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WS 2005/06 1
Die Region als Ort der sozioökonomischen Modernisierung - theoretische und empirische Begründungen für die Notwendigkeit interkommunaler
Kooperation
Seminar Interkommunale Kooperation
Christian LEUPOLD, Alexander WÖRTHER
WS 2005/06 2
Übersicht
Einleitung Wirtschaftliche Aspekte der Globalisierung
• Glocalization- Industrial Districts, Regionale Cluster
- Raum-Zeit-Konvergenz
- Wettbewerb der Regionen
Lebensweltliche Aspekte der Regionalisierung• Ausweitung des individuellen Aktionsraumes
WS 2005/06 3
Übersicht
Initialisierung von Regionen Regionalisierungsimpulse durch EU-Regionalpolitik
• EU-Regionsbildung vs. historisch etablierte Regionen• Demokratieproblematik
Regionalisierungsimpulse durch Sozialpolitik Bedeutungsverlust staatlicher Steuerung Hemmnisse der Regionalisierung Conclusio
WS 2005/06 4
Einleitung
Regionalisierung:vielschichtiger Begriff, grundsätzlich zwei Bedeutungen:
1. Regionalisierung = Forschungsprozess, das Abgrenzen von Regionen
2. Regionalisierung = Bedeutungszunahme der regionalen Handlungsebene
WS 2005/06 5
Wirtschaftliche Aspekte der Globalisierung – „Glocalization“
Glocalization:„Wirtschaft und Lebenswelt sind heute regional strukturiert... Unter den heutigen Rahmenbedingungen sind diese Bezugseinheiten [sozialer und wirtschaftlicher Prozesse] großräumige Regionen, die eine komplementäre Bindung zur Weltwirtschaft aufweisen und von den Kommandozentralen der Global Cities gesteuert werden.“ (Weichhart, 2002, S. 19)
Komplementarität von lokaler und regionaler Dynamik und Weltwirtschaft „Glocalization“
WS 2005/06 6
Wirtschaftliche Aspekte der Globalisierung – „Glocalization“
• in letzten Jahrzehnten: Welt im Zeichen der Globalisierung – revolutionäre Veränderungen in wirtschaftlicher, sozialer und politischer Hinsicht
• neuartige Strukturierung der Wirtschaft, dominante Rolle von „Global Cities“
• Zunahme weltweiter Vernetzung, Verknüpfung von Wirtschaft, Kommunikation und Konsum
• Bedeutungsverlust des Nationalstaates im Regulationsprozess
• globale Güter und Dienstleistungen
WS 2005/06 7
Wirtschaftliche Aspekte der Globalisierung – „Glocalization“
• Zunehmende Dominanz von transnationalen Konzernen, „Global Players“
• „Global Players“ entstehen häufig als Produkt von Fusionen
WS 2005/06 8
Wirtschaftliche Aspekte der Globalisierung – „Glocalization“
• Flexibilisierung von Produktion und Beschäftigungsverhältnissen
• Verfall der Massenproduktion• Spirale der Kostensenkung, „Turbo-
Kapitalismus“• Nicht nur ein Absatzmarkt, sondern auch nur ein
Beschaffungsmarkt, „Global Sourcing“
WS 2005/06 9
Global Cities
Global Economy
Industrie-agglomerationen
HafenstädteExportorientierte
Produktionszonen
Offshore-Banken-zentren
Ökonom. Peripherie
Regionale Cluster
Eigene Darstellung, nach Weichhart 2002, S. 18
WS 2005/06 10
Wirtschaftliche Aspekte der Globalisierung – „Glocalization“
Raum-Zeit-Konvergenz:• Grad der Mobilität von Standortfaktoren nicht mehr fix
vorgegeben
Abhängigkeit von:
Kosten der Raumüberwindung
Zeitliche Dimension
WS 2005/06 11
Raum-Zeit-Konvergenz
Kosten der Raumüberwindung:• Mobilitätsgrad steigt im Laufe der Zeit durch
technologischen Fortschritt, v.a. im Transport- und Kommunikationsbereich
• Freiere Standortwahl
Zeitliche Dimension:• Starke Reduzierung der Informationszeiten• Kosten der Informationsübertragung niedriger (z.B. E-
Mail), schnelle und leistungsfähige Systeme der Daten-Fernübertragung
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Industrial Districts, Cluster
Annahme durch Raum-Zeit-Konvergenz: anscheinend keine räumliche Differenzierung, aber:
• Kluft zwischen Entwicklungs- und Industrieländern nimmt zu
• räumliche und regionale Disparitäten werden verschärft
• Entwicklung von regionalen Wirtschaftssystemen
• „Regionale Innovationssysteme“: auf Kooperation zwischen wirtschaftlichen und sozialen Akteuren basierende Gebietseinheiten
• nicht nur funktional-ökonomisch, sondern auch kommunikativ-kulturell
• kreative Netze - Koopkurrenz
WS 2005/06 13
Wettbewerb der Regionen
• wichtige Konsequenz der Globalisierung• Akteure im Wettbewerb der Regionen sind die
Regionalökonomien
Standortarbitrage:
• Wirtschaftliche Akteure nutzen gezielt und systematisch Standortunterschiede aus, indem sie ihre Tätigkeit an einen für sie optimalen Ort verlagern
• Gewinnmaximierende Standorte werden bevorzugt
Standorte unter Wettbewerbsdruck
WS 2005/06 14
Wettbewerb der Regionen
Mobile und immobile Standortfaktoren:• Mobile Standortfaktoren:
- Innovative Unternehmer- qualifizierte Arbeitskräfte- Kapital
• Immobile Standortfaktoren:– Wissen/Know-how, „implicit knowledge“- sesshafte Arbeitskräfte- getätigte Investitionen (v.a. Sachkapital)- Infrastrukturanlagen- rechtliche, gesellschaftliche, ethische Normen- Gesetze und Regulierungen
WS 2005/06 15
Wettbewerb der Regionen
Mobile und immobile Standortfaktoren:die immobilen Standortfaktoren konkurrieren um die
mobilen Faktoren!
