)- Einheitliche Europäische Akte (1987)- Cecchini-Bericht (1988): „The Cost of Non-Europe“- Delors-Plan für eine Wirtschafts- und Währungsunion (1989)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 227

Beispiel: Wirtschaftsordnung der EU (4)

• Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion- Gründung der Europäischen Zentralbank (1998)- Unwiderrufliche Fixierung nationaler Wechselkurse gegenüber

dem Euro (1999)- Auswahl der Teilnehmer an der Währungsunion gemäß den

Konvergenzkriterien für Inflationsraten, Zinsen und Haushaltsdefizite

- Vollständiger Ersatz der nationalen Währungen durch den Euro (2002)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 228

Beispiel: Wirtschaftsordnung der EU (5)

Wettbewerbsordnung der EU

• Wettbewerbsartikel der Römischen Verträge ähneln hinsichtlich Kartellverbot und Missbrauchsaufsicht den Regelungen des deutschen GWB.

• In den 60er Jahren versucht die EU-Kommission erfolglos, Ideen der französischen Planification auf Gemeinschaftsebene zu verankern.

• Fusionskontrolle auf EU-Ebene wird erst 1992 durch eine Verordnung geregelt.

• Seit 1992 wird die EU-Kommission zum Vorreiter der Marktliberalisierung und Deregulierung in den Mitgliedsstaaten.

• Seit dem Maastricht-Vertrag sind Konflikte zwischen der gemeinschaftlichen Wettbewerbs- und Industriepolitik denkbar.

Page 39: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

39

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 229

Beispiel: Wirtschaftsordnung der EU (6)

Problembereiche der EU-Wirtschaftsordnung

• Koordination der Geldpolitik der EZB mit der Fiskalpolitik in den einzelnen Mitgliedsländern

- Stabilitätspakt soll übermäßige Verschuldung verhindern- Sanktionen greifen aber zu spät- Politischer Druck verhindert bessere Koordinierung- Unklare Finanzverfassung der EU

• Gestaltung einer gemeinschaftlichen Sozialordnung

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 230

Beispiel: Wirtschaftsordnung der EU (7)

Veränderungen der bestehenden EU-Wirtschaftsordnung durch die Osterweiterung:

• Notwendigkeit institutioneller Reformen der Gemeinschaft und in den Beitrittsländern (Verabschiedung der Europäischen Verfassung)

• Einrichtung weiterer bzw. veränderter Transfersysteme zwischen den Mitgliedsstaaten

• Sind die Grenzen der Erweiterung aufgrund prohibitiv hoher Transaktionskosten erreicht?

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 231

Kontrollfragen

Kennen Sie Institutionen, die spontan entstanden sind?Was bedeutet es für die Stabilität einer Wirtschaftsordnung, wenn Wirtschaftskultur und Wirtschaftsverfassung sich nicht entsprechen? Was könnten aus der Sicht des Ordoliberalismus (Freiburger Schule) planwirtschaftliche Elemente in der sozialen Marktwirtschaft sein?Ist die politische Transformation zwingend mit der Transformation der Wirtschaftsordnung verbunden?Inwiefern ist die Entwicklung der EU ein Beispiel dafür, dass zunehmende wirtschaftliche Integration immer auch mit einem Wachstum von Institutionen verbunden ist?Welche Ursache für den Untergang des sozialistischen Wirtschaftsmodells folgt aus dem „Trauerspiel der Allmende“?

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 232

Teil 5 - Überblick

Anwendungen der Wohlfahrtsökonomik

Wohlfahrtsökonomie und Wirtschaftspolitik

Sozialen Wohlfahrtsfunktionen

Das Unmöglichkeitstheorem

Begründungen für Ziele und Zielbeziehungen

Operationalisierung einzelner Ziele

Zahlen zur Erreichung der wirtschaftspolitischen Ziele in Deutschland

Beispiel: Kuznets-Kurven

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 233

Wohlfahrtsökonomik und Wirtschaftspolitik (1)

Alternative Ansätze zur Analyse von Zielen der Wirtschaftspolitik• Analyse der tatsächlich verfolgten Ziele (positive Theorie)• Analyse der Ziele, die aus übergeordneten (politischen oder ethischen)

Gründen verfolgt werden sollten (normative Theorie)Wohlfahrtsökonomie (Welfare Economics)

• Herleitung von Zielen der Wirtschaftspolitik aus übergeordneten Prinzipien des „Gemeinwohls“

• Herleitung von Allokationszielen (und Stabilisierungszielen) auspotenziellen Marktfehlern

• Herleitung von möglichen Verteilungszielen• Beurteilung und Lösung möglicher Zielkonflikte zwischen

Allokations- und Verteilungszielen

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 234

Paretianische Wohlfahrtsökonomik • Vollständige Konkurrenz als Referenzmodell• Wegen der fehlenden Voraussetzung des Referenzmodells in der

Realität wird gelegentlich der „Nirwana-Vorwurf“ erhoben; dennoch lassen sich empirisch überprüfbare Aussagen ableiten.

• Für normative Aussagen dient in der Wohlfahrtsökonomie das Konzept des Pareto-Optimums: Ein Zustand ist dann optimal, wenn kein Individuum besser gestellt werden kann, ohne ein anderes Individuum schlechter zu stellen.

nach VilfredoPareto (1896/97)

Wohlfahrtsökonomik und Wirtschaftspolitik (2)

Page 40: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

40

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 235

Vorteile des Pareto-Bewertungskriteriums:• Es ist strikt individualistisch (in methodologischer und ethischer

Hinsicht).• Es kann sowohl beim Vergleich individueller Bewertungen als

auch bei der Konstruktion kollektiver Bewertungen verwendet werden.

• Es hilft, da es eine gegebene Anfangsverteilung unterstellt, bei der Trennung zwischen Allokations- und Verteilungsproblemen.

Wohlfahrtsökonomik und Wirtschaftspolitik (3)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 236

Optimaler Gütertausch bei vollständiger Konkurrenz• Die Aufteilung zweier Güter auf zwei Individuen ist dann pareto-

optimal, wenn die Grenzraten der Gütersubstitution für sämtliche Individuen gleich sind (und damit der gesellschaftlichen Grenzrate der Gütersubstitution entsprechen).

• Die Menge aller Tauschoptima (bei unterschiedlicher Anfangsverteilung) liegt auf der Kontraktkurve im Güterraum und auf der Nutzenmöglichkeitskurve im Nutzenraum.

Wohlfahrtsökonomik und Wirtschaftspolitik (4)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 237

• Kontraktkurve und Nutzenmöglichkeitskurve

2qA

1q

2q

1q

BAu

Bu

N

N

Güterraum Nutzenraum

Wohlfahrtsökonomik und Wirtschaftspolitik (5)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 238

Optimale Faktorallokation bei vollständiger Konkurrenz• Die Allokation zweier Produktionsfaktoren auf die Produktion zweier

Güter ist dann pareto-optimal, wenn die Grenzraten der Faktorsubstitution in beiden Produktionsrichtungen identisch sind.

• Die Menge aller pareto-optimalen Faktorallokationen liegt auf der Kontraktkurve im Faktorraum und auf der Produktionsmöglichkeitenkurve (Transformationskurve) im Güterraum.

• Die Steigung der Transformationskurve ist die Grenzrate der Transformation.

Wohlfahrtsökonomik und Wirtschaftspolitik (6)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 239

• Kontraktkurve und Transformationskurve

L

K

1q

T

T

1OK

L

2O2q

Faktorraum Güterraum

Wohlfahrtsökonomik und Wirtschaftspolitik (7)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 240

Simultanes Tausch- und Produktionsoptimum bei vollständigerKonkurrenz (Wettbewerbsgleichgewicht)

Die (gesellschaftliche) Grenzrate der Substitution stimmt mit der Grenzrate der Transformation überein.

Wohlfahrtsökonomik und Wirtschaftspolitik (8)

Page 41: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

41

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 241

• Es gilt der 1. Hauptsatz der Wohlfahrtsökonomie: Jedes Wettbewerbsgleichgewicht ist ein Pareto-Optimum.

