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1/2014 »Kannst du das schon?« Jahrgangsübergreifendes Lernen DAS MAGAZIN FÜR SCHULE IN SACHSEN KLASSE

Zeitschrift Klasse 1/2014

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Das Magazin für Schule in Sachsen

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1/2014

»Kannst du das schon?« Jahrgangsübergreifendes Lernen

DAS M AGA ZI N FÜR SCH U LE I N SACHSEN

KLASSE

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1 / 20142 KLASSE

Sachsens Schulen erhalten im kommenden Schuljahr 2014 / 2015 zusätzlich 1,45 Millionen Euro für Ganztagsange-bote. Hintergrund dafür sind nicht benötigte Fördermittel aus den Jahren 2013 und 2014. Die Schülerpauschale für Schüler an Grundschulen und Gymnasien steigt damit um rund 6 Euro auf 57,51 Euro. Für jeden Schüler an Förderschulen und Oberschulen gibt es rund 10 Euro mehr und damit 96,83 Euro. Zudem erhalten die Schulen schon Anfang Mai die Zuwendungsbescheide für das nächste Schuljahr erhalten. Damit haben sie deutlich mehr Zeit, ihre Ganztagsangebote vorzubereiten.

Für das kommende Schuljahr 2014 / 2015 hat sich die Anzahl der Anträge von allgemeinbildenden Schulen auf 1.242 erhöht. 300.466 Schüler können nunmehr entsprechende Angebote von

der Lernförderung über Bewegungsangebote bis hin zu Freizeitan-geboten nutzen. »Ganztagsangebote sind zu einem Merkmal von Schulqualität geworden. Nachdem wir nahezu flächendeckend an den Schulen Ganztagsangebote haben, sollte nun die qualitative Weiterentwicklung im Vordergrund stehen«, so Kultusministe-rin Brunhild Kurth. Das Kultusministerium werde die Schulen dabei fachlich beraten. Derzeit gibt es an 1.223 allgemeinbilden-den Schulen im Freistaat Sachsen Ganztagsangebote. Im Jahr 2005 waren es lediglich 172 Schulen.

IMPRESSUM Herausgeber: Sächsisches Staatsministerium für Kultus (SMK), Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Carolaplatz 1, 01097 Dresden | Redaktion: Anja Niemke (V. i. S. d. P. ), Telefon: (0351) 564 25 11, E-Mail: [email protected]; Anikó Popella, Peter Stawowy, stawowy media | Mitarbeit in dieser Ausgabe: Beate Diederichs, Sebastian Martin, Brigitte Pfüller, Julia Oliver-Vollmer, Caroline Vogt | Fotos: André Forner, Wolfgang Schmidt, Daniel Scholz, Mike Hillebrand, Claudia Gallwitz (S. 15), jaydee3 / photocase.de (S. 12) | Gestaltung: stawowy media | Auflage: 40.000 Exemplare | Druck: Lößnitz-Druck GmbH | Verteilerhinweis: Die Informationsschrift wird von der Sächsischen Staatsregierung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlhelfern zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden.

1,45 Millionen mehr für Ganztagsangebote

Weitere Informationen: www.sachsen.ganztaegig-lernen.de

Macht Laune: Die Schülerpauschale für Ganztagsangebote steigt.

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E D I T O R I A L / I N H A LT

Sie können KLASSE kostenlos abonnieren. Dazu genügt eine E-Mail mit Angabe Ihrer Adresse an [email protected]. Ansprechpartner für Ihre Hinweise, Meinungen und Themenvorschläge für die kommenden Ausgaben der KLASSE ist das Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Carolaplatz 1, 01097 Dresden, Telefon: (0351) 564 25 11, E-Mail: [email protected] (kein Zugang für elektronisch signierte sowie für verschlüsselte Dokumente).

Liebe Leserinnen und Leser,

um Sachsens Schulnetz stabil zu halten, soll es ab dem kom-menden Schuljahr im ländlichen Raum keine Schulschließungen mehr geben. An Grund- und Oberschulen außerhalb der Mittel- und Oberzentren werden die Klassen eingerichtet, auch wenn die bislang erforderliche Mindestschülerzahl nicht erreicht wur-de. Schüler, Eltern und Schulträger müssen dann nicht mehr um ihren Schulstandort bangen. Ich meine, das ist eine gute Nach-richt für die sächsische Schullandschaft.

Auch wenn in Sachsen die Schülerzahlen wieder steigen, wird sich dieser Anstieg auf die Ballungszentren konzentrieren. Aber auch wer außerhalb der großen Städte wohnt, hat ein Recht auf gute Bildung und gleiche Chancen. Zudem braucht es qualitativ hochwertige und wohnortnahe Schulstandorte, wenn unsere ländlichen Regionen für Familien und Unternehmen attraktiv bleiben wollen. Deshalb haben wir das Konzept zur Sicherung der Schulen im ländlichen Raum aufgelegt. Damit ist die Qualität des Bildungsangebotes gesichert. Es gilt zudem im Spannungsfeld zwischen vertretbaren Schulgrößen und Wohnortnähe Lösungen zu finden, die einerseits den unter-schiedlichen Begabungen und Neigungen unserer Schülerinnen und Schüler gerecht werden und andererseits keine Abstriche bei der Unterrichtsqualität zur Folge haben.

Für kleine Grundschulen im ländlichen Raum liegt nun ein Leit-faden zum jahrgangsübergreifenden Unterrichten vor. Gemein-samer Unterricht ist jeweils für die Klassenstufen 1 und 2 sowie 3 und 4 möglich. Die »neuen« Klassenstufen werden bei der Be-rücksichtigung der Mindestschülerzahlen als Einheit gewertet.

Bei der Umsetzung des jahrgangsübergreifenden Lernens las-sen wir keine Schule allein. Der Leitfaden soll ihnen eine Hilfe sein, damit sie eigenverantwortlich ihr jeweiliges pädagogisches Konzept des jahrgangsübergreifenden Unterrichtens entwickeln können. Darüber hinaus sind für die Lehrerinnen und Lehrer schulinterne Fortbildungen geplant.

Die kleineren Schulen auf dem Land können mit der Jahrgangs-mischung neue Wege gehen. Für die unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrer ist damit zwar eine weitere große Herausforderung verbunden, die viel Kraft und Motivation erfordert. Zugleich ist mit dem jahrgangsübergreifenden Unterricht aber auch die Chance gegeben, neue Wege in der Unterrichtsgestaltung zu gehen und die Schule vor Ort zu erhalten.

