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KLASSE DAS MAGAZIN FÜR SCHULE IN SACHSEN Ein Haus voller Ideen Zehn außergewöhnliche Schulprojekte aus Sachsen 2/2016

Zeitschrift KLASSE 2/2016

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KLASSEDAS M AGA ZI N FÜR SCH U LE I N SACHSEN

Ein Haus voller IdeenZehn außergewöhnliche Schulprojekte aus Sachsen

2/2016

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2 / 20162 KLASSE

»Unsere Schule – ein Denkmal?« Diese Frage stellten sich im ver-gangenen Schuljahr die Schüler der 49. Grundschule in Dresden. Kurz zuvor war deren Schulgebäude des Bautyps »Dresden At-rium«, ein Schulbau in DDR-Plattenbauweise, unter Denkmal-schutz gestellt worden. Der Schulleiter Uwe Schmidt und zwei Eltern ergriffen daraufhin die Initiative und meldeten ihre Schule zum PEGASUS-Projekt an.

Ein Jahr später sind kleine und große Bauwerke aus Modellziegeln und Pappe entstanden. »Wir erhofften uns, dass die Schüler das Prinzip eines Denkmals anhand der eigenen Schule besser nach-vollziehen und damit ihr Geschichtsbewusstsein stärken können«, sagt Uwe Schmidt. Es hat funktioniert. In den Schülern ist ein Grundbewusstsein für Denkmäler entstanden.

Genau das möchte das PEGASUS-Projekt, das vor 20 Jahren in Neapel entstand, erreichen: Kindern und Jugendlichen soll das In-teresse am eigenen kulturellen Erbe näher gebracht werden. Seit 1998 ist »PEGASUS – Schulen adoptieren Denkmale« ein Säch-sisches Landesprogramm. »Jede Schule kann sich für das Projekt bewerben«, sagt Ralf Seifert, Referent im Sächsischen Staatsminis-terium für Kultus. »Dazu muss lediglich ein zweiseitiges Formular ausgefüllt werden. Projektinhalt muss ein Denkmal aus Sachsen sein, an dem ein Schuljahr lang kontinuierlich gearbeitet wird. Wer dann tatsächlich bei PEGASUS mitmachen darf, entscheidet

eine Fachjury.« Jährlich gehen bis zu 50 Bewerbungen ein. Wer ausgewählt wird, erhält in der Regel eine Prämie in Höhe von 500 Euro.

Die 49. Grundschule bewarb sich und wurde zu PEGASUS zuge-lassen. Mit der Prämie konnten sie das Projekt finanzieren. Zwei Eltern betreuten die AG PEGASUS, die fortan einmal im Monat für Zweit- und Viertklässler stattfand. »So kleinen Kindern ein Denkmal und all seine Facetten näherzubringen, ist gar nicht so einfach«, sagt Schulleiter Schmidt. »Die Eltern, die die AG leite-ten, mussten mit viel Fingerspitzengefühl vorgehen. Mit trockener Theorie und Bauplänen erreicht man in diesem Alter noch nicht viel.« Vielleicht waren aus diesem Grund bislang überwiegend weiterführende Schulen im PEGASUS-Projekt vertreten. »Doch auch Grundschulen sind ausdrücklich zum Mitmachen aufgeru-fen«, sagt Ralf Seifert. »In den letzten Jahren stieg die Zahl der teilnehmenden Grundschulen bereits. Wir wünschen uns, dass es noch mehr werden.«

Uwe Schmidt und sein Eltern-Team haben die Aufgabe hervorra-gend gemeistert. Die Schüler waren schnell Feuer und Flamme für die Historie ihrer Schule. »Dieser Sprung in der Geschichte war für die Schüler ganz entscheidend, um die Tragweite besser ver-stehen zu können«, sagt Schmidt. Derzeit bereiten sich die Schüler auf die Denkmalmesse in Leipzig im November 2016 vor.

Ein Stück GeschichteDas PEGASUS-Projekt bringt seit 20 Jahren Schülern das Interesse für Denkmäler näher.

TEXT: MARIA GRAHL, KLASSE-REDAKTION; FOTO: ANDRÉ FORNER

Und die Chancen sind besser denn je. Denn gab es bisher nur 14 Prämien zu gewinnen, sind es in diesem Jahr erstmals 23. Das Bewerbungsformular zum Download finden Sie unter: www.schule.sachsen.de/pegasus

PEGASUS – Schulen adoptieren Denkmale: Bewerbungsschluss für das Schuljahr 2016/2017 ist der 10. Juni 2016. Anmeldung

Die Schüler der 49. Grundschule Dresden machten das eigene Schulgebäude zum Denkmalschutzprojekt.

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Liebe Leserinnen und Leser,unsere Schulen sind immer auch ein Spiegelbild unserer Gesell-schaft. Momentan erleben wir das sehr deutlich. Der gesell-schaftliche Wandel, der sich gerade vollzieht, zeigt sich auch hier. Wir haben eine unerwartet hohe Zuwanderung durch die Flüchtlinge und eine deutlich gestiegene Geburtenrate. Damit fallen die Schülerzahlen und der Bedarf an Lehrern in den nächs-ten Jahren schon drastisch höher aus als bisher berechnet.

Angesichts dieser Situation ist es beeindruckend, was viele Leh-rer und Schüler täglich neben der eigentlichen Unterrichtsarbeit leisten. Und genau das würdigt unser Sächsischer Schulpreis 2016. Die zehn Schulen, die jetzt in der Endauswahl stehen, stel-len wir mit ihren außergewöhnlichen Projekten in diesem Heft vor (ab Seite 6).

Hervorragend arbeiten auch weiterhin unsere Deutsch-als-Zweitsprache-Lehrer, die in vielen Fällen äußerst inhomogene Klassen unterrichten. Wir begleiten das DaZ-Lehrerteam der 138. Oberschule in Dresden durch seinen Arbeitstag und zeigen dabei die drei Stufen der Integration (Seite 10).

Wann immer ich Schulen besuche, an denen Flüchtlingskinder lernen, erlebe ich eine beispielgebende Willkommenskultur. Lei-der gibt es jedoch auch Schüler, die sich gegenüber rechtsextre-mem Gedankengut offen zeigen. Sie sind eine Minderheit, aber sie sind da. Mir ist es wichtig, dass sich alle Lehrer dem Thema stellen und offensiv mit den Schülern sprechen. Dafür stärken

wir gemeinsam mit der Robert Bosch Stiftung und der TU Dres-den die Lehrerinnen und Lehrer mit dem Projekt »Starke Lehrer – starke Schüler« gegen Rechtsextremismus. Einen dieser Leh-rer, er unterrichtet am BSZ 7 für Elektrotechnik der Stadt Leip-zig, haben wir genauer gefragt, warum er beim Projekt dabei ist und was ihn bewegt (Seite 5).

Herzlichst Ihre Brunhild Kurth Sächsische Staatsministerin für Kultus

Inhalt Meldungen – Seite 4

Aus Lehrersicht – Seite 5 Lehrer Frank Böhme nimmt an einem Pilotprojekt teil

Titelgeschichte – Seite 6 Der Sächsische Schulpreis 2016: die Finalisten

Ein Tag in Bildern – Seite 10 Zu Besuch an einer DaZ-Schule in Dresden

Aus Schülersicht – Seite 11 Ein Schaustellerkind erzählt aus seinem Schulalltag

Interview: Dr. Guido Prohdehl – Seite 13 So steht es um die Lehrergesundheit in Sachsen

Recht und Ordnung – Seite 14 Eine nette Geste: Geschenke an Lehrer

Der KLASSE-Fragebogen – Seite 15 Al Di Meola, Jazz-Gitarrist

Impressum – Seite 45

10PEGASUS – Schulen adoptieren Denkmale: Bewerbungsschluss für das Schuljahr 2016/2017 ist der 10. Juni 2016.

