15
Zeitschrift ffir Lebensmittel-Untersuchung und-Forschung 107. BAND JANUAR 1958 HEFT 1 Zur Biochemie der Fleischsalzung Von REINER HAMM Mitteilung aus dem Chemisch-Physikalischen Institut der Bundes/orschungsanstalt ./iir Fleischwirtscha/t, Kulmbach* Mit 5 Text~bbildungen (Eingegangen am 6. Mai 1957) Bei tier Herstellung yon Brfihwfirsten mul3 dem zerkleinerten Fleisch Wasser zugesetzt werden. Ffir die gute Qualit~t solcher Wfirste ist es entseheidend, dab das w/ihrend des Kutterprozesses zugesetzte Wasser (Fremdwasser) yon der EiweiB, substanz des Fleisches gut gebunden wird. Es ist yon alters her bekannt, dab vet allem zwei Faktoren die Wasserbindung gfinstig beeinflussen: 1. der Zusatz yon Kochsalz, der ja sehon aus geschmackliehen Grfinden notwendig ist, und 2. die Verarbeitung des Fleisches unmittelbar nach dem Schlaehten. Die ,,Warmfleisch- verarbeitung" stellt ffir Betriebe, die mehrmals in der Woche sehlachten, kein Problem dar. Betriebe hingegen, die etwa nur an einem Tage in der Woehe sehlachten lassen, sind natfirlieh nicht in der Lage, ihren gesamten Bedarf an Brfihwurst am Schlaehttage herzustellen. Schon 24 Std nach dem Schlachten aber ist das Wasser- bindungsverm5gen des Fleisehes stark abgesunken. Die Erfahrungen der Praxis best~tigen immer wieder, dal~ es h/~ufig nieht mSglieh ist, aus 1--7 Tage abgeh~ngtem Fleiseh eine einwandfreie Brfihwurst herzustellen. Hier besteht nun die MSgliehkeit, die Bindef/ihigkeit des Fleisches fiber mehrere Tage zu erhalten, indem das Fleiseh unmittelbar nach dem Schlaehten im Wolf zerkleinert und mit der fiblichen Menge Kochsalz vermengt wird. Dieser Kunstgriff des ,,Vorsalzens:' ist ebenfalls seit langem bekannt und wird in den Fachbfichern des Fleischergewerbes empfohlen 1. Wenn aueh der sog. Totversand, d. h. die Lieferung ausgesehlachteter Tierk6rper im Zunehmen ist, so bekommen doch noeh viele Betriebe ihr Material am Sehtaehttag geliefert. We man sich vorwiegend auf die tIerstellung yon Brfihwurst spezialisiert, dfirfte es wohl stets mSglich sein, sehlaehtwarmes Fleiseh zu erhalten. Die Erfahrung zeigt aber, dab die M6glichkeit des Vorsalzens schlaehtwarmen Fleisches bei weitem nicht fiberall genfitzt wird 2 und dab fiber die Fragen, wie groB der zu erzielende Effekt ist, fiber wie lange Zeit er wirkt, wie lange nach dem Sehlaehten ein Vorsalzen noch * Frl. HEDWlG BR~HMdanke ich fiir flei~ige und geschick~e Mita.rbeit. SCHmDT, W., u. H. MA~I~AGE~: Handbuch fib" d~s Fleischergewerbe. Gie~en: Dr. Pfannenberg & Co. 1953. - - KocH, H." Die F~brikation feiner Fleisoh- und Wurstwaren. Berlin, Frankfurt: Sponholz 1952. -- GI~TT~, l~., U. H. SC~W~DT: Taschenbuch der Fleischwaren- herstellung. Braunschweig. Serger & I-Iempel, 1953. - - H~ndbuch fiir die Wursterei. Zfirich: Verlag Metzgereipersonal-Verband d. Schweiz 1955. 2 I~R ~.: Vieh- und Fleischwirtschaft 1955, 71 Z. Lebensmittel-Unters. u. -Forsch., Band 107 ]

Zur Biochemie der Fleischsalzung

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Zur Biochemie der Fleischsalzung

Zeitschrift ffir

Lebensmittel-Untersuchung und-Forschung 107. BAND JANUAR 1958 HEFT 1

Zur Biochemie der Fleischsalzung

V o n

R E I N E R H A M M

Mitteilung aus dem Chemisch-Physikalischen Institut der Bundes/orschungsanstalt ./iir Fleischwirtscha/t, Kulmbach*

Mit 5 Text~bbildungen

(Eingegangen am 6. Mai 1957)

Bei tier Herstellung yon Brfihwfirsten mul3 dem zerkleinerten Fleisch Wasser zugesetzt werden. Ffir die gute Qualit~t solcher Wfirste ist es entseheidend, dab das w/ihrend des Kutterprozesses zugesetzte Wasser (Fremdwasser) yon der EiweiB, substanz des Fleisches gut gebunden wird. Es ist yon alters her bekannt, dab vet allem zwei Faktoren die Wasserbindung gfinstig beeinflussen: 1. der Zusatz yon Kochsalz, der ja sehon aus geschmackliehen Grfinden notwendig ist, und 2. die Verarbeitung des Fleisches unmittelbar nach dem Schlaehten. Die ,,Warmfleisch- verarbeitung" stellt ffir Betriebe, die mehrmals in der Woche sehlachten, kein Problem dar. Betriebe hingegen, die etwa nur an einem Tage in der Woehe sehlachten lassen, sind natfirlieh nicht in der Lage, ihren gesamten Bedarf an Brfihwurst am Schlaehttage herzustellen. Schon 24 Std nach dem Schlachten aber ist das Wasser- bindungsverm5gen des Fleisehes stark abgesunken. Die Erfahrungen der Praxis best~tigen immer wieder, dal~ es h/~ufig nieht mSglieh ist, aus 1--7 Tage abgeh~ngtem Fleiseh eine einwandfreie Brfihwurst herzustellen. Hier besteht nun die MSgliehkeit, die Bindef/ihigkeit des Fleisches fiber mehrere Tage zu erhalten, indem das Fleiseh unmittelbar nach dem Schlaehten im Wolf zerkleinert und mit der fiblichen Menge Kochsalz vermengt wird. Dieser Kunstgriff des ,,Vorsalzens:' ist ebenfalls seit langem bekannt und wird in den Fachbfichern des Fleischergewerbes empfohlen 1.

Wenn aueh der sog. Totversand, d. h. die Lieferung ausgesehlachteter Tierk6rper im Zunehmen ist, so bekommen doch noeh viele Betriebe ihr Material am Sehtaehttag geliefert. We man sich vorwiegend auf die tIerstellung yon Brfihwurst spezialisiert, dfirfte es wohl stets mSglich sein, sehlaehtwarmes Fleiseh zu erhalten. Die Erfahrung zeigt aber, dab die M6glichkeit des Vorsalzens schlaehtwarmen Fleisches bei weitem nicht fiberall genfitzt wird 2 und dab fiber die Fragen, wie groB der zu erzielende Effekt ist, fiber wie lange Zeit er wirkt, wie lange nach dem Sehlaehten ein Vorsalzen noch

* Frl. HEDWlG BR~HM danke ich fiir flei~ige und geschick~e Mita.rbeit. SCHmDT, W., u. H. MA~I~AGE~: Handbuch fib" d~s Fleischergewerbe. Gie~en: Dr.

Pfannenberg & Co. 1953. - - KocH, H." Die F~brikation feiner Fleisoh- und Wurstwaren. Berlin, Frankfurt: Sponholz 1952. - - GI~TT~, l~., U. H. SC~W~DT: Taschenbuch der Fleischwaren- herstellung. Braunschweig. Serger & I-Iempel, 1953. - - H~ndbuch fiir die Wursterei. Zfirich: Verlag Metzgereipersonal-Verband d. Schweiz 1955.

2 I~R ~. : Vieh- und Fleischwirtschaft 1955, 71 Z. Lebensmittel-Unters. u. -Forsch., Band 107 ]

Page 2: Zur Biochemie der Fleischsalzung

2 R. HAM~:

von Wirkung ist, wie es mit der Haltbarkei t des vorgesalzenen Fleisches steht, welche Zerkleinerungsart am gfinstigsten ist u. u., noch weitgehend Unklarheit besteht.

Wir haben aus diesem Grund den Einflu~ yon Kochsalz auf schlachtwarmes und abgeh£ngtes Fleisch eingehender studiert. Wie diese a.a.O, verSffentlichten Ver- suche 1 zeigen, ist das Vorsalzen des Fleisches am Schlachtt~g ein verarbeitungs- technisch einwandfreies Verfahren zur Erzielung und Aufrechterhaltung eines guten WasserbindungsvermSgens (Abb. 1) und zur Erzeugung guter Brfihwfirste. Die Wirkung des Vors~lzens bleibt fiber mindestens 7 Tage erhulten, ist in gewissem Mal~ vom Zerkleinerungsgrad des Fleisches abh~ngig und kommt der Wirkung von Br~tzusatzmitteln (Polyphosphate) gleich, iibertrifft sie z. T. sogar. Zur Erreichung dieses Effektes mul~ das Fleisch bis sp~testens 8 Std nach dem Schlachten gesalzen werden. Die Wirkung ist um so besser, je kfirzer die Zeit zwischen Schlachtung und Salzung ist. Vorsalzen abgeh~ngten (,,kalten") Fleisches ist ohne wesentlichen Einflul~ auf die Muskelhydratation. Der Zeitpunkt der Zerkleinerung spielt gegenfiber dem Zeitpunkt der Salzung nur eine untergeordnete Rolle. Warm gesalzenes Fleisch wird auf Grund seiner stgrkeren Hydra ta t ion beim Kut te rn wesentlich feiner zer- k]einert als kalt gesalzenes.

