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Zukunft der Regionalanästhesie Eine Gratwanderung zwischen Ressourcenverbrauch und gut gemeinten Wünschen

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Zukunft der Regionalanästhesie

Eine Gratwanderung zwischenRessourcenverbrauch und gut gemeinten Wünschen

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Ist Regionalanästhesie besser?

• Die ersten Arbeiten (Nygaard 1936)– Abdominelle Eingriffe unter Spinalanästhesie haben eine

geringere Komplikationsrate als unter Äther-Tropf-Anästhesie

• Der Enthusiasmus (z.B. Yaeger 1987, Rodgers 2000)– Regionalanästhesiologische Verfahren reduzieren die 30-

Tage-Mortalität um ein Drittel, sowie pulmonaler, kardiale und embolische Komplikationen um etwa die Hälfte (8.292 Patientinnen und Patienten in 107 Studien)

• Die Ernüchterung (Park 2001, Rigg 2002)– Es findet sich keine Evidenz dafür, das

regionalanästhesiologische Verfahren Mortalität, Morbidität und Krankenhausverweildauer beeinflussen (3 Meta-Analysen; 3.000 Patientinnen und Patienten)

AufmerksamkeitsstörungDas Konzept der „changed blindness“

Anästhesiologische Bemühungen allein verbessern nicht das perioperative Management

Drolet et al. 2004

Perioperatives Management

PräoperativeEvalutaion

IntraoperativeOptimierung

PostoperativeBehandlung

Damit eine zusätzliche 30-Minuten-OP in einem Saal mit durchschnittlicher Schnitt-Naht-Zeit von 45 Minuten durchgeführt werden kann, muss sich die anästhesiologische Präsenz eines Anästhesisten um 100% verkürzen (in einem Haus mit 12 OP-Sälen)

Dexter et al. 1995

Die zusätzliche Einstellung von

1 Anästhesistin/Anästhesist und 1 Anästhesie-Schwester/Pfleger

bringt eine zusätzliche OP-Kapazität von 0,6 Fällen pro Tag in einem OP-Saal mit durchschnittlich 4 Operationen pro Tag

Sokolovic 2002

Überlappendes „Stechen“ von Regionalanästhesien bei einem orthopädischen Krankengut bringt im Vergleich zur Allgemeinanästhesie einen Netto-Zeitgewinn von 9 Minuten pro Fall (Kreuzbandplastik)

Willians 2000

Beispiel 1: Handchirurgie (Chan et al. 2001)

• Vergleich von Allgemeinanästhesie, intravenöser Regionalanästhesie und infraclaviculärerPlexusblockade bei ambulanter Handchirurgie

• 126 Patientinnen und Patienten, prospektiv, nicht-randomisiert

• Mehr Übelkeit, Erbrechen und Opiatverbrauch bei Allgemeinanästhesie

• Schnellste Verlegung aus dem Aufwachraum bei intravenöser Regionalanästhesie

Beispiel 1: Handchirurgie (Chan et al. 2001)

Allgemein Iv. Regional Plexus

Intra-operativ

167$ 144$ 213$

Aufwach-raum

59$ 38$ 54$

Total 300$ 214$ 317$

Beispiel 1: Handchirurgie (Chan et al. 2001)

Allgemein Iv. Regional Plexus

Anästhesie-zeit (min)

83 72 106

Aufwach-raum (min)

70 45 63

Aufenthalts-dauer (min)

240 180 244

Beispiel 2: Vaginale Hysterektomie(Tessler et al. 1995)

• Vergleich Allgemeinanästhesie vs. Spinalanästhesie vs. Allgemeinanästhesie plus Spinalanästhesie

• Perioperative Zeitanalyse von Einschleusen bis Ausschleusen

• Keine signifikanten Gruppenunterschiede hinsichtlich– Anästhesievorbereitung– OP-Dauer– Aufwachraumverweildauer