E D I T O R I A L / I N H A LT

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IMPRESSUM Herausgeber: Sächsisches Staatsministerium für Kultus (SMK), Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Carolaplatz 1, 01097 Dresden | Redaktion: Manja Kelch (V. i. S. d. P. ), Telefon: (0351)564 25 16, E-Mail: [email protected], Twitter: www.twitter.com/bildung_sachsen; Nicole Kirchner, Peter Stawowy, stawowy media | Mitarbeit an dieser Ausgabe: Beate Diederichs, Maria Grahl, Louisa Hantsche, Sebastian Martin, Anikó Popella | Fotos: An-dré Forner, Anja Jungnickel, Mike Hillebrand, Robert Reinhold, (S. 6) (S. 14), (S.15); Fotolia/frender (S.6), Fotolia/DragonImages (S. 14) | Gestaltung: Tony Findeisen, stawowy media | Auflage: 40.000 Exemplare | Druck: SDV Direct World GmbH | Verteilerhinweis: Die Informationsschrift wird von der Sächsi-schen Staatsregierung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlhelfern zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden.

Soziales Engagement wird belohnt. Seit 2011 wird einmal im Jahr der Sächsische Bürgerpreis verliehen, der mit 5.000 Euro dotiert ist. Mit diesem Preis sollen Projekte, Initiativen, Institutionen und Ein-zelpersonen in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt werden, die sich in besonderer Weise sozial engagiert haben. Vergeben wird der Preis in fünf Kategorien. An Schulen richtet sich insbesondere die Preiskategorie »Engagement in der Schule für Demokratie und Toleranz«. Vorschlagsberechtigt sind die Oberbürgermeister der kreisfreien Städte und die Landräte. Alle Bürgermeister in Sach-sen sind aufgerufen, gute Projekte bei ihrem Landrat einzureichen. Verliehen wird der Preis vom Freistaat Sachsen gemeinsam mit der Stiftung Frauenkirche Dresden und der Kulturstiftung Dresden der Dresdner Bank. Für den Sächsischen Bürgerpreis können noch bis 31. Mai 2016 Nominierungen erfolgen.

E SÄCHSISCHER BÜRGERPREIS 2016

Nominierung gestartet

Die Kultusministerkonferenz hat eine neue Handreichung für Schulen entwickelt, mit der sie bei Schülern mehr Verständnis für Menschen mit Demenz schaffen will. Die Erkrankung entwickelt sich zunehmend zu einer sozialen, politischen und ökonomischen Herausforderung. Aus diesem Grund soll sich auch der Lern- und Lebensort Schule verstärkt der Problematik zuwenden. Die neue Handreichung hilft Lehrern bei der Umsetzung des Themas De-menz im Unterricht. In der Handreichung finden sich deshalb zahlreiche Verweise auf weiterführende Literatur, Bildmaterial, Filme, Arbeitshilfen und Links zum Thema.

E VERSTÄNDNIS FÜR MENSCHEN MIT DEMENZ

Neue Handreichung für den Unterricht

Handreichung der Kultusministerkonferenz »Verständnis für Menschen mit Demenz«: www.bildung.sachsen.de/blog/wp-content/uploads/2016/04/2015_12_15-Handreichung-De-menz-2.pdf

Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsfor-schung München: »Verständnis für Menschen mit Demenz – eine Herausforderung für allgemein- und berufsbildende Schulen«: www.isb.bayern.de/download/15925/handrei-chung_demenz.pdf Hamburger Institut für berufliche Bildung: »Materialsammlung: Demenz im Unterricht«: www.hibb.hamburg.de

M E L D U N G E N

Etwa die Hälfte aller Krebserkrankungen wäre durch einen gesünderen Lebensstil vermeidbar. Um das Bewusstsein dafür schon bei Schülern zu schärfen, bietet das Universitätsklinikum Dresden in Zusammenarbeit mit dem Staatsministerium für Kultus und dem »Mit Köpfchen gegen Krebs – Aufklärung für Kinder und Jugendliche e.V.« ein Projekt für Schüler der 7. und 8. Klasse an.

Die Teilnahme am Projekt ist kostenlos und mit wenig Zeitauf-wand in den Unterricht integrierbar. In einer Unterrichtsstunde wird ein kurzer Lehrfilm gezeigt. Im Anschluss an das Video füllt die Klasse einen Online-Fragebogen aus, der den derzeiti-gen durchschnittlichen Gesundheitsstand der Schüler ermittelt. Im nächsten Projektschritt sollen diese in einer Gesundheits-werkstatt die Krebsvorsorge in die Tat umsetzen. Das heißt: Ei-nen Monat lang für fünf bis zehn Minuten pro Woche arbeitet die Klasse an einem Schutzfaktor gegen Krebs. Es geht es also darum, wie man Krebs vorbeugen kann: zum Beispiel, indem man nicht raucht, auf die Ernährung achtet und Sonnencreme benutzt. Diese Faktoren halten die Projektteilnehmer auf einem Poster fest. So sind die wichtigsten Maßnahmen zur Krebsprä-vention auch nachhaltig für die ganze Klasse präsent.

E KREBSVORSORGE

Schulprojekt für den Biologie-Unterricht

Weitere Infos zum Projekt unter: www.krebscentrum.de/0701.asp

Die Anmeldung zum Projekt ist online oder telefonisch möglich: praeventions [email protected], 0351/ 458 74 46

Nähere Information zur Ausschreibung gibt es im Internet: www.freistaat.sachsen.de/Buergerpreis.htm

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as Schlimmste für ihn wäre das Wegblicken. Das Schweigen und damit stille Tolerieren. Deshalb

nimmt Frank Böhme jedes Wortgefecht auf, wenn er mit fremdenfeindlichem oder rassistischem Gedankengut konfron-tiert wird – wie neulich, als ein Schüler in einer Debatte Flüchtlinge diffamierte. Der 31-Jährige ist Gemeinschaftskunde- und Ethiklehrer am Berufsschulzentrum »Robert Blum« in Leipzig. 420 Schüler lernen in dem Plattenbau – darunter an-gehende Bürokräfte, Holzbearbeiter und Lagerfachhelfer. Nur wenige würden eine rechtsextreme Weltanschauung offen zei-gen, sagt Frank Böhme. In einigen Köp-fen gärt diese aber vielleicht.

»Schulen sind immer auch ein Spiegelbild der Gesellschaft«, sagt Kultusministerin Brunhild Kurth. »Wenn fremdenfeind-liches Gedankengut im Elternhaus oder Freundeskreis gepflegt wird, dann brin-gen Schüler dieses auch mit in die Schu-le.« Dem SMK sind im vergangenen Jahr an sächsischen Schulen 46 Vorfälle mit einem rechtsextremen Hintergrund be-kannt geworden. In dieser Statistik tau-chen allerdings kaum fremdenfeindliche Äußerungen wie die im Unterricht von Frank Böhme auf. Der Gemeinschafts-kundelehrer reagierte damals sofort. Er wollte wissen, wie sich der Schüler selbst fühlen würde, wenn man ihn diffamieren und seine Rechte einschränken würde. Das zog.

Weiterbildung im Modellprojekt

Rico Behrens hält deshalb eine direkte Re-aktion des Lehrers für wichtig. Nur nicht ignorieren, heißt seine Devise. Der Politik-didaktiker von der TU Dresden leitet das Projekt »Starke Lehrer – starke Schüler«, mit dem sich die Robert Bosch Stiftung und das SMK gegen Rechtsextremismus an Berufsschulen engagieren – in den Ein-richtungen, in denen viele junge Menschen die letzte schulische Pädagogik erhalten.

In Workshops werden derzeit 26 Lehrkräf-te aus ganz Sachsen über moderne Formen rechtsextremer Jugendkultur informiert. Es geht um Musik, Codes, Verhaltensmus-ter und vieles mehr. Denn kaum ein Nazi trägt heute noch Bomberjacke und Sprin-gerstiefel. Das Erscheinungsbild ist unauf-fällig geworden.

In dem Modellprojekt erarbeiten sich die Teilnehmer zudem mit externen Fachleu-ten individuelle Strategien, um bei kom-plexen Themen wie Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus gut vorbereitet argumentieren zu können. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Vernetzung der Leh-rer untereinander sowie mit Akteuren eta-blierter Initiativen.