• Wirtschaftspolitische Konsequenzen aus dem 1. Hauptsatz:- Wettbewerb führt zu einem individuell und gesellschaftlich

optimalen Zustand.- Abweichungen von der vollständigen Konkurrenz führen zu

suboptimalen Zuständen und sollten daher korrigiert werden.

Wohlfahrtsökonomik und Wirtschaftspolitik (9)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 242

Wettbewerbsgleichgewicht und Wohlstandsgrenze

Die Umhüllende aller Nutzen-möglichkeitskurven ist die Wohlstandsgrenze (Nutzengrenze).

Zu jedem Güterbündel auf einerTransformationskurve korrespondiert eine Nutzenmöglichkeiten-kurve im Nutzenraum.

Wohlfahrtsökonomik und Wirtschaftspolitik (10)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 243

• Jeder Punkt auf der Wohlstandsgrenze ist ein Wettbewerbsgleichgewicht.

• Somit gilt unter vollständiger Konkurrenz auch der 2. Hauptsatz der Wohlfahrtsökonomie: Jedes Pareto-Optimum ist bei entsprechender Ausgangsverteilung als Wettbewerbsgleichgewicht realisierbar.

• Wirtschaftspolitische Konsequenzen aus dem 2. Hauptsatz:- Das Allokationsproblem kann bei vollständiger Konkurrenz vom

Verteilungsproblem getrennt werden.- Über die optimale Verteilung von Gütern und Produktionsfaktoren

muss mit Hilfe eines anderen Kriteriums entschieden werden.

Wohlfahrtsökonomik und Wirtschaftspolitik (11)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 244

Wohlfahrtsökonomik und Wirtschaftspolitik (12)

• Die oben hergeleiteten Bedingungen optimaler Allokation gelten nur für private Güter; bei anderen Arten von Gütern müssen sie modifiziert werden(Bsp: Regel von Samuelson für öffentliche Güter)

• Man unterscheidet Güter nach der Rivalität im Konsum einerseits und nach der Ausschließbarkeit vom Konsum andererseits

(Reine) öffentliche GüterAllmendegüterKeine Ausschließbarkeitvom Konsum

ClubgüterPrivate GüterAusschließbarkeit vom Konsum

Keine Rivalität im Konsum

Rivalität im Konsum

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 245

Soziale Wohlfahrtsfunktionen (1)

Aufgabe einer sozialen Wohlfahrtsfunktion

• Bewertung unterschiedlicher Nutzenverteilungen im Nutzenraum• Etablierung einer Rangordnung zwischen unterschiedlichen

Wettbewerbsgleichgewichten, die jeweils auf unterschiedlichen Ausgangsverteilungen basieren.

• Ermittlung eines Wohlfahrtsoptimums („Optimum Optimorum“), das sich als Tangentialpunkt von Wohlstandsgrenze und der Indifferenzkurve einer sozialen Wohlfahrtsfunktion ergibt.

• Das Wohlfahrtsoptimum bestimmt aus der Menge der möglichen Wettbewerbsgleichgewichte dasjenige, das auch aus Verteilungssicht optimal ist.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 246

Soziale Wohlfahrtsfunktionen (2)

• Wohlfahrtsoptimum („Optimum Optimorum“)

Page 42: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

42

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 247

Soziale Wohlfahrtsfunktionen (3)

• Eigenschaften einer sozialen Wohlfahrtsfunktion– Sie sollte von den individuellen Präferenzen bestimmt sein.– Sie sollte mit den individuellen Nutzen zunehmen.– Die Indifferenzkurven sollten normalerweise einen konvexen Verlauf

aufweisen.– In der Steigung der Indifferenzkurven äußert sich die gesellschaftliche

Ungleichheitsaversion.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 248

Soziale Wohlfahrtsfunktionen (4)

• Beispiele für soziale Wohlfahrtsfunktionen

– Bentham-Funktion: WB = uA + uB

– Bernoulli-Nash-Funktion: WN = uA uB

– Rawls-Funktion: WR = min [uA, uB]

– Verallgemeinerung durch die Bergson-Samuelson-Funktion: W = W (uA, uB)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 249

Soziale Wohlfahrtsfunktionen (5)

• Die Indifferenzkurven unterschiedlicher sozialer Wohlfahrtsfunktionen stehen für unterschiedliche Formen gesellschaftlicher Ungleichheitsaversion.

Um wieviel darf der Nutzen eines Individuums sinken, wenn sich der Nutzen des anderen Individuums erhöht.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 250

Das Unmöglichkeitstheorem (1)

• Es gibt verschiedene Möglichkeiten zur Festlegung einer sozialen Wohlfahrtsfunktion W bzw. einer bestimmten gesellschaftlichenUngleichheitsaversion

- Alle individuellen Bewertungen der möglichen Nutzenverteilungen stimmen (zufällig) überein, so dass W der Bewertung eines repräsentativen Individuums entspricht.

- Die gesellschaftliche Bewertung W wird diktatorisch festgesetzt.- Die gesellschaftliche Bewertung W wird in einem Wahlverfahren aus

den individuellen Bewertungen ermittelt.

Welches Wahlverfahren ist optimal?

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 251

Das Unmöglichkeitstheorem (2)

Einstimmige Entscheidungen versus Mehrheitswahl

• Vorteile einstimmiger Entscheidungen:- Wenn alle Individuen einstimmig einer Verteilung zustimmen, kann

sich damit kein Individuum verschlechtern (Analogie zum Pareto-Kriterium)

• Nachteile einstimmiger Entscheidungen:- Hohe Transaktionskosten der Entscheidungsfindung, denn sehr

viele Alternativen müssen geprüft werden, bis eine einstimmige Entscheidung zustande kommt.

- Jedes Individuum hat ein mächtiges Vetorecht.- Es besteht die Gefahr strategischen Abstimmungsverhaltens.

• Gibt es ein Verfahren der Mehrheitswahl, mit denen sich die Probleme der Einstimmigkeitsregel vermeiden lassen?

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 252

Das Unmöglichkeitstheorem (3)

Das Wahlparadoxon• Unter bestimmten Umständen kann durch Mehrheitswahl aus

individuellen Präferenzen keine eindeutige gesellschaftliche Bewertung (und damit keine soziale Wohlfahrtsfunktion) gewonnen werden.

• Voraussetzung für das Wahlparadoxon:- 3 Individuen haben Präferenzen über drei Alternativen.- Über die Alternativen wird paarweise mit Mehrheit abgestimmt.- Aus den Mehrheitsentscheidungen wird auf die gesellschaftliche

Bewertung geschlossen.

entdeckt durch den Marquis de Condorcet (1785)

Page 43: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

43

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Das Unmöglichkeitstheorem (4)

• Präferenzen der Wähler für die 3 Alternativen

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Das Unmöglichkeitstheorem (5)

• Es kann das Phänomen zyklischer Mehrheiten auftreten:

- Wenn zunächst zwischen x und z abgestimmt wird, gewinnt z mit Mehrheit. Wenn danach zwischen z und y abgestimmt wird, gewinnt y mit Mehrheit. Die gesellschaftliche Präferenzordnung wäre dann also y > z >x.

- Würde dagegen zunächst zwischen y und x abgestimmt, würde x mit Mehrheit gewinnen. Bei der Entscheidung zwischen x und z würde dann z mit Mehrheit gewinnen. Die gesellschaftliche Präferenzordnung wäre also z > x > y.

• Offenbar hängt das Ergebnis von der Reihenfolge der Abstimmung ab.• Können andere Verfahren der Mehrheitswahl dieses Problem

umgehen?

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Das Unmöglichkeitstheorem (6)

• Borda-Wahl (Vergabe von Rangziffern) als Alternative?– Bei einer Abstimmung über n Alternativen gibt jeder Wähler der

Alternative mit der höchsten Präferenz n Stimmen, der auf dem zweiten Platz n-1 Stimmen und der Alternative auf dem letzten Platz 1 Stimme. Gewonnen hat die Alternative mit der höchsten Stimmenzahl

– Im obigen Beispiel der Condorcet-Wahl, erhält nach dem Borda-Kriterium jede Alternative 6 Stimmen; es gibt also kein eindeutiges Ergebnis.