Beispiel 3: Knie-Arthroskopie(Wong et al. 2001)

• Vergleich Allgemeinanästhesie vsSpinalanästhesie

• Prospektiv, nicht-randomisiert, 84 Patientinnen und Patienten

• Zeitanalyse und postoperative Erholung• Keine Unterschiede in

– Anästhesievorbereitung– OP-Dauer– Aufwachraumverweildauer

Beispiel 3: Knie-Arthroskopie(Wong et al. 2001)

Allgemein Spinal

VAS 3,4 2,5

Analgetikagabe postoperativ

50% 37,5%

Zufriedenheit mit Schmerztherapie

86% 85%

Übelkeit 5 Pat. 0 Pat.

Beispiel 4: Postop. Schmerztherapie(Bartha et al. 2005)

• Vergleich Epiduralanästhesie (personal-kontrolliert) vs. Intravenöse PCA

• Retrospektive Anlayse an 644 Patientinnen und Patienten (602 EDA; 42 PCA)

• Endpunkte– Effektivität der Schmerztherapie (schmerzfreie

Tage)– Kostenanalyse (Kosteneffektivitätsindex

• CER = Kosten / Effekt

Beispiel 4: Postop. Schmerztherapie(Bartha et al. 2005)

• Epiduralanästhesie ist effektiver• Epiduralanästhesie ist teurer (ca.

500€/schmerzfreiem Tag)• Epidurelanästhesie kostet pro schmerzfreiem Tag

5.652,- € mehr (entsprechend Kosteneffektivitäts-index).

Perioperative Regionalanästhesie

• Senkt das postoperative Risiko für pulmonaleKomplikationen (Liu 2004, Ballantyne 1998)

• Senkt die Inzidenz von posoperativenmyokardialen Ischämien und Infarkten (Beattie2001)

• Senkt die Inzidenz von Pneumonien und Beatmungstagen bei Patientinnen und Patienten mit multiplen Rippenfrakturen (Bulger 2004)

• Senkt die Inzidenz von postoperativen Herz-Rhythmusstörungen (Liu 2004)

Perioperative Regionalanästhesie

• Senkt die Intensität postoperativer Schmerzen stärker als opiatbasierte intravenöse Analesieregime, aber– führt zu einer höheren Inzidenz von

Hypotonien und Atemdepressionen (McLeod 2006)

• Senkt die Intensität postoperativer Schmerzen stärker als opiatbasierte intravenöse Analgesieregime und– verringert die Inzidenz von unerwünschten

Nebenwirkungen (Richman 2006)

Perioperativen Regionalanästhesie:Rückenmarksnah oder peripher-nervös?

Eine Paravertrebalblockade bei Mamma-Operationen hat einen vergleichbaren analgetischen Effekt wie die Anlage eines Periduralkatheters (Naya 2006)

Perioperativen Regionalanästhesie:Rückenmarksnah oder doch nicht?

Eine cervicale Epiduralanalgesie hat einen vergleichbaren analgetischen Effekt bei Larynxoperationen wie eine intravenöse fentanylbasierte PCA (Roussier 2006)

Regionalanästhesie vs.

Allgemeinanästhesie

Anästhesiologische Spielwiesevs.

Ärztliche Notwendigkeit

Wer hat wieviel Schmerzen?(Dolin et al. 2002)

Starker Schmerz

Moderater Schmerz

i.m. 29% 67%

PCA 10% 36%

Epidural 8% 21%

Klebt im Haar vom Chefarzt Mist, kann‘s sein, dass er ein Punker ist

Wissenschaftliche und praktische Probleme

• Die Indikatoren verschiedener Ebenen der Schmerzreaktion sind:– häufig nur gering korreliert (z.B. r=0.2)– häufig in ihrem Verlauf dissoziiert– in ihrer Ausprägung in komplexer Weise

abhängig von der Wechselwirkung zwischen Stimulus, Modifikatoren und Mediatoren

Die Folge für die Wissenschaft:

Große Varianzen bei Gruppenvergleichen und Verlaufsanalysen

Die Folge für die Praxis:

Mangel an Behandlunsregimen mit ausreichender Sensitivität und Spezifität

Gemeinsames und Trennendes:

Schmerz allg. x benennbarer Schmerz: 0.66Schmerz allg. x negatives Befinden: 0.32benennbarer Schmerz x negatives Befinden: 0.35

bei Korrelationskoeffizienten < 0.70 gilt: die Variablen sind unabhängig voneinander

Wie zufrieden sind Sie mit der allg. Behandlung?

Je geringer das allgemeine Schmerzempfinden ist, desto zufriedener ist der Patient auch mit der allgemeinen Krankenhausbehandlung (p(F)<0.001)

Schmerzstärke

hochmittelgering

Mitt

elw

ert Z

ufrie

denh

eit

5,00

4,90

4,80

4,70

4,60

4,50

4,56

4,69

4,93

Wie zufrieden sind Sie mit der allg. Behandlung?

Je geringer die das negative Befinden ist, desto zufriedener ist der Patient auch mit der allgemeinem Krankenhausbehandlung (p(F)<0.001)

Negatives Befinden

hochmittelw enig

Mitt

elw

ert Z

ufrie

denh

eit

5,00

4,90

4,80

4,70

4,60

4,50

4,40

4,50

4,68

4,97

Das biopsychosoziale Modell

Sozial

Biologisch

Psychisch

ArbeitsunfähigkeitSickness Behaviour

SomatoformeSchmerzstörung

• Obwohl bekannt ist, – dass Attributions- und kognitive Stile

Schmerzreize diskriminieren können– dass Ängstlichkeit / Angst die Wirkung eines

Schmerzreizes amplifiziert– dass negative Copingsstrategien die Wirkung

eines Schmerzreizes verlängern• werden diese Aspekte in (klinischen)

Untersuchungen nicht systematisch berücksichtigt

Wahrheiten und Irrtümer 1:

• Zwei Gruppen werden verglichen (A=präemptivvs. B=Nicht-präemptiv)

• Gruppe A soll signifikant (alpha=5%) weniger Schmerzen haben

• Bedeutsam ist ein Unterschied von 5 Punkten auf einer 15-stufigen Ratingskala

• Bekannt ist eine Streeuung von 10 Punkten auf der Ratingskala

• Pro Gruppe werden 20 Patienten prospektiv, randomisiert und doppelt-blind untersucht

Wahrheiten und Irrtümer 1:

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein präemptiverEffekt findet, beträgt bei dieser Untersuchung 46

Prozent

Wahrheiten und Irrtümer 2

• Schmerz ist ein multifaktorielles Geschehen• Interessant sind Prädiktorvariablen, z.B.

präemptive Analgesieregime, die für die Ausprägung einer Zielvariablen, z.B. Schmerzintensität, bedeutsam sind

• Mittels multipler Regressionsanalysen lässt sich der Varianzanteil von Prädiktorvariablen an der Zustandsvariable berechnen

• Eine Effektgröße von 0,01 spricht für eine kleinen Effekt

Je größer die Insel des Wissens, desto länger die Küste der Verzweiflung!