Argumente als Rüstzeug

Auch Frank Böhme vom Berufsschulzent-rum »Robert Blum« in Leipzig nimmt an

den Workshops teil. Freiwillig. Als politisch interessierter Mensch sei er von Anfang an begeistert gewesen, als ihm der Schulleiter die Weiterbildung angeboten habe, sagt er. Das im Projekt erworbene Wissen will er seinen Kollegen weiterreichen. Schließ-lich steht er als Gemeinschaftskunde- und Ethiklehrer seltener vor den Klassen, und kann deshalb Schülern mit einer rechtsext-remen Gesinnung nu eingeschränkt Paroli bieten. Andere Fachlehrer könnten da häu-figer mit Argumenten intervenieren.

Frank Böhme geht es neben der Aufklä-rung der Schüler zudem darum, Vorur-teile im Lehrerzimmer abzubauen. Denn auch manche seiner Kollegen sorgt sich, wenn Flüchtlinge in ihre Nachbarschaft ziehen. »Sie sind nicht fremdenfeindlich«, sagt der 31-Jährige. »Sie haben aber Be-rührungs- und Verlustängste.« Und ge-nau das ist der Nährboden, der vielleicht den demokratischen Erziehungsauftrag verhindert. Deshalb duckt sich Frank Böhme auch im Lehrerzimmer nicht weg und nimmt jedes Rededuell gern an.

AU S L E H R E R S I C H T

Nur nicht ignorierenFrank Böhme nimmt am Modellprojekt »Starke Lehrer – starke Schüler« teil. In dieser Weiterbildung lernt der Berufs-schullehrer, wie er fremdenfeindlichen Sprüchen im Unterricht mit den richtigen Worten begegnen kann.

TEXT: SEBASTIAN MARTIN, KLASSE-REDAKTION; FOTO: ANJA JUNGNICKEL

Weitere Informationen zum Projekt »Starke Lehrer – starke Schüler« unter: www.bosch-stiftung.de/content/language1/html/66320.asp

AU S L E H R E R S I C H T

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Frank Böhme möchte lernen, wie er mit fremdenfeindlichen Sprü-chen im Unterricht besser umgeht.

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Ausgezeichnete Schule52 Schulen haben sich mit ihren Projekten um den Sächsischen Schulpreis 2016 beworben. Die Bandbreite der Projekte ist riesig und zeigt

eindrucksvoll, wie lebendig Schulalltag in Sachsen gestaltet wird.

VON SEBASTIAN MARTIN, KLASSE-REDAKTION; ILLUSTRATION: ROBERT REINHOLD

2 / 20166 KLASSE

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T I T E L

Sie nimmt Platz in der ersten Rei-he, packt das Schreibzeug aus und wartet auf die gleich beginnende

Präsentation. Irina Schenk wird sich No-tizen machen und Nachfragen stellen. Der Referentin des Kultusministeriums geht es dabei um Kriterien wie Nachhal-tigkeit, Partizipation und die Förderung individueller Lernprozesse. Je besser sie das Projekt bewertet, desto mehr Chan-cen hat die Schule auf den Sächsischen Schulpreis.

Zehn Schulen haben sich für die Fi-nalrunde qualifiziert. Und sie alle hof-fen auf einen der sechs mit insgesamt 19.000 Euro dotierten Preise, mit denen das SMK besonderes Engagement der Schulen würdigt. »In unseren Schulen gibt es eine Vielzahl außergewöhnlicher Projekte, die nachhaltig sind, individuelle Lernpotenziale berücksichtigen und das Schulklima verbessern«, sagt Kultusmi-nisterin Brunhild Kurth.

Davon berichtet auch Irina Schenk, Ko-ordinatorin des Sächsischen Schulpreises im Kultusministerium. Schon die Fina-listen aus den 52 Bewerbern herauszu-

filtern, sei der Jury schwer gefallen, sagt sie. Heftige, aber konstruktive Diskussio-nen hätte es zwischen den Vertretern des SMK, der Sächsischen Bildungsagentur, des Bildungsinstituts sowie des Landes-eltern- und Landesschülerrates gegeben. Schließlich sei die Bandbreite der einge-sendeten Projekte riesig. Sie reicht von Theaterprojekten, die die ganze Schule umfassen und seit Jahren das Kultur-leben der Region bereichern, bis hin zu Tandemprojekten, wo Schüler sich im Unterricht gegenseitig unterstützen.

Verbesserung der Schulqualität

Eins ist bei allen Projekten aber gleich: Sie brauchen engagierte Lehrer als Mo-toren. Das betont auch Heiko Vogel. Er leitet die Kurfürst-Moritz-Schule in Boxdorf, die vor zwei Jahren mit dem Showtanzprojekt »Rock Challenge« ei-nen der Hauptpreise gewonnen hat. Die Auszeichnung sei eine tolle Anerkennung schulischer Arbeit gewesen, sagt Vogel. Seitdem wird er regelmäßig von Kollegen aus anderen Schulen angesprochen, wie so ein gesamtschulisches Projekt über so viele Jahre gelingt.

Wichtig ist aus seiner Sicht, dass die Lehrer offen für Neues sind und an ei-nem Strang ziehen. Sie würden von der Zusammenarbeit ja auch profitieren, sagt Heiko Vogel. Zwar sei viel Lehrer-En-gagement nötig, doch der Aufwand mit der Zeit überschaubar. Und wenn alles erst einmal laufe, dann mache es richtig Spaß, so der Schulleiter der Kurfürst-Mo-ritz-Schule. Deshalb motiviert er seine Kollegen in den Gesprächen auch immer, gesamtschulisch Projekte wie die »Rock Challenge« anzugehen und so die Schul-qualität zu verbessern.

Ermutigen soll auch der aller zwei Jahre vergebene Sächsische Schulpreis. Er soll die positiven Beispiele sichtbar machen und Anstoß sein, damit sich auch ande-re Schulen auf den Weg begeben. Am 23. Mai wird er zum dritten Mal vergeben. »Die Projekte müssen das pädagogische Konzept und die Alltagskultur an der Schule nachhaltig mitbestimmen«, er-klärt Irina Schenk. Außerdem sollten sie möglichst viele Akteure einbeziehen – an-gefangen von den Schülern und Lehrern, bis hin zu externen Partnern.

Gymnasium Dresden-Klotzsche Mit einer etwas romantisch klingenden Idee ging es vor 20 Jahren los. Am Gym-

nasium Dresden-Klotzsche wollten einige Schüler der Oberstufe damals für die

Jüngeren im Haus ein Zeltlager organisieren. Was sie nicht ahnten: Es war der

Startschuss für das Projekt »Schüler für Schüler«, bei dem heute ausgewählte

Zehntklässler nach einer einjährigen Vorbereitungsphase bei selbst organisierten

Klassennachmittagen und Exkursionen Schüler der 5. Klasse betreuen sowie am

Ende des Schuljahres stundenweise unterrichten. Aus Sicht von Projektleiter Mi-

chael Krieg ist das für beide Jahrgänge eine interessante Sache. Denn während die

Zehntklässler sich freiwillig als Lehrer ausprobieren, so Verantwortung überneh-

men und eigene Potenziale ausschöpfen können, freuten sich die Fünftklässler,

nicht nur von Erwachsenen betreut zu werden.

»Schüler für Schüler«

Oberschule Leubnitz

Wer auf alte Fotos blickt, der erkennt den Pausenhof der Oberschule Leubnitz kaum wieder. Aus dem tristen Appellplatz ist längst ein attraktiver Lernort geworden. Und das in bester Do-It-Yourself-Manier. Seit 1992 haben ihn die Schüler umgestaltet und so soziale wie handwerk-liche Kompetenzen trainiert. In Kooperation mit den Lehrern, Eltern sowie externen Partnern entstanden ein Klassenzimmer im Grünen, ein Naturlehrpfad, eine Grillecke, eine Bühne und vieles mehr. Der Pausenhof sei aus dem Schulalltag nicht mehr wegzudenken, sagt Schulleiter Andreas Wimmer. Und selbst im Ort ist der Platz vor seinem Fenster eine feste Größe gewor-den. Denn neben dem praxisnahen Unterricht, Ganztagsangeboten und Schulfeiern findet zum Beispiel auch der Leubnitzer Weihnachtsmarkt auf dem Pausenhof der Oberschule statt. »Die Schule entwickelt sich zu einem kulturellen Zentrum unseres Ortsteiles«, sagt Wimmer.