– Mehrheitswahl und Bordawahl können zu völlig gegensätzlichen Ergebnissen führen

nach J.-C. de Borda (1784)

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Das Unmöglichkeitstheorem (7)

• Beispiel: The Fatal Vote- Bei der Entscheidung über die Bundeshauptstadt standen 1991 drei

Alternativen im Bundestag zur Wahl:Bonn, Berlin oder Aufteilung der Bundesorgane auf beide Städte

- Die Präferenzen der Abgeordneten ließen sich in folgender Weise- rekonstruieren:

198170289Bonn

170265222Berlin

289222146Aufteilung

3. Rang2. Rang1. Rang Zahl der Stimmen

o Bei Condorcet-Wahlgewinnt Berlin (wie auch tatsächlich geschehen)

o Bei Borda-Wahl hätte Bonn mit 1405 Punkten gewonnen.

W. Leininger (1993)

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Das Unmöglichkeitstheorem (8)

Das Unmöglichkeitstheorem

• Verallgemeinerung des Wahlparadoxons durch eine axiomatische Betrachtung

• Es gibt prinzipiell kein Wahlverfahren, durch das man aus individuellenPräferenzen über mehr als zwei Zustände eine eindeutige sozialeWohlfahrtsfunktion gewinnen kann, sofern vier plausible Annahmengelten:

- Keine Beschränkung individueller Präferenzen- Transitivität- Ausschluss der Diktatur eines Einzelnen- Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen

(paarweiser Vergleich)

aufgestellt durch K. Arrow (1951)

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Das Unmöglichkeitstheorem (9)

• Ein sinnvoller Weg zur Überwindung des Unmöglichkeitstheorems ist die Beschränkung individueller Präferenzen auf Eingipfligkeit

– durch einen gesellschaftlichen Grundkonsens über beste oder schlechteste Alternativen (als Ergebnis ausgiebiger Diskussion vor der Abstimmung)

– durch Beschränkung der Wahl auf eindimensionale Entscheidungen (nur zwei Alternativen zur Auswahl)

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44

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Das Unmöglichkeitstheorem (10)

Das Wahlparadoxon entsteht nämlich bei Mehrgipfligkeit von mindestens einer individuellen Präferenzordnung

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Begründungen für Ziele und Zielbeziehungen (1)

Begründungen für einzelne Ziele der praktischen Wirtschaftspolitik• Effizienz- und Allokationsaspekte

- Korrektur von (mikroökonomischen) Marktfehlern- Korrektur makroökonomischer Instabilität

• Verteilungsaspekte: Korrekturen der Ausgangsverteilung entsprechend einer gegebenen gesellschaftlichen Wohlfahrtsfunktion

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Begründungen für Ziele und Zielbeziehungen (2)

• Außerökonomische Aspekte: Allgemeine gesellschaftliche Grundwerte

- Freiheit- Gerechtigkeit- Sicherheit

Paternalismus: Sorge des Staates um das Wohlergehen seiner Bürger durch Bereitstellung meritorischer Güter (z. B. besondere kulturelle Leistungen)

Beliebte Staats- und Verfassungs-ziele

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Begründungen für Ziele und Zielbeziehungen (3)

Beziehungen zwischen den Zielen der Wirtschaftspolitik

• Harmonie zwischen den Zielen: Das Erreichen eines Ziels fördert auch das Erreichen eines anderen Ziels.

• Neutralität der Ziele: Das Erreichen eines Ziels hat keinen Einfluss auf andere Ziele.

• Konflikt zwischen den Zielen: Das Erreichen eines Ziels hat einen negativen Einfluss auf das Erreichen eines anderen Ziels.

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Begründungen für Ziele und Zielbeziehungen (4)

• Probleme beim Aufstellen einer eindeutigen gesellschaftlichen Wohlfahrtsfunktion

• Transaktionskosten der Umverteilung verringern den Bereich effizienter Allokation

• Fehlende Berücksichtigung dynamischer Effekte von Umverteilung

• Second best-Überlegungen

Wohlfahrtsökonomische Gründe für das Auftreten von wirtschaftspolitischen Zielkonflikten

Transaktionskosten verschieben die Netto-Nutzengrenze nach innen.

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Begründungen für Ziele und Zielbeziehungen (5)

Theorie des second best• In der Wohlfahrtstheorie wird diskutiert, dass es nicht immer sinnvoll

ist, alle (Allokations-)Ziele der Wirtschaftspolitik gleichzeitig anzustreben.

• In der Realität sind bereits wichtige Voraussetzungen des Referenzmodells der vollständigen Konkurrenz nicht gegeben.

• Zur Maximierung der gesellschaftlichen Wohlfahrt ist es dann aber unter Umständen angezeigt, auch von anderen Voraussetzungen des Referenzmodells bewusst abzuweichen, um ein second best-Optimum zu erreichen.

Page 45: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

45

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Begründungen für Ziele und Zielbeziehungen (6)

• Beispiele für second best-Zielbeziehungen

- Marktvollkommenheit und Wirtschaftswachstum (s. Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität)

- Phillips-Kurve: Konflikt zwischen den Zielen Vollbeschäftigung und Preisniveaustabilität; die Arbeitslosigkeit kann nur dann weiter gesenkt werden, wenn man Inflation in Kauf nimmt.

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Begründungen für Ziele und Zielbeziehungen (8)

• Lösung von Zielkonflikten durch Kompensationszahlungen?– Kaldor-Hicks-Kompensationskriterium:

Eine effizienzerhöhende Maßnahme ist trotz Umverteilung netto-wohlfahrtserhöhend, wenn die Gewinner die Verlierer nachträglich entschädigen könnten.

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Begründungen für Ziele und Zielbeziehungen (9)

– Praktische Umsetzung des Kompensationskriteriums in Nutzen-Kosten-Analysen zur Beurteilung öffentlicher Projekte.

– Probleme des Kompensationskriteriums: Gefahr intransitiver Rangordnungen und fehlende Berücksichtigung der tatsächlichen Verteilungswirkungen.

– Alternativvorschlag:Statt vieler Einzelfallkompensationen sollte eine gruppenbezogene Generalkompensation durchgeführt werden.

C. C. von Weizsäcker (1984, 1998)

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Operationalisierung einzelner Ziele (1)

Vollbeschäftigung• Arten der Arbeitslosigkeit

- klassisch/ keynesianisch / friktionell-strukturell- registriert / verdeckt (stille Reserve)

• Arbeitslosenquoten- Berechung der Bundesanstalt für Arbeit:

registrierte Arbeitslose als Anteil an den abhängigen zivilen Erwerbspersonen

- Berechnung der OECD („standardisierte Quoten“): durch Stichproben ermittelte Zahl der Arbeitslosen als Anteil an allen Erwerbspersonen

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Operationalisierung einzelner Ziele (2)

• Beveridge-Kurve als Diagnoseinstrument der Arbeitsmarktpolitik

- Vergleich zwischen der Zahl der Arbeitslosen U und der Zahl der offenen Stellen V

- Bewegungen entlang der Beveridge-Kurve spiegeln den generellen Angebotsüberhangam Arbeitsmarkt, Verschiebungen der Kurve dagegen die friktionell-strukturelleKomponente der Arbeitslosigkeit wider.