Eine Erklgrung daffir, dal~ schlachtwarm gesalzenes und dann gelagertes Fleisch ein welt besseres WasserbindungsvermSgen besitzt ~ls ein nach entsprechender Abh~ngezeit gesalzenes Fleisch, war mit dieser Untersuchung noch nicht gegeben. Es war daher das Ziel der vorliegenden Arbeit, die in praktischer Richtung durch- geffihrten Versuche 1 nach der theoretischen Seite hin zu erg£nzen und einc Deutung fiir den ,,Vorsalzeffekt" zu finden. Es war zu erwarten, dal~ eine solche Untersuchung einen Einblick in die Biochemie der Fleischsalzung und den Chemismus des rigor morris gew~hrt.

In Anlehnung an die Gepflogenheit der Praxis werden in dieser Arbeit folgende Bezeichnungen verwendet: , ,Warm gesalzen" = etwa 3- -6 S tdnach dem Schlachten gesalzenes Fleisch; ,,warm vorgesalzen" ~ w~rm gesa]zenes und ein bis mehrere Tage ge]agertes Fleisch; ,,kalt gesalzen" ~- nach ein his mehreren Tagen Abh~ngen gesalzenes Fleisch.

M e t h o d i k

Material M. tongissimus dorsi 5--8j~hriger Ktihe der ttandelsklassen B und C.

Salzung Der Kochsalzzusatz betrug stets 2% (bezogen auf zusatzfreies Fleisch). Wenn nieht anders

angegeben, wurde das SaM in der handwerkstibliehen Weise dem durch die grobe Seheibe des Wolfs gel~ssenen Fleisch unter Kneten mit der Hand zugesetzt. Das Abh~ngen des unzerkleiner- ten und das Lagern des gesa]zenen Fleisches erfolgte im Kfih]raum bei -~ 2 ° C.

Messung der Wa~.serbindung Die Zerkleinerung des Fleisches unter Zusatz yon Fremdwasser (Starmix) und die Bestimmung

der Wasserbindung dureh PreItversuch und Hitzedenaturierung erfolgten in der friiher mit- geteilten Weise 1, ~.

1 I-IAMM, H. : Fleischwirtsch~ft 9, 477 (1957) 2 Gravy, R., u. R. HARM: Diese Z. 105, 446 (1957). - - H.~t~, R.: Diese Z. (im Druck).

Page 3: Zur Biochemie der Fleischsalzung

Zur Biochemie der Fleischsalzung 3

Bestimmung des Adenosintr@hosphates ( A T P) im Fleisch Die relative ~mderung des ATP-Gehaltes wahrend der Lagerung gesalzenen und ungesalzenen

wolfzerkleinerten Fleisches wurde durch Bestimmung des ,,saurelabilen Phosphors" ermittelt 1.

Bestimmung der LSslichkeit der Muslcelproteine Zur Extraktion yon Muskelproteinen aus wolfzerkleinertem, gesalzenem Fleisch wurde nach

folgenden vier Methoden verfahren: A. 50 g Fleisch mit 200 ml Phosphatpuffer (Z = 0,40, p , 5,50) im Starmix 30 sec zerkleinert

und 20 min bei 0 ° C gerfihrt. B. 20g Fleisch mit 200ml Phosphatpuffer (# = 0,60, p.6,30) ohne vorherige Starmix-

Zerldeinerung 30 rain bei 0 ° C gerfihrt. C. 50 g Fleisch zunachst mit 30 ml Eiswasser 60 see im Starmix zerkleinert. 30 g dieser

Mischung mit 190 ml Phosphatpuffer (/t = 0,60, PH 6,30) 30 min bei 0 ° C gerfihrt. D. 50g Fleisch mit 200ml Phosphatpuffer (# = 0,35, p . 7,41) 60 sec im Starmix zer-

kleinert und 1 Std bei 0 ° C geriihrt. In allen Fallen wurde nach dem Riihren 15 min bei 13000 U/rain (0 ° C) abzentrifugiert und im

Zentrifugat (Extrakt) der Gesamt-5[ und - - nach Eiweil3fallung mit Trichloressigsaure - - der Rest-N nach KJELDA~L bestimmt.

Bestimmung der Viscositiit und der A TP-Emp/indlichkeit

Die Viscositat (~,~) der Protein-Extrakte wurde mit dem Ostwald-Viscosimeter bei 20 ° C bestimmt. Hierzu wurde mit dem betreffenden Puffer verdfinnt, and zwar bei Methode A C 1 : 1, bei Methode D 1 : 5. Die Viscositatszahl Z ~ errechnet sich nach:

2,303 • log ~Tr~ Z ~

c

wobei c die Eiwei~konzentration, ausgedrtickt in g/l, bedeutet% Zur Priifung auf die Anwesenheit yon Aetomyosin wurde die Viscosit~tsanderung auf ATP-

Zusatz (8" 10 -a m-MgATP bzw. Na4ATP) a gemessen.

ATP.Empfindlichkeit4 _ 100 • Z Z ~] (A TP)

Dialyseversuche Die Mischungen (50g F1eisch ~- 30 g Fremdwasser) wurden in Cellophanschlauchen ( Z 45 mm)

gegen Wasser dialysiert. In bestimmten Zeitintervallen wurde ein aliquoter Tell des Dialysates entnommen und die Chlorion-Konzentration durch Titration mit 0,01 n-AgNO3 bestimmt.

Au]nahme yon Chlorionen durch zerkleinertes Yleisch 50 g mit dem Wolf zerkleinertes Fleisch wurden mit 200 ml 2%iger NaC1-LSsung 30 see im

Starmix zerkleinert und die Misehung dann im Kalteraum bei 0 ° C gerfihrt. Nach bestimmten Zeitintervallen wurden etwa 10 ml entnommen, zentrifugiert und in 2 ml des Zentrifugates nach EnteiweiSen (Carrez-LSsung) die Chlorion-Konzentration dureh Titration mit 0,01 n-AgNOa bestimmt.

Ergebnisse

1. Die Bedeutung des p , -Wer tes

Es ist auffa]lend, dal3 die PH-Werte des schlaehtwarm vorgesalzenen Fleisches stets betr / ichtl ich fiber denen des nach entsprechender Abh/~ngezeit gesalzenen Materials ]iegen (Abb. 1, Tab. 1). Abb. 1 zeigt, dab die sieh innerhalb der ersten beiden Tage naeh dem Schlachten vo]lziehende p~-Senkung im warm gesalzenen Fleisch geringer ist als im nicht bzw. im kal t gesalzenen. In Anbe t rach t dessen, da$ p . - E r h S h u n g eine erheb]iche Steigerung der Wasserbindung des zerkleinerten

1 HAMM, R.: Biochem. Z. 828, 309 (1956). 2 WEBER, H. H., u. g . PO~TZE~L: Erg. Physiol. 47,421 (1952). 3 Hinsiehtlich der Viseositatserniedrigung wurden zwischen Mg- und Na4-ATP keine Unter-

schiede gefunden. Die Praparate stammen yon der Fa. Zellstoff-Fabrik Waldhof/Mannheim. a ]TIASSELBACH, W., n. G. SCH~NEIDEI~: Biochem. Z. 321, 462 (1951).

1*

Page 4: Zur Biochemie der Fleischsalzung

4 R . H A ~ :

~uskels ~, vor allem in Gegenwarb von l~aC1 ~, mit sich bringt, wgre es denkbar, dab die gfinstige Wirkung des scMachtwarmen Salzens in erster Linie auf der Hemraung der postmortalen pu-Senkung beruht. Wie jedoch aus Tab. 1 zu ersehen ist, lgBt sich dureh Einstellen des ps-Wertes yon kalt gesalzenem Fleisch auf den War t des ent- spreehend lange gelggerten warm gesalzenen Materials die Hydra t a t ion des letzteren nicht erreiehen (vgl. such Abb. 2). Der Effekt der WarmsMzung muB demnaeh aul~er der gehemmten pu-Senkung noch eine andere Ursache haben.