»Schüler verbessern und verschönern ihr Lernumfeld selbst«

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T I T E L

Dietrich-Heise-Schule, Freie Evangelische Schule Görlitz Als Blinden trifft Bartimäus ein schweres Schicksal. Er wird von der Gesellschaft

geächtet und ausgeschlossen. Doch er gibt die Hoffnung nicht auf und will in Jeri-

cho den Wanderprediger Jesus treffen. Wie die Geschichte ausgeht, das erfährt man

im Musical »Bartimäus« – dem jüngsten Stück, das die Dietrich-Heise-Schule in

Görlitz auf die Bühne gebracht hat. Seit zehn Jahren werden in der christlich gepräg-

ten Bildungseinrichtung Musicals einstudiert. In Musik wird der Gesang geübt, in

Deutsch das Schauspiel geprobt, im Sport die Akrobatik trainiert und im Fach Wer-

ken werden die Kulissen gebaut. Auch die Ganztagsangebote sind in das Projekt ein-

gebunden. Die Schülerzeitung schreibt über die Stücke. Dieses Jahr haben die Nach-

wuchsjournalisten in ihrem Blatt etwas ganz Besonderes zu berichten: Denn diesmal

kooperierte die Grundschule mit dem Görlitzer Theater, das laut der pädagogischen

Mitarbeiterin Kathleen Siekierka zur Premiere von »Bartimäus« ausverkauft war.

»Musical«

Julius-Mosen- Gymnasium Oelsnitz/Vogtland

Bevor sich die Neuntklässler mit der eigenen Berufs- und Studienwahl beschäftigen werden, geht es 2.000 Jahre zurück in die Vergangenheit – in die Welt der griechischen Mythologie. »Im Olymp da ist die Hölle los«, heißt das Stück, das sie aufführen. Für die 67 Schüler vom Julius-Mosen-Gymnasium in Oelsnitz ist es der Höhepunkt des Jahrgangskonzepts, bei dem sie von der fünften bis zur zehnten Klasse jeweils ein anderes Projekt pro Schuljahr stem-men. Los geht es mit den Bläser- und Freiarbeitsklassen. Durch das gemeinsame Musizieren bzw. das selbstständige Lösen ausgewählter Lerninhalte werde in den ersten drei Jahren der Zusammenhalt, die Arbeitsbereitschaft und das Konzentrationsvermögen gefördert, er-klärt Lehrerin Lydia Solondz-Lorenz. In Klasse acht absolvieren die Schüler ein einwöchiges Praktikum in einem Altenpflegeheim, einer Förderschule oder ähnlichen Einrichtungen in der Region. Ein Jahr später folgt das Theaterprojekt, das mit einem öffentlichen Auftritt am König-Albert-Theater in Bad Elster endet und stets die Zuschauer begeistert.

»Jahrgangskonzept«

Der eine fühlt sich benachteiligt, der andere wurde angerempelt – Auseinander-

setzungen entstehen schnell im Schulalltag. Wie Kinder ihre Konflikte selbst und

ohne Gewalt lösen, das lernen sie im Streitschlichter-Projekt an der Grundschule

»Löwenzahn« in Großpösna. Mit Erfolg: »Das Schulklima ist ruhig, die Pausen

laufen geordnet ab«, sagt Schulleiterin Sibylle Jaszovics. Sie und ihre Kollegen en-

gagieren sich seit zehn Jahren für dieses Projekt. Jeden Montag finden Gesprächs-

kreise statt, in denen aktuelle Probleme thematisiert werden. Hat die Lösung eines

Streits nicht so lange Zeit, soll ein Taschenbuch mit deeskalierenden Strategien

helfen. Das hat jeder Schüler einstecken. Außerdem gibt es sechs gewählte Streit-

schlichter, die für ihre Aufgabe ausgebildet werden und im Alltag mit ihren Müt-

zen und Buttons gut erkennbar sind. Sie sollen in Stresssituationen gerufen werden

und durch ihre speziellen Trainings zwischen den Streitparteien vermitteln.

»Streitschlichter«Grundschule Löwenzahn, Großpösna

Gymnasium Am Breiten Teich, Borna

Die externe Evaluation hatte Handlungsbedarf gezeigt. Margitta Schade wollte aber nicht allein entscheiden. Also lud die Schulleiterin Lehrer, Schüler und Eltern zu einer Klausurtagung ein. Gemeinsam wollte sie über die Schulentwicklung diskutie-ren. Mit ihren 60 Gästen machte sie fünf Schwerpunkte für die weitere Arbeit aus – darunter die Stärkung der Schülermitwirkung. Ein Jahr später waren vielen Ideen bereits umgesetzt. Der Schülerrat organisiert jetzt selbstständig außerschulische Hö-hepunkte, die Rolle des Schülersprechers ist gestärkt und für das Streitschlichter-Projekt wurden neue Schüler gewonnen. »Das Projekt läuft solange, bis alle Vor-schläge umgesetzt wurden«, sagt Margitta Schade heute. Sie hofft, dass dies bis Ende des Schuljahres der Fall ist. Zu Beginn des neuen Schuljahres wird die Arbeitsgruppe »Schulprogramm« die Erfüllung aller Vorhaben prüfen und eine interne Evaluation vornehmen. Und wenn sie Bedarf feststellt, wird es eine neue Klausurtagung geben.

»Klausurtagung«

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Peter-Apian- Oberschule Leisnig

Die Jugend hat die Macht übernommen – zumindest für ein paar Stunden im Leisni-ger Rathaus. Im Stadtrat sitzen diesmal die Neuntklässler der Peter-Apian-Oberschule. Es geht um einen neuen Skateplatz, eine bessere Beleuchtung der Schulwege oder die Sanierung des Freibades. Das Planspiel ist der Höhepunkt eines jährlich stattfindenden Projektes, bei dem die Schüler durch ihr eigenes Handeln lernen und die Generationen voneinander profitieren sollen. Aufmerksam hört sich Bürgermeister Tobias Goth die Anträge und Anfragen der Fraktionen an, die die jugendlichen Stadträte zuvor mit Hilfe erfahrener Bürgervertreter ausgearbeitet haben. Die Schüler wiederum spüren durch das Planspiel, dass nicht jeder Wunsch sofort umsetzbar ist und nur konstruktive Diskussi-onen zielführend sind. »Man muss überzeugen können und Wissen über eine bestimmte Sache haben«, sagt Schulleiterin Kristin Dorias-Thomas. »Dann macht politische Mitbe-stimmung Spaß, wird live erfahrbar und günstigenfalls in die Wirklichkeit umgesetzt.«

»Der Jugendstadtrat Leisnig – eine aktive Form der Mitbe-stimmung der Jugendlichen auf kommunaler Ebene«

Regenbogenschule, Schule für geistig Behinderte, Döbeln

Die Aufnahme läuft, jetzt muss es rocken. Der Drummer drischt auf das Schlagzeug und

der Bassist rammt die Akkorde. Christian Frenzel ist zufrieden. Er ist einer der beiden

Verantwortlichen, die vor sechs Jahren das Projekt Schulband an der Regenbogenschule

in Döbeln initiierten – einer Bildungseinrichtung für geistig Behinderte. In der Werkstu-

fe ab Klasse zehn lernen die Jugendlichen seitdem zunächst verschiedene Instrumente

kennen, damit sie bald eigene oder gecoverte Songs gemeinsam spielen können. Das

Projekt wirke den körperlichen, sprachlichen und motorischen Handicaps der Schüler

entgegen, erklärt Christian Frenzel. Die Bandarbeit sei zudem ein wichtiger Baustein für

die Entwicklung des Selbstbewusstseins. Denn das gemeinsame Musizieren entwickle

Sozialkompetenz und begleite die Schüler zum Erfolg sowie zur Erlangung von Aner-

kennung – wie beim Tag der offenen Tür an der Regenbogenschule oder beim Musikfest

in Grimma. Und auch eine eigene CD wird die Schulband stolz in den Händen halten.