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Operationalisierung einzelner Ziele (3)

Preisniveaustabilität• Stabilität des Geldwertes

- Innere Stabilität (Preisniveaustabilität)- Äußere Stabilität (Wechselkursstabilität)

• Inflation als Abweichung von der Preisniveaustabilität kann nach dem auslösenden Phänomen unterschieden werden:

- Kosteninflation (Lohnkosten, Rohstoffpreise)- Nachfrageinflation (Gesamtwirtschaftliche Nachfrage)- Importierte Inflation (Kosten- und/oder Nachfrageeffekte aus dem

Ausland)

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46

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 271

Operationalisierung einzelner Ziele (4)

• Messung von Inflation durch einen Preisindex für die Lebenshaltung (Laspeyres-Index)

- Messung der Preisveränderung für Güter in einem Warenkorb mit gegebenem Gewichtungsschema

- Probleme können bei der Anpassung des Gewichtungsschemas an Veränderung der Verbrauchsgewohnheiten entstehen

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 272

Operationalisierung einzelner Ziele (5)

• Fehlerquellen bei der Interpretation des Verbraucherpreisindexes:- Veränderungen der relativen Preise: Verbraucher fragen eher billige Güter

nach, deren Anteil im Index dann zu gering ausgewiesen wird.- Auftreten neuer Vertriebsformen: Verbraucher wechseln zu billigeren

Lieferanten.- Preisänderungen als Reflex von Qualitätsverbesserungen: statistische

Erfassung schwierig- Einführung neuer Güter: Die Preise neuer Güter sinken häufig gerade dann,

wenn sie noch nicht im Preisindex erfasst sind.

• Die Fehlerquellen können eine Überzeichnung der gemessenen Inflationsrate um bis zu 2 Prozentpunkte bewirken.

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Operationalisierung einzelner Ziele (6)

• Verfahren zur Berechnung einer Kerninflationsrate: - Ausschluss solcher Güter aus dem Index, deren Preise eine

übergroße Volatilität aufweisen (Brennstoffe, Obst und Gemüse)- Berechnung der Gewichte im Warenkorb unter Berücksichtigung

der Preisvolatilität - Methode der getrimmten Mittelwerte

• Harmonisierter Verbraucherpreisindex (HVPI) zur Inflationsmessung in der Euro-Zone

- Einheitliches Messverfahren und einheitliches Güterbündel- Länderspezifische Gewichte des Warenkorbes- Unterscheidung von fünf Hauptkomponenten

(unverarbeitete Nahrungsmittel, verarbeitete Nahrungsmittel, Energie, Industrieerzeugnisse, Dienstleistungen)

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Operationalisierung einzelner Ziele (7)

• Alternative Inflationsmaße:- Preisindex (Deflator) für das Bruttoinlandsprodukt

(Paasche-Index)o Messung der Veränderungen von Ausgaben für einzelne Gütero Variables Gewichtungsschema

- Preisindex aller monetären Transaktioneno geeignet zur Messung einer möglichen asset inflationo übergroßer Einfluss der Preise von Vermögenswerten

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Operationalisierung einzelner Ziele (8)

• Bekämpfung der Deflation als Ziel der Wirtschaftspolitik?

- Deflation bringt die Gefahr eines kumulativen Abschwungs bei sinkendem Preisniveau mit sich.

- Deflation erhöht den Realwert der Kassenhaltung und mindert damit Investitionen und Realkapitalbildung(Tobin-Effekt).

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 276

Operationalisierung einzelner Ziele (9)

Zahlungsbilanzausgleich

Page 47: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

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© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 277

Operationalisierung einzelner Ziele (10)

• Beziehung zwischen Zahlungsbilanz und Gütermarkt- Leistungsbilanzdefizite oder -überschüsse reflektieren

Ungleichgewichte zwischen Investieren und Sparen in einer offenen Volkswirtschaft.

- Den Leistungsbilanzsalden stehen entsprechende Salden der Kapitalbilanz gegenüber. Dauerhafte Salden sind selten.

• Beziehung zwischen Zahlungsbilanz und Devisenmarkt- Ungleichgewichte der Zahlungsbilanz schlagen sich in einem

Ungleichgewicht der Devisenbilanz nieder.- Entweder es kommt zu einer Zu- oder Abnahme von

Devisenreserven oder zu einer Veränderung des Wechselkurses.

X-M = S-I

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Operationalisierung einzelner Ziele (11)

Wirtschaftswachstum• Das Wirtschaftswachstum wird gemessen durch die Wachstumsrate des

realen BSP oder BIP• Probleme bei der Verwendung von BSP und BIP als Wohlstandsmaß

- Fehlende Berücksichtigung außermarktlicher Gütererstellung- Unzureichende Berücksichtigung staatlicher Leistungen- Unbefriedigende Berücksichtigung wohlstandsmindernder

Aktivitäten- Fehlende Berücksichtigung von Verteilungsaspekten

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Operationalisierung einzelner Ziele (12)

• Alternative Verfahren zur Wohlfahrtsmessung - Modifikation und Erweitung der Volkswirtschaftlichen

Gesamtrechnung durch Satellitensysteme o Berücksichtigung von Schwarzarbeito Berücksichtigung von umweltrelevanten Aktivitäten

- Kalkulation eines eigens definierten Wohlfahrtsmaßes (z. B. Measure of Economic Welfare)

- Kalkulation eines Index aus mehreren sozialen Indikatoren (z. B. Human Development Index, HDI, des UNDP)

nach Nordhaus und Tobin(1973)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 280

Operationalisierung einzelner Ziele (13)

Umweltschutz• Berücksichtigung ökonomisch-ökologischer Kreislaufbeziehungen

- Umwelt als Lieferant von Produktionsinputs- Umwelt als Empfänger von Produktionsoutputs- Umwelt als Lieferant von Lebensqualität

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 281

Operationalisierung einzelner Ziele (14)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 282

Operationalisierung einzelner Ziele (15)

• Messung von Beeinträchtigungen der Umweltqualität

- Messung der Umweltschäden

- Messung der Immissionen in die Umweltmedien

- Messung der Emissionen durch die Schadstoffverursacher

Page 48: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

48

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 283

Operationalisierung einzelner Ziele (16)

• Die umweltökonomischen Gesamtrechungen (UGR) des Statistischen Bundesamtes wollen mit einer Vielzahl monetärer und nicht-monetärer Daten Veränderungen des Umweltkapitalstocks dokumentieren:

- Indikatoren der Umweltbelastung (Pressure)- Indikatoren des Umweltzustandes (State)- Indikatoren des Umweltschutzes (Response)

• Der Deutsche Umweltindex (DUX) des Umweltbundesamtes ist ein Gesamtindikator, der sich additiv aus normierten Zielabweichungswerten in sechs Umweltbereichen zusammensetzt.(Klima, Luft, Boden, Wasser, Energie, Rohstoffproduktivität)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 284

Operationalisierung einzelner Ziele (17)

Verteilungsgerechtigkeit• Messung der funktionalen Verteilung (zwischen Arbeits- und

Kapitaleinkommen)- Lohnquote: Anteil der Lohneinkommen am Volkseinkommen- Bereinigte Lohnquote: Berücksichtigung von Veränderungen in der

Struktur der Erwerbstätigen (Verhältnis von Selbstständigen zu Unselbstständigen)

- Ergänzte Lohnquote: Berücksichtigung der (hypothetischen) Arbeitseinkommen der Selbstständigen

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 285

Operationalisierung einzelner Ziele (18)

• Messung der personalen Verteilung (auf einzelne Personen oder Personengruppen)

- Verteilung des Volkseinkommens auf einzelne Quantile, d. h. auf Prozentanteile der Gesamtzahl der Einkommensbezieher (z. B. auf einzelne Quintile oder Dezile)

- Lorenz-Kurve als Darstellung der personalen Verteilung über die Gesamtzahl der Einkommensbezieher

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 286

Operationalisierung einzelner Ziele (19)

Lorenz-Kurve für die Verteilung von Einkommen

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 287

Operationalisierung einzelner Ziele (20)

- Gini-Koeffizient:Vergleich der personalen Verteilung gemäß Lorenz-Kurve mit der hypothetischen personalen Gleichverteilung

o Vollkommene Gleichverteilung entspricht einemGini-Koeffizienten von 0.

o Vollkommene Ungleichverteilung entspricht einem Gini-Koeffizienten von 1.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 288

Operationalisierung einzelner Ziele (21)

• Indikatoren zur Armutsmessung- Messung absoluter Armut: Einkommen von weniger als 1 US

