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484 Winkler : Zur Frage der Neugestaltung des titrimetrisehen Systems. Herr F r a n z M t~11e r in Bonn (vormals Dr. G e i s s 1e r's Fabrik) fertigt s~tmmtliehe Glastheile in sehr sorgfaltiger Ausftihrung ft~r einen Preis yon 50 Mark. Zur Frage der ~eugestaltung des titrimetrisehen Systems. ¥on Clemens Winkler. Die durch dis Einbargerung einer neuen Ansehauungsweise bedingte VerSnderung der ehemischen Werthe, welche bislang auf dem Gebiete der Maassanalyse durchaus noeh nicht die gebt~hrende W~rdigung ge- funden hat, veranlasste reich vor einiger Zeit, eine Umgestaltung des titrimetrischen Systems anzuregen. Auf Grund sorgf~ltiger und ge- wissenhafter Erw~igung und in dem Streben, sowohl den Wirkungswerth der Maassfl%sigkeiten, wie auch die far die Untersuehung zu verwen- dende Substanzmenge in mSgliehsten Einklang mit der der titri- metrischen Operation zu Grunde liegenden Formelgleiehung zu bringen, schlug ieh vor~ an Stelle des Aequivalentgewiehtes des Wasserstoffs dessert Moleeulargewicht als Einheit einzusetzen und die dem letzteren ~quivalente ~enge Titersubstanz in Orammen ausgedraekt als deren -~Normalgewieht<< zu bezeichnen. Das ~Normalgewicht einer Substanz znm tibliehen Normalvolumen yon einem Liter gelSst, ergab dann die NormallSsung. Ein titrimetrisehes System mit soleher Grundlage gewghrt in mehr als einer Hinsieht Vortheile, unter denen nur foIgende hervorgehoben werden mSgen : 1) Die Mehrzahl der titrimetrisehen Methoden grtindet sioh auf die ehemisehe Umsetzung zwisehen ein- und zweiwerthigen Elementen, wghrend Elemente yon hSherer Werthigkeit so gut wie nieht in Betraeht kommen. Die Volumversehiedenheit wird aber fast ein- flusslos, wenn man sieh der ~Normalgewiehte, als yon dem doppelten Atomgewieht des einwerthigen Wasserstoffes abgeleitet, bedient, denn es entspreehen dieselben mit wenigen geringft~gigen Aus- nahmen den thatsgehlieh in den Umsetzungsproeess eintretenden Substanzmengen, so class also zwisehen dem Formelwerth tier Titersubstanz und dem Wirkungswerthe tier Titerittissigkeit Ueber- einstimmung besteht.

Zur Frage der Neugestaltung des titrimetrischen Systems

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484 Winkler : Zur Frage der Neugestaltung des titrimetrisehen Systems.

Herr F r a n z M t~ 11 e r in Bonn (vormals Dr. G e i s s 1 e r 's Fabrik) fertigt s~tmmtliehe Glastheile in sehr sorgfaltiger Ausftihrung ft~r einen Preis yon 50 Mark.

Zur Frage der ~eugestaltung des titrimetrisehen Systems.

¥on

Clemens Winkler.

Die durch dis Einbargerung einer neuen Ansehauungsweise bedingte

VerSnderung der ehemischen Werthe, welche bislang auf dem Gebiete der Maassanalyse durchaus noeh nicht die gebt~hrende W~rdigung ge- funden hat, veranlasste reich vor einiger Zeit, eine Umgestaltung des titrimetrischen Systems anzuregen. Auf Grund sorgf~ltiger und ge- wissenhafter Erw~igung und in dem Streben, sowohl den Wirkungswerth der Maassfl%sigkeiten, wie auch die far die Untersuehung zu verwen- dende Substanzmenge in mSgliehsten Einklang mit der der titri- metrischen Operation zu Grunde liegenden Formelgleiehung zu bringen, schlug ieh vor~ an Stelle des Aequivalentgewiehtes des Wasserstoffs dessert Moleeulargewicht als Einheit einzusetzen und die dem letzteren

~quivalente ~enge Titersubstanz in Orammen ausgedraekt als deren -~Normalgewieht<< zu bezeichnen. Das ~Normalgewicht einer Substanz znm tibliehen Normalvolumen yon einem Liter gelSst, ergab dann die NormallSsung.

Ein titrimetrisehes System mit soleher Grundlage gewghrt in mehr als einer Hinsieht Vortheile, unter denen nur foIgende hervorgehoben werden mSgen :

1) Die Mehrzahl der titrimetrisehen Methoden grtindet sioh auf die ehemisehe Umsetzung zwisehen ein- und zweiwerthigen Elementen, wghrend Elemente yon hSherer Werthigkeit so gut wie nieht in Betraeht kommen. Die Volumversehiedenheit wird aber fast ein- flusslos, wenn man sieh der ~Normalgewiehte, als yon dem doppelten Atomgewieht des einwerthigen Wasserstoffes abgeleitet, bedient, denn es entspreehen dieselben mit wenigen geringft~gigen Aus- nahmen den thatsgehlieh in den Umsetzungsproeess eintretenden Substanzmengen, so class also zwisehen dem Formelwerth tier Titersubstanz und dem Wirkungswerthe tier Titerittissigkeit Ueber- einstimmung besteht.