Ihre

Brunhild Kurth, Sächsische Staatsministerin für Kultus

Inhalt Meldungen aus dem Ministerium – Seite 4

Aus Lehrersicht: Schulleiterin Bärbel Henkel erzählt über externe Evaluation an ihrer Schule – Seite 5

Reportage: Jahrgangsübergreifender Unterricht – Seite 6

Aus Teilnehmersicht: Franz Speck erzählt vom FSJ Pädagogik – Seite 10

Service: Sächsische Projekte für Zivilcourage – Seite 12

Recht und Ordnung: Interview mit dem Sächsischen Datenschutzbeauftragten Andreas Schurig – Seite 14

Der KLASSE-Fragebogen: Felix Räuber – Seite 15

»10

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1 / 20144 KLASSE4

M E L D U N G E N

Der 9. Sächsische Schulgartenwettbewerb unter dem Motto »AUS GRAU MACHT GRÜN!« ist ge-startet. Alle allgemeinbildenden Schulen sind dazu aufgerufen, ihr Schulgelände in kleinen oder großen Schritten zu einer grünen, naturnah gestalteten Oase zu machen. Dabei können sowohl Konzeptideen ein-gereicht werden, die noch auf ihre Umsetzung war-ten, als auch Projekte, die bereits realisiert wurden. Auch Schulen, die noch keinen Schulgarten haben, sind ausdrücklich zur Teilnahme eingeladen. Der Wettbewerb findet in drei Stufen statt und läuft über zwei Jahre.

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9. Sächsischer SchulgartenwettbewerbMacht mit und zeigt, dass Naturerlebnisse rund ums Schulgelände einen festen Platz in eurem Schulalltag haben. Jetzt anmelden und tolle Prämien gewinnen!

www.schulgarten.sachsen.de

AUS GRAU MACHT

GRÜN!

ANMELDE- SCHLUSS: 10.9.2014

Aus Grau macht Grün: 9. Schulgartenwettbewerb

Bis zum Inkrafttreten eines neuen Gesetzes für Schulen in freier Träger-schaft erhalten die freien Schulen in Sachsen 35 Millionen Euro zusätzlich. Einer entsprechenden Förderrichtlinie des Kultusministeriums hat das Kabi-nett zugestimmt. Zehn Millionen Euro bekommen die freien Schulen in diesem

Jahr, davon fünf Millionen für konsum-tive und fünf Millionen für investive Zwecke. Weitere 25 Millionen Euro wer-den Anfang nächsten Jahres ausgezahlt. Diese Summe kann sowohl für kon-sumtive als auch investive Maßnahmen verwendet werden. »Die Übergangslö-sung soll die freien Schulträger bis zum

Inkrafttreten eines neuen Gesetzes über Schulen in freier Trägerschaft wirt-schaftlich entlasten«, begründete Kul-tusministerin Brunhild Kurth die Kabi-nettsentscheidung. Ziel sei es, die Mittel möglichst schnell im laufenden Schuljahr auszuzahlen.

Freie Schulen erhalten 35 Millionen Euro zusätzlich

Bis zum 10. September 2014 können sich alle Schulen unter www.schulgarten.sachsen.de anmelden.

»Forschendes Lernen« heißt Neugier wecken und Möglichkeiten entdecken. Mit der Umsetzung des Themas in Schule und Kindertagesstätten beschäftigt sich die diesjährige Sommerakademie des Sächsischen Bildungsinstituts.

Das »Forschende Lernen« ist eine Lern-form, die sich besonders für das fach-übergreifende Denken und Arbeiten eignet. Die Sommerakademie 2014 lädt zur Beantwortung folgender Fragen ein: Wie verhalten sich Forschen und Lernen

zueinander? Welche Rolle nehmen die Lehrkräfte ein? Wie lässt sich »Forschen-des Lernen« als Unterrichtsmethode tatsächlich in die Schule übertragen?

Sommerakademie zum »Forschenden Lernen«

Die Sommerakademie findet vom 21. bis 24. Juli 2014 statt. Weitere Informationen: www.sbi.smk.sachsen.de/11393

Menschen haben schon immer ihre Hei-mat verlassen und sind in andere Länder ge-zogen. Migration ist also der Normalzustand und nicht der Ausnahmefall, wie viele meinen. Auch Deutschland hat verstanden, dass es zu einem Einwanderungsland geworden ist. Denn zwanzig Prozent der hier Lebenden blicken auf eine Zuwanderungsgeschichte zurück.Für all diese Persönlichkeiten hat sich der büro-kratische Begriff »Menschen mit Migrations-hintergrund« eingebürgert. Sie sind es, die in dieser Ausstellung »Das neue Deutschland« im Hygiene-Museum in Dresden im Vordergrund stehen.

Im Rahmen der Austellung werden spezielle Führungen für Schulklassen zu Themen wie Heimat, Vielfalt und Zusammenleben ange-boten. Außerdem gibt es Projekttage, die sich mit Vorurteilen, Umgangsformen und dem menschlichen Zusammenleben beschäftigen. Die Angebote sind kostenfrei. Die Ausstellung läuft noch bis zum 12. Oktober 2014.

Weitere Informationen: www.dhmd.de

»Das neue Deutschland«: Ausstellung im Hygiene-Museum

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Unsere Evaluation ist schon mehrere Jahre her, aber ich weiß noch genau, dass ich sie als förderlich empfand und das dreiköpfige Evaluationsteam als unabhängig und objektiv. Der Prozess begann damit, dass Schule und Evaluationsteam bei einem Vorgespräch klärten, was die externe Einschätzung bezweckt, welche Dokumente die Schule bereithalten muss und wie alles ablaufen wird. Um Fakten und Meinungen zu erfassen, erhielten wir Fragebögen für Pädagogen, Schüler und Eltern. Der Evaluationstag begann mit einem ausführlichen Gespräch mit mir als Schulleiterin. Das Evaluationsteam erhielt das Schulprogramm, innerschulische Konzepte, das Personalentwicklungskonzept und Förderpläne, die wir individuell für jeden Schüler erarbeiten, abgestimmt auf seinen sonderpädagogischen Förderbedarf. Dann besuchten sie den Unterricht der einzelnen Kollegen. Diese Un-terrichtsbesuche waren nur allgemein angekündigt. Jeder Kollege musste sich also darauf einstellen.

Außerdem tauschte sich das Evaluationsteam in Gesprächsrunden mit ausgewählten Pädagogen, Eltern und Schülern aus. Danach nahm sich das Evaluationsteam mehrere Wochen Zeit, unsere Da-ten zu analysieren, und kehrte für einen weiteren Tag an die Schule zurück, um die Ergebnisse zu präsentieren. Diese Präsentation war für Pädagogen, Eltern und Schüler offen.

Ich sehe die externe Evaluation als eine wichtige Etappe dabei, unsere Schule weiterzuentwickeln und ihre Qualität zu sichern. Sie hilft uns, zu wissen, wo wir stehen, und zu sehen, was wir zu tun haben. Dieser Blick von außen bewahrte uns davor, in Betriebs-blindheit zu verfallen. Natürlich spürte ich bei vielen Kollegen eine gewisse Anspannung, als bekannt wurde, dass wir evaluiert werden, aber Angst oder negative Befindlichkeiten … nein. Wir als Schulleitung konnten dem Kollegium erklären, was geplant war, und vermitteln, dass es nicht um Kritik geht, sondern um Denk-anstöße. Wir bekommen natürlich alle im Schulalltag mit, was gut läuft und was weniger. Interessant ist es, wenn das durch den Blick von außen bestätigt und ergänzt wird. Mehrere Kollegen und ich hatten unter anderem bei einer Fortbildung zum Thema »Förder-pläne« bemerkt, dass wir da noch Reserven hatten. Und tatsäch-lich ergab die Analyse des Evaluationsteams: Hier gibt es Entwick-lungspotenzial! Während wir zum Beispiel bei der Zufriedenheit von Schülern und Eltern und der Kommunikation im Kollegium überdurchschnittlich abschnitten, waren wir da nur Mittelmaß.