¥ersuch

I/1 I /2 ~/3

II/1 II/2 II/a

~II/1 III/2 III/3

Ta, belle 1. Ein/lu[3 yon Vorsalzen und Pn-Wevt au[ die Wasserbindung des Fteisches 2% NaCl-, 60% H~O-Zusatz

Behandlung des Fleisches p

Schlachtwarm gesMzen, 3 Tage gdagert Naeh 3 Tagen Abhangen gesMzen Naeh 3 Tagen Abhgngen gesMzen, pu eingestellt

Schlachtwarm gesalzen, 4 T~ge gelagert ~ach 4 Tagen Abhgngen gesMzen Naeh 4 T~gen Abh~ngen gesMzen, p~ eingesteltt

Schlachtwarm gesalzen, 4 Tage gelagert INach 4 Tagen Abhgngen gesalzen Nach 4 Tagen Abhgngen gesMzen, p . eingestellt

5,84 5,45 5,84

5,78 5,38 5,75

5,73 5,37 5,72

Gebundenes H20 in % des Fleisches

PreB- Dena.hlrie- rungs-

versuch versuch

124,2 111 69,7 92 II0:5 99 129,2 114 55,2 87 86,6 94

128,1 113 64,8 90 71,8 98

2. Die Bedeutung des Adenosintriphosphats (A T P )

Wie wit in friiheren Versuchen a n~chgewiesen haben, ist die postmortale Abnahme der Hydra ta t ion des Rindermuskels zu etwa ~/a auf den ATP-Abbau und zu etwa 1/a auf die p~-Senkung (Milehsgurebildung) zuriickzufiihren. Da die Wirkung des Vor- salzens nach dem Schlaehten mit ~ihnlicher Gesehwindigkeit abnimmO, wie sie fiir den ATP-Abbau ira Rindermuskel beobachtet wurde 5, liegt die Annahme nahe, dab die Gegenwart yon ATP fiir den Erfolg des Vorsalzens entseheidend ist.

Hieraus ergibt sieh die Frage, ob Kochsalz den Abbau des ATP innerhMb 24 Std hemmt. Dies ist, wie Tab. 2 zeigt, nicht der Fall. ATP war im gesalzenen Fleiseh nach 1 Tag ebenso weitgehend abgebaut wie im ungesalzenen. Aueh der Zerkleine- rungszustand spie[t f~r den ATP-Abbau insofern keine l~olle, als sowohl im unzer- kleinerten als such im wolfzerkleinerten Muskel bereits 1 Tag nach dem Schlachten der Minimalwert erreicht ist.

DaB ein Zusatz yon 2% NaC1, der ira Muskel eine Gesamtionenstgrke v o n # = 0,6 mit sich bringt, die Myosin-ATP-ase nicht wesentlieh zu hemmen verm~g, ist aueh den Angaben yon SZE~T-GY6RGYI 8 zu entnehmen. Danach besitzt die ATP-ase in dem Bereich yon # = 0,3--0,65 ein breites Wirkungsmaximum. HU~Pm~EY 7 gibt an, dab AlkMichloride nur einen geringen EinfluB auf die ATP-~se-Aktivitgt (Kaninchenmuskel) besitzen.

1 GRAU, R., 1~. HAM~ u. A. BAU~AN~: Biochem. Z. ~2~, I (1953). HAMM, R., u. R. G~AV: Dtseh. Lebensmittel-Rdseh. al, 106 (1955).

s ttAM~, R.: Zit. S. 3, Anm. 1. * HAMM, R.: Zit. S. 2, Anm. 1.

MARSh, B. B.: J. Sei. Food Agric. 1954, 70. SZE~T-GY6RGYI, A.: Chemistry of Museu]ar Contraction. S. 54. New York: Academic

:Press Inc. 1947. 7 HIIMI'I~EY, B. A., u. G. F. I-IIIMI'~IaEY: Bioehelnie. J. 47, 238 (1950).

Page 5: Zur Biochemie der Fleischsalzung

Tabelle 2. Ein/lufl yon NaCl-Zusatz uncl Zerkleinerung au/ den postmortalen Abbau des A T P im Rindermuskel

Dagegen scheinen unseren Be- funden Beobachtungen zu wider- sprechen, die ktirzlich PART,ANN ~ bei einer Untersuchung der Wir- kung yon NaC1 auf die Apyrase- Aktivit~t des Karpfenmuskels machte, und die eine mit steigen- dem Kochsalzzusatz zunehmende Hemmung zeigen. Dieser Hemm- Effekt wurde jedoch bei einem nur 70 see w/threnden Abbau yon zuge- setztem ATP festgestellt, w/thrend es sieh bei unseren VerSuehen um den Abbau des im Rindermuskel yon Haus aus enthMtenen ATP n~ch mindestens 24 Std handelt.

Beim Vorsalzen des Flei- sches is t es offenbar entschei- dend, dab zum Ze i tpunk t der Salzung noch genfigende Men- gen A T P vo rhanden sind. Der

anschlieBende A T P - A b b a u

Zustand des Fleisches PH

unzerkleinert, ungesalzen

Zeit nach dem

Schlach- ten

2 Std 1 Tag 2 Tage 5 Tage

2 Std 1 Tag 2 Tage 5 T~ge

wolfzerkleinert, nngesalzen

wolfzerMeinert, mit 20/0 NaC1 gesalzen

2 Std 1 T~g 2 Tage 5 Tage

aber v e r m a g - im Gegensatz zum ungesalzenen Fleisch - - k e i n e nahme der H y d r a t a t i o n zu bewirken.

6,54 5,55 5,47 5,33

6,56 5,46 5,45 5,44

Zur Biochemie der Fleischsalzung 5

6,48 5,72 5,68 5,63

S~ure- labil. P in % d. extra- hiert.

Gesamt-P

21,60 2,84 3,20 3,52

21,60 2,46 3,90 3,76

21,60 3,05 4,01 3,40

wesentl iche Ab-

3. Der Ein]lu/3 der Salzung au/ die LSslicMceit der Muslcelproteine

Es ist bekannt , dab A T P durch seine dissoziierende W i r k u n g auf Ac tomyos in die LSsl ichkei t der s t ruk ture l len Muske]proteine in PufferlSsungen s ta rk beeinfluBt 2 und dab mi t dem pos tmor t a l en A b b a u des A T P diese LSsl ichkei t bedeu tend a b n i m m t 3. Es w/~re daher mSglich, dal] bei ErhShung der Ionenst i t rke des sch lach twarmen Muskels durch NaC1-Zusatz die Muskelprote ine infolge der Gegenwar t yon A T P in einen Zus t and erhShter L6sl ichkei t verse tz t werden, der auch nach A T P - A b b a u er- h~lten ble ib t und dab die s ta rke Wasse rb indung v o r u n d nach Dena tu r ie rung auf einer sehr wei tgehenden AuflSsung der Pro te ine im zugesetz ten Wasser beruht .

Urn diese F rage zu kl/~ren, war es zun//ehst notwendig, mi t e inem Puffer zu ex- t rahieren , der weder die Ionensti~rke noch den pH-Wert gesalzenen, f remdwasser- ha l t igen Fleisches wesent l ieh verschiebt . W e n n m a n auge rdem das Verhitl tnis Ex- t r ak t i onsmi t t e l : F]eiseh mSglichst niedr ig w/ihlt und nur re la t iv kurze Zeit ex t rah ie r t , so da r f m a n erwarten0 dal] sich auf diese Weise die in einem W u r s t b r ~ t herrschenden LSs]ichkeitsverhi~ltnisse erfassen lassen ( E x t r a k t i o n s v e r f a h r e n A . Siehe un te r ,M e thod ik" ) .

Wie aus Abb. 1 hervorgeht , n i m m t die Prote inlSsl ichkei t un te r diesen Bedingun- gen bei Lagerung des seh]aehtwarm gesalzenen Fleisches fas t ebenso s ta rk ab wie im abgeh/ /ngten und dann gesalzenen Muskel. Dement sp reehend sind die Untersehiede in der Viscosit/ i t der E x t r a k t e nur gering. Wie die Viscosit~/tszahlen der E x t r a k t e ( ~ 0,07 am Schlacht tag , ~ 0 ,03--0 ,04 naeh 1 Tag) e rkennen lassen, wird die H a u p t -

1 PAI~TI~AI~, W . : F o o d Res. 22, 51 (1957). 2 SZENT-GY6lCGYI, S.: Zit. S. 4, Anm. 6. - - WEBER, H. H., u. B. KEREKJA~TO: Z. Natur-

forsch. 7b, 94 (1952). - - CRErAX, P.: Biochim. et Biophysica Acta 7, 87 (1951). a ERD6S, T.: Stud. Inst. Med. Chem. Univ. Szeged ], 51 (1943). - - Im speziellen l~all des

rigor morris best/~tigt yon E. C. BATE-SMITH U. J. R. BENDALL: J. of Physiol. 106, 177 (1949); 110, 47 (1949). - - BORBmO, M., u. A. SZENT-GYSRGYI: Biol. Bull. 96, 162 (1949). - - Ffir die postmortale Ver~tnderung des l~indermuskels best~tigt yon W. SOLO'WJE~V." Fleischind. UdSSI% 1951, Nr. 4.

Page 6: Zur Biochemie der Fleischsalzung

6 R. HAM~ :

menge des extrahierten Eiweil]es yon glob£ren Proteinen gebildetL Die LSslichkeit des Myosins in sehlaehtwarmem Zustand hat bereits nach 1 Tag stark abgenommen, gleiehgfiltig, ob NaC1 zugegen war oder nieht. In s~mtlichen Extrakten liei~ sich kein Actomyosin naehweisen (keine ATP-Empfindliehkeit).