»Schulband«

Gymnasium Marienberg

Es ist der Motor für eine ganze Region. Seit 1997 findet am Gymnasium Marienberg der Kulturversuch statt, der jedes Jahr ein anderes Thema aufgreift – wie 2015 die Bewerbung des Erzgebirges als Weltkulturerbe. 26 Projekte organisierten die Zehntklässler mit Hilfe der Lehrer und externer Partner. Eine Woche lang wurde geklöppelt, genäht, gefilmt und vieles mehr, um das Vorhaben der Montanregion zu unterstützen. Die Ergebnisse präsen-tierten die Schüler vor einer Kommission der UNESCO. Aber auch die Menschen vor Ort hatten sie im Blick. Denn während der Projektwoche veranstalteten sie auch eine Podiums-diskussion, eine Theateraufführung und viele andere Programme, die das Gymnasium tra-ditionell zum kulturellen Zentrum von Marienberg werden lassen. »In den Projektgrup-pen als gleichberechtigte Partner respektiert zu sein, sich auf Augenhöhe zu begegnen und tätig zu werden, bringt alle Beteiligten einander näher und stärkt das Selbstbewusstsein und das gesellschaftliche Engagement der Schüler«, sagt Rektor Robby Buttke.

»Kulturversuch«

Johann-Walther- Gymnasium, Torgau

Martin Luther scheint heute den meisten Menschen fremd und fern zu sein. Doch vie-

les, was der Reformator vor 500 Jahren gesagt und angestoßen hat, ist immer noch ak-

tuell. Im Alltag, im gesellschaftlichen Miteinander – überall. Das zeigen die Schüler des

Johann-Walther-Gymnasiums in Torgau mit ihrem jahrgangsübergreifenden Musik-

theaterprojekt »Luther in mir«. Gemeinsam mit behinderten Menschen der Lebenshilfe

projizieren sie auf der Bühne historische Bilder aus der Zeit des Kirchenmannes auf ak-

tuelle Themen. Wie ein Puzzle setzen sie die Vergangenheit und Gegenwart zusammen.

Es geht um Toleranz, aber auch um Gott, Glaube, Moral, Politik und das Anprangern

von Missständen. Das kommt beim Publikum an. Seit der Uraufführung 2013 wird die

Theatergruppe regelmäßig gebucht. Der Lohn neben viel Applaus: »Theater verknüpft

Sprache, Musik, Tanz, Mimik und Gestik. Das gemeinsame Spiel fördert soziale und

kulturelle Fähigkeiten. Teamarbeit, Kommunikationsfähigkeit, flexibles Verhalten –

das sind alles Dinge, die im Schulalltag wie auch im späteren Leben gebraucht werden«,

sagt Schirmherrin und Kultusministerin Brunhild Kurth.

»Luther in mir«

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2 / 201610 KLASSE

297 Schulen in Sachsen bieten das Unter-richtsfach »Deutsch als Zweitsprache« (DaZ) an, eine von ihnen ist die 138. Oberschule in Dresden. 46 von rund 340 Schülern besuchen hier im Stadtteil Gor-bitz im Drei-Phasen-System den DaZ-Unterricht. Sie kommen aus verschiedenen Ländern wie Polen, Syrien, Libyen, Russ-land, Portugal, Tschetschenien, Afghanis-tan und den Balkanstaaten. Für Schulleiter Frank Lotter und sein Lehrerteam ist das eine große Herausforderung, denn wegen des unterschiedlichen Wissensstands der DaZ-Schüler müssen seine Lehrerinnen und Lehrer differenziert unterrichten und auf jeden ganz individuell eingehen.

9.10 Uhr, DaZ-Unterricht, Phase 1: DaZ-Lehrerin Ivana Vujica erklärt einigen Schülern an der Tafel die Uhr. Sie malt den großen Zeiger auf die Vier und den kleinen zwischen die Fünf und Sechs. »Wie spät ist es?«, fragt sie. Hassan (11), Khaled (17) und Yasin (13) wissen sofort die Antwort und melden sich. Sie alle sind Schüler der Phase 1, das heißt, sie werden ausschließ-lich im Fach »Deutsch als Zweitsprache« unterrichtet. Yasin aus Syrien ist gerade seit zwei Monaten hier an der Schule und spricht schon ganz gut Deutsch.

Selbstständige Textarbeit: Auch wenn Ivana Vujica an der Tafel arbeitet, hat sie ihre andere Schülergruppe im Blick. Wäh-rend die Schülergruppe vorn Sätze zur Uhr aufschreibt, kontrolliert sie bei den anderen Schülern den Fortschritt bei der Übersetzungsarbeit. Es geht um einheimi-sche Tiere, eine erste Vorbereitung auf den Biologieunterricht.

Kooperation mit dem Kinder- und Ju-gendhaus »InterWall«: Zum Glück be-kommt Ivana Vujica bei ihrer Arbeit regelmäßig Unterstützung. Schulleiter Frank Lotter ist sehr stolz auf die Zusam-menarbeit mit dem benachbarten Kinder- und Jugendhaus »InterWall«. Praktikan-ten, die dort gerade eine Ausbildung zum Erzieher machen, helfen hier im Unter-

richt mit. Und noch einen positiven Ne-beneffekt erhofft sich Frank Lotter von der Kooperation: »Wir versuchen damit unsere DaZ-Schüler auch außerhalb der Schulzeit erfolgreich zu integrieren, denn sie können auch nachmittags Angebote im »InterWall« wahrnehmen.«

10.20 Uhr, Klasse 9b, Mathematik: Frau Fritsch teilt die zensierte Klassenarbeit aus. Thema »Quadratische Gleichungen«. Andrii (17) aus der Ukraine ärgert sich ein bisschen über die Zwei Minus. Seit einem Jahr besucht er die 138. Oberschule. DaZ-Unterricht braucht er keinen mehr – er besucht in Phase 3 eine ganz normale Re-gelklasse und fühlt sich in der Klasse sehr wohl. Nächstes Jahr möchte er hier seinen Realschulabschluss machen und, wenn es klappt, noch das Abitur dranhängen.

11.15 Uhr, DaZ-Unterricht, Phase 2: Bei DaZ-Lehrerin Carina Hilgenberg herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Ihre Schüler befinden sich alle in Phase 2, das heißt, sie besuchen bereits einige ausge-wählte Unterrichtsfächer wie Sport, Kunst

oder Mathe in den Regelklassen. Heute beginnt der Unterricht mit einem Spiel: Rahaf (14) aus Palästina soll mit geschick-ten Ja/Nein-Fragen das Tier, das hinter ihr an der Tafel hängt, erraten. »Ist das Tier groß?«, fragt Rahaf. »Ja«, schallt es im Chor. Carina Hilgenberg lächelt zufrieden.

In kleinen SchrittenEin Tag an der 138. Oberschule in Dresden, die seit September 2014 auch eine DaZ-Schule ist.

TEXT: NICOLE KIRCHNER, KLASSE-REDAKTION; FOTO: ANDRÉ FORNER

E I N TA G I N B I L D E R N

Page 11: Zeitschrift KLASSE 2/2016

2 / 2016 11KLASSE

Englisch fällt Franz leicht, in Physik liebt er Experimente, Biologie mag er weniger. Ein ganz normaler Schü-

ler. Doch eins unterscheidet den 12-Jähri-gen von den meisten Altersgenossen: Er ist ein Kind beruflich Reisender. Dazu zählen Schausteller, Zirkusangehörige, ambulante Händler und Puppenspieler. Franz‘ Eltern und Großeltern betreiben eine mobile Waf-felbäckerei, einen Eiswagen und ein Kin-derkarussell. »Ich kam in Plauen zur Welt, wo meine Eltern beim Pfingstvolksfest gas-tierten. Seitdem begleite ich meine Familie von Volksfest zu Volksfest«, erzählt Franz Bretschneider. Viele jüngere Schausteller-kinder bleiben während der Saison bei den Großeltern und besuchen dort die Schule. Doch für Franz war das nicht möglich, da auch die Großeltern tourten. Erst seit den letzten Jahren sind Oma und Opa weniger unterwegs. Seitdem wohnt Franz teilwei-se im Familienhaus in Chemnitz-Harthau und besucht seine Stammschule, die Alt-stadtschule Stollberg.