Also führten wir schulinterne Fortbildungen dazu durch und über-arbeiteten auch die Formblätter für die Förderpläne. Jetzt planen wir noch kooperativer, wie jeder Schüler unterstützt werden soll. Wir möchten die Kollegen ermuntern, sich stärker auszutauschen. Dieses Miteinander-Reden zu fördern, war unser Ziel für die Zeit nach der Evaluation. Wenn irgendwann die nächste Einschätzung kommt, müssen wir uns unter anderem daran messen lassen, wie gut wir das geschafft haben.

Weitere Informationen: www.schule.sachsen.de/3371.htm

AU S L E H R E R S I C H T

»Wissen, wo wir stehen« Die externe Evaluation, die Experten-Einschätzung von außen, hilft Schulen zu bewerten, inwieweit sie

ihre Ziele erreicht haben. Schulleiterin Bärbel Henkel vom Sonderpädagogischen Förderzentrum für

Körperbehinderte »Dr. Friedrich Wolf« in Hoyerswerda erzählt über Reaktionen des Kollegiums und die

Frage, was Evaluation wirklich bringt.

PROTOKOLL: BEATE DIEDERICHS, KLASSE-REDAKTION

»DER BLICK VON AUSSEN BEWAHRTE UNS DAVOR, IN BETRIEBSBLINDHEIT ZU VERFALLEN.«

Bärbel Henkel, Schulleiterin am Förderzentrum für Körperbehinderte »Dr. Friedrich Wolf« Hoyerswerda

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9. Sächsischer SchulgartenwettbewerbMacht mit und zeigt, dass Naturerlebnisse rund ums Schulgelände einen festen Platz in eurem Schulalltag haben. Jetzt anmelden und tolle Prämien gewinnen!

www.schulgarten.sachsen.de

AUS GRAU MACHT

GRÜN!

ANMELDE- SCHLUSS: 10.9.2014

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1 / 20146 KLASSE

Am Ende hat das Kollegium gesagt: Okay, wir machen es. Was blieb ihnen auch anderes übrig? Seit Jahren kämpft die Grundschule in Bad Brambach mit sinkenden Schülerzahlen und um den Erhalt. Gerade einmal 13 Anmeldungen für die erste Klasse liegen derzeit auf dem Tisch von Schulleiterin Ilona Vogel – zwei weniger als das sächsische Schul-gesetz verlangt. 2013 waren es sogar nur zwölf Kinder. »Wir existieren seit Jahren nur mit Ausnahmegenehmigung«, sagt sie. Wenn Ilona Vogel aus ihrem Büro schaut, dann kann sie weit ins tschechi-sche Nachbarland sehen. Aus Richtung Norden und Westen bedecken dichte Wälder die Hügel des Vogtlandes. „Wenn unsere Schule schließen würde, dann müssten die Kinder eine Stunde länger im Bus sitzen«, erklärt die Schulleiterin. Vor allem deshalb habe sich das Kollegium entschieden, ab dem nächsten Schuljahr einen jahrgangsübergreifenden Unter-richt einzuführen.

Das Beispiel aus Bad Brambach könn-te Schule machen – zumindest, wenn sich die Idee der Sächsischen Landesre-gierung durchsetzt. Denn wenn Kinder unterschiedlichen Alters in einem Raum unterrichtet werden, könnten die gefor-derten Mindestschülerzahlen leichter er-reicht und damit Grundschulstandorte gesichert werden. »Weitere Schließungen von Schulen können nicht mehr die Ant-wort sein auf sinkende Schülerzahlen im ländlichen Raum«, sagt Kultusministerin Brunhild Kurth. »Wir müssen neue Wege gehen, um den demografischen Wandel in ländlichen Regionen zu gestalten.«

Also auch in Bad Brambach – einer Ge-meinde, die knapp 2500 Einwohner zählt und die ihre Grundschule unbedingt be-halten will. Seit 2011 bereiten Ilona Vogel und ihre Kollegen daher die Einführung des jahrgangsübergreifenden Unterrichts vor. Für das fünfköpfige Team ein Mam-mutprojekt. »Ich wusste am Anfang ja gar nicht, was das ist«, erzählt die Schul-leiterin. Im Internet und in Fachbüchern habe sie zunächst recherchiert, nachdem das Kultusministerium sie vor drei Jahren auf das pädagogische Konzept aufmerk-sam gemacht hatte. Heute besucht sie re-gelmäßig eine Arbeitsgruppe in Dresden. »Wir lassen keine Schule allein, die sich auf den Weg machen will«, sagt Katrin Reichel-Wehnert, Referentin im Kultus-ministerium. »Wir wollen Mut machen und bieten viel Unterstützung an.« So werde es auch ein Begleitprojekt geben, das die Schulen, die die Altersgruppen mischen wollen, vernetzen soll.

Experten in Sachsen

Eine Grundschule, die jahrgangsüber-greifenden Unterricht bereits praktiziert, ist die in Liebertwolkwitz. Schulleiter Christoph Edgar Arnold nennt den Grund für das Durchmischen der ersten beiden Jahrgänge schnell: Heterogenität. Jedes Kind sei unterschiedlich weit in der Entwicklung und komme mit ande-ren Voraussetzungen in die erste Klasse. Übertrieben formuliert: Manche haben schon Harry Potter gelesen oder beherr-schen eine Fremdsprache, und andere können nicht mal einen Stift halten. Da-rauf habe man als Grundschule reagiert, erklärt der 47-Jährige. »Der Wunsch,

lernhomogene Gruppen zu unterrichten, haut nicht hin.«

Das Konzept knüpfe an die altersge-mischten Gruppenerfahrungen aus dem vorschulischen Lebensumfeld an, sagt er. Es ermögliche soziale Beziehungen zwi-schen Kindern unterschiedlichen Alters und trage zur gegenseitigen Rücksicht-nahme bei.

Wissenschaft sieht Vorteile

Auch die Erziehungswissenschaftlerin Matthea Wagener von der TU Dresden sieht viele Vorteile in dem pädagogischen Konzept. Sie hat erst vor kurzem eine empirische Studie zum jahrgangsüber-greifenden Lernen veröffentlicht. Fazit: »Aus lerntheoretischer Sicht zeigt sich, dass Kinder unterschiedlichen Alters miteinander und voneinander lernen. Sie tauschen sich über ihre Aufgaben aus und verfügen über eine große Vielfalt an Stra-tegien, sich gegenseitig zu helfen«, sagt die Professorin.