Die postmortale Abnahme der ProteinlSslichkeit unter den fiir Briihwurst geltenden Bedingungen ist somit dutch LSsliehkeitsabnahme des Myosins bedingt, die ihrerseits wieder auf den ATP-Abbau znrfickzuffihren sein dfirfte. Die Versuehe lassen klar er- kennen, dal] der Vorsalzeffekt nich t auf einer Erhaltung der ProteinlSslichkeit beruht.

Es war weiterhin yon Interesse, ni~heres fiber den Einflul3 der Sa]zung auf den Zustand der strukturellen Muskelproteine zu erfahren, tt ierzu muB man allerdings

~. ¢00~ "~l Lb~ll'CJltfel)t

F . ~ . - "~ ~ ' F \ ; - " - ' - " " ~ .

I I I ~ ' r ~s ~ t'bkom'/E/

ZO

Y

z,o i ~l \ ~ o - --o

1ZB

20 I I I

L I I 5: z z Toge J

Abb. 1. Ein]lufl des Vorsalzens au] die LSslichkeit der Muskel- ~roteine. 2% NaCI-, 60% H~O- Zusatz. Bestimmung der LSs]ich- keit nach ~ethode A (Phosphat- Duffertt = 0,40, p~ 5,5, 1:4). Schlachtwarm gesalzen ( e - - i ) ; nach der betreff. Abh~ngezeit ge- salzen ( 0 - - - - 0 ) ; nicht gesalzen

( x - - - - x )

Methoden anwenden, die yon den ffir Brfihwurst gel- tenden Verhiiltnissen stark abweichen (h5here Ionen- st~rken; hShere p~-Werte). Dureh VerfahrenB (siehe ,,Methodik") sollte das freie (nicht an Aetin gebundene) Myosin extrahierbar sein 2, 3. Methode C wurde zum Stu- dium des Einflusses der Zerldeinerung mit Fremdwasser auf den Zustand der fibri]l~ren Proteine, insbesondere des Myosins angewendet. Mit Verfahren D schliel~lieh werden nach DuBuISSON 4 alle extrahierbaren Muskelpro- teine, vor allem das Aetomyosin, erfal3t. Die Ergebnisse dieser Extraktionsversuehe sind in Tab. 3 wiedergegeben.

Betraehtet man zun~chst den nach Methode D erhal- tenen Extrakt (Myosin, Aetin, Aetomyosin), so ist naeh viert~giger Lagerung eine gegenfiber dem Schlaehttag stark erniedrigte ProteinlSslichkeit zu beobachten. Schlachtwarmes Vorsalzen vermag diese LSslichkeits- abnahme nicht zu beeinflussen. Ext rak t 3 (Tab. 3) be- sitzt trotz der relativ hohen Eiweil~konzentration eine niedere Viscosit£tszahl und keine ATP-Empfindliehkeit; die Extrakte 6 und 9 hingegen zeigen hohe, dem Aeto- myosin entsprechende Viscositiitszahlen, die auf ATP- Zusatz wieder auf den Weft yon Ext rak t 3 absinken. Daraus lassen sich folgende Sehlfisse ziehen:

1. Im Ext rakt des sehlaehtwarmen F]eisehes and vermutlieh aueh im Fleiseh selber ]iegt infolge der An- wesenheit yon ATP alles Actomyosin in dissoziierter Form vor; diese Dissoziation ist die Voraussetzung der leichten Extrahierbarkeit der Proteine.

2. 4 Tage nach dem Schlachten ist die LSsliehkeit des Actomyosin infolge ATP-Abbaues stark verringert. Das extrahierte Aetomyosin liegt - - ebenfalls infolge der Ab- wesenheit yon ATP - - i m Extrakt in undissoziierter Form vor.

1 Viscosi t i i tsz~hl y o n L - ~ y o s i n . 0 , 3 2 ; yon F -Ac t in :0 ,26 ; yon A c t o m y o s i n : 0 , 2 4 - - 0 , 5 0 ; yon g lobula ren P ro t e i nen (Myogene u. a.): ~ 0,004.

2 HASSELBACI~, W. , u . G. SCtt~qEIDER: Zit . S. 3, A n m . 4. 3 U m ulles u n t e r den jeweil igen B e d i n g u n g e n 15sliche P r o t e i n zu ex t rah ie ren , mfil~te m a n die

E x t r a k t i o n 2 ~ 4 m u l wiederholen. D a es u n s aber lediglich d a r a u f a n k a m , die re la t iven U n t e r - schiede zu erfassen, n a h m e n wir n u t eine E x t r a k t i o n vor.

4 D v B v I s s o ~ , M.: Biol. R ev . C a m b r i d g e , Phi l . Soc. 25, 46 (1950).

Page 7: Zur Biochemie der Fleischsalzung

Zur Bioehemie der FleischsMzung 7

Tabelle 3. Ein/lufl der Salzun 9 au/ die L6slichkelt der Muskelproteine. Extrakgionsverfahren B u. C: Phosphatpuffer, # = 0,60, p~ 6,30, 1 : 10 (bei C Fleiseh vorher mit 60% Fremdwasser im

Starmix zerkleinert); Verfahren D: Phosphagpuffer,/~ = 0,35, pz 7,41, 1:4

Gehalt des [ Ex t rak tes an

A~Sr~.t z

i

Vorbehandlung des Fleisehes (bei allen Ans~itzen Zusatz von 2% NaC1)

10 11 12

Sehlaehtwarm gesMzen, gleieh aufgearbeitet

4 Sehlaehtwarm gesalzen, 5 4 Tage gelagert 6

7 8 Naeh 4 Tagen Abh/~ngen gesMzen 9

Naeh 4 Tagen Abh~ngen gesalzen

Extrak- tions -

0 P ~ ver-

~ fahren

- - 5,98 B - - 5 ,81 C - - 5,98 D

5,77 C 5,79 D

- - 15,38 C - - 5,33 D

+- ,6o I%-- + 5,70 C + !5,601 D

:Kest-N Pro- tein-~N

mg/ml mg/ml

0,34! 1,76 0,38 1,89 0,73 7,15

0,42 1,24 0,41 1,80 0,61 4,53

0,40 1,39 10,41 1,35 10,64 5,19

10,39 1,47 0,45 1,55 0,59 4,75

Z~

0,116 0,292 0,110

0,163 0,237 0,332

0,116 0,280

0,137 0,215 0,436

ATP- Emp-

findlich- keit

%

0

0

49 108 92

12 90

46 72

139

Wenn wir unter den vorliegenden Versuchsbedingungen nach ATP-Abbau keine wesenfliche Aetomyosindissoziation linden, so ist dies auf Grund der Angaben yon W~zE~ und PORTZ~L 1 durchaus verst~ndlich, wonaeh NeutralsMze erst bei hohen Ionenst/~rken (#>1) und hohen pa-Werten (pa< 7,5) die Assoziation der beiden Proteinkomponenten starker zu verhindern vermSgen.

Die Viscosit/~tszahl des aus schlachtwarmem Fleisch extrahierten EiweiBes (Extrakt 6) liegt fiber der des Extraktes aus kalt gesMzenem Muskel (Extrakt 9), die Proteinkonzentration hingegen ist niedriger. Daraus ist zu schlieBen, dub das aus vorgesalzenem Fleisch extrahierte Eiweig einen hSheren Hydratationszustand besitzt.

Auch die durch Methode B extrahierbare Proteinmenge (im wesentlichen Myosin) hat naeh 4 Tagen Lagerung abgenommen, gleichgfiltig, ob vorgesalzen war oder nicht. W//hrend der sehlaehtwarm hergestellte Extrakt 1 kein undissoziiertes Actomyosin enth//lt, ist dieses naeh 4 Tagen Lagerung nachweisbar (ATP-Empfindlichkeit von Extrakt 4). Zerkleinerung des Fleisches mit Fremdwasser bedingt bei Anwendung des Extraktionsverfahrens C in vorgesalzenem Fleiseh eine st//rkere Aetin-Extraktion Ms in kMt gesMzenem. Dies ist nicht auf einen unterschiedliehen Dissoziationszustand vor der Starmixzerkleinerung zurfickzuffihren, denn ein solcher Untersehied ist mit den fibrigen E x t r a k t i o n s m i t t e l n n ieht nachweisbar . Hie r is t v ie lmehr die Ta t saehe maBgebend, dab das Fle iseh u m so in tens iver zerkle iner t wird, je h6her der t I y d r a - t a t i onszus t and ist 2. Bekann t l i ch wird aus dem Muskel um so mehr Aet in ex t rah ie r t , je grfindlieher er vorher zerkle iner t wurde a.

Zusammenfassend 1/~Bt sieh also sagen, dug das VorsMzen seh laeh twarmen Flei- sehes die pos tmor tMe Xnderung der Prote inlSsl iehkei t und der Aetomyosindisso- z ia t ion n ieh t nennenswer t beeinf lugt .