Immer weniger Gewicht für Standortwahl haben:• natürliche Standortvoraussetzungen (z.B. Rohstoffe)• lokale Standortfaktoren (z.B. Grundstückspreise,
Gewerbesteuer)
Kommunen verlieren bei Standortwahl an Bedeutung
WS 2005/06 16
Wettbewerb der Regionen
zu den immobilen Standortfaktoren gehören auch die „weichen“ Standortfaktoren:
• Unternehmensbezogen:Unmittelbare Bedeutung für Unternehmens- und Betriebsklima, Teilelemente des sozialen und wirtschaftlichen Klimas einer Region- generelle Wirtschaftsfreundlichkeit (z.B. Qualität der
Wirtschaftsdienste)- Soziales Klima- Image als Wirtschaftsstandort- kommunikative Durchlässigkeit- innovationsfreundliches Klima (z.B. Forschungsinstitutionen)
WS 2005/06 17
Wettbewerb der Regionen
• Personenbezogen:Lebensqualität einer Region, subjektive Bewertung einer Region, v.a. wichtig für Betriebe mit höher qualifiziertem Personal- Bildungsmöglichkeiten- Kultur- und Freizeiteinrichtungen- Naherholungsmöglichkeiten- gesunde Umwelt- Versorgungsinfrastruktur, Dienstleistungen- Verkehrsinfrastruktur- Wohnkosten- Image der Region
[vgl. Weichhart 2001, S. 556]
WS 2005/06 18
Wettbewerb der Regionen
Wichtige Feststellung:
Die Gesamtheit der Standortofferte, um einen Betrieb anzusiedeln, sind regional verteilt!
Beispiel: die Gemeinde Wien kann alle genannten Faktoren nicht alleine anbieten, die „Vienna Region“ aber sehr wohl
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Lebensweltliche Aspekte der Regionalisierung
• Neue Regionalökonomien sind hybride Phänomene:• neben ökonomischen auch soziokulturelle Komponenten
Ausweitung des Aktionraumes:• durch Raum-Zeit-Konvergenz: starke Ausweitung
individueller Aktionsreichweiten• mögliche Mobilität nimmt zu (v.a. durch technischen
Fortschritt)
erfolgreiche regionale Cluster nicht rein ökonomisch bedingt
WS 2005/06 20
Lebensweltliche Aspekte der Regionalisierung
Ausweitung des Aktionraumes:• hohe Mobilität durch Tendenzen zur räumlichen
Funktionstrennung erzwungen• Gebiete, die im Lauf des Lebens besucht werden,
werden größer und können globale Dimensionen erreichen
• früher: Beschränkung auf eigene Gemeinde• heute: großräumige soziokulturelle
Interaktionszusammenhänge• Eigenverantwortung, Selbstvorsorge und Flexibilität
werden wichtiger
WS 2005/06 21
Lebensweltliche Aspekte der Regionalisierung
Ausweitung des Aktionraumes:• Kulturen sind nicht mehr standortgebunden• Vielfalt von (urbanen) Lebensstilen ohne räumliche
Verankerung• Dennoch: eher kein Verlust emotionaler/lokaler Bindungen, B.