Manche Eltern kritisieren am jahrgangs-übergreifenden Unterricht, dass die Älte-ren zum Lehrerersatz werden und selbst nicht genügend lernen könnten, weil sie die Jüngeren permanent unterstützen würden. »Quatsch«, sagt Matthea Wage-ner, »die Kinder werden nach dem Lehr-plan unterrichtet.« Außerdem könnten sie auch nein sagen, wenn sie von den Jüngeren um Hilfe gebeten werden.

Schulleiter Arnold aus Liebertwolkwitz betont, dass die Größeren sogar von der Altersdurchmischung profitieren. Für sie

R E P O R TA G E

Mit jahrgangsübergreifendem Unterricht könnten ländliche Schulstand-orte gesichert werden. Experten sind von dem pädagogischen Konzept überzeugt.

VON SEBASTIAN MARTIN, KLASSE-REDAKTION

roße Chance für kleine SchulenG

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R E P O R TA G E

Motivation für jahrgangs-übergreifendes Lernen:Der Beweggrund von Schullei-ter Arnold und seinen Kollegen war die wachsende Heterogeni-tät der Schülerschaft. Die unter-schiedlichen Voraussetzungen, die jedes Kind mit in die Schule bringt, sind aus seiner Sicht mit den bestehenden konventionel-len Unterrichtsmethoden nicht mehr ausreichend zu händeln. Jahrgangsübergreifendes Unter-richten kann genau diese Un-terschiede aufgreifen. Seit 2011 werden die Grundschüler dort jahrgangsübergreifend unter-richtet.

»Die Kinder sind nicht alle gleich. Manche lernen schnell, andere langsam. Der Wunsch, lernhomogene Gruppen zu unterrichten, haut nicht hin.« Christoph Edgar Arnold, Schulleiter Grundschule Liebertwolkwitz

Grundschule Liebertwolkwitz

• Einzugsgebiet: Stadt

Leipzig• 175 Schüler • 12 Lehrer • 2 Lehramtsanwärter

sei es ein Erfolgserlebnis, wenn sie den Jüngeren etwas erklären können. »Das stärkt das Selbstbewusstsein und ist gut für die Persönlichkeitsentwicklung«, sagt Arnold und lädt zu einem Rundgang durchs Haus ein. Jahr-gangsübergreifender Unterricht live. In der Grundschu-le in Liebertwolkwitz klingelt es zur nächsten Stunde. Mattheo und Dennis haben Zeit zum Üben. Trotz des Altersunterschieds von einem Jahr sind beide ziemlich dicke Kumpels. »Dennis erklärt mir das Rechnen«, sagt Mattheo und lächelt verschmitzt. Wenn der Siebenjäh-rige der Meinung ist, dass er den Stoff beherrscht, dann kann er sich zur Leistungskontrolle melden. Zur Not auch ein zweites Mal. »Denn dadurch werden Wissenslü-cken wirklich geschlossen«, so Christoph Edgar Arnold.

Und es gebe noch mehr Vorteile für Mattheo und Co.: Die Jüngeren sehen beim jahrgangsübergreifenden Un-terricht zudem, welchen Stoff die Älteren behandeln. Dadurch werde bei ihnen Interesse geweckt, erklärt der Schulleiter. Aber hat der jahrgangsübergreifende Unter-richt wirklich nur Vorteile? Was ist mit den Lehrern, die das Konzept umsetzen? Bedeutet die Einführung für sie nicht einen ungeheuren Mehraufwand? Der Schulleiter aus Liebertwolkwitz nickt. Natürlich erfordere das päda-gogische Konzept einen gewissen Mehraufwand. Zumin-dest am Anfang. Und natürlich seien die Kollegen nicht sofort begeistert gewesen, die Altersstufen zu durchmi-

Mattheo (7) und Dennis (8) an der Grundschule Liebertwolkwitz.

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1 / 20148 KLASSE

R E P O R TA G E

»Wenn unsere Schule schließen würde, dann müssten die Kinder eine Stunde länger im Bus sitzen.« Ilona Vogel, Schulleiterin, Grundschule Bad Brambach

Motivation für jahrgangs-übergreifendes Lernen:In erster Linie will die Bad Brambacher Schule jahrangs-übergreifendes Unterrichten ein-führen, um eine Schulschließung zu verhindern und den Kindern einen langen Schulweg in die benachbarten Grundschulen in Bad Elster und Adorf zu erspa-ren. Vorbereitet wird die Ein-führung von jahrgangsübergrei-fendem Unterrichten seit 2011. Ab dem kommenden Schuljahr 2014 / 15 starten die Bad Bram-bacher Lehrer durch.

Grundschule Bad Brambach

• Einzugsgebiet: Bad

Brambach und die dazu- gehörigen Ortsteile

• 54 Schüler• 5 Lehrer• derzeit 13 angemeldete

ABC-Schützen

schen, sagt er. Am Ende hätten sie aber eingesehen, dass sie nur so die Unterrichtsqualität verbessern könnten. Denn der Lehrer gewinne sogar Zeit, um die Kinder indi-viduell besser fördern zu können.

Auch Rita Christmann betont, dass der jahrgangsüber-greifende Unterricht mehr Vor- als Nachteile bietet. Sie leitet die Freie evangelische Grundschule in Radebeul, an der seit 2010 die Altersstufen von Klasse 1 bis 4 durch-mischt werden. Frühling, Sommer, Herbst und Winter heißen die vier Lerngruppen, in denen jeweils fünf bis sechs Kinder jeder Altersgruppe vertreten sind. »Es ist einfach eine Bereicherung«, sagt sie über das pädago-gische Konzept. Der Erfolg gibt ihr Recht. Keines der Kinder, das auf eine weiterführende Schule gegangen ist, habe ein Defizit. »Die Kinder sind problemlos in der Lage, selbstständig zu lernen, Informationen zu beschaf-fen, eigene Defizite einzuschätzen und verfügen zudem über eine große soziale Kompetenz«, erklärt die Pädago-gin aus Radebeul.

Schrittweise im Team

Deshalb kann auch sie den jahrgangsübergreifenden Un-terricht nur weiterempfehlen. Schulen, die sich auf den

Ilona Vogel und ihre Kollegen wollen ihre Schüler ab dem kommenden Schuljahr jahrgangsübergreifend unterrichten.

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»Die Kinder sind problem-los in der Lage, selbststän-dig zu lernen, Informatio-nen zu beschaffen, eigene Defizite einzuschätzen und verfügen zudem über eine große soziale Komptenz.« Rita Christmann, Leiterin der Evangeli-schen freien Grundschule in Radebeul

Motivation für jahrgangs-übergreifendes Lernen:Jahrgangsübergreifendes Un-terrichten wird in Radebeul so-wohl von den Kindern als auch von den Lehrern und Eltern als Bereicherung wahrgenommen. Die Klassen sind in die Lern-gruppen Frühling, Sommer, Herbst und Winter aufgeteilt, in denen jeweils fünf bis sechs Kinder jeder Altersgruppe ver-treten sind. Jahrgangsübergrei-fend unterrichten die Radebeu-ler Pädagogen seit 2010.