Dollar pro Tag oder 400 US Dollar pro Jahr

- Messung relativer Armut durch die Armutsgrenze (ein Drittel oder die Hälfte des Durchschnittseinkommens) oder durch die Armutsquote (Anteil der Einkommensbezieher unterhalb der Armutsgrenze an der Gesamtzahl der Einkommensbezieher)

Konzept der Weltbank

Page 49: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

49

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 289

Entwicklung des Wirtschaftswachstums in Deutschland 1970-2003

Zahlen zur Erreichung der wirtschafts-politischen Ziele in Deutschland (1)

1) in Preisen von 19952) Angaben für das alte Bundesgebiet3) Angaben für Gesamtdeutschland

Quelle: Statistisches Bundesamt

2,82,51,33,10,11,9

2,082,61,53,1-0,11,1

Ø1970 – 1980 1,2)

Ø1980 – 1991 1,2)

Ø1991 – 2001 1,3)

2000 3)

2003 3)

2004 3)

Wachstumsrate des

Realen BSP 1) in %

Wachstumsrate des realen BIP

in % 1)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 290

Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Deutschland 1970-2003

Zahlen zur Erreichung der wirtschafts-politischen Ziele in Deutschland (2)

1) Angaben für das alte Bundesgebiet2) Angaben für Gesamtdeutschland

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Eurostat

-7,2 (1985)8,0 (1995)

8,59,19,59,5

2,97,99,210,311,611,713

Ø1970 – 1979 1)

Ø1980 – 1989 1)

Ø1991 – 1999 2)

2000 2)

2003 2)

2004 2)

2005 2)

Standardisierte ALQ

Arbeitslosenquote im Jahresdurchschnitt in

%

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 291

Entwicklung der Inflation in Deutschland 1970-2003

Zahlen zur Erreichung der wirtschafts-politischen Ziele in Deutschland (3)

1) Angaben für das alte Bundesgebiet2) Angaben für Gesamtdeutschland3) 2000=100

Quelle: Statistisches Bundesamt

5,12,72,41,41,1

Ø1970 – 1979 1)

Ø1980 – 1990 1)

Ø1991 – 1999 2)

2000 2)

2003 2)

Preisindex für die Lebenshaltung

1,41,90,90,61,41,11,72,1

1,21,50,60,61,41,01,81,9

19961997199819992000200320042005

Preisindex für die

Lebenshaltung (Veränderung Vorjahr in %)3)

HVPI (Veränderung im

Vorjahr in %)2005=100

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 292

Entwicklung der Zahlungsbilanz in Deutschland 1970-2003

Zahlen zur Erreichung der wirtschafts-politischen Ziele in Deutschland (4)

Quelle: Bundesbank1) Angaben für das alte Bundesgebiet2) Angaben für Gesamtdeutschland

+46,0+222,3-61,3-35,2+40,3+81,9+92,2

+34,7-44,6

+144,8-48,2-2,0+3,9

1970 – 1979 1)

1980 – 1989 1)

1991 – 1999 2)

2000 2)

2003 2)

2004 2)

2005 2)

Kumulierte Veränderung der Leistungsbilanz

in Mrd. €

Kumulierte Veränderung

der Devisenbilanz in

Mrd. €

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 293

Entwicklung der Einkommensverteilung in Deutschland

Zahlen zur Erreichung der wirtschafts-politischen Ziele in Deutschland (5)

Quelle: EU-Kommission, Hauser/Wagner (2002)

1) Anteil an BIP zu Faktorkosten bei konstant gehaltenem Anteil der Beschäftigten des Jahres 19912) Anteil der Einkommen, die bei weniger als 50% des Durchschnittseinkommens liegen, am Gesamteinkommen3) Angaben für das alte Bundesgebiet4) Angaben für Gesamtdeutschland5) Angaben für die neuen Bundesländer

6,5 (1973) 3)

7,7 (1983) 3)

10,3 (1993) 3)

3,1 (1993) 5)

9,1 (2003) 5)

0,340 (1970) 3)

0,352 (1983) 3)

0,355 (1993) 3)

0,323 (1993) 5)

-

73,7 3)

70,9 3)

67,9 4)

66,9 4)

1971 – 19801981 – 19901991 – 2000

2003

Armutsquote 2)

in %Gini-Koeffizient der

Bruttolohneinkommen in %

Bereinigte Lohnquote 1) in %

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 294

Entwicklung des Umweltschutzes in Deutschland

Zahlen zur Erreichung der wirtschafts-politischen Ziele in Deutschland (6)

Quelle: Umweltbundesamt, Sacherständigenrat

1) Angaben für das alte Bundesgebiet 2) Angaben für Gesamtdeutschland Quelle: Umweltbundesamt

---

1076 1) (1985)1,01 2)

0,90 2)

0,86 2)

0,87 2)

23,9 1)

22,3 1)

18,8 1)

17,1 1)

31,2 2)

27,1 2)

13,9 2)

13,0 2)

19701978198219861990199519992001

Emissionen an CO2 in Mio.

t

Emissionen an Luftschadstoffen

1) in Mio. t

61570433

32024299

615698-10029523982

Einzelwerte (jeweils max. 1000 Punkte):KlimaLuftBodenWasserEnergieRohstoffe

20131829DUX Gesamtwert (max. 6000 Punkte)

September 2003

September 2002

Page 50: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

50

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 295

Beispiel: Kuznets-Kurven (1)

Ursprüngliche Kuznets-Hypothese:• Im Querschnitt von Industrie-

und Entwicklungsländern zeigt sich, dass die Ungleichheit der Einkommensverteilung mit steigendem Sozialprodukt pro Kopf zunächst zunimmt, später aber wieder abgebaut wird.

nach S. Kuznets(1957)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 296

Beispiel: Kuznets-Kurven (2)

• Konzeptionelle Probleme der ursprünglichen Kuznets-Kurve

– Messung des Wachstums durch das reale BSP pro Kopf– Messung der Verteilungsgerechtigkeit durch Einkommensanteile der

unteren zwei Quintile– Querschnittsanalyse statt Zeitreihenanalyse– Unklare Aussagen über Einkommenshöhe und -verteilung im

„informellen Sektor“.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 297

Beispiel: Kuznets-Kurven (3)

• Erklärungen für die ursprüngliche Kuznets-Kurve

– Strukturwandel: Wachstumsfördernde Innovationen treten ungleichmäßig in einzelnen Sektoren auf.

– Beziehung zwischen funktionaler und personaler Verteilung: Wirtschaftswachstum begünstigt zunächst die Kapitalbesitzer; erst wenn Arbeit knapp wird, kommt es auch zu Lohnsteigerungen.

– Bevölkerungswachstum: Die funktionale Verteilung wird auch durch das Wachstum des Arbeitskräftepotentials im Wachstumsprozess beeinflusst.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 298

Beispiel: Kuznets-Kurven (4)

• Wirtschaftspolitische Implikationen der ursprünglichen Kuznets-Kurve?

- Höheres Wachstum kann auch mit größerer Gleichheit der Einkommen und Vermögen verbunden sein.

- Neue Wachstumstheorie sieht Verteilungsgerechtigkeit sogar als wichtige Determinante des Wachstums.

o Gleichverteilung fördert Humankapitalbildung.o Ungleichverteilung fördert eine wachstumsfeindliche

Wirtschaftspolitik.o Ungleichverteilung verhindert den Aufbau von Sozialkapital, das

die Grundlage für eine funktionsfähige Wirtschaftsordnung bildet.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 299

Beispiel: Kuznets-Kurven (5)

• Weiterentwickung: Ökologische Kuznets-Kurve

– Im Querschnitt von Industrie-und Entwicklungsländern zeigt sich, dass die Umweltqualität bei steigendem Sozialprodukt pro Kopf zunächst abnimmt, später aber wieder zunimmt.