nicht eingeschränkt eingeschränkt

Husten

0

500

1.000

1.500

2.000A

nzah

lWunsch nach mehr

SchmerzmittelNicht mehr Schmerzmittel gewünschtMehr Schmerzmittel gewünscht

Balkendiagramm

nicht eingeschränkt eingeschränkt

Schlaf

0

500

1.000

1.500

2.000A

nzah

lWunsch nach mehr

SchmerzmittelNicht mehr Schmerzmittel gewünschtMehr Schmerzmittel gewünscht

Balkendiagramm

nicht eingeschränkt eingeschränkt

Mobilisation

0

200

400

600

800

1.000

1.200A

nzah

lWunsch nach mehr

SchmerzmittelNicht mehr Schmerzmittel gewünschtMehr Schmerzmittel gewünscht

Balkendiagramm

,00 1,00 2,00 3,00

Funktionsindex

0,00

2,00

4,00

6,00

8,00

10,00

12,00

14,00

Mitt

elw

ert Z

ufrie

denh

eit m

it de

r Sch

mer

zthe

rapi

e

Nicht mehr Schmerzmittel gewünscht Mehr Schmerzmittel gewünscht

Wunsch nach mehr Schmerzmittel

0,00

2,00

4,00

6,00

8,00

10,00

12,00

14,00

Mitt

elw

ert Z

ufrie

denh

eit m

it de

r Sch

mer

zthe

rapi

e

Behandlungspfade für die anästhesiologische Betreuung von Patientinnen und Patientendes Dietrich-Bonhoeffer-Klinikums

Pfad 05/06: Indikationen zu Regionalanästhesieverfahren

Ziel Vereinheitlichung des anästhesiologischen Vorgehens

Grundsätze1. Alle Patienten sollen für den Fall des Versagens des Regionalverfahrens

alternativ über eine Alllgemeinanästhesie aufgeklärt werden.2. Bei jedem Patienten sind Vor- und Nachteile von Allgemein- und

Regionalanästhesie gegeneinander abzuwägen.3. Bei ambulanten Patienten soll kein VIB, sondern eine axilläre Plexusblockade

durchgeführt werden.4. Periduralkatheter sollen, wenn möglich, am Vortag der Operation gelegt werden.

Nach Ausschluß einer intrathekalen Lage soll der Katheter beschickt und diesegmentale Ausbreitung der Blockade dokumentiert werden. Wegen der Gefahreines Blutdruckabfalls sollen die Patienten für eine Stunde im AW R überwachtwerden.

5. Eine Spinalanästhesie für Operationen in Bauchlage soll nur dann durchgeführtwerden, wenn die OP-Dauer kurz ist und der Patient keine schwerwiegendenBegleiterkrankungen aufweist.

Obere Extremität

SchultereingriffeProx. OA-FrakturUnterarmHand

Allgemeinanästhesie + interskalenärer KatheterAllgemeinanästhesie + interskalenärer KatheterVIB (bei Ellenbogengelenksprothese Katheter)VIB, axillärer Plexus oder iv-Regionale(bei Navicularefraktur oder CPRS-Risiko immer Plexuskatheter)

Untere Extremität

Hüft-TEPHüft-TEP-W echselSchenkelhalsfrakturKnie-ArthroskopieKreuzbandplastikUnterschenkelFußCalcaneus

SpinalanästhesieSpinalkatheterN. femoralis-Blockade, dann Spinal- oder AllgemeinanästhesieSpinalanästhesieSpinalanästhesie + N. femoralis-KatheterSpinalanästhesieSpinalanästhesie oder DIB + N. saphenus-BlockadeN. ischiadicus-Katheter

Gefäßchirurgie

ACI-RekonstruktionDialyse-Shuntperipherer BypassAorteneingriffeOS-AmputationUS-AmputationZehenamputaion

zervikale PlexusanästhesieVIB oder axillärer PlexusSpinalanästhesie oder PDK (lumbal) oder CSEAllgemeinanästhesie + PDK (thorakal)Spinalanästhesie oder PDK (lumbal)SpinalanästhesieDIB

Allgemeinchirurgie

StrumektomieThorakotomieVATSGroßeAbdominaleingriffe

Allgemeinanästhesie + Blockade des Plexus zerv. superfic. beidseitsAllgemeinanästhesie + PDK (thorakal)Allgemeinanästhesie + InterkostalblockadeAllgemeinanästhesie + PDK (thorakal)

Was bleibt, ist .....

Was bleibt, ist ....

Was bleibt, ist .....