Freie evangelische Grundschule

Radebeul

• Einzugsgebiet: Rade-beul und angrenzendeOrtschaften

• 96 Schüler• 10 Lehrer

Weg machen wollen, sollten ihrer Meinung nach aber schrittweise vorgehen und auf jeden Fall die Eltern mit-einbeziehen. Zudem müsse das komplette Team hinter dem pädagogischen Konzept stehen und sich als lernende Institution verstehen, sagt Rita Christmann.

Auch Professorin Matthea Wagener betont: »Jahrgangs-übergreifendes Lernen sollte als Konzept verstanden wer-den, das sich in Entwicklung befindet – also nicht ‚fertig’ ist, sondern immer wieder modifiziert werden kann. Die Schulen sollten über ihre Möglichkeiten und Haltungen reflektieren und entsprechend ihrer Voraussetzungen da-mit beginnen. Ein Austausch mit erfahrenen Kolleginnen und Kollegen kann unterstützend sein, aber auch Hospi-tationen an Schulen, die jahrgangsübergreifendes Lernen bereits praktizieren.«

Ilona Vogel, die Schulleiterin aus Bad Brambach, ist mit ihren Kollegen genau diesen Weg gegangen. In Liebert-wolkwitz haben sie sich das pädagogische Konzept in der Praxis angeschaut. Nun sind sie überzeugt und sagen: Okay, wir machen es. Jahrgangsübergreifender Unter-richt bietet Chancen, nicht nur, aber gerade für kleine Grundschulen im ländlichen Raum. Wichtig ist, das sich das Kollegium dazu bekennt und gemeinsam auf den Weg macht.

R E P O R TA G E

Friedjof (8) und Lukas (8) an der evangelischen Grundschule in Radebeul.

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E I N TA G I N B I L D E R N

Franz Speck will Lehrer werden und nutzt das FSJ Pädagogik, um Erfahrungen zu sammeln.

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Weitere Informationen: www.fsj-paedagogik.de

Die Mädchen und Jungen der Klasse 3 der Lindenschule Meerane wuseln aufgeregt durch das Schulhaus. Sie haben sich eine Menge zu erzählen, denn eben haben sie viel über das Leben im alten Ägypten erfahren: Franz Speck, der an der Bildungsein-richtung sein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) Pädagogik absolviert, hat dazu ein Projekt im fachübergreifenden Unterricht gestaltet. »Es war spannend«, freut sich die neunjährige Marie Düvel. »Herr Speck hat viel erklärt. Sogar den komplizierten Namen eines Kö-nigs.« Sie denkt kurz nach: »Tutanchamun hieß der Pharao.«

Franz Speck ist froh, dass es ihm gelungen ist, die Aufmerksamkeit der Kleinen zu fesseln. »Das ist nicht immer einfach, denn sie sind sehr unterschiedlich.«, erzählt der 19 Jährige Glauchauer, der gern Lehrer werden möchte. Doch er befürchtet, dass seine Abiturnote nicht reichen könnte. Das war auch einer der Gründe, sich nicht gleich nach der Schule an einer Universität oder Hochschule zu be-werben, sondern das FSJ Pädagogik zu absolvieren. »Ich gehe gern mit Kindern um. Ich komme aus einer großen Familie mit vielen Nichten und Neffen.« Und er ergänzt, dass Schichtarbeit am Band bei einem großen Automobilbauer nicht sein Traum sei, obwohl er dort besser verdienen würde. »Ich will mit Menschen arbeiten und ich wollte wissen, wie es sich vor einer Klasse anfühlt.« Trotzdem sei der Start in der Schule ein Kulturschock gewesen. Einerseits sei er positiv überrascht gewesen, wie viel die Kinder schon können und welch interessante Ganztagsangebote die Schule hat. Ande-rerseits habe ihn überrascht, dass es bei den Kleinen bereits große Rabauken gebe, die nur wenig Respekt hätten. »Vielleicht liegt das am Elternhaus. In meiner Schulzeit war das anders.« Eine Schü-lerin habe ihn einmal angesprochen und gefragt: »Herr Speck,

wollen Sie wirklich Lehrer werden und sich das ein Leben lang antun?« Bei der Erinnerung muss er lächeln, denn er lässt sich nicht so leicht abschrecken. So hat er auch mit seinem Nachnamen keine Probleme. »Klar fordert der zu Spitznamen heraus. Wenn mich Schüler zu Anfang ‚Specki‘ riefen, dann habe ich gesagt, ich heiße Herr Speck. Seitdem klappt das.«

Lehrerin Katja Gordat bestätigt, dass er durch sein konsequen-tes und freundliches Auftreten Respekt genießt. »Es ist viel ru-higer, wenn er mit in der Klasse sitzt.« Er hilft Schülern, die es schwer haben. Mit speziellen Störenfrieden geht er vor die Tür. Was macht er dort? »Ich nehme Rätsel mit oder ich stelle kompli-ziertere Aufgaben. Das hilft.« Denn Rumtoben im Schulhaus geht nicht. Das können die Kinder mit Franz Speck bei verschiedenen Ganztagsangeboten: Vormittags macht er Sport mit den Klassen 1 und 2. Beim Fußballspielen ist er mit dabei und beim Faustball hat er den Hut auf. »Ich spiele in Glauchau seit zehn Jahren aktiv Faustball.« In der Meeraner Bildungseinrichtung betreut er zwei Mannschaften mit je fünf Kindern.

»Wir würden ihn am liebsten behalten«, sagt Mentorin Annett Narloch. »Franz Speck ist offen, er sieht, wo es was zu tun gibt und er ist mit Engagement dabei. Er bringt alles mit, was ein guter Pä-dagoge braucht. In Grundschulen sind männliche Lehrer knapp.« So hofft sie mit dem Kollegium der Meeraner Lindenschule – dar-unter ist nur ein Kollege – dass »ihr« FSJler zum Pädagogikstudi-um aufgrund seiner ausgezeichneten Eignung angenommen wird.

AU S T E I L N E H M E R S I C H T

»Ihn würden wir am

liebsten behalten« Franz Speck absolviert ein Freiwilliges Soziales Jahr Pädagogik. Er möchte gern Lehrer werden.

VON BRIGITTE PFÜLLER, KLASSE-REDAKTION

Am 1. August 2014 beginnt zum zweiten Mal das Freiwillige Soziale Jahr Pädago-gik. Junge Freiwillige zwischen 16 und 26 können sich ab sofort für den Einsatz an einer Schule bewerben und testen, ob der Beruf als Lehrer für sie das Richtige ist. Zur Auswahl stehen 40 Plätze an Grund-schulen, Oberschulen, Gymnasien und Förderschulen in ganz Sachsen.