Sozialprodukt pro Kopf

Umwelt-qualität

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 300

Kontrollfragen

Welche normativen Vorstellungen über Verteilungsgerechtigkeit liegen den sozialen Wohlfahrtsfunktionen nach Bentham, Bernoulli-Nash und Rawls zugrunde?Geben Sie jeweils ein konkretes Beispiel für die Zielbeziehungen Harmonie, Neutralität und Konflikt an.Stellt die Kuznet-Kurve ein Beispiel für einen Zielkonflikt dar?Welche Art von Arbeitslosigkeit wird durch eine Verschiebung derBeveridge-Kurve repräsentiert?Wie muss eine Lorenzkurve verlaufen, bei der ein Haushalt 100% des Einkommens erhält? Wie hoch ist dann der Gini-Koeffizient?Welches Verhalten muss man den Wirtschaftssubjekten unterstellen, damit sich die kurzfristige und die langfristige Phillips-Kurve unterscheiden?

Page 51: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

51

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 301

Teil 6 - Überblick

Anwendungen der Neuen Politischen Ökonomie

Alte und Neue Politische Ökonomie

Ökonomische Theorie der Demokratie

Ökonomische Theorie der Interessenverbände

Ökonomische Theorie der Bürokratie

Glaubwürdigkeit von Institutionen

Koordination von Institutionen

Beispiel: Das Bündnis für Arbeit

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 302

Alte und Neue Politische Ökonomie (1)

Politische Ökonomie / Political Economy / Economie Politique• Anderer Begriff für theoretische und/oder praktische

Wirtschaftspolitik bzw. für Volkswirtschaftslehre insgesamt.- Erstmals geprägt durch Antoine de Montchrétien,

Traité de l‘oeconomie politique, 1615- Besonders betont von David Ricardo,

Principles of Political Economy and Taxation, 1817- Kritisch verwendet durch Karl Marx, Das Kapital.

Kritik der politischen Ökonomie, 3 Bände, 1867, 1885, 1894

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 303

Alte und Neue Politische Ökonomie (2)

• Besondere Berücksichtigung von Verteilungsfragen und Verteilungskonflikten

• Berücksichtigung von Interdependenzen zwischen ökonomischen Verhältnissen und (wirtschafts-) politischen Entscheidungen

• Nach der „neoklassischen Revolution“ (1870) trennen sich die Analysemethoden für ökonomische und politische Prozesse

Mathematisierung der ökonomischen Theorie durch Anwendung der Marginalanalyse

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 304

Alte und Neue Politische Ökonomie (3)

Neue Politische Ökonomie / Ökonomische Theorie der Politik• Anwendung des Instrumentariums der modernen Wirtschaftstheorie,

insbesondere der (neoklassischen) Mikroökonomie, in der Analyse kollektiver (politischer) Entscheidungsprozesse.

• Teil des „ökonomischen Imperialismus“ in den Sozialwissenschaften- Politologie- Soziologie- Rechtswissenschaften- Wirtschafts- und Sozialgeografie

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 305

Alte und Neue Politische Ökonomie (4)

Besonderheiten der Neuen Politischen Ökonomie• Methodologischer Individualismus• Rationalverhalten der Individuen• Heterogenität der Individuen

- ex ante: unterschiedliche Präferenzen oder unterschiedliche Ausgangsverteilungen

- ex post: unterschiedliche Endverteilungen• Ein erster Ansatz der neuen Methode findet sich bei

J. A. Schumpeter.

Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie (1942)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 306

Ökonomische Theorie der Demokratie (1)

Modell der parlamentarischen Demokratie • Aufbauend auf Schumpeter entwickelt von A. Downs.• Analogie zum Modell des räumlichen Wettbewerbs.• 2 Parteien („Anbieter“) konkurrieren mit der Hilfe von

Parteiprogrammen („Güter“) um Wählerstimmen („Nachfrager“).• Es gibt keine Wahlenthaltung.• Die Parteiprogramme sind der Einfachheit halber eindimensional, d. h.

sie beschäftigen sich nur mit einem Thema (z. B. der Wirtschaftsordnung).

• Das Angebot jeder Partei beschreibt genau einen Punkt auf einer programmatischen Skala.

An economictheory of democracy(1957)

Page 52: Wirtschaftspolitik Ziele, Instrumente, Institutionen

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© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 307

Ökonomische Theorie der Demokratie (2)

• Die Wähler entscheiden nach der räumlichen Nähe des Angebots zu ihren eigenen Präferenzen.

• Die Präferenzen der Wähler seien zunächst gleichverteilt.• Ergebnis des Modells ist die Dominanz des Medianwählers M.

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 308

Ökonomische Theorie der Demokratie (3)

Weiterentwicklungen des Downs-Modells• Alternative Wählerpräferenzen

⇒ Dominanz von M bleibt erhalten

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 309

Ökonomische Theorie der Demokratie (4)

• Auftreten weiterer und neuer Parteien

• Berücksichtigung möglicher Stimmenthaltung

• Berücksichtigung mehrdimensionaler Parteiprogramme

• Berücksichtigung der innerparteilichen Demokratie

⇒ Dominanz von M wird gedämpft

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 310

Ökonomische Theorie der Interessenverbände (1)

Warum gibt es Interessenverbände und worin liegt ihre enorme politische Macht begründet?

• Theoretische Begründung durch M. Olson.• Erklärung für unterschiedlich große „Marktmacht“ von organisierten

Lobby-Gruppen und für „institutionelle Sklerosen“.• Modifikation der Theorie öffentlicher Güter zu einer Theorie privater

Kollektivgüter (Clubgüter).

The logic of collectiveaction (1965)

© Verlag Pearson Studium 2006 Seite 311

Ökonomische Theorie der Interessenverbände (2)

Nutzen von Lobbyismus in der Politik• Folge asymmetrischer Informationsverteilung zwischen Politikern und

Wählern.• Lobbyismus ist gezielte und einseitig auf bestimmte Interessen

ausgerichtete Informationsvermittlung an die Träger der Wirtschaftspolitik.

• Umgekehrt kann der Interessenverband auch gezielt Informationen über politische Maßnahmen an seine Mitglieder übermitteln.

• Durch beide Informationsasymmetrien entsteht eine eigenständige politische Macht der Verbände.

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Ökonomische Theorie der Interessenverbände (3)

Rationalkalküle der Verbandsmitglieder• Welche Bedeutung besitzt die Verbandszielsetzung im individuellen

Nutzenkalkül?• Welche Bedeutung besitzen mögliche Zusatzleistungen des Verbandes

im individuellen Nutzenkalkül?• Wie verhalten sich die Grenzkosten der Verbandsmitgliedschaft zu den

möglichen Grenznutzen?

Warum lohnt es sich, ADAC-Mitglied zu werden?

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Ökonomische Theorie der Interessenverbände (4)

Konsequenzen der Rationalkalküle sind wichtige Asymmetrien in der praktischen Arbeit von Interessenverbänden• Anbieterinteressen sind leichter organisierbar als Nachfragerinteressen.• Interessen der Einkommenserzielung sind leichter

organisierbar als Interessen der Einkommensverwendung.• Interessen kleiner, aber gut organisierter Gruppen, haben ein

unverhältnismäßig hohes politisches Gewicht.• Verbände können durch Angebot von Zusatzleistungen ihre

Marktmacht verstärken oder verlängern.

Beispiel Landwirte

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Ökonomische Theorie der Interessenverbände (5)

Maßnahmen zur Eindämmung der Verbandsmacht• Gezielter Aufbau von Gegenmacht (Countervailing Powers)• Aufbau „unabhängiger“ Informationskanäle zwischen

Politikern und Wählern• Strikte rechtliche Eingrenzung des Verbandszwecks• Förderung ökonomischen und politischen Wettbewerbs• Beispiel: Der Druck von GATT und WTO zwang die EU

nach 1990, gegen den Widerstand der Bauernverbändeihre Agrarpolitik zu reformieren (Wechsel vonPreisstützung zu Direkthilfen).