Von Schule zu Schule

Wenn im April die Volksfest-Saison be-ginnt, fängt für Franz eine bewegte Zeit an: Selten baut die Familie ihre Wagen für länger als zwei Wochen an einem Ort auf. So muss er alle 14 Tage eine andere Schule besuchen, mit anderen Mitschü-

lern, Lehrern, Unterrichtsmethoden. Die offiziell gewährten Reisetage kosten ihn zudem Unterrichtszeit. Vor Ort besucht er Oberschulen, die nahe den Festplätzen gelegen sind. Oft sind das immer wieder dieselben. Doch manchmal ist die entspre-chende Klassenstufe voll und er muss an eine weiter entfernte Schule ausweichen. »Man ist eigentlich immer der Neue«, be-richtet Franz. Er wirkt selbstbewusst und pragmatisch, wurde aber trotz seines Auf-tretens schon von Mitschülern gemobbt. »Mobbing gibt es zum Glück nur ab und zu. Dagegen halten wir Schaustellerkinder zusammen. Oft reagieren die Mitschüler aber auch sehr positiv auf uns«, sagt er.

Der mobile Lehrer

Thomas Carl nickt zu dem, was Franz erzählt. Als langjährige mobile Bereichs-lehrkraft kennt der 49-Jährige diese Erfah-rungen. Seit 2004 unterstützt er die Kinder der beruflich Reisenden bei ihrem Schulbe-such und steht ihren Familien und Lehrern beratend zur Seite. Momentan ist er für 62 sächsische Schaustellerkinder zuständig. »Wenn wir unterwegs sind, besuche ich zunächst den regulären Unterricht. Dann gehe ich zu Herrn Carl in den Schulwagen, wenn er ihn an dem Festplatz aufgestellt hat, wo wir gerade sind. Dort arbeite ich mit ihm an den Aufgaben des Schultage-

buchs, mache Hausaufgaben oder bereite mich auf Tests vor«, sagt Franz. Im Schul-tagebuch wird notiert, wann der Schüler wo den Unterricht besucht und was er dort gelernt hat. Auch ein individueller Lernplan befindet sich darin. »Das Tage-buch ist bundesweit einheitlich gestaltet, obwohl jedes Bundesland sein eigenes Bil-dungssystem hat«, betont Thomas Carl. Der Schulwagen ist ein ehemaliger Wohn-wagen mit Schreib-Ecke, den der Förder-verein »Schulbildung von Schaustellerkin-dern in Sachsen e. V.« unterhält und den das SMK mit Unterrichtsmitteln ausge-stattet hat.

Franz Bretschneider und seine Familie schätzen es, dass ihnen Thomas Carl hilft. Das Problem: Es gibt ihn nur einmal. Carl hat eine Vollzeitstelle und fährt täg-lich rund 200 Kilometer, arbeitet mit den Schülern im Schulwagen oder besucht die Schulen. Doch wenn mehrere Volksfeste zugleich stattfinden, kann er nicht überall vor Ort sein. »Er hängt dann meist einen Plan an den Wagen, der zeigt, wann er da ist«, sagt Franz. So lernen Schüler und Lehrer, wenn beide auf Achse sind.

Franz Bretschneider reist mit seinen Eltern von Volksfest zu Volksfest.

AU S S C H Ü L E R S I C H T

Weitere Informationen zum Unter-richt für Kinder beruflich Reisender unter: www.schule.sachsen.de/2700.htm

Lernen auf Achse Gestern Frühlingsfest in Chemnitz, heute Vogelschießen in Plauen, demnächst Stadtfest in Freiberg: Schaustellerkinder kommen viel herum. Doch auch die-se Kinder sind schulpflichtig. Wie organisieren sie erfolgreich ihren Schulalltag? Franz Bretschneider erzählt über sein Schultagebuch, den Schulwagen – und den Lehrer Thomas Carl.

TEXT: BEATE DIEDERICHS, KLASSE-REDAKTION; FOTO: MIKE HILLEBRAND

Page 12: Zeitschrift KLASSE 2/2016

Beim Sehtest wird die Sehschärfe überprüft.

Auch das räumliche Sehen wird getestet.

Zu Beginn der Vorsorge-Untersuchung wird ein

Anamnese-Bogen ausgefüllt.12 KLASSE 2 / 2016

Burnout trifft nicht nur LehrerArbeitsmediziner Dr. Guido Prodehl über Lehrergesundheit, typische Risikofak-toren in der Schule und Lehrer, die über viele Jahre gesund durch den Schulall-tag kommen.

INTERVIEW: NICOLE KIRCHNER, KLASSE-REDAKTION; FOTO: ANDRÉ FORNER

E Sind Lehrer öfter krank als andere Berufsgruppen?

Dr. Guido Prodehl: Allgemein gültige Aussagen zum Gesund-heitszustand der Lehrer im Verhältnis zu anderen Berufen sind schwierig. Was man aber positiv hervorheben kann: Lehrkräfte zeigen – mit wenigen Ausnahmen – häufiger gesundheitsförder-liche Verhaltensweisen wie Sport oder Nichtrauchen als die All-gemeinbevölkerung, sie haben einen günstigeren Body-Mass-In-dex, sind seltener krankgeschrieben und allgemein zufriedener mit ihrer beruflichen Tätigkeit. Es ergeben sich aber Zusammen-hänge zwischen der Gesundheit und der Schulform.

E Welche Zusammenhänge meinen Sie genau?

Uns fielen bei der Datenauswertung zwei Be-sonderheiten auf: Der höchsten gesundheitli-chen Gefährdung unterliegen die Lehrkräfte an Oberschulen. Sie zeigen in den meisten Arbeits-, Gesundheits- und Personenmerk-malen die ungünstigsten Ausprägungen. Bei-spielsweise sind sie weniger zufrieden mit dem Lehrerberuf, besitzen höhere Blutdruck- und Gesamtcholesterin-Werte, geben die meisten Beschwerden, einschließlich Burnout-Symptome, an und neigen häufiger zur übersteigerten Verausgabung. Eine zweite Besonderheit ergibt sich für die Lehrkräfte an den För-derschulen. Diese fielen inter-essanterweise in unseren Un-tersuchungen durch ihre hohe berufliche Zufriedenheit, ein günstiges arbeitsbezogenes Verausgabungs-Belohnungs-Verhältnis, einen geringen An-teil an Beschwerden und ein ge-ringes Burnout-Risiko positiv auf. Im Vergleich zu den Lehrkräften anderer Schularten waren anderer-seits bei ihnen ein höherer Anteil

an Rauchern, erhöhte Glukosewerte (5 Prozent Diabetiker) und somit auch ein auffälliges kardiovaskuläres Risiko zu ver-zeichnen. Es werden die meisten Ausfalltage und die häufigste Betroffenheit von Langzeiterkrankungen dokumentiert. Es ist aber dabei zu beachten, dass der Anteil der schwerbehinderten Lehrerinnen und Lehrer an Förderschulen besonders hoch ist.

E Woran erkranken Lehrer am häufigsten?

Lehrkräfte fallen durch ihren bereits in jüngeren Jahren erhöh-ten Blutdruck und ihre Beschwerden im Bereich des Herz-Kreis-lauf-Systems, des Bewegungsapparats und der Atemwege auf. Bei den Krankenkassen werden im Vergleich zum Durchschnitt häufiger Atemwegs- und psychische Erkrankungen dokumen-tiert. Geschlechtsunabhängig bestehen erwartungsgemäß Alters-unterschiede vor allem bei den kardiovaskulären Risikofaktoren, zum Beispiel Blutdruck, Herz-Kreislauf-Beschwerden, Body-Mass-Index. Speziell ältere Lehrerinnen haben deutlich höhere Blutdruck- und Gesamtcholesterin-Werte und geben eine geringe-

re Erholungsfähigkeit sowie Zufriedenheit an. Außerdem berichten Lehrerinnen im Vergleich zu Lehrern häufiger ein Missverhältnis von Verausgabung und Belohnung und, weisen einen höheren Krankenstand auf, rauchen aber seltener.