Werlen: „Wiederverankerung“, Renaissance lokaler Bedingungen, stellen einen Gegenpol zur Globalisierung dar
heute: Handlungs- und Erlebniskontext besteht aus mehreren sich überlappenden Raumeinheiten ohne feste Grenzen (vgl. Benz et al. 1998, S. 38)
WS 2005/06 22
Exkurs: Initialisierung von Regionen
Modell der Bildung von Regionen nach A. Paasi:
1) soziale Praktiken (z.B. Pendler, Heiratskreise)
2) Reifikation („Verdinglichung“), symbolische Repräsentation der Region
3) kollektives Handeln in Region, institutionelle Gestalt
4) etablierte Region, quasi-politische territoriale Einheit
Umkehrung dieses Modells durch staatliche und ökonomische Institutionen sowie die EU (z.B. Euregios) Designerregionen (Top-down-Regionen)
WS 2005/06 23
Regionalisierungsimpulse durch EU-Regionalpolitik
• Spannungsverhältnis Internationalisierung – institutionelle Veränderungen im Nationalstaat
• Regionen als starke dritte Ebene
• „Europa der Regionen“: Gegenentwurf zum europäischen Zentralstaat Dezentralisierung
• Regionalisierung als Strategie der Strukturpolitik und Raumentwicklung seitens der EU
EU-Regionsbildung vs. historisch etablierte Regionen
WS 2005/06 24
Regionalisierungsimpulse durch EU-Regionalpolitik
Demokratisierung?• durch Internationalisierung und Europäisierung
zunehmende Distanz Bürger – Politik• Demokratiedefizit der EU, Regionalisierung als Chance• auf regionaler Ebene kann Bürger mit EU in Kontakt
treten, bessere Kommunikation als auf Ebene der Nationalstaaten möglich
• „regionale Identität“• demokratiepolitische Legitimierung der Designerregionen
wichtig
WS 2005/06 25
Regionalisierungsimpulse durch Sozialpolitik
• seit den 70ern: Krise wohlfahrtsstaatlicher Leistungssysteme
• Liberalisierung der nationalen Wirtschafts- und Sozialpolitik
• Umbau des Wohlfahrtsstaates, Reduzierung der Verteilungspolitiken
• Eine Möglichkeit: indirekt durch Dezentralisierung von Leistungssystemen (vgl. Benz et al. 1999, S.37)
• Ziel der Gleichheit verdrängt durch Ziel der Hilfe zur Selbsthilfe
Sozialpolitik raumgebunden, Regionen als Handlungs- und Referenzräume
WS 2005/06 26
Bedeutungsverlust staatlicher Steuerung
• Zentralstaatliche Steuerung nur mehr geringe Wirksamkeit Suche nach neuen Steuerungsformen
• Region als räumlicher Kontext von Kooperation und Netzwerkstrukturen gewinnt an Bedeutung
• Enthierarchisierung der Beziehungen zwischen Steuerungsinstanzen und den „Adressaten des Rechts“
• traditionelle Regionalpolitik oft ineffizient („Mitnahmeeffekte“) [vgl. Benz, 1999, S. 40f.]
heute eher Kontextsteuerung und kooperatives Handeln
WS 2005/06 27
Hemmnisse der interkommunalen Kooperation
• Kirchturmdenken• Anschlag auf Gemeindeautonomie befürchtet• Ziel des Machterhaltes, Kurzfristigkeit politischen
Denkens• Raumordnungspolitische Differenzen zwischen
Gemeinde-, Landes- und Bundespolitik• Parteiendifferenzen nach innen wie nach außen
WS 2005/06 28
Hemmnisse der interkommunalen Kooperation
• Mangelnde Wahrnehmung und Identifikation von / mit funktionalen Regionen
• schwierige Abgrenzbarkeit von Regionen
„Killer-Argument“: Zusätzliche Verwaltungsebene mit zusätzlichen Kosten, aber ohne Mehrwert!
vgl. Weichhart 2001, S. 553f.
WS 2005/06 29
Conclusio
• Glocalization als Hauptgrund für den Bedeutungsaufschwung der regionalen Handlungsebene
• Regionale Cluster sind die Akteure im Wettbewerb der Regionen
• Raum-Zeit-Konvergenz: Ausweitung der individuellen Aktionsräume
• Die einzelne Gemeinde kann kein ausreichendes Spektrum an weichen und harten Standortfaktoren anbieten
WS 2005/06 30
Conclusio• Unternehmen suchen ihren Standort aber genau nach
diesen Faktoren aus• Wirtschaftliche Prosperität einer Region langfristig von
dieser Standortwahl abhängig• Qualität der weichen Standortfaktoren ist von der
Raumordnung abhängig Wettbewerbsfähigkeit einer Region kann dadurch optimiert werden
• Daraus begründet sich die Notwendigkeit der interkommunalen Kooperation
Wer sich der interkommunalen Kooperation verweigert, wird keine Rolle im globalen Wettbewerb spielen!
WS 2005/06 31
Offene Fragen zur Diskussion
• Ist die Kommune noch wichtigster Ort der Raumordnung?
• Sind die Regionen auch ein Ort der Modernisierung des politischen Systems?
• Nimmt es die Herausforderungen an?• Reagiert es auf Veränderungen flexibel genug?• Ist die gegenwärtige bundesstaatliche
Gliederung noch zeitgemäß? (Brauchen wir noch 9 Bundesländer?)
WS 2005/06 32
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!