Beispiel Arbeitsmarkt

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Ökonomische Theorie der Bürokratie (1)

Einfluß des „Innenlebens“ von Trägern der Wirtschaftspolitik auf deren wirtschaftspolitische Entscheidungen• Berücksichtigung hierarchischer und bürokratischer

Strukturen• Berücksichtigung institutioneller Pfadabhängigkeiten• Berücksichtigung besonderer Prinzipal-Agenten-Probleme

durch Informationsasymmetrien zwischen Politik und Bürokratie

„Wir haben das schon immer so gemacht!“

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Ökonomische Theorie der Bürokratie (2)

Ziele der Bürokraten (bei fest vorgegebenem Einkommen)• Höheres Prestige• Größere Macht

Mittel zum Erreichen der Ziele• Umfang der verwalteten Budgets• Zahl der untergebenen Mitarbeiter• Zahl der Hierarchieebenen

Konsequenzen bürokratischen Handelns• Allokative Ineffizienz (überhöhtes Angebot)• X-Ineffizienz (überhöhte Kosten)

nach H. Leibenstein(1966)

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Ökonomische Theorie der Bürokratie (3)

Allokative Ineffizienz und X-Ineffizienz in Bürokratien

S2

S1

qsX qs

W qsA qs

M

D

Überhöhte Kosten führen zur Verschiebung der Angebotskurve von S1nach S2 (X-Ineffizienz)

Wegen Budgetmaximierung (Budget entspricht Fläche unter der Angebotskurve) wir mehr angeboten als notwendig (z.B. qs

A).

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Ökonomische Theorie der Bürokratie (4)

Maßnahmen zur Eindämmung der Macht der Bürokratie• Klare Zuordnung von Aufgaben und Kosten

(z. B. durch Subsidiarität)• Strikte Kontrolle der Bürokraten durch Aufsichtsgremien

(z. B. durch Rechnungshöfe)• Wettbewerb zwischen Bürokratien (z. B. durch Föderalismus)• Wettbewerb zwischen Bürokratien und privaten Anbietern

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Glaubwürdigkeit von Institutionen (1)

Regelbindung versus diskretionäre Handlungsspielräume wirtschaftspolitischer Institutionen

• Gründe für Regelbindung- Begrenzung von Eigeninteressen der Bürokratie- Erhöhung der Glaubwürdigkeit wirtschaftspolitischer Maßnahmen- Vermeidung möglicher interner Wirkungsverzögerungen der

Wirtschaftspolitik (insb. decision lags)

• Gründe für diskretionäre Spielräume• Interne Anreizprobleme bei Überregulierung• Angemessene Reaktion auf unvorgesehene (und daher nicht

geregelte) Ereignisse

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Glaubwürdigkeit von Institutionen (2)

Glaubwürdigkeit und Zeitkonsistenz • Ergebnis der Lucas-Kritik: Die Träger der Wirtschaftspolitik

und diejenigen, die von wirtschaftspolitischen Entscheidungen betroffen sind, befinden sich in einerSpielsituation.

• Die Ziele der Akteure sind heterogen.• Ohne Berücksichtigung der strategischen Interdependenzen drohen

unerwartete und unerwünschte Ergebnisse wirtschaftspolitischer Eingriffe.

F. Kydland und E. Prescott (1977); Nobelpreis 2004

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Glaubwürdigkeit von Institutionen (3)

• Zudem taucht bei mehrperiodigen Spielen das Problem der möglichen Zeitinkonsistenz auf: Entscheidungen, die zum Zeitpunkt t = 0 optimal sind, erweisen sich unter Umständen im Zeitpunkt t = 1 als nicht mehr optimal.

• Voraussetzung: Mindestens 1 Spieler hat sich zwischen beiden Zeitpunkten auf eine nicht mehr reversible Strategie festgelegt.

• Bei Wissen um eine mögliche Zeitinkonsistenz werden alle Mitspieler ihr Verhalten schon in t = 0 entsprechend anpassen.

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Glaubwürdigkeit von Institutionen (4)

Modell von Barro/Gordon (1983) über die Auswirkungen möglicherZeitinkonsistenz in der Geldpolitik

• Die Notenbank kann die Inflationsrate p direkt steuern.• Die Notenbank orientiert sich in ihren Entscheidungen an einer

sozialen Wohlfahrtsfunktion, nach der sowohl die Inflation als auch die Arbeitslosenquote minimiert werden soll.

• Wahlmöglichkeiten zwischen Inflationsrate und Arbeitslosenquote werden durch eine (erwartungsmodifizierte) Phillips-Kurve angegeben.

• Das Ziel der Privaten ist lediglich die Minimierung der Inflationsrate auf dem Niveau der natürlichen Arbeitslosigkeit.

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Glaubwürdigkeit von Institutionen (5)

• Die Privaten bilden rationale Inflationserwartungen pe, bevor die Notenbank ihre geldpolitischen Entscheidungen trifft. Sie sind vollständig über alle Modellannahmen und über die Handlungsalternativen der Notenbank informiert.

• Für die Notenbank ist in dieser Situation zeitinkonsistentes Handeln optimal: Sie gibt zunächst p = 0 als Ziel der Geldpolitik an. Sobald die Privaten auf dieser Grundlage ihre Inflations-erwartung pe = 0 gebildet haben, betreibt die Notenbank Inflationspolitik, um die Arbeitslosigkeit entsprechend der (kurzfristigen) Phillips-Kurve unter das natürliche Niveau zu senken.

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Glaubwürdigkeit von Institutionen (6)

• Da die Privaten den Anreiz zu zeitinkonsistenter Geldpolitik kennen, werden sie die Überraschungsinflation bei ihrer Erwartungsbildung einbeziehen. Damit ist aber immer pe > 0 und im langfristigen Gleichgewicht dann auch immer p > 0.

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Glaubwürdigkeit von Institutionen (7)

Phillips-KurveIn Punkt A verspricht Überraschungs-inflation kurzfristig einen Nutzengewinn.

Bei Anpassung der Inflations-erwartungen ist Punkt B aber ein instabiles Gleichgewicht.

Langfristig stabil ist ein Gleichgewicht nur in Punkt C.

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Glaubwürdigkeit von Institutionen (8)

Erweiterungen des Barro/Gordon-Modells

• Mehrperioden-Betrachtung mit Aufbau von Reputation• Berücksichtigung von Unsicherheit• Berücksichtigung unvollständiger Informationen der Spieler

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Glaubwürdigkeit von Institutionen (9)

Konsequenzen aus dem Barro/Gordon-Modell• Regelbindung der Wirtschaftspolitik kann Zeitinkonsistenz

verhindern- Genaue Regelung der Zielvorgaben- Genaue Regelung der Zwischenziele

• Gezielter Aufbau von Reputation für wirtschaftspolitische Institutionen verhindert Zeitinkonsistenz

- Unabhängigkeit der Institution bei der Verfolgung der vorgegebenen Ziele

- Besondere Qualifikationen der Verantwortlichen als Qualitätsmerkmal („konservative Zentralbanker“)

• Besondere Anreize für regelkonformes Verhalten der Träger der Wirtschaftspolitik („Zielvereinbarungen“ mit klar geregelten Prämien und Sanktionen)

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Glaubwürdigkeit von Institutionen (10)

Einfluss des Barro/Gordon-Modells auf die Europäische Geldverfassung

• Zielvorgabe an die EZB nach Art. 105 (1) des EU-Vertrags von Maastricht

- Das vorrangige Ziel der Geldpolitik der EZB ist die Preisstabilität.

- Nur soweit dies ohne Beeinträchtigung der Preisstabilität möglich ist, kann die Geldpolitik die allgemeine Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft unterstützen.

• Zwei-Säulen-Strategie der EZB zum Aufbau einer glaubwürdigen und gleichzeitig flexiblen Geldpolitik unter Unsicherheit

- Beurteilung der Risiken für die Preisstabilität anhand einer breiten Palette von Konjunkturindikatoren

- Referenzwert für das Wachstum von M3

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Glaubwürdigkeit von Institutionen (11)

• Unabhängigkeit der EZB- Institutionelle Unabhängigkeit:

Keine Weisungen von anderen EU-Institutionen, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen.

- Funktionelle Unabhängigkeit: Zielkonforme Instrumente der Geldpolitik, keine Wechselkursziele, keine Verpflichtung zur Finanzierung öffentlicher Budgetdefizite.

- Personelle Unabhängigkeit: 8 Jahre Amtszeit für jedes Mitglied des Direktoriums; grundsätzlich keine zweite Amtszeit möglich.