Zum Vergleieh wurde der EinfluB yon N a t r i u m t r i p o l y p h o s p h a t (0,5 °/o ) auf die LSs- l iehkeit der Pro te ine 4 Tage abgeh/ tngten Fleisehes un te r sueh t (Tab. 3, E x t r a k t e 10--12) . Die Menge an freiem, ex t r ah i e rba rem Myosin ( E x t r a k t 10) 1/tBt sieh durch NasPa010

1 WEBER, H. If., u. If. POI~TZ~L: Zit. S. 3, Anm. 2. HA~r~, R. : Zit. S. 2, Anm. 1. HASSELBACa~, W., u. G. SeI~EIDEI~: Zit. S. 3, Anm. 4.

Page 8: Zur Biochemie der Fleischsalzung

8 R. I~AMM:

etwas erhShen, nicht dagegen die Menge an extrahierbarem Gesamt-Protein (Ex- t rakt 12). Dennoch liegt in letzterem Fall die Viseosit/~tszahl weit fiber derjenigen der phosphatfreien Extrakte (6 und 9). Da ~et nach ATP-Zusatz auf einen Weft absinkt, der etwa dem yon Ext rak t 9 entsprieht, beruht die hohe Viscosit/£t nicht auf einer grSf3eren Actomyosinkonzentration (die Proteinkonzentration ist sogar niedriger als in Ext rak t 9), sondern auf einer wesentlich st£rkeren Hydra ta t ion des gelSsten Aetomyosins. In Gegenwart yon Polyphosphat wird aus vorzerkleinertem Fleiseh mehr Aetin extrahiert als ohne (ATP-Empfindliehkeit yon Ext rak t 11), aber weniger a]s beim vorgesalzenen Fleisch. Dies dfirfte aueh hier mit dem untersehiedlichen Zerkleinerungsgrad zu erkl/£ren sein.

Actomyosin soll unter dem Einf]uf3 yon Polyphosphaten, wie Natriumtripoly- phosphat 1 und Natr iumpyrophosphat 2 dissoziieren. In den Ext rak ten des mit P0lyphosphat behandelten F]eisehes ist ein solcher EinfluB nicht zu erkennen. Ebenso ffihrte ein Zusatz yon NasP8010 (8 • 10 -s molar) zu den Ext rak ten 6 und 9 zu keiner Viseosit/£tsabnahme, sondern sogar zu einer geringen ErhShung (Hydratations- steigerung). Nach ST~AU~ 2 und MOMMAERTS 1 ist die Dissoziation dureh Polyphosphat bei 20 ° C geringer als bei tieferer Temperatur (0 ° C). Wit konnten jedoeh aueh bei 0 ° C weder bei Ext rak t 12 noch bei den Ext rakten 6 und 9 auf einen NasPaOlo-Zusatz yon 8" 10-3--1,6 • 10 -2 molar im Bereich yon # = 0,3--0,6 und p~ 6,5--7,0 eine deutliehe Aetomyosindissoziation feststellen.

Hinsicht]ich der Polyphosphat-Wirkung 1/~ftt sich zusammenfassend sagen: 1. Der Einfluf~ auf ProteinlSs]iehkeit und Aetomyosindissoziation ist unter den

angewendeten Extraktionsbedingungen gering. 2. Polyphosphate fiben auf ge]Sstes Actomyosin eine s tark hydratisierende

Wirkung aus, dagegen scheint der Einflul~ auf Myosin nur gering zu sein.

4. Ein/lu[3 der Salzung au/ die Ladung des Muskeleiwei[3es Da das Vorsalzen weder einen Einfluf~ auf den ATP-Abbau noch auf die

Anderung des Dissoziationszustandes des Actomyosins hat, war der Frage naeh- zugehen, ob das Salzen schlachtwarmen Fleisches die postmortale ~nderung im Ladungszustand der Muskelproteine beeinf]u~t. Die Muske]hydratation wird bekanntlich dutch die Ladung des Proteins entseheidend best immt 3. Wir unter- suchten daher die Abh/~ngigkeit der Hydra ta t ion vom p~-Wert des Muskelhomo- genates, wobei das Wasserbindungsminimum in etwa dem Isoelektrischen Punkt (I.P.) gleichgesetzt werden kann 4. Wie Abb. 2 zeigt, ist ein grSl~erer Hydratat ionsunter- schied zwisehen warm vorgesalzenem und kalt gesalzenem Fleiseh (jeweils 5 Tage nach dem Seh]aehten) nur auf der basisehen Seite des I .P . zu beobaehten. Die Differenz nimmt mit steigendem p~-Wert zu.

Naeh der elektrostatischen Theorie der Wasserbindung kann eine Hydratat ions- zunahme auf der basisehen Seite des I .P . entweder anf der Zunahme an saueren oder der Abnahme an basischen Gruppen des Proteins beruhen 5. Letztere MSgliehkeit kommt hier nieht inBetraeht, da dann auf der saueren Seite des I. P. die Hydratat ions- werte ffir warm gesalzenes Fleiseh sehr viel tiefer liegen mfil~ten als diejenigen ffir kalt gesalzenes Fleisch. Es kann sich hier also nur um Unterschiede in der Disso- ziation yon saueren (Carboxyl-)Gruppen handeln, die in erster Linie dureh eine

1 MOM~AE~TS, W. H. F. M. : J. Gen. Physiol. 31, 361 (1948). STRAVB, F. B.: Stud. Inst. Med. Chem. Univ. Szeged 3, 23, 38 (1943). HA~.~'~, R. : Dtsch. Lebensmittel-Rdsch. 49, 153 (1953). GRAU, R., R. HAMM U. A. BAU)/fA~lq: Zit. S. 4, Anm. 1. H~MM, R: Diese Z. 106, 281 (1957).

Page 9: Zur Biochemie der Fleischsalzung

Zur Bioehemie der Fleischsalzung 9

untersehiedliche Bindung yon Kationen bedingt sein kSrmte. Das Na+-Ion des Natriumehlorids wird hier kaum in Betraeht kommen, da naeh unseren Versuehen 1 seine Bindung an das Muskeleiweig nur eine sehr lockere ist. Dagegen kann die Bindung des im Muskel von Haus aus enthaltenen und dessen t tydra ta t ion beein- flussenden Calciums eine wiehtige Rolle spielen. Die in Abb. 2 dargestellten Kurven sind denjenigen recht ~hnlieh, die wit vor und naeh Behandeln des Muskels mit K~tionenaustauschern erhie]ten e, wobei die Kurve des Ca-armen Muskelhomogenates

720

.~ 700

N

.~ go

/ / - s20 L ~

: : ~ d /

r I i r 0

Abb. 2. Ei~/lu/3 der Salzung au/ die pH-AbMingigkeit der Muskelhydratation. 2% NaCI-, 60% H.~0-Zusatz.

Schlachtw~rm gesalzen, 4 Tage gelagert ( e - - e ) ; nach 4 Tagen Abh~ngen gesalzen (© - - -O)

40 ~,o 4: ~ ,7O pH

Abb. 3. Postmortale A'nderung der p~:Abh~ingigkeit der Muskelhydratation. 60% H20-Zusatz. Am Schlachttag

( e - - - - e ) ; nach 4 Tagen AbhSngen (O - - -©)

der des warm vorgesalzenen Fleisches, die des Muskels mit normalem Ca-Gehalt der des kalt gesalzenen Fleisches entspricht. St/~rkere Calciumbindung bedingt eine niedrigere Anzah] an Carboxy]gruppen und damit aueh eine geringere tTvdratation.

Ahnliehe Ver~nderungen auf der atkalischen Seite des I .P . sind beim Abh/~ngen ungesalzenen Fleisehes zu beobachten (Abb. 3). Eine postmortale Hydratat ions- a, bn~hme ist nur auf der ~lkalisehen Seite des I .P . festzustellen. Es tiegt nahe, die hierffir verantwortliehe Abnahme an dissoziierten Carboxylgruppen mit einer un- mittelbar naeh dem Schlaehten zunehmenden Caleiumbindung in Zusammenhang zu bringen 3.

Die Versuehe lassen folgende Sehlfisse zu:

1. Sehlachtwarm vorgesalzenes Fleisch enth~lt mehr dissoziierte sauere Gruppen als entsprechend lange abgeh/~ngtes, kalt gesalzenes Material und ist daher starker hydratisiert.

2. Die Proteine des warm gesalzenen Fleisehes enthalten das Calcium vermutlieh weniger feat gebunden als die des kalt gesalzenen Fleisches.

3. Dureh Zusatz yon NaCI zum sehlaehtwarmen Muskel wird die normale post- mortale Abnahme dissoziierter sauerer Gruppen verhindert.

H.~M~, R.: Zit. S. 8, Anm. 5. H A ~ , 1~.: Fleischwirtschaft 8, 266, 340 (1956).

3 Bei weiterem Abh~ngen nimmt die Menge des nicht gebundenen, dissoziierten Calciums wiederzu: H/~M: R.: FMschwirtschaft 8, 266, 340 (1956).