Das FSJ Pädagogik startete erstmalig mit Schuljahr 2013 / 14. Derzeit sind vierzig

Freiwillige an Schulen beschäftigt. Sie können unter anderem im Rahmen der schulischen Ganztagsangebote aktiv wer-den, einzelne Schüler oder Lerngruppen fördern oder auch eigene Projekte umset-zen, wie die Homepage der Schule oder die Schülerzeitung. Sie arbeiten auf jeden Fall über ein Schuljahr lang mit Schülern und können ihre Ideen in das Schulleben einbringen. In den Schulferien gibt es au-ßerdem 25 Bildungstage für den Erwerb zusätzlicher pädagogischer Kenntnisse.

Die Freiwilligen erhalten pro Monat 150 Euro Taschengeld sowie 150 Euro für Unterkunft und Verpflegung. 24 Urlaubs-tage sowie eine Übernahme der Sozial- und Krankenversicherung gehören eben-falls dazu.

Bewerbungen für das FSJ Pädagogik sind bis zum 13. Juni 2014 möglich. Die Be-werbungsunterlagen, eine Liste der Schu-len und viele weitere nützliche Infos un-ter: www.fsj-paedagogik.de

Ein Jahr lang den Lehrerberuf testen

Weitere Erfahrungsberichte zum FSJ Pädagogik auch unter: www.lehrer-werden-in-sachsen.de

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1 / 201412 KLASSE

B E R I C H T

Aktion Zivilcourage e. V. mit ihrem Work-shop »Zivilcourage … nicht nur für Helden!«

Hinschauen und mutig eingreifen – das ist nicht nur in Notsi-tuationen wichtig, sondern auch im ganz normalen Alltag. Wie das gehen soll, zeigt der Workshop »Zivilcourage ... nicht nur für Helden!« Er richtet sich an die Sekundarstufe I und II. Ein Teamer des Vereins Aktion Zivilcourage arbeitet mit der gesam-ten Klasse zusammen und passt den Workshop an die jeweilige Klassensituation an, sodass auch interne Konflikte angesprochen und gelöst werden können. »Die Lehrer sind, wenn sie mögen, gern als Teilnehmer mit im Boot. Durch diese Offenheit entsteht ein sehr angenehmes Miteinander und auch ruhige Schüler öff-nen sich«, verrät Ramona Meisel, Koordinatorin der Workshops. Anhand von Gruppenübungen, Rollenspielen und Videoanaly-sen bearbeiten alle gemeinsam die auftauchenden Fragen. Was bedeutet eigentlich Zivilcourage? Welche Möglichkeiten habe ich als Einzelner in Notsituationen zu reagieren? Der Workshop ist für Schulklassen kostenlos und dauert mindestens 2,5 Zeit-stunden. Er lässt sich aber auch auf einen gesamten Projekttag ausweiten und richtet sich auch an Sozialarbeiter, Mitarbeiter in Kitas, Bürger und Vereine.

Weitere Informationen unter: www.aktion-zivilcourage.de

Das Netzwerk für Demokratie und Courage mit seinem Projekttag B

Rassismus, Vorurteile und Diskriminierung: Das Netzwerk für Demokratie und Courage verfolgt den »aufsuchenden« Ansatz.

Die Teamer gehen in Schulen, Ausbildungseinrichtungen und Ju-gendclubs – also direkt in die Lebenswelt der Jugendlichen. Sie bieten 12 verschiedene Projekttage für unterschiedliche Klassen-stufen an, die alle dasselbe Ziel verfolgen – Jugendliche zu cou-ragiertem Handeln zu ermutigen. »Ihr macht den Unterschied«, so der Titel des Projekttages B, der die Themen Diskriminierung, Gesellschaft und Einflussmöglichkeiten umfasst und sich an Schüler der Klasse 9 richtet. Eigens dafür hat das Projektteam ein Planspiel entworfen, das den Tag bestimmt.

Die fiktive Gesellschaft Monolizien ist ein vereinfachtes Abbild einer realen Regierung. In Monolizien regiert die führende Partei mit fragwürdigen Methoden. Einige der Bürgerinnen und Bürger werden benachteiligt und ausgegrenzt. Die Polizei setzt die Ge-setze der Regierung um. Nun ist die Kreativität der Teilnehmer gefragt: Lassen sie sich alles gefallen? Agieren sie gegen die Be-stimmungen der Regierung? Möglicherweise sogar aus dem Un-tergrund? Kooperieren unterschiedliche gesellschaftliche Grup-pen zusammen? »Nach einer kurzen Vorstellungsrunde, in der wir die Erwartungen abfragen und sich alle auf Kommunikati-onsregeln einigen, werden die einzelnen Rollen verteilt. Wie sich das Spiel entwickelt, hängt stark von der Klasse und der Kreativi-tät der Einzelnen ab«, so Matthias Brauneis vom Netzwerke für Demokratie und Courage. Auch wenn der Ausgang offen ist, die Fragen, die sich ergeben, sind gleich. Wie funktioniert Diskrimi-nierung? Welche Wirkung hat sie für den Einzelnen und die Ge-sellschaft? Wie entstehen Vorurteile und welche gibt es? Welche Einschränkungen entstehen auf gesellschaftlicher Ebene und wie gestaltet man gesellschaftliches Zusammenleben ohne Diskrimi-nierung? Im Anschluss an das Planspiel erfolgt die Auswertung. Teamer und Jugendliche diskutieren über das Erlebte und über-tragen ihre Erfahrungen gemeinsam auf die reale Gesellschaft.

Nicht nur für HeldenRassismus, Diskriminierungen im Alltag oder auch das klassische Mobbing sind

Themen, die auch im Schulalltag auftauchen. Im Freistaat gibt es zahlreiche

Anbieter, die in Form von Projekttagen und Workshops Schüler und Lehrer un-

terstützen. KLASSE stellt fünf Angebote näher vor.

VON CAROLINE VOGT, KLASSE-REDAKTION

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S E R V I C E

Die Schüler bekommen zu spüren, wie es ist, eine politische Rolle in der Gesellschaft einzunehmen. »Nach dem Projekttag haben die meisten ein Glitzern in den Augen, weil sie eine starke Dyna-mik erlebt haben. Das macht natürlich Spaß.«, so Brauneis.