E Ist Burnout eine typische Lehrerkrankheit?

Für das Burnout-Syndrom beziehungsweise einzelne Burnout-Symptome kann kein Unterschied zur Allgemeinbevölkerung festgestellt werden.

E Im Vergleich zu anderen Bundesländern: Wie steht es da um die Gesundheit der sächsischen Lehrer?

Dazu sollten Sie folgendes wissen: Die Bundesländer ha-ben deutschlandweit unterschiedliche Vorgehensweisen in der betriebsärztlichen Betreuung der Lehrerinnen und

Lehrer realisiert. In Sachsen besteht die Besonderheit einer »Vor-Ort- Betreuung«. Durch die Betriebsärzte

und Sicherheitsfachkräfte werden regelmäßige Be-gehungen der Schulen durchgeführt und in diesem

Dr. Guido Prodehl leitet seit Januar 2016 gemeinsam mit zwei weiteren Geschäftsführern das Zentrum für Arbeit und Ge-sundheit Sachsen. Das ZAGS kümmert sich in Sachsen auch um die Lehrergesundheit und bietet in diesem Rahmen Vorsorge-Unter-suchungen für Lehrer an.

I N T E R V I E W

Page 13: Zeitschrift KLASSE 2/2016

Mit einem speziell für Lehrer angepassten pyscholo-

gischen Test werden Stressfaktoren abgefragt.

Neben der Blutdruckmessung wird außerdem mit

einem Bluttest die Nüchtern-Glukose ermittelt.

Zusammenhang wird die Gefährdungsbeurteilung der Lehrkräfte aktualisiert. Wir bieten mit der Möglichkeit der arbeitsmedizini-schen Vorsorge in den Schulen ein niederschwelliges Angebot an. In anderen Bundesländern gibt es Zentren für Lehrergesundheit, an denen die einzelnen Lehrkräfte untersucht und beraten werden können. Aus diesem Grund halte ich es für schwierig, die Daten aus den anderen Bundesländern zum Vergleich heranzuziehen.

E Was genau passiert bei der Vorsorge-Untersuchung für Lehrer?

Eine arbeitsmedizinische Vorsorge für Lehrerkräfte beinhaltet die Erhebung der Krankheitsgeschichte, einen Sehtest, eine Blut-druckmessung, die Bestimmung der Fettstoffwechselparameter, die Nüchtern-Glukose sowie die Erfassung der psychischen Be-lastungen. Bei Vorlage des Impfausweises führen wir eine Impf-

beratung durch. Nach Abschluss der Vorsorge verschicken wir einen persönlichen Befundbericht an jede Lehrkraft. Die Teil-nahme an einer arbeitsmedizinischen Vorsorge für Lehrkräfte ist bis auf die Vorsorge in G-Förderschulen freiwillig und kann alle drei Jahre wiederholt werden.

E Was passiert mit der arbeitsmedizinischen Beurteilung?

Grundsätzlich unterliegen die Betriebsärzte der ärztlichen Schweigepflicht. Inhalte der Untersuchungen gelangen also we-der an den Arbeitgeber noch an den Schulleiter. Während der Untersuchung oder im Befundbericht sprechen wir Präventions-empfehlungen aus oder verweisen an den Haus-/Facharzt.

E Wie sieht das in der Praxis aus: Welche Angebote gibt es für Lehrer, wenn sie Hilfe benötigen?

Wir beraten die Lehrer bereits zur Untersuchung individuell über Möglichkeiten zur Verbesserung des Gesundheitszustan-des. Je nach Bedarf kann das die Empfehlung zur Teilnahme an einem Präventionskurs der Krankenkassen sein, bei auffälligen Befunden raten wir zu einer weiteren Diagnostik beim Hausarzt oder Facharzt. Über die Deutsche Rentenversicherung kann bei entsprechender medizinischer Indikation auch ein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder ein Antrag auf medizinische Rehabilitation durch den Betriebsarzt unterstützt werden. Eine Besonderheit ist das Programm »Frühintervention

zum Erhalt der Erwerbsfähigkeit« (sog. FEE-Programm): Lehr-kräfte, die von einer Erkrankung bedroht sind und bereits erste Symptome zeigen, können an einer einwöchigen stationären/am-bulanten Rehabilitation in Bad Gottleuba oder Leipzig teilneh-men. In den folgenden drei Monaten werden Sie arbeitsbeglei-tend einmal in der Woche circa zwei Stunden therapiert. Nach sechs Monaten folgt ein Abschlusstag in der Reha- Einrichtung.

E Als Lehrer muss man aber keine arbeitsrechtlichen Konsequen-zen fürchten, wenn man an so einem Programm teilnimmt…?

Nein, arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen nicht. Bei Arbeits-unfähigkeit übernimmt der Hausarzt Diagnostik und Therapie, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist für sechs Wochen durch den Arbeitgeber und im Anschluss durch die Krankenkasse

abgesichert. Die Teilnahme an Präventionskursen findet in der Freizeit der Lehrer statt. Bei ei-ner medizinischen Rehabilitati-on ist der Mitarbeiter ebenfalls rechtlich und finanziell abge-sichert. Sollte sich nach langer Erkrankung das Leistungsbild des Lehrers geändert haben, besteht die Möglichkeit, den

Arbeitsplatz im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsma-nagements anzupassen.

E Stichwort Prävention: Wo müssen Lehrer besonders aufpas-sen, um nicht krank zu werden? Wie bleibt man als Lehrer gesund?

Für Lehrer gelten ähnliche Empfehlungen wie für die Allgemein-bevölkerung. Eine gesunde Lebensweise mit ausreichend körper-licher Aktivität gilt als gesundheitsförderlich. Geringe Maßen an Alkohol, Nikotinverzicht und das Einhalten des Normgewichts fördern ebenfalls das gesunde Altern. Neben uns Betriebsärzten bieten die Hausärzte sogenannte Check-up-Untersuchungen ab dem 35. Lebensjahr an, die Teilnahme hieran ist ebenso anzura-ten wie die Teilnahme an den entsprechenden Krebsvorsorgeu-Untersuchungen. Im Arbeitsalltag bemerken wir, dass einige Lehrer über gehäuftes Auftreten von Kopfschmerzen und Stimm-schwierigkeiten klagen. Auf Nachfrage berichten einige Lehr-kräfte über eine deutlich zu geringe Flüssigkeitsaufnahme. Es ist ratsam im Lehrerberuf ausreichend zu trinken, da gerade durch das lange Unterrichten vor der Klasse die Schleimhäute leicht austrocknen können. Wesentlich für das Wohlbefinden am Ar-beitsplatz ist der kollegiale Umgang an der Schule. Gute Kommu-nikation, das Aufstellen und Einhalten klarer, nachvollziehbarer Regeln im Schulalltag, gute Führung durch die Schulleitung und Bewältigung der Probleme im Team tragen zur Arbeitszufrieden-heit genauso bei wie der offene Umgang mit Lob und Kritik.

»LEHRKRÄFTE ZEIGEN – MIT WENIGEN AUSNAHMEN – HÄUFIGER GESUNDHEITS-FÖRDERLICHE VERHALTENSWEISEN.«

I N T E R V I E W

Beim abschließenden Arztgespräch werden die

persönlichen Risikofaktoren ausgewertet.

Page 14: Zeitschrift KLASSE 2/2016

2 / 201614 KLASSE

Dürfen Lehrer Geschenke annehmen?