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2) Bei Anwendung der Normalgewiehte warden NormallGsungen die doppelte Stgrke der bisher ablieh gewesenen erhalten. Man ge- langt jedoeh zu aberaus passenden, entsehieden zweckmgssigen Con- eentrationen, wenn man durehweg mit Zehntel- oder I-Iundertel- NormallGsungen arbeitet, deren St~rke mithin nut dem ffinften Theil der bisher angewendeten entspreehen wt~rde. Bei der Em- pfindiiehkeit der ffir die Neutralisationsanalyse gebrauchten In- dieatoren oder bei der eminenten Sehgrfe der Jodstgrkereaetion . ist beispielsweise eine 1/lo-Normalsehwefels~ure mit 9,8 g }I~ SOa, oder eine 1/loo-JodlGsnng mit 2,54~ .q Jod im Liter, wie ieh solehe zur Anwendung empfohlen babe, vollkommen ansreichend, w~thrend dem jetzt t~bliehen System entspreehend eine Normall8sung mit 49 g tI 2 80~ und eine 1/~o-NormallGsung mit 12,7 g Jod im Liter zur Benutzung gelangt. Nan verwendet in ehemisehen Fabriken Jodl/~sung nut in besehr~inktem Grade, weil sie als zu theuer gilt; man klagt tiber die Veranderliehkeit der Normalkalilauge, tiber ihre Neigung, Kohlensgure anzuziehen, ja fiber den Angriff, den sie auf Stand- und Naassgefgsse ansttbt; man sieht sieh beim Titriren kohlen- saurer Alkalien dureh das eintretende-kufbrausen gest~rt, sogar hinsichtlieh der Genauigkeit beeintrgehtigt und vermag doeh alle diese Uebelstgnde zu beseitigen und nieht allein riehtiger, sondern auch eleganter zu arbeiten, wenn man die Concentration der Naass- flfissigkeiten abmindert.

3) Die fttr jede Untersuehm~g abzuw~gende Substanzmenge, welehe ja auch dem titrimetrisehen System angepasst sein soll, derart, dass die verbrauchten Cubikeentimeter Titerflttssigkeit gleieh den Pro- eentgehait angeben; sie war bisher eine ganz unnt~tz grosse, wfirde abet bei Anwendung des yon mir aufgestellten Systems eine sehr angemessene Verminderuug erfahren. Es sei gestattet, hierzu noeh Folgendes zu bemerken: Wohl verwendet man heutzutage nieht mehr, wie Fr . ~ l o h r dies

dem ursprfigliehen titrimetrisehen System entspreehend vorsehreibt, bei'- spielsweise Nr eine Sodauntersuehung 5,3 g Substanz, sondern man hilft sich dutch Abw~tgen einer geeigneten grGsseren Sodamenge, AuflGsen derselben und Yerdfinnen zu einem bestimmten Volumen, yon welehem man dann einen geeigneten Theil mit der Pipette abhebt (vergleiehe G. L u n g e , Tasehenbueh far die Sodafabrikation 142). Diese Art zu arbeiten ist ja aueh vollkommen riehtig und zul~ssig, ja, sie ist sogar

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sehr bequem ft~r Denjenigen, der ganze Reihen gleiehartiger Unter- suchungen durehzufiihren hut; wenn es sich aber darum handelt, den L er n e n d e n mit dem Wesen der Maassanalyse vertraut zu maehen, ibm jene Selbstst~indigkeit des Denkens und Handelns anzueignen, deren er bedarf, wenn er nicht zum Selaven -con Reeept und Schablone werden soll, so erweist sich ein far alle F~ille zutreffendes titrimetrisehes System, wie es das yon mir ausgearbeitete zweifellos ist, als ungemein nutz- bringend. Die Erfolge, die ieh im Laufe der letzten ftinf bis seehs Jahre bei Anwendung desselben erzielt habe, sind geradezu ausgezeich- nete zu nennen un~ racine Sehaler versichern - - obwohl sieh viele der-

selben bereits anderw~rts mit Maassanalyse beseh~ftigt hatten - - ein- stimmig, dass ihnen mit Anwendung dieses Systems nieht allein volle Klarheit im eng saehliehen Sinne gekomme'n sei, sondern dass dasselbe

geradezu zur Befestigung ihres allgemeinen theoretisehen Verstiindnisses beigetragen babe.

Trotz dieser Erfolge und obwohl ieh yon der Zweekmiissigkeit des yon mir aufgestellten titrimetrisehen Systems durehdrungen bin, habe ieh reich entsehlossen, dasselbe wieder aufzugeben und kanftig als ehemische Einheit nicht mehr das Moleculargewicht, sondern das A t o m- g e w i c h t d e s W a s s e r s t o f f e s zu benutzen. Ieh beziehe reich hier- bei auf die Abhandlung yon W. F r e s e n i u s * ) , welehe meinen ¥or -

sehlag zum Gegenstande sachlieher Er6rterung macht und in welcher zwar der Herr Ve~asser in Uebereinstimmung mit mir das Festhalten an der "¢eralteten Aequivalentenlehre als einen begriffverwirrenden, Lehr- und Lernersehwerniss mit sieh bringenden Missstand anerkennt, gleieh- zeitig aber auch Bedenken gegen die Aufstellung eines neuen titri- metrischen Systems erhebt. Yon diesen Bedenken muss ieh das eine als begrtindet anerkennen; dasselbe betrifft die Gefahr, welche in der Ein- ft~hrung einer durchaus ver~nderten Normaleoncentration neben der be- reits bestehenden, festeingebargerten liegt; den Vorwurf, dass dureh meinen Vorsehlag unliebsame Missverst~indnisse und Irrtht~mer entstehea ]~6nnten, mSehte ieh auf keinen Fall auf reich laden und so entseheide ieh reich denn aus Zweekmiissigkeitsgranden far das meiner Ansieht naeh Unzweekm~issigere, reich mit der Gewissheit begnagend, dureh mein ~v'orgehen wesentlieh zur Kl~rung der Angelegenheit beigetragen zu haben.

F r e ib e r g, Saehsen, Laboratorium der K6niglichen Bergakademie, den 15. Juni 1886.

*) Diese Zeitschrift 25, 205.