Page 10: Zur Biochemie der Fleischsalzung

l0 P~. HAMM:

5. Einflufl der Salzung au/ die Chlorionenbindung Nach unseren frfiheren Untersuchungen 1 n immt auf der alkalischen Seite des I. P.

die t t yd ra t a t i on mit der St~rke der Anionenbindung zu. Es w~re daher denkbar, dab die st~rkere W~sserbindung des warm vorgesa]zenen Fleisches teilweise darauf beruht, dal~ die Chlorionen vom Muskeleiwei~ intensiver gebunden werden als im kalt gesalzenen Fleisch. Es kann dies jedoch nicht die entscheidende Rolle spielen, denn eine festere Anionenbhldung mfiBte vor allem eine gegenfiber kalt gesalzenem Fleisch erheblich verminderte Hydr~tat ion auf der saueren Seite des I .P . und eine Verschie- bung des I .P . nach tieferen p~-Werten bewirken. Beides ist nicht der F~ll (Abb. 2). Die Verschiebung des p~-Wertes auf Zusatz yon 2% NaCI (60% H~O-Zusatz) zeigte

t t /

t j~./ • / I / i /

///

I I - - I I I

30 80 /20 ,+00 mi~ 300 Db~iseduuei"

bei Ausgangs-p~-Werten von 3,5, 5,5 und 6,5 zwischen warmer und kalter Salzung keine signifikanten Unter- schiede. Auch dieser Befund spricht nach unseren frfiheren Ergebnissen I da- fiir, dal~ keine unterschiedliche Festig- keit der Chlorionenbindung vorliegt. Die gleiche Fo]gerung miissen wir aus

~ [ . ~ "

i70"G~r der Sel~ndl#n] Abb. 4 Abb. 5

Abb. 4. EinIlu[3 der Salzung auf die Dialysierbarkeit yon C1--Ionen. 2% NaCI-, 60% tt ,O-Zusatz. Schlachtwarm, gesalzen, 4 [[age gelagert, roh (m m) u. denaturiert ( i - - - i ) ; nach 3 Tagen Abh~ingen gesalzen, 1 Tag gelagert

roh ( O - - - - O ) u. deaaturier t ( A - - - A )

Abb. 5. Bin]lu{3 der Salzung au] die Aulnahme yon C1--Ionen dutch ungesalzenes Fleisch. Fleisch: 2%ig. NaC1-Lsg. = 1:4. Sch l ach twarm( i I ) ; 4Tage abgehfingt ( O - - O )

Leitf~higkeitsmessungen ziehen, die wir an warm und kalt vorgesalzenem Fleisch mit und ohne Fremdwasserzusatz durchffihrten. In keinem Fall war ein deut- licher Unterschied in der Leitf~higkeit zu beobachten.

Weiterhin wurde die Ch]orionenbindung durch Dialyse des gesa]zenen Fleisches gegen reines Wasser untersucht (Abb. 4). Hier ergab sich nun ein deutlicher Unter- schied in der Menge dialysierbarer Ch]orionen. Sowohl in rohem als auch denaturier- tern Zustand lassen sich aus kalt gesalzenem Fleisch mehr Chlorionen extrahieren als aus warm vorges~lzenem, Zwei weitere, analoge Versuchsreihen hat ten das gleiche Ergebnis, wenn auch die GrSBe der Differenz bei jedem Fleisch eine andere war. Die erh5hte C1--Dia]ysierbarkeit nach Denaturierung dfirfte darauf beruhen, dab gebundene Ionen dutch die bei Erhitzen eintretende Abnahme polarer Gruppen freigesetzt werden.

Ein dem Dialyseverfahren entgegengesetzter Prozel~ ist die Aufnahme yon C1--Ionen aus einer NaC1-L5sung durch ungesalzenes Fleisch. Wie Abb. 5 zeigt, werden yore schlachtwarmen Fleisch mehr Chlorionen gebunden Ms vom ~bgeh£ngten.

1 HAKIM, R. : Zit. S. 8, Anm. 5.

Page 11: Zur Biochemie der Fleischsalzung

Zur Biochemie der FleischsMzung 11

Um nun zu prfifen, ob das liehe I~olle spielt und ob auch Wirkung des Salzens sehlacht- warmen FMsches mit Natrium- acetat untersueht. Aus den Werten yon Tab. 4 ergibt sich, dab das Na-Acetat im Gegen- satz zum Koehsalz bei gMeher Ionenst/irke und p . die Hydra- tation sehlaehtwarmen FM- sches nieht zu erhalten ver- mag. Die Hydra ta t ion liegt --- bei gleichem pR-Wert - - sogar noch erheblieh tiefer als die- jenige des kalt gesalzenen Fleisches (Tab. 4, Ans~;tze 4 und 6). Diese Tatsache steht mit frfiheren Beobaehtungen im Einklang 1 und ist damit zu erkliiren, dug das Acetation yore Muskeleiweig wesentlich

Aus diesen Versuchen 1/il3t

Chlorion bei dem Vorsalzeffekt in der Tat eine wesent- dem Natriumion eine Bedeutung zukommt, wurde die

Tabelle 4. Vergleich der Vorsalzwir~ung von iVatriumacetat und Natriumchlorid. 60~o H~O-Zusatz, auf gleiche Ionen- sN~rke eingestellt (2% NaC1, 4,61°/o CHsCOONa ). Bei den Ans~tzen 1 - 4 wurde bereits in schlachtwarmem Zustand das gesamte Fremdwasser zugekuttert; bei den Ans~tzen

2 und 6 wurde der pH-Wert mit NaOH eingestellt.

Zugesetztes Salz

6,31 134,0 6,30 132,2 5,70 125,3 5,79 67,6 5,61 64,8 5,78 100,5

Ansatz Nr.

NaCI Na-Acetat NaC1 Na-Acetat NaC1 NaC1

i . Lager- i ! ~ ! dauer

Br~ites

]N ~ Tage

Oebundenes t120 in %

des Fleisches

PreB- Denatu- versuch rierungs-

versuch

97 92

108 88 87 99

sehwiicher gebunden wird als das Chlorion. sich folgern:

1. Die Festigkeit der Chlorionenbindung ist im warm gesalzenen Fleisch etwa die gleiche wie im kalt gesalzenen.

2. Die Anzahl der gebundenen Chlorionen ist im warm gesalzenen Fleisch grSger als im kalt gesalzenen.

3. Die Gegenwart yon Chlorionen ist ffir die Wirkung des Vorsalzens entscheidend. 4. Die Natriumionen spielen bei dem Vorsalzeffekt keine unmittelbare Rolle.

Diskussion der Ergebnisse Schlachtwarm gesalzenes Fleisch besitzt einen Zustand sehr hoher Hydratat ion,

der fiber mindestens 7 Tage nahezu erhalten bleibt. Die Wirkung des Vorsalzens auf den Hydrata t ionsgrad ist urn so geringer, je niedriger der ATP-Gehalt zum Zeitpunkt des Salzens ist. Die starke Hydratat ionsabnahme, die ungesalzenes Fleisch in un- zerkleinertem oder zerkleinertem Zustand post morteln erf//hrt, ist eine Folge des rigor morris. Umgekehrt wird man aus der Aufrechterhaltung der Hydratat ion, wie sie im warm gesalzenen Fleisch gegeben ist, auf ein Ausbleiben oder zumindest sehr abgeschw/~chtes Auf t re~n des in der Regel mit Kontrakt ion verbundenen rigor schliegen mfissen.

Als Deutung der Ursache fiir das Ausbleiben des rigor bei Zusatz yon NaC1 unmittelbar nach dem Schlachten bietet sich auf Grund der Ergebnisse vorliegender Arbeit folgende Vorstellung an: ATP vermag nach unseren frfiheren Untersuchungen 2 das im Fleisch entha]tene Calcium zumindest teflweise komplex zu binden. Dieses Calcium wird durch den ATP-Abbau freigesetzt und yore Muskeleiweil~ gebunden (4), s, auf welches es dehydratisierend wirkt 4. Setzt man nun schlachtwarmem Fleisch

HAM~, R.: Fleischwirtschaft 7, 196 (1955). 2 ttAM~, R. : Zit. S. 3, Anm. 1. s Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf die Nummern der unter ,,Versuchsergebnisse"

stehenden Abschnitte. H A ~ , R. : Naturwiss. 42, 394 (1955).

Page 12: Zur Biochemie der Fleischsalzung

12 R. H~M:

NaC1 zu, so wird die dureh Gegenwart yon ATP gegebene krgftige Hydratation durch Bindung yon Chlorionen waiter erhSht. Da dutch die stark aufgelockerte Struktur des sehlaehtwarmen Muskels mehr polare Gruppen zug~nglich sind, als in einen oder mehrere Tage altem Gewebe, vermag dieses mehr Chlorionen zu binden (5). Diese Chlorionen stabilisieren den Hydratationszustand (weiter Abstand entgegen- gesetzter Ladungen, AbstoBung der gleichsinnig geladenen, gebundenen Ionen) und die loekere Struktur. Das dureh dan nunmehr einsetzenden ATP-Abbau freiwerdende Calcium und Zink vermag die wait auseinanderliegenden, hydratisierten Peptidketten aus energetischen Grfinden nieht mehr zu vernetzen und wird daher nieht so fest in das EiweiB eingebaut, wie as im sa]zfreien Muskel geschieht (4). Damit wird der ffir die postmortale Dehydratation offenbar entscheidende Vorgang verhindert, die ]-Iydra- tation bleibt erhalten.