Sobald Geschenke in Verbindung zum Beruf stehen und nicht vorher von der Schulleitung abgesegnet worden sind, dürfen sie nicht angenommen werden – weder explizit, noch durch schlüssiges Verhalten und egal, ob im Schulgebäude oder zu Hause. Ein Geschenk gilt selbst dann als angenommen, wenn es direkt weiterverschenkt oder gespendet werden soll. Bei sogenannten geringwertigen Auf-merksamkeiten, also einfachen Reklame-Artikeln wie Stiften oder Kalendern, gilt die Zustimmung jedoch von vornherein als erteilt. Sie können auch ohne Rück-sprache mit der Schulleitung entgegenge-nommen werden.

Warum darf man sich als Lehrer nichts schenken lassen?

Lehrer haben einen staatlichen Auftrag, der sachbezogen und unparteiisch erfüllt werden muss. Der öffentliche Dienst ge-nießt das Vertrauen der Bevölkerung. Das grundsätzliche Verbot zur Annahme von Geschenken und anderen Vorteilen soll dieses Vertrauen schützen und den staatli-chen Verwaltungsapparat funktionsfähig halten. Schon der bloße Anschein, dass Lehrer korrupt sein könnten, soll vermie-den werden.

Gibt es eine finanzielle Höchstgrenze?

Eine Höchstgrenze ist nicht ausdrück-lich festgelegt. Allerdings müssen sich die Geschenke in einem allgemein üblichen Rahmen bewegen. Da dieser nur schwer bestimmbar ist, wird ein Wert von etwa 70 Euro als Orientierungs-hilfe angegeben. Geringwerti-ge Aufmerksamkeiten sollten nicht teurer als 20 Euro sein. Die allgemeine Zustimmung gilt nur, solange der Gesamt-wert aller Aufmerksamkeiten nicht über 60 Euro im Jahr liegt.

Was mache ich als Lehrer, wenn das Ge-schenk über der Höchstgrenze liegt?

Liegt ein zustimmungspflichtiges Ge-schenk über der zulässigen Höchstgren-ze oder bestehen Zweifel hierüber, muss vor der Annahme unbedingt die Ge-nehmigung eingeholt werden. Wenn die Zustimmung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann, so darf das Geschenk aus-nahmsweise unter Vorbehalt angenom-men werden. Für die Lehrer im Beschäf-tigtenverhältnis ist der Schulleiter die zuständige Stelle.

Eltern schenken mir Blumen. Muss ich mir dafür den Kassenzettel zeigen lassen?

Nein, aber schauen Sie sich den Strauß genau an: Liegt er höchstwahrscheinlich über einem handelsüblichen Marktwert von schätzungsweise 20 Euro, muss eine ausdrückliche Zustimmung eingeholt werden.

Gibt es Geschenke, die Lehrer prinzipiell nicht annehmen dürfen?

Lehrer dürfen kein Geld annehmen. Eine Ausnahme gilt allerdings für Auszeich-nungen oder Preise, solange sie den Leh-rer nicht in seiner objektiven Dienstaus-übung beeinträchtigen oder sonst der Ein-druck der Befangen-heit entsteht. Aber auch hier muss

die Schulleitung in jedem Fall vorher zu-stimmen.

Gibt es Konsequenzen für mich als Lehrer, wenn ich das Geschenk doch annehme?

Ein Verstoß gegen das Verbot ist ein Dienstvergehen. Nicht verbeamteten Lehrern und Auszubildenden drohen ar-beitsrechtliche Sanktionen bis hin zur Kündigung. Beamte müssen mit diszip-linarischen Maßnahmen rechnen – was sogar die Entfernung aus dem Beam-tenverhältnis oder die Aberkennung des Ruhegehalts bedeuten kann. Auch auf strafrechtlicher Ebene kann eine Vor-teilsnahme mit Geld- oder Freiheitsstra-fe geahndet werden. Zudem kann der Dienstherr oder Arbeitgeber sich einen eventuell entstandenen Schaden ersetzen und die Geschenke herausgeben lassen. Zu bedenken ist ferner, dass sich auch der Vorteilsgeber gegebenenfalls strafbar ma-chen kann. Schon die staatsanwaltlichen Ermittlungen bedeuten erhebliche Unan-nehmlichkeiten für die Betroffenen.

An wen kann ich mich als Lehrer bei rechtlichen Fragen dazu wenden?

Lehrer können sich an den Schulleiter oder die Sächsische Bildungsagentur wen-den.

Vielen Dank für die BlumenBald endet das Schuljahr. Immer wieder bei Eltern beliebt: eine kleine Aufmerksamkeit

für die Lehrerin oder den Lehrer. Auch wenn es eine nette Geste ist, dürfen Lehrer jedoch

nur in Ausnahmefällen Geschenke annehmen. TEXT: LOUISA HANTSCHE, KLASSE-REDAKTION

R E C H T U N D O R D N U N G

Page 15: Zeitschrift KLASSE 2/2016

2 / 2016 15KLASSE

»Kommunikation als Pflichtfach in der Schule«

Was macht einen guten Lehrer aus? Und einen guten Schüler? Mit dem KLASSE-Fragebogen bitten wir Bildungsträger und Prominente aus Sachsen, uns einen Einblick in ihre persönlichen Lernerfahrungen zu geben.

ANTWORTEN: AL DI MEOLA, JAZZ-GITARRIST

Als ich klein war, wollte ich Feuerwehrmann werden.Meine Eltern wollten, dass ich BWL studiere, wenn ich groß bin.

Als Schüler war ich gut in Überall ganz okay, aber ich hatte nur meine Musik im Kopf.

Heute bin ich gut in Psychologie, Musik. Seit ich nach Deutschland gezogen bin, interessiere ich mich sehr für die europäische Geschichte, die wir in der Schule nur wenig behandelt haben.

Mein liebstes Schulfach war: Biologie.Das Schulfach, das ich überhaupt nicht mochte, war: Algebra.

Das hat mich in der Schule am meisten genervt: in keine Gruppe zu passen.

Das hat mir an Schule am besten gefallen: Chor, Sport.

Ein guter Lehrer: hat Geduld und die Fähigkeit, mir Dinge näher zu bringen, die mich eigentlich nicht interessieren.

Ein guter Schüler: hört zu und ist respektvoll dem Lehrer und den Mitschülern gegenüber.

In meinem Leben will ich noch: die Kunst der persönlichen Kommunikation per-fektionieren. Meiner Meinung nach sollte heutzutage Kommunikation ein Pflichtfach in der Schule sein, das schon im Grundschulalter gelehrt wird.

Am besten kann ich mich konzentrieren, wenn: absolute Stille herrscht.

Mein Lieblingsbildungsort ist: mein Musikstudio in Miami direkt am Strand.

Wenn ich meinen Beruf noch einmal wechseln würde, dann würde ich Schönheitschirurg werden.

Als Ausgleich zu meiner Arbeit muss ich Sport machen. Außerdem kaufe ich gerne Notenbücher und lese sie, zum Beispiel im Flugzeug.

Ich liebe an meinem Job, dass er Menschen glücklich macht und Emotionen herüberbringt, die man mit Worten nicht ausdrücken kann. Seit ich 19 bin, verdiene ich Geld mit meiner Lei-denschaft und habe die ganze Welt gesehen. Ich bin sehr dankbar dafür.

Ich verlasse nie das Haus ohne: sicherzustellen, dass alles tiptop aufgeräumt ist.

Meine Kollegen/Freunde sagen von mir, dass ich: mit meinem Perfektionismus in der Musik andere in den Wahnsinn treiben kann.

Al Di Meola, ist ein weltbekannter Jazz-Gitarrist. Der 1954 in New Jersey geborene Musiker kann mittlerweile auf eine 40 Jahre lange Karriere im Musikgeschäft zurück-blicken. Für sein virtuoses Gitarrenspiel gilt Al Di Meola in der Jazzszene als Gitarrenheld. Sein aktuel-les Album heißt »Elysium & More« – eine Reise durch sein Lebenswerk. Al Di Meola ist mit einer Sächsin aus Oederan verheiratet, mit der er sich im Januar 2016 nochmal über Nach-wuchs freuen konnte.

F R A G E B O G E N

Page 16: Zeitschrift KLASSE 2/2016

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