Probleme mit Stabilitätspakt zeigen die Grenzen der Regelbindung

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Koordination von Institutionen (1)

Vielfältiger Koordinationsbedarf zwischen Trägern der Wirtschaftspolitik

• Inländische und ausländische Institutionen (z. B. Geldpolitik von EZB und Federal Reserve Board)

• Staatliche und private Träger der Wirtschaftspolitik (z. B. Gewerkschaften, Arbeitgeber und Staat als Träger der Arbeitsmarktpolitik)

• Staatliche Institutionen mit überlappenden Aufgaben (Investitionsförderung durch Landes- und Bundesministerien)

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Koordination von Institutionen (2)

Gründe für eine Koordination

• Erhöhung der Transparenz wirtschaftspolitischer Eingriffe• Vermeidung von Kompetenzstreitigkeiten und Senkung von

Transaktionskosten• Optimierung der Wirkung wirtschaftspolitischer Eingriffe

durch klare Zuweisung von Verantwortlichkeiten

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Koordination von Institutionen (3)

Koordination durch Kontrolle• Alternative Kontrollgremien

- Kontrolle durch demokratisch gewählte oder legitimierte Gremien (Parlamente, Gerichte, Rechnungshöfe)

- Kontrolle durch die Medien- Kontrolle durch die Wissenschaft

• Nutzen der Kontrolle- Klare Kompetenzregelung möglich- Begrenzung opportunistischer Verhaltensspielräume

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Koordination von Institutionen (4)

• Kosten der Kontrolle

- Hoher Zeitbedarf verhindert u. U. schnelle Reaktionen der Institutionen auf wirtschaftspolitische Fehlentwicklungen (interne Wirkungsverzögerung).

- Ein aufwendiges Kontrollsystem verursacht hohe Kosten.- Aufwendige Kontrollmechanismen verstärken die Bürokratie und lösen

damit selbst Prinzipal-Agenten-Probleme aus.

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Koordination von Institutionen (5)

Koordination durch Unabhängigkeit• Formen der Unabhängigkeit

- Souveränität einzelner Staaten im Verhältnis untereinander.- Subsidiarität im Verhältnis einzelner Bereiche der öffentlichen

Verwaltung zueinander: Die jeweils niedrigste Entscheidungsebenesoll alle Kompetenzen wahrnehmen, solange sie dazu materiell undorganisatorisch in der Lage ist.

- Bewusste Trennung zwischen staatlichen und privaten Trägern der Wirtschaftspolitik (Bsp.: Arbeitsmarkt).

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Koordination von Institutionen (6)

• Vorteile der Unabhängigkeit- Vermeidung langer interner

Wirkungsverzögerungen (Time lags)- Klare Zuordnung von Verantwortlichkeiten ermöglicht prinzipiell

eine hohe Transparenz der Ergebniskontrolle

• Nachteile der Unabhängigkeit- Fehlende Legitimation für wirtschaftspolitische Eingriffe- Fehlende Kontrolle der Bürokratie- Keine Berücksichtigung negativer Nebenwirkungen

wirtschaftspolitischer Eingriffe auf andere Institutionen oder Individuen

Recognition lagDecision lagImplementation lag

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Koordination von Institutionen (7)

Koordination durch Kooperation• Durch eine bewusst gesteuerte Kooperation zwischen prinzipiell

unabhängigen Institutionen lassen sich Vorteile von Unabhängigkeit und Kontrolle miteinander verbinden.

• Formen der Kooperation:- informelle Kooperation

(lose Vernetzung wirtschaftspolitischer Institutionen z. B. durch regelmäßigen Informationsaustausch)

- formelle Kooperation(vertraglich geregelte Zusammenarbeit unabhängiger Institutionen)

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Koordination von Institutionen (8)

• Vorteile der Kooperation- Internalisierung unerwünschter Nebenwirkungen einzelner

wirtschaftspolitischer Maßnahmen wird möglich.- Über Paketlösungen lassen sich bessere Gesamtergebnisse für

alle Beteiligten erzielen. • Problembereiche der Kooperation

- Informationsprobleme: Verfügen alle Partner über die gleichen Informationen?

- Vertrauensprobleme: Sind alle Partner von der Zuverlässigkeit der anderen Partner überzeugt?

- Verteilungsprobleme: Wie teilen die Partner Nutzen und Kosten der Partnerschaft untereinander auf?

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Beispiel: Das Bündnis für Arbeit (1)

Entstehung und Aufgabe des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit

• Das Bündnis wurde vereinbart im Koalitionsvertrag 1998.• Es basierte auf regelmäßigen Treffen von Mitgliedern der Arbeitgeber

und Gewerkschaften mit Vertretern der Bundesregierung unter Vorsitz des Bundeskanzlers.

• Vereinbart werden sollten vor allem koordinierte Maßnahmen der beteiligten Institutionen zur Senkung der Arbeitslosigkeit.

• Die Absprachen sollten in verschiedenen Arbeitskreisen vorbereitet werden.

• Seit 2002 gibt es keine Bündnisgespräche mehr.

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Beispiel: Das Bündnis für Arbeit (2)

Vorläufer und Vorbilder des deutschen Bündnisses• Konzertierte Aktion nach dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz (1967-

1977)• „Dialogforen“ in mehreren Bundesländern• „Kanzlerrunden“ mit Vertretern der Tarifparteien• Actions concertées in Frankreich• Industriepolitik des MITI in Japan• Poldermodell/Deltamodell in den Niederlanden• Weltwirtschaftsgipfel zur weltweiten Koordination der

Konjunkturpolitik

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Beispiel: Das Bündnis für Arbeit (3)

Erwartungen an das Bündnis für Arbeit

• Gezielte Abstimmung der von einzelnen Institutionen eingesetztenMaßnahmen

• Vereinbarung von Paketlösungen in verschiedenen Bereichen von Wirtschaft und Politik

• Nutzung positiver Externalitäten durch Vernetzung

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Beispiel: Das Bündnis für Arbeit (4)

Problemfelder• Verläßlichkeit der Zukunftsprognosen• Auswahl allseits akzeptierter Indikatoren zur Wirkungsanalyse der

eingeleiteten Maßnahmen• Zeitinkonsistenz wegen fehlender Regelbindung der Entscheidungen• Massive Eigeninteressen der beteiligten Bürokratien• Asymmetrie der im Bündnis repräsentierten Interessen• Schwierigkeiten beim Aufbau von Reputation wegen Unklarheit über

den Zeithorizont der Bündnisgespräche

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Beispiel: Das Bündnis für Arbeit (5)

Vom Bündnis zur Arbeit zur Agenda 2010: Wie lässt sich derStrategiewechsel in der deutschen Arbeitsmarktpolitik erklären?

• Scheitern rationaler Wirtschaftspolitik?• Dominanz mikroökonomischer Ursachen der anhaltenden

Arbeitslosigkeit gegenüber makroökonomischen Ursachen?• Zu hohe Transaktionskosten kooperativer Institutionen?• Vorrang wahltaktischer Überlegungen vor rein ökonomischen

Argumenten?• Druck des immer intensiveren internationalen Wettbewerbs auf die

nationale Wirtschaftspolitik?

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Kontrollfragen

Inwiefern benutzt die Neue Politische Ökonomie Analysemethoden der ökonomischen Theorie um politische Prozesse zu erklären?Welche Rolle spielt der Medianwähler in einem Drei-Parteien-System für die Ausrichtung der Parteiprogramme?Welche Zielkonflikte können entstehen, wenn Vertreter von Lobbygruppen gleichzeitig Mitglieder des Parlamentes sind?Geht das Barro/Gordon-Modell von adaptiver Erwartungsbildung bei den privaten Akteuren aus?Lassen sich aus den Statuten der EZB Regelbindungen ableiten?Welchen Einfluß hat Transparenz auf die Möglichkeiten zeitinkonsistenten Verhaltens von Institutionen?Welche Rolle spielt die Reputation der kontrollierenden Gremien bei der Koordination durch Kontrolle?