In diesem Zusammenhang sind die Ergebnisse von BOZL~ 1 yon Interesse, wonach Muskel- fasern durch ATP im Sinne einer Weiehmaehung ,,ehemisch ver~ndert" werden, dieser Zustand nach Auswasehen des ATP gewisse Zeit erhalten bleibt und durch Zusatz yon Ca ++ wieder auf- gehoben werden kann (Kontraktion).

Die hydratisierende Wirkung des ATP ist mit seiner Weiehmacherwirkung auf den Muskel verkniipft. Eine wiehtige Rolle dfirfte aueh hier die Calciumbindung spielen ~. Es sei jedoch betont, dab wit ]ediglieh die Weichmacherwirlcung mit einer Eliminierung des Muskelcalciums erklgren, nicht aber die Actomyosindissoziation, die wir in diesem Zusammenhang noch nieht studiert haben. Durch Zusatz yon NaC1 zu sehlacht- warmem Fleiseh bleibt der weiehe, hydratisierte Zustand erhalten, aueh wenn ATP bereits abgebaut ist (2). Bemerkenswert ist nun, dab in Gegenwart yon NaC1 eine Weiehmacherwirkung bzw. eine Verhinderung der Entquellung unter Kontraktion oder Kontraktur gegeben ist, obwohl das zunaehst unter dam EinfluB des ATP dissoziiert vorliegende Actomyosin beim ATP-Abbau assoziiert (3). Es erscheint uns daher notwendig, Actomyosindissoziation einerseits und Weiehmachereffekt anderer- seits, die man gewShnlich als zwei sich gegenseitig bedingende Faktoren betrachtet, als getrennte Vorg£nge anzusehen, wobei der letztere der unspezifischere, in erster Linie auf Hydratationssteigerung beruhende Effekt sein dfirfte. Es konnte his jetzt noah nieht bewiesen werden, dab eine Actomyosindissoziation Voraussetzung fiir die Weichmacherwirkung ist. Wie unspezifisch letztere sein kann, zeigte z. B. HAY•SHI 2, der ATP-freie Actomyosinfgden allein durch ErhShung der Ionenst/~rke zur Er- sehlaffung brachte. Die dnreh ATP hervorgerufene Kontraktion kann nach VANO ~ dutch Zusatz yon Neutralsalzen wieder aufgehoben werden.

Eine Assoziation des Actomyosins braucht also - - eine gewisse hohe Ausgangs- hydratation vorausgesetzt - - nicht zwangsl/~ufig zu einer Dehydratation fiihren. Hier ist die Vorstellung yon SZEI~T-GY6RGYI ~ bemerkenswert, dab die erste Stufe der Aetomyosinkontraktion in der Bildung yon nicht kontrahiertem, hydratisiertem Actomyosin besteht. Erst in der zweiten Stufe soll eine Umwandlung dieses Systems in die dehydratisierte-kontrahierte Struktur erfolgen. Offenbar wird durch sehlacht- warmes Sa]zen nut die zweite Stufe gehemmt. Der Grund hierffir wurde oben er6rtert.

Da der pH-Wert vonwarm vorgesalzenem Fleisch stets hSher als der yon kalt gesalzenem ist (1), liegt die Annahme nahe, dab sieh im ersteren Fall weniger Milchsiiure gebildet hat, dab also die Glykolyse durch lqaC1 etwas gehemmt wird. Wenn wir auch keine Milehsi~urebestimmungen vorgenommen haben, so halten wir es doeh fiir unwahrscheinlich, dab eine solehe Beeinflussung

i BOZLEt¢, ]~.: Amer. J. Physiol. 168, 760 (1952). HAYASHI, T.: Zit. bei H. H. WEBEt¢ U. t~. PORTZEKL. Zit. S. 3, Anm. 2.

s Vn~o, H.: Tokyo Iklikai Med. J. 68, 436 (1953); ref. in Chem. Zbl. 1955, 5832. 4 SZE:NT-GYSI~GYI, A.: Zit. S. 4, Anm. 6. 5 I~AMM, 1~.: Zit. S. 3, Anm. 1.

Page 13: Zur Biochemie der Fleischsalzung

Zur Biochemie der Fleisehsalzung 13

der Glykolyse gegeben ist. Die naeh 1 Tag eingetretene Abspaltung yon ATP-PhoSphor, die nach dem Emden-Meyerhof-Schema der Glykolyse die primate, die Geschwindigkeit der Glykolyse bestimmende Reaktion ist 1, wird durch NaCl nicht beeinflul~t (2). Wir mSehten vielmehr annehmen, dal] das warm vorgesalzene Fleiseh infolge der grSl3eren Anzahl verffigbarer dissoziierter Gruppen die freigesetzte Michsaure starker abpuffert. Das gleiche gilt fiir den Umstand, dall der pH-Wert in zerkleinertem Fleisch weniger stark absinkt als in unzerkleinertem (4).

Die hier gegebene Deutung des rigor morris und der Wirkung schlaehtwarmen Salzens bedarf natiirlieh in einigen Punkten noch einer griindliehen experimentellen Nachpriifung. Sie seheint uns jedoch ftir das Studium der laostmortalen Ver/tnderun- gen des Fleisehes zun~ichst eine geeignete Arbeitshypothese zu bieten.

Es ist seit langem bekannt, dal3 Polyphosphate infolge ihrer dissoziierenden Wirkung auf Aetomyosin die AuflSsung der strukturellen ){uske]proteine in Puffer- 15sungen besehleunigen 2. Verschiedene Autoren ftihren die Wirkung der Phosphate bei der Brtihwurstherstellung auf diesen Effekt zuriiek. Bei Zusatz yon NaC1 und Zerkleinerung soll in Gegenwart yon Polyphosphat Actomyosin in verst/trktem Mail in LSsung gehen, und dieser Vorgang soll zu der dichten SfruktuY: des denatu- rierten Br/ites beitragen s, ja, man behauptet sogar, dal3 dies fiir so starke Effekte, wie sie Phosphate bei der Brfih~mrstherste]Iung hervorrufen, der entscheidende Faktor sei 4. Die vorliegende Arbeit zeigt, dal~ das letztere nicht zutrifft. Durch Salzen schlachtwarmen Fleisehes wird die L5sliehkeit der Proteine kaum beeinfluIlt (3), die Hydra ta t ion des Muskels und die Qualit£t der Briihwurst hingegen sind die n~m- lichen, wie sie bei Zusatz yon Polyphosphat zu kalt gesalzenem Fleiseh erzielt werden, z. T. sogar noch besser 7. Ausschlaggebend ftir die Herstellung einer guten Brfihwurst ist somit lediglich der Quellungs- bzw. Hydratat ionszustand des Mnske]eiweil]es, nicht die Dissoziation und LSslichkeit des Aetomyosins. Sowohl NaC15 als auch Polyphosphate 6 vermSgen die Hydra ta t ion der Muskelproteine zu erhShen.

Mit dem Que]lungszustand des Fleisches aufs engste verknfipft ist der EinfluB der Zerkleinerung. St~rk hydr~tisiertes Fleisch (warm vorgesalzenes) wird wesentlieh intensiver zerkleinert als schwach hydratisiertes 7. Die feinere Zerkleinerung wiederum hat eine weitere Steigerung der Hydra ta t ion gegenfiber dem Fleiseh geringerer Quellung (kalt gesalzen) zur Folge. Wenn also aueh hinsichtlieh der Zerkleinerung der Quellungszustand des Muskeleiweil~es ftir die Herstellung einer gut gebundenen Wurst mal3gebend ist, so w~re es doeh denkbar, dal~ die intensivere Zerkleinerung ein verst/~rktes tIerauslSsen des Actins bewirkt und dal3 das aus dem Zellverband gelSste Aetomyosin die Besehaffenheit des Br£tes bestimmt. Durch Anwendung kr~.ftig extrahierend wirkender Phosph~tpuffer ]~i3t sich tats£chlich ein Zusammen- hang zwischen Zerkleinerungsgrad und ActinlSslichkeit naehweisen (3) (T~b. 3). Vergleieht man jedoch die naeh 4 Tagen Lagerung erhaltenen Werte mit der Protein- 15slichkeit am Sehlaehttag, so zeigt sich, dal3 der Effekt nur relativ gering ist. Unter Extraktionsbedingungen, wie sie den in der Briihwurst herrschenden Verh~ltnissen entspreehen (Verfahren A), ist er kaum noch nachweisb~r. Diese Ergebnisse sind eine

1 NEEDIIA~I, I). •.: Biochemic. J. 36, 113 (1942). D~BVlSSO~, M. : Biochim. et Biophysica Aeta (Amsterdam) ~, 489 (1950). - - I-IASSEL~ACtt,

~7., H. P. HOFSCHNEIDEI%, E. KASPEI~ U. R. LIYTZ: Z. Naturforsch. 8b, 204 (1953). 3 BENDALL, J. R.: J. Sci. Food Agrie. 19~4, 468. - - SWIFT, C. E., u. R. ELLIS: Food Technol.

10, 546 (1956). a KOTTER, L, tl. O. PR~;DL: Fleisehwirtschaft 8, 688 (1956). - - Arch. Lebensm. Hyg. 7,

Nr. 19/20 (1956). 5 i I A ~ , R. : Zit. S. 8, Anm. 5. 6 GRAU, R., R. ]:IAMM U. A. BAUMA~: Naturwiss. 40, 535 (1953). 7 H ~ , R.: Zif. S. 2, Anm. 1.