Weitere Informationen unter: www.netzwerk-courage.de

Das Kulturbüro Sachsen mit der Fachstelle Jugendhilfe – Demokratiewerte gegen Rechtsextremismus

»Das Problem ist, dass Pädagogen und Eltern vor Ort oft unsi-cher sind, ob sie es mit rechtsextremen Jugendlichen zu tun ha-ben. Sie zweifeln und suchen Hilfe, um sich zu vergewissern. Un-ser Fachteam schafft geschützte Räume, wo vertraute Gespräche möglich sind. Wir machen uns ein Bild von der Situation und be-raten gemeinsam, welche Veränderungen erwünscht und möglich sind«, sagt Danilo Starosta von der Fachstelle Jugendhilfe vom Kulturbüro Sachsen. Seit Juni 2013 gibt es die Fachstelle Jugend-hilfe vom Kulturbüro Sachsen als Bindeglied zwischen Angebo-ten der öffentlichen und der freien Jugendhilfeträger. Mit speziel-len Fachcoachings, Beratungen und Begleitungen werden Eltern, Jugendliche, Erzieher, Lehrer und Sozialarbeiter fit gemacht für den Umgang mit rechtsextremen Jugendlichen. Dabei stützt sich die Fachstelle auf die Erfahrungen mehrerer zurückliegender Projekte wie Recall oder Jugendhilfecoach. Die Fachstelle wird entweder beauftragt oder auf Anfrage von außen tätig. Länger-fristiges Ziel der Fachstelle ist es darüber hinaus, fachliche Stan-dards im Umgang mit Rechtsextremismus in der Jugendarbeit zu entwickeln, so, dass ein schnelles und fachgerechtes Reagieren möglich wird.

Weitere Informationen unter: www.kulturbuero-sachsen.de

Das Kulturhaus Arthur in Chemnitz mit seinem Projekt zum beiSPIEL MENSCHENRECHTE

Was haben die Menschenrechtskonventionen mit dem Leben sächsischer Kinder und Jugendlicher zu tun? Das Kooperati-onsprojekt des Kulturhauses Arthur und Amnesty International Chemnitz »zum beiSPIEL MENSCHENRECHTE« gibt Ant-

worten darauf. Jugendliche ab 13 Jahren können teilnehmen.

Nach Absprache mit dem Lehrer passen die zwei Teamer das An-gebot an die Klasse an und gehen für mindestens 90 Minuten oder für einen Projekttag an die Schule.

Der Vertreter der Amnesty-Gruppe übernimmt die inhaltliche Einführung, den praktischen Teil gestaltet das Kulturhaus. Die Projekttage nehmen sowohl gesellschaftliche, als auch individuel-le Diskriminierungsmechanismen in den Fokus. »Durch Interak-tionsübungen, mediale Impulse, das Theater der Unterdrückten und Diskussionen erleben Schüler, dass Menschenrechte etwas mit ihnen zu haben und nicht nur weit weg von ihrem Alltag eine Rolle spielen«, so Susann Neuenfeld vom Kulturhaus Arthur. Für jüngere Kinder ab 7 werden außerdem Projekttage zum Thema Kinderrechte angeboten.

Weitere Informationen unter: www.arthur-ev.de

Das Projekt »Grenzen überwinden« des Vereins Ausländerrat Dresden e. V.

Migration, Flucht, Rassismus – das sind die Themen, um die es im Projekt »Grenzen überwinden« geht. Zu diesen Schwer-punkten bietet das Projektteam einen kostenlosen vierstündigen Workshop für Schüler der achten Klasse an. Die Angebote rich-ten sich an Ausbildungseinrichtungen und Schulen und können sowohl in den Schulen als auch in den Räumlichkeiten des In-ternationalen Begegnungszentrums stattfinden. Zwei Referenten gestalten einen Projekttag, an dem die Jugendlichen weniger zu-hören müssen, sondern diesen vielmehr durch interaktive Übun-gen und Spiele mitgestalten.

Gemeinsam überlegen sie, was es bedeutet, in einer Migrations-gesellschaft zu leben. Wie rassistische Unterscheidungen entste-hen und welche Funktion sie haben. Welche Formen von Benach-teiligung auf individueller und gesellschaftlicher Ebene auftreten und welche Möglichkeiten es gibt, auf diese einzuwirken, auch für die Schüler selbst.

Weitere Informationen unter: www.auslaenderrat-dresden.de

Lese-Empfehlung

»Couragiert – das Magazin für demokratisches Handeln und Zivilcourage« ist kompetenter Ratgeber für die tägliche Arbeit von Verbänden, Organisationen, Bildungsträgern, Vereinen und Kultureinrichtungen. Die Zeitschrift enthält viele Beiträge, die auch für Lehrer interessant sind. Fachleute vermitteln Hilfreiches zu bürgerschaftlichem Engagement und informieren über Methoden und Inhalte der politischen Bildungsarbeit. Das Magazin bietet Ideen, neue Impulse und vor allem praxisnahe Tipps und Erfahrungsberichte, die Engagement unterstützen und mit denen man Problemen selbstbewusst begegnen kann.

Herausgeber: Aktion Zivilcourage e. V.

Erscheinungsweise: 4 Ausgaben pro Jahr

Preis: 5 Euro

Für Eltern und Pädagogen als kostenloser Download: Material zum Thema »Rechtsectremismus hat viele Gesichter. Wie man Rechtsextreme im Netz erkennt - und was man tun kann« www.klicksafe.de/rechtsextremismus

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1 / 201414 KLASSE

R E C H T U N D O R D N U N G

Kein Schüler-Lehrer-Verhältnis Facebook und Co. spielen in sächischen KLassenzimmern eine immer größere Rolle. Wie Lehrer dieser

Entwicklung begegnen können und ob Schüler und Lehrer auf Facebook befreundet sein können,

erklärt der Datenschutzbeauftragte Andreas Schurig.

INTERVIEW: PETER STAWOWY, KLASSE-REDAKTION

E Sie sind gegen den Einsatz von Facebook zwi-schen Schülern und Lehrern. Warum?

Andreas Schurig: Rechtlich geht es doch um dienstli-che Kommunika-tion. Lehrer be-treuen Schüler in einem besonderen Gewaltverhältnis und dabei sind na-türlich bestimmte Spielregeln einzu-halten, wie bei an-deren Amtsträgern auch. Bei perso-nenbezogenen Da-ten muss deshalb

ein Kanal verwendet werden, der sicher ist, der rechtskonform verwendet und eingesetzt wird. Und das ist bei Facebook nicht der Fall. Außerdem ist Facebook nicht auf ein Schüler-Lehrer-Verhält-nis ausgelegt, es geht vielmehr um das Befreunden mit Freunden, mit Bekannten. Die Differenzierung rechtlicher und sozialer Ver-hältnisse, von Überordnungs- und Unterordnungsverhältnissen, ist aber in Facebook nicht vorgesehen.

E Was ist unsicher bei Facebook?

Schurig: Facebook ist nicht transparent in seiner Datenverarbei-tung. Man bekommt zwar eine Oberfläche, auf der Daten erhoben und gespeichert werden, angeboten, aber was mit diesen Daten im Hintergrund passiert, ist nicht klar. Außerdem hat Facebook im Bereich der Werbung Geschäftsmodelle, die darauf beruhen, dass Daten an Dritte weitergegeben werden, ohne dass der Nutzer da-rauf hingewiesen wird. Insbesondere Minderjährige überschauen oftmals die Tragweite dieser Handhabung nicht.

E Ein Beispiel: Ein Lehrer bringt seine Schüler dazu, dass sich alle in einer geschlossenen Gruppe bei Facebook anmelden, um ge-meinsam die Hausaufgaben zu bearbeiten. Ist der Lehrer damit schon mit einem Fuß im Gefängnis?