Page 14: Zur Biochemie der Fleischsalzung

14 R. HAMM: Zur Biochemie der Fleischsalzung

experimentelle Best~tigung der Vorstellung MIALKIsl: ,,Die prim~re mechanische Einwirkung der Kutterwerkzeuge l~Bt nicht erwarten, dab die Molekfilketten so grfindlich zerstSrt werden, dab eine LSsliehkeit im Sinne der Bfldung einer Gel- LSsung, gesehweige denn einer Sol-LSsung eintreten kann. - - Die zerkleinerte Masse bleibt Fleiseh, aber sie hat eine strukturelle Umwandlung erfahren. Die UnlSslichkeit bleibt, aber die Quellf~higkeit ist gewaehsen."

Zusammen/assung Am Schlaehttag gesalzenes Fleisch besitzt ein hohes WasserbindungsvermSgen,

das mindestens 7 Tage nahezu erhalten bleibt. Solches sehlaehtwarm gesalzenes und dann gelagertes Fleiseh zeigt eine weir h5here Hydratat ion als Fleiseh, das naeh entspreehend langer Abh/ingezeit gesalzen wird. Eine Untersuchung fiber die Ur- sache dieses praktiseh wiehtigen Vorsalz-Effektes zeigte folgende Ergebnisse :

1. Der gegenfiber kalt gesalzenem Fleisch hShere l%-Wert des schlachtwarm gesalzenen Materials, der vermutlich auf die sti~rker puffernde Wirkung des Muskel- eiweil~es zurfiekzufiihren ist, ist nicht die alleinige Ursaehe des Vorsalz-Effektes.

2. Ffir die Wirkung des Vorsalzens ist es entscheidend, dab zum Zeitpunkt der Salzung eine genfigende ATP-Menge vorhanden ist. Der ansehliel~ende ATP-Abbau (nach 2¢ Std und liinger) wird dureh NaC1 nicht gehemmt, vermag aber im Gegensatz zum NaCl-freien Fleiseh keine wesentliche Hydratationsabnahme zu bewirken.

3. Hinsichtlich der ProteinlSslichkeit in PufferlSsungen besteht zwischen warm vorgesalzenem und kalt gesalzenem Fleiseh kein wesentlieher Untersehied. Dies gilt auch fiir Untersuehungen unter den fiir Brfihwurst geltenden Bedingungen.

4. In Proteinextrakten sehlaehtwarmen Fleisehes liegt infolge der Anwesenheit yon ATP alles Actomyosin in dissoziierter Form vor; diese Dissoziation ist die Vor- aussetzung fiir die leiehte Extrahierbarkeit. 4 Tage nach dem Sehlachten hingegen (aber aueh sehon naeh 1 Tag) ist die LSsliehkeit des Actomyosins infolge ATP-Abbaues stark verringert. Das extrahierte Aetomyosin liegt - - ebenfalls infolge der Abwesen- heir yon ATP - - im Extrakt in undissoziierter Form vor.

5. Der intensive Zerkleinerungsgrad warm vorgesalzenen Fleisehes bedingt eine gegenfiber kalt gesalzenem Fleiseh etwas erhShte Aetin-LSsliohkeit.

6. Sehlaehtwarm gesalzenes Fleisch enthglt mehr dissoziierte sauere Gruppen als entspreehend lange abgehgngtes kalt gesalzenes Material und ist daher stgrker hydratisiert. Es hgngt dies vermutlieh damit zusammen, dab die Proteine des warm gesalzenen Fleisehes Calcium weniger lest gebunden enthalten als die des kalt ge- salzenen Fleisehes. Durch Zusatz yon NaC1 zum sehlaehtwarmen Muskel wird die norma]e postmortale Abnahme dissoziierter sauerer Grnppen verhindert.

7. Die Festigkeit der Chlorionenbindung ist im warm gesalzenen Fleiseh etwa die gleiehe wie im kalt gesalzenen. Die Anzahl der gebundenen Chlorionen hingegen ist im ersteren Fall gr61~er als im ]etzteren.

8. Die Gegenwart yon Chlorionen ist fiir die Wirkung des Vorsalzens entseheidend, wghrend die Natriumionen des NaCI hierbei keine unmittelbare l%olle spielen.

9. Der Einflul~ yon Polyphosphatzusatz auf die ProteinlSsliehkeit und Acre- myosindissoziation ist unter den angewendeten Extraktionsbedingungen gering. Polyphosphat fibt auf gel6stes Aetomyosin eine stark hydratisierende Wirkung aus, dagegen seheint der Einflul~ auf Myosin nur gering zu sein.

MIAL~I, W.: Chem.-Ing.-Techn. 2a, 137 (1953).

Page 15: Zur Biochemie der Fleischsalzung

R. J. PELTONEN U. a. : Vergleiehende papierehromatographisehe Identifizierung der Weine 15

10. Hins ich t l ich der W i r k u n g des A T P auf den Muskel s ind Actomyosindisso- z ia t ion und Weichmachere f fek t als zwei ge t rennte Vorg/~nge zu be t rach ten , wobei der le tz tere Ef fek t der unspezffischere ist.

11. Ausschlaggebend fiir die Hers te l lung einer gu ten Brf ihwurs t is t lediglich der Quellungs- bzw. H y d r a t a t i o n s z u s t a n d des Muskeleiweil3es, n ich t die Dissozia t ion und LSsl ichkei t des Actomyosins .

Auf Grund dieser Ergebnisse werden Vors te l lungen zur Deu tung des rigor mort is und des Vorsalzeffektes entwickel t .

Vergleichende papierchromatographische Identifizierung der Weine

Von

RISTO J. PELTON]~N~ ~IAI~3~ KITUNEN und HEIKKI SUOMALAINEN

Mitteilung aus den Forschungslaboratorien des Staatlichen Alkoholmonopols, Helsin~i, Finnland

Mit 3 Textabbildungen

(Eingegangen am 3. Mai 1957)

Die Trennung der verschiedenen Weine bzw. der verschiedenen Jahrg~nge des- selben Weines durch chemische Kr i t e r i en h a t oft grol3e Schwier igkei ten geboten. Die gewShnliche chemische Ana lyse ergibt meis tens nur solche Unterschiede, nach welchen sichere SchluBfolgerungen n icht mSglich sind. Ebenso ist es mi t der Ge- schmacks- und Geruchspri i fung. Deswegen ha t m a n versucht , in den Weinen eine S tof fgruppe zu f inden, deren Zusammense tzung yon einem Wein zum anderen var i ie r t und die sich auch in kle inen Konzen t r a t i onen nachweisen ]assen wiirden, so dab die Unte r sche idung der verschiedenen W e i n p a r t i e n mSglich w//re. F t i r unsere Zwecke erwiesen sich die Aminos/ iuren, deren A n a l y t i k zur Zeit sehr en twicke l t ist, als am zweckm/~Bigsten. Auch die Aminos/~urezusammensetzung der Weine is t un te r such t worden, und nach den e rha l tenen Resu l t a t en schien es mSglich, ihre chromatogra- phische Ana lyse als Grundlage fiir die vergleichende Ident i f iz ie rung der Weine heranzuziehen.

:Die erste Untersuchung, in der die Aminosguren der XYeine papierchromatographisch be- stimmt wurden, ist, soweit uns bekannt ist, diejenige yon SISAKYAN nndBEzlNG:E~ 1. Sie haben in georgischen Kakhet-Weinen Glutaminsgure, Alanin, Valin und Prolin identifiziert nnd haben dazu kleinere Mengen yon Asparagins/~ure, Serin und Threonin festgestellt. Die Gegenwart vort Phenylalanin blieb unsieher. In Traubens/~ften haben VALAISE und DVFO~T ~ yon den oben- genannten nur Alanin, Prolin undValin gefunden, dazu aber auch Glykokoll, Tyrosin und Leucin oder Isoleucin.

Die umfassendste papierchromatographisehe Untersuchung tiber Aminos~uren der Weine stammt yon Lt~THI und VETSCH 3. Die Autoren haben vermittels eindimensionuler Papierchroma- tographie yon Schweizerweinen 15 Aminos/~uren, d.h. alle vorhergenannten und dazu noeh y-Aminobutters/~ure, Arginin und Histidin identifiziert. Sie haben deutliehe Unterschiede in der Aminos~urezusammensetzung der verschiedenen Weine naeh den Jahrgangen und dem Stiekstoff- gehalt der Erde der Kulturgebiete festgestellt. Die bekanntlieh kleine ErhShung des Aminos~ure-

SlSXKYA~, N. M., u. E. N. BEZlNGER: Doklady Akad. Nauk SSSt~ 69, 573 (1949); ref. Chem. Abstr. 45, 7745 (1951).

V~AISE, H., u. G. DePorT: Industr. agr. et aliment. 68, 245 (1951). 3 LtYTm, H., u. U. VETSC~: Sehweiz. Z. Obst- u. Weinbau 61, 390, 405 (1952); Deutseh.

Weinbau, Wissenseh. Beih. 7, 3, 33 (1953).