Schurig: Nein. Aber es ist, wie ich es schon zuvor sagte: Bei der Wahrnehmung dienstlicher Aufgaben haben sich Lehrer datensi-cherer Kommunikationsweisen zu bedienen. Optimal sind gesi-

cherte schulische Plattformen über die Inhalte vermittelt werden. Und natürlich sollte niemand – erst recht nicht von Amtsträgern und Lehrern – genötigt werden, einer sozialen Plattform beizutre-ten. um am Unterricht teilhaben zu können. Erst recht nicht zu-lässig sind wertende Feststellungen und Tatsachenbehauptungen des Lehrers in einer Facebook-Gruppe, wie etwa Aussagen über die Leistungsfähigkeit eines Schülers oder über seine Fähigkeiten, wie er den Unterricht verfolgt oder etwa über dessen familiäre Lebenssituation. Bei außerschulischen, nicht-dienstlichen Kontak-ten wiederum spielen hingegen weniger datenschutzrechtliche Fra-gen, sondern allein das Dienstrecht eine Rolle.

E Stichwort Medienkompetenz: Wie kann diese vermittelt werden, wenn der Kontakt zwischen Schüler und Lehrer im Netz, also ins-besondere bei Facebook, dann verboten ist?

Schurig: Medienkompetenz ist nicht einfach nur das Mitmachen, sondern auch, sich zu informieren. Lehrer können Facebook und Co. natürlich nicht einfach links liegen lassen, sie müssen wissen, was die Kinder und Jugendlichen beschäftigt und wo und wie sie sich im Netz bewegen. Dabei muss man nicht zwangsläufig selbst bei Facebook sein. Es gibt Literatur und mittlerweile auch Work-shops und Seminare zum Thema soziale Netzwerke. Außerdem gibt es eine ganze Reihe Anbieter im Bildungsbereich, die mittler-weile auch Lehrer unterstützen, wie Klick-Safe und ähnliche. Das alles ist zwar ein sehr umfangreiches und komplexes Feld, aber auch Lehrer müssen neu lernen.

E Am Beispiel Cybermobbing: Man hört öfter Geschichten von Schülern, die über Facebook, WhatsApp und andere Kanäle ge-mobbt werden und dann kommen die Eltern zum Lehrer. Was be-deutet das für Lehrer?

Schurig: Mobbing nimmt durch soziale Netzwerke eine ganz neue Form an. Ich halte das für ein großes Problem. Ehrverletzende Bei-träge können viel schneller und aktiver einen großen Teilnehmer-kreis erreichen, als es früher der Fall war. Behauptungen werden schnell in andere Netzbereiche übertragen oder übernommen, so dass die Betroffenheit noch viel größer und stärker ist. Das müssen Lehrer durchaus mit im Blick haben. Das, was früher an gruppen-dynamischen Prozessen in der Schule stattgefunden hat, verlagert sich jetzt teilweise mit in die sozialen Netzwerke. Eine Verant-wortung trifft hier häufig nicht den Lehrer und natürlich haben Lehrer auch früher nicht überall in Klassenecken und Pausen mit dabeigesessen und zugehört. Aber derartigen Entwicklungen muss sich die Schule natürlich stellen und schulbezogene Äußerungen werden dann gegebenenfalls ordnungsrechtlich seitens der Schule zu würdigen sein.

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Andreas Schurig, Datenschutzbeauftragter des Freistaates Sachsen.

Das vollständige Interview mit weiteren Fragen lesen Sie unter: www.bildung.sachsen.de/klasse

Page 15: Zeitschrift Klasse 1/2014

1 / 2014 15KLASSE

Als ich klein war, wollte ich DJ werden. So stand es als Eintrag in einem

der vielen Poesiealben.

Meine Eltern waren sehr tolerant und wollten nur, dass ich meinen

eigenen Weg finde und gehe.

Als Schüler war ich in Musik ziemlich schlecht.

Mein liebstes Schulfach war Geschichte.

Das Schulfach, das ich überhaupt nicht mochte, war Chemie.Das hat mich in der Schule am meisten genervt: Am meisten hat mich genervt,

cool sein zu müssen, um bei den Mädchen anzukommen. Ich war eher

still und in mich gekehrt.

Das hat mir an Schule am besten gefallen: Dass ich unerkannt meine Träume

entwickeln konnte. Ich habe Stunden damit verbracht, Bilder der

Bühne, wo ich später stehen will, in meine Hefter zu kritzeln.

Ein guter Lehrer ist ... ein Mensch, der seine Autorität durch Wissen und

Ausstrahlung demonstriert und nicht durch Härte und Dominanz.

Ein guter Schüler ... ist jemand, der neugierig und lernwillig ist und Lust

auf das Leben hat.

In meinem Leben will ich noch mein Englisch verbessern. Da habe ich in

der Schule nämlich diese Bühnenbilder gezeichnet.

Am besten kann ich mich konzentrieren, wenn ich keinen Druck habe, wenn mir

die Ruhe Sicherheit gibt, mich komplett entfalten zu können.

Mein Lieblingsbildungsort ist meine Heimat Dresden.

Als Ausgleich zu meiner Arbeit verlasse ich gern meine gewohnte Umgebung,

fahre übers Wochenende weg und genieße die Eindrücke um mich herum.

Ohne Schal oder Tuch verlasse ich fast nie das Haus. Dahinter kann man sich

so schön verstecken.

Meine Freunde sagen von mir ... dass ich unpünktlich bin. Das kommt, weil

ich zu viel träume.

D E R K L A S S E F R A G E B O G E N

»In Musik war ich ziemlich schlecht.«

Felix Räuber ist Musiker und Schau-

spieler. Bekannt wurde er als Sänger der

Dresdner Band Polarkreis 18. Zurzeit arbei-

tet er mit Universal Music an einem Album,

das Anfang nächsten Jahres veröffentlicht

wird. Außerdem ist er als Dozent an der

Universität der Künste Berlin tätig. Vertre-

ten ist Felix Räuber auch in der Ausstellung

»Das neue Deutschland« des Deutschen

Hygiene-Museums Dresden (siehe unsere

Meldung auf Seite 4).

Was macht einen guten Lehrer aus? Und einen guten Schüler? Mit dem

KLASSE-Fragebogen bitten wir Bildungsträger und Prominente aus Sach-

sen, uns einen Einblick in ihre persönlichen Lernerfahrungen zu geben. In

dieser Ausgabe: Felix Räuber, Musiker aus Dresden.

ANTWORTEN: FELIX RÄUBER, MUSIKER, DRESDEN

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Wann bekommen Schüler

hitzefrei?

Wie viele Tage pro Schuljahr

haben die Schüler Ferien?

Was ist eine

Bildungsvereinbarung?

Diese und viele andere Fragen beantwortet unser Notizbüchlein

1×1 der Schule – Fragen und Antworten

zum Schulalltag

Sie können es kostenlos bestellen unter:

➔www.publikationen.